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Prolog
Die Idee für eine 600 km-Kanutour auf den Flüssen Eg und Selenge in der Nordmongolei entstand schon vor ein paar Jahren, aber so richtig konkret wurde es erst als ich im Herbst 2018 in die Mongolei umzog und meinen Ally-Faltkanadier mit rüberbrachte. Ich fing an Karten und Berichte von Paddlern zu studieren. Auf der Faltboot-Wiki findet sich sogar eine brauchbare Streckenbeschreibung.
Im darauffolgenden Sommer kam dann mein Vater spontan zu Besuch und ich musste den Trip um ein Jahr verschieben. Angesichts der damals herrschenden Hochwasserstände aufgrund anhaltender sintflutartiger Regenfälle war das vielleicht gar nicht so schlecht. Im Corona-Sommer 2020 sollte es dann so weit sein. Doch wieder schien alles bereits im Vorfeld auseinander zu fallen. Mein Kompagnon Tushig, der fest zugesagt hatte mitzukommen, war plötzlich nicht mehr zu erreichen. Aber der Urlaub war beantragt und das Zeitfenster war knapp, weil meine Freundin schwanger und das Baby auf dem Weg war. Nach Wochen des Bangens fand ich in Brett einen großartigen Reisepartner. Eine Woche vor dem geplanten Reisebeginn erfuhr ich dann, dass wir eine spezielle Grenzgenehmigung benötigen, da wir auf manchen Flusspassagen der russischen Grenze recht nahekommen würden. Trotz guter Kontakte in höhere Etagen des Hauptquartiers der Grenztruppen bekam ich die Genehmigung erst nach langem Hin und Her am Tag vor der Abreise.
Teil 1: Mit dem Kanu auf dem Eg
Am Abend des ersten Julis stiegen wir in Ulaanbaatar mit Unmengen von Gepäck in den Nachtzug nach Erdenet. Wir hatten vier Sitzplätze gekauft – ein ganzes Abteil – um alles unterzubringen. Trotzdem schauten die barschen Zugbegleiterinnen argwöhnisch und leicht genervt als wir das ganze Gerödel nach und nach in den Zug hievten.
Früh am nächsten Morgen wartete bei Einfahrt des Zuges unser Taxifahrer Ganbold (der uns schon bei einer Packrafttour auf dem Orkhon einen Monat zuvor hervorragende Dienste geleistet hatte) wie abgemacht mit seinem japanischen Kleinwagen auf uns. Wider Erwarten passte unser sämtliches Equipment samt wir beiden langen Lulatsche in die kleine Karre. Und so konnte die Reise ohne große Verzögerungen weitergehen, erstmal ins 400 km entfernte Provinzzentrum Mörön, wo wir uns noch mal registrieren und unsere Grenzgenehmigung abstempeln lassen mussten. Das war am späten Nachmittag auch alles erledigt und wir fuhren die letzten 100 km nach Khatgal am Südufer des Khövsgöl-Sees, wo unsere Paddeltour beginnen sollte.
Den ganzen Tag über hatte hervorragendes Wetter geherrscht, aber als wir uns über einen letzten Pass unserem Zielort näherten verfinsterte sich der Himmel zunehmend und es fing an zu regnen. In einen Dorfladen kauften wir noch zwei Paletten Bier, Brot und eine Art Butter und suchten dann eine Zufahrt zum Seeufer. Alles war sehr matschig und es dauerte etwas, bis wir eine passende Stelle gefunden hatten. Wir verabschiedeten Ganbold und machten uns daran das Kanu aufzubauen. Ich hatte das ja schon länger nicht mehr gemacht und es dauerte eine ganze Weile bis wir, unter den interessierten Blicken und begleitet von klugen Kommentaren einer Urlauber-Familie soweit waren. Es war schon Abend geworden als wir das schwer beladene Boot vom Ufer abstießen und Richtung Seeausgang paddelten.
Nach etwa zwei Stunden fanden wir eine gute Übernachtungsstelle, die nicht privat und abgezäunt war und hievten das ganze Gepäck wieder an Land. Eigentlich für die Mongolei ziemlich untypisch, haben irgendwelche reichen Menschen reihenweise Seegrundstücke (im Nationalpark wohlgemerkt) gekauft und sich mächtige Blockhäuser dahingesetzt. Mit rechten Dingen geht das nicht zu!
Am nächsten Morgen verließen wir dann nach einem leckeren Frühstück den See und unterquerten die Brücke südlich von Khatgal. Jetzt waren wir auf dem Fluss Eg, dem wir über 500 km folgen wollten bis zu seiner Mündung in die Selenge, auf der wir dann bis zu unserem Ziel Khyalganat weiter paddeln wollten. Bereits kurz nach der Brücke stellten wir fest, dass der Eg nicht besonders viel Wasser führte und wir um Bodenkontakt zu vermeiden, tunlichst versuchen mussten immer in der Hauptströmung zu fahren. Der Fluss teilte sich am laufenden Band in zwei, drei, vier und mehr Arme auf, die wenige hundert Meter später wieder zusammenkamen und sich kurz darauf wieder verzweigten.
Gegen Mittag des nächsten Tages erreichen wir das Sum-Zentrum Alag-Erdene und halten in der Nähe der Brücke. Wir laufen einen Kilometer ins Dorf und kaufen Bier und Schokolade und ein paar Kleinigkeiten.
Der Fluss fließt hier durch ein weites Tal, Jurten sind wenige zu sehen, aber viele Yaks, Pferde und Ziegen weiden hier. Die Tiere reagieren mit Neugier auf uns. Am Nachmittag verfinstert sich der Himmel zunehmend und wir schlagen nach einigem Suchen ein Lager in der Nähe eines Weidenwäldchens auf. Es regnet stundenlang ohne Unterlass und wir sitzen unter dem Tarp und trinken Rotwein und kochen ein feines Linsensüppchen.
Hinter Alag-Erdene wird das Tal zunehmend enger. Wir sind überrascht bereits hier auf einige Wildwasserpassagen zu stoßen. Wir finden am frühen Abend einen wunderschönen Lagerplatz an einer Flussschleife mit einem bewaldeten Berg. Es gibt Grillwurst zum Abendessen und wir sitzen noch lange am Feuer.
Der nächste Tag führt uns zunächst durch eine wundervolle Canyonstrecke. Danach durch ein Tal mit vereinzelten Jurten. Gegen Mittag hielten wir an, um ein Bier zu trinken, und gingen dann zu einer nahen Jurte hinauf. Die Familie war gerade dabei die Schafe zu scheren. Einer der Schafböcke hatte vier Hörner (leider kein Foto gemacht). Der ausgemergelte kleine Hausherr ließ es sich nicht nehmen uns zu einem Tee herein zu bitten. Er erzählte von der weiteren Strecke und den Leuten die dort wohnten. Vielleicht könnten wir von den Söhnen eines entfernteren Nachbarn ein paar Fische kaufen. Noch nie hatten sie Kanuten den Fluss runterkommen sehen. Überhaupt eine recht einsame Gegend.
Später wurde das Tal breiter und besiedelter. Irgendwann waren wir müde und begannen nach einem Lagerplatz Ausschau zu halten. Da wir am nächsten Tag einen ersten Rasttag einlegen wollten, waren wir besonders wählerisch. Der Platz sollte abgelegen, ohne Fahrweg-Zugang, geschützt und hübsch sein, und natürlich mit Holz zum Feuer machen. Drei Vier mal hielten wir an und schauten uns um, aber irgendwas störte immer. So ging der Nachmittag in den Abend über und wir paddelten trotz zunehmender Erschöpfung immer weiter – dem perfekten Lagerplatz entgegen. Wir hatten beide das Gefühl, dass das Gefälle des Flusses zunahm. Die meiste Zeit über war der Fluss aber zahm, nur gelegentlich gab es etwas wildere kurze Passagen.
Wir sahen Weißwasser und eine Art Hindernis auf uns zukommen, und hätten locker Gelegenheit gehabt anzuhalten, um uns den Sachverhalt vom Ufer aus in Ruhe anzuschauen. Dann war es zu spät, anhalten war nicht mehr möglich. Wir hatten ohnehin schon Wasser im Boot, nun nahmen wir noch mehr auf, das Boot war gefühlt halbvoll… So konnten wir nur mühsam manövrieren und der Baumwurzel die sich im Flusslauf verfangen hatte nicht ausweichen. Stattdessen schlug es uns genau quer dagegen. Alles ging ganz schnell. Das Alugestänge des Faltkanadiers wickelte sich wie Butter um die Wurzel. Das Wasser war reißend aber zum Glück nicht tief. Die Entscheidung fast das gesamte Gepäck aneinander, aber nicht am Boot festzubinden, erwies sich als gut.
Ich konnte das Gepäck an Land ziehen, während Brett seine Kameratasche loszuschneiden versuchte, die er am vorderen Querspant festgebunden hatte. Lediglich die große Kanutonne trieb ab, ich hinterher, weiter unten war es enorm schlammig. Schwimmen ging nicht und laufen war auch kaum möglich. Trotzdem konnte ich die Tonne erreichen und an Land bringen. Ein Angler saß ca. 50m unterhalb der Stelle unseres Malheurs und beobachtete unser Treiben mit beiläufigem Interesse.
Nun galt es das Kanu zu bergen. Es war zu zwei Dritteln unter Wasser gedrückt und der Druck war so groß, dass ich es unmöglich rausziehen konnte. Es gelang mir fast das gesamte Gestänge und dann auch die Matte rauszuziehen und nach und nach an Land zu werfen. Als nächstes versuchte ich ein Seil um die Bootshaut zu ziehen, damit wir diese mit vereinten Kräften rausholen konnten. Dies erwies sich als schwierig. Zudem stieß ich dabei unter Wasser auf etwas talgig-schmieriges. Dies entpuppte sich als eine tote Kuh, die sich bereits vor geraumer Zeit an der Baumwurzel verfangen haben musste. Das Kanu war also quasi um die Kuh gewickelt. Was für ein Pech! Mit einiger Überwindung gelang es mir das Seil zwischen Bootshaut und Kuhkadaver durchzuziehen.
Mittlerweile hatte sich der Angler zu Brett ans Ufer gesellt und ein etwa 14-jähriger Junge auf einem Pferd, der zu einem Ail gehörte, dass in der Nähe stand. Den Rest des Kanus mit dem Pferd aus dem Wasser zu ziehen klappte nicht und auch mehrere Versuche mit vereinten Kräften scheiterten zunächst. Als ich es schon fast aufgeben wollte, klappte es schließlich doch die Bootshaut an Land zu ziehen. Leider ging bei der Aktion Bretts Gopro verloren, mit der er den bisherigen Reiseverlauf dokumentiert hatte. Zudem mein linker Croc. Ansonsten war alles heil und einigermaßen trocken geblieben.
Wir begannen die Bootsteile und das restliche Gepäck die Böschung herauf zu bringen. Der Angler, ein ca 50-jähriger Herr mit Pferdeschwanz aus UB, beharrte darauf uns erstmal einen Kaffee zu kochen. Selbstgemahlen, schwarz und stark. und gleich noch einen Zweiten…. Er war mit seiner leicht weinerlichen Tochter und dem zukünftigen Schwiegersohn, einem schwer tätowierten Hiphop-Produzenten, auf einer Angeltour quer durchs Land.
Natürlich waren wir geschockt und traurig über das jähe Ende unserer Paddeltour. Das Boot hatte Totalschaden, das war offensichtlich. Wir bauten unser Lager auf und begannen damit unseren Biervorrat zu dezimieren. Zur Feier des Tages kochten wir ein fantastisches Thaicurry mit Rindfleisch und Trockengemüse. Die Kinder des benachbarten Ails waren froh über die Abwechslung und lungerten bis spät in die Nacht hinein bei uns herum (Später sollte ich dann feststellen, dass mein geliebter Flachmann und meine Powerbank fehlten).
Der nächste Tag war sehr heiß. Wir suchten flussabwärts mehrere Kilometer nach der Gopro und meinem Schuh, aber vergeblich… Am Abend zuvor hatte uns der älteste Sohn des Ails versprochen, jemanden zu finden, der uns und unser Gepäck, sowie das zerstörte Boot nach Mörön oder zumindest zu einer etwa 10 Km entfernten Quelle fuhr, wo viele Leute campierten. Aber früh am nächsten Morgen war er schon verschwunden, nach Khankh am Nordufer des Khövsgölsees zu seiner zukünftigen Braut.
Am Nachmittag des folgenden Tages hielt ich einen kleinen schwer beladenen Lastwagen an. Der Fahrer willigte ein, uns ins etwa 50 km entfernte Provinzzentrum Mörön zu fahren, sobald er sein Holz abgeladen hatte. Nach anderthalb Stunden kam er zurück und mit einigen Abstechern bretterten wir Mörön entgegen und einer ungewissen Fortführung unserer Reise….
[Fortsetzung folgt]
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