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Es scheint als gäbe es drei Arten von Menschen. Die, die nie vom Val Grande gehört haben. Die, die darüber wissen dass es sehr gefährlich ist, aber nie länger als eine Nacht dort waren. Und die, die dort waren und es größtenteils lieben.
Alle unsere Freunde gehören zur erst genannten Gattung, wobei man Ihnen zugute halten muss, dass sie nicht wirklich was mit dem Thema Trekking am Hut haben. Die zweite Art Mensch haben wir zum Ersten Mal richtig an der italienischen Grenze registriert. Nachdem ein Grenzpolizist, uns, auf der Suche nach Drogen jeglicher Art, unser Equipment hat ausräumen und zerlegen lassen, verabschiedete er uns mit den Worten „Das Val Grande ist gefährlich, ihr liebt das Risiko, hm?“ Wir antworteten ihm etwas flapsig, dass wir das Risiko nicht lieben, sondern uns mit dem Gebiet auseinander gesetzt haben und es nicht unsere erste Tour sei. Er fand übrigens keine Drogen, hielt uns aber etwa eine Stunde an der Grenze fest und betonte immer wieder, was schlimmes passieren würde, wenn er doch etwas fände, weshalb wir schon ein wenig genervt waren. Die dritte beschrieben Art Mensch lernten wir, wie sollte es anders sein, in In La Piana kennen.
Aber nun von Anfang…
Unsere erste Nacht verbrachten wir bei Michele, einem netten Italiener, der zwei Zimmer seines Hauses als B&B vermietet. Als wir im Bergdorf Colloro ankamen, war es 18 Uhr. Wir hatten nichts gegessen und es gab in diesem kleinen Dorf natürlich keinen Supermarkt. Das einzige kleine Restaurant hatte Betriebsferien und so landeten wir in Micheles Küche. Er machte uns eine leckere Brotzeit, mit regionaler Wurst und Käse und wir redeten einige Zeit über das VG. Die Quintessenz des Gesprächs war - natürlich - „Das Val Grande ist gefährlich“. Er war nun der zweite von zwei Italienern, mit dem wir über das VG sprachen und der Zweite, der uns sagte, wir sollen aufpassen, es sei sehr gefährlich dort. Natürlich überlegten wir im Vorfeld welche Risiken uns erwarten würden, aber mehr als heftige Wetterumschwünge konnten es ja nicht sein. Es gibt laut Internet zwar eine giftige Schlangenart, allerdings sind Schlangen sehr schreckhaft und wir konnten uns nicht vorstellen auf eins dieser Exemplare zu treffen. Wir hörten auch dass die Wege nicht so gut markiert seien und das Kartenmaterial unzureichend ist, suchten uns deshalb im Vorfeld eine Route aus, die nur markierten Wegen folgte.
Am nächsten Morgen, kurz nachdem wir aufbrachen trafen wir den nächsten der uns warnte, diesmal allerdings explizit vor dem Wetter der nächsten Tage. Gut wir hatten an Kleidung so ziemlich alles dabei was man sich vorstellen kann und wussten sehr wohl, dass es im Oktober den ersten Schnee geben kann. Wie auch immer, wir liefen erst auf einer asphaltierten Straße und später auf gut markierten Wanderwegen. Am Nachmittag kamen wir auf der Alpe La Colma an, auf der wir die erste Nacht im VG verbringen wollten. Die Hütte liegt auf einem Sattel. Blickrichtung Süden schaut man Richtung Premosselo-chiovenda, Blickrichtung Norden direkt ins Val Grande. Der Blick ins VG blieb uns allerdings nur ein paar Minuten gegönnt, da dichter Nebel aufzog und wir kaum 20 Meter sehen konnten. Einerseits überkommt mich immer wieder ein mulmiges Gefühl, wenn ich auf den weiteren Tourenverlauf blicken kann und weiß, dass ich mich immer weiter von der Zivilisation „entferne“, andererseits ist da die Vorfreude weiter zu kommen, Neues zu entdecken und zwangsläufig ein neues Abenteuer zu erleben. Am nächsten Tag, den Berg hinab, in dieses verlassene Tal zu steigen, wovon man inzwischen nichts mehr sah, da der Nebel so dicht war und zu wissen, dass man nur über einen weiteren Pass wieder aus ihm herauskommt, war doch ziemlich aufregend.
Alpe la Colma
Im leichten Regen und Nebel brechen wir von La Colma Richtung In La Piana auf
Trotz oder grade durch den Regen erleben wir an diesem Tag eine ganz besondere Stimmung
Als ich Dienstag morgen aufwachte, war es immer noch neblig und regnerisch. Wir aßen unser Müsli, packten die Schlafsäcke ein, richteten die Rucksäcke für den Tag, streiften uns die Regenjacken über. Noch schnell die Zähne geputzt und es konnte losgehn, in das unfreundliche Herbstwetter. Das morgendliche Prozedere war schon am ersten Tag so drin, alsob wir schon 7 Tage nichts anderes gemacht hätten. Es regnete den ganzen Tag leicht vor sich hin. Wir kamen an einer verlassenen Alpe, mit ungefähr 8 Steinhütten, vorbei. Dort sahen wir uns etwas um und fanden einen Lagerplatz. Hätte es nicht geregnet, könnte man hier bestimmt gut eine Nacht verbringen, aber so zogen wir weiter.
Alpe Serena - verlassen, zum größten Teil zerfallen und undicht
Weiter ging es mit einem extrem steilen Abstieg durch ein Waldstück, wonach wir einem Flusslauf folgten und dann wieder durch ein flacheres Waldstück liefen. Gegen 14 Uhr erreichten wir die Alpe In La Piana, im Herz des Val Grandes. Hier stehen 3 große Biwaks. Kurz vor uns kam ein Kölner an. Er war nicht der Gesprächigste, wusste aber sehr viel über das Val Grande und erzählte, dass er mehrere Monate im Jahr im Tal verbringt. Er hat es an diesem Tag etwas weiter geschafft als wir. Für die Kenner des VG: Er kam von Pozzolo über Ragozzale, Mottac bis nach In La Piana. Später sollte uns noch klar werden, wieviel weiter es wirklich war. An diesem Abend hatten wir, im Gegensatz zum Letzten auf Colma, kein elektrisches Licht, sondern mussten mit Kerzen den Raum erhellen, was viel gemütlicher war. Als wir uns in unsere Schlafsäcke verkrochen schüttete es draussen wie aus Eimern. Wir ahnten fürchterliches für den nächsten Tag, schliefen aber schnell ein.
Sehr früh Morgens bei In La Piana
Alpe In La Piana - am nächsten Morgen bei wunderbarem Wetter
Gegen acht Uhr wurden wir von unserem vierbeinigen Begleiter Daag geweckt. Er hielt es nicht für nötig noch länger zu schlafen und wollte raus. Wir warfen einen kurzen Blick aus dem Fenster und konnten unseren Augen nicht trauen, blauer Himmel, keine Wolke. Wir waren schneller draussen als ich es jemals für möglich gehalten habe. Und ja, es war wunderbares Wetter. Ein eiskalter Morgen, mitten im Val Grande. Am vorherigen Abend entschieden wir nochmal in Vald di Sopra zu übernachten und über den Bocchetta di Vald und Alpe Bondolo nach Malesco zu laufen. Angesichts des hervorragenden Wetters, schmissen wir den Plan allerdings wieder über den Haufen. Wir wollten hoch, haben im Internet viel über die Alpe Mottac gelesen und traumhafte Bilder gesehen.
Kurz nach der Abzweigung nach Mottac
Also ging es wieder bergauf, über einen steilen mit Laub bedeckten Pfad, über eine kleine Lichtung und weiter durch den Wald. Der Aufstieg war aufgrund der Sonne sehr schweißtreibend. Als wir allerdings die Baumgrenze erreichten, waren wir sprachlos vom Ausblick der sich uns bot. Man konnte durchs Val Grande bis auf den Lago Maggiore schauen. Was für ein Blick. Mit jedem Meter den man weiter den steilen Wiesenpfad hochkraxelte, wurde es beeindruckender. Über eine Kuppe noch und wir sahen den Pizzo Mottac. Weit entfernt sahen wir ein schneebedecktes Gipfelmassiv - könnte der Monte Rosa gewesen sein.
Auf dem letzten Stück den steilen Hang hinauf
Daag hätte am liebsten keine Pausen gemacht
Als wir die Alpe Mottac dann das erste Mal „live“ sahen, waren wir sprachlos. Was für eine Hütte, in dieser Lage einfach unglaublich. Einzig die Solarkollektoren über der Eingangstür störten im Bild. Wir verbrachten den Tag rund um die Hütte, holten Wasser aus der etwas weiter unten gelegenen Wasserstelle und „erklommen“ den Pizzo Mottac. Hier oben hat man sogar Handyempfang. Wir riefen zu Hause an, um uns die aktuellsten Wetterinfos durchgeben zu lassen. Wir sahen die Wolken schon aufziehen und unser Verdacht bestätigte sich bei dem Gespräch mit den zu Hause gebliebenen. Prognose für den nächsten Tag: Dauerregen ab 14 Uhr. Also saßen wir den restlichen Nachmittag bei gefühlten 20 Grad im T-Shirt vor der Hütte und ließen es uns gut gehen, während in der Heimat letzte Nacht 10 cm Schnee gefallen sind. Und das im Oktober. Umso später es wurde, umso kälter wurde es und wir hatten die Befürchtung dass der Regen hier oben wohl eher als Schnee runterkommen würde.
Alpe Mottac vom Pizzo Mottac aus gesehn
Blick durchs Val Grande auf den Lago Maggiore
Typische Steinhütten im Val Grande, hier Mottac
Abends vor der Hütte noch ein paar Versuche was mit der neuen Kamera so möglich ist
Die Milchstraße war ganz klar zu erkennen
Der nächste Morgen bestätigte auch diese Vermutung. Die Gipfel waren bis auf etwa 1600m „angezuckert". Keine dicke Schneeschicht, aber weiß. Genau das habe ich mir gewünscht als wir aufgebrochen sind. Schnee im Herbst.
Angezuckerte Berggipfel als wir morgens auf Mottac aufwachten
Unser Ziel von dem wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, 6 Stunden entfernt
Gelblich-rötliche Bäume und Schnee auf den Gipfeln. Wunderschön zum Fotografieren. Als wir gefrühstückt hatten, kam sogar die Sonne nochmal raus. Dann hieß es packen und weiter. Unser Ziel an diesem Tag war Pozzolo, sodass wir am nächsten Tag nach Beura-Cardezza und von dort aus zu unserm Auto in Colloro gelangen könnten doch es kam anders. Als wir an der Weggabelung ankamen, wo man sich entscheiden muss, ob man Richtung Ragozzale und Pozzolo oder über den Passo di Basagrana nach Trontano läuft fing es mehr und mehr an zu schneien. Da zwischen Ragozzale und Pozzolo nur ein schwer zu findender ummarkierter Weg ist entschieden wir uns den markierten Weg weiter zu laufen. Allerdings kam auf dem Weg keine Hütte, sodass wir bis Tronatno in einem Stück durchlaufen mussten. Etwa eine halbe Stunde bevor wir über den Passo di Basagrana kamen, wurde das Schneetreiben heftiger und heftiger. Wir kamen zwei, drei Mal vom Weg ab. Alsob der Schnee nicht gereicht hätte wurde es auch von Minute zu Minute nebliger. Doch wir kamen auf dem etwas über 2000m hohen Pass an ohne uns zu verlaufen. Wir hatten als Anhaltspunkte nur noch die spärlich auftretenden Wegweiser. Um genau zu sein - es waren insgesamt drei. Einen an der Abzweigung, einen auf dem Pass und einen etwas weiter unten. Bis zum letzten brauchten wir allerdings noch 1,5 Stunden. Als wir über den Pass kamen und die ersten Schritte Richtung Tal machten, war der Wind, der uns den kompletten Anstieg über von rechts ins Gesicht blies, schlagartig verschwunden und unsere rechten Gesichtshälften tauten wieder auf. Daag machte der Schnee, sowie der steile Abstieg nicht viel aus. Er grub sich voran, durch den inzwischen bestimmt 15cm hohen Schnee. Einen Weg sahen wir nun garnichtmehr. Wir vermuteten ihn nur, kamen jedoch von ihm ab und trafen später wieder auf ihn, da wir die ungefähre Richtung im Kopf hatten und uns mit Hilfe unserer Karte in diese Richtung bewegten.
Irgendwann vor dem Passo di Basagrana, später hatten wir keinen Nerv mehr weitere Bilder zu machen
Ab etwa 1300m ging der Schnee in Regen über. Gegen 16 Uhr erreichten wir die Alpe Parpinasca. Wir trafen allerdings niemanden. Das Thermometer an der Hütte zeigte 1°C. Wichtig war nassen Klamotten auszuziehen und sie gegen die Trockenen, die wir noch im Rucksack hatten zu tauschen, da uns sobald wir uns nichtmehr bewegten schnell kalt wurde. Die letzten 1,5 Stunde von Parpinasca bis Trontano ging es über teils Schotter-, teils Asphaltstraße bergab, was für unsere Knie wie Gift war. Vor allem mein rechtes Knie tat mir, als wir gegen 18 Uhr endlich in Tronatno ankamen, ziemlich weh und ich humplete die letzten Meter bis zur Bushaltestelle nur noch. Zu meiner Verteidigung, mein Knie habe ich im Februar beim Skifahren ziemlich zerstört, weswegen wir auch anfangs recht kurze Etappen geplant hatten. Am letzten Tag mussten wir aber, aufgrund des Schnees, ein viel weiteres Stück, sowie viel mehr Höhenmeter zurücklegen als ursprünglich geplant. Dennoch hat sich der Abstecher über Mottac total gelohnt und ich bin froh das wir über Motta und den Passo di Basagrana gelaufen sind. Drei Tage später war mit meinem Knie auch wieder alles in Ordnung.
Die letzten Meter, mit Blick auf Trontano
Abschließend bleibt mir zu sagen, dass das Val Grande im Oktober, meiner Meinung nach, noch als Geheimtipp durchgeht. Während der 4 Tage die wir im Nationalpark verbrachten, trafen wir 7 Leute und diese ausschließlich in den Biwaks Alpe Colma und In La Piana. Warum das Val Grande so besonders gefährlich sein soll, weiß ich immer noch nicht genau. Es bleiben nur die Wetterumschwünge, an die ich denke. Allerdings war das auch nicht meine erste Tour und ich würde behaupten, ich kenne mich inzwischen ganz gut aus und kann viele Situationen richtig einschätzen und darauf reagieren. Vielleicht hatten die, die uns gewarnt haben Angst wir würden uns nicht auskennen und nicht wissen worauf wir uns einlassen. Auf dem Heimweg fiel uns auf, dass wir in den vier Tagen, vier komplett unterschiedliche Wetterlagen hatten und sich die Temperaturen tagsüber zwischen 22°C und 0°C befanden, was doch sehr unterschiedlich ist. Die Gegend ist sehr verschieden zu den Regionen in den Alpen, die ich bisher kannte. Von Österreich kenne ich viel flachere, weitläufigere Berge. In der Schweiz kenne ich die Berner Alpen, genauer die Region um Eiger, Mönch und Jungfrau. Die Berge sind natürlich viel höher, klotziger und wirken sehr mächtig. Im Val Grande fand ich die Täler tief und die Hänge sehr steil. Wenn ich sie beschreiben müsste dann vielleicht mit dem Wörtern detailreich und hart. Irgendwie anders als gewohnt eben. Es war meine erste Tour über mehrere Tage im Herbst. Von den Farben und dem Wetter, war ich echt begeistert...
Alle unsere Freunde gehören zur erst genannten Gattung, wobei man Ihnen zugute halten muss, dass sie nicht wirklich was mit dem Thema Trekking am Hut haben. Die zweite Art Mensch haben wir zum Ersten Mal richtig an der italienischen Grenze registriert. Nachdem ein Grenzpolizist, uns, auf der Suche nach Drogen jeglicher Art, unser Equipment hat ausräumen und zerlegen lassen, verabschiedete er uns mit den Worten „Das Val Grande ist gefährlich, ihr liebt das Risiko, hm?“ Wir antworteten ihm etwas flapsig, dass wir das Risiko nicht lieben, sondern uns mit dem Gebiet auseinander gesetzt haben und es nicht unsere erste Tour sei. Er fand übrigens keine Drogen, hielt uns aber etwa eine Stunde an der Grenze fest und betonte immer wieder, was schlimmes passieren würde, wenn er doch etwas fände, weshalb wir schon ein wenig genervt waren. Die dritte beschrieben Art Mensch lernten wir, wie sollte es anders sein, in In La Piana kennen.
Aber nun von Anfang…
Unsere erste Nacht verbrachten wir bei Michele, einem netten Italiener, der zwei Zimmer seines Hauses als B&B vermietet. Als wir im Bergdorf Colloro ankamen, war es 18 Uhr. Wir hatten nichts gegessen und es gab in diesem kleinen Dorf natürlich keinen Supermarkt. Das einzige kleine Restaurant hatte Betriebsferien und so landeten wir in Micheles Küche. Er machte uns eine leckere Brotzeit, mit regionaler Wurst und Käse und wir redeten einige Zeit über das VG. Die Quintessenz des Gesprächs war - natürlich - „Das Val Grande ist gefährlich“. Er war nun der zweite von zwei Italienern, mit dem wir über das VG sprachen und der Zweite, der uns sagte, wir sollen aufpassen, es sei sehr gefährlich dort. Natürlich überlegten wir im Vorfeld welche Risiken uns erwarten würden, aber mehr als heftige Wetterumschwünge konnten es ja nicht sein. Es gibt laut Internet zwar eine giftige Schlangenart, allerdings sind Schlangen sehr schreckhaft und wir konnten uns nicht vorstellen auf eins dieser Exemplare zu treffen. Wir hörten auch dass die Wege nicht so gut markiert seien und das Kartenmaterial unzureichend ist, suchten uns deshalb im Vorfeld eine Route aus, die nur markierten Wegen folgte.
Am nächsten Morgen, kurz nachdem wir aufbrachen trafen wir den nächsten der uns warnte, diesmal allerdings explizit vor dem Wetter der nächsten Tage. Gut wir hatten an Kleidung so ziemlich alles dabei was man sich vorstellen kann und wussten sehr wohl, dass es im Oktober den ersten Schnee geben kann. Wie auch immer, wir liefen erst auf einer asphaltierten Straße und später auf gut markierten Wanderwegen. Am Nachmittag kamen wir auf der Alpe La Colma an, auf der wir die erste Nacht im VG verbringen wollten. Die Hütte liegt auf einem Sattel. Blickrichtung Süden schaut man Richtung Premosselo-chiovenda, Blickrichtung Norden direkt ins Val Grande. Der Blick ins VG blieb uns allerdings nur ein paar Minuten gegönnt, da dichter Nebel aufzog und wir kaum 20 Meter sehen konnten. Einerseits überkommt mich immer wieder ein mulmiges Gefühl, wenn ich auf den weiteren Tourenverlauf blicken kann und weiß, dass ich mich immer weiter von der Zivilisation „entferne“, andererseits ist da die Vorfreude weiter zu kommen, Neues zu entdecken und zwangsläufig ein neues Abenteuer zu erleben. Am nächsten Tag, den Berg hinab, in dieses verlassene Tal zu steigen, wovon man inzwischen nichts mehr sah, da der Nebel so dicht war und zu wissen, dass man nur über einen weiteren Pass wieder aus ihm herauskommt, war doch ziemlich aufregend.
Alpe la Colma
Im leichten Regen und Nebel brechen wir von La Colma Richtung In La Piana auf
Trotz oder grade durch den Regen erleben wir an diesem Tag eine ganz besondere Stimmung
Als ich Dienstag morgen aufwachte, war es immer noch neblig und regnerisch. Wir aßen unser Müsli, packten die Schlafsäcke ein, richteten die Rucksäcke für den Tag, streiften uns die Regenjacken über. Noch schnell die Zähne geputzt und es konnte losgehn, in das unfreundliche Herbstwetter. Das morgendliche Prozedere war schon am ersten Tag so drin, alsob wir schon 7 Tage nichts anderes gemacht hätten. Es regnete den ganzen Tag leicht vor sich hin. Wir kamen an einer verlassenen Alpe, mit ungefähr 8 Steinhütten, vorbei. Dort sahen wir uns etwas um und fanden einen Lagerplatz. Hätte es nicht geregnet, könnte man hier bestimmt gut eine Nacht verbringen, aber so zogen wir weiter.
Alpe Serena - verlassen, zum größten Teil zerfallen und undicht
Weiter ging es mit einem extrem steilen Abstieg durch ein Waldstück, wonach wir einem Flusslauf folgten und dann wieder durch ein flacheres Waldstück liefen. Gegen 14 Uhr erreichten wir die Alpe In La Piana, im Herz des Val Grandes. Hier stehen 3 große Biwaks. Kurz vor uns kam ein Kölner an. Er war nicht der Gesprächigste, wusste aber sehr viel über das Val Grande und erzählte, dass er mehrere Monate im Jahr im Tal verbringt. Er hat es an diesem Tag etwas weiter geschafft als wir. Für die Kenner des VG: Er kam von Pozzolo über Ragozzale, Mottac bis nach In La Piana. Später sollte uns noch klar werden, wieviel weiter es wirklich war. An diesem Abend hatten wir, im Gegensatz zum Letzten auf Colma, kein elektrisches Licht, sondern mussten mit Kerzen den Raum erhellen, was viel gemütlicher war. Als wir uns in unsere Schlafsäcke verkrochen schüttete es draussen wie aus Eimern. Wir ahnten fürchterliches für den nächsten Tag, schliefen aber schnell ein.
Sehr früh Morgens bei In La Piana
Alpe In La Piana - am nächsten Morgen bei wunderbarem Wetter
Gegen acht Uhr wurden wir von unserem vierbeinigen Begleiter Daag geweckt. Er hielt es nicht für nötig noch länger zu schlafen und wollte raus. Wir warfen einen kurzen Blick aus dem Fenster und konnten unseren Augen nicht trauen, blauer Himmel, keine Wolke. Wir waren schneller draussen als ich es jemals für möglich gehalten habe. Und ja, es war wunderbares Wetter. Ein eiskalter Morgen, mitten im Val Grande. Am vorherigen Abend entschieden wir nochmal in Vald di Sopra zu übernachten und über den Bocchetta di Vald und Alpe Bondolo nach Malesco zu laufen. Angesichts des hervorragenden Wetters, schmissen wir den Plan allerdings wieder über den Haufen. Wir wollten hoch, haben im Internet viel über die Alpe Mottac gelesen und traumhafte Bilder gesehen.
Kurz nach der Abzweigung nach Mottac
Also ging es wieder bergauf, über einen steilen mit Laub bedeckten Pfad, über eine kleine Lichtung und weiter durch den Wald. Der Aufstieg war aufgrund der Sonne sehr schweißtreibend. Als wir allerdings die Baumgrenze erreichten, waren wir sprachlos vom Ausblick der sich uns bot. Man konnte durchs Val Grande bis auf den Lago Maggiore schauen. Was für ein Blick. Mit jedem Meter den man weiter den steilen Wiesenpfad hochkraxelte, wurde es beeindruckender. Über eine Kuppe noch und wir sahen den Pizzo Mottac. Weit entfernt sahen wir ein schneebedecktes Gipfelmassiv - könnte der Monte Rosa gewesen sein.
Auf dem letzten Stück den steilen Hang hinauf
Daag hätte am liebsten keine Pausen gemacht
Als wir die Alpe Mottac dann das erste Mal „live“ sahen, waren wir sprachlos. Was für eine Hütte, in dieser Lage einfach unglaublich. Einzig die Solarkollektoren über der Eingangstür störten im Bild. Wir verbrachten den Tag rund um die Hütte, holten Wasser aus der etwas weiter unten gelegenen Wasserstelle und „erklommen“ den Pizzo Mottac. Hier oben hat man sogar Handyempfang. Wir riefen zu Hause an, um uns die aktuellsten Wetterinfos durchgeben zu lassen. Wir sahen die Wolken schon aufziehen und unser Verdacht bestätigte sich bei dem Gespräch mit den zu Hause gebliebenen. Prognose für den nächsten Tag: Dauerregen ab 14 Uhr. Also saßen wir den restlichen Nachmittag bei gefühlten 20 Grad im T-Shirt vor der Hütte und ließen es uns gut gehen, während in der Heimat letzte Nacht 10 cm Schnee gefallen sind. Und das im Oktober. Umso später es wurde, umso kälter wurde es und wir hatten die Befürchtung dass der Regen hier oben wohl eher als Schnee runterkommen würde.
Alpe Mottac vom Pizzo Mottac aus gesehn
Blick durchs Val Grande auf den Lago Maggiore
Typische Steinhütten im Val Grande, hier Mottac
Abends vor der Hütte noch ein paar Versuche was mit der neuen Kamera so möglich ist
Die Milchstraße war ganz klar zu erkennen
Der nächste Morgen bestätigte auch diese Vermutung. Die Gipfel waren bis auf etwa 1600m „angezuckert". Keine dicke Schneeschicht, aber weiß. Genau das habe ich mir gewünscht als wir aufgebrochen sind. Schnee im Herbst.
Angezuckerte Berggipfel als wir morgens auf Mottac aufwachten
Unser Ziel von dem wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, 6 Stunden entfernt
Gelblich-rötliche Bäume und Schnee auf den Gipfeln. Wunderschön zum Fotografieren. Als wir gefrühstückt hatten, kam sogar die Sonne nochmal raus. Dann hieß es packen und weiter. Unser Ziel an diesem Tag war Pozzolo, sodass wir am nächsten Tag nach Beura-Cardezza und von dort aus zu unserm Auto in Colloro gelangen könnten doch es kam anders. Als wir an der Weggabelung ankamen, wo man sich entscheiden muss, ob man Richtung Ragozzale und Pozzolo oder über den Passo di Basagrana nach Trontano läuft fing es mehr und mehr an zu schneien. Da zwischen Ragozzale und Pozzolo nur ein schwer zu findender ummarkierter Weg ist entschieden wir uns den markierten Weg weiter zu laufen. Allerdings kam auf dem Weg keine Hütte, sodass wir bis Tronatno in einem Stück durchlaufen mussten. Etwa eine halbe Stunde bevor wir über den Passo di Basagrana kamen, wurde das Schneetreiben heftiger und heftiger. Wir kamen zwei, drei Mal vom Weg ab. Alsob der Schnee nicht gereicht hätte wurde es auch von Minute zu Minute nebliger. Doch wir kamen auf dem etwas über 2000m hohen Pass an ohne uns zu verlaufen. Wir hatten als Anhaltspunkte nur noch die spärlich auftretenden Wegweiser. Um genau zu sein - es waren insgesamt drei. Einen an der Abzweigung, einen auf dem Pass und einen etwas weiter unten. Bis zum letzten brauchten wir allerdings noch 1,5 Stunden. Als wir über den Pass kamen und die ersten Schritte Richtung Tal machten, war der Wind, der uns den kompletten Anstieg über von rechts ins Gesicht blies, schlagartig verschwunden und unsere rechten Gesichtshälften tauten wieder auf. Daag machte der Schnee, sowie der steile Abstieg nicht viel aus. Er grub sich voran, durch den inzwischen bestimmt 15cm hohen Schnee. Einen Weg sahen wir nun garnichtmehr. Wir vermuteten ihn nur, kamen jedoch von ihm ab und trafen später wieder auf ihn, da wir die ungefähre Richtung im Kopf hatten und uns mit Hilfe unserer Karte in diese Richtung bewegten.
Irgendwann vor dem Passo di Basagrana, später hatten wir keinen Nerv mehr weitere Bilder zu machen
Ab etwa 1300m ging der Schnee in Regen über. Gegen 16 Uhr erreichten wir die Alpe Parpinasca. Wir trafen allerdings niemanden. Das Thermometer an der Hütte zeigte 1°C. Wichtig war nassen Klamotten auszuziehen und sie gegen die Trockenen, die wir noch im Rucksack hatten zu tauschen, da uns sobald wir uns nichtmehr bewegten schnell kalt wurde. Die letzten 1,5 Stunde von Parpinasca bis Trontano ging es über teils Schotter-, teils Asphaltstraße bergab, was für unsere Knie wie Gift war. Vor allem mein rechtes Knie tat mir, als wir gegen 18 Uhr endlich in Tronatno ankamen, ziemlich weh und ich humplete die letzten Meter bis zur Bushaltestelle nur noch. Zu meiner Verteidigung, mein Knie habe ich im Februar beim Skifahren ziemlich zerstört, weswegen wir auch anfangs recht kurze Etappen geplant hatten. Am letzten Tag mussten wir aber, aufgrund des Schnees, ein viel weiteres Stück, sowie viel mehr Höhenmeter zurücklegen als ursprünglich geplant. Dennoch hat sich der Abstecher über Mottac total gelohnt und ich bin froh das wir über Motta und den Passo di Basagrana gelaufen sind. Drei Tage später war mit meinem Knie auch wieder alles in Ordnung.
Die letzten Meter, mit Blick auf Trontano
Abschließend bleibt mir zu sagen, dass das Val Grande im Oktober, meiner Meinung nach, noch als Geheimtipp durchgeht. Während der 4 Tage die wir im Nationalpark verbrachten, trafen wir 7 Leute und diese ausschließlich in den Biwaks Alpe Colma und In La Piana. Warum das Val Grande so besonders gefährlich sein soll, weiß ich immer noch nicht genau. Es bleiben nur die Wetterumschwünge, an die ich denke. Allerdings war das auch nicht meine erste Tour und ich würde behaupten, ich kenne mich inzwischen ganz gut aus und kann viele Situationen richtig einschätzen und darauf reagieren. Vielleicht hatten die, die uns gewarnt haben Angst wir würden uns nicht auskennen und nicht wissen worauf wir uns einlassen. Auf dem Heimweg fiel uns auf, dass wir in den vier Tagen, vier komplett unterschiedliche Wetterlagen hatten und sich die Temperaturen tagsüber zwischen 22°C und 0°C befanden, was doch sehr unterschiedlich ist. Die Gegend ist sehr verschieden zu den Regionen in den Alpen, die ich bisher kannte. Von Österreich kenne ich viel flachere, weitläufigere Berge. In der Schweiz kenne ich die Berner Alpen, genauer die Region um Eiger, Mönch und Jungfrau. Die Berge sind natürlich viel höher, klotziger und wirken sehr mächtig. Im Val Grande fand ich die Täler tief und die Hänge sehr steil. Wenn ich sie beschreiben müsste dann vielleicht mit dem Wörtern detailreich und hart. Irgendwie anders als gewohnt eben. Es war meine erste Tour über mehrere Tage im Herbst. Von den Farben und dem Wetter, war ich echt begeistert...
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