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Wie macht man einen Reisebericht für die ersten 8000 Kilometer (von 14.000)?
Nun, mal sehen.
Die Vorgeschichte
1998 pilgerte ich zu Fuß, ohne Geld und Rucksack 3.000 Kilometer am Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Es war eine Reise, die Spuren hinterließ - und einen stillen Wunsch. 2004 zum katholischen Priester geweiht, bot sich mir nach neun erfüllenden Jahren in einer liechtensteinischen Bergpfarrei die Möglichkeit, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. In einem Sabbatjahr brach ich neuerlich auf, nach Osten diesmal, zu Fuß ins Heilige Land - auf Umwegen. Start war der 1. Mai 2013. Zurück kam ich am 2. August 2014
Die Route - Zusammenfassung
In 15 Monaten durchquerte ich 26 Länder, stapfte durch den Schnee der österreichischen Alpen, stolperte durch die slowakischen Wälder, versank im Schlamm Rumäniens und wanderte durch den Sand der ukrainischen Krim. Ich zitterte im russischen Straßengraben, erkundete die Felsenklöster Georgiens, stand mit einem Hund auf dem höchsten Gipfel Armeniens, kneifte die Augen in einem iranischen Sandsturm zusammen, saß im kurdischen Wohnzimmer auf Polstern, mit jordanischen Beduinen am Lagerfeuer und genoß die absolut geräuschlose Stille der israelischen Negevwüste.
Die Stationen des Hinwegs
[FL]
Das erste Land meiner Reise war im Frühjahrsschnee schnell hinter mir gelassen. Liechtenstein ist eben klein
[AT]
Viel Regen begleitete mich auf dem Weg durch Österreich. Über dieses bekannte Wanderland muss ich nicht viel schreiben.
[DE]
Die Schneelage in den Alpen machte es notwendig manchmal in den Norden auszuweichen. Dafür gab's a Weißbier und a Brezn.
[SK]
In der Slowakei folgte ich meist dem E8. Das Wetter meinte es die ersten Wochen auch hier nicht sehr gut. Man erinnere sich an die Hochwasser des Frühsommers 2013. Der Kammweg über die Niedere Tatra war dennoch schön. Wären weiter östlich nicht die umgepfügten Wälder gewesen, die mein Fortkommen sehr schmerzhaft machten, hätte ich das kleine Land mit besseren Eindrücken verlassen.
[UA]
Die Ukraine war eine positive Wanderüberraschung. Das galt nicht nur für die Karpartenukraine mit ihren armseligen Dörfen und grünen Grasbergen, sondern auch weiter östlich auf meinem Weg (nach RO und MD) Richtung Krim (damals noch nicht "russisch"). Die kleinen Nebenstrassen waren oft Asphalt- und Verkehrslos und gut zu bewandern. Die Menschen waren freundlich und ich hatte ein paar der besten Erlebnisse in diesem Abschnitt (siehe die Geschichte weiter unten)
[RO]
Die Kulturregionen der Maramuresch und Bukowina (Moldauklöster) waren sehenwert. Nur die Hirtenhunde hätte ich gerne mit mehr Abstand betrachtet.
[MD]
Das Land der Brunnen. Abkühlung am Straßenrand in der Hitze des Sommers.
[RU]
Die Schwarzmeerküste kann ich im Sommer nur Badegästen empfehlen. Für mich war die Blechlawine, welche die 4 Millionenen Badehosen verursachten, eine Herausforderung. Und wollte ich in die Berge gab es oft nach einigen Kilometern kein weiterkommen mehr. Emotional war Russland für mich ein Tiefpunkt, trotz einiger schöner Begegnungen.
[TK]
Legendär die Gastfreundschaft und schön alle Gegenden, die ich in diesem Land durchwandert habe. Nicht immer gab es dabei Wege und einige der "Culture Routes" sind noch nicht ganz ohne detailierte Beschreibung begehbar. So folgte ich nicht immer Wegweisern, aber einmal den Spuren eines Bären hinein in den Wald...
[GE]
Ich war nur im Südosten des Landes und fand Georgien mit seiner herrlichen Natur und seinen Felsenklöstern großartig
[AM]
Armenien ist mir mit Land und Leuten sehr ans Herz gewachsen. Ich würde es als das schönste Land meiner Reise bezeichnen - vielleicht auch weil im September alle Gräser wie Gold die Berge überzogen. Armenien - ich kehre sicher dorthin zurück.
[IR]
Im Westen den Landes, den ich durchwanderte, waren die Leute sehr freundlich (ob Perser, Azeris oder Kurden). Gerne hätte ich diese faszinierende Kultur länger entdeckt. So war nach einer Woche Schluss und ich wanderte von einem Sandsturm zurück in die Türkei in einen Schneesturm östlich des Vansees.
[JD]
Jordanien hat viel Historisches zu bieten, aber auch wer sich abseits der bekannten Touristenstätten in die Wadis begiebt wird großartige Landschaften entdecken - und vielleicht sogar eine Flashflood erleben: hoffentlich von einem Zeltplatz über der Flut so wie ich.
[IS]
Der Süden Israels, den ich am Schwil Israel durchquerte, war großartig. Die Einsamkeit der Negev war ein Highlight meines Weges, der nach 230 Tagen nach dem "Schneesturm des Jahrhunderts" in Jerusalem zu Ende ging - das heißt, natürlich nicht zu Ende. Es war ja erst Halbzeit...Dann kam der Rückweg über den Balkan (mehr dazu weiter unten)
Ein paar Eindrücke vom Weg
(INFO: Bitte kein Bildmaterial einfügen, das die Rechte Dritter verletzt. d.h. i.d.R. keine Musikvideos, TV-Serien etc. )
Eine Geschichte vom Weg
Tag 89-90 (Ukraine)
Was zwischen dem gestrigen Abend und dem heutigen Morgen geschah, will ich im Präsens erzählen. Das hilft mir hoffentlich, den unwirklichen Fortgang der Stunden selbst zu erfassen.
Tag 89. Es ist Abend. Die Sonne steht tief über der goldenen Steppe. Frau Argiope lobata, eine der größten Radnetzspinnen Europas, krabbelt über mein Moskitonetz. Ich knie im Zelt, feiere die abendliche Liturgie. „Sursum corda. Habemus ad Dominum“ (Erhebet die Herzen. Wir haben sie beim Herrn). Plötzlich Schritte. Das dürre Gras knirscht unter dem Gewicht. Jemand schleift seine Schuhe durch die Steppe. Die Person, wer immer sie auch ist und woher auch immer sie kommt, geht um das Zelt und stellt sich vor den Eingang. Ich bin mitten im heiligen Geschehen, kann nicht aufblicken, kann nicht grüßen. In Stille bete ich das lateinische Hochgebet. In Stille steht draußen regungslos die Gestalt. Ich bin beim Agnus Dei, als sie wortlos wieder geht. Das Wort „schräg“ drängt sich in meine Andacht.
Nach der Messe trete ich noch einmal kurz an die frische Luft. Ich schüttle die fetten Spinnen vom Zelt. Da ist ein dunkler Punkt in der Ferne, der sich bewegt. Tatsächlich wackelt bald ein Fahrrad über die Prärie. Es hält auf mich zu und vor meiner Behausung steigt sein hagerer Reiter aus dem Sattel. Er sei auf dem Weg zur Arbeit, erklärt er um halb zehn, und fragt mich, ob ich keine Angst hätte, hier allein zu übernachten. Mit seiner Geste „Faust-aufs-Kinn“ wird deutlich, worin er die Gefahr für einsame Pilger in dieser Gegend sieht. Es sei riskant, erklärt er mit Vokabeln, die auch ich verstehe. „Die Menschen sind nicht gut.“ Wie oft haben mich jetzt schon Ukrainer vor Ukrainern gewarnt, wundere ich mich. Dabei begegnet mir überall nur Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Dass es anders kommen kann, ist mir bewusst, aber ich habe keinen Anlass zu übertriebener Sorge. Selbst der „Messbesucher“ war höflich still. Ich blicke dem Radfahrer nach, als er quer über das Gras in der Dämmerung verschwindet und frage mich, wohin in aller Welt er fährt. Dann ziehe ich mich für die Nacht ins Zelt zurück. Ich liege im Schlafsack, sortiere meine Erinnerungen an den vergangenen Tag; schreibe Tagebuch. Halb elf. Draußen ist es finster.
Plötzlich Schritte. Ich halte den Atem an, spähe mit angestrengten Augen in die Dunkelheit, als würde das den Ohren etwas nützen. Da! Wieder Schritte! Was soll ich tun? Mit schlagendem Herzen rufe ich in die Nacht hinaus: „Добрый вечер?“ (Guten Abend?). Keine Antwort. Das Geräusch verstummt. Grillen zirpen unbeteiligt in der Ferne. „Здрасте?“ (Hallo?), variiere ich den Gruß. Nichts. Dann höre ich wieder Füße im Gras und die Worte des Radfahrers schwingen sich gespenstisch in meiner Vorstellung zu düsteren Bildern auf. Adrenalin pumpt durch die Adern. Ich krame nach dem kleinen Pfefferspray – ein Geschenk der rumänischen Jugendgruppe nach der dramatischen Hirtenhundeepisode. Ich suche frenetisch nach der Taschenlampe; wusel mich aus dem Schafsack; zippe das Moskitonetz auf und stehe Augenblicke später in Unterwäsche vor dem Zelt. Stille. Nur mein Herzschlag. Der kühle Wind der Nacht umweht meine Beine. Ich zittere; schüttle es ab; drehe mich in alle Richtungen. Angespannt. Nichts und niemand hebt sich als Silhouette vom schwarzen Himmel ab. Meine Finger tasten, ob sie den kleinen Druckcontainer mit dem Reizmittel richtig herum halten. Nochmals drehe ich mich im Kreis und leuchte diesmal mit der Taschenlampe in alle Richtungen. Kein gutes Zeichen, denke ich, wenn jemand schweigt und sich im hohen Gras versteckt. Ich spüre den Pulsschlag im Hals.
Dann bewegt sich etwas hinter mir. Wild drehe ich mich um. Da … ! Nichts?! Der Lichtstrahl wirft keine Schatten in der Nacht. Nochmal das Geräusch. Drei Meter vor mir. Ich leuchte auf den Boden. Und da ist er, der Angreifer, der erste Ukrainer, der mich das Fürchten lehrt: Ein Igel! Ich lache laut. Was bin ich doch für ein Idiot. Erleichtert lockere ich den Griff um den Pfefferspray und liege wenig später mit einem breiten Grinsen im Schlafsack. Das ist eine der Geschichten, die ich einmal einem schmunzelnden Publikum werde erzählen können, sage ich mir und notiere alles ins digitale Tagebuch. Dann stelle ich den Eintrag ins Netz, knipse das Licht aus und blicke durch den Eingang in die Nacht hinaus. Sternschnuppen verglühen. Blutig steigt der Halbmond aus dem roten Staub der Steppe. Ich schließe die Augen.
Schritte. Schritte! Kein Igel diesmal. Viel zu schwer ist ihr Tritt. Ich halte den Atem an. Sekunden später passieren zwei Gestalten schweigend ohne Licht in fünf Metern Entfernung mein Zelt. Mein Herz pocht. Im Kopf rasen Fragen: Was machen die beiden? Warum reden sie nicht? Warum bleiben sie nicht stehen und wundern sich über das Zelt? Warum gehen sie geradeaus ins Nirgendwo? Ich starre ihnen halb aufgerichtet nach, bis ihre Silhouetten mit dem schwarzen Horizont verschmelzen. Diese gespenstische Sichtung ergibt keinen Sinn. Ich finde keine Erklärung. Nach ein paar Minuten beginnen sich die Muskeln wieder zu entspannen. Ich lasse den Kopf zurück auf das Lager sinken und fast im gleichen Moment fahre ich wieder hoch. Jetzt kommen die beiden mit schnellem Schritt zurück; wieder schweigend; wieder machen sie einen Bogen um das Zelt, das der Mond silbern glänzen lässt. Ich starre regungslos durch das Moskitonetz. Wo bin ich hier gelandet, dass ständig jemand kommt und geht?! Was ist los an diesem Ort? Woher kommen die ganzen Menschen? Diesmal brauche ich eine Weile, um mich zu sammeln. Dann beruhige ich mich endlich und gleite in den Halbschlaf.
Eine halbe Stunde später weckt mich ein Geräusch. Kleine Steine knirschen unter Gummi. Im Schritttempo fährt ein Auto langsam den staubigen Weg in meine Richtung. Es fährt vorüber, ganz langsam. Herzklopfen. Zwei Minuten später rollt es zurück. Es ist, als würde der Fahrer etwas suchen. Dann hält es an. Auf der Höhe meines Zeltes. Ich bin am Ende, es zerreißt mich, ich möchte laut schreien: „Was ist hier los?!“ Die Türen gehen auf. Männerstimmen. Jemand geht ein paar Schritte in meine Richtung, hinein ins Gras.
Und dann geschieht etwas, das ich absolut nicht einordnen kann. Es ist, als wolle mich jemand gewaltsam wachrütteln, aus einem Traum, der wirklicher ist, als die Wirklichkeit. „Jooohannneees!“ Ich blinzle. Nochmals ruft die Stimme meinen Namen: „Jooohannneees!“ Ich raufe mir die Haare, fahre mir mit den Händen ins Gesicht. 3.000 Kilometer von Zuhause. Ich liege irgendwann nach Mitternacht irgendwo in der Wildnis und irgendjemand schreit nach mir? Einen Moment scheint die Realität zu entgleisen. Dann erkenne ich die Stimme. Das ist Walera! Ich kann es nicht fassen! Walera, der Schulbusfahrer!
Ich arbeite mich aus dem Schlafsack, knipse das Licht an und gebe ungläubig Antwort auf das Rufen. Ein paar Augenblicke später steht tatsächlich Walera mit seinem Bruder Pawel und einem Laptop vor meinem Zelt. Ich kann nicht aufhören, meinen Kopf zu schütteln. „Was … ? Was macht ihr hier?“, stammle ich verwirrt und lachend zugleich auf Russisch.
Es stellt sich heraus, dass Walera vor ein, zwei Stunden meinen jüngsten Blogeintrag gelesen hat – beziehungsweise das, was die computergenerierte Übersetzung davon lückenhaft ins Russische übertragen konnte. Da war etwas zu lesen gewesen von einem stummen Zeugen bei der Messe, den Warnungen des Fahrradfahrers, von gespenstischen Schritten rund ums Zelt. Kurzum, Walera hatte Sorge um meine Sicherheit, schnappte seinen Bruder und suchte mitten in der Nacht anhand des GPS-Tracks vom Blog mit seinem alten klapprigen Wagen die Gegend nach mir ab. 50 Kilometer oder mehr sind sie gefahren, um mich zu retten. Unglaublich! Und für den Fall, dass ich noch lebe, haben sie als echte Ukrainer natürlich jede Menge Essen eingepackt: Brot, Topfenpalatschinken und noch mehr frittierten Fisch. Eine Flasche Wasser, wie ich einige Stunden später in der Hitze des neuen Tages feststellen werde, ist jedoch das wertvollste Geschenk.
Eine Stunde sitzen wir im Gras. Im Versuch, die Nacht für die beiden zu rekonstruieren, lerne ich lachend eine neue Vokabel: „ёжик“ (Igel). Um halb zwei verabschieden sich dann die beiden. Ich blicke den Rückleuchten des Fahrzeugs noch eine Weile kopfschüttelnd nach. Zum zweiten Mal in der Ukraine murmle ich zu mir selbst: „Was für eine Nacht!“
Mehr von dieser Reise
Die Geschichten vom Hinweg sind bereits als Buch erschienen. ( http://www.4kmh.com )
Die Geschichten vom Rückweg sind noch im Blog zu lesen:
http://www.4kmh.com/indexalt.php
Nun, mal sehen.
Die Vorgeschichte
1998 pilgerte ich zu Fuß, ohne Geld und Rucksack 3.000 Kilometer am Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Es war eine Reise, die Spuren hinterließ - und einen stillen Wunsch. 2004 zum katholischen Priester geweiht, bot sich mir nach neun erfüllenden Jahren in einer liechtensteinischen Bergpfarrei die Möglichkeit, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. In einem Sabbatjahr brach ich neuerlich auf, nach Osten diesmal, zu Fuß ins Heilige Land - auf Umwegen. Start war der 1. Mai 2013. Zurück kam ich am 2. August 2014
Die Route - Zusammenfassung
In 15 Monaten durchquerte ich 26 Länder, stapfte durch den Schnee der österreichischen Alpen, stolperte durch die slowakischen Wälder, versank im Schlamm Rumäniens und wanderte durch den Sand der ukrainischen Krim. Ich zitterte im russischen Straßengraben, erkundete die Felsenklöster Georgiens, stand mit einem Hund auf dem höchsten Gipfel Armeniens, kneifte die Augen in einem iranischen Sandsturm zusammen, saß im kurdischen Wohnzimmer auf Polstern, mit jordanischen Beduinen am Lagerfeuer und genoß die absolut geräuschlose Stille der israelischen Negevwüste.
Die Stationen des Hinwegs
[FL]
Das erste Land meiner Reise war im Frühjahrsschnee schnell hinter mir gelassen. Liechtenstein ist eben klein
[AT]
Viel Regen begleitete mich auf dem Weg durch Österreich. Über dieses bekannte Wanderland muss ich nicht viel schreiben.
[DE]
Die Schneelage in den Alpen machte es notwendig manchmal in den Norden auszuweichen. Dafür gab's a Weißbier und a Brezn.
[SK]
In der Slowakei folgte ich meist dem E8. Das Wetter meinte es die ersten Wochen auch hier nicht sehr gut. Man erinnere sich an die Hochwasser des Frühsommers 2013. Der Kammweg über die Niedere Tatra war dennoch schön. Wären weiter östlich nicht die umgepfügten Wälder gewesen, die mein Fortkommen sehr schmerzhaft machten, hätte ich das kleine Land mit besseren Eindrücken verlassen.
[UA]
Die Ukraine war eine positive Wanderüberraschung. Das galt nicht nur für die Karpartenukraine mit ihren armseligen Dörfen und grünen Grasbergen, sondern auch weiter östlich auf meinem Weg (nach RO und MD) Richtung Krim (damals noch nicht "russisch"). Die kleinen Nebenstrassen waren oft Asphalt- und Verkehrslos und gut zu bewandern. Die Menschen waren freundlich und ich hatte ein paar der besten Erlebnisse in diesem Abschnitt (siehe die Geschichte weiter unten)
[RO]
Die Kulturregionen der Maramuresch und Bukowina (Moldauklöster) waren sehenwert. Nur die Hirtenhunde hätte ich gerne mit mehr Abstand betrachtet.
[MD]
Das Land der Brunnen. Abkühlung am Straßenrand in der Hitze des Sommers.
[RU]
Die Schwarzmeerküste kann ich im Sommer nur Badegästen empfehlen. Für mich war die Blechlawine, welche die 4 Millionenen Badehosen verursachten, eine Herausforderung. Und wollte ich in die Berge gab es oft nach einigen Kilometern kein weiterkommen mehr. Emotional war Russland für mich ein Tiefpunkt, trotz einiger schöner Begegnungen.
[TK]
Legendär die Gastfreundschaft und schön alle Gegenden, die ich in diesem Land durchwandert habe. Nicht immer gab es dabei Wege und einige der "Culture Routes" sind noch nicht ganz ohne detailierte Beschreibung begehbar. So folgte ich nicht immer Wegweisern, aber einmal den Spuren eines Bären hinein in den Wald...
[GE]
Ich war nur im Südosten des Landes und fand Georgien mit seiner herrlichen Natur und seinen Felsenklöstern großartig
[AM]
Armenien ist mir mit Land und Leuten sehr ans Herz gewachsen. Ich würde es als das schönste Land meiner Reise bezeichnen - vielleicht auch weil im September alle Gräser wie Gold die Berge überzogen. Armenien - ich kehre sicher dorthin zurück.
[IR]
Im Westen den Landes, den ich durchwanderte, waren die Leute sehr freundlich (ob Perser, Azeris oder Kurden). Gerne hätte ich diese faszinierende Kultur länger entdeckt. So war nach einer Woche Schluss und ich wanderte von einem Sandsturm zurück in die Türkei in einen Schneesturm östlich des Vansees.
[JD]
Jordanien hat viel Historisches zu bieten, aber auch wer sich abseits der bekannten Touristenstätten in die Wadis begiebt wird großartige Landschaften entdecken - und vielleicht sogar eine Flashflood erleben: hoffentlich von einem Zeltplatz über der Flut so wie ich.
[IS]
Der Süden Israels, den ich am Schwil Israel durchquerte, war großartig. Die Einsamkeit der Negev war ein Highlight meines Weges, der nach 230 Tagen nach dem "Schneesturm des Jahrhunderts" in Jerusalem zu Ende ging - das heißt, natürlich nicht zu Ende. Es war ja erst Halbzeit...Dann kam der Rückweg über den Balkan (mehr dazu weiter unten)
Ein paar Eindrücke vom Weg
(INFO: Bitte kein Bildmaterial einfügen, das die Rechte Dritter verletzt. d.h. i.d.R. keine Musikvideos, TV-Serien etc. )
Eine Geschichte vom Weg
Tag 89-90 (Ukraine)
Was zwischen dem gestrigen Abend und dem heutigen Morgen geschah, will ich im Präsens erzählen. Das hilft mir hoffentlich, den unwirklichen Fortgang der Stunden selbst zu erfassen.
Tag 89. Es ist Abend. Die Sonne steht tief über der goldenen Steppe. Frau Argiope lobata, eine der größten Radnetzspinnen Europas, krabbelt über mein Moskitonetz. Ich knie im Zelt, feiere die abendliche Liturgie. „Sursum corda. Habemus ad Dominum“ (Erhebet die Herzen. Wir haben sie beim Herrn). Plötzlich Schritte. Das dürre Gras knirscht unter dem Gewicht. Jemand schleift seine Schuhe durch die Steppe. Die Person, wer immer sie auch ist und woher auch immer sie kommt, geht um das Zelt und stellt sich vor den Eingang. Ich bin mitten im heiligen Geschehen, kann nicht aufblicken, kann nicht grüßen. In Stille bete ich das lateinische Hochgebet. In Stille steht draußen regungslos die Gestalt. Ich bin beim Agnus Dei, als sie wortlos wieder geht. Das Wort „schräg“ drängt sich in meine Andacht.
Nach der Messe trete ich noch einmal kurz an die frische Luft. Ich schüttle die fetten Spinnen vom Zelt. Da ist ein dunkler Punkt in der Ferne, der sich bewegt. Tatsächlich wackelt bald ein Fahrrad über die Prärie. Es hält auf mich zu und vor meiner Behausung steigt sein hagerer Reiter aus dem Sattel. Er sei auf dem Weg zur Arbeit, erklärt er um halb zehn, und fragt mich, ob ich keine Angst hätte, hier allein zu übernachten. Mit seiner Geste „Faust-aufs-Kinn“ wird deutlich, worin er die Gefahr für einsame Pilger in dieser Gegend sieht. Es sei riskant, erklärt er mit Vokabeln, die auch ich verstehe. „Die Menschen sind nicht gut.“ Wie oft haben mich jetzt schon Ukrainer vor Ukrainern gewarnt, wundere ich mich. Dabei begegnet mir überall nur Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Dass es anders kommen kann, ist mir bewusst, aber ich habe keinen Anlass zu übertriebener Sorge. Selbst der „Messbesucher“ war höflich still. Ich blicke dem Radfahrer nach, als er quer über das Gras in der Dämmerung verschwindet und frage mich, wohin in aller Welt er fährt. Dann ziehe ich mich für die Nacht ins Zelt zurück. Ich liege im Schlafsack, sortiere meine Erinnerungen an den vergangenen Tag; schreibe Tagebuch. Halb elf. Draußen ist es finster.
Plötzlich Schritte. Ich halte den Atem an, spähe mit angestrengten Augen in die Dunkelheit, als würde das den Ohren etwas nützen. Da! Wieder Schritte! Was soll ich tun? Mit schlagendem Herzen rufe ich in die Nacht hinaus: „Добрый вечер?“ (Guten Abend?). Keine Antwort. Das Geräusch verstummt. Grillen zirpen unbeteiligt in der Ferne. „Здрасте?“ (Hallo?), variiere ich den Gruß. Nichts. Dann höre ich wieder Füße im Gras und die Worte des Radfahrers schwingen sich gespenstisch in meiner Vorstellung zu düsteren Bildern auf. Adrenalin pumpt durch die Adern. Ich krame nach dem kleinen Pfefferspray – ein Geschenk der rumänischen Jugendgruppe nach der dramatischen Hirtenhundeepisode. Ich suche frenetisch nach der Taschenlampe; wusel mich aus dem Schafsack; zippe das Moskitonetz auf und stehe Augenblicke später in Unterwäsche vor dem Zelt. Stille. Nur mein Herzschlag. Der kühle Wind der Nacht umweht meine Beine. Ich zittere; schüttle es ab; drehe mich in alle Richtungen. Angespannt. Nichts und niemand hebt sich als Silhouette vom schwarzen Himmel ab. Meine Finger tasten, ob sie den kleinen Druckcontainer mit dem Reizmittel richtig herum halten. Nochmals drehe ich mich im Kreis und leuchte diesmal mit der Taschenlampe in alle Richtungen. Kein gutes Zeichen, denke ich, wenn jemand schweigt und sich im hohen Gras versteckt. Ich spüre den Pulsschlag im Hals.
Dann bewegt sich etwas hinter mir. Wild drehe ich mich um. Da … ! Nichts?! Der Lichtstrahl wirft keine Schatten in der Nacht. Nochmal das Geräusch. Drei Meter vor mir. Ich leuchte auf den Boden. Und da ist er, der Angreifer, der erste Ukrainer, der mich das Fürchten lehrt: Ein Igel! Ich lache laut. Was bin ich doch für ein Idiot. Erleichtert lockere ich den Griff um den Pfefferspray und liege wenig später mit einem breiten Grinsen im Schlafsack. Das ist eine der Geschichten, die ich einmal einem schmunzelnden Publikum werde erzählen können, sage ich mir und notiere alles ins digitale Tagebuch. Dann stelle ich den Eintrag ins Netz, knipse das Licht aus und blicke durch den Eingang in die Nacht hinaus. Sternschnuppen verglühen. Blutig steigt der Halbmond aus dem roten Staub der Steppe. Ich schließe die Augen.
Schritte. Schritte! Kein Igel diesmal. Viel zu schwer ist ihr Tritt. Ich halte den Atem an. Sekunden später passieren zwei Gestalten schweigend ohne Licht in fünf Metern Entfernung mein Zelt. Mein Herz pocht. Im Kopf rasen Fragen: Was machen die beiden? Warum reden sie nicht? Warum bleiben sie nicht stehen und wundern sich über das Zelt? Warum gehen sie geradeaus ins Nirgendwo? Ich starre ihnen halb aufgerichtet nach, bis ihre Silhouetten mit dem schwarzen Horizont verschmelzen. Diese gespenstische Sichtung ergibt keinen Sinn. Ich finde keine Erklärung. Nach ein paar Minuten beginnen sich die Muskeln wieder zu entspannen. Ich lasse den Kopf zurück auf das Lager sinken und fast im gleichen Moment fahre ich wieder hoch. Jetzt kommen die beiden mit schnellem Schritt zurück; wieder schweigend; wieder machen sie einen Bogen um das Zelt, das der Mond silbern glänzen lässt. Ich starre regungslos durch das Moskitonetz. Wo bin ich hier gelandet, dass ständig jemand kommt und geht?! Was ist los an diesem Ort? Woher kommen die ganzen Menschen? Diesmal brauche ich eine Weile, um mich zu sammeln. Dann beruhige ich mich endlich und gleite in den Halbschlaf.
Eine halbe Stunde später weckt mich ein Geräusch. Kleine Steine knirschen unter Gummi. Im Schritttempo fährt ein Auto langsam den staubigen Weg in meine Richtung. Es fährt vorüber, ganz langsam. Herzklopfen. Zwei Minuten später rollt es zurück. Es ist, als würde der Fahrer etwas suchen. Dann hält es an. Auf der Höhe meines Zeltes. Ich bin am Ende, es zerreißt mich, ich möchte laut schreien: „Was ist hier los?!“ Die Türen gehen auf. Männerstimmen. Jemand geht ein paar Schritte in meine Richtung, hinein ins Gras.
Und dann geschieht etwas, das ich absolut nicht einordnen kann. Es ist, als wolle mich jemand gewaltsam wachrütteln, aus einem Traum, der wirklicher ist, als die Wirklichkeit. „Jooohannneees!“ Ich blinzle. Nochmals ruft die Stimme meinen Namen: „Jooohannneees!“ Ich raufe mir die Haare, fahre mir mit den Händen ins Gesicht. 3.000 Kilometer von Zuhause. Ich liege irgendwann nach Mitternacht irgendwo in der Wildnis und irgendjemand schreit nach mir? Einen Moment scheint die Realität zu entgleisen. Dann erkenne ich die Stimme. Das ist Walera! Ich kann es nicht fassen! Walera, der Schulbusfahrer!
Ich arbeite mich aus dem Schlafsack, knipse das Licht an und gebe ungläubig Antwort auf das Rufen. Ein paar Augenblicke später steht tatsächlich Walera mit seinem Bruder Pawel und einem Laptop vor meinem Zelt. Ich kann nicht aufhören, meinen Kopf zu schütteln. „Was … ? Was macht ihr hier?“, stammle ich verwirrt und lachend zugleich auf Russisch.
Es stellt sich heraus, dass Walera vor ein, zwei Stunden meinen jüngsten Blogeintrag gelesen hat – beziehungsweise das, was die computergenerierte Übersetzung davon lückenhaft ins Russische übertragen konnte. Da war etwas zu lesen gewesen von einem stummen Zeugen bei der Messe, den Warnungen des Fahrradfahrers, von gespenstischen Schritten rund ums Zelt. Kurzum, Walera hatte Sorge um meine Sicherheit, schnappte seinen Bruder und suchte mitten in der Nacht anhand des GPS-Tracks vom Blog mit seinem alten klapprigen Wagen die Gegend nach mir ab. 50 Kilometer oder mehr sind sie gefahren, um mich zu retten. Unglaublich! Und für den Fall, dass ich noch lebe, haben sie als echte Ukrainer natürlich jede Menge Essen eingepackt: Brot, Topfenpalatschinken und noch mehr frittierten Fisch. Eine Flasche Wasser, wie ich einige Stunden später in der Hitze des neuen Tages feststellen werde, ist jedoch das wertvollste Geschenk.
Eine Stunde sitzen wir im Gras. Im Versuch, die Nacht für die beiden zu rekonstruieren, lerne ich lachend eine neue Vokabel: „ёжик“ (Igel). Um halb zwei verabschieden sich dann die beiden. Ich blicke den Rückleuchten des Fahrzeugs noch eine Weile kopfschüttelnd nach. Zum zweiten Mal in der Ukraine murmle ich zu mir selbst: „Was für eine Nacht!“
Mehr von dieser Reise
Die Geschichten vom Hinweg sind bereits als Buch erschienen. ( http://www.4kmh.com )
Die Geschichten vom Rückweg sind noch im Blog zu lesen:
http://www.4kmh.com/indexalt.php
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