[IR] Kerry&Cork 2006

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    [IR] Kerry&Cork 2006

    Tourentyp
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    Mitreisende
    In diesem Reisetagebuch möchte ich die Erlebnisse, Gedanken aufschreiben, um sie einerseits nicht zu vergessen und andererseits den Zusammenhang zu den Fotos herzustellen. Wenn ihr noch etwas Spaß daran habt und/oder Neues erfahrt, freut mich das.


    Tag 1 - Ankunft

    So sehr es mich auch immer wieder nach Irland zieht - Dublin ist nicht meine Stadt. Wenn es geht vermeide ich einen längeren Aufenthalt. Ein früher Flug bringt uns am Morgen des 6. Juni von Berlin dorthin. Mit dem Bus fahren wir zur Heuston-Station, um den Zug gen Süden zu erreichen.
    Als wir uns entscheiden, in einem Café im Bahnhof etwas zu trinken, weiß ich hinterher wieder, warum ich diese Stadt nicht mag. Das Mädchen am Kuchen/Kaffeecounter stellt die bestellten Getränke und Sandwichs auf die hohe Theke, ich lege fünf Euro daneben und suche dann in meinem Portemane nach passendem Kleingeld. Ich höre es klacken, schaue automatisch auf, sehe, dass nur noch ein € dort liegt und eine Hand, die scheinbar absichtslos darüber streicht. Ganz ruhig lege ich die fehlenden 75 Cent hinzu. Es fehlen noch 4 € sagt die Bedienung schnippisch. Ich antworte: "aber nein, es sind gerade zwei Zweieuromünzen heruntergefallen." Sie blickt an mir vorbei. "Das stimmt nicht." Sie schaut nicht einmal nach. Warum sollte sie auch? Sie weiß so gut wie ich, was gerade geschehen ist. Sie fordert mich auf, ihr die 4 € zu geben.

    Ich kann mich nur ins Unrecht setzen, es gibt nichts, was ich wie beweisen könnte.
    Ich sage: "behalte die Sachen für dich. Und danke für die Gastfreundlichkeit."
    Wir schultern die Rucksäcke und gehen wieder. Ausdruckslos mustert mich das Mädchen. Ich denke: das fängt ja prima an.

    Um uns abzuregen, gehen wir in den Buchshop und kaufen einige Bücher. Das wird noch zu einer schlechten Gewohnheit werden und unsere Rucksäcke schwerer machen.
    Als wir in den überhitzten Zug einsteigen, streiche ich das unerfreuliche Erlebnis aus meinem Sinn. Das ist halt Großstadt.

    Nach 3 1/2 Stunden Fahrt erreichen wir Killarney, wo wir die erste Nacht auf einem mir bekannten Campingplatz verbringen wollen. Er liegt ca. 3 km außerhalb der Stadt und nach dem langen heißen Tag kommen wir recht verschwitzt und müde am Platz an.

    Wir probieren den neuen Kocher und bei einer Tasse Tee planen wir den nächsten Tag. Wir wollen nach Kenmare wandern, das ist eine recht anspruchsvoll Strecke von über 30 km quer durch die Berge.





    Tag 2 - Versuch einer Wanderung nach Kenmare

    Am nächsten Morgen genießen wir es, angekommen zu sein, trinken in Ruhe unseren Tee und bauen langsam die Zelte ab.

    ich glaube, ich schrieb es schon einmal, dass ich Gänseblümchen liebe?



    Um 11.00 Uhr brechen wir auf und durchqueren zuerst die Touristenhochburg Killarney. Killarney liegt in einem Tal der Mac Gillicuddy Reeks an den Ufern der drei Seen Lough Leane, Muckross Lake und Upper Lake, die Teil des Killarney-Nationalparks sind. In den MG-Reeks steigen die höchsten Berge Irlands empor. Mancher neigt dazu, sie zu unterschätzen.
    Ich erkläre Douglas, dass das Tourismusgewerbe mit Abstand der größte Arbeitgeber hier ist; die Region um Killarney gehört zu den meistbesuchten Gegenden in ganz Irland. Nur Dublin selber verfügt z.B. über mehr Hotelbetten.
    Aber nicht der Ort lockt die Besucher an, es ist der Nationalpark, welcher der Erste auf irischem Boden war. Die landschaftliche Schönheit der Gegend verführte schon vor Jahrhunderten den englischen Adel zum Besuch. Auch Queen Victoria besuchte mit Teilen ihres Hofstaats als Gast des Grafen von Bantry die Seen von Killarney, woran z.B. der Aussichtspunkt "Ladys View" erinnert.

    Da wir uns bei dem Versuch verlaufen, die Innenstadt zu umgehen, gelangen wir erst spät in den Teil des Nationalparkes, in welchem das Muckrock House mit seinen Gartenanlagen liegt. Von dort wollen wir weiter zum Wasserfall, dort beginnt eine Wanderstrecke, die durch einsame Berglandschaft führt.
    Der Nationalpark beherbigt einen der ältesten noch verbliebenen Eichenwälder Irlands. Sehr oft bleiben wir stehen und bewundern die Fülle und das üppige Wachstum der Pflanzen. Neben Eiben, Moosen, Farn locken zahlreiche Blühpflanzen, wie sie sonst nur aus dem Mittelmeerraum bekannt sind unser Auge, zum Beispiel strauchartige Erdbeere-Bäume und groß-wachsende Rhododendron-Sträuche. Der Einfluss des Golfstromes gestattet hier das Heimisch Sein von Pflanzen, die auf diesem Breitengrad sonst eher nicht zu finden sind.
    Aber diese "zugezogenen" Pflanzen haben durchaus auch negative Aspekte. Speziell der Rhododendron überwuchert die ursprüngliche Flora uhd nimmt ihr den Lebensraum. In den Nationalparks wird versucht, ihn zurückzudrängen, u.a. gibt es jedes Jahr Work-Camps, um in harter Arbeit solche Flächen zu roden.
    In der Hitze fühlen wir uns wie ausgedörrt. Der Schweiß tränkt alle Kleidungstücke und die Rucksäcke scheinen mit jedem Schritt schwerer zu werden. Wir beschließen, eine längere Rast am Muckross House zu machen.







    Im Jahre 1843 von der Familie Herbert nach Plänen des berühmten, schottischen Architekten William Burn erbaut, ging es auf Vincent Bourn und dessen Familie über. Die heutige Gartengestaltung stammt überwiegend aus dieser Zeit. 1932 vermachte William Bowers Bourn das Haus und den gesamten Grundbesitz dem irischen Staat, um es zum Mittelpunkt eines zu gründenden Nationalparks zu machen.
    Heute ist es Anlaufstelle für Pferdekutschen, Fahrräder und Wanderer. Vor allem die Lage inmitten von Gärten am Ufer des Muckross Lake machen es zu einem beliebten Ziel für Kommunions- und Hochzeitsgesellschaften und Rundfahrtbusse.
    Der Parkplatz liegt aber zum Glück etwa 2 km entfernt an der Straße, die zum berühmten Ring of Kerry gehört.











    Wir verlassen Haus und See, um zum Wasserfall hinüberzugehen.
    Im Laufe des Tages ist es immer schwüler geworden. Der Junge, der im Kiosk am Fuße des Torc-Wasserfall Eis und Souvenirs verkauft, erzählt uns, dass es der heißeste Juni seit Menschengedanken im County Kerry sei. Temperaturen über 30 Grad sind hier recht selten. Leider können wir unsere Wasservorräte nicht auffüllen, er führt nur süße Limonaden.
    Auf einer Bank am Wasserfall sitzend und fantastisch schmeckendes, selbst gemachtes Eis schleckend, überlegen wir, ob das Wasser bis morgen reicht und wie weit es wohl noch bis Kenmare ist. Ein Blick auf unsere Karte überzeugt uns, dass wir die etwa 20 km bis zu unserem Ziel bis morgen Mittag schaffen können, außerdem haben wir noch etwa 4 Liter Wasser. Nach unseren bisherigen Erfahrungen müsste das eigentlich reichen.





    Am Wasserfall ist es angenehm kühl. Wir müssen uns fast zwingen, die Rucksäcke wieder zu schultern und den Aufstieg zu beginnen. Der Pfad zieht sich schmal und teilweise recht steil auf der linken Seite der Schlucht entlang. Streckenweise besteht er aus anstrengend zu begehenden Steinstufen.
    Doch immer wieder entschädigen uns Ausblicke auf den Fall oder durch die Bäume auf den nunmehr recht tief unten liegenden Muckrock-Park.



    Nachdem wir im hoch gelegenen Teil des Nationalparks angekommen sind, bietet sich uns ein ganz anderes Bild. Der vorher üppige Baumbestand bleibt hinter uns zurück, als wir dem Wanderweg in das Bergland folgen.



    Der Weg wird schwieriger zu begehen. In engen, ausgesetzten Kehren windet er sich durch sumpfiges und streckenweise sehr steiniges Gelände. Da es ständig auf und ab geht, muss ich häufig die Hände zur Hilfe nehmen, um ihm folgen zu können. Inzwischen ist es 19 Uhr geworden und wir merken, dass wir nicht mehr lange weitergehen können.



    Aber einen einigermaßen ebenen und trockenen Platz zu findet, stellt sich als recht schwierig dar. Das Schlimmste jedoch sind die Myriaden von Midges. Sobald wir kurz stehen bleiben, um zu verschnaufen oder das Gelände näher zu untersuchen, lassen sich Hunderte von ihnen auf uns nieder.
    Endlich sehe ich von weitem einen in Frage kommenden Platz. Wir verlassen den Pfad, um auf der kleinen Anhöhe unsere Zelte schnellstmöglich aufzubauen. In Wolken von Midges eingehüllt, werfen wir die Rucksäcke hinein und flüchten ins Zeltinnere.
    Wir haben jeder nur noch etwa einen halben Liter Wasser für den nächsten Tag, obwohl wir versucht haben, mit den Reserven sparsam umzugehen. Es ist immer noch schwül und ich frage mich, wie wir ein Gewitter hier in den offenen Bergen überstehen würden. Ich habe aber trotz Midges und Erschöpfung darauf geachtet, dass wir nicht in Fließrichtung oder in einer Kuhle unsere Zelte aufschlagen.

    Ich reiche Douglas eines der letzten zwei Brötchen und Käse hinüber; das mit einem kleinen Schluck Wasser ist die erste Mahlzeit, die wir seit dem knappen Frühstück und dem Eis zu uns nehmen.
    Two roads diverged in a wood, and I—
    I took the one less traveled by,
    And that has made all the difference (Robert Frost)

  • Daddyoffive
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    • 24.08.2011
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    #2
    AW: Kerry&Cork 2006

    Danke für das teilen Deiner Erfahrungen und den Bericht. Erst im Herbst war ich auch dort.

    Was ich mich frage: Warum habt Ihr nicht Wasser aus dem Fluss geholt, der den Torc Waterfall bildet? Für mich sah das trinkbar aus. Am Muckross House wäre auch ein Laden gewesen, wo Ihr Wasser hättet kaufen können.
    Das Leben ist kein Problem, das gelöst werden müsste, sondern ein Abenteuer, das gelebt werden will.
    John Eldredge
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    • Sternenstaub
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      #3
      AW: [IR] Kerry&amp;Cork 2006

      ja, Irland kann schon ein Stück weit süchtig machen. Bei mir hat es jedenfalls geklappt.

      Das mit dem Wasser, der Laden im Muckross House war damals geschlossen, warum auch immer, der kleine Imbiss am Wassrfall hatte nur eklig süße Limonaden. Auf dem Cplatz in Killarney hatte man uns gewarnt, Wasser aus Flüssen und Bächen zu trinken, da wegen Schafhaltung vieles mit SChadstoffen belastet sei. Da ich das auch bereits in Wanderführern und im internet gelesen hatte, haben wir das erstmal nicht als Möglichkeit gesehen. Normalerweise wären wir mit dem Wasser auch gut ausgekommen, aber es war wirklich extrem heiß, speziell für Irland.

      Aber manchmal sind solche Erfahrungen ganz gut, dann merkt man erst, wie wichtig und wundervoll Wasser an sich ist. Morgen geht es dann hier weiter.
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        #4
        AW: [IR] Kerry&amp;Cork 2006

        Tag 3 - der Geschmack von Wasser

        Am nächsten Tag schlafen wir wieder zu lange in den Morgen hinein. Ich mache ein, zwei Fotos und wecke Douglas.





        Der nächste Teil der Wanderung wird schwierig werden, wir können nicht abschätzen, wie weit wir gestern gekommen sind und eine recht anstrengende Strecke liegt noch vor uns. Unser Frühstück besteht lediglich aus einem Schluck Wasser, das ist aber ok so, wir haben überhaupt keinen Hunger.
        Wir bauen die Zelte ab und machen uns auf den Weg.
        Die Midges und andere Insekten umschwirren uns zwar noch immer, es ist viel erträglicher als am Abend zuvor.
        Nach etwa zwei Stunden ständiger Kletterei und der Durchquerung eines Sumpfgebietes auf Holzbohlen und Trittsteinen halten wir erschöpft an einem kleinen Wasserfall an.





        Endlich können wir unsere ungefähre Position auf der Karte bestimmen, der Wasserfall ist eingezeichnet und ich erschrecke, wenn ich sehe, wieviel Weg noch vor uns liegt.
        Ohne Wasser geht das nicht.
        Inzwischen haben wir gelernt, dass Durst viel besser gelöscht wird, wenn man eine kleine Menge in den Mund nimmt und jeden Mundwinkel damit durchfeuchtet. Und dann ganz langsam schluckt.
        Ich mache mir Sorgen. Irgendwie müssen wir Wasser besorgen. Bei diesem für uns schwierigen Gelände werden wir bestimmt noch mindestens 5 Stunden brauchen, bevor wir nur in die Nähe von Kenmare kommen. Die Sonne brennt wieder heiß vom Himmel und die vom Schwitzen verbrauchte Flüssigkeit müsste dringend ersetzt werden.

        Nach der Karte müssen wir relativ bald einen Fluss erreichen, es ist aber keine Brücke eingezeichnet und ich frage mich, wie wir ihn überqueren können.
        Nachdem wir eine weitere Stunde gegangen sind, steigt der Pfad immer mehr an, wird breiter und ist nun mit Schotter durchsetzt. Wir werden schneller, weil oben auf der nächsten Kuppe Bäume stehen, die Aussicht auf Schatten beflügelt unsere vormals so müden Schritte.
        Abgekämpft erreichen wir den höchsten Punkt und lassen uns kurz darauf im Schatten hoher Bäume auf den Boden sinken.
        Douglas trinkt seinen letzten Schluck Wasser und auch ich habe höchstens noch genug für zweimal Mund spülen.
        Nachdem wir wieder zu Atem gekommen sind, schlage ich vor, dass ich nun zum Fluss hinuntersteige werde, der sich irgendwo da unten erahnen lässt und Wasser holen werde.
        Douglas ist zuerst nicht einverstanden damit, er hat gelesen, dass man kein Wasser aus irischen Bächen und Flüssen trinken soll, weil das Land teilweise zu sehr bearbeitet und Viehzucht betrieben wird.
        Ich wende ein, dass ich lieber Durchfall riskiere als Austrocknung und wir keine lebende Seele weder Mensch noch Vieh hier in diesem Bergland gesehen haben. Außer Insekten gibt es hier nicht viel. Außerdem kann man das Wasser vorher kosten und genau das werde ich machen.
        Entschlossen nehme ich eine Wasserflasche und gehe den Berg hinunter. Nach zwei, drei Minuten folgt er mir und dann stehen wir am Fluss auf Trittsteinen. Ich schöpfe das Wasser in den Händen, es sieht sehr klar und rein aus. Ich trinke. So köstlich erscheint es mir und auf einen Blick von mir füllt Douglas seine und dann meine Wasserflasche. Wir gehen zurück zu den Rucksäcken, setzen uns wieder hin. Schluck für Schluck trinken wir langsam, kosten jede Sekunde aus, die das Wasser in unserem Mund bleibt.

        Wenn ich nichts auf dieser Reise sonst gelernt haben sollte, aber das wird mir immer im Gedächtnis bleiben: wie kostbar und köstlich Wasser ist.

        Im Schatten der Bäume bleiben wir lange sitzen und schauen hinunter ins Tal.



        Wir wandern nun durch ehemals bäuerliches Land. Die Bewohner wurden zur Zeit der Famine
        von der Polizei im Auftrage ihrer Landlords vertrieben, weil sie die hohen Pachtgebühren nicht mehr zahlen konnten. Die seit so langer Zeit verlassenen und nunmehr verfallenen Häuser, die erst den Tod vieler Familienangehöriger und dann die Vertreibung gesehen haben, deprimieren mich, ich mag sie nicht fotografieren.

        Endlich kommen wir an eine kleine Teerstraße. Anhand der Karte bestimmen wir unseren Standort. Ich glaube nicht, dass wir es an diesem Tag bis Kenmare schaffen werden. Wir haben zwar das Wasserproblem gelöst, sind aber beide stark von der Sonne verbrannt. Mit allem möglichen hatten wir gerechnet, aber nicht mit tropischer Hitze in Irlands Bergen.





        Wir beschließen, dass wir nicht nach Kenmare wandern, sondern in die andere Richtung gehen. Es sind ungefähr 2 km bis zu einer größeren Straße, die von Killarney über Ladys View und Molls Gap (zwei berühmte Aussichtspunkte) nach Kenmare führt. Entweder nehmen wir den Bus, der alle 2-3 Stunden diese Route fährt oder versuchen zu trampen.

        Die Entscheidung gibt uns neuen Aufschwung. An der großen Straße angelangt, bekommen wir auch bald einen Lift zum Ladys View.
        Im kleinen Restaurant kaufen wir uns Eis und Getränke und erfreuen uns auf der Treppe sitzend an dem berühmten Blick über die Seen von Killarney.



        Die zwei Parkplätze sind überfüllt und wir stellen uns einige Hundert Meter entfernt an der Straße auf. Wir hoffen auf einen Lift in Richtung Molls Gap und Kenmare.
        Nach über einer Stunde geben wir auf, ohne Schatten oder einem Hauch Wind ist es unerträglich dort zu stehen. Wir gehen zum Ladys View zurück, ich schlage vor, dass wir versuchen nach Killarney zu trampen, weil offensichtlich am heutigen Tag kein Bus mehr fährt. Ich spreche ein sympathisch wirkendes junges Paar an, das gerade in seinen Mietwagen steigen will und frage, ob sie nach Killarney fahren. Sie wollen nur bis zum Torc-Wasserfall, sind aber sofort bereit uns mitzunehmen. Sie kommen aus Portugal und sind erstmalig in Irland. Wir unterhalten uns und ich gebe ihnen Tipps, was man in und um Killarney alles so machen kann. Fast bedauernd trennen wir uns von einander, aber wir müssen noch weiter und sie möchten den Wasserfall und den Nationalpark besichtigen.
        Vom Torc-Wasserfall sind es noch immer einige Kilometer nach Killarney. Entweder müssen wir nun zu Fuß weiter, einen neuen Lift erfragen oder doch mit einer Pferdekutsche? Die Preisvorstellungen des einzigen Pferdekutschers, der nahe beim Muckross House steht schrecken uns ab. Außerdem würde er uns nur eine kurze Strecke bis zum Beginn des Parks bringen können.
        Vor der Strecke an der Straße entlang graust es uns, deswegen beschließen wir wieder durch den Muckross Park zu wandern, auch wenn die Entfernung größer ist.

        Ich schaue über den Muckross-See bis zur Bootsanlegestelle. Zwei Holzboote mit Außenborder sind dort festgemacht und ich komme auf eine aberwitzige Idee.
        Während Douglas auf der Wiese im Schatten wartet, laufe ich hinüber zum Steg.
        Die Bootsleute grüßen mich freundlich. Auf meine Frage, ob sie manchmal auch Taxidienste mit ihren Booten machen, staunen sie. "Nun, ich möchte zum Ross-Castle, zwei Leute mit zwei großen Rucksäcken, die nicht mehr laufen können, was würde das kosten?"
        Der Jüngere von Beiden überlegt und fragt seinen Kollegen. Inzwischen ist es fast 18.00 Uhr und es werden nicht mehr viele Touristen eine der kleinen Rundfahrten machen. Unter viel Gelächter einigen wir uns auf 12 € pro Person.
        Ich eile zurück und überrasche Douglas mit der Ankündigung, dass wir nun weiter mit dem Boot fahren werden. Wir schultern die Rucksäcke und klettern wenige Minuten darauf in den Holzkahn.

        Der Bootsführer startet den Motor, lebhaft erzählt er uns von den drei Seen und den Inseln, an denen wir vorbei fahren. Es wird etwa 30 bis 40 Minuten dauern, bis wir am Ross Castle sein werden.
        Ich bekomme fast ein schlechtes Gewissen, weil er ja zu seinem Ausgangspunkt wieder zurück muss. Ich habe mir vorher gar keine Vorstellung gemacht, wie weit die Tour sein wird. Ich wusste nur, dass die Seen miteinander verbunden sind. Und nun frage ich mich, ob er auf seine Kosten kommen wird.



        Der Fahrtwind trocknet unsere Schweißgetränkte Kleidung. Ich könnte singen, ich liebe es auf dem Wasser zu sein. Das macht mir fast noch mehr Freude als zu wandern.
        Das Wasser fühlt sich seidenweich an, ich wasche meine Arme und das Gesicht. Wir genießen jede Sekunde dieser ungeplanten Bootsfahrt. Von der Wasserseite aus erschließt sich die Schönheit der Landschaft auf eine ganz eigene Art.





        Wir freuen uns, dass auch der Fahrer ganz offensichtlich seine Freude an dieser Tour hat, normalerweise macht er nur kleine Rundfahrten auf dem Muckross Lake. Für uns viel zu früh sehen wir Ross Castle, das an einer Ausfallstrecke aus Killarney am Seeufer liegt.





        Beim Anlegen spricht uns ein Mann an, der wissen möchte, wie uns die Bootsfahrt gefallen hat und was eine Fahrt kostet. Er plane eine Tagestour mit Familie und Freunden, um die verschiedenen Inseln besichtigen. Aufgrund unserer begeisterten Empfehlung macht er gleich einen Termin für den nächsten Tag aus. Wir verabschieden uns und der Bootsführer schüttelt uns die Hände, wir haben ihm Glück gebracht, sagt er. Morgen wird ein lohnender Tag werden für ihn.

        Wir nehmen im erstbesten B&B ein Zimmer. Was für ein Luxus, duschen zu können und so viel Wasser zu trinken, wie es uns gefällt. Ich versuche meine Midgesstiche zu zählen, bei der Zahl 140 höre ich auf. Später kaufen wir im Laden der nahe gelegenen Tankstelle Lebensmittel und machen bei Cider, Brot und Käse einen gemütlichen Leseabend.
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