[ZA] Johannesburg - Cape Town: There And Back Again (+Fotos)

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Der Waldläufer

    Alter Hase
    • 11.02.2005
    • 2941
    • Privat

    • Meine Reisen

    #21
    TAG 17 (8.11.2005):

    Nach 5 Tagen mit relativ abwechlsungsloser Küche schmeckt uns das Frühstück mit "Bacon and Eggs" gleich doppelt so gut. Nach dem ausgiebigen Mahl müssen wir uns definitiv erst einmal um die Schmutzwäsche kümmern, die kurz davor ist, ein Eigenleben zu entwickeln. Nachdem wir ein paar Ladungen gewaschen haben und auch gleich die ersten Fotos auf CD brennen lassen haben, machen wir es uns an dem Pool gemütlich.

    Wie faule Hunde liegen wir den ganzen Tag nur in der Sonne, schreiben ein paar Postkarten und regenerieren uns von den Strapazen der letzten Tage.

    Ich döse gerade so vor mich in, als ich Anne sagen höre: "Weisst Du was? Laß uns den Giant's Cup Hiking Trail in den Drakensbergen auch noch machen!" Plötzlich völlig wach, setze ich mich auf. "O.k.!" Ich gehe in unser Zimmer, hole Handy sowie Reiseführer und wähle die Nummer des NCS KwaZulu Natal Nature Conservation Service. Die Buchung per Telefon und Zahlung mit Kreditkarte funktioniert reibungslos. Für den 12.11. buchen wir den Start unserer Wanderung durch die Drakensberge.

    Der Reiseführer beschreibt den Giant's Cup Hiking Trail als "die ultimative Erfahrung der Drakensberge. Er dauert 5 Tage mit 4 Übernachtungen in rustikalen Hütten. 60 km lang, gute Kondition erforderlich, obwohl nicht als schwierig eingestuft. (...) Die Kulisse ist atemberaubend." Wir sind gespannt und schon jetzt macht sich die Vorfreude in mir breit. Ich bin wahnsinnig glücklich, dass Anne sich für Trekking-Touren begeistern kann. Sie hat ihre erste Trekking-Tour trotz der großen Anstrengungen und Wetterkapriolen gemeistert und dabei auch absolut genossen. Ich bin darüber unendlich glücklich.

    Den Rest des Tages geben wir uns wieder dem bedingungslosen Faullenzen hin. Am Abend gehen wir zum Steak-Essen ins "Spur", eine Kette von Steak-Häusern, die in ganz Südafrika zu finden ist.

    Obwohl die Portionen groß und die Preise klein sind, haben wir eindeutig schon besser gegessen. Naja, hauptsache satt.


    TAG 18 (9.11.2005):

    Es ist erstaunlich, was so ein Ruhetag in unserem Körper bewirken kann. Gestern noch wären wir am liebsten überhaupt nicht aufgestanden, heute springen wir voller neuer Energie aus den Betten und packen unsere Sachen zusammen. Auf dem Programm steht heute der erste richtig afrikanische Programmpunkt: Fotosafari im Addo Elephant National Park!

    Nach einem erneut hervorragenden Frühstück verabschieden wir uns von den Gastleuten des "Lazee Bay" und brechen auf in Richtung AENP. Vorher jedoch durchsuchen wir noch ganz Jeffrey's Bay nach einem Outdoor-Laden, in dem wir einen größeren Rucksack für Anne kaufen können. Das war die Voraussetzung, unter der ich den GCHT buchen durfte. Damit kann ich gut leben! Leider gibt es zwar in Jeffrey's Bay einen Surferladen neben dem anderen, aber Wandern scheint hier nicht der große Renner zu sein.

    Fündig werden wir dann erst 2 h später in einem riesigen Outdoor-Center in Port Elizabeth. Die Suche in der Großstadt empfinde ich als sehr anstrengend. Obwohl ich das Autofahren in Städten gewöhnt bin, habe ich mich doch zu sehr an die Ruhe und Friedlichkeit auf dem Otter Trail gewöhnt. Der Kontrast zu dieser lauten und dreckigen Großstadt ist umso heftiger.

    Am frühen Nachmittag erreichen wir den Addo Elephant National Park. Im Reservat schlagen wir dann erst einmal unser Zelt auf und brechen dann ganz erwartungsvoll auf in den eigentlichen Park.

    Das Prinzip der südafrikanischen Nationalpark besteht darin, mit dem Auto auf den zumeist Sandstraßen eigenständig durch den Park zu fahren. Es ist strengstens verboten (weil zu gefährlich) das Auto zu verlassen, außer es handelt sich um einen ausgewiesenen Aussteigeplatz. Und selbst da hat man immer noch ein mulmiges Gefühl, was durch die Schilder nicht unbedingt abgeschwächt wird.


    Vorsicht Löwen! Aussteigen auf eigene Gefahr!

    Auf der Suche nach unseren ersten Tierbegegnungen fahren wir durch eine schöne Landschaft, das sogenannte "Spekboomveld". Die ersten Tier zeigen sich uns in Form von Vögeln, Meerkatzen, Warzenschweinen und Mistkäfern (auch wesentlich respektvoller als Pillendreherkäfer oder gar Skarabäus bekannt ;)), die übrigens im ganzen Park das "Right Of Way" genießen. Die Käfer sind für das Ökosystem des Parks enorm wichtig, da sie durch das Vergraben der Kugeln aus Elefantenmist den Boden effektiv düngen.

    Das alles ist ja sehr nett, aber ehrlich gesagt dürstet es uns jetzt schon nach den "großen" afrikanischen Tieren.

    Nach etwa 2 Stunden nähern wir uns einem vor uns fahrenden Auto. Die Bremslichter des Fahrzeugs leuchte auf, der Wagen kommt zum Stillstand und darin bricht die totale Hektik aus: riesige Objektive werden gezückt und das Auto wird mehrmals hin- und herrrangiert. Fest in dem Glauben, dass es dort etwas unheimlich Interessantes zu sehen gibt, suchen wir auch in der Richtung, in die die Objektive zeigen. Nach einiger Zeit entdecken wir in großer Entfernung einen schwarzen Punkt, der sich bei genauerem Hinsehen mit dem Fernglas als einsamer Büffel herausstellt, der dort im Gebüsch versteckt vor sich hingrast. Immerhin, es ist das erste Tier der "Big Five" (Elefant, Löwe, Büffel, Nashorn, Leopard), das wir sehen. Ich hoffe jedoch inständig, dass das nicht das Nächste war, wie die Tiere an die Autos herankommen.

    Wir fahren an dem Auto vorbei, in dem noch immer wie wild die Kameras klicken. Zu unserem Glück! Denn zwei Wegbiegungen später taucht plötzlich von links ganz leise und wie aus dem Nichts ein Elephant auf. In aller Seelenruhe überquert der Elefant ca. 15 m vor uns die Straße. Wir können unser Glück gar nicht fassen.


    He! Rechts vor links, Du Tölpel!

    Vor lauter Faszination bemerken wir fast gar nicht, dass dem Elefanten noch fünf andere folgen. Darunter auch zwei süße Baby-Elefanten.


    Probier's mal mit Gemütlichkeit!

    Die Elefantenfamilie durchquert - unsere Anwesenheit völlig ignorierend - unser Blickfeld und geht zu einem kleinen Wasserloch, wo wir ihnen noch ausgiebig beim Plantschen, Trinken und Fressen zusehen können. Wir verschießen noch dutzende Fotos mit diesen faszinierenden Tiere, bevor die Familie weiter wandert.


    Der Addo Elephant National Park trägt seinen Namen zu Recht

    Als wäre jetzt der Bann gebrochen, sehen wir danach nch ganz viele Elefanten. Vermutlich liegt das daran, dass die Temperaturen zurückgehen und die brütende Hitze sich allmählich legt. Die Begegnung mit der Elefantenfamilie war ein berührendes und packendes Erlebnis! Das wird uns noch mehr bewusst, wenn wir Touristen sehen, die Elefanten aus über 100m Entfernung fotografieren müssen.

    Noch einmal kommen wir einem Elefanten ganz nahe. Vielleicht sogar etwas zu nahe, denn der Bulle stellt bedrohlich die Ohren auf und geht ein bißchen auf die nervigen Autos zu. Ein sehr imposanter Anblick!! Zum Glück sehen das auch die Fahrer der Autos hinter uns so und eine Kette von Autos fährt bereitwillig ein bißchen zurück.


    Size does matter!!!

    Ich bin noch immer ganz hin und weg, als die Sonne langsam untergeht und wir uns auf den Weg ins Camp machen müssen. "Jetzt fehlt nur noch ein Löwe, dann wäre der Tag perfekt." sage ich zu Anne, als wir einen einsamen Kießweg entlang fahren. Seit 2003 gibt es wieder ein paar Löwen (6+x) im Park, aber bei den paar Löwen auf 130 000 ha Parkfläche sind die Chancen nicht gerade die besten.

    Ein paar Augenblicke später taucht vor uns auf dem Weg der Umriss eines Tieres auf. Anfänglich denke ich, dass da ein Hund auf uns zu trottet. Doch kurz darauf wird klar: es ist kein Hund, sondern ein Löwe!


    What's new, pussycat?

    Genauer gesagt ist es eine Löwin, die da keine zwei Meter neben unserem Auto ein paar Mal ins Gebüsch brüllt, so dass ich eine Gänsehaut bekomme. Nach dieser eindrucksvollen Demonstration verschwindet die Löwin wieder über den Hügel.


    Die Königin der Tiere

    Anne beschreibt unsere Gefühle in ihrem Tagebuch vollkommen treffend: "Solche Begegnungen sind echte Erlebnisse, brennen sich tief ein, werden zu kostbaren Erinnerungen."

    In einem Zustand 100%iger Zufriedenheit lassen wir den Tag bei einem stilechten "Brai" mit Boerewurst, gegrillten Kartoffeln und Salat ausklingen und schmieden Pläne für die nächsten Tage.
    I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

    Kommentar


    • Der Waldläufer

      Alter Hase
      • 11.02.2005
      • 2941
      • Privat

      • Meine Reisen

      #22
      Tag 19 (10.11.2005):

      Bereits gestern abend war uns beim Blick auf die Karte klar, dass wir heute nicht viel Programm in den Tag packen können. Ein bißchen mehr als 700 km müssen wir heute bis zu unserer angepeilten Tagesetappe Kokstadt hinter uns bringen. Wir möchten so nah wie möglich an die Drakensberge kommen, da übermorgen der Start des Giant's Cup Hiking Trails für uns gebucht ist.

      Und so fahren wir nur mit wenigen Pausen auf der N2 Richtung Nordosten durch die Transkei, einer der ärmsten Regionen Südafrikas. Sowohl in den Reiseführern als auch auf den Schildern am Wegesrand wird davor gewarnt, auf der Straße anzuhalten. Sogar die wenigen Verkaufsstände am Straßenrand soll man nicht anfahren, da das Risiko, Opfer eines Raubüberfalls zu werden einfach zu groß sei. Es ist sehr schwer, diese von allen Seiten geschürte Paranoia zu unterdrücken. Wenn man die wirklich armseligen Behausungen und die zerlumpten Gestalten in den kleinen Ortschaften oder Townships sieht, fällt es einem nicht schwer, die Motivation hinter solchen Überfällen zu verstehen. Was für eine unglaubliche Provokation muss es für diese Ärmsten der Armen darstellen, uns wohlhabende Touristen mit unseren teueren Fotoausrüstungen zu sehen, während sie nicht einmal das nötige Geld zum Überleben haben?! Während der ganzen Fahrt fühle ich mich einfach nur schlecht und muss viel über diese Welt und die Ungerechtigkeiten in ihr nachdenken.

      Nach sieben Stunden erreichen wir das Städtchen Umtata, den Geburtsort von Nelson Mandela. Um diesen durch die lange Fahrt eintönigen Tag wenigstens ein bißchen aufzupeppen, beschließen wir, das Nelson-Mandela-Museum zu besuchen. Leider sind wir sehr spät dran und können nur noch eine Stunde in dem Museum verbringen bevor es schließt. Das Museum besteht zu größten Teilen aus großen Plakatwänden mit Auszügen aus Nelson Mandelas Biographie "Der lange Weg zur Freiheit", Fotos und historischen Schriftstücken. Viel besser fühle ich mich nach dieser eindringlichen Geschichtsstunde nicht unbedingt, als wir die Fahrt Richtung Kokstadt fortsetzen und die immer noch vorhandenen Auswirkungen der Apartheid unverblümt vor Augen geführt bekommen.

      Die Straße schlängelt sich immer weiter in wilden Serpentinen um Felsvorsprünge herum, unaufhaltsam nach oben. Als Nebel aufzieht, macht das die eh schon nicht einfach zu fahrende Strecke zur Herausforderung. Anne neben mir auf dem Beifahrersitz fühlt sich merklich unwohl und rutsch bei jeder Kurve unruhig auf dem Sitz herum, wenn wieder unvermittelt aus dem dichten Nebel ein Lkw auftaucht und auf uns zu zu rasen scheint.

      Wir erreichen dann aber doch wohlbehalten unser Tagesziel. Kokstadt ist ein relativ unspektakuläres Städtchen, das auf mich ein wenig einen us-amerikanischen Eindruck macht. Wir haben leider keinen Stadtplan, was die Suche nach dem Campingplatz sehr erschwert. Uns irritiert, dass es keine Schilder gibt, die uns den Weg dorthin weisen. Anne wählt die im Reiseführer angegebene Nummer, um sich zu vergewissern, dass der Campingplatz noch existiert. Ein Mann am Ende der Leitung beschreibt uns den Weg und schließlich werden wir auch fündig. Allerdings trauen wir unseren Augen nicht, als wir durch das Eingangstor fahren. Der Campingplatz erinnert eher an eine große Müllhalde. Kein einziges Zelt steht auf dem, was vielleicht mal eine Wiese gewesen ist. Nur ein paar verwahrloste Wohnwägen, die sicherlich nicht zum Urlaub machen genützt werden, stehen auf dem Gelände verteilt herum. Ungepflegte und unheimliche Gestalten schieben Vorhänge zur Seite, als wir an den Wohnwägen vorbei in Richtung Rezeption fahren. In unserer Vorstellung übelegen die Kerle schon, welche unserer Körperteile wohl am schmackhaftesten sind.

      Als wir mit dem Auto vorfahren, kommt der Rezeptionist aus seiner Baracke und kommt auf unser Auto zu. Anne und ich überlegen, an wen uns der Kerl wohl erinnert. Wir einigen uns darauf, dass er einer Mischung zweier Filmstars sehr nahe kommt:
      Jeffrey "The Dude" Lebowski und Freddy Krueger.

      Ich muss mich schwer beherrschen, nicht mit Vollgas und durchdrehenden Reifen davon zu rasen. Und so wünschen wir dem Herren einen schönen Abend und fahren gemächlich aus dem Campingplatz. Ich bin mir noch heute sicher, dass der Rezeptionist uns traurig hinterhergeschaut hat...

      In einem B&B namens "Rest assured" finden wir dann schließlich die zugesicherte und dringend benötigte Ruhe und schlafen erleichtert vor dem Fernseher ein.
      I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

      Kommentar


      • Der Waldläufer

        Alter Hase
        • 11.02.2005
        • 2941
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        Tag 20 (11.11.2005):

        Am Morgen hat sich der gestrige Neben bereits verzogen und lässt sogar Blicke auf die Gipfelplateaus der nahen Drakensberge zu, die gestern noch total nebelverhangen waren.

        Heute sieht alles freundlicher aus und ich bin mir sicher, dass auch der Campingplatz und seine Bewohner jetzt weit weniger an "Dawn of the Dead" erinnern.

        Auf unserer Weiterfahrt, die uns immer tiefer in die Drakensberge führt, machen wir eine kurze Pause am Straßenrand. Drei große Vögel finden uns anscheinend genau so interessant wie wir sie und drehen ihre erhabenen Kreise über unseren Köpfen. Wir glauben, sie als Lämmergeier identifizieren zu können.


        Ornithologen aufgepasst: Lämmergeier?

        Als Unterkunft haben wir uns für heute die Sani Lodge ausgesucht, eine recht alternative Backpacker-Unterkunft mit Zeltplatz, die auf dem Weg zum Sani Pass liegt. Der Sani Pass führt in den Enklavenstaat Lesotho und ist mit 2873 Metern der höchste Straßenpass Südafrikas.

        Wir bauen unser Zelt auf dem Zeltplatz der Lodge auf und bereiten schon ein bißchen die Sachen für unsere morgige Trekking-Tour vor.


        Room with a view

        Kurze Zeit später beginnt es, wie aus Eimern zu gießen und wir verziehen uns in den Aufenhaltsbereich der Lodge. Die Lodge ist ausgebucht, aber wir sind die einzigen Gäste im Wohnzimmer und so können wir es uns mit einer Tasse Tee auf der Couch gemütlich machen.

        Nach und nach treffen immer mehr total durchnässte Gäste der Logde ein, die auf ihrer Wanderung in den Drakensbergen vom Regen überrascht wurden. Inzwischen ist es auch richtig kalt geworden. Ja, so stellt man sich einen Frühling in Schottland, äh sorry, Südafrika vor!

        Matthew, ein Angestellter in der Lodge, heizt den Ofen mit Holz an und innerhalb kürzester Zeit ist die Lodge voll von wärmesuchenden Gästen. Es ist der für ein Backpacker's typische Nationalitätenmix. Von Holländern und Schweden über Franzosen und US-Amerikaner bis Baliner... Balines... einem Mädchen aus Bali ist alles dabei.

        Anne unterhält sich mit einer Amerikanerin, die sie fragt, wie lange wir denn unterwegs seien. "Einen Monat!" antwortet Anne auf Englisch, in sicherer Erwartung einer bewundernden Reaktion wie "was, so lange!?", wie sie es aus Deutschland gewohnt war, wenn sie von unseren Plänen berichtete. Als Antwort bekommt sie jedoch nur ein kurzes "Oh.". Ich schiele über mein Buch rüber zu Anne, die sichtlich irritiert zu sein scheint. "Und Du, wie lange bist Du in Südafrika?" "Oh, weißt Du, das ist jetzt der zweite Teil meiner Weltreise. Beim ersten Teil bin ich für ein Jahr herumgereist, musste aber dann für die Hochzeit meiner Schwester nach Hause fahren. Jetzt möchte ich nochmal ein Jahr dran hängen. Aber ich habe Probleme, hier ein Visum zu bekommen, also werde ich wohl nur für drei Monate in Südafrika bleiben." Anne und ich könnten einen Wettstreit machen, wessen Unterkiefer näher am Boden hängt.

        Der Regen scheint überhaupt nicht mehr aufhören zu wollen. Matthew teilt mir mit, dass das bisher der regenreichste Frühling in Südafrika ist, an den er sich erinnern kann. Meine Vorfreude auf den Giant's Cup Hiking Trail wird angesichts der Wetteraussichten nicht unbeding geschürt. Matthew versucht, mich aufzuheitern, denn eigentlich könne man mit dem Regen ziemlich gut planen. Jeden Tag fange es um 14.00 Uhr an zu regnen. Ich bin gespannt... Können wir auch irgendwann mal Trekking-Touren ohne Zeitdruck machen?! Entweder muss man irgendwelche Gezeiten abpassen oder die Regenzeit vermeiden... eigentich sollte man doch trekken, um der Hektik zu entfliehen!

        Um 21.00 Uhr kriechen Anne und ich in unser Zelt und schlafen bei dem gemütlichen Trommeln des Regens auf unser Zeltdach ein. Irgendwie freue ich mich jetzt doch wahnsinnig auf die morgen startende Tour.
        I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

        Kommentar


        • Der Waldläufer

          Alter Hase
          • 11.02.2005
          • 2941
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          TAG 21 (12.11.2005):

          Die Sonne strahlt am Himmel, Vögel fliegen fröhlich zwitschern hinter Insekten her, einige Gäster der Lodge liegen schon faul auf der Veranda in der Sonne....

          Quatsch, natürlich nicht. Wie immer ist der Himmel wolkenverhangen und die Temperaturen kommen einfach nicht in einen angenehmen Bereich.

          Während wir unser Zelt abbauen und die (jetzt etwa gleich großen ;)) Rucksäcke für den GCHT packen, reisst es dann aber doch ein bißchen auf. Bislang bleibt es aber nur ein Hoffnungsschimmer.

          Das Frühstück wird in einem kleinen Gebäude 50 m von der Lodge entfernt serviert, dem Tea House. Aber wir sind uns einig, dass wir schon besser gefrühstückt haben. Egal, Hauptsache satt und gestärkt für die Wanderung.

          Wir kaufen noch eine 15 Jahre alte Karte von dem Trail, dann brechen wir gegen 08:15 Uhr auf. Matthew hat uns denn Tipp gegeben, nicht den ganzen Weg zum Startpunkt des Trails der Schotterpiste entlang zu laufen, sondern bereits vorher in ein Bachtal einzubiegen. Dieser Weg münde dann nach einigen Kilometern in den Giant's Cup Hiking Trail und sei sogar schöner als der eigentliche Beginn des Trails.

          Wir befolgen also Matthews Rat und nehmen die Alternativroute, die uns immer enlang des Bachs nach oben führt.


          Grünes Afrika

          Den Bach müssen wir gleich mehrmals überqueren, was uns beiden großen Spaß bereitet.


          "Bitte, bitte, bitte..."


          Entlang dieses Baches führt uns der Weg Richtung Giant's Cup Hiking Trail


          Ob der Anfang des Trails auch so schön gewesen wäre?

          Während ich gerade einen Wasserfall fotografiere, holt uns eine von einem Wanderguide geführte Gruppe von Tagesausflüglern ein. Darunter auch das Mädchen aus Bali, das mich bezüglich ihrer Nationalität wieder zum Grübeln bringt.

          Der Guide spricht uns an und fragt uns, welche Route wir gehen. Nachdem wir es ihm mitgeteilt hatten, fragt er, ob er uns zwei Leute seiner Gruppe für ein Stückchen des Weges anvertrauen könne. Augenrollend erzählt er uns, dass die Amerikaner bereits am Ende seien und keinen Schritt mehr weiterlaufen wollen. Ungläubig schaue ich auf die vier im Gras sitzenden, wie Lokomotiven schnaubenden Schwergewichtler.

          Ein deutsches Pärchen möchte noch nicht umkehren, fühlt sich aber in Sachen Orientierung nicht fit genug, alleine wieder heimzufinden. Und so begleiten sie uns ein paar Kilometer durch das immer schöner werdene Tal. Der Guide zeigt mir auf der Karte, welchen Weg wir sie runterschicken müssen. Dieser Weg führt geradewegs auf die Lodge zu, man darf eigentlich nur die Abzweigung nicht verpassen.


          Ob da unten irgendwo eine kleine, goldenen Statue steht?!

          Nach insgesamt zwei Stunden Wanderung erreichen wir den Giant's Cup Hiking Trail, der mit weißen Fußspuren markiert ist. Nach einer weiteren Viertelstunde kommen wir an die vom Guide gezeigte Abzweigung und die beiden Deutschen verlassen uns in Richtung Lodge. Es wird immer schwüler und am Himmel türmen sich bereits dunkle Regenwolken auf. Ich habe ein Bild vor meinem geistigen Auge, wie die beiden in der warmen Lodge bei einem Tässchen Tee sitzen, während wie gerade auf dem Trail von oben bis unten naß geregnet werden.

          Nichtsdestotrotz ist der Trail einfach atemberaubend. Durch absolute Einsamkeit und Stille führt uns der Weg auf dem Hochplateau der Drakensberge entlang.


          And the road goes on and on...

          Beide wandern wir völlig in Gedanken verloren in dieser scheinbar unendlichen Weite. Wieder einmal muss ich meine Vorstellung von Afrika revidieren und mir wird klar, warum Südafrika auch "Die Welt in einem Land" genannt wird. Die grünen, saftigen Hügel erinnern uns stellenweise an Irland.

          Der Weg ist nicht sonderlich anstrengend, da er nur selten wirklich steil wird, sondern zumeist relativ flach und eben verläuft.

          Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass die erste Hütte Pholela nicht mehr weit entfernt ist. Über uns beginnt es zu Grollen. Wir beschleunigen unsere Schritte, überqueren eine Hängebrücke und den dahinter liegenden Campingplatz und erreichen dann unsere Hütte. Just in dem Augenblick als Anne hinter mir die Hütte betritt, kommt es zu einem Wolkenbruch, der alles unter Wasser setzt. Es ist übrigens ziemlich genau 14:00 Uhr. ;)


          Das war knapp!

          "Glück gehabt!" meint Anne zu mir.
          "Das war kein Glück. Ich habe einen Deal mit ihm, ..." Ich nicke hinauf gen Himmel... "dass wir nicht nass werden."

          Außer uns ist die Hütte leer. Wir fragen uns, ob wir vielleicht sogar die einzigen Wanderer auf dem Trail sind. Die Hütte ist sehr komfortabel mit mehreren mit Teppichböden und Kaminen ausgestattete Acht-Bett-Zimmern. Während Anne ein Weilchen schläft, mache ich in dem Kamin ein gemütliches Feuer.

          Durch den Regen kommt unter einem Schirm eine Angestellte des Parks zu unserer Hütte und heizt den Wasserboiler für die Duschen an. Nachdem Anne wieder aufgewacht ist, machen wir erst einmal ausgiebig Brotzeit. Die Pause auf der Wandrung heute haben wir auf Grund des Windes und der Kälte nur sehr kurz gehalten. Dementsprechend ausgehungert sind wir jetzt.

          Während wir gerade genüßlich unser Mahl verspeisen, betreten zwei völlig eingepackte und durchnässte Wanderer die Hütte. Wieder sind es zwei Deutsche, Joachim und Andreas, die ebenfalls den Giant's Cup Hiking Trail laufen. Beide sind sehr nett und ich mache mir keine Sorgen bezüglich der nächsten Tage.

          In dem ausliegenden Gästebuch stellen wir fest, dass seit gut einem Monat niemand mehr den Trail gelaufen ist. Und auch sonst sind die Einträge eher spärlich. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass der Trail - ähnlich dem Otter Trail - stets ausgebucht ist. Wir sind aber alle vier sehr froh darüber, nicht in vollgestopften Hütten um Schlafplätze kämpfen zu müssen.

          Nach dem üblichen Nudelpampe-Abendessen und ein bißchen Schultermassage gehen wir frühzeitig ins Bett und schlafen sofort ein. Ich bin mir sicher, dass ich in meinem Traum noch einmal diesen schönen Weg laufe.
          I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

          Kommentar


          • Der Waldläufer

            Alter Hase
            • 11.02.2005
            • 2941
            • Privat

            • Meine Reisen

            #25
            TAG 22 (13.11.2005):

            Als ich morgens gegen 06:00 Uhr aufwache, bin ich überrascht, wie voll die Hütte geworden ist. Es sind aber keine Wanderer, die es sich in den Zimmern gemütlich gemacht haben, sondern Camper, deren Zelte den gestrigen Wolkenbruch nicht überstanden haben. Wieder einmal muss sich Anne einen meiner Vorträge über den Unterschied zwischen Billig- und Qualitätszelte anhören. Hab ich da ein Augenhochdrehen bei Anne gesehen? Egal... und so fahre ich mit den Ausführungen fort.

            Gestern noch haben wir geplant, frühzeitig loszulaufen, um den 2 Uhr-Regen zu verhindern. Da wir eh sehr früh ins Bett gehen und auch aufstehen, schien uns dieser Plan sinnvoll. Jetzt sitzen wir mit gepackten Rucksäcken auf unseren Betten und schauen dem Regen zu, der sich über die Drakensberge ergießt.

            Erst gegen 08:00 Uhr hört es wieder auf zu regnen und wir wagen uns nach draußen. Und wieder wandern wir durch endlose Weiten über grüne Wiesen umringt von den Tafelgipfeln der Drakensberge.


            Nur Anne, ich und die Drakensberge

            Auf der Karte ist eine Stelle mit dem Namen "Turtle Rocks" gekennzeichnet. Schon von Weitem sehen wir die schildkrötenförmigen Felsen, die neben uns am Wegesrand liegen. Anne will mir einfach die Geschicht über riesige, versteinerte Fossilien von Urzeitschildkröten nicht abnehmen.


            Turtle Rocks - oder doch eher Muffin Rocks?!

            Nach einiger Zeit erreichen wir eine Höhle, in der Wandmalereien der San-Buschmänner zu sehen sein sollen. Eine richtige Höhle ist es eigentlich gar nicht, sondern ein großer Felsüberhang, und auch die Höhlenmalereien finden wir erst nach längerer Suche. Sie sind bereits sehr ausgeblichen und kaum noch zu erkennen.

            Zu unserer großen Freude reisst die Wolkendecke endlich auf und wir bekommen die Sonne zu sehen. Im Sonnenlicht haben die Drakensberge wieder einen ganz neuen Anschein. Weniger mystisch und düster, dafür freundicher und wärmer.

            Immer wieder bleiben wir stehen und genießen die Aussicht über die Ebenen oder auf die zahlreichen schönen Landschaftsformationen.


            Diesen Baum hätte ich sogar gerne im Nebel gesehen


            Endlich blauer Himmel

            Da das Wetter am frühen Mittag immer noch warm und sonnig ist, beschließen wir, ausgiebig Mittagspause zu machen. Ein flacher, ca. 1m hoher Felsen, der ca. 5 Meter vom Wegrand entfernt liegt, ist wie dafür gemacht, auf ihm Brotzeit zu machen. Ich gehe durch das wadenhohe Gras, lege meinen Rucksack auf den Felsen und klettere rauf. Anne folgt mir. Das nächste, was ich mitbekomme, ist ein Kreischen von Anne. Im nächsten Augenblick sehe ich Anne mitsamt ihrem 17 kg Rucksack auf den Felsen sprigen. "Was ist denn jetzt schon wieder?!" frage ich merklich genervt durch die Störung dieser friedlichen Stille.

            Anne beschreibt die Situation folgendermaßen:
            "Wir steuern auf einen großen Felsen etwas abseits des Pfades zu. Roland läßt seinen Rucksack darauffallen, ich bin etwas rechts neben ihm und will gerade das Gleiche tun, als ich rechts von mir ein drohendes Zischen vernehme. Halb aus dem Augenwinkel sehe ich, vielleicht einen Meter neben mir, eine erschreckend große, dunkle Schlange, die drohend den Kopf hebt.

            Mit einem Kreischen hechte ich mich auf den Felsen - samt meinem Rucksack, der gerade noch so schwer erschien, dass ich ihn unbedingt absetzen wollte... Angst verleiht halt Flügel! ;)

            'Was ist denn jetzt schon wieder?' fragt Roland (was heißt da eigentlich schon wieder??), bevor er die Schlange bemerkt. 'Hey, die lebt ja noch!' Aber ja lebt die noch, Schlauberger, sonst hätte sie mich kaum anzischen können.

            Jetzt beginnt die Schlange - ich denke es ist eine Puffotter, und zwar ein ausgewachsenes Prachtexemplar - sich zu bewegen. Ich traue meinen Augen kaum, als sie auf uns zu gleitet: Will die etwa hier hoch??

            Roland zückt seinen Wanderstock, aber die Schlange versucht nicht, auf den Felsen zu gelangen, sondern verschwindet unter ihm. Scheinbar haben wir uns ihren Wohnfelsen als Rastplatz ausgesucht."

            Ich schaue der Schlange zu, wie sie unter dem Felsen verschwindet und hole unser Essen aus dem Rucksack.
            "Das ist ja wohl nicht Dein Ernst, dass wir jetzt hier auf dem Felsen Brotzeit machen sollen, oder!? Wo wir genau wissen, dass da eine Schlange unter uns ist!" Anne hat normalerweise keine Angst vor Schlangen, im Gegenteil, sie ist von diesen schönen Tieren sehr fasziniert, aber die Erkenntnis, um Haaresbreite an einem Biß vorbeigeschrammt zu sein, hat sie verständlicherweise doch ein bißchen mitgenommen.
            "Du wirst hier wahrscheinlich keinen Felsen finden, unter dem keine Schlange wohnt. Und jetzt sind wir schon drauf."

            Puffottern unterscheiden sich von anderen Schlangen vor allem darin, dass sie sich nicht entfernen, wenn die Vibrationen des Bodens sich auf sie zu bewegen. Aus diesem Grund sind Puffotterbisse gar nicht so selten in Südafrika. Das Puffotterngift ist zwar nicht das giftigste, aber besonders einfach wäre es nicht geworden, von hier zu einem Arzt zu gelangen.

            Gegen Mittag kommen wir bei unserer Hütte "Mzimkulwana" an. Die Hütten sind spartansich und eher ungemütlich eingerichtet, kein Vergleich zu den gemütlichen Räumen gestern.

            Matthew hatte uns erzählt, dass viele Wanderer Hütten überspringen und den Trail in weniger als 5 Tagen laufen. Das wäre sicherlich möglich, aber für uns sind 5 Tage in den sagenhaften Drakensbergen sicher nicht zu viel und wir lassen es bei der Tour lieber ruhig angehen.

            Da das Wetter immer noch schön ist, beschließen wir, erst einmal eine Runde Schwimmen zu gehen. Gleich neben der Hütte hat sich das Wasser eines Bachs in einem natürlichen Becken gesammelt. Da ich das Wasser erst testen möchte, stelle ich mich auf einer Schräge nur mit den Füßen ins Wasser. Plötzlich gerate ich auf der Schrägen ins Rutschen und gleite langsam aber unaufhaltsam immer tiefer ins eiskalte Wasser. Für Anne muss das sehr witzig ausgesehen haben, denn sie lacht sich halbtot. Allerdings nur so lange, bis ich sie mit dem Wasser vollspritze. Kurz und schmerzlos ziehe ich sie ins Wasser. Und wenn man erst mal drinnen ist, tut es wahnsinnig gut, darin zu plantschen.

            Nach einiger Zeit im Wasser zieht sich der Himmel wieder zu. Schnell verlassen wir "den Pool", schmeißen uns die Handtücher über und fliehen in die Hütte. Es ist wie ein Déjà Vu: Kaum sind wir in der Hütte, bricht draußen ein Regenguß nieder. Der Deal scheint ja gut zu funktionieren!

            In einiger Entfernung sehen wir zwei Gestalten mit großen Schritten auf die Hütte zu eilen. Andreas und Joachim haben es wieder nicht geschafft, vor dem Regen ins Trockene zu gelangen. Ich frage mich, was die beiden wohl angestellt haben?! ;) Da sie aber gute Regenkleidung haben, ist das nicht so schlimm, wie es für uns wäre. Die beiden legen mehr Wert darauf, morgens lange auszuschlafen und dann gemütlich loszulaufen. Anne und ich gehen lieber früh und genießen dann später die freie Zeit am Ziel.

            Während ich selig meinen Nachmittagsschlaf halte, gibt Anne noch ihre Schlangengeschichte den beeindruckten Mitwanderern zum Besten.

            Am frühen Abend zeigt sich noch ein wunderschöner Regenbogen über den Bergen.


            Somewhere Over The Rainbow...

            Und später scheint der Himmel über Lesotho zu brennen.


            I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

            Kommentar


            • Der Waldläufer

              Alter Hase
              • 11.02.2005
              • 2941
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              TAG 23 (14.11.2005):

              Die Freude nach dem frühen Aufwachen ist groß: Am Himmel lacht uns wieder die Sonne entgegen. Eifrig packen wir unsere Rucksäcke und schlingen voller Vorfreude auf diesen Wandertag unser Instant-Oat-Meal runter. Doch als wir abmarschbereit vor die Türe treten, macht sich doch ein wenig Enttäuschung breit. Wieder haben sich dunkle Wolken am ganzen Himmel ausgebreitet und die Sonne verdunkelt.

              Nichtdestotrotz laufen wir gutgelaunt los. Die Wanderstrecke verläuft heute sehr eben und wir müssen uns kaum anstrengen. Der Wind veranlasst uns sogar, unsere Funktionsjacken anzuziehen.

              Wieder führt uns der Weg scheinbar in die Unendlichkeit dieser wildromantischen und einsamen Landschaft. Anne, die vor unserem Abflug einige negative Erlebnisse hatte, scheint alles um sich herum zu vergessen und wie in Trance zu wandern. In unserem Reisetagebuch lässt sie einen Blick in ihre Gedankenwelt zu: "Wie auch schon in den letzten Tagen merke ich, wie belastende Gedankenkreisel und die Sorgen der letzten Wochen vor dem Urlaub allmählich verblassen und in die Unbedeutsamkeit entschwinden." Wandern ist ein bißchen wie Meditieren. Gerade in den Drakensbergen scheinen den Gedanken keine Grenzen gesetzt zu sein.


              So weit das Auge reicht und die Füße tragen

              Von einer Naturschönheit zur nächsten wandert unser Blick, während wir Kilometer um Kilometer hinter uns bringen.


              Wasserfall neben dem Giant's Cup Hiking Trail

              Als wir um einen Felsen herumwandern, zeigen sich die ersten Ausläufer der Zivilisation. Wir passieren eine Farm, von der uns ein dunkelhäutiger Bauer freundlich entgegenwinkt. Gutgelaunt winken wir zurück. Kurz darauf mündet der Trail auf eine große Asphaltstraße, an der wir ca. 3 km entlang laufen müssen. Immer wieder überholen uns Autos. Nachdem wir ein Tiergatter überstiegen haben, befinden wir uns auf einer mit Müll übersäten Wiese. Nebenan stehen ein paar heruntergekommene Wellblechhütten und der Bach, der zu unserer Rechten herabfließt stinkt nach Fäkalien. Krasser könnte der Stilbruch gar nicht sein. Das schlägt sich auch auf unsere Laune nieder.

              Abstruserweise meint Anne, dass sie jetzt Mittagspause machen möchte. Ich kann nicht fassen, was ich gehört habe. "Hier?! Auf dieser dreckigen Müllhalde?! Auf keinen Fall!" Normalerweise gilt die Regel, dass wir Pause machen, wenn einer eine Pause benötigt, aber das hier geht zu weit. Wir geraten ein wenig in Streit. Ich merke, dass dies nur ein Ausbruch aufgestauter Aggressionen ist, die aus Anne heraus müssen. Ich gehe weiter und Anne folgt mir motzend. Doch als wir über den Müllhügel gestapft sind, ist der Ärger vergessen. Vor uns breiten sich schöne Pferdekoppeln aus, dahinter die Winterhoek Huts, unsere heutige Tagesetappe.


              Die Winterhoek Huts vor dem "Black Eagle Pass"

              Nach wenigen Minuten erreichen wir auch schon die Hütten, die den traditionellen afrikanischen Rundhütten nachempfunden sind. Anne gesteht, dass ich Recht hatte, was so gut wie nie der Fall ist. Dass ich Recht habe, meine ich. Die Brotzeit lassen wir uns so richtig schmecken. Inzwischen hat sich auch die Sonne ihren Weg durch die Wolken gebahnt und wärmt uns mit ihren Strahlen.

              Eine Stunde nach uns treffen auch Joachim und Andreas bei den Hütten ein. Heute mal trocken zur Abwechslung. Kurz nachdem sie angekommen sind, machen sie sich auch schon wieder auf den Weg, um von der Straße als Anhalter ins nahe gelegene Himville zu fahren. Dort wollen sie ihren Lebensmittelvorrat aufstocken und sich für den Abend ein paar Bierchen besorgen. Ich bitte sie, mir Kleber für meine Sohle mitzubringen, die sich auf dem Weg halb vom Schuh gelöst hat.

              Während die beiden weg sind, machen wir einen Spaziergeang zu einem Tümpel in der Nähe der Hütten. Das Wasser ist so braun, dass man weder den Grund noch irgendetwas darin erkennen könnte. Obwohl ich es normalerweise überhaupt nicht mag, wenn man im Wasser nichts sehen kann, ist die Versuchung letztendlich zu groß und wir drehen ein paar Runden im kühlen Nass.


              War da gerade etwas an meinem Fuß?!

              Nach dem Bad faulenzen wir völlig entspannt im Gras und lassen uns die Sonne auf den Bauch brennen. Um nicht völlig als Nichtsnutze dazustehen, sammeln wir noch Brennholz für ein schönes Lagerfeuer.

              Andreas und Joachim kommen von ihrer Einkaufstour mit vollen Tüten zurück. Glücklicherweise haben sie auch Sekundenkleber bekommen und ich kann meine Wanderschuhe reparieren.

              Als die Sonne langsam untergeht, sitzen wir zu viert am Feuer und erzählen Geschichten. Die beiden hatten heute auch eine Schlangenbegegnung mit einer Speikobra. Es gibt mit den beiden keine unangenehmen Gesprächspausen, wir schwirren völlig auf einer Wellenlänge. Wenn wir gerade nichts zu sagen haben, schauen wir einfach nur dem Tanz der Flammen zu und hängen unseren Gedanken nach.


              Herz, was willst Du mehr?!

              Ich habe mich selten so losgelöst und glücklich gefühlt.
              Zuletzt geändert von Der Waldläufer; 14.08.2008, 11:35.
              I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

              Kommentar


              • Simone
                Erfahren
                • 06.06.2006
                • 166

                • Meine Reisen

                #27
                Sehr schöner Bericht und wunderschöne Bilder, vielen Dank!

                Grüße
                Simone

                Kommentar


                • Der Waldläufer

                  Alter Hase
                  • 11.02.2005
                  • 2941
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  TAG 24 (15.11.2005):

                  Nach dem Aufstehen wieder mal das gewohnte Bild. Eine undurchdringliche Nebeldecke hat sich direkt in das Tal vor unserer Hütte gelegt. Wir haben uns gedanklich bereits mit der Tatsache abgefunden, heute wieder in unseren Jacken zu laufen.


                  Ein Haus in den Wolken

                  Nachdem wir unsere Instant Oat-Portionen, die wir langsam schon nicht mehr sehen können, runtergewürgt haben, machen wir uns auf den Weg. Als wir die Hütte verlassen, sind wir positiv überrascht: Der Nebel hat sich so gut wie ganz verzogen und hinter den wenigen übriggebliebenen Nebelfetzen sehen wir einen strahlend blauen Himmel.


                  Eine Stunde später

                  Laut unserer Karte erwartet uns gleich das steilste Stück des Trails, der Black Eagle Pass. In der Tat geraten wir unter der immer wärmer werdenden Sonne auf dem steilen Weg ganz schön ins Schwitzen. Nach einer halben Stunde nur ist es aber auch schon wieder überstanden und wir laufen eben auf dem Plateua des Passes entlang. Eine sagenhafte Aussicht tut sich vor uns auf und wir nehmen uns erst mal Zeit Fotos zu schießen.



                  Über uns ziehen ein paar majestätische Vögel ihre Bahnen, bei denen es sich vermutlich um Black Eagles handelt.

                  Und immer weiter wandern wir durch diese überwältigend schöne Landschaft, unterhalten uns ein bißchen oder hängen unseren Gedanken nach. Ich vermute, dass man in solch schönen Landschaften am besten seine Sorgen vergessen kann, weil einem dort wirklich bewusst wird, wie klein und unbedeutend man doch eigentlich ist. Es scheint, als wolle einem die Natur sagen, dass man nicht alles immer so furchtbar ernst nehmen, sondern lieber das Leben genießen soll.



                  Nicht nur über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos

                  Da das Wetter keine Anstalten macht schlechter zu werden, kein reissender Fluß überquert werden muss und auch sonst kein Grund zur Eile vorliegt, lassen wir uns für die heutige Etappe alle Zeit der Welt.

                  Nach ein paar Stunden tut sich vor uns das Giant's Castle auf, eine Felsformation, die ihren Namen auf Grund ihrer Ähnlichkeit mit einer Burg trägt.


                  Burgen gibt es in Südafrika eigentlich nur in dieser Form

                  Doch sehr nahe kommen wir nicht an das Giant's Castle heran. Einige Kilometer vorher haben wir schon unser heutiges Tagesziel, die Swiman-Hut erreicht. Bei ihr handelt es sich um eine ehemalige Jugendherberge. Dementsprechend ist dort auch elektrisches Licht und warmes Wasser vorhanden. Gerade heute, wo es richtig schön warm ist, findet sich keine Schwimmgelegenheim in der Gegend. So müssen wir uns mit einer Dusche begnügen.

                  Beim Kochen unserer obligatorischen Nudelportionen entdecken wir in der Küche eine Gottesanbeterin. Für eine gute halbe Stunde ist das schöne Insekt Mittelpunkt unseres Interesses. Es ist einfach schön, wie man sich an solchen Kleinigkeiten so erfreuen kann. Wir vermissen weder den Fernseher noch irgendein anderes Unterhaltungsmedium und das fühlt sich wahnsinnig gut an.

                  Mir geht es heute nicht besonders gut, deshalb gehe ich früh zu Bett und schlafe auch sofort ein.

                  Während ich schlafe und Anne ein bißchen im Reisetagebuch schreibt, klopft es von draußen an unserem Fenster.

                  "Andreas und Joachim sind da. Sie haben in der Ferne Wetterleuchten gesehen. Mit einer Taschenlampe laufe ich ihnen hinterher. Etwas derartiges habe ich noch nie gesehen: Über einem weite entfernten Landstrich hängen dichte Wolken, aus denen ständig Blitze zucken und die Nacht gespenstisch erhellen. Dabei ist es ganz ruhig, es ist kein Donnern zu hören. Trotzdem hätte ich es am ehesten für ein weit entferntes Gewitter gehalten - auch wenn ich noch kein Gewitter erlebt habe, bei dem die Blitze so schnell aufeinander folgen. Aber Andreas meint, das sei wohl Wetterleuchten und ein ganz eigenes Phänomen. Erklären kann es keiner von uns so richtig, aber es ist faszinierend."

                  Na toll. Egal ob es jetzt Wetterleuchten oder einfach ein beeindruckendes Gewitter war, schon wieder habe ich ein nächtliches Ereignis verschlafen. Ich weise Anne an, mich das nächste Mal auf jeden Fall zu wecken, wenn wieder etwas tolles passiert. Ich verschlafe noch den ganzen Urlaub....
                  I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

                  Kommentar


                  • Der Waldläufer

                    Alter Hase
                    • 11.02.2005
                    • 2941
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    TAG 25 (16.11.2005):


                    Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die verschiedenen Gesichter der Drakensberge sind. Gestern noch hell und freundlich wirkt es heute wieder geheimnisvoll und mystisch, ja fast schon unheimlich.



                    Die Strecke, die wir heute noch zurücklegen müssen, führt uns die meiste Zeit bergab. Nur zwei kurze, dafür aber steile Anstiege sind noch zu bewältigen.

                    Gemütlich trotte ich hinter Anne her, als wir uns den letzten Aufstieg hochmühen. Anne entschwindet meinem Blickfeld, weil sie dem Weg um eine Felsen herum folgt. Plötzlich höre ich hinter dem Felsen ein vertrautes Geräusch: Anne schreit überrascht auf. "Auf dem Weg liegt eine Schlange!!! Ich wär fast draufgestiegen!" Wow, ein Déjà Vu! Mit weit aufgerissenen Augen kommt sie mir entgegen gelaufen, um die Kamera zu holen.

                    Schlangen sind wunderschöne Tiere und ich kann es nicht erwarten, eine aus der Nähe zu sehen. Und mit "Nähe" meine ich selbstverständlich sichere Entfernung.

                    Voller Vorfreude pirschen wir langsam um die Ecke. Auf dem Weg sehe ich ... nichts. Argh! Enttäuscht schwöre ich mir, dass ich Anne für den Rest des Urlaubs keine Sekunde mehr alleine lasse! Das ist jetzt das dritte Mal, dass sie irgendein tolles Erlebnis ohne mich hat. Ich koche innerlich. Wie gerne hätte ich eines dieser wunderschönen Tiere aus der Nähe gesehen! Mit einem Funken Resthoffnung suchen wir die nähere Umgebung ab. IUnd tatsächlich - ich kann mein Glück kaum fassen - liegt in ca. 1 m Entfernung eine vollgefressene, ausgewachsene Puffotter im Gras.


                    Puffotter

                    Aus respektvollem Abstand machen wir ein paar Fotos von der Schönheit, die auf Grund der niedrigen Temperaturen und der Maus in ihrem Bauch brav für die Bilder posiert. Wahrscheinlich war die vorangegangene Mahlzeit auch der Grund, warum sie entgegen dem Charakter von Puffottern den Weg anstandslos für uns frei gemacht hat. Sie hatte wohl nicht mehr allzuviel Gift parat.

                    Ganz ehrlich, solche Begegnungen sind wahre Adrenalin- und Endorphin-Ausschütter!

                    Wir unterhalten uns über die spannende Begegnung mit der Schlange, während wir um einen weiteren Felsen herumlaufen. Als wir den Felsen passiert haben, tut sich vor uns eine weite Grasebene auf. Wir können unseren Augen fast nicht trauen, als wir auf dieser Ebene dutzende von Antilopen sehen. Unserer Schätzung nach müssen es mindestens 80 sein. Als die grazilen Tiere auch uns bemerken, kommt Bewegung in die Herde und sie flieht mit flinken Bewegungen vor der scheinbaren Bedrohung durch uns in die weite Berglandschaft. Wir sind uns absolut sicher, dass es sich bei den Tieren um Eland-Antilopen handelt. Die heiligen Tiere der San-Buschmänner! Diese Herde zu sehen, ist ein weiteres tief bewegendes Erlebnis für uns. Wir können unser Glück gar nicht fassen, diese Tiere in freier Natur sehen zu dürfen. Und dazu auch noch in dieser Anzahl.





                    Sprachlos vor Glück wandern wir in leichtem Nieselregen die letzten Kilometer zum Ende des Trails, wo wir bei der Bushman's Nek Hut auf Andreas und Joachim warten. Wir haben den beiden versprochen, dass sie bei uns mitfahren können, wenn Matthew uns mit unserem Auto abholt.

                    Vor dem Start des Trails hatten wir Matthew, dem Mitarbeiter der Sani Lodge, mit einem mulmigen Gefühl im Bauch die Schlüssel für unser Mietauto da gelassen, damit er uns am Ende des Trails abholen könne. Dass wir Matthew letztendlich die Schlüssel anvertraut haben, war weniger im Vertrauen in ihn als in dem Mangel an Alternativen begründet.

                    Inzwischen sind auch unsere beiden Mitwanderer (da es zwischenzeitlich begonnen hat, richtig zu schütten, natürlich wieder völlig durchnässt) bei der Hütte angekommen. Ich rufe in der Lodge an, um Matthew mitzuteilen, dass er jetzt losfahren könne. Die nette Dame am anderen Ende der Leitung teilt mir mit, dass Matthew im Moment nicht da sei. Sie werde es ihm aber ausrichten. Wir sollen einfach warten, bis er kommt. Und so warten wir gemeinsam darauf, dass uns Matthew mit unserem Mietauto abholt.

                    Und wir warten...

                    und wir warten...



                    und wir warten...

                    Nach drei Stunden immer noch kein Zeichen von Matthew oder unserem Auto. In meinem Kopf male ich mir bereits Horrorszenarien aus, was wohl passiert sein könnte. Vielleicht ist er vollgekifft mit dem Auto einen Abhang runtergestürzt. Oder er hat sich abgeseilt und das Auto verkauft. Oder... oder...

                    Auch eine erneute Anfrage bei der Rezeption der Sani Lodge trägt nicht wesentlich zur Erleichterung bei. Die Dame hat inzwischen in Erfahrung gebracht, dass Matthew heute seinen freien Tag habe und nach Pietermaritzburg gefahren sei. Ich weiß sofort, dass er natürlich mit UNSEREM AUTO dahingefahren ist!! Nein, eine Handynummer habe sie nicht von Matthew. Wenn ich den Kerl in die Finger bekomme...

                    Da wir uns von dem Gedanken, mit unserem Auto gemütlich abgeholt und nach Hause chauffiert zu werden, verabschiedet haben, geht es daran, Alternativpläne zu erarbeiten. Irgendwie gar nicht so leicht, wie sich herausstellt. Trampen scheidet aus, weil hier die letzten Stunden kein einziges Auto vorbei gekommen ist. Und Busse verkehren hier auch nicht.

                    Nebenan befindet sich die Hütter der Park-Ranger. Nachdem wir ihnen von unserer mißlichen Lage erzählt haben, erklärt sich einer von ihnen bereit, uns für 200 Rand mit dem Rangerauto zur Lodge zu fahren. Cool! Mit einem Rangerauto!

                    Der Ranger weist uns an, unsere Sachen zu packen und mit ihm zum Auto zu kommen. Komisch nur, dass ich gar kein Rangerauto sehen kann. Vielleicht steht es hinter diesem Autowrack geparkt.

                    Zielstrebig geht der Ranger auf die Schrottkiste zu und öffnet den Kofferraum und die Türen. In gebührendem Abstand - wie bei der Schlange - stehen wir vor dem Auto und trauen uns nicht so recht einzusteigen. Die Frage nach einer gültigen Hauptuntersuchung verkneife ich mir.

                    Wir stopfen so viele unserer Rucksäcke in den Kofferraum, wie es geht. Leider sind das nur zwei. Der Rest liegt quer über Anne, Joachim und mir, die wir uns in das Heck gezwängt haben. Dass das Auto natürlich keine Anschnallgurte hat, brauche ich ja sicher nicht extra zu erwähnen. Aber wir haben ja zwei tolle Rucksack-Airbags, an denen außerdem zwei Paar übel riechender Trekking-Sandalen vor unseren Nasen rumbaumeln.

                    Vergiß Löwen, Puffottern, Speikobras... das hier ist der wahre Thrill! Auf einer Schotterpiste mit tiefen Schlaglöchern fahren wir bei strömendem Regen mit kaputten Scheibenwischern mit geschätzen 80 km/h dahin. Nach einiger Zeit frage ich mich, ob ich mir das mit dem Linksfahren nur eingebildet hatte, denn unser Fahrer fährt beharrlich auf der rechten Straßenseite. Offensichtlich ist diese Straßenseite in besserem Zustand. Leider sieht unser Fahrer auch vor Kuppen keine Notwendigkeit, nach links zu fahren. So drücken wir uns vor jeder Kuppe tiefer in die Sitze und hoffen, dass Murphy nur einmal nicht Recht hatte!

                    Im Auto herrschen höllische Temperaturen. "Joachim, kannst Du bitte mal ein bißchen Dein Fenster aufmachen? Bei mir geht es leider nicht auf." "Geht nicht, kein Fensterheber." "Ok."

                    Nach einer schier endlosen Fahrt erreichen wir endlich die Lodge. Anne stürmt sofort davon. Ich frage mich, wie lange sie es sich wohl schon verdrückt hat, sich aber nicht fragen traute.

                    Anstatt der vereinbarten 200 drücke ich dem Fahrer 400 Rand in die Hand, der sich darüber sichtlich freut. Das ist in unseren Maßstäben eh sehr wenig Geld und er kann es sicher brauchen.

                    Eigentlich hatten wir geplant, heute noch weiter Richtung Krüger National Park zu fahren, aber da es aus unerfindlichen Gründen schon sehr spät ist, entscheiden wir uns, noch eine Nacht in der Sani Lodge zu bleiben.

                    Unser Auto steht übrigens unangetastet auf dem Parkplatz der Lodge. Matthew empfängt uns auch mit einem deutlich merkbaren schlechten Gewissen. Vielleicht war es wirklich ein Mißverständnis, was die Uhrzeit angeht. Im Augenblick ist es mir egal, ich bin einfach nur froh, lebend bei der Lodge angekommen zu sein.

                    Joachim, Andreas und wir beschließen heute abend noch richtig gemütlich Essen zu gehen. Auf der Fahrt hören wir Rock'n'Roll und singen aus voller Kehle mit. In einem netten Pub machen wir es uns gemütlich und schließen unsere Wanderung mit einem hervorragenden Essen ab. Wir reden und lachen viel und lassen es uns so richtig gut gehen, bis auch dieser schöne Abend irgendwann zu Ende geht.

                    Zurück in der Lodge sitzen wir noch ein wenig vor dem Ofen, starren ins Feuer und lassen die Wanderung vor unserem geistigen Auge Revue passieren, bevor wir alle vier todmüde ins Bett fallen.
                    Zuletzt geändert von Der Waldläufer; 15.08.2008, 14:34.
                    I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

                    Kommentar


                    • Der Waldläufer

                      Alter Hase
                      • 11.02.2005
                      • 2941
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      TAG 26 (17.11.2005):

                      Auf dem Programm für die verbleibenden fünf Tage stehen noch Blyde River Canyon, Krüger National Park, Royal Natal National Park, St. Lucia Greater Wetland Park, Sodwana Bay und Umfolozi-Hluhluwe-Park (nein, das ist kein Tippfehler!). Natürlich sind wir hin und her gerissen, weil wir zum Einen möglichst viel von diesem tollen Land sehen wollen, aber zum Anderen uns auch nicht wie japanische Touristen von einer Attraktion zur nächsten hetzen wollen. Und so beschließen wir schweren Herzens, nur noch den Blyde River Canyon und den Krüger National Park zu besuchen, bevor wir wieder nach Deutschland zurück fliegen müssen.

                      Die nächste Etappe soll der berühmte Krüger National Park sein. Der Park umfasst eine Fläche von 20 000 km², was etwa der Größe von Rheinland-Pfalz entspricht.

                      Bis dorthin haben wir aber noch einige Kilometer zurückzulegen. Und so wird auch dieser Tag zu einem reinen Fahrtag. Bald schon verlassen wir die ärmliche Transkei und fahren auf besseren Straßen durch schönere, wohlhabendere Städchen immer weiter Richtung Nord-Osten.

                      Wir schaffen die Strecke zum Krüger nicht ganz, bevor es dunkel wird, uns so schlagen wir unser Zelt heute auf einem netten Campingplatz in Nelspruit, ca. 50 km vom Park entfernt, auf.

                      Nachdem wir eine riesige Portion Salat mit Knoblauchbrot vertilgt haben, gehen wir wieder einmal früh ins Bett.
                      I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

                      Kommentar


                      • Mephisto

                        Lebt im Forum
                        • 23.12.2003
                        • 8538
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #31
                        Wow, geile Bilder! Ich denke ich werde mir demnächst mal in aller Ruhe den Bericht zu Gemüte führen 8)

                        Kommentar


                        • sjusovaren
                          Lebt im Forum
                          • 06.07.2006
                          • 6035

                          • Meine Reisen

                          #32
                          Zitat von Der Waldläufer
                          und Mistkäfern (auch wesentlich respektvoller als Pillendreherkäfer oder gar Skarabäus bekannt ), die übrigens im ganzen Park das "Right Of Way" genießen.
                          Kommt mir dunkel bekannt vor
                          Schöner Bericht!, der natürlich sehr sehr viele Erinnerungen weckt. Cape Peninsula, Pinguinkolonie, Mossel Bay, De Hoop, Natures Valley,Kirstenbosch,..
                          Vor allem aber die Gewißheit, daß es in diesem Land noch tausend andere Dinge zu erleben gibt
                          Ich hatte mich fast ganz auf die einzigartige Pflanzenwelt konzentriert.



                          PS, ich fands auch ziemlich kalt. Teilweise hatte ich die Daunenweste meiner Freundin an *schäm*
                          Zuletzt geändert von sjusovaren; 29.12.2007, 00:57.
                          Heilig ist die Unterhose, wenn sie sich in Sonn' und Wind,
                          frei von ihrem Alltagslose, auf ihr wahres Selbst besinnt.


                          Christian Morgenstern

                          Kommentar


                          • marcus
                            Alter Hase
                            • 01.12.2004
                            • 3324
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #33
                            kalt? ich dachte da unten wäre es immer mega warm

                            dann könnte oich ja doch mal dahin, kleine mietze katzen streicheln und so...

                            super schöne bilder. vielleicht komm ich da ja auch mal hin, wenn ich das nötig kleingeld aus der portokasse genehmigt bekomme und weg darf...

                            gruß, marcus
                            \"wir haben gelernt wie vögel zu fliegen, wie fische zu schwimmen, aber wir haben verlernt wie menschen zu leben\"

                            Kommentar


                            • Gast-Avatar

                              #34
                              Gratuliere.
                              Das ist der beste Reisebericht den ich seit langem gelesen habe.

                              @Markus
                              jetzt ist es warm dort weil Sommer, aber im Winter kann es dort recht frisch werden.
                              Und an der Küste gibt es ja sogar Pinguine


                              B.

                              Kommentar


                              • Der Waldläufer

                                Alter Hase
                                • 11.02.2005
                                • 2941
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #35
                                TAG 27 (18.11.2005):

                                Es ist schon Mittag, als wir am Malelane-Gate vor dem Krüger National Park ankommen. Wir kaufen uns noch eine Broschüre und fahren dann voller Vorfreude in den Park.

                                Nur kurze Zeit später haben wir unsere erste Tiersichtung: Eine Giraffe, die seelenruhig die Blätter von den hohen Sträuchern zupft.


                                Hier merkt man dann deutlich, welche Besucher schon länger im Park sind, und welche gerade erst angekommen sind. Während einige Autos für die neben der Straße stehenden Giraffe nicht mal mehr bremsen und sie keines Blickes würdigen, fotografieren wir dieses bizarre, aber auch schöne Tier ausgiebigst.

                                Eigentlich müssten wir inzwischen ja wissen, dass Tiere während der Mittagszeit für's Fotoshooting nicht zu begeistern sind. Und so fahren wir zwei Stunden umher, ohne auch nur ein einziges Tierchen zu sehen.

                                Erst als es deutlich kühler wird, lassen sich einige der Parkbewohner wieder sehen. Leider nur aus weiter Entfernung und durch dichtes Buschwerk können wir einer Nashornfamilie beim Baden zusehen.

                                Einer Intuition folgend biege ich in einen staubigen, unscheinbaren Weg ein, der laut der Karte eine kleine Schleife beschreibt. Dies stellt sich als goldrichtig heraus, denn in diesem von Autos wenig befahrenen Abschnitt trauen sich die Tiere näher an die Straßen heran. Und so steht er nun nur wenige Meter von uns entfernt neben der Straße: Ein prachtvoller Breitmaulnashornbulle. Nummer 2 der Big Five!



                                Ein paar Minuten lässt sich das stattliche Tier von uns fotografieren, bis es irgendwann langsam von dannen schreitet.

                                In den folgenden Stunden treffen wir auf zierliche Zwergmangusten, witzige Zebras, faule Paviane und unzählige der süßen Impalas.


                                Zebra


                                Zwergmanguste


                                Impalas

                                Ein witziges Erlebnis haben wir, als Anne links neben uns in gut 40 Metern Entfernung ein paar Kudus entdeckt. Wir bleiben natürlich sofort stehen, um mit dem Tele die Tiere auf die Speicherkarte zu bannen. Ich beuge mich vom Fahrersitz nach links zum Beifahrerfenster und versuche mit dem Fernglas die Tiere besser sehen zu können. Ich strenge meine Augen an so gut es geht, aber da ich sie nur sehr unschaft erkennen kann, lass ich Anne in Ruhe weiter fotografieren und will mir in der Zwischenzeit die Gegend rechts von uns ein bißchen anschauen. Als ich zum Fahrerfenster hinausschaue, stockt mir der Atem. Direkt neben unserem Fenster steht ein Kudu-Bock und kaut genüßlich an einem Strauch herum. Ich traue mich nicht, einen Laut von mir zu geben und "entreisse" Anne einfach die Kamera. Beim Blick durch die Kamera sehe ich nur braune Fellfläche. Der Bock steht für das Tele sogar zu nah! Schnell tausche ich die Objektive aus und schieße ein paar Fotos von diesem wunderschönen Tier mit seinem prachtvollen Hörnern.



                                Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein, aber ich kriege den Gedanken einfach nicht los, dass der Bock uns die ganze Zeit zugeschaut hat, wie wir uns die Augen aus dem Kopf geschaut haben, und sich gedacht hat "Ihr Idioten, ich bin doch hier genau neben Euch!"

                                So eine Fotosafari macht wahnsinnig viel Spaß, ist aber zugleich auch "tierisch" anstrengend, weil man den ganzen Tag sehr konzentriert und wachsam ist, dass man auch ja kein Tier übersieht.

                                Wir erreichen rechtzeitig vor Schließung der Gates unser Lager Pretoriuskop, wo wir müde unser Zelt für die Nacht aufschlagen.

                                Kurze Zeit später sitzen wir aneinander gekuschelt vor unserem Zelt und bewundern den traumhaft schönen afrikanischen Sonnenuntergang.

                                Nach dem Abendessen machen wir noch einen Spaziergang durch das Camp. Es ist ein traumhafter Abend: Über uns leuchten unzählige Sterne und immer wieder fallen Sternschnuppen vom Himmel. Es ist angenehm warm, aus dem Park dringen geheimnisvolle Tierstimmen und -geräusche an unser Ohr und Grillen zirpen überall um uns herum um die Wette.

                                Als wir gerade durch einen dunklen Bereich des Lagers spazieren, sehe ich plötzlich die Gestalt eines Tieres an uns vorbeihuschen. Mir bleibt fast das Herz stehen. Ein Raubtier auf der Jagd!!! Ich sehe schon, wie sich die rassiermesserscharfen Zähne des Tieres in mein Bein bohren...

                                Anne schaltet ihre Taschenlampe ein und im Scheinwerferlicht stehen vor uns ein paar Impalas, die es wohl irgendwie durch den Zaun geschafft haben oder vielleicht sogar im Camp gehalten werden. Das sind wieder die Geschichten, die ich mir danach jahrelang anhören darf: "Tja, manche fürchten sich eben vor Schlangen, andere vor Impalas!"
                                I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

                                Kommentar


                                • Der Waldläufer

                                  Alter Hase
                                  • 11.02.2005
                                  • 2941
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  TAG 28 (19.11.2005):

                                  Schon gegen 04:00 Uhr kämpfen wir uns heute aus unseren Schlafsäcken. Wir wollen heute die große Mittagshitze vermeiden und unser Glück bei den Tiersichtungen eher in den frühen Morgenstunden versuchen.

                                  Kurz nach Öffnung der Gates verlassen wir das Pretoriuskop Restcamp und brechen zur Fortsetzung unserer Fotosafari auf.

                                  An einem Wasserloch, an dem man auch den Wagen verlassen darf, mampfen wir erst mal gemütlich unser Frühstück, während wir einigen Hippos dort beim Baden zusehen.


                                  Kaum zu glauben, dass diese "Happy Hippos" in Wahrheit äußerst aggressiv und gefährlich sein können.

                                  Nur ein paar Meter von unserem Platz entfernt sieht uns ein wunderschöner, ca. 40 cm langer Waran interessiert zu.


                                  Die nächste Zeit bleibt es wider Erwarten eher ruhig. Inzwischen hat es auch ein bißchen zum Nieseln angefangen, wodurch sich unsere Angst vor der Mittagshitze als unbegründet herausstellt.

                                  Und so fahren wir weiter durch den Park und suchen mit konzentriertem Blick die Umgebung nach weiteren Bewohnern ab. In einiger Entfernung können wir dann Nr. 3 der Big Five ausmachen: Den Büffel. Eine ganze Herde solcher Kraftpakete frisst sich an den Gräsern des Parks satt.



                                  Wir bekommen sofort ein schlechtes Gewissen, wenn wir uns dabei ertappen, nach einiger Zeit ohne Tiersichtung unzufrieden zu werden. Es gibt nun mal keine Garantie auf Tiersichtungen. Und wir können uns bislang eh nicht beschweren. Aber man wünscht sich halt doch sehr, einmal einen Leoparden auf einem Baum liegen zu erspähen. :wink:

                                  Immer wieder treffen wir auf alte Bekannte, aber auch neue Tiere wie Gnus oder Hornraben kreuzen unseren Weg. Und auch als wir einigen Meerkatzen beim Spielen zusehen dürfen, geht uns das Herz bei diesem Anblick fast über.

                                  Doch genau diese Meerkatzen, die Velvet Monkeys, sind es, die unsere Mittagspause fast zu einem Albtraum werden lassen. Nachdem wir einen Rastplatz angefahren und gerade an einem Tisch unsere Brote ausgepackt haben, kommen schon die ersten Meerkatzen zu uns. Zuerst umschleichen sie uns noch vorsichtig, doch dann werden sie immer aufdringlicher. Ein stattliches Exemplar versucht sogar, uns ein Brot vom Teller zu klauen. Als Anne es verscheuchen will, wird sie von dem Tier mit entblößten Zähnen angegiftet. Es ist in der Tat ein eindrucksvolles Gebiß, welches uns da entgegen gefletscht wird. Wir können nur froh sein, dass es sich nicht um Paviane handelt. Die Meerkatzen sind doch noch um einiges kleiner und "harmloser". Überall in dem Rastplatz sieht man Menschen ihr Essen mit Stöcken oder Ästen gegen die aufdringlichen Affen verteidigen. Es wird uns ganz deutlich vor Augen geführt, was der Mensch hier wieder mit falsch verstandener Tierliebe angerichtet hat.

                                  Wir schlingen also unser Essen lustlos hinunter und gehen zu unserem Auto zurück. Anne verschwindet noch schnell Richtung Toiletten und hat auf dem Weg dorthin noch ein deprimierendes Erlebnis:

                                  "Als wir uns näher an das SB-Restaurant zurückziehen, sehe ich, wie in Pärchen - und es sind auch noch Deutsche - von den Affen umringt wird und höre, wie er zu ihm sagt: 'Gib ihnen halt 'ne Banane!' Da platzt es quasi aus mir raus. Genau wegen solcher "Tierfreunde" werden die Affen schließlich so und müssen z.T. sogar erschossen werden, weil sie zu aggressiv sind. Die allgegenwärtigen "Don't feed the baboons!"-Schilder haben schon ihren Grund. Das erkläre ich den beiden und sie stecken verlegen ihre Bananen weg - vermutlich bis zum nächsten niedlichen Affen."

                                  Gegen Nachmittag löst sich die Wolkendecke langsam auf und die Sonne erwärmt den nassen Boden mit ihren Strahlen. Auf unserem weiteren Weg zum Satara-Rest Camp kommen wir durch "löwengarantierte" Gegenden, haben aber diesbezüglich leider kein Glück. Tiere halten sich eben nicht immer an die von Menschen aufgestellten Regeln. Anne meint, dass die Leoparden im Park scheinbar auch nicht wissen, dass Bäume ihre bevorzugten Rückzugsorte während des Tages sind...

                                  Als wir im Satara ankommen, bleibt uns gerade noch Zeit, das Zelt aufzuschlagen, dann geht auch schon unser gebuchter Sunset-Drive los. Normalerweise machen wir nicht gerne geführte Touren, aber dieser Drive startet erst, wenn die Gates für die normalen Besucher schon schließen. Und bevor wir nur untätig im Camp rumsitzen, schließen wir uns lieber dem Ranger "Chester" bei der Parkrundfahrt an.

                                  Schon kurze Zeit nach Verlassen des Camps das erste Highligth: eine Löwensichtung. Zwei Männchen liegen faul im Schatten eines Baumes. Die Kameras laufen heiß.



                                  Plötzlich raschelt es im Gebüsch und ein Elefant betritt die Bühne. Auch er wird natürlich ausgiebig fotografiert. Als ob er spüren würde, dass er hier die Chance hat, einige Mißverständnisse beim Thema "König der Tiere" zurechtzurücken, geht er gemächlich auf die Löwen zu, was diese mit genervter Verwunderung quittieren.



                                  Als der aufdringliche Eindringling langsam aber sicher immer näher kommt, erheben sich die Löwen gemächlich und schreiten von dannen.



                                  Irgendwie scheint dies dem Elefanten nicht zu genügen. Mit wütendem Ohrenaufstellen und Rüsselschwenken läuft der graue Riese auf die Löwen zu. Jetzt ist es für die beiden Zeit, schleunigst das Feld zu räumen.




                                  Genervt von dieser unverschämten Störung lassen sich die beiden in sicherer Entfernung wieder im warmen Gras nieder. Ich als Löwe sage natürlich zu Anne: "Der Klügere gibt halt nach..." :wink:



                                  Nach diesem eindrucksvollen Schauspiel fahren wir geradewegs in einen afrikanischen Traum: ein Sonnenuntergang, wie er schöner nicht sein könnte, bietet sich uns hinter der wechselnden Kulisse von Savanne, Palmenwäldchen, dicht bewaldeten Flußläufen und kleineren Dornendickichten.

                                  Immer wieder bleiben wir stehen und beobachten in der Abenddämmerung Giraffen, Antilopen und Elefanten. Da die Lichtverhältnisse für Fotos nicht mehr optimal sind, hören wir lieber Jesters Ausführungen über die Fauna im Park zu. Jester besticht durch ein ausgezeichnetes Fachwissen über Flora und Fauna und alle hängen gabannt an seinen Lippen.

                                  Als es dunkel wird, fragen wir uns, was denn jetzt in der Dunkelheit noch kommen könne. Immerhin kann man jetzt gerade noch so weit sehen, wie die Scheinwerfer des Fahrzeugs reichen.

                                  Doch unsere Skepsis sollte bald ausgelöscht werden.

                                  Kurz nach Einbruch der Dunkelheit kommt uns auf einem kleinen Weg eine Löwin entgegen. Kurz hinter ihr ein junger Löwe. Und noch einer. Und noch einer. Insgesamt zehn Löwen streifen seelenruhig in ca. einem Meter Entfernung an unserem Fahrzeug vorbei.

                                  Es ist beeindruckend, wie gut dieses Jagdteam aufeinander abgestimmt ist. Auch wenn wir das Signal nicht wahrnehmen, so ist es doch auf jeden Fall da, denn gleichzeitig legen sich die Männchen auf die Straße, während die führende Löwin die Vorhut bildet.



                                  Nach einiger Zeit stehen auch die Männchen wieder wie auf Kommando auf und verschwinden in der Dunkelheit.

                                  Völlig von den Socken von dem soeben Erlebten schaue ich zu Anne rüber, die meinen Blick mit traurigen Augen erwidert. Sie hat es nicht geschafft, viele brauchbare Fotos zu machen. Wir ärgern uns, dass wir uns vorher nicht besser mit der Kamera vertraut gemacht haben. Doch traurig zu sein ist jetzt einfach nicht angebracht, das Wichtigste ist doch das Erlebnis an sich. Und das wird uns nichts mehr nehmen können.

                                  Und es sollte auch noch lange nicht alles gewesen sein.

                                  Nur ein bißchen später sehen wir zwei helle, reflektierende Punkte auf der Wiese neben uns. Jester hält sofort an und fährt zurück: Ein Gepard!



                                  Chester beginnt, klagend zu maunzen - und der Cheetah antwortet ihm tatsächlich, streicht unentschlossen hin und her, bevor er im Gebüsch verschwindet. Ich weiß, dass diese Begegnung für Anne ganz besonders wichtig war, denn der Gepard ist für sie die schönste aller Raubkatzen: unglaublich elegant, das schnellste Landsäugetier, ein hervorragender Sprinter. Im ganzen Krüger Park gibt es nur 200 dieser außergewöhnlichen Tiere. Unser Glück ist unbeschreiblich!

                                  Dieser Abend lässt uns gar nicht die Möglichkeit, unser Endorphin abzubauen: Nur ein paar Minuten nach der Begegnung mit dem Geparden blitzen wieder zwei Augen im Scheinwerferlicht. Diesmal ist es ein Leopard, der dort nur wenige Meter neben der Straße sitzt. Sofort scheint sich dieses äußerst scheue Tier vor unseren Augen in Luft aufzulösen. Obwohl es im Park von ihm 1000 Stück gibt, sind Begegnungen mit ihm auf Grund seiner Scheu sehr selten.



                                  Annes Tagebuch:
                                  "Ich bin gerade noch mit der Frage beschäftigt, womit wir wohl solches Tier-Glück verdient haben könnten, als schon der nächste Aufschrei ertönt: eine Löwin rechts neben der Straße. Chester deutet ihre Absichten richtig: sie ist auf der Jagd. Links neben uns machen wir im Scheinwerferlicht, etwa zwanzig Meter neben uns, einige ahnungslose Impalas aus. Wir bleiben stehen und werden Sekunden später Zeugen einer spektakulären Jagdszene: wie aus dem Nichts taucht die Löwin plötzlich aus dem Gebüsch auf und springt auf die Gazellen los, die wild auseinander spritzen. Das Ende bleibt im Dunkeln verborgen, aber ein Schrei aus der Dunkelheit spricht für sich...

                                  Wir sind sprachlos. In der Ergriffenheit des Augenblicks bleiben sogar die leichten Schauer aus, die mich sonst wohl angesichts solcher Tödlichkeit überlaufen würden."

                                  Mir geht es da ein bißchen anders: Ich habe am ganzen Körper eine Gänsehaut!

                                  Bis zur letzten Minute reißen die sagenhaften Sichtungen nicht ab. Auf dem Rückweg zum Camp steht plötzlich ein kleines Nilpferd vor uns auf der Straße und glotzt uns aus großen Augen an.



                                  Und auch das süße Tüpfelhyänen-Baby, das staunend ins Scheinwerferlicht blinzelt, ist ein unvergesslicher Anblick.



                                  Bei unserer Rückkehr ins Camp sind wir uns einig, dass dieses Erlebnis in Geld nicht aufzuwiegen ist. Wir drücken Jester, der den Eindruck erweckte, selbst nicht ganz glauben zu können, was er da seinen Kunden präsentierten konnte, daher ein dickes Trinkgeld in die Hand.

                                  Wir lassen diesen Tag, der sicherlich mit zu den schönsten in unserem Leben gehört, bei einem guten Essen im Camp-Restaurant ausklingen. Wir sprechen nicht viel, nicht weil uns nichts einfällt, sondern weil wir noch so unter dem Eindruck des Gesehenen stehen und die Fahrt in Gedanken immer und immer wieder durchleben.
                                  I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

                                  Kommentar


                                  • Olaf Bathke
                                    Gerne im Forum
                                    • 10.12.2005
                                    • 72

                                    • Meine Reisen

                                    #37
                                    Suuper, gefällt mir sehr...
                                    Olaf Bathke

                                    Kommentar


                                    • Der Waldläufer

                                      Alter Hase
                                      • 11.02.2005
                                      • 2941
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #38
                                      TAG 29 (20.11.2005):

                                      In der Nacht geht ein heftiger Regenschauer auf unser Zelt nieder und am nächsten Morgen ist alles naß und dreckig. Wir bauen unser Zelt ab und versuchen dabei, so wenig Dreck wie möglich mit ins Auto zu laden. Während des spärlichen Frühstücks beschließen wir, heute nicht mehr allzu lange im Krüger zu bleiben, um möglichst bald zu unserem nächsten Ziel, der Panorama Route mit dem Blyde River Canyon, zu gelangen.

                                      Auf dem Weg aus dem Park sehen wir noch die Zukunft des süßen Hyänen-Babies. Und das ist wahrlich keine sonnige Aussicht für das Kleine:

                                      Diese Hyäne haben wir übrigens "Einstein" getauft.

                                      Wir verlassen also den Krüger Park, der uns so viele unvergessliche Erinnerungen beschert hat, und fahren weiter Richtung Panorama Route.

                                      Bei Graskop treffen wir dann nach wenigen Stunden Fahrt auf die am Gebirgszug des Drakensberg Escarpment entlang laufende Route und folgen ihr nach Norden. Sie führt Touristen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Region. Die besondere geologische Begebenheit ist, dass dort das "Highveld", also die Ausläufer der Drakensberge, plötzlich in das östlich liegende "Lowveld" übergeht. So ergibt sich dort eine steil abfallende Kante von bis zu 1600 Höhenmetern.

                                      Unser erster Stopp auf der Panorama Route ist der "Pinnacle", eine steil aus einer Schlucht hervorstehende Felsnadel.


                                      The Pinnacle

                                      Landschaftlich ist das Gebotene sicher ansprechend, aber mir sagen die Touristenmassen so gar nicht zu. Und so klettern wir nur noch für kurze Zeit ein bißchen in der näheren Umgebung umher, fotografieren noch einen Wasserfall, der in eine von Farnen und Palmen bewachsene Schlucht stürzt, und fahren dann sogleich weiter zu unserer nächsten Etappe.



                                      Um zu Fuß vom Parkplatz zu "God's Window" zu gelangen, müssen wir uns erst einmal durch Heerscharen von Touristen kämpfen, die an den zahlreichen Verkaufsständen Souvenirs erstehen. Südafrika ist ein armes Land, was den Großteil der Bevölkerung angeht, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass versucht wird, aus den vielen Touristen Kapital zu schlagen. Und glücklicherweise sind die Verkäufer bei weiten nicht so aufdringlich, wie man es aus anderen Ländern vielleicht kennt. Teilweise finden sich an den Ständen auch wirklich schöne Stücke afrikanischer Handwerkskunst.

                                      Der Anblick, der sich uns durch das Fenster Gottes bietet, ist atemberaubend. Auch wenn es heute etwas diesig ist, bietet sich doch ein weiter Blick über das angrenzende Lowveld. An schönen Tage soll man hier sogar bis zum Krüger Park sehen können.


                                      God's Window

                                      Überraschenderweise treffen wir bei unserer nächsten Etappe nicht wieder auf den üblichen Touristenstrom. An den "Lisbon Falls" ist es erfreulich menschenleer. Wir entschließen uns, zu den Pools des Wasserfalls hinüber zu klettern und dort erst mal gemütlich Mittags-Picknick zu machen.





                                      Nach den "Lisbon Falls" geht es weiter zu den "Berlin Falls". Dieser Wasserfall ist zwar nett anzusehen, bietet aber sonst wenig, was uns noch länger an diesem Ort halten könnte.


                                      Berlin Falls

                                      Und so steuern wir bereits der nächsten Attraktion entgegen, den "Bourke's Luck Potholes".

                                      Auf diese Attraktion habe ich mich sehr gefreut, denn ich erwartete, dort endlich mal auch wieder etwas Individualismus zu erleben. Doch die touristische Ausschlachtung des Landes hat hier besonders negative Züge angenommen. Hat mir hier ein Poster der South African Airways noch versprochen, "in grenzenloser Freiheit die Beine über dem Fluß baumeln lassen zu können", sieht die Realität ganz anders aus. Zuerst ein Kassenhäuschen und dann ein asphaltierter Weg durch die früher einmal sehr schöne Canyon-Landschaft, der auf voller Länge von einem Zaun begrenzt wird. Kontakt zur Natur ist hier in keinster Weise möglich. Ein Blick in den Fluß zeigt auch, warum der Mensch so ausgesperrt werden muss: Überall schwimmen Abfälle, wie Dosen oder Plastikbehälter, im Wasser. Für die "Luck Holes", eigentlich faszinierende Auschwaschungen im Fels durch den Fluß, habe ich nicht mehr den rechten Blick. Mir sind der Müll, der Lärm und die Touristenmaßen inzwischen schon viel zu viel und das Programm heute entspricht nicht meiner Auffassung von Urlaub. Und auch Anne wird von Stopp zu Stopp genervter.




                                      Geschickte Betrachtungswinkeln lassen die negativen Aspekte verschwinden. Leider nur auf dem Photo.

                                      Am frühen Abend kommen wir schließlich im Aventura Blydepoort Resort an, einem Campingplatz, der in der Hochsaison hunderten von Zelten Platz bieten kann. Heute sind wir zum Glück die einzigen Gäste.

                                      Die Stimmung ist heute abend etwas gedrückt. Für uns beide ist klar, dass wir in Zukunft lieber weniger ansehen wollen, dafür aber "intensiver". Ein Urlaub sollte doch keine Schatzjagd sein, bei der man versucht, möglichst viele "Schätze" einzusammeln. So abgedroschen es auch klingen mag: "Qualität statt Quantität" ist besonders im Urlaub eine wichtige Regel.

                                      Auch über die Örtlichkeiten machen wir uns Gedanken. Je einfacher eine Landschaftsschönheit zu erreichen ist, umso mehr Menschen kommen, um sie zu sehen. Das widerrum führt unausweichlich zu einer Kommerzialisierung der Örtlichkeit. Denn überall dort, wo man mit dem Auto oder Bus bis "vor die Haustüre" fahren kann, ist die Ruhe und Einsamkeit der Natur eigentlich schon verloren. Vielleicht muss man sich wahre Naturschönheit einfach "erarbeiten"?! Bergtouren, Trekkingtouren, Kanureisen - das sind Reisen in die wahre Seele der Natur.
                                      I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

                                      Kommentar


                                      • Der Waldläufer

                                        Alter Hase
                                        • 11.02.2005
                                        • 2941
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #39
                                        TAG 30 (21.11.2005):

                                        Nach dem Aufstehen bemerke ich eine innere Unruhe in mir. Ich habe Sehnsucht nach Stille, Einsamkeit und unberührter Natur. Was könnte es da besseres geben, als wandern zu gehen. Leider geht es Anne heute nicht so gut und sie beschließt schweren Herzens, im Zelt zu bleiben.

                                        In dem Resort verlaufen vier Trails: der 2 km lange "Tuffa Trail", der 3 km lange "Loerie Trail", der 4 km lange "Guineafowl Trail" und der 5 km lange "Leopard Trail". Da die Wege teilweise in einander übergehen, beschließe ich, einfach so viele von ihnen zu laufen, wie ich Lust und Laune habe.

                                        Mit der Kamera bewaffnet steige ich vom Campingplatz immer weiter nach unten in Richtung des bewaldeten Canyon. Sogar als ich noch auf der Asphaltstraße spaziere, um zum Start des Trails zu gelangen, schlägt mein Herz beim Anblick der Natur schon höher.





                                        Nach nur wenigen Minuten habe ich den Start des Trails gefunden, der rechts von der Straße in den Wald hinein führt. Es ist, als tauchte ich in eine andere Welt ein: Wie ein Ausflug ins Dschungelbuch kommt mir die Wanderung vor.

                                        Nur ein kleiner Pfad ist es, der mich mich an exotischen Pflanzen und kleinen Weihern mit paradiesischen Wasserfällen vorbei führt. Über mir nur das Grün der Bäume und das Blau des Himmels, um mich herum nur die Geräusche des Waldes. Außer mir ist kein Mensch in diesem Wald unterwegs - ein unglaublich befreiendes und intensives Gefühl. Ich verliere jegliches Zeitgefühl, während ich im Wald unterwegs bin. Als der erste Trail vorbei ist, habe ich noch immer nicht genug von dieser atemberaubenden Schönheit. Und ich laufe und laufe...





                                        Immer wieder denke ich an Anne und ich bedauere, dass ihr diese Anblicke verwährt bleiben.







                                        Als der Weg einen steilen Abhang hinunterführt, wartet am Ende des Gefälles diese nette Pflanze auf mich:

                                        Es ist besser, beim Hinuntergehen nicht zu stolpern, ermahne ich mich zur Konzentration.



                                        Am Ende des Tages bin ich alle vier Trails gelaufen und was ich auf dieser Wanderung sehen durfte, gehört mit zu dem Schönsten, das ich jemals gesehen habe. Ich fühle mich wie ein neuer Mensch. Was so ein Tag in der Natur doch alles bewirken kann...

                                        Ich versuche bei meiner Rückkehr, nicht zu begeistert zu klingen. Doch als Anne die Fotos auf dem kleinen Display der Digitalkamera ansieht, ist ihr die Enttäuschung doch deutlich anzumerken. Ich bin mir sicher, dass ihr diese Wanderung auch mehr als gut getan hätte.

                                        Im Laufe des Tages hat sich Annes Zustand zum Glück gebessert, so dass sie wenigstens ein bißchen den Tuffa Trail entlang laufen konnte.

                                        Als es langsam aber sicher der Abenddämmerung entgegen geht, machen wir uns noch mit dem Auto zum "World's End" auf, einem in höchsten Tönen gelobten Aussichtspunkt auf den Blyde River Canyon.

                                        Beim Anblick des Canyons, der nach dem Grand Canyon (USA) und dem Fish River Canyon (Namibia) der drittgrößte der Welt ist, bleibt uns beiden die Luft weg. Minutenlang können wir uns von diesem imposanten Anblick nicht losreißen.

                                        I knew with a sinking heart that we were going to talk equipment. I could just see it coming. I hate talking equipment. "So what made you buy a Gregory pack?" he said. "Well, I thought it would be easier than carrying everything in my arms."

                                        Kommentar


                                        • Chri
                                          Erfahren
                                          • 10.07.2006
                                          • 114

                                          • Meine Reisen

                                          #40
                                          Habe den Bericht gerade erst entdeckt! WOW! Vielen Dank für die grandiosen Bilder und die Beschreibungen, die einem ein Miterleben aus der Ferne ermöglichen und das Fernweh brennen lassen!
                                          Viele Grüße
                                          Christine

                                          Kommentar

                                          Lädt...
                                          X