Nach langer Sommerpause geht es nun weiter mit dem Bericht 😎 Und zwar mit dem 2.9.2021, dem 18. Tag seit meinem Start in Susuman. Der Wildnistrip ist jetzt also genau ein Jahr her! Das macht es auch für mich spannend, ihn noch einmal durch das Niederschreiben der Geschehnisse nachzuerleben, denn ich wäre diesjahr gerne wieder zu so einer Tour aufgebrochen...
Ich befinde mich am Nordende des großen Darpir-Sees, der auf 800 m Höhe eingebettet in einer malerischen Gebirgslandschaft liegt. Zwei Wochen ist es schon her, als ich den letzten Fahrweg verließ, um in diese grandiose Bergwildnis einzutauchen. Seither traf ich nur einmal Menschen – Wissenschaftler, die sich an der Basis Momontaj am gleichnamigen See eingerichtet hatten...
Beim Überqueren der beiden Darpir-Seen hatte ich bisher nur graues Herbstwetter... Ob es heute zum Abschluss der Bergseen-Etappe noch einmal ein anderes Licht geben wird? Der erste Blick aus dem Zelt war nicht besonders vielversprechend: dicke Nebelschwaden waberten über den See und verhüllten die Sicht auf die umliegenden Ufer. Dazu -4 Grad und Reif – nicht gerade verlockend, um früh in den Tag zu starten. Doch dann lichtet sich die trübe Suppe und lässt erste Sonnenstrahlen auf die gegenüberliegenden Bergflanken fallen.

Jetzt hält mich nichts mehr im Zelt. Flugs schnappe ich meine Kameras und steige den Berghang hinauf, um diese fantastische Morgenstimmung aus der Höhe einzufangen. Mit Auflösung des Nebels offenbart sich mir ein traumhafter Blick auf die Bergkette des Ulachan-Tschistai, deren Gipfel etwas Neuschnee abbekommen haben (der höchste in der Mitte ist laut Karte 2457 m hoch).

Blick nach Norden in den Ausfluss des Sees. Hier beginnt der Darpir-Sien und mit ihm meine finale 400 km lange Raftingetappe.


Von hier oben sehe ich auch schon die Hüttenbasis, in der sich vor 12 Jahren der Landschaftsfotograf Sergej Karpuchin für ein paar Tage einquartierte, bevor er wieder zurück zum Ausgangspunkt seiner Fotoexpedition ging. Ob da noch jemand ist? Damals wohnte in diesem letzten Außenposten menschlichen Treibens ein Fischer namens Egor...

Gegen Mittag begebe ich mich schließlich auf das Wasser, das jetzt bei absoluter Windstille wundervoll spiegelt.


An der Hüttenbasis lege ich natürlich einen Zwischenstopp ein, um mir ein Bild vom aktuellen Zustand zu machen. Mein erster Eindruck: verwahrlost und vergessen – hier wohnt sicher niemand mehr...

Das Haupthaus (rechts) sieht nicht besonders einladend aus. Das Dach des Vorraums ist offen, ansonsten scheint die Hütte aber noch in Benutzung zu sein.


In einem deutlich besseren Zustand ist das Badehaus dahinter...


Unweit der Hütte sehe ich aus der Ferne noch einmal die alte Kettenfahrzeugspur... An Stellen ohne Vegetation und Erosion bleibt sie wohl über Jahrzehnte sichtbar, auch wenn dort schon lange keiner mehr fährt.

Auf den ersten Kilometern schlängelt sich der Darpir-Sien flott an kargen Berghängen vorbei. Viel Wasser hat der Fluss noch nicht, es kommt wiederholt zu Grundberührungen. Er ist aber nie so flach, dass ich aussteigen muss.

Dann weitet sich das Tal, der Flusslauf wird träger, zuweilen auch richtig still wie ein See mit sumpfigen Ufern.

Über lange Strecken lasse mich einfach treiben und genieße die herrliche Szenerie. Es ist die bisher schönste Etappe der Tour!


Auf einmal höre ich ein Brummen und sehe vor mir etwas großes Braunes durch den Fluss schwimmen. Ein Bär? Sicher ein Bär! Dazu noch ein schlecht gelaunter... Ich spüre, wie mein Puls nach oben schnellt und sich all meine Sinne in Alarmbereitschaft versetzen. Nach der haarsträubenden Begegnung am See Momontaj gehe ich jetzt ständig vom schlimmsten Szenario aus... Doch wo ist er jetzt? Eben habe ich ihn doch noch gesehen!? Ist er ans Ufer gegangen oder weiter flussabwärts geschwommen? Konzentriert suchen meine Blicke die Umgebung ab. Er ist weg, ganz plötzlich. Wahrscheinlich hat er sich nur murrend verdrückt, um mir aus dem Weg zu gehen...


Irgendwann nimmt das Flussgefälle und die Fließgeschwindigkeit wieder zu und ich gleite noch bis in den Sonnenuntergang durch eine epische Berglandschaft.


Nach 13 km auf dem Darpir-Sien kommt von links träge und tief der Darpir-Jurjach hinzu. Dieser ist nun Namensträger der folgenden 30 Flusskilometer.

Ein kleines Stück noch lasse ich mich von der Strömung mitnehmen – bis ich an den Fuß eines steinigen Berghangs gelange.

Hier schlage ich mein Zelt auf und genieße den freien Blick auf den sternenklaren Nachthimmel.


Am nächsten Morgen begrüßt mich wieder schönstes Spätsommerwetter. Mehr als 20 Grad wird es heute noch einmal geben.


Starbereit für die nächste Flussetappe.

In der Planungsphase hatte ich auf den Satbildern schon gesehen, dass es nun etwas schwieriger werden könnte.. denn hier teilt sich der Fluss vorübergehend in mehrere kleine Wasserläufe auf, so dass ich mehrfach aussteigen muss, um mein Boot durch die Flachwasserstellen ziehen zu können. Dabei folge ich immer dem Kanal, der das meiste Wasser führt, im Zweifelsfall dem, der mehr in der Mitte verläuft. Doch dann sehe ich, dass sich die Nebenarme rechts von mir wieder zu einem paddelbaren Hauptstrom vereint haben. Also trage ich Gepäck und Boot rüber, um weiteren Abrieb am Bootsboden zu vermeiden.


Zwischendurch passiere ich die Eisreste eines Naleds (in gewisser Weise ein Flussgletscher, der sich im Winter in solchen Flachwasserbereichen bildet und im Sommer nur teilweise wegtaut)

Als der Flachwasserbereich endet, erspähe ich am fernen Taigaufer eine einsame Blockhütte. Überraschend, da ich hier eigentlich keine Hütte mehr erwartet hatte...


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