[MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

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  • Baciu
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    [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

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    Nun, da sich der POB doch zu einer gewissen Beliebtheit entwickelt, will ich nun auch mal meinen Senf dazugeben:

    Die Bergwanderung über den „Peaks of the Balkans“ (POB) Wanderweg hatte ich schon eine ganze Weile im Fokus. Doch erst einmal wollte ich einige angefangene Projekte in den Karpaten beenden bevor ich mich dem Balkan widmete. Ende Mai diesen Jahres passte es dann endlich. Der Zeitpunkt lag zwar deutlich in der Vorsaison aber meine Urlaubsplanung lies keinen anderen Zeitraum zu und irgendwie wird es schon klappen, da war ich optimistisch. So startete ich am 22. Mai zu meinem Abenteuer in die Tiefen oder besser auf die Höhen des Balkans.
    Der POB ist ein Rundwanderweg, der in 10 Etappen eingeteilt ist. Ich hatte 4 Wochen Zeit, brauchte mir also keinen Stress zu machen. Eigentlich müsste der Weg „Passes of the Balkans“ heißen. Über Gipfel geht es nur einmal und auch den verfehlte ich aufgrund von Orientierungsproblemen. Die Orientierung stellte auch die größte Schwierigkeit dar, ohne GPS-Tracks wäre ich aufgeschmissen gewesen.
    Die Etappe Valbona – Ҫeremi (Albanien) habe ich mich fahren lassen, da der POB einer wüsten Bergstraße folgt. In Vusanje (Montenegro) und im Rugovatal (Kosovo) habe ich den POB verlassen. Erstens, um die Ali-Pascha-Quellen in Gusinje zu sehen und zweitens, um die Stadt Pejё (Peč) zu besuchen.
    Im Anschluss an den POB fuhr ich nach Ulcinj an der Adria und Virpazar am Skadar-See. Bevor es von Podgorica mit dem Zug zurück nach Belgrad ging, besuchte ich noch das Felsenkloster Ostrog.
    Der letzte Teil der Reise führte mich schließlich in die Serbischen Karpaten. Mit dem Bus fuhr ich von Belgrad nach Majdanpek, besuchte von dort Rajkos Höhle (Rajkova pećina) im Liškovac Gebirge sowie das Felsentor Valja Prerast und die Weiße Quelle (Beli Izvor) im Mali krš Gebirge.
    In Belgrad endete schließlich meine vierwöchige Reise.

    Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 08:57.

  • codenascher

    Alter Hase
    • 30.06.2009
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    #2
    AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

    Ich hoffe natürlich, dass dein bisheriger Text nur eine kurze Zusammenfassung deiner Reise ist und du uns mit Eindrücken, Erinnerungen und Fotos erfreust

    Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

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    • Baciu
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      #3
      AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

      Reisestress

      Im Mittelpunkt dieser Reise standen nicht die Karpaten sondern eine Wanderung auf dem „Peaks of the Balkans“, einem zehntägigen Rundkurs im Prokletije-Gebirge, durch Albanien, den Kosovo und Montenegro. Als Ausgangspunkt wählte ich den Ort Plav in Montenegro, da er für mich am besten erreichbar schien. Bei vier Wochen Urlaub, konnte ich mir noch einen Abstecher an die Adria und den Skadar-See leisten. Trotzdem, wieder in Belgrad, konnte ich es nicht lassen. So nah an den Karpaten, musste ich sie doch noch einmal besuchen.

      Die letzten Tage vor der Abreise setzten mich unter Dauerstress. Warum mussten auch die Lokführer ausgerechnet vor Pfingsten für ihre Rechte kämpfen? Zum Glück gab es dann am 21. Mai Entwarnung, der Streik wurde vorerst beendet. Das hieß aber noch lange nicht, dass das Unternehmen Bahn am nächsten Tag wieder im Normalbetrieb arbeitete.
      Der Zug hatte in Freiburg 35 Minuten Verspätung, damit schrumpfte meine Zeitspanne zum Umsteigen in Zürich auf 5 Minuten. Ich wurde etwas nervös. Richtig mies fühlte ich mich, als mir die Schaffnerin offenbarte, dass der Zug nur bis Basel SBB fuhr. Angeblich übernehmen die Schweizer keinen Zug, der mehr als 30 Minuten Verspätung hatte. Ich sollte um 19:33 Uhr mit dem TGV der aus Paris kam, weiter bis Zürich fahren. Auch Frankreichs Hochgeschwindigkeitszug hatte 5 Minuten Verspätung, die Nerven lagen blank.
      In Gedanken verfolgte ich schon die Rücklichter meines Nachtzuges nach Belgrad. Doch der TGV machte seinem Namen alle Ehre, in Zürich angekommen, hatte ich auf einmal wieder 10 Minuten Zeit. Jetzt hätte ich einen Schnaps gebraucht!
      Etwas zusammengeknautscht aber zufrieden lümmelte ich auf meiner Liege im 6er Abteil. Der Zug fuhr pünktlich ab.

      Belgrad erreichte ich mit 45 Minuten Verspätung und das lag nicht nur an den Gleisbauarbeiten an der Strecke. Irgendwie hatte ich das Gefühl, in Serbien lief alles langsamer. Trotzdem, ich hatte genug Zeit, etwas Geld zu tauschen und mir die Reservierung für den Nachtzug nach Podgorica zu kaufen. Selbst für ein Nikšičko und 5 Ćevapčići reichte es noch.
      Der Zug stand schon auf Gleis 6 bereit, im Abteil rannte ich gegen eine Wand warmer Luft und es wurde noch heißer. Die Dame neben mir war nur mit dem Allernötigsten bekleidet. Ich war auf dem Balkan! Selbst die in der Morgensonne leuchtenden Berge über der Morača-Schlucht konnte ich nicht recht genießen.
      Zerknittert wie ein benutztes Bettlaken und müde, taumelte ich am nächsten Morgen bei strahlend blauem Himmel in Podgorica aus dem Zug.
      Die Angebote der Taxifahrer ignorierend, begab ich mich zum Busbahnhof gegenüber. Es war 8:30 Uhr, um 8:25 Uhr fuhr mein Bus nach Plav – perfektes Timing sozusagen! Ob es da Absprachen zwischen Bus- und Taxifahrern gab?
      Der nächste Bus wäre erst in 5 Stunden gefahren. Jetzt, die Taxifahrer mal nicht ignorierend, erkundigte ich mich nach dem Preis für eine Fahrt nach Plav. „Plav?“ „130 Euro!“ Na, dann doch lieber 5 Stunden warten! Der Nächste klopfte mir auf die Schulter und hielt mir das Display seines Handys vor die Nase. „Plav – very cheap!“ 80 Euro, stand da. „Okay, let's go!“
      Jetzt hatte ich auch ein Auge für die Morača-Schlucht. Mitten durch die atemberaubende Landschaft schlängelt sich die Straße. Blaugrünes kristallklares Wasser sprudelte im Fluss, über uns steile felsdurchsetzte Bergflanken mit noch frisch-grüner Vegetation bewachsen. Mir begann dieses Montenegro zu gefallen, dem Taxifahrer weniger. Stand ein Pferd hinter einer Kurve auf der Fahrbahn verglich er sein Land mit Texas, klafften Schlaglöcher im Straßenbelag waren wir in Beirut. Nach 3 ½ Stunden und gefühlten 3 Zigarettenschachteln erreichten wir Plav. Die Stoßstange des Wagens hing auf der linken Seite kurz über dem Boden – ein Resultat von zu hoher Geschwindigkeit an einer Baustelle. „Reparatur – 15 Euro!“ jammerte mein Taxifahrer. Er setzte mich vor einem Café ab, das „Timm“ hieß. Wir tranken noch einen Kaffee zusammen. „My friend, room cheap!“ Er hatte recht. Sein Freund vermietete tatsächlich Zimmer und 10 Euro + 60 Cent Steuer fand ich auch nicht teuer. Ich buchte für zwei Nächte. Das Zimmer war schön. Es gab Wi-Fi aber kein Toilettenpapier.
      Die Genehmigungen der Grenzpolizei zum passieren der Ländergrenzen Albaniens, des Kosovo und Montenegros in den Bergen besaß ich schon. Nur in Plav erwartete mich noch etwas Bürokratie. Ich musste mich bei der Grenzpolizei registrieren lassen. Bezahlt hatte ich den Spaß schon, sollte nur dort auflaufen. Die wollten vermutlich ihre Pappenheimer persönlich kennenlernen.
      So schlenderte ich zum anderen Ende des Ortes, um zu schauen, ob ich alles erledigen konnte. Immerhin war ja Sonntag.
      Vor dem Gebäude lümmelten ein paar Uniformierte. Ich trat hinzu und fragte nach dem Permit für den POB. Einer verschwand im Haus und kam mit einer langen Namensliste zurück. Leider konnte ich meinen Namen nicht entdecken. Der Mann riet mir morgen wieder zu kommen, dann wäre das Büro geöffnet.
      Nicht geschlossen war dagegen die Kulla Redžepagića, ein osmanischer Wohnturm aus dem 17. Jahrhundert. Im Haus gegenüber befindet sich ein Privatmuseum. Der Hausherr konnte vor lauter Antiquitäten kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen.
      Ich setzte meinen Weg fort in Richtung Unterkunft. Der Weg war gesäumt von einem Café neben dem anderen, dazwischen Imbissbuden. Was fehlte war ein richtiges Restaurant. Ich ging also auf Entdeckungsreise. Erst am Ortsende wurde ich fündig. Das von der Familie Martić geführte Camp Lake Views ist hier wirklich etwas Besonderes. Bei einem Bierchen blätterte ich im Gästebuch. Anhand der Einträge war der Ort gar nicht so selten besucht, fand ich.
      Zum Abendessen konnte ich zwischen 4 verschiedenen Menüs von 6 bis 10 Euro wählen. Meine Entscheidung fiel auf Menü 2 – Krautrouladen (Sarma). Mit Suppe, Salat, Dessert und einem Sliwowitz zahlte ich keine 10 Euro.

      Am nächsten Morgen wieder bei der Grenzpolizei: „Was wollen Sie schon hier?“ fragte mich der Uniformträger. „Hier steht 29. Mai!“ Ähm, Mist! Ich war tatsächlich zu früh in Plav angekommen. Daheim bei den Reisevorbereitungen, hatte ich noch 2 Tage Podgorica eingeplant. Ich faselte was von Fehler und gab mich ratlos. „Wir können das ändern, kommen Sie in 3 bis 4 Stunden wieder.“
      Mittag um halb eins hielt ich endlich meine geänderte Genehmigung in den Händen. „Alles gut?“ fragte der Polizist. „Perfekt!“
      Perfekt war auch das Wetter. Im Nachmittagslicht setzte ich mich auf den Holzsteg am Plavsko jezero (Plav-See) und machte ein paar Fotos.
      Abends im Camp Lake Views traf ich eine junge Familie aus Österreich. Sie waren mit dem Auto da und wollten weiter nach Albanien, nach Theth. Der Ort war das Ziel meiner zweiten Etappe auf dem POB, vielleicht sehen wir uns ja wieder.



      Zeit für ein Nikšičko auf dem Belgrader Bahnhof.


      Meine Unterkunft in Plav: Café Timm.


      Plav


      Moschee in Plav.


      Krautroulade im Lake Views Restaurant.


      Der Plav-See am Nachmittag.




      Etappe 1: Plav – Vusanje (Gusinje)

      Um mich auf dem POB zu orientieren, hatte ich drei Dinge im Rucksack: die Wanderkarte „Peaks of the Balkans“ des Huber-Verlags, den Wanderführer „Peaks of the Balkans“ des Conrad-Stein-Verlags und die GPS-Tracks der Agentur Zbulo Discover Albania. Leider fehlte bei den Tracks die Etappe Plav – Vusanje. Dummerweise hatte ich zu spät gelesen, dass es auch möglich gewesen wäre, die Tracks des Autors meines Wanderführers zu bekommen. Das Buch erhielt ich erst kurz vor meiner Abreise, druckfrisch sozusagen. So blieben mir im Moment nur noch zwei Orientierungshilfen.
      Mit dem Büchlein in der Hosentasche, verließ ich am nächsten Morgen um 6:30 Uhr Plav. Es nieselte ein wenig. Der Autor weist darauf hin, dass auf der Etappe die Orientierung nicht ganz einfach ist, aber mithilfe der Beschreibung Vusanje sicher zu erreichen wäre – ein Trugschluss!
      Bis zu der im Buch erwähnten Wasserstelle klappte alles prima, danach wurde es verworren. Bei dem Gewirr an Forstwegen, musste ich irgendwann falsch abgebogen sein, glaubte jedoch noch auf dem rechten Pfad zu wandeln. Jedenfalls erreichte ich keine Blumenwiese mit Viehstall wie beschrieben, sondern eine Forststraße, die wieder in die Richtung führte, aus der ich gerade kam.
      Buch und Karte verschwanden in den Tiefen des Rucksacks und ich folgte meinem Instinkt. Um mich bei Stimmung zu halten, fing ich an ein Wanderlied zu singen – Aqualung. Okay, ist kein Wanderlied, eher eine Warnung vor Altersarmut, aber ich mochte es.
      „...Snot is running down his nose“, dass passte! „...Greasy fingers smearing shabby clothes“, dass passte in ein paar Tagen sicher auch. „...Sun streaking cold an old man wandering lonely“, ja – wie die Faust auf's Auge! „...Taking time the only way he knows.“ Unendlich Zeit hatte ich nicht und ich kannte den Weg nicht, entdeckte jedoch Markierungen in Form von roten und blauen Pfeilen an einem Baum. Ich folgte ihnen und erreichte eine Wiese, zwischen Schneeresten blühten Krokusse und blauer Enzian – Mittagszeit.
      Der Pfad schlängelte sich noch ein Stück am Berghang entlang, dann waren Pfeile und Weg verschwunden. Am Horizont ragten die kahlen Kalkfelsen des Kollata e Keqe-Massivs in die Wolken. Auf dem Berghang vor mir glaubte ich so was wie einen Weg zu erkennen, der sich in einen Pass zog. Ich hielt darauf zu – querfeldein. Unter mir erschienen zwei kleine Bergseen und auf dem Kamm sogar eine Markierung – weißer Punkt auf rotem Grund. Ich war wieder auf dem POB! Am Ziel war ich aber noch nicht. Bald verschwand der Pfad im Schnee und blieb auch verschwunden. Dafür tauchten wieder violette Krokusteppiche vor mir auf. Unter mir rotteten die Reste einer Hirtenhütte vor sich hin. Die Hirten sind sicher nicht hier hoch geflogen, also muss es auch einen Weg geben! Ein kurzes Schnee- und Krokustrampling und ich stand wieder auf einem Pfad.
      Der Weg mündete in das Tal des Bjelićki potok. Rot-weiße Markierungen zeigten mir, dass ich richtig war. Es fing wieder an zu nieseln. Bis Vusanje dauerte es etwa 2 ½ Stunden. Ein Wegweiser zeigte in Richtung Plav 24 km an. Es war jetzt kurz nach halb vier Uhr nachmittags. Neun Stunden war ich unterwegs, aber irgendwie hatte ich keine Lust, den Tag in Vusanje zu beenden.
      Bis ins Nachbardorf Gusinje waren es 6 Kilometer. Drei Jungen zeigten mir den Weg. Es gibt nur morgens einen Schulbus aber Trampen wäre kein Problem. Zum Abschied wollten sie meine Facebook-Adresse. „Ähm, hab ich nicht.“ Da schafften es tatsächlich drei Dorfjungen an der albanischen Grenze mir vor Augen zu führen, dass ich hinter dem Mond lebte.
      Nach 15 Minuten hielt ein weißer VW und nach weiteren 15 Minuten, saß ich bei einem Bierchen im Hotel Rosi in Gusinje.
      Die Attraktion des Ortes sind die Ali-Pascha-Quellen. Der Fluss Rijeka Skakavica, tritt hier unter einem Felsen hervor.



      Letzter Blick auf den See am nächsten Morgen.


      Trinkwasser am Wegesrand.


      Trinken am Wegesrand.


      Blitzschlag?


      Frühling!


      Abstieg nach Vusanje im Nieselregen.


      Vusanje.


      Bei Gusinje


      Moschee in Gusinje.


      Ali-Pascha-Quellen.
      Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 08:59.

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      • Baciu
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        #4
        AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

        Etappe 2: (Gusinje) Vusanje – Theth

        Der Hotelchef organisierte am nächsten Morgen ein Taxi, dass mich zurück nach Vusanje bringen sollte. „Bis Theth – 6 Stunden“ sagte der Hotelchef. „Bist du allein? – 5 Stunden!“ Eigentlich wollte ich schon um halb acht los, aber hatte mir schon gedacht, dass es länger dauern würde. Der Kellner musste die Frühstücksbrötchen erst im Supermarkt kaufen. Viertel vor acht fuhr mein Taxi vor und Punkt acht stand ich am Wasserfall Ponor Grja in Vusanje. Das Wasser der Skakavica verschwindet hier auf spektakuläre Weise in der Unterwelt, um später mit den Ali-Pascha-Quellen wieder das Licht der Oberwelt zu erblicken.
        Die nächste Attraktion wartete etwa 1,5 km hinter dem Dorf. Oko Skakavice (Auge der Skakavica), ein türkisblauer kleiner See. Das hieß für mich schon wieder den Rucksack von den Schultern schmeißen und Fotopause. Also wenn das so weiter ging, würde ich Theth heute nicht mehr erreichen.
        Der nächste See heißt Liqeni Geshtares, sein Südufer bildet die Grenze zu Albanien. Ein Schild warnte mich mit der Aufschrift: „Turn back here“. Ich ignorierte es und lief weiter. Die Markierung änderte sich in ein rotes Band auf weißem Grund und trat jetzt häufiger in Erscheinung. Dumm war nur, dass auch andere Wanderwege die gleiche Markierung hatten. Das erleichterte die Orientierung nicht wirklich. Zum Glück hatte ich ja meinen GPS-Track! Links und rechts des Tals ragten steile Felswände in die Wolken. Leider verschlechterte sich das Wetter, erste Tropfen vielen mir auf die Schultern und nach einem steilen Aufstieg musste ich in die Regenklamotten schlüpfen. Schade, denn die Landschaft hatte nun einen hochalpinen Charakter, doch die Felsspitzen versteckten sich in grauen Wolken. Nur am Horizont leuchtete es heller. Ein gutes Zeichen! Den Kopf unter der Kapuze versteckt, den Blick gesenkt lief ich weiter.
        Blauer Frühlingsenzian leuchtete hin und wieder zwischen dem Grün der Almwiesen. Im Großen und Ganzen blühten hier jedoch weniger Blumen, als auf der gestrigen Etappe. Schneefelder kamen in Sicht. Die Orientierung wurde schwieriger, da der Schnee die Markierungen verdeckte. Das Wetter besserte sich, die ersten Sonnenstrahlen durchbrachen die Wolkendecke und fielen auf zwei architektonische Besonderheiten – Hoxha-Bunker. Eine Dreiviertelmillion Betonbunker sollten nach dem Willen des Diktators Enva Hoxha aus Angst vor Angriffen aus dem Ausland gebaut werden. Ich überlegte, ob die Dinger zum Biwakieren taugten, fand sie aber viel zu eng und unbequem.
        Über einen kleinen Pass stieg ich zum Bergsee Liqeni i Pejёs ab, um auf der anderen Seite zum Quafa e Pejёs (Pejё-Pass) hinaufzusteigen. Oben angekommen, konnte ich bereits mein Tagesziel erkennen, Theth rund 700 Höhenmeter unter mir.
        Hinter mir lag die Schlechtwetterfront, bei strahlendem Sonnenschein folgte ich dem Zickzack-Weg hinunter ins Theth-Tal. Es lief sich beschissen durch eine grandiose Landschaft. Loses Geröll auf dem Weg, müde Beine und nur noch wenig Fähigkeit mich zu konzentrieren ließen den Abstieg hinunter nach Theth zur Tortur werden. Die Sonne brannte mittlerweile ohne Gnade ins Genick. Ich war nun schon 10 Stunden unterwegs. Der Hotelchef in Gusinje war mit Sicherheit noch nie im Leben von Vusanje nach Theth gelaufen!
        Am Ortseingang sprach mich ein junger Mann an und offerierte mir ein Quartier. „Nicht weit, 20 Euro mit Essen.“ Lek Prrockaj ist der Sohn von Gjin Prrockaj und sein Haus befindet sich nicht weit von der Kirche im Dorfzentrum. Ich entschied mich nach einem Tirana-Bier zwei Nächte zu bleiben und morgen einen Ruhetag einzulegen. Der Weg hatte mich schon etwas geschlaucht aber auch die Gegend lud zum Verweilen ein. Gjins Frau erzählte mir von einem Wasserfall und einer Schlucht in der Nähe des Dorfes. Auch der Wohnturm sei sehenswert.
        Das Abendessen wartete: Salat mit Schafskäse, Suppe, Hammelfleischeintopf, Brot, Saure Sahne und Rakja. Von der Hausherrin lernte ich mein erstes albanisches Wort: mírё – gut!


        Start in Vusanje.


        Wasserfall Ponor Grja


        Noch ein Wasserfall.


        Oko Skakavice (Auge der Skakavica)


        Point of no return!


        Hoxha-Bunker


        Am Quafa e Pejёs (Pejё-Pass).


        Da oben war ich.


        Religionswechsel


        Besiedeltes Gebiet.


        In Theth angekommen.
        Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:00.

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        • Baciu
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          #5
          AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

          Theth

          Das Frühstück am nächsten Morgen ähnelte dem Abendessen, nur dass es statt Saurer Sahne gesalzene Milch zum Trinken gab.
          Mein erster Weg führte mich zum Wohnturm, der Kulla. Hier verschanzten sich die Mitglieder einer Familie, die von der Blutrache betroffen waren. Ismail Kadare beschreibt in seinem Buch „Der zerrissene April“ die Tradition der Blutrache in Albanien sehr eindrucksvoll.
          Hinter dem Turm führte ein markierter Pfad zum Fluss hinunter und wurde von einem Seitenbach jäh unterbrochen. Mir blieb nichts weiter übrig, als die Schuhe auszuziehen und durchs Wasser zu waten. Auf der anderen Seite teilte sich der Weg. Ein Pfad folgte dem Flusstal, der andere stieg den Hang hinauf. Beide hatten die gleiche Markierung, rotes Band. Nur welcher führte jetzt zum Wasserfall? Ich entschied mich für das Tal und landete auf einer schmalen Holzbrücke über der Schlucht. Auch gut! Die Schlucht (Grunas-Canyon) misst an ihrer engsten Stelle etwa 2 Meter, 60 Meter steile Felswände zwängen das Wasser des Theth-Flusses für die nächsten 2 km durch die Berge. Leider führte kein Weg durch die Schlucht.
          Zurück an der Weggabelung, wählte ich nun den anderen Pfad, in der Hoffnung zum Grunas-Wasserfall zu gelangen. Der Weg führte durch ein Gehöft. Die Hofhunde waren von meinem Besuch nicht begeistert aber angekettet. Danach folgte ich einem Bewässerungskanal, wie ich ihn auch aus Ladakh kannte. Bald hörte ich Wasser rauschen, das Rauschen wurde stärker und nach einem kurzen Anstieg stand ich vor dem Wasserfall, der sich über mehrere Kaskaden etwa 30 m den Fels hinunterstürzte.
          Wieder im Dorf, verleiteten mich ein paar Tische unter Sonnenschirmen zu einer Trinkpause und ich staunte nicht schlecht, als ich beim Näherkommen die Familie aus Österreich erkannte, die ich in Plav kennenlernte. Zurück an meiner Unterkunft winkte mich Gjin in den Garten. Am Ast eines Baumes hing ein Schaf, dem er gerade das Fell über die Ohren gezogen hatte. Besuch aus Skhodёr war eingetroffen. Die Tochter mit Ehemann, sein Jüngster sowie ein Freund der Familie. Da musste natürlich etwas gescheites auf den Tisch und auch ich profitierte davon. Während das mittlerweile gepfählte Schaf am Herdfeuer schmorte, versuchte der Schwiegersohn sich mit mir auf italienisch zu unterhalten, da er in Italien arbeitete. Immerhin konnte die Tochter etwas englisch und übersetzte das Gesagte dann ins Albanische, eine multilinguale Konversation also.
          Lek führt im Sommer Touristen durch die Berge und bot mir an, mich morgen bis Valbona mit einem Packpferd zu begleiten. Das würde meinen Rucksack tragen und ich könnte leichten Fußes über die Bergpfade schweben, verlockend!
          20 Euro kostete dieser Service normalerweise, Lek wollte jedoch 30 Euro. Er begründete den höheren Preis damit, dass in den Bergen noch Schnee lag und dieser dem Pferd Probleme bereiten könnte. Diese Argumentation verstand ich nicht. Entweder es liegt Schnee, dann kann das Pferd auch für 30 Euro nicht weiter laufen, oder es liegt kein Schnee, dann rechtfertigt sich nicht der höhere Preis. Wir einigten uns auf 25 Euro. Immerhin dient ja der POB auch dazu, die Bergbewohner zu unterstützen und außerdem war ich ein fauler Sack.


          Am Morgen


          Kulla in Theth


          Willkommen


          Kadare lässt grüßen


          Grunas-Canyon


          Grunas-Wasserfall


          Traumhaus


          Rückweg


          Fleischeslust


          Festmahl zum Familientreffen
          Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:01.

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          • codenascher

            Alter Hase
            • 30.06.2009
            • 4977
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            #6
            AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

            Hallo Falk,

            Ganz toller Bericht bisher, freue mich weiterhin auf die Fortsetzung!

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            • Cewhren
              Gerne im Forum
              • 06.12.2013
              • 93
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              #7
              AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

              Wunderschöne Fotos von einer wunderschönen Gegend. Allerdings erscheint mir die Ernährung (auch in anderen Berichten aus der Region) ganz schön FLEISCHLASTIG ! Kann man dort als Vegetarier überleben?

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              • codenascher

                Alter Hase
                • 30.06.2009
                • 4977
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                Zitat von Cewhren Beitrag anzeigen
                Kann man dort als Vegetarier überleben?
                Ich glaube nicht

                Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

                meine Weltkarte

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                • peter-hoehle
                  Lebt im Forum
                  • 18.01.2008
                  • 5175
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                  Zitat von codenascher Beitrag anzeigen
                  Ich glaube nicht
                  So wie in Argentinien.
                  Freu mich schon auf die Fortsetzung des Berichtes aus einer nicht so oft begangenen Gegend.

                  Gruß Peter
                  Wir reis(t)en um die Welt, und verleb(t)en unser Geld.
                  Wer sich auf Patagonien einlässt, muss mit Allem rechnen, auch mit dem Schönsten.

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                  • Baciu
                    Dauerbesucher
                    • 18.07.2013
                    • 967
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                    Zitat von Cewhren Beitrag anzeigen
                    Kann man dort als Vegetarier überleben?
                    Na ja, is sicher nicht einfach. Ob's in Restaurants auch Vegetarisches gab, kann ich nicht sagen. Hat mich halt nicht interessiert. Aber immerhin, die Verpflegung in Dobёrdol und Drelaj war rein vegetarisch - und reichlich!

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                    • Baciu
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                      • 18.07.2013
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                      #11
                      AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                      Etappe 3: Theth – Valbona

                      Ich zahlte meine Unterkunft. 40 Euro für Bett und Essen und 20 Euro für Getränke. Man war ich versoffen!
                      Lek sattelte das Pferd, derweil stellte ich mit Schrecken fest, dass meine beiden Kamera-Akkus leer waren. Ich stöpselte einen noch für 'ne viertel Stunde an die Steckdose, um wenigstens über den Tag zu kommen.
                      Dann ging es los. Jetzt fühlte ich mich wie in Ladakh, Wellness-Trekking mit Horseman. Der Weg führte ein Stück zurück in die Richtung, aus der ich vorgestern kam. Eine Gruppe Wanderer lief hinter uns. Ihren Rucksäcken nach zu urteilen, machten sie eine Tagestour. Bald erreichten wir den Abzweig nach Valbona, ein Wegweiser zeigte die Richtung an. Lek und Pferd sah ich in der Regel nur von hinten, trotz Gewichtsentlastung (etwa 25 kg) hatte ich Mühe den Beiden zu folgen und gab es bald ganz auf. Früher musste ich auf andere warten, heute warten andere auf mich – beginnende Verfallserscheinung.
                      Aus meinem Wanderführer wusste ich, dass es auf dieser Etappe eine Waldkneipe gibt. Was ich nicht wusste, ob diese jetzt Ende Mai schon geöffnet hatte. Als ich Musik durch den Wald vernahm war alles klar. In einem Holzbottich lagerte quellwassergekühltes Tirana-Bier – 2,50 Euro die Büchse. Der POB dient u.a. zur Unterstützung der lokalen Bergbewohner, also tat ich das auch! Der Wirt war gerade dabei seine Lautsprecheranlage zu installieren. Wir waren die einzigen Gäste so früh am Morgen.
                      Der Weg bis in den Qafa e Valbonёs (Valbonapass) ließ sich jetzt deutlich leichtfüßiger Laufen. Tief unter uns verlief das Valbonatal von beiden Seiten durch hohe Berge flankiert, ein phantastischer Anblick. Doch ein Stück hinter dem Pass erwartete uns eine Überraschung. Der schmale Pfad verschwand unter senkrechten Felswänden in einem steilen Schneefeld. „Für Menschen machbar, für Pferde nicht“ so Leks Kommentar. Hier endete also mein Pferdetrekking!
                      Das Schneefeld endete auch talwärts an einer felsdurchsetzten Bergflanke – rutschen verboten! Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schaute ich mir die Sache näher an. Derweil schnallte Lek meinen Rucksack vom Pferderücken, schulterte ihn und balancierte schon über den Schnee, von einer Seite auf die andere schwankend. Blöderweise waren meine Steigeisen im Rucksack, die ich für solche Fälle sicherheitshalber eingesteckt hatte. Mir blieb nun nichts weiter übrig, als ihnen zu folgen.
                      Auf einer Dachsteintour hatte mir mal jemand gesagt, so etwas wäre nicht gefährlich – so als psychologische Stütze. Und es klappte damals. Also los! Der Schnee war fest und es ließen sich gute Tritte schlagen, auf denen ich sicher stehen konnte. Konzentriert hackte ich mich durch den Schnee und stand auch bald auf der anderen Seite. Wir verabschiedeten uns. Lek lief mit seinem Pferdchen zurück nach Theth ich begann meinen Abstieg nach Valbona. Ein paar Schneefelder stellten sich mir noch in den Weg aber ein Problem stellten sie nicht mehr dar.
                      An der Waldgrenze bewegten sich zwei Punkte auf mich zu. Die Punkte trugen Rucksäcke und nahmen langsam Gestalt an, Tageswanderer aus Deutschland. Das Pärchen wollte hoch zum Valbonapass. Ich klärte sie über die Schneesituation auf. Die Frau ließ bei dem Wort Schnee keine Begeisterung aufkommen. Vom Mann erfuhr ich, dass die zweite Waldkneipe, die mein Wanderführer erwähnte nicht mehr existierte und in Valbona gäbe es eine Touristeninformation mit deutsch sprechendem Personal. Auch sei der Weg unten im Tal schlecht markiert. Nun gut, das kannte ich ja schon.
                      Die Waldkneipe fristete in der Tat ein tristes Dasein, das Haus war halb verfallen. Hatte sich wohl nicht rentiert? Dafür gab es auf einer Weide am Ortsrand von Rragami eine Neue. Leere Bierbüchsen, aufgefädelt an einer Schnur, zierten die Einkehr. Der Hirte war eben dabei seinen Zaun auszubessern, sein Sohnemann half ihm dabei. Ich unterstützte wieder die lokalen Bergbewohner und der Sohn zeigte mir den Weg hinunter nach Valbona.
                      Über kreideweißes Geröll erreichte ich schließlich die Asphaltstraße am Hotel Fusha e Gjese. Die Touristeninformation befindet sich in einem anderen Hotel vor dem jede Menge Autos mit Blaulicht parkten. Polizisten standen mit Funk am Straßenrand und Kellner jonglierten voll beladene Tabletts mit Speisen durch den Hoteleingang. Irgendjemand Wichtiges schien mal Bergluft schnuppern zu wollen. Wie ich später erfuhr dinierte hier gerade ein Minister der albanischen Regierung. Für die Fragen eines Rucksacktouristen hatte da natürlich niemand Zeit!
                      Eine Radlerin mit bayrischem Dialekt erzählte mir, dass es mit Unterkünften an diesem Wochenende schlecht sei. Diese Info hatte sie von einer Amerikanerin, die sich weiter unten im Tal als Hotelbesitzerin eine Existenz aufgebaut hatte.
                      Also wenn ich alles glaubte... Immerhin war ich in Albanien und ich brauchte Strom! Wie regelte das gleich nochmal der Kanun? Das Haus des Albaners gehört Gott und dem Gast!
                      Ich betrat das nächste Gästehaus und fragte nach einer Unterkunft. „We are busy at the moment“ war die Antwort. Das Gästehaus war belegt, doch der Mann bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir querten die Straße zum Wohnhaus der Familie und ich bekam ein Quartier im ersten Stock im privaten Gästezimmer. Na was sag ich.
                      Während meine Akkus am Netz hingen, spazierte ich noch ein wenig durch das Tal. Valbona ist eigentlich keine richtige Ortschaft, das ganze Tal trägt diesen Namen. Ein Auto hielt und der Mann fragte mich etwas, seine Beifahrerin übersetzte. Sie suchten ein Restaurant. Ich empfahl ihnen natürlich meine Pension. Die Dame amüsierte sich danach köstlich, dass ein deutscher Tourist den Albanern den Weg erklärte.
                      Morgen wäre Ҫerem mein Etappenziel, das Problem: der Weg folgt einer rumpeligen Schotterstraße. Der Juniorchef könnte mir einen Fahrer organisieren. Aufgrund der schlechten Straße würde die Fahrt 35 Euro kosten. Egal, ich laufe nicht!


                      Horsetrekking in Albanien


                      Ja!


                      Waldkneipe


                      Zum Qafa e Valbonёs (Valbonapass)


                      Im Pass


                      Saumpfad


                      Rragami


                      Valbonatal


                      Bachbett


                      Gute Radlstraße


                      Pension Natyra
                      Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:03.

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                        #12
                        AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                        Danke fürs Mitschleppen deiner ODS - Kibitze. Schöner Bericht von tollen BildErlebnissen.
                        Habe endlich eine Ausrede gefunden, weshalb ich noch nicht dort war. GPS fehlt mir.

                        Welchen Maßstab hatten denn deine Karten 1:50 000?
                        Einige Fotos mit deiner Person scheinen keine Selfis zu sein. War das der Reserve- Partner?
                        (Ums mal so zusagen, würde ich sicher nicht noch mal zurückgehen mit dem Gepäck auf den Schultern, da wäre mein Selbsterhaltungstrieb denn doch zu groß..
                        Wieviel Schlepperei tust du dir Fotomäßig denn an? So eine kleine Leichte oder etwas Kompakteres ähnlich der Zenit, um auch mal Stufen ins Eis schlagen zu können?

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                        • Baciu
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                          #13
                          AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                          Schleppe doch gern mit Ja ohne GPS is schwierig, wäre bestimmt manchmal nicht dort rausgekommen, wo ich wollte. Die Karte hatte 1:60000.

                          Sind alles Selfies, wirklich alle. Wollte ja niemand mit

                          Ja hab da was kleineres in der Fototasche. DSLR ist mir zu schwer geworden, bin halt alt Trotzdem noch immer 3,4 kg mit Stativ und 2 Objektiven.

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                          • Baciu
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                            #14
                            AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                            Etappe 4: Valbona – Ҫerem – Dobёrdol

                            Der Fahrer wartete schon am Morgen mit seinem Kleinbus am Straßenrand. Ich war nicht der Einzige, der nach Ҫerem wollte, durfte aber als Unterstützer der lokalen Bergbewohner in der ersten Reihe sitzen. Nach einer Stunde erreichte ich Ҫerem, gut durchgeschüttelt. Es war 9 Uhr, die Sonne schien und ich folgte der Fahrstraße bergauf. Eine Markierung konnte ich nirgends entdecken, doch laut Dorfbewohner lief ich richtig. Mein heutiges Ziel hieß Dobёrdol.
                            Die Fahrstraße war nicht mehr wirklich befahrbar und fehlte an einer Stelle komplett. Nach reichlich 3,5 km mündete rechterhand auch der Wanderweg auf die Straße. Das rote Band und unzählige Krokusse am Wegesrand führten mich zu einer Hirtensiedlung. Die meisten Häuschen standen noch leer, vor einem trocknete ein Opa Schlüsselblumen in der Sonne.
                            Ich war stolz auf mich selbst, schon in so kurzer Zeit Balqin erreicht zu haben. Bis Dobёrdol konnte es nicht mehr weit sein. Die letzte Markierung hatte ich am Dorfeingang gesehen. An einer Weggabelung schaute ich zur Sicherheit auf mein GPS – die violette Linie des Tracks war verschwunden! Es handelte sich nicht nur um ein paar Meter, ich befand mich gerade richtig neben der Spur. Das Dorf war nicht Balqin. Das war nun die Folge davon, wenn man für mehrere Wanderwege die gleiche Markierung benutzt! Ich hatte mich zum ersten Mal verlaufen, nicht weil es zu wenig Markierungen gab, sondern zu viele.
                            Ärgerlich folgte ich in Richtung des POB, teils auf Fahrwegen, teils querfeldein. Dieser über 8 km lange Umweg kostete mich richtig Zeit.
                            Ab jetzt viel mein Blick häufiger auf das GPS. Der Weg führte nun größtenteils durch Wald, Schneereste ärgerten mich beim Laufen. Nach einer halben Stunde erreichte ich nun wirklich das Hirtendorf Balqin. Alle Häuser waren noch verlassen. Ich machte ein Foto und lief weiter. Mein Tagesziel konnte ich schon sehen am Horizont.
                            Noch einmal lief ich im Kreis, weil die Route auf meinem Gerät nicht mit dem markierten Weg übereinstimmte. Ich hatte es zum Glück rechtzeitig bemerkt. Bis Dobёrdol gab es dann keine Probleme mehr.
                            Ich war nun schon 4 Tage auf dem POB und brauchte noch nie zelten, geschweige denn meinen Kocher anwerfen. Heute, so war ich überzeugt, würde sich das ändern. Für die Wanderung auf dem POB hatte ich Verpflegung für 10 Tage im Rucksack. Meine Informationen, die ich übers Internet erhielt besagten, dass ich zu dieser Zeit keine Möglichkeit haben werde mich in den Bergen verpflegen zu können.
                            Die Realität sah anders aus. Zwei Hirten begrüßten mich und zeigten auf ein Hüttchen am Hang – „Hotel“. Ich hielt auf das „Hotel“ zu. Vor der Hirtenhütte arbeiteten zwei Männer, dem Alter nach Vater und Sohn, auf einem Stück Acker. Sie steckten Kartoffeln. Der Junge begrüßte mich. In internationaler Zeichensprache gab ich ihm zu verstehen, dass ich eine Übernachtung suchte. Mittlerweile war auch der Vater da und schüttelte mir die Hand, ich sollte mitkommen. Die Hütte war in zwei Räume unterteilt. Im Hauptraum stand ein Ofen, ein Tisch und zwei Betten, an den Wänden Regale. Das Nebenzimmer diente als reines Schlafzimmer mit Matratzenlager. Für mich gab es das Bett in der guten Stube. Mit Kaffee, Keksen und Bonbons verköstigt hockte ich vor dem Haus und schrieb meine Erlebnisse auf. Die Beiden widmeten sich derweil wieder ihrer Arbeit auf dem Acker.
                            Erst als auch die letzten Sonnenstrahlen die Berggipfel verlassen hatten, wurde die Feldarbeit beendet. Es war Zeit fürs Abendessen. Das Haus hatte sich mittlerweile gefüllt, auch die beiden Hirten, die mir unten das „Hotel“ gezeigt hatten, hockten nun vor dem geheizten Bollerofen. Eine solarbetriebene Lampe sorgte für den nötigen Durchblick.
                            Der Oberhirte (Baciu) kümmerte sich um das Abendessen. In einem Topf mit Öl brutzelten Pommes vor sich hin. Dazu gab es Gurken-Tomatensalat mit Schafskäse und Brot. Zum Dessert in der Backröhre gebratene Kartoffeln und einen Kaffee. Die Hirten waren alle verwandt miteinander und lebten nicht in Albanien sondern in Montenegro, wie ich erfuhr. Hier in den Bergen trafen sie Vorbereitungen, bis die Schafherden nachkommen würden.
                            Kurz vor Mitternacht war dann Nachtruhe angesagt. Die Bettdecke erdrückte mich zwar fast, aber sie wärmte und das Licht ließ sich aus irgendeinem Grund nicht ausschalten. Trotzdem schlief ich bald ein.


                            Ҫerem


                            Kollata-Massiv


                            Aufstieg


                            Hirtendorf unbekannt


                            Balqin


                            Balqin


                            Hotel Dobёrdol


                            Dobёrdol


                            Dobёrdol


                            Dobёrdol


                            Dobёrdol
                            Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:04.

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                              #15
                              AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                              Etappe 5: Dobёrdol – Milishevc

                              Das Frühstück würde bei mir den ganzen Tag anhalten. Vor mir auf dem Tisch türmten sich eine Schüssel mit Nudeln und Schafskäse dazu Tomaten und eine Stapel Brotscheiben. Pappsatt versuchte ich endlich meinen Weg fortzusetzen. Aber nicht ohne Lunchpaket! Drei dicke in Öl gebratene Sandwiches belegt mit Tomaten- und Gurkenscheiben, Käse und gebratenem Paprika. Der Stapel war so groß, dass ich alles draußen an den Rucksack binden musste. Und ich Idiot nahm Essen für 10 Tage mit!
                              Endlich war es soweit, ich verabschiedete mich von meinen Gastgebern, die Sonne stand schon hoch am Himmel. Der Oberhirte begleitete mich noch ein Stück bis zum Bach zu einer Naturbrücke, so dass ich nicht durchs Wasser musste. Er zeigte mir den Aufstieg in Richtung Roshkodol, dann stapfte ein schwerbepacktes Etwas den Berg hinauf.
                              Auf dem Kamm verlief die Grenze zu Montenegro, die Markierung war wieder einmal verschwunden, Schneefelder leuchteten im Licht der Morgensonne, dort wo mein GPS den Weg anzeigte. Heute würde ich Albanien verlassen und Europas jüngste und umstrittenste Republik erreichen – den oder das Kosovo.
                              Ich war 3 Tage zu früh, mein Permit erlaubte mir den Grenzübertritt am 3. Juni heute war der 31. Mai – Schicksal! Doch erst einmal übertrat ich die Grenze zu Montenegro, um über den Schnee balancierend wieder auf meinen Wanderweg zu gelangen.
                              Nach einer Kurve entdeckte ich ihn, bis ihn das nächste Schneefeld wieder verschluckte. Da es recht steil und groß war, zog ich diesmal meine Steigeisen an. Ich fühlte mich sicherer. Der Schnee war nicht das Problem, aber manchmal verbarg sich unter solchen Schneefeldern Blankeis, dann wäre es nicht mehr lustig!
                              Das nächste Wegstück lief sich sehr angenehm es führte schnurgerade über den Gebirgskamm, links Montenegro, rechts Kosovo.
                              Kurz vor dem Roshkodol-Pass kämpfte ich mit meinen Sandwiches, dann ging es hinauf in den Pass. Es nieselte leicht als ich den Abstieg begann. Dem Pfad folgend merkte ich nur durch einen zufälligen Blick auf mein GPS, dass ich schon wieder falsch lief. Ich durfte nicht dem Saumweg folgen, sondern musste hinunter ins Tal. Teils über Schneefelder, teils querfeldein absteigend, entdeckte ich auch bald wieder die ersten schwach schimmernden Markierungen. Jetzt ein weißes Band auf rotem Grund. Mein Wanderführerautor unterlag an dieser Stelle einem Irrtum.
                              Dort steht auf Seite 96: „Die Karte des Huber-Verlags weist an dieser Stelle für Hin- und Rückweg zwei scheinbar verschiedene, parallel zueinander verlaufende Wege aus. Nach mehrmaligem Durchwandern dieses Wegabschnitts ist der Autor dieses Buches zu der Überzeugung gelangt, dass es hier tatsächlich nur den einen Weg gibt, der auf dem Hinweg in nördlicher und auf dem Rückweg in südlicher Richtung gegangen wird.“
                              Das stimmt nicht! Die Karte zeigt die Wege richtig an. Nur ist der Abstieg ins Tal so beschissen markiert, dass es keine Kunst ist, da auch mehrmals dran vorbeizulaufen. Die Karte ist aber aus einem anderen Grund Mist. Mit einem Maßstab von 1:60000 ist sie viel zu ungenau. Für einen Weg wie den POB, wo es auch öfters mal querfeldein geht, sollte der Maßstab 1:25000 betragen.
                              Ab dem Dorf Roshkodol folgte ich dem POB nur noch auf Fahrstraßen. Das Hirtendorf Bjeshka e Zllonopojes sah aus, als ob eine Bombe eingeschlagen wäre. Ein Großteil der Häuser waren zertrümmert, überall lagen Holzbalken und Bretter herum. Eine Bombe war das nicht, sondern das Werk einer Lawine. „Katastrophe“ sagte einer der Hirten und zeigte auf den Hang gegenüber, wo sich der Schnee gelöst hatte.
                              Bis Milishevc war es nun nicht mehr weit. Der Tag endete für mich mit einer Premiere, ich baute zum ersten Mal mein Zelt auf! Abendessen kochte ich jedoch nicht, mir lagen noch die ölgetränkten Sandwiches im Magen.


                              Baciule


                              Mittagspause


                              Im Kosovo


                              Lawinenschaden


                              Zeltpremiere
                              Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:05.

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                                #16
                                AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                                da hat es sich ja gelohnt, fast alles sozusagen auf einen Rutsch zu lesen, wobei ich natürlich hoffe, dass da noch sehr viel kommt.

                                Mit dem ganzen Fleischgedöns hätte ich aber ehrlich gesagt auch Probleme. Ich bin zwar keine Vegetarierin, esse aber höchtens 1-2 mal im Monat Fleisch oder Wurst. aber wenn man genau liest, gibt es ja auch vieles, was man eben ohne Fleisch essen kann.

                                Bin gespannt, wie es weitergeht.
                                Two roads diverged in a wood, and I—
                                I took the one less traveled by,
                                And that has made all the difference (Robert Frost)

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                                  #17
                                  AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                                  Etappe 6: Milishevc – Rugovatal – Pejё

                                  Das Rauschen des Wassers neben meinem Zelt tat richtig gut. Ausgeschlafen und entspannt erklomm ich wieder die Höhen des Balkans. Der Aufstieg erfolgte meist weglos, ohne Markierungen. Erst oben auf einem Hochplateau leuchteten mir wieder die weiß-rot-weißen Markierungen entgegen.
                                  Die Landschaft gefiel mir, Schneefelder wechselten mit Wiesen ab auf denen Krokusse blühten. Zwischen Felsbrocken verschwand eine Schlange. War es eine Karst- oder Kreuzotter? Ich konnte es nicht genau sagen. Es ging weiter über Weiden, an dem Bergsee Pusi i Magareve vorbei, bis zum Beginn des Abstiegs ins Rugovatal. Dieser Abstieg war mit Sicherheit einer der Beschissensten, die ich je auf Bergwanderungen erleben durfte. Den steilen gerölldurchsetzten Anfang ertrug ich ja noch, aber danach ewig langen, schnurgerade verlaufenden Rückewegen zu folgen, um schließlich auf einen völlig verwilderten, kaum noch zu begehenden Serpentinenpfad zu stoßen, war schon heftig. So was als Wanderweg zu bezeichnen empfand ich als Frechheit. Durch ein kleines Holztürchen (Höllentor) gelangte ich endlich nach insgesamt 7 Stunden am Rugova-Camp-Hotel auf die Straße. Mein Wanderführer gibt für die Gesamte Etappe, bis Rёke e Allagёs 6 Stunden an. Blödsinn, kann ich da nur sagen!
                                  Für mich endete die heutige Wanderetappe im Rugovatal. Ich stellte mich an den Straßenrand, hielt den Daumen raus und gleich das erste Auto hielt – der Werbung nach ein Unternehmer aus der Baubranche. So etwas hatte ich auch schon lang nicht mehr erlebt. Leider klappte die Verständigung nur mit Hilfe von Zeichensprache. Dafür ging es durch eine Traumschlucht. Schroffe Felswände, ein Wasserfall und tief unten der Bistrica-Fluss (Lumbardh i Pejёs). Mitten im Zentrum von Pejё ließ mich der Typ raus.
                                  Erst einmal brauchte ich ein Dach überm Kopf. Mein erster Gang führte mich folglich zur Touristeninfo. Die hatte geschlossen, hätte aber auf sein müssen. Laut einem Hinweisschild an einer Einmündung, sollte sich in der Nebenstraße eine zweite Info befinden. Dem war nicht so. Dafür empfahl mir ein Mann das Hotel Ҫardak. „Fünfzig Meter, dann links.“
                                  Der Hotelchef hob sich zwar fast einen Bruch, wollte aber unbedingt meinen Rucksack tragen, um zu sehen wie schwer der war. Ich bekam ein Zimmer für 30 Euro mit Frühstück im obersten Stock. Endlich konnte ich wieder etwas mehr für meine Hygiene tun.


                                  Milishevc


                                  Endlich!


                                  Slow down!


                                  Höllentor


                                  Pejё


                                  Pejё oder Peć ist ein nettes Städtchen. Cafés und Frisöre dominieren das Stadtbild, einen normalen Lebensmittelladen musste ich dagegen schon suchen. Das größte Problem bestand allerdings darin eine Möglichkeit zu finden, meine E-Mails abzurufen. Das Schicksal von Internetcafés im i-Zeitalter der Smartphones schien endgültig besiegelt. Der Mann in der Touristeninformation, die heute tatsächlich auf hatte, sagte mit einem etwas ratlosen Blick nur „may be“, als ich nach einem Internetcafé fragte.
                                  Dafür hatte der Chef vom Ҫardak eine Idee. Um die Ecke gibt es einen Copy-shop, da sollte ich mal fragen. Ich fragte und es klappte.
                                  Einem Stadtbummel stand nun nichts mehr im Wege. Auf dem alten Basar wurde alles Mögliche feil geboten, meist Klamotten. Von folkloristischer albanischer Kleidung bis hin zu Spiderman-Kostümen. Ich ärgerte mich über die Stromleitungen vor der Moschee. Es ließ sich kein gescheites Foto machen. Auf den Straßen patrouillierten KFOR-Fahrzeuge mit italienischer Flagge.
                                  Trotzdem, der Hotelchef versicherte mir die Sicherheit im Kosovo. „Berlin und London sind gefährlicher“, so sein Kommentar.
                                  Mich trieb nicht nur die Neugier nach Pejё, ich wollte hier jemanden treffen. Einen Freund von Jana, einer Bekannten aus Freiburg. Sie war im letzten Jahr im Kosovo und legte mir ans Herz, mich unbedingt mit dem Bergführer zu treffen, mit dem sie die Klettersteige im Rugovatal gegangen war. Nur, wie hieß der Mann? Der Zettel mit seinem Namen lag daheim in Deutschland und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern.
                                  Auch hier wusste der Hotelchef Rat. „So viele gibt es hier nicht“ sagte er. Ein kurzes Telefonat, ich sollte warten. Nach einer Weile erschien ein untersetzter aber kräftiger Typ mit halblangen Haaren und stellte sich als Fatos Lasqi vor. Fatos arbeitet zwar bei der Bergrettung, war aber nicht der Gesuchte. Doch als ich von Klettersteigen erzählte, war er sofort im Bilde, telefonierte kurz und sagte: „Nol ist noch am Klettersteig und in 2 Stunden hier.“ Das war er! Nol, jetzt dämmerte es auch wieder bei mir.
                                  Nol schien immer sehr beschäftigt, ständig klingelte sein Handy. Wir saßen vor einer der vielen Imbissbuden und ich trank Boza, ein türkisches Hirsebier. Auch Nol war die Problematik der schlechten Wegmarkierung des POB bekannt, besonders unterhalb des Roshkodol-Passes und auch er hätte Steigeisen am Valbonapass-Schneefeld empfohlen. Viel Arbeit und wenig Leute sind ein Problem. Vermutlich ist das Führen einer Gruppe über den Klettersteig im Rugovatal auch einträglicher, als mit Pinsel und Farbe weiß-rot-weiße Streifen auf Steine am Roshkodol-Pass zu malen.
                                  Dann erklärte mir Nol, wie ich morgen wieder ins Rugovatal kommen würde, um meine Wanderung fortzusetzen. Mit dem Taxi bis zur Patrikana fahren, ein bedeutendes Serbisches Kloster. Kurz nach sieben würde dann ein Bus fahren. An der Haltestelle Cooperativa müsste ich aussteigen. Blöderweise hatte ich schon ein Taxi bestellt und so früh wollte ich auch nicht los.
                                  Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:06.

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                                    #18
                                    AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                                    Etappe 7: Pejё – Rugovatal – Drelaj

                                    Pünktlich um 8:30 Uhr ging es mit dem Taxi zurück ins Rugovatal. „Mercedes – gut!“ lobte Kujtim, der Fahrer, seinen Wagen mit dem Stern. „25 Jahre nur Mercedes!“ Okay er war zufrieden, ich nicht. Ich hatte gestern als Fahrtziel das Rugova-Camp-Hotel angegeben. Bis zum Abzweig nach Rёke e Allagёs waren es aber noch 2 bis 3 km auf der Straße. Das Stück konnte ich mich auch noch fahren lassen. „Kein Problem“ sagte der Fahrer, holte einen Zettel raus und rechnete. Bis zum Hotel kostete es 13 Euro, bis zum Abzweig wollte er 20 Euro. Sieben Euro fand ich ein bisschen viel für die paar Kilometer. Nur auf das Gelatsche über den Asphalt hatte ich auch keine Lust, also soll er das Geld bekommen, auch wenn der Typ nicht zu den lokalen Bergbewohnern gehörte.
                                    Um das Asphaltgelatsche kam ich am Ende doch nicht herum, da auch die ersten 1,5 Kilometer nach Rёke e Allagёs asphaltiert waren. Nach einem Kilometer zweigt ein Pfad nach links ab, zu einem hübschen Wasserfall. Der GPS-Track stimmte hier überhaupt nicht mehr aber egal, verlaufen konnte ich mich nicht.
                                    Ab dem Weiler Lagjja e Kaprovje hatte ich plötzlich einen Begleiter. Eine schwarze Promenadenmischung lief mit wedelndem Schwanz mir ständig zwischen den Beinen herum. Am Gästehaus Ariu, dass ich nach knapp 2 Stunden erreichte, wäre die Etappe zu Ende gewesen, wenn ich sie von Milishevc aus gelaufen wäre.
                                    Ab jetzt wurde es wieder abenteuerlich, eine Markierung konnte ich nirgends ausmachen. Mein GPS wollte auch nicht so wie ich. Schaute ich mir den Weg auf dem Display an, sprang die Route hin und her, keine Möglichkeit sich gescheit zu orientieren.
                                    Irgendwie klappte es dann wieder. Der Wald lag hinter mir und auf den Wiesen begegnete ich den ersten Schafherden auf der Wanderung und dem ersten Šarplaninac, einem Herdenschutzhund in den Bergen des Balkans. Der Kopf ging hoch, wir wurden anvisiert und ein kurzes Bellen schien zu sagen, hier habt ihr nichts zu suchen. Ganz im Gegenteil zu mir zeigte die Promenadenmischung keinerlei Respekt, beide Hunde beschnupperten sich erst einmal. Ich wartete bis der Hirte sich zu seinem Wächter gesellte. Der Hund reichte mir locker bis zur Hüfte. Da weder ich, noch die Promenadenmischung eine Gefahr für die Herde darstellten, kümmerte er sich nicht mehr weiter um uns.
                                    Auf Fahrstraßen ging es abwärts über das Dorf Pepaj nach Drelaj. Zu spät merkte ich es, aber die Sonne hatte mir kräftig Nacken und Arme gerötet, trotz 50+. In Drelaj gab es ein Gästehaus der Familie Shala – das Gästehaus Shqiponja. Wegweiser zeigten schon im Ort die Richtung an.
                                    Im Haus empfingen mich vier Damen zwischen 3 und 70. Im Wohnzimmer musste ich mich an den Tisch setzen und bekam Schnaps, Kaffee, Milch mit Schlabberhaut und Kräutertee. Die Omi freute sich immer besonders, wenn ich lobende Worte über jedes Getränk äußerte.
                                    Auch das kosovarische Abendessen konnte sich sehen lassen: gegrillte Paprika in Sahne, Gurken, Tomaten, Schafskäse, Quark, Joghurt, Brot bedeckten fast den ganzen Tisch. Zum Nachtisch Kuchen und wieder den leckeren Kräutertee.


                                    Wasserfall auf dem Weg nach Rёke e Allagёs


                                    Rёke e Allagёs


                                    Schwarzwaldlandschaft


                                    Promenadenmischung trifft Hund


                                    Pepaj


                                    Kämpfer


                                    Luxuspause


                                    Moschee in Drelaj
                                    Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:06.

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                                      #19
                                      AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                                      Etappe 8: Drelaj – Guri-i-Kuq-Hotel

                                      Mit dem Frühstück konnte ich mir Zeit lassen, heute würde ich nicht so lang laufen. Nach dem Essen bestätigte ich der Omi wieder, dass alles bestens war. Als ich ihr dann noch ein Pärchen gehäkelte Dekosöckchen für 2 Euro abkaufte, war ich ihr Liebling. Sie knuddelte mich zum Abschied, die Töchter gaben mir nur die Hand.
                                      Mit einem Lunchpaket am Rucksack folgte ich der Fahrstraße dem Bachtal entlang in Richtung Dugaive. Die Sonne brannte mir wieder unbarmherzig auf die Glatze. In Dugaive entdeckte ich zwar nur ein Schloss, mein Wanderführer erwähnte zwei. Hm, vielleicht geschleift? Oder ein Glas Rakja zu wenig getrunken heute morgen.
                                      Der Abstieg nach Kuҫishtё enthielt die gleiche Gemeinheit, wie damals der Weg von Ҫerem nach Dobёrdol – zwei Wege mit identischer Markierung. Doch der Wanderführer wies darauf hin. Am Ortsrand lümmelten zwei Bauarbeiter am Straßenrand. „Sprichst du deutsch?“ fragte mich der Ältere. „Ja, ganz gut sogar.“ antwortete ich. Während des Kosovo-Krieges lebte er in Deutschland, hatte in Backnang gearbeitet. „Warum läufst du allein? Brauchst 'ne Frau, kannste Sex haben. Eine Albanerin, unbedingt!“
                                      Mit solch wertvollen Tipps versorgt, ging ich das letzte Wegstück an. Zum Hotel Guri-i-Kuq wand sich eine nichtasphaltierte Fahrstraße in Serpentinen den Berg hinauf.
                                      Guri-i-Kuq ist wie Urlaub auf dem Bauernhof, Kühe und Schafe grasten auf der Wiese vor dem Hotelrestaurant. Hinter der Anlage verrottete der Müll im Wald. Drinnen war nicht viel los. Ich setzt mich an einen Tisch gegenüber dem Tresen und bestellte ein Bier. Ein Typ hockte sich zu mir an den Tisch und sagte: „Ich komme aus Freiburg“. Ich grinste ihn an und antwortete: „Ich auch“.
                                      Genau genommen wohnte er in Gutach-Bleibach im Elztal und besuchte jedes Jahr um die Zeit seine Heimat – zum Radfahren. Als Projektleiter hatte er die Hotelanlage mit aufgebaut, erfuhr ich. Hier können die Gäste in kleinen Holzbungalows übernachten. Für 15 Euro werde ich das auch tun.
                                      Der Mann schien sich hier gut auszukennen, war schon auf einigen der umliegenden Gipfel. „Die Zustiege sind ohne Führer schwer zu finden.“ Das glaubte ich sofort. Im Kosovokrieg sollen hier im Winter 98/99 viele Kosovo-Albaner über die Berge nach Albanien geflohen sein.
                                      Der Schwarzwald-Kosovare gab mir noch den Tipp, wenn ich ans Meer will, soll ich nach Ulcinj fahren. „Ein Sandstrand wie an der Copacabana.“ Er staunte, dass ich mit dem Zug angereist war. „Über die Schweiz? Also wenn du in Zürich bist, biste ja wieder in Europa!“ Doch erstmal musste ich den POB gescheit zu Ende bringen, zwei Etappen warteten noch.


                                      Kuҫishtё


                                      Kuҫishtё


                                      Hotel Guri-i-Kuq


                                      Hotel Guri-i-Kuq


                                      Feierabend
                                      Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:07.

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                                        #20
                                        AW: [MNE, AL, RKS, RS] Von den Prokletije in die Karpaten des Balkans

                                        Etappe 9: Guri-i-Kuq-Hotel – Babino polje

                                        Ein Gewitter mit Starkregen ging in der Nacht über Guri-i-Kuq nieder. Morgendunst hing noch zwischen den Bäumen als ich wieder bergauf stapfte. Es lag noch immer eine Gewitterstimmung in der Luft. Ich hoffte zeitig genug wieder unten im Tal zu sein. Der Weg führte vorbei an den beiden Bergseen Liqeni i Kuҫishtёs und Liqeni Vogёl zum Jelenkapass. Bis zu den Seen war der Weg gut markiert, danach gab's wieder mal Lücken im Konzept und ich war froh mein GPS dabeizuhaben.
                                        Unstimmigkeiten erwarteten mich am Aufstieg zum Jelenkapass. Der markierte Weg stimmte nicht mit meinem GPS-Track überein. Ich entschied mich, den Markierungen zu folgen und erreichte auch problemlos den Pass.
                                        Ein kalter Wind pfiff mir um die Ohren und ich sah zu, dass ich weiter kam. Der Weg folgte jetzt einem Bergkamm und es lief sich angenehm. Ab und zu zeigte sich die Sonne aber es war nicht so heiß wie an den letzten beiden Tagen. Am Horizont sah ich den Roshkodolpass und unter mir das Tal in dem ich vor 5 Tagen entlangspazierte. An einem kleinen etwas zugewachsenen See holte ich meine Nuss-Frucht-Mischung aus dem Rucksack und machte Mittagspause.
                                        Bis zum Savoj-Sattel lief es sich nicht mehr so gut. Oft lagen noch Schneereste auf dem Weg, die zusammenbrachen wenn ich drauftrat. Im Sattel angekommen, war es nicht mehr windig – es stürmte. Hinter mir zogen dunkle Wolken auf, schnell runter!
                                        So schnell ging das dann aber doch nicht. Kaum noch Markierungen, das GPS spann herum und es ging meist querfeldein oder besser querfeldab.
                                        Unter mir sah ich eine Person am Berghang stehen. Beim Näherkommen wurde aus der Person ein pfeife-rauchender Hirte mit einem Gewehr über der Schulter. Ich fragte den Mann nach dem Weg hinunter nach Babino polje. Er zeigte in eine Richtung, die mit der Richtung die mir das GPS anzeigte nichts mehr zu tun hatte. Aber egal, weglos war beides. Ich vertraute dem Hirten, tippelte bergab und staunte als auf einem Stein endlich wieder eine Markierung leuchtete.
                                        Doch zu früh gefreut. Ähnlich wie bei dem Abstieg ins Rugovatal schien auch der Weg kaum noch begangen zu sein. In einem Waldstück kämpfte ich mich durchs Unterholz und über umgestürzte Bäume nach unten. Endlich erreichte ich eine Wiese, querte sie und einen Bach und stand schließlich vor einem Wegweiser auf der Fahrstraße in Babino polje. Das ich in Montenegro war, zeigten auch die leeren Bierbüchsen am Straßenrand. Da stand jetzt nicht mehr Birra Peja drauf sondern Jelen oder Nikšičko.
                                        Das erste Donnergrollen drang mir in die Ohren und es dauerte nicht lang da fielen die ersten Regentropfen. Unter dem Dach eines Rohbaus wartete ich bis das Gewitter vorüber war.
                                        Häuser gab es zwar genug aber alle waren entweder noch nicht fertig oder verschlossen. Es sah so aus, als ob ich heute wieder zelten müsste. Direkt neben der Straße wollt ich mein Zelt nicht aufbauen. Ich brauchte etwas Tarnung und Trinkwasser, das Wasser aus dem Bach schien mir ungeeignet. Beides fand ich in der Nähe meines morgigen Startpunktes. Auf einem Grundstück sprudelte Quellwasser aus einem Schlauch und oberhalb der Straße, innerhalb einer Holzhütte, von der nur noch die Seitenwände standen baute ich mein Zelt auf.
                                        Heute kochte ich zum ersten Mal mein Abendessen selber. Während der Kocher summte fuhr doch tatsächlich eine Patrouille der Grenzpolizei vorbei. Ich war einen Tag zu früh dran, doch für die Grenzwächter nicht zu sehen.


                                        Liqeni i Kuҫishtёs


                                        Liqeni Vogёl


                                        Blick vom Jelenkapass


                                        Zum Zavoj-Sattel


                                        Babino polje
                                        Zuletzt geändert von Baciu; 29.07.2016, 09:08.

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