[NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

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    • 01.08.2009
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    #61
    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

    Jemand sagte mir mal, "wenn man nichts erwartet, kann man nicht enttäuscht werden".

    Ich frage mich, warum man den Nordseeküstenradweg nicht einfach nur dort lang geführt hat wo wenigst das Meer nicht allzuweit weg ist, und wo es zu sehr ins Binnenland geführt hätte cut und evtl als Weiterleitung aber mit anderem Namen. In D hätte auch theoretisch die Fähre bei Glückstad Elbequerend sein können.
    So finde ich es jedenfalls nicht grad Namenszutreffend wenn ich mal die Strecke überdenke.
    Ja ich weiß, hat alles vor und Nachteile.
    Trotzdem ein schöner Bericht
    Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
    Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

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    • Torres
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      • 16.08.2008
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      • Meine Reisen

      #62
      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

      Die küstenferne Wegführung ist ein Punkt, der am englischen Abschnitt immer wieder kritisiert wird. Es gibt sicherlich Gebiete, wo man schlecht an die Küste herankommt, bzw. es eben nur die vielbefahrenen Küstenstraßen gibt. Das gilt für den Bereich Bridlington - Hull - Lincoln - Boston - Hunstanton. Da gibt es auch keine durchgehenden lokalen Radwege an den Küsten. Von Wells aus könnte die Wegführung dagegen über Cromer und Great Yarmouth an der Küste entlang gehen.

      Es wird daher den Kritikern empfohlen (Radforum?), ab Wells von der offiziellen Strecke abzuweichen. Für mich war das ja leider keine Option. Wenn allerdings ein Platz wie der in Wells in der Nachsaison Radfahrer ablehnt, stellt sich die Frage, wie es dann in der Hochsaison sein wird, wenn die Unterkünfte an der Küste ausgebucht sind. Da ist eine Streckenführung durch das Binnenland vermutlich empfehlenswerter.

      Die Frage, die ich nicht beurteilen kann, ist, ob es so interessant ist, die Küste zu fahren. Vor allem der nächste Tag wird zeigen, dass man versucht, kulturell und landschaftlich interessante Gebiete mit einzubeziehen. Ich hadere die nächsten Tage aber massiv mit der Strecke, denn mir rennt die Zeit weg. Im Nachhinein betrachtet, hätte es auch andere (weniger Umwege machende) Routen gegeben, denen ich hätte folgen können, um zeitgerecht und bequem ans Ziel zu kommen.

      Wie Du richtig sagt, gibt es das ja auch bei uns (Elbe statt Nordsee). Vermutlich wirklich der Gedanke der Abwechslung. Und der Unterkünfte für Radler ohne Zelt, die zumindest bei uns (und sicher auch in Holland) die Mehrheit stellen.
      Oha.
      (Norddeutsche Panikattacke)

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      • Chouchen
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        • 07.04.2008
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        • Meine Reisen

        #63
        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

        Zitat von Torres Beitrag anzeigen
        Wenn allerdings ein Platz wie der in Wells in der Nachsaison Radfahrer ablehnt, stellt sich die Frage, wie es dann in der Hochsaison sein wird, wenn die Unterkünfte an der Küste ausgebucht sind.
        Dass man als einzelner Zelter auf Plätzen nicht gern gesehen war, hatte ich vor ein paar Jahren zwischen Newcastle und Aberdeen häufiger. Da war ich froh, dass ich damals mit dem Motorrad unterwegs war, dann konnte sich schnell und mühelos was anderes suchen: Als Radfahrer hätte ich mir vermutlich ein Loch ins Bein geärgert.
        "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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        • Torres
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          • 16.08.2008
          • 30801
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          • Meine Reisen

          #64
          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

          Du meinst, das war der Grund? Da könntest Du Recht haben. Das habe ich gar nicht bedacht. Aus Wales kannte ich die "Couples only"-Plätze auch, aber das stand dann auch draußen dran.
          Oha.
          (Norddeutsche Panikattacke)

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          • lina
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            • 12.07.2008
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            #65
            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

            Habt Ihr eine Idee, wieso eigentlich? So ein Einzelzelter ist doch völlig unkompliziert, benötigt wenig, geht zügig schlafen und macht i.d.R. auch keine lauten wilden Parties?

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            • Scrat79
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              • 11.07.2008
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              • Meine Reisen

              #66
              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

              Je kleiner der Laden desto kleiner oft der Service.
              Grund kann ich leider auch nicht nennen. Aber wenn ichs auf ne Regel bringen müsste, dann so.

              Natürlich ist der zeitliche Aufwand pro verdientem Pfund geringer, wenn ein Campingmobil mit 4 Personen anreist und für ne Woche kräftig Asche da lässt.
              Im Gegensatz dazu 20 Fahrradreisende einzeln einchecken macht schon deutlich mehr Arbeit.
              Ist aber auch ein Fall von "wegen Reichtum geschlossen".
              Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
              Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

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              • Torres
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                • 16.08.2008
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                • Meine Reisen

                #67
                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                Ich hab´s. Die schließen den Zeltplatz am 1. September. http://www.pinewoods.co.uk/news-and-...a-for-tents-70
                Oha.
                (Norddeutsche Panikattacke)

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                • ronaldo
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                  • 24.01.2011
                  • 12013
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                  • Meine Reisen

                  #68
                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                  Zitat von lina Beitrag anzeigen
                  Habt Ihr eine Idee, wieso eigentlich? So ein Einzelzelter ist doch völlig unkompliziert, benötigt wenig, geht zügig schlafen und macht i.d.R. auch keine lauten wilden Parties?
                  [Naja, wenn hier eh schon OTt wird...]
                  So sehr ich den Bericht hier schätze - die von Torres beschriebene englische Campingwelt und überhaupt das "Überregelte" im Lande ist mir ein Graus, gar kein Vergleich mit Ländern mit einer komplett anderen Campingtradition wie z.B. Frankreich und Italien.
                  In der Konsequenz: Auch wenns da schön ist, da fahr ich bestimmt nicht hin.

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                  • Chouchen
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                    • 07.04.2008
                    • 20009
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                    • Meine Reisen

                    #69
                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                    Zitat von ronaldo Beitrag anzeigen
                    [Naja, wenn hier eh schon OTt wird...]
                    So sehr ich den Bericht hier schätze - die von Torres beschriebene englische Campingwelt und überhaupt das "Überregelte" im Lande ist mir ein Graus, gar kein Vergleich mit Ländern mit einer komplett anderen Campingtradition wie z.B. Frankreich und Italien.
                    In der Konsequenz: Auch wenns da schön ist, da fahr ich bestimmt nicht hin.
                    OT: Hier gibt's auch Deppenplätze und Deppen-Platzwarte. Die Plätze und Wardens bei denen ich vor ein paar Jahren mit Motorrad und später mit Fahrrad unterkam, waren in der Regel toll: Sehr freundlich, aufgeschlossen, interessiert, bei Bedarf sehr hilfsbereit bis fürsorglich, britisch-höflich, tiefenentspannt, sauber und liebevoll gepflegt, alles wunderbar. Ich würde (und werde) wieder hin fahren.

                    Ich kann allerdings nur für die Gegend nördlich von Newcastle sprechen, weiter im Süden habe ich noch nicht gezeltet.
                    "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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                    • lina
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                      • 12.07.2008
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                      • Meine Reisen

                      #70
                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                      Die hier (aus #44)



                      sind übrigens Perlhühner

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                      • Torres
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                        • 16.08.2008
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                        #71
                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                        OT:
                        die von Torres beschriebene englische Campingwelt und überhaupt das "Überregelte" im Lande ist mir ein Graus, gar kein Vergleich mit Ländern mit einer komplett anderen Campingtradition wie z.B. Frankreich und Italien.
                        Sorry, aber das kann man nicht generalisieren. Auch in Frankreich und Italien gibt es solche und solche (und auch in diesen Ländern nimmt Regulierung zu, warum wohl....). Im Gegenteil, gerade auf den Plätzen hier am Anfang war soviel Verständnis für Zelter zu erkennen und so viel Liebe erkennbar - ne, da schon lieber England. Da kann man sogar in Ruhe schlafen. Und Campingtradition haben die definitiv, nur halt keine mit dem Rad-Campen-Tradition (konnte ich in Italien auch nicht erkennen). In England geht man zu Fuß oder hat einen Wohnwagen/Wohnmobil. Und treibt sich auf den Clubplätzen rum - da sind Perlen dabei. Die lagen nur nicht am Weg bzw. nicht am Ziel. Alleine der Blumenduft an den Plätzen - Blumen können die Briten wirklich.

                        Wenn nur das Wetter nicht wäre
                        Oha.
                        (Norddeutsche Panikattacke)

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                        • Torres
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                          • 16.08.2008
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                          #72
                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                          OT: P.S. Nachtrag: Wenn Du alleine schaust, wieviele für die Öffentlichkeit gesperrte Privatstrände es in Italien gibt - das hast Du in England nicht. Da gibt es an den Küsten überall Wanderwege und egal wo Du bist, findest Du ein riesiges System public footpathes. Die Engländer sind da echt outdoor. Und zwar überall.
                          Oha.
                          (Norddeutsche Panikattacke)

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                          • Torres
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                            • 16.08.2008
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                            #73
                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                            Nicht alles ist, wie es scheint.

                            Di, 16.09.2014
                            Wells-next-the-Sea – Norwich, 88,4 km

                            In der Nacht ist gegen 1.00 Uhr noch ein Wohnmobil gekommen. Das Licht hat mich geweckt. Ich bin zwar sofort wieder eingeschlafen, habe dann aber schlecht geträumt. Mit einem eiskalten Gefühl im Herzen wache ich auf. Es ist 5.00 Uhr.
                            Ich beginne zu packen, um noch einmal ans Meer fahren zu können. Wenn ich früh genug loskomme, ist der Umweg akzeptabel. Als ich die Zelttür öffne, empfängt mich feuchte Kälte und eine erneute Desillusion. Nebel. Ich rolle mich wieder in den Schlafsack ein und träume noch ein wenig vor mich hin.





                            Kurz nach sieben bin ich startbereit. Ein Mann kommt herüber. Er müsse nun doch einmal nach meinem Fahrrad fragen. Er gehört zum Fahrzeug gegenüber. Minutenlang hatten seine Frau und er versucht, die überdimensionierten Matratzen ins Auto zu bekommen. Sie haben Fahrräder dabei. Interessiert betrachtet er meine Schaltung. Er hat so etwas noch nie gesehen. Er würde auch gerne einmal mit dem Fahrrad unterwegs sein, aber wäre ja schon 66 Jahre alt. Ich erkläre ihm die Schaltung und ermutige ihn, es einfach auszuprobieren. Es muss ja nicht gleich Lincolnshire sein. Er lächelt das Lächeln von jemandem, der sich in diesem Moment fest etwas vornimmt und sich gleichzeitig über seinen Mut wundert, dass er überhaupt darüber nachdenkt.

                            Eine Frau kümmert sich um ihr Pferd. Es steht an den Stallungen am Ende der Zeltwiese. Sie grüßt mich freundlich. Der Platz scheint netter zu sein, als ich gestern dachte. Aber ich kann nicht bleiben. Heute abend sollte ich Norwich erreichen. Morgen Ipswich. Und Donnerstag Harwich. Mir rennt die Zeit davon. Mindestens zwei Tage muss ich für die Rückreise einplanen, denn ich muss damit rechnen, nicht gleich eine Fähre nehmen zu können.

                            Ich fülle noch einmal meine Wasservorräte auf.





                            Als ich zurückkomme, ist auch der Wanderer aufgestanden. Die Frau von gestern guckt aus ihrem Auto. Ich verabschiede mich. Sie nickt, lächelt und schaut dann nach unten. Ihr geht es nicht gut. Ich weiß.


                            Zwanzig vor acht bin ich im Ort.








                            Ob der Supermarkt noch geschlossen war oder mir nicht der Sinn nach Einkaufen stand, weiß ich nicht mehr. Ich fahre an einem Park vorbei. Eine Frau sitzt auf einer Bank. Das Gasthaus von gestern liegt trostlos im Nebel. Der Zauber von gestern ist vorbei. Eine Kirche.





                            Dann bin ich auch schon aus dem Ort hinaus. Der Radweg führt jetzt auf einen Schotterweg.








                            Auffällig viele Blätter liegen am Rand. Der Herbst kommt näher. Der Weg ist schwer zu fahren. Dicke Steine lassen das Fahrrad rutschen. Ich habe große Probleme mit der Motorik und merke, dass ich dringend etwas essen muss. So lasse ich mich an einer Weggabelung nieder. Ich habe noch eine Dose Thunfisch und ein paar Brötchen. Nach der Mahlzeit geht es mir besser. An der Stelle kreuzt der Norfolk Coast Path den Nordseeküstenradweg.








                            Die Luft ist so feucht, dass ich das Gefühl habe, es würde regnen. Aber es ist kein Regen. Es ist Nebel.





                            Der Weg ist schwer zu fahren. Ich bin froh, dass ich die richtigen Reifen auf meinem Fahrrad habe. Und wieder einmal frage ich mich, wer diesen Weg ausgesucht hat. Im Geiste formuliere ich einen bösen Brief an sustrans.

                            Der Weg zieht sich. Ich muss langsam fahren, damit ich nicht wegrutsche. Und plötzlich überkommt mich ein ganz ernstgemeinter Gedanke: Ich will nach Hause. Einfach nach Hause. Natürlich ist es schön, Urlaub zu haben und unterwegs zu sein. Aber irgendwie wiederholt sich alles auch irgendwann. Bei Nebel sowieso. Bewunderswürdig, wie German Tourist ihr Leben dem Outdoor widmen kann. Mir ist mein Beruf lieber. Ein paar Minuten später berappele ich mich zwar wieder, aber der Kerngedanke bleibt. Nach Hause fahren ist nun okay.





                            Die Steine nerven. Der Weg scheint kein Ende zu nehmen. Er ist nicht nur unangenehm zu fahren, sondern kostet auch Zeit. Mittlerweile bin ich bereits eine halbe Stunde unterwegs, ohne nennenswert vorangekommen zu sein. Ich denke an heute abend. Vielleicht suche ich mir heute abend ein Hotelzimmer. Ein bequemes Bett, Essen gehen, etwas für mich tun. Ein wenig Luxus. Eine Heizung. Ob Norwich einen Campingplatz hat, weiß ich nicht.





                            Gut getarnt stehen meine gefiederten Freunde auf dem Feld.








                            Die Weggabelung.








                            Wenn der andere Weg auch so war, kann ich von Glück reden, dass ich gestern Landstraße gefahren bin. Ich habe für diesen Abschnitt jetzt gut vierzig Minuten gebraucht.

                            Eine nette Bergabstrecke.





                            Weiter geht es mit den Steinen.





                            Immerhin scheint es hier völlig einsam zu sein.





                            Was nicht ganz stimmt. Die ersten Höfe kommen in Sicht.








                            Für 6,71 Kilometer habe ich nun eine Stunde gebraucht. Wenn das so weiter geht, nehme ich am besten die Bahn nach Harwich.


                            Ein kleiner Campingplatz. Vermutlich nicht für Zelte.





                            Wighton.














                            An der Kreuzung fehlt wieder einmal eine zielführende Beschilderung. Ich kann nicht erkennen, ob ich in die Straße geradeaus oder in die Straße halbrechts einbiegen soll, die gerade durch den LKW von Bauarbeitern versperrt wird. Dem Schild nach könnten beide Varianten in Frage kommen. Ich stoppe ein Auto und frage, wo es nach Norwich geht, und er weist mich geradeaus. Das ist falsch.








                            Die Kilometerangabe erstaunt mich übrigens. Ich werde mindestens 20 Kilometer länger brauchen. Wieder einmal ein kleiner Wohnmobilplatz.
                            Ich bin nun in Great Walsingham und suche die Schilder. So finde ich die Straße, die ich eigentlich hätte herauskommen müssen.








                            Und dann fällt mir ein, dass ich Werners Todestag vergessen habe. Am 11. September 2012 ist er gestorben. Während ich auf einer Radtour durch die Bretagne war. In diesem Bericht hatte ich seinen Tod verarbeitet. Klick. 2 Jahre ist das nun schon her. Ob er meine Reise verfolgen kann?
                            Diese Rose ist für Dich, Werner.





                            Ich schiebe mein Fahrrad über eine Fußgängerbrücke. Die Straße ist eine Furt und am Straßenrand steht der jeweilige Wasserstand.





                            Ein wie Gandalf aussehender Engländer mit schlohweißen Haaren und schlohweißem Bart durchquert sie routiniert mit seinem Auto.





                            Ein verwunschener Baum.





                            Der Baustil ist interessant.





                            Ich bin nun in Little Walsingham.





                            An einer Baustelle stehe ich neben einer alten BMW. Es ist eine R 100. Der Ort sieht touristisch aus.





                            Und dann traue ich meine Augen kaum: Der Ort besteht aus lauter religiösen oder esoterischen Läden. Was ist denn hier los?








                            Okay. Das fällt hier ein wenig raus. Es ist übrigens ein Café.





                            Aber das hier hätte ich in England weniger erwartet. Es wirkt so katholisch.





                            Wieder einer meiner gefiederten Freunde.





                            Ein Schild.





                            Anscheinend wird hier gepilgert. Pilgern in England? Ein Mann auf einem Fahrrad kommt mir entgegen. Er hat eine Aktentasche auf dem Gepäckträger. Er grüßt und hält an. Er fragt, wo ich herkomme. Ich erzähle, was ich tue und frage ihn, was das Schild zu bedeuten hat. Er erzählt, dass gleich die älteste katholische Kapelle Englands kommt, und ich solle sie unbedingt besuchen. Die Devotionalien im Ort sind allerdings nicht katholisch, sondern es gibt auch etwas Vergleichbares in der anglikanischen Kirche. Wir unterhalten uns ein wenig über das Thema, und was er erzählt ist interessant. Er selbst ist katholisch. Ich spreche die Volksabstimmung in Schottland an, und er lacht. Die sollen doch machen, was sie wollen.

                            Die Kapelle liegt tatsächlich auf dem Weg. Es ist ein Marienwallfahrtsort. 1061 wurde in Walsingham ein Heiliges Haus gebaut, das Ziel der Wallfahrten war und 1538 mit der Loslösung der englischen Kirche von Rom zerstört wurde. 1897 wurde die Slipper Chapel, eine 1340 gebaute und verfallene Pilgerkapelle wiederentdeckt und ist jetzt das neue Heiligtum. Klick.





                            Und natürlich muss ich sie besichtigen.








                            In der Kapelle sitzen zwei Frauen. Die eine von ihnen betet einen Rosenkranz.


                            Der zweite Raum ist leer.





                            Wie in jedem Jahr zünde ich eine Kerze für Werner an. Erstaunlich, dass ich an dem Tag, an dem ich an Werner denke, auch eine katholische Kirche finde. Werner war katholisch und sehr gläubig. Manche Dinge kann man nicht erklären.





                            Ich esse ein Stück Schokoladenkuchen in der Cafeteria. Zu meiner Enttäuschung haben sie nichts anderes. Ich hätte gerne etwas herzhaftes gegessen.








                            Auf der Toilette sind Hinweise auf Englisch und Polnisch verfasst. Ein Ehepaar hatte mich an der Straße gefragt, ob ich weiß, wo die Kirche ist. Sie waren zu früh abgebogen und mussten eine Furt durchqueren. Mittlerweile haben sie die Kapelle gefunden.





                            Ein interessantes Kleinod am Wegesrand.
                            Zuletzt geändert von Torres; 21.10.2014, 19:13.
                            Oha.
                            (Norddeutsche Panikattacke)

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                              #74
                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                              Eine Eisenbahn und eine Outdoorwiese.

                              Weiter geht es nun wenig befahrene Landstraßen entlang. Auch dieses Mal macht der Radweg eine große Schleife und folgt nicht dem direkten Weg.





                              Das zweite Frühstück hat mich müde gemacht. Lustlos fahre ich weiter.





                              Die kreative Müllentsorgung lässt mich an Italien denken.








                              Spektakulär ist die Landschaft nun nicht mehr. Eine Zeitlang habe ich das Gefühl, dass das Wetter umschlägt, denn es zeigen sich dicke Wolken.





                              Fakenham. Ein netter Ort. Die Beschilderung ist nicht perfekt, aber nach relativ kurzer Zeit finde ich den richtigen Weg. In einer Bäckerei kaufe ich Vollkornbrötchen als Wegzehrung. Es sind viele Fußgänger unterwegs und einige schauen mich sehr wohlwollend an oder grüßen. Am Weg durch die Parkanlage laufen die Hühner frei herum. Vermutlich sind sie ausgebüxt.








                              Fakenham war bis in die 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts das Zentrum der Druckindustrie. Ein Denkmal erinnert an den industriellen Niedergang. Fakenhams Aufstieg zum Handelsort begann nach dem Verbot der katholischen Kirche durch Henry VIII. Davor war Hempton dominierender Ort der Region, der Pilger nach Walsingham Unterkuft gab. Die Sehenswürdigkeiten sind das Museum und die Rennbahn.











                              Die Bestückung des Weges mit Schildern ist jetzt wieder frustrierend. So fahre ich noch einmal zurück, um sicher zu gehen, dass ich nichts übersehen habe. Schießlich fahre ich einfach weiter und dann sehe ich doch wieder eins. Danke schön.








                              Welcher Vogel ist das?








                              Man fährt hier Fahrrad.





                              Wieder ein netter Mensch. Man muss schon genau hinschauen, ob die rote 1 zu entdecken.








                              Ich komme nun durch einen netten kleinen Ort. Great Ryburgh. Bereits vorher waren große LKW unterwegs, für die die Straßen viel zu eng sind. Noch vor dem Ortseingang hatte ich einen vorbeigelassen, und er hatte sich nett bedankt. Im Ort parkt ein Lieferwagen an der Straße und verengt sie. Er gehört zu einer Baustelle. Für einige Zeit ist der Verkehr lahmgelegt. Die Bauarbeiter stört das nicht.
                              Bald ist klar, dass die LKW zu der Crisp Malting Group gehören, die seit 1870 Malz produziert und sich immer noch in Privathand befindet. Ein älterer Herr sitzt am Fenster und schaut dem Treiben an der Fabrik zu.





                              An der Ecke ist ein Village Shop. Fahrradfahrer sind willkommen. Ich kaufe Milch, Joghurt, Orangensaft und die englische Antwort auf La vache kiri.





                              Ein Haus steht an einer Kreuzung und es ist ein merkwürdiges Gefühl, unvermittelt auf das Tor zuzufahren.








                              Es ist die Einfahrt zu einem riesigen Gelände mit einem See und – wenn ich das Satellitenbild richtig interpretiere – einem großen Herrenhaus oder Schloss.








                              Ich erfreue mich an einem offiziellen Radwegarm. Anscheinend bin ich richtig.





                              Aber noch 24 Meilen bis nach Norwich. Ich stöhne auf. Das sind noch ca. 40 Kilometer. Das bedeutet, ich bin kaum vorangekommen. Es ist jetzt halb eins.





                              Das Wetter ist nun richtig schön geworden. Die Straße ist leicht hügelig und das Fahren macht Spaß. In der Ferne sehe ich viele kleine Hütten und entdecke, dass es sich um Schweinehütten handelt.





                              Animal Farm.





                              Eine riesige Anlage freilaufender Schweine. Natürliche Massentierhaltung.





                              Auf der rechten Seite befindet sich eine riesige Schafherde.
                              Eine Abzweigung kommt und gleichzeitig von vorne ein Auto. Ich weiche ein wenig zur Seite und schaue routiniert nach einem Schild. Dann geht es den nächsten Hügel hinauf. Oben angekommen, suche ich an der nächsten Abzweigung das Schild und finde keines. Falsch gefahren. Also wieder zurück. Ich fahre an der vorherigen Abzweigung vorbei und wende, um noch einmal genau zu schauen. Tatsächlich, da ist es.





                              Ganz deutlich, oder?





                              Nicht ärgern. Weiterfahren. Es kann nur besser werden.











                              Die Landschaft ist nun wieder sehr hübsch.











                              Als ich in Bintree eine größere Landstraße überkreuzen muss, ist es ein kleiner Realitätsschock.





                              Autos können ganz schön laut sein. An die einsamen Straßen hier kann man sich echt gewöhnen.


                              Man bemerke das nette kleine Schild auf dem Schild.





                              Richtig.









                              Foulsham.






                              Wieder einmal etwas Gesellschaft. Meine gefiederten Freunde.









                              Es dauert, bis sie sich erinnern, dass sie fliegen können.








                              Und immer wieder die Suche nach den Schildern.





                              So gut ich es verstehen kann, dass man nicht überall die Schilder anbringen kann oder will, so ist es doch recht quälend, wenn man das System nicht durchschaut, nach dem die Schilder vergeben werden. Die Unsicherheit, falsch zu sein, zerrt an den Nerven. Es ist immer so leicht, zu sagen, falls man falsch ist, fährt man eben wieder zurück. Aber wenn man nicht weiß, wie eine Strecke beschaffen ist oder eine Strecke hügelig ist, kommt man auf diese Weise schnell an sein Limit. Im Gegensatz zu meinen sonstigen Touren will / muss ich ja ein bestimmtes Ziel erreichen und kann nicht beliebig abkürzen.





                              Ein Lieferwagen taucht hinter mir auf, und ich weiche nach links aus, da die Straße eng ist. Zwei Männer Anfang zwanzig sitzen drin, ein Dicker und ein Schmaler. Sie scheinen nicht besonders helle zu sein. Der eine wedelt hektisch mit seinem Smartphone rum. Sie halten neben mir und fragen mich, wo der nächste Ort sei. Ich sage ihnen, sie sollen zur Hauptstraße zurückfahren, ich hätte keine Ahnung. Irgendwohin wird die Straße schon führen. Außerdem hätten sie doch ein Smartphone.
                              Sie gucken mich an, als wäre ich ihnen zu doof, sagen bye und geben Gas. Kurz darauf kommen sie zurück. War wohl nichts. Wundert mich nicht. Mein Gesichtsausdruck ist wohl nicht der richtige. Sie machen die Scheibe herunter und beschimpfen mich wüst. Kopfschüttelnd gebe ich Gas. Was für Bekloppte. Kurz darauf sehe ich, dass ein riesiger Schaflaster die Straße versperrt. Anscheinend ist das hier eine landwirtschaftliche Nutzstraße. Die Jungs kamen hier wohl nicht durch. Ich muss grinsen. Sieht so aus, als waren sie nicht belastbar.

                              Ein großer Hof kommt in Sicht. Man bemerke das Schwein auf dem Eingangspodest. Eine Schweinefarm. Auf der anderen Seite des Tors ist noch eines.





                              Traktoren überholen, und ich mache wieder brav Platz.





                              Es geht nun weiter Richtung Guestwick. Dann bin ich kurz vor Reepham.








                              An den Verschluss des Gatters habe ich mich langsam gewöhnt. Die ersten Mal hatte ich mich damit sehr schwer getan.


                              Ein Campingplatzschild.





                              Und das ist Whitwell.





                              Es geht nun steil bergab. Routinemäßig schaue ich nach Radwegschildern. Ein rotes Schild, auf dem Marriott´s Way steht, befindet sich auf der rechten Seite. Anscheinend ein Wanderweg. Ich sause in das Tal. An der nächsten Gabelung befinden sich keine Schilder. Ich fahre dennoch noch weiter. Wieder eine Gabelung. Aber hier müsste ein Schild stehen, denn es ist eine T-Gabelung. Also wieder zurück und das letzte Stück schieben. Ich gehe wieder zur der Stelle zurück, wo ich das letzte Foto gemacht habe. Und dann noch einmal gaaaanz langsam den Berg herunter.


                              Mist. Das habe ich einfach nicht gesehen.





                              Wieder eine ehemalige Eisenbahnroute. Damit habe ich nicht gerechnet.





                              Und nun heißt es wieder: Fahrrad fahren. Was für eine Erlösung, einfach radeln zu können, ohne ständig auf die Schilder zu starren. Allerdings ist mir auch klar, dass ich diese ehemalige Bahnstrecke ohne die Beschilderung nie gefunden hätte. Eins muss man den Planern lassen. Es sind wirklich tolle Strecken dabei.

                              Noch eine kurze Krise, als ich auf den eigentlichen Weg stoße: Rechts oder links? Ich entscheide mich für links. Richtig.








                              Und nun heißt es: Go.











                              Herbst.





                              Interessantes Schild.





                              Eine alte Station.








                              Kurz vor Morton. Freie Sicht.








                              Ein kleiner Campingplatz, ob er Zelte nimmt, weiß ich nicht mehr. Mein Ziel ist Norwich.














                              Gegen 16.00 Uhr, kurz vor Taverham wird die Strecke befahrener. Es sind einige Radler unterwegs. Als ich mich wieder einmal einer Querstraße nähere, bekomme ich plötzlich Sehprobleme. Es ist ein sehr unangenehmes Gefühl. Gleichzeitig merke ich, dass ich keine richtige Kontrolle mehr über meinen Körper habe. Ich quere noch die Straße, dann halte ich hinter der nächsten Holzschranke sofort an. Ich schmiere mir zwei Brötchen mit Schmelzkäse und trinke das Joghurt aus. Kurz darauf geht es mir wieder besser.
                              Ein Ehepaar kommt aus der Richtung Taverham und bewundert mein Gepäck. Wir reden ein wenig, und ich bin so clever, zu fragen, ob Norwich einen Campingplatz hat. Eigentlich ist mir immer noch nach einer Hotelunterkunft zumute, aber es wäre besser, wenn ich dafür einen echten Grund hätte. Einen fehlenden Campingplatz, zum Beispiel. Die Frau nickt. Ja, Norwich hat einen Campingplatz. Da war sie mal vor Jahren, sie erinnert sich nur noch, dass er neben der Eisenbahn ist. Es war furchtbar laut. Sie lacht aus der Erinnerung heraus. Klingt nicht, als wäre der Platz sehenswert. Ein Grund mehr, ein Bett zu suchen.





                              Wieder einmal eine Brücke. Und sofort fällt mir das lohnende Fotomotiv auf.








                              Es ist eine Brücke über den Fluss Wensum, der mir bereits in Great Ryburgh und Fakenham begegnet ist.





                              Achtlos fahren Radfahrer an dem Fotomotiv vorbei. Es ist nun halb fünf und es scheint der Feierabendradelverkehr zu sein. Einige machen um diese Zeit ihren Abendsport, andere kommen von der Arbeit und radeln nach Hause.








                              Auf der rechten Seite befindet sich ein abgeerntetes Maisfeld. Nur eine Pflanze ist stehen geblieben. Absicht, vermute ich. Dennoch fasziniert der Anblick. Erst als ich neben ihr bin, fotografiere ich. Zu spät, das Anfangsmotiv war schöner, aber zurückfahren möchte ich nicht mehr.








                              Und dann bin ich bereits in Norwich. Zunächst geht der Radweg noch durch einen Park. Dann stehe ich unmittelbar an einem Kreisverkehr.





                              Einerseits bin ich darüber froh, endlich mein Ziel erreicht zu haben. Andererseits habe ich absolut keine Lust, nun ein Hotel zu suchen. Ich habe auch überhaupt keine Lust auf eine Großstadt. Auf den Lärm, die Leute. Norwich. Puh.





                              Norwich ist auch nicht unbedingt flach. Schon bald muss ich anfangen zu schieben. Aber zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass mir diese Stadt gefällt. Es ist eine junge Stadt. Eine pulsierende Stadt. Eine interessante Stadt. Das erste Mal verspüre ich Lust, eine Stadt zu besichtigen. Studentinnen und Studenten prägen das Stadtbild. Auffällig viele Asiatinnen in Studentenuniform. Pubs. Irische Kneipen. Ein mittelalterlicher Stadtkern. 134.000 Einwohner hat Norwich, doch auffallen tut das nicht.





                              Hotels oder ein B&B sehe ich allerdings nicht. Tatsächlich führt der Nordseeküstenradweg zuverlässig durch Straßen, in denen es weder Hotel noch B&Bs gibt. Man bräuchte Internet, um sie zu finden. Hostels gibt es hier auch.
                              Ich suche in meinem Navi nach dem Campingplatz und zu meiner Überraschung liegt er in der Richtung, die ich morgen einschlagen muss. Ohne Nachzudenken schiebe ich mein Rad durch die Innenstadt und fahre immer weiter. Norwich hat ein Schloss, aber obwohl ich gar nicht so weit davon entfernt bin, sehe ich es nicht.
                              An einer Kreuzung lenkt mich mein Navi nach rechts den Berg hoch. Rechtzeitig sehe ich noch, dass ich auch unten herum fahren kann, also bergab. Gar nicht einfach, wieder über die Straße zu kommen. Nicht überall gibt es Ampeln. Als Fußgänger oder Radfahrer läuft man einfach los, wenn die Autos halten. Ein Hauch von Neapel in England. Die Engländer wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist. Ich nicht.

                              Ich bin nun südlich von Norwich und biege auf einen anderen Radweg ab, der zum Campingplatz führen soll. Viel Hoffnung mache ich mir nicht. Vor meinem geistigen Auge rechne ich mit einem vernachlässigten Wohnmobilplatz neben den Eisenbahnschienen. Ich ärgere mich, dass ich die Frau nicht explizit gefragt habe, ob man da zelten kann. Aber ich schätze mal, man kann. Sonst hätte sie etwas gesagt.

                              Eine Hauptverkehrsstraße, vierspurig. Es dauert, bis mich die Ampeln hinüber lassen. Hier soll ein Campingplatz sein? Ich befürchte immer Schlimmeres. Ich bin kurz vor der nächsten Kreuzung, als ich ein kleines Schild entdecke. Ich biege in eine Straße ein. An der Ecke steht ein Gasthaus. The Cock Inn. Ob man dort etwas essen könnte?

                              Der Platz entpuppt sich als eine Norwich Camping und Caravanning Club Site. Gepflegte Wohnmobile. Schöne Anlage. Einfache Gebäude. Die Rezeption ist geschlossen. Ich suche etwas herum und ein netter Mann kommt. Er will mich anmelden, aber es klappt nicht richtig, weil sein Computerprogramm muckt. Ich erfahre, dass es für Backpacker einen eigenen Tarif gibt. 7 Pfund 20 kostet die Nacht. Ich zahle.
                              Meine Frage nach dem Gasthaus beantwortet er mit der Speisekarte. Ich solle da unbedingt essen gehen. Die Preise sind in Ordnung, das Essen gut. Er hat Recht, das Essen ist preiswert. Sollte ich wirklich heute etwas zu essen bekommen? Der Platz gefällt mir immer besser. Ich will mir nun einen Platz bei den Wohnmobilen suchen, aber so einfach ist das nicht. Mitkommen, sagt er geheimnisvoll.
                              Er führt mich zum Hauptweg, dann geht es über eine nette Wohnmobilwiese, schließlich geht es einen kleinen Weg entlang und zuletzt stehen wir vor einer riesigen Wiese. Das ist der Platz für die Backpacker, sagt er stolz. Es gibt sogar Fahrradständer. Er strahlt.





                              Hammer. Es ist der lauteste und der stadtnaheste Platz, dem ich auf der ganzen Tour begegnet bin und gleichzeitig ist es der Platz mit dem höchsten Outdooranteil. Der Platz liegt direkt am Fluss und am Cock Inn ist Kanueinsatzstelle. Ein ganzer Platz nur für Zelter. Nicht zu fassen. Instinktiv überlege ich, ob man hier nicht mal ein ods Treffen machen könnte. Nur die Sanis kommen mir etwas weit vor, aber später werde ich eine Abkürzung finden und dann ist das in Ordnung.

                              Blick zum Wohmobilzeltplatz.





                              Der Fluss Yare.








                              Unglaublich. Outdoor in the City. Im Sommer muss das hier ein Traum sein. Mit Ausnahme der Stechmücken, natürlich.





                              Aber die Frau hatte Recht. Der Platz liegt an der Bahn.





                              Auch die Straße ist laut. Egal. Ich habe Ohropax dabei.

                              Ich fahre mit dem Rad zum Duschen und frage, ob ich an dem Zaun der Sitzgruppe das Fahrrad anschließen darf. Aber sicher.
                              Ich dusche und wasche ein paar Sachen aus. Diese feuchte Luft lässt den Schweiß nicht richtig trocknen, und ich kann mich selbst nicht mehr riechen. Die Dusche ist einfach und natürlich nicht ganz insektenfrei, aber wunderbar heiß. Mal wieder genieße ich, dass es in England keine Duschmarken gibt.

                              Mit dem Fahrrad fahre ich erneut zu den Sanis, um den Mann zu fragen, ob ich irgendwo meinen Kameraakku laden kann. Er packt Akku und Adapter in die Rezeption. Er ist sowieso um 7.00 Uhr wach, denn er muss die Schranke öffnen. Als ich das Fahrrad nehmen will, schüttelt er den Kopf. Das lohnt sich nicht. Das Gasthaus ist doch direkt neben dem Platz. Er hat Recht.

                              Ich betrete das Cock Inn. Ein paar Leute sitzen am Tisch. Ich setze mich zunächst und begreife dann, dass man sein Essen am Tresen bestellen muss. Hinter dem Tresen steht ein Schrank von einem Mann. Penibel schreibt er meine Bestellung auf. Er ist sicherlich nicht der Kopf, aber die gute Seele.

                              Ich bestelle ein kleines Glas Cider – was er nicht ganz verstehen kann, Cider trinkt man nur aus großen Gläsern – und Mineralwasser. Einen Fetasalat. Und ein Stück Rindfleischlasagne mit Erbsen und Chips. Mein Körper braucht Fleisch.
                              Während ich auf das Essen warte, schreibe ich den Tag auf. Die Bedienung schaut etwas pikiert. Aber es ist eben netter, sich zu beschäftigen, als einfach so alleine am Tisch zu sitzen und zu warten. Köchin scheint eine hagere, ältere Frau zu sein. Ob es ein Familienbetrieb ist? Ich weiß es nicht. Der Salat ist exzellent. Und als dann das Hauptgericht kommt, bin ich begeistert.





                              Kartoffeln! Echte Kartoffeln! Ich kann es nicht fassen. Eigentlich mag ich Kartoffeln gar nicht so gerne, aber heute ist es genau das, was ich brauche. Die Chips knabbere ich als Nachtisch. Die Ehepaare vom ersten Tisch machen es sich mit Whisky und Kakao in der Sitzgruppe im Raum gemütlich. Sie lächeln hinüber. Geraucht wird vor der Tür.

                              Was ich bezahle, weiß ich nicht mehr. Ich glaube 14,40 Pfund. Das ist absolut angemessen. Noch während des Zahlvorgangs, räuspert sich der Wirt und meint, so, jetzt solle ich doch mal sagen, was ich hier so mache. Ich erzähle, dass ich den Nordseeküstenradweg radele, und er ist schwer beeindruckt. Ja, er kannte da auch mal jemanden, der sei durch Europa geradelt. Seins wäre das ja nicht. Und da wären ziemlich viele Berge gewesen, hatte der erzählt. Weit sei er nicht gekommen.
                              Als ich mich verabschiede, wirkt der Wirt sehr zufrieden. Vielleicht haben sich seine Annahmen bestätigt oder er hat jetzt neuen Gesprächsstoff gefunden, den er anderen mitteilen kann.

                              Es ist dunkel, als ich mein Fahrrad hole und zu meinem Zelt schiebe. Die Straße ist etwas leiser geworden. Als ich schon eingeschlafen bin, dreht ein Motorradfahrer so laut auf, dass selbst Ohropax nichts hilft. Ich wünsche mir ein Gewehr. Kurz darauf schlafe ich wieder tief und fest. Ist ja schließlich eine Outdoorwiese.
                              Zuletzt geändert von Torres; 22.10.2014, 20:48.
                              Oha.
                              (Norddeutsche Panikattacke)

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                                #75
                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                Schnell, schnell, schnell.

                                Mi, 17.09.2014
                                Norwich – Wickham Market, 115 km

                                Am Morgen hängen die Wolken sehr tief. Es ist unbeschreiblich feucht. Die Radhose, die gestern abend schon fast trocken war, ist klitschnass. Mein Hemd ebenfalls. Alles ist klitschnass.





                                Ich packe konzentriert. Ich muss heute Ipswich erreichen. Laut Fingermessmethode auf meiner Karte könnte es realistisch sein, wenn ich meine Kilometerleistung um ca. ein Drittel steigere. Alles wird davon abhängen, wie hügelig ist, wie die Wegbeschaffenheit ist und vor allem wie viele Umwege der Radweg heute macht. Das erste Mal wird mir so richtig deutlich, dass mir die Zeit wegrennt. Sollte ich heute Ipswich schaffen, könnte ich morgen in Harwich sein und mit der Nachtfähre übersetzen. Dann könnte ich übermorgen vielleicht noch Richtung Amsterdam radeln. Sollte ich keinen Platz in der Nachfähre bekommen, müsste ich am Samstag ab Rotterdam nach Hause fahren. Diese Zugverbindung war aber nicht sehr strategisch günstig, wenn ich mich richtig erinnere. Sollte auch diese Option sich verzögern, wird es Sonntag werden. Und Montag muss ich wieder bei der Arbeit sein. Das ods KCP-Treffen kann auf jeden Fall streichen. Mir fehlen genau die Tage, die am Anfang der Reise durch Ostfriesland geradelt bin.

                                Ich fahre zur Rezeption, um meinen Akku zu holen. Der Mann ist längst wach. Seine Frau und er wohnen in einem Wohnwagen an der Sitzgruppe, und als ich mein Wasser nachfülle, reden wir noch etwas. Ipswich ist weit. Sehr weit. Er macht sich sichtbar Sorgen, als er im Geiste die Straßen durchgeht. Ich weiß, sage ich. Es kommt auf die Routenführung an. Sonst muss ich irgendwo in der Mitte Pause machen oder den Zug nehmen. Er nickt.
                                Ich frage, ob Ipswich einen Campingplatz hat. Er erinnert sich nicht. In Ipswich gibt es aber eine Jugendherberge. Assoziationen von Wärme, Heizung, Essen überfluten mich. Das wäre natürlich nicht schlecht. Diese Feuchtigkeit macht langsam keinen Spaß mehr und ein Ruhetag könnte jetzt endlich auch mal nicht schaden.
                                Bei dem Wort Hoek van Holland bekommt er ein kleines Leuchten ins Gesicht. Er ist früher oft nach Holland gefahren. Aber heute nicht mehr. Er lacht, als er sich erinnert. Das waren noch Zeiten. Seine Frau schaut mich unverwandt an, sagt aber nicht, was sie möglicherweise gerne sagen würde. Das Geld reicht heute einfach nicht mehr. Mal wieder wird mir bewusst, in was für einem reichen Land wir leben. Sollte es bei uns einmal abwärts gehen, werden wir uns sehr wundern. Auf den Abstieg sind wir nicht vorbereitet.

                                Durch das Gespräch ist es kurz nach halb acht geworden, aber das Reden hat gut getan. Wenn ich alleine reise, mag ich es, wenn es Leute gibt, mit denen man reden kann und die sich kümmern. Es ist eine Möglichkeit, seine Erlebnisse zu teilen. Für Selbstgespräche ist noch Zeit genug.
                                Ich bedauere, so unter Druck zu sein. Ich wäre gerne noch einen Tag geblieben.


                                Das Gasthaus von gestern.





                                Der Autoverkehr ist sehr laut und dröhnt in meinen Ohren. Nach all diesen Tagen der Stille ist das nur schwer zu ertragen. An einem kleinen Kiosk erwerbe ich Joghurt und Milch. Die Milch trinke ich sofort. Sie hat mir schon die letzten Tage sofort wieder Kraft gegeben. Schüler und Berufstätige kaufen Kleinigkeiten. Es ist Berufsverkehr.

                                Ich finde den Weg schnell, da ich ja gestern schon hier entlang geradelt bin. Einige Leute fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. Am Ende des Ringes biege ich rechts ab und dann geht es kurz darauf in eine Seitenstraße. Am Ende der Straße befindet sich ein Holzschild. Ich befinde mich in einem Park.





                                Das sollte an sich richtig sein, denn es wäre naturnah. Aber Schilder gibt es hier nicht. Ich fahre bis zum Infocenter, aber es gibt kein Radwegschild. Bisher gab es an solchen Punkten immer eines. Ich bin unsicher.





                                Also fahre ich zurück zur Straße ganz am Anfang. Nein, nichts übersehen. Es ist richtig. Ich durchquere ein Wohngebiet, es ist die einzige Abbiegung an der Straße. Nichts. Der Park muss richtig sein. Ein Jogger sieht mich und fragt, ob er helfen kann. Er weiß auch nicht, wo der Radweg verläuft, aber er vermutet, dass er durch den Park führt, die Straße überquert, über den schmalen Pfad durch den Wald führt und dann am Fluss entlang verläuft. Genau verstehe ich nicht, was er meint, weil ich die Gegend noch nicht kenne. Vor Ort wird es enorm helfen.

                                Und nun, wo ich Hilfe hatte, finde ich auch das Schild. Es ist unter der Tempoangabe. Das nächste Mal nehme ich ein Fernglas mit.





                                Der Umweg hat mich gute 10 Minuten gekostet. Ich habe es schließlich eilig. Der Park ist still und schön. Im Sommer wird hier ein lebendiges Treiben sein. Ich kann es förmlich vor mir sehen. Der See gehört zum Fluss Yare, der sich kurz zuvor mit dem Fluss Wensum vereint hat.





                                Irgendwann kommt dann auch ein kleiner Aufkleber. Viel zu spät für mein Empfinden. Ich sause den Weg entlang. Er lässt sich wunderbar fahren.





                                Vorbei geht es an Parkinfrastruktur. Hier werden im Sommer die Familien sitzen und picknicken. Die Luft wird voller Lachen sein. Eine interessante Stadt mit einem schönen Umfeld. Das hätte ich nicht gedacht. Es folgt die Straße, die mich bald darauf über die Hauptverkehrsstraße führen wird.





                                Wenn mich richtig erinnere, ist die Straße für den öffentlichen Verkehr nicht freigegeben. Nur Radfahrer dürfen passieren. Sie führt nämlich direkt am Wasserwerk vorbei.





                                Nun geht es auf einen schönen Singletrack.





                                Ich habe das Glück bergab zu fahren. Es ist eine wirklich schöne Strecke. Anspruchsvoll und naturnah.








                                Was für ein gelb in dieser neblig-tristen Umgebung. Schade, dass der Zweig stört.





                                Kurz darauf ist der Weg leider schon zu Ende. Nur mit äußerster Mühe quetsche ich mich durch das Gatter. Ein Rätselraten beginnt.





                                Links herum oder rechts herum? Ich schaue im Navi nach und links herum geht es wohl zum Fluss. Der Mann hatte ja etwas von Fluss gesagt. Die Gegenprobe bestärkt mich, denn das Radwegschild am Gatter sieht man, wenn man von links kommt. Also biege ich links ab.





                                Der Fluss.





                                Es ist feucht, kalt und menschenleer. An den Wochenenden oder in den Ferien wird es hier wunderschön sein. Ich kann förmlich das Sirren der Luft hören. Heute ist davon nichts zu spüren. Ein Mann hat hier zu tun und läuft zum Anleger.





                                Kurz darauf geht es steil einen Hügel hinauf. Flüsse eben. Der Hügel erinnert mich an den Waseberg in Blankenese. Ein paar Villen stehen herum.





                                Endlich kommt nun auch die erlösende Nachricht, dass ich richtig bin. Doppelt hält besser. Hätte ich mir das nur gemerkt.





                                Die ersten Esskastanienigel liegen auf der Straße. Es sind die vertrockneten. Aber dennoch. Der Herbst beginnt.





                                In Surlingham mache ich einen unverzeihlichen Fehler. Das Schild sagt, dass ich mich halbrechts halten soll. Gemeint ist, dass ich rechts abbiegen soll. Verstehen tue ich, dass ich nach der Kurve den Linksabzweig nehmen soll. Das liegt einerseits daran, dass für mich rechts abbiegen ein Rechtspfeil wäre und anderseits an genau diesem Schild hier, das so deutlich ist, dass ich es nicht ignorieren mag.





                                So fahre ich den Hügel hinunter. Eine Gabelung, aber kein Schild. Ich fahre auf der Hauptstraße bis ans Ende des Ortes, bis ich sehe, dass die Wegweiser mich zu einer Fähre leiten. Das kann nicht richtig sein und ist auch nicht richtig. Ich fahre zurück und versuche es mir dem anderen Zweig der Gabelung. Es endet am Ted Ellis Nature Reserve auf einem Feldweg. Bilder.
                                Ich würde das Reservat ja gerne erkunden, aber mir rennt die Zeit davon. Einen Moment überlege ich, einfach mein Fahrrad an einer Wiese zur Straße hoch zu schieben. Aber mit derartigen Aktionen habe ich schon wehr schlechte Erfahrungen gemacht. Ein Wassergraben oder zuviel Schlamm und es dauert ewig. Also radele ich die ganze Straße wieder zurück. Ein junger Mann, der spazierengeht, kann mir auch nicht helfen. Es gibt keine Abkürzung.

                                Ich schiebe das Fahrrad die Straße hoch und nun, aus dieser Perspektive, sehe ich den zusätzlichen Hinweis. Verdeckt von den Bäumen klebt eine kleine rote eins am Schild.





                                Ich überlege, ob ich den anderen Aufkleber abreissen soll, aber ich weiß nicht, ob man das darf. Das Foto zeigt, dass das anscheinend auch schon andere versucht haben. Der Umweg hat mich eine halbe Stunde gekostet. Es ist jetzt Viertel vor zehn.

                                Die Landstraße lässt sich zur Abwechslung sehr gut fahren. Autos gibt es nur wenige, und die Straße ist übersichtlich und breit genug. Hier die Stelle, die ich schiebenderweise herausgekommen wäre.





                                Bei Claxton mache ich kurz eine Pause und esse ein Joghurt. Ich bin hungrig, ich habe heute morgen nicht gefrühstückt. Das Essen von gestern hatte ausgereicht.

                                Sehr gerne wäre ich nun weiterhin der Straße gefolgt, aber sie biegt ab, und ich darf man wieder schieben. Der Blick zurück.








                                Wieder fühlt es sich an, als würde es regnen. Aber es ist nur die Feuchtigkeit. Meine Radhose klebt am Körper, und ich fahre mich gerade wund. Ich merke es und kann doch nichts machen. Etwas anderes anziehen wäre keine Lösung. Dann würden andere Stellen wund. Es ist so feucht, dass es mir schwer fällt zu schalten. Die Hand rutscht einfach ab. Die Straße heißt Gentlemen´s Walk.





                                Gegen 11.00 Uhr erreiche ich Chedgrave. Eine Bäckerei. Ich entscheide mich, Pause zu machen.





                                Sie ist einfach ausgestattet, backt aber frisch. Ich erwerbe ein Pasty, ein Pie, ein paar Brötchen und ein französisches Baguette. Wüsste ich das, was ich heute weiß, hätte ich den Laden leer gekauft. Die Sachen schmecken göttlich.


                                An einer Bank esse ich das heiße Onion and Cheese Pie. Wow. So etwas Leckeres habe ich selten gegessen. Es ist so heiß, dass ich mir fast die Lippen verbrenne. Die Füllung tropft auf mein Hemd. Eine Frau um die zwanzig schimpft mit ihrem gepiercten, nicht gerade aktiv wirkenden Partner, der wie ein begossener Pudel vor ihr steht. Entweder hat er die falschen Getränke gekauft oder zuviel Geld ausgegeben.





                                Es ist jetzt 11.03 Uhr.





                                Die Kirche von Loddon.





                                Kurz darauf komme ich an die Schnellstraße, die in der Nacht meine Nachtruhe beeinflusst hat. Ich bin 16 km von dem Campingplatz entfernt. Innerlich breche ich zusammen. Das ist das, was ich so hasse. Man fährt und fährt und hat sich kaum von der Stelle bewegt. Es ist jetzt 11.15 Uhr, und ich habe in 3,5 Stunden 34,2 Kilometer zurückgelegt.





                                Ein netter Mensch hat sich wohl erbarmt.





                                Andererseits wäre die Schnellstraße auch keine Lösung. Es dauert gute drei Minuten, bis ich sie überquert habe.





                                Ein Schild, ein Schild.





                                Tristesse.





                                Ich befinde mich jetzt auf einem Höhenzug und schlagartig wird es ländlicher.





                                Gegenkontrolle. Richtig.





                                Meine Hose reibt und ich versuche, sie etwas zurecht zu rücken. Das Ergebnis der Bemühung ist, dass eine Naht ein Stückchen aufreißt. Es ist so feucht, dass sie sich nicht bewegen lässt. Auch das Schalten fällt wieder schwer. Aber für Handschuhe ist es zu warm, das Wetter ist wieder ungeheuer seifig. Radhandschuhe habe ich nicht dabei, normalerweise brauche ich die nicht. Aus Zeitgründen machen ich die Bilder jetzt während der Fahrt.











                                Ein merkwürdiges, ein wenig unheimliches Gebäude taucht auf. Erst sieht es aus wie ein antikes Gemäuer, dann entpuppt es sich als Wasserturm.





                                Ein Mann in Sicherheitsweste läuft herum und telefoniert. Vor dem Turm steht ein offizielles Nordseeküstenradwegschild. Erstaunlich, wo man die Wegweiser überall findet. Eine Logik kann ich bisher nicht erkennen.





                                Nach Norwich sind es 19 Meilen. Das wären 30 Kilometer. Mit den Umwegen kommt das vielleicht sogar ungefähr hin, obwohl ich gefühlt schon erheblich mehr gefahren bin.





                                Was an der einen Stelle zu wenig ist, ist an der anderen Stelle zu viel.











                                Aber ich bin darüber sehr dankbar. Es erleichtert die Orientierung ungemein, und ich komme gut voran.





                                Ich fahre übrigens gerade durch die Norfolk Broads. Klick. Eine Landschaft aus Flüssen, Seen und Sumpfgebieten. Die Broads (Feuchtgebiete) haben Nationalpark Status. Leider bekommt man als Radfahrer von der Landschaft nur wenig mit. Bedauerlich. Landschaftsbilder mache ich daher keine.


                                Und dann bin ich plötzlich in Suffolk. Es ist jetzt zwanzig nach zwölf.





                                Die Brücke quert den Fluss Waverney, der die Grenze bildet. Ich befinde mich in Beccles. Die Fahrt über Beccles ist einer der typischen Umwege, die der Nordseeküstenradweg nimmt. Vermutlich sollten dem Radfahrer die Norfolks Broads nahe gebracht werden.








                                Beccles ist ein hübscher Ort und tut mir den Gefallen, eine perfekte Beschilderung aufzuweisen. So radele ich einfach hindurch und mache aus Dankbarkeit ein Foto von der Figur. Danke schön.








                                Neben mir taucht ein Sportfeld auf, und es ist schon ungewöhnlich, Schülern im Oberhemd beim Fußballspielen zuzuschauen. Aber das hat Stil.








                                Die High School. 1632 gegründet. Da tobten bei uns gerade die Bauernkriege.





                                Ein Vater mit seiner Tochter kommt mir entgegen. Anscheinend gibt es hier Mittagspausen. Die Tochter ist zwar schon hochgewachsen, aber noch nicht in der Pubertät. Sie trägt lange Zöpfe. Stolz schaut der Vater mich an. Kurz darauf begegne ich einer Jugendlichen. Die beiden sind sich gar nicht so unähnlich. Auch sie hat die Haare zu einem Zopf gebunden, aber unter dem Rock sieht man Netzstrümpfe und sie ist umhüllt von einem Nebel von Parfum. Nicht mehr lange und der Vater wird seine Tochter nicht mehr wiedererkennen.

                                Verfahren kann man sich hier nun nicht, wenn man weiß, wo Ringsfield ist. Es ist jetzt 13.00 Uhr.





                                Dösig liegt eine Katze auf dem Feld. Als sie mich sieht, richtet sie sich auf. Schade.








                                Wieder habe ich das Gefühl, es würde regnen.





                                Aber auf der Straße sieht man nichts.





                                Immerhin habe ich jetzt das Gefühl, gut voranzukommen. Auch wenn die Straße nicht schnurgerade zum Ziel führt, so sehe ich doch auf dem Navi den Fortschritt. Das macht Mut. Denn noch habe ich gut zwei Drittel der Strecke von heute vor mir. Es ist zwanzig nach eins.


                                Das Schild verstehe ich nicht. Hauptsache ich weiß, wo es entlang geht.





                                Die Schilderlogik ist jetzt dergestalt, dass nur ausgeschildert wird, wenn eine Abzweigung ist. Das System ist zunächst etwas ungewohnt, wird sich aber als absolut verlässlich herausstellen. Die Beschilderung scheint also abhängig von der Grafschaft zu sein und möglicherweise auch von den dortigen Freiwilligen, welche die Route pflegen.





                                Dass von nun an die Bahnhöfe systematisch mitausgeschildert sind, ist mir da noch nicht bewusst. Die Sonne ist herausgekommen, aber trocknen tut sie nichts. Die Feuchtigkeit ist immer noch sehr hoch. Sitzen kann ich schon lange nicht mehr richtig. Die Druckstellen tun weh. Ich werde heute abend blutig gescheuert sein. Hätte ich mehr Zeit zur Verfügung, würde ich die Strecke teilen. Aber ich muss sehen, dass ich weiter kommen. Noch einen Tag Schmerzen, dann geht es sowieso nach Hause.





                                Erst denke ich, es ist ein Kunstobjekt.





                                Nein, es ist eine Landmaschine. Hier befindet sich ein Gestüt.





                                Als ich vorbeikomme, schläft der Hund wohl gerade. Dafür überfällt er den netten Rennradler, der mir freundlich grüßend entgegenkommt, als ich die Pferde fotografiere. Ich will ihn gerade von hinten fotografieren, als der Hund aus der Einfahrt geschossen kommt und das Fahrrad anspringt. Mit Mühe kann sich der Radler auf dem Rad halten. Die Flüche kann ich hier nicht wiedergeben. Man hört sie meilenweit.





                                Der Hund scheint zufrieden.





                                Der Weg ist landschaftlich sehr hübsch.





                                Der Ort heißt Ilketshall und anscheinend ist man hier stolz auf seine Natur.








                                Ich mache eine kurze Pause in der Sonne und esse den Rest die Cornish Pasty. Unerreichbar. Ich hätte mehr mitnehmen sollen. Sie schmeckt wie in Cornwall. Ein Auto kommt vorbei. Es hat eine orangene Farbe, die mir die Fußnägel hochklappt. Ich habe nichts gegen orange, aber dieses orange ist nicht zu fassen. Geschmäcker sind verschieden.

                                Die Schilder werden nun grün.





                                Spektakulär ist die Landschaft nicht. Ich ertappe mich dabei, dass ich finde, dass es jetzt überall gleich aussieht. Felder, Bäume, Dunst. Es geht jetzt nur noch um Strecke zu machen.











                                Wieder meine Lieblingsbahnübergänge. Wie lange ist das her? Ewig.





                                Schnell husche ich über den Übergang. Eine Frau kommt mir entgegen und fragt, wo ich hinwill. Ich sage: „Harwich – Hoek van Holland“. Sie lächelt und fragt, wo aus Holland ich denn käme? Ich sage, ich käme aus Deutschland, und sie ist überrascht. Ich spräche Holland aus wie ihr Ex-Mann. Er war aus Delft. Ich versuche das zu ergründen, finde aber keine Lösung. Erst zu Hause wird mir aufgrund der Verwunderung eines guten Bekannten auffallen, dass ich seit Holland das Wort Holland völlig anders ausspreche als zuvor. Nämlich holländisch. Sie hatte Recht.

                                Landschaftlich wird es jetzt wieder interessanter, denn die Sonne kommt heraus.





                                Auf dem folgenden Bild fliegt gerade eine Drohne durch das Bild. Die Vergrößerung zeigt, dass es wohl ein Käfer ist.





                                In den Büschen summt es so laut, dass es schon fast Lärmbelästigung ist.





                                Halesworth.





                                Ungefähr die Hälfte der Strecke ist geschafft. Laut Luftlinie. Es ist jetzt halb drei.

                                Das Nordseeküstenradwegschild zeigt nach links, es ist ein Bahnhofszeichen dabei. Ich biege ab. Und begreife zunächst nicht, dass es hier zum Bahnhof geht. Und nur zum Bahnhof. Zwar kommt mir die Sache komisch vor, denn ich sehe das:





                                Aber als ich nähertrete, sehe ich hinter dem Zaun das Radwegschild 1. Anscheinend muss ich den Bahnhof queren.

                                Ein Herr mit Koffer erklärt mir, dass man den Bahnhof über die Gleise wechselt. Sie sind gerade hier angekommen.





                                Okay. Dann los. Es warten Menschen auf der anderen Seite. Der nächste Zug ist nicht mehr weit. Stop. Look. Listen.











                                Auf der anderen Seite angekommen, geht eine Wohnstraße den Berg hoch. Das kann nicht richtig sein. Merkwürdig. Da bin ich doch gerade hergekommen. In der Tat. Das Schild ist das Schild der Gegenrichtung. Ach, war die Unterteilung in a und b in Holland bequem.





                                Also wieder zurück.





                                Und kaum habe ich das Gleis gequert, rollt ganz langsam rückwärts der Zug nach Ipswich ein. Und ich sehe ihn kommen und denke, wenn ich jetzt Zug fahren wollte (was ich natürlich nicht will, denn sonst heißt es ja wieder, ich würde zuviel Zug fahren), wäre das das perfekte Timing. Einfach einsteigen und davonfahren. Was für ein Zufall.

                                Und hätte ich jetzt nur ansatzweise Verstand, dann hätte ich dieses Zeichen als Zeichen verstanden und hätte mich in diesen Zug gesetzt und wäre nach Ipswich gefahren. Dort hätte ich mir ein Bett im Hostel reserviert und am Abend das Nachtleben erkundet, um meinen letzten Tag in England stilvoll mit einem großen Glas Cider zu genießen. Und wäre dann morgen nach Harwich weitergeradelt, um abends auf der Fähre Platz zu nehmen.

                                Aber leider habe ich keinen Verstand. In den nächsten Stunden werde ich ausreichend Zeit haben, darüber ausgiebig zu sinnieren. Ich fahre also weiter.


                                Zuletzt geändert von Torres; 23.10.2014, 18:45.
                                Oha.
                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                Kommentar


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                                  Fuchs
                                  • 16.02.2005
                                  • 2155
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                                  #76
                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                  Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                  Andererseits wäre die Schnellstraße auch keine Lösung. Es dauert gute drei Minuten, bis ich sie überquert habe.
                                  Naja, wie man's nimmt... Wie haben beim Verlassen Norwichs wie du Probleme mit der Ausschilderung gehabt. Allerdings sind wir auf der Schnellstraße gelandet. So richtig mit Mittelleitplanke und - Gott sei Dank - (wenn auch schmalem) Seitenstreifen. In der Hoffnung darauf, auf eine kleinere Straße zu kommen, haben wir sogar noch auf die Schnellstraße 47 in Richtung Great Yarmouth gewechselt. (Diese 4,5 km dürften zu den aufregendsten Radkilometern meines Lebens gehört haben - Übrigens hat nicht ein einziger Autofahrer gehupt oder uns irgendwie bedrängt, das wäre in D sicher anders gewesen.) Nach den 4,5 km jedenfalls kam etwas, womit nun wirklich nicht zu rechnen war: ein Pfad, der von der Schnellstraße runter und nach 50 Metern auf den Nordseeküstenradweg führte.


                                  Der Weg nach Norwich hinein war für mich auch nicht ohne Probleme: Der Radweg war gesperrt und die Ausweichroute führte - natürlich passend zur Feierabendzeit - eine stark befahrene Serpentinenstrecke hinauf. Ich habe NICHT geschafft sie komplett hochzufahren und musste schieben. Einen Fußweg gab's nicht.

                                  Nichts desto trotz: Norwich selbst hat mit gut gefallen.

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                                  • Torres
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                                    • 16.08.2008
                                    • 30801
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                                    #77
                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                    Wenn ich das jetzt mit meiner Garminkarte bzw. meiner eigenen Route vergleiche, seid ihr eine Abzweigung zu früh abgebogen und dann am Wasserwerk wieder auf den Weg gekommen.

                                    Ich fand die Autofahrer in dieser Region übrigens auch ziemlich okay. Bis auf den Motorradfahrer in der Nacht . Dass die Schnellstraße aufregend war, glaube ich Dir sofort!
                                    Oha.
                                    (Norddeutsche Panikattacke)

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                                    • Torres
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                                      • 16.08.2008
                                      • 30801
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                                      #78
                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                      Watt mutt, datt mutt.


                                      Zunächst bin ich mit meiner Entscheidung sehr zufrieden. Ich finde das passende Schild und quere den Ort.





                                      Kurz darauf bin ich in einer wundervollen Landschaft. Anscheinend ein Park. Er grenzt an die Eisenbahn.





                                      Ich möchte mich dennoch versichern, ob ich richtig bin und frage ein Ehepaar, das hinter mir geradelt ist. Ja, ich bin richtig. Sie fahren E-Bike. Der Mann hat es gerade geschenkt bekommen und kann mit ihm noch nicht ganz umgehen. Er fährt Schlangenlinien und es ruckelt, als er anfährt. Die Frau zeigt ihre Freude. Jetzt ist er wieder mobil.








                                      Auf den Wiesen weiden großen Rinderherden. Nur durch Rüttelgitter von der Stadt getrennt. Ein Foto von ihnen mache ich nicht.














                                      Eine kleine Steigung. Vielleicht ist sie der Grund für das E-Bike.





                                      Hoffe ich.


                                      Es wird jetzt wieder etwas hügeliger, aber die Strecke ist noch akzeptabel.








                                      Die Kirche von Peasenhall. Es ist jetzt 16.00 Uhr.





                                      Hübsch aufgereiht stehen die Häuser an der Landstraße.





                                      Und dann ist Schluss mit lustig. Unvermittelt wird es richtig hügelig. Aber es sind nicht die Hügel, die ich so mag, sondern enge, uneinsehbare Hügel. Auf der Straße „Bremsbelag“. Muss das sein? Das Sinnieren über meinen Verstand beginnt.





                                      Ich geben mein Bestes. Manchmal kann ich fahren, manchmal muss ich schieben. Es ist hier längst nicht so hilly wie Lincolnshire, aber immer noch hilly genug. Ich fluche. Hätte ich Verstand gehabt, hätte ich die Bahn genommen. Immer, wenn es darauf ankommt. Warum passiert das immer mir.


                                      Der nächste Bahnhof ist in Saxmundham. 11 Meilen bis zur nächsten Bahn. Empört weise ich das Ansinnen von mir. Man hat ja seinen Stolz. Ich biege ab und bereue es kurz darauf wieder. Anscheinend bin ich in einem Zustand, der einer Gehirnwäsche ähnelt.





                                      Ein furchtbarer Verdacht keimt in mir auf. Sollte diese Strecke vielleicht eine lokale Radroute sein? Für irgendwelche Wochenendradfahrer, die von Bahnhof zu Bahnhof radeln, den ganzen Tag Zeit haben und endlich mal etwas erleben wollen? Oder wurde sie von irgendwelchen sportlichen, zwanzigjährigen Rennradlern ausgesucht, die mit der Bahn aus der Stadt hinausfahren, um sich auszutoben? Anders kann ich mir die Streckenwahl nicht erklären.








                                      Einen Blick für die Natur habe ich jetzt kaum noch. Mal abgesehen davon, dass es hier landschaftlich nicht mehr so abwechslungsreich aussieht. Dazu sind die Hügel wiederum zu flach. Vermutlich haben die Rennradler genau die Straßenbreiten ausgesucht, die besonders hügelig sind. Damit die Reiseradler ihren Spaß haben. Harharhar. Wie spaßig.
                                      Ehrlich gesagt glaube ich aber, sie haben sich nichts dabei gedacht. Es ist hier eben so.


                                      Wieder wird es diesiger. Meine Hose reibt weiterhin. Schmerzdoping, das einen weitertreibt.





                                      Immerhin sind dann auch mal Straßen dabei, die man ausfahren kann. Der Straßenbelag bleibt katastrophal.





                                      Okay. Manchmal ist es hier doch ganz hübsch.





                                      Ich setze mir eine Deadline. Ich fahre bis 17.00 Uhr und dann suche ich mir ein B&B. Wo ich dann auch immer bin. Campingplätze sehe ich im Navi keine und wenn, sind sie nicht am Weg. Das Risiko, Umwege zu fahren, die sich als Sackgasse entpuppen, möchte ich nicht eingehen.








                                      Zwischendrin habe ich kleine Tiefs und überlege, dass ich jetzt einfach mein Zelt irgendwo auf ein Privatgrundstück stelle und hoffe, dass man mich verhaftet. Dann bitte ich die Polizei, mich nach Ipswich zu fahren und alles wird wieder gut.


                                      Brabling Green. Ein Weingut. Es ist jetzt zehn vor fünf.





                                      Ich bin nun kurz vor Framlingham. Und meine Laune ändert sich schlagartig. Wunderschön. Das hier ist bestimmt ein netter Ort.








                                      Auf dem Sportplatz trainieren Soldaten.


                                      Etwas später sehe ich die Burg in voller Pracht. Das sieht nach Tourismus aus. Es müsste hier doch B&Bs geben. So ein nettes, gemütliches Bett und am Abend dann Essen gehen und einen kleinen Stadtbummel machen. Ah, das wäre doch ein schöner Abschied.








                                      Am Kreisverkehr frage ich einen gutgekleideten Mann nach Unterkünften. Er mir mitteilt, dass es ein B&B am Gewerbezentrum gibt. Als ich nach Alternativen frage, ist er etwas ungehalten. Es sei das einzige, was er kenne, er sei hier auch nur Gast.

                                      Ich folge seinem Hinweis, obwohl das B&B nicht an meiner Route liegt. Es ist Berufsverkehr, und ich brauche ewig, um die Straße zu überqueren. Das Station Hotel taucht auf. Es ist ein Pub, aber ein Schild lässt auf Vermietung schließen. Gemütlich sieht es nicht aus.
                                      Ich will einen Weinhändler nach dem B&B fragen, er ist aber mit einer kapriziösen Kundin beschäftigt, die durch den Laden trillert. Daher halte ich einen jungen, tiefenentspannten Mann an. Kennt er nicht. Wäre ja nicht weit, ich soll doch einfach vorbeischauen.

                                      Der Ort ist nun zu Ende und ich werde langsamer. Ich hätte zwar Lust, ein Zimmer im Ort zu mieten, aber nicht das Bedürfnis an einer Ausfallstraße zu übernachten. Die Vision eines funktionellen Kleinhotels taucht vor meinem Auge auf, und ich merke, ich habe keine Lust auf Gewerbezentren. Der nachträgliche Blick auf die Straßenansicht zeigt mir, dass ich wohl richtig gelegen habe. Ich biege in eine Tankstelle ab, kaufe Mineralwasser und frage die Frau hinter dem Tresen. Von dem B&B am Gewerbezentrum weiß sie nichts. Aber sie kennt ein B&B an der Schule. Sie erklärt den Weg, den ich mir aber leider nicht vollständig merken kann.

                                      Ich fahre zurück. Ich schiebe die hügelige Straße hoch und halte Ausschau nach dem B&B. Die Schulstraße finde ich noch, aber dann sehe ich keine Schilder. Sollte ich jetzt die vierte oder die dritte links? Keine Ahnung mehr. Menschen sind keine zu sehen. Weiter. Es ist jetzt halb sechs.

                                      Archies Camping weist einen Campingplatz auf einer Farm aus. Ich bin skeptisch, denn ich vermute, dass es ein Caravan Park ist. Aber es hilft nichts. Das ist meine letzte Hoffnung. Bisher hat Archies immer funktioniert. 3 Meilen ist er entfernt. Ich gebe Gas.
                                      An der angegebenen Stelle taucht eine Farm taucht auf , aber es gibt weder ein Schild noch sehe ich eine Zeltwiese oder Wohnmobile. Ein junge Frau kommt zufällig auf dem Rad vorbei, und ich frage, ob sie weiß, ob hier ein Campingplatz ist. Nein. Sie bleibt stehen.
                                      Ich sehe eine Frau auf dem Hof und rufe. Sie kommt zum Zaun und ist sofort äußerst ungehalten. Sie ist der Typ eigenbrötlerische, hagere Pferdebesitzerin Mitte 50. Sie wirkt, als wäre sie mit Gott und der Welt im Clinch. Hier wäre vor Jahren mal ein Wohnmobilstellplatz gewesen und den gäbe es aber schon lange nicht mehr. Sie könnte nicht verstehen, dass immer noch Leute kämen. Sie wolle damit nichts zu tun haben. Neulich waren wieder Leute aus Holland da.
                                      Ich frage, ob Sie einen Campingplatz wüsste. Nein. Und es wäre auch nicht ihr Problem.

                                      Das Mädel steht immer noch da und überlegt laut mit. Der Frau wird daraufhin etwas milderer Stimmung und ihr fällt darauf hin noch Charsfield ein (ich glaube mich zu erinneren, dass es Charsfield war. Es war ein Ort mit C.). Es seien nur 1,5 Meilen. Ich müsse nur den Weg hinunterfahren und dann immer geradeaus. Aber Charsfield liegt nicht am Weg und mein Navi findet dort auch keinen Camingplatz. Möglicherweise verwechselte sie Charsfield mit Cretingham, denn dort gibt es einen Campingplatz am Golfplatz. Mit dieser Angabe, hat die Frau ihre Pflicht getan und stapft missmutig zu ihrem Haus. Sie zu fragen, ob ich dennoch hier zelten könnte, wage ich nicht.

                                      Ich wende und gebe Gas. Was soll ich auch anderes tun. Das Mädel fährt hinter mir her und fragt, ob ich okay sei. Ich sage ja, aber eigentlich bin ich stinkwütend. Auf mich (weil ich nicht Bahn gefahren bin), auf die Frau (hätte mir ja eine Wiese anbieten können), Archies Camping (wieso stimmte die Angabe nicht) und dann wieder auf mich (wieso kann ich nicht schneller radeln) und auf mich (hätte ich nicht nach B&Bs gesucht, wäre ich schon viel weiter). Das Mädchen fragt, was ich denn jetzt vorhätte. „Ich fahre jetzt nach Ipswich. Und wenn ich vom Fahrrad falle.“, knurre ich. Sie könne mir einen Tee anbieten, sagt sie tröstend. Sie wohne gar nicht weit weg in Framlingham. Sie ist wirklich nett. Ich halte kurz an und bedanke mich herzlich. Aber Umwege kann ich jetzt nicht mehr machen. Ich muss morgen mindestens Ipswich erreichen und wenn das so weiter geht, ist Ipswich noch weit. Irgendetwas wird mir schon einfallen. Mir ist noch immer etwas eingefallen. Ich biege in den Radweg ein, während sie nach Framlingham weiter fährt.

                                      Die Umwege haben mich fast eine Stunde gekostet. Es ist jetzt Viertel nach sechs. Eine Zeitlang komme ich gut voran, dann gibt es wieder Schiebestrecken.








                                      Ich suche im Navi nach einer Lösung, finde aber keine. Es hilft nichts. Ich muss auf ein Wunder hoffen. Die Sonne geht bald unter.





                                      Schön, oder? Das muss ich nun auch einmal zugeben. Diese Momente möchte ich nicht missen.





                                      Zwei Rennradler überholen mich und grüßen. Ich rufe, ob sie mir helfen können und sofort bremsen sie ab und fahren neben mir her. Einen Campingplatz? Nein, sie wissen keinen. Ein B&B? Vielleicht in Easton. Da gab es mal etwas. Und Wickham Market könnte ein B&B haben. Genau wissen sie es nicht, aber der Ort ist größer. Da gibt es irgendetwas. Vielleicht sogar Camping. Ich solle in Easton fragen. Mein Garmin hatte mir bereits länger ein B&B in Wickham Market angezeigt, aber der Name Checkers B&B klang wie eine Steakkette oder ein Motel. Vielleicht ist das meine letzte Rettung? Ich muss es riskieren.

                                      Ein steiler Hügel kommt, und ich bedanke mich bei den Rennradlern. Hier muss ich schieben. Sie sollen fahren. Dankbar geben sie Gas und wünschen viel Glück.

                                      Ich komme an eine Weggabelung und speichere den Punkt ein. Dann biege ich nach Easton ab. Der ehemalige Pub scheint ein gutes Restaurant zu sein, und der Besitzer bestätigt, dass ich in Wickham Market eine Unterkunft finde. In Easton gibt es nichts. An der Straße ist eine Baustelle.

                                      Ich sause ins Tal und bin in bald Wickham Market. Aber wo ist das B&B? Mein Garmin gibt mal wieder einen ungenauen Ort an. Ich frage eine Frau, die auf der Straße steht und die fragt eine andere Frau. Oh ja, Das ist der ehemalige Pub. Ein paar Meter weiter. Da sind Sie richtig. Aha. Tatsächlich, dort ist es.

                                      Ich hatte mir das B&B viel größer vorgestellt. Es scheinen nur wenige Zimmer zu sein. Vermutlich ist nichts mehr frei. Was ist das heute für ein Unglückstag, was soll ich denn nur machen. Heather. Wo bist Du? Ich brauche Hilfe.
                                      Ich trete dennoch an den Zaun. Es riecht nach frischer Wäsche. Ich öffne das Gatter und rufe in den Hof. Hübsch ist es hier. Und bestimmt teuer. Man kann in die Küche schauen, es brennt ein heimeliges Licht.

                                      Eine nette Dame kommt heraus. Sie ist der Typ „Mutter von 5 Kindern, nebenher den ganzen Betrieb schmeissen und immer gut gelaunt.“ Wenn sie einmal nicht mehr kann, bricht vermutlich alles zusammen. Ich frage sie, ob sie ein Zimmer für mich hätte. Ich bräuchte einfach nur ein Bett und einen Platz für mein Fahrrad. Oder einen Platz für mein Zelt. Sie überlegt. Ja, das Garden House wäre frei. Aber, sagt sie mütterlich, ein paar Meter entfernt ist ein Campingplatz, da hat im Sommer meine zukünftige Schwiegertochter gewohnt. Fahren Sie doch einfach dort hin, da sparen Sie viel Geld. Ich nehme für das Zimmer 60 Pfund.

                                      60 Pfund (76 Euro) sind nicht wenig, und ich bedanke mich für den Tipp mit dem Campingplatz. Einfach nur die Straße hoch. Das ist wirklich einfach. Ich greife nach meinem Fahrrad, doch in meinem Herzen gibt es einen kleinen Stich, als ich mich fortbewege. Der Geruch nach frischer Wäsche. Ein Bett wäre eigentlich auch mal schön gewesen.
                                      Ich finde die Straße sofort. Ich schiebe die steile Straße hoch und stehe etwas verloren vor einem weitläufigen Campingplatz. Er ist fast leer, die Gäste sind alle abgereist, nur ein Wohnwagen mit einem sehr großen Vorzelt ist noch am Ort. Bäume umfassen den Platz, aber ebene Stellen für mein Zelt sehe ich nicht. Der Platz scheint tief ins Tal zu gehen. Ein Grillplatz, der von schönen Sommertagen kündet. Die Schilder hängen noch herum. Wären hier viele Menschen, wäre der Platz sicherlich schön. Aber heute ist er trostlos und leer. Und ich merke, dass ich auf Zelten überhaupt keine Lust habe.
                                      Ich klingele an der Tür der Besitzer und hoffe, dass keiner da ist. Ich brauche irgendeinen Grund, um doch zum B&B zu fahren. Aber wenn die Besitzer nett sind, würde ich wohl zelten. Auf mein Klingeln reagiert niemand, aber der Mann, der in dem Wohnwagen mit Vorzelt wohnt, erklärt mir, ich solle mich irgendwo hinstellen. Die Besitzer kämen dann morgens zum Kassieren. Meine Kamera kann ich im Nebenraum aufladen. Die Sanis sind offen.

                                      Der ideale Platz. Günstig. Natur. Und trotzdem fühle ich mich unglücklich. Der Verkehr der Schnellstraße in der Nähe rauscht durch das Tal. Morgen wird wieder alles voller Nebel sein. Alles, was ich anhabe, ist feucht und wird über Nacht auch nicht trocken. Die Sonne ist bereits untergegangen, die Feuchtigkeit wird bald kommen. Jetzt das Zelt aufbauen? Duschen? Und dann die nassen Sachen im Zelt verteilen? Auf diesem leeren Platz? Ich denke an den Platz in Norwich. Ich fühlte mich so umsorgt.

                                      Der Mann ist wieder zu seinem Wohnwagen zurückgelaufen. Ich atme tief ein, und ohne mein Zutun setzen sich mein Fahrrad und meine Beine in Bewegung. Ich fahre grundsätzlich nicht zurück, das tue ich nie, und wie es kommt, dass ich mich ganz langsam dem Ausgang des Platzes nähere, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich war das nicht. Das ist ferngesteuert. Der Wohnwagen ist jetzt auf meiner Höhe. Der Mann und seine Frau machen Barbecue, der Grill bläst Rauch in die Landschaft. Sie essen. Zu mir schauen sie nicht.

                                      Und dann sitze ich plötzlich auf meinem Fahrrad und mit dem Geruch von frischer Wäsche in der Nase fahre ich so schnell ich kann zum B&B zurück. Hoffentlich ist das Zimmer noch frei. Hoffentlich. Ich habe Urlaub. Mein allerletzter Tag. Ich werde mir jetzt etwas Gutes tun.

                                      Die Frau ist erstaunt und auch ein wenig erschrocken. War ihre Empfehlung nicht gut genug? Ich versuche sie zu beruhigen. Doch. Im Sommer sicherlich einer schöner Platz. Aber heute kalt und leer. Ich möchte heute abend einfach ein Bett. (Der Campingplatz scheint tatsächlich nett zu sein: Klick. Man kann sogar Helsport Zelte mieten: Das Varanger und das Valhalla.)

                                      Sie führt mich in den Garden Room, und ich kann es gar nicht glauben. Ein großes Bett. Eine Tisch mit zwei Sesseln. Hier wird morgen das Frühstück serviert. Eine Radiatorheizung. Luxus.








                                      Auf einem Zettel trage ich meine Frühstückswünsche ein. Schon alleine die Aussicht auf Frühstück lässt den Preis für das Zimmer kleiner werden. Und ich merke, wie sich meine Anspannung löst und ich mich freue, heute etwas für mich tun zu können.





                                      Ich hole die wichtigsten Sachen mit in den Raum. Gut rieche ich nicht, das steht schon mal fest. Ich verteile meine Sachen im Zimmer. Wie schön. Dusche und Toilette nur für mich.

                                      Und dann dusche ich. Lange. Heiß. Düfte. Ich nebele den ganzen Raum mit dem bereitsgestellten blumigen Shampoo ein und fühle mich so gut wie nie in meinem Leben. Bodylotion. Ich habe immer noch den Sonnenbrand am Arm und die Hitzebläschen sind geplatzt. Das Cremen kann meinem Körper nur gut tun. Am Handballen zeigen sich dicke Schwielen. Sie kommen vom bergan fahren und dem dadurch entstehenden Druck. Meine wunden Stelle entpuppen sich „nur“ als Reibung. Sie sind zwar knallrot und tun höllisch weh, aber nässen tun sie nicht und wird nach drei Tagen verschwunden sein. Ich creme sie mit Hirschtalgcreme ein. Morgen werde ich mit der Trekkinghose fahren müssen.
                                      Ich wasche die nötigsten Dinge aus: Meine Radhose, damit ich sie sauber wegpacken kann. Das Handtuch. Der Rest kommt in einer Tüte in den Packbeutel mit der Wäsche. Die Reserveausstattung kommt ins Gepäck. Sie werde ich morgen anziehen. Ich muss sowieso für die Fähre packen.

                                      Ich stelle die Heizung auf 5 und genieße die Wärme. Der Radiator brennt die ganze Kälte und Feuchte der letzte Tage aus meinen Körper weg. Das Handtuch und die Radhose lege ich zum Trocknen darauf. Mit dem Wasserkocher koche ich einen Tee. Die Teebeutel stehen daneben. Ebenso eine große stilvolle Flasche mit entkalktem Wasser.

                                      Ich könnte jetzt indisch oder asiatisch essen gehen im Ort, aber es gerade so schön warm geworden. Ich hole das Baguette aus der Tasche und belege es mit meinem Reserve-Cheddarkäse. Es schmeckt köstlich. Essen wie in Frankreich. Wer hätte gedacht, dass es Engländer gibt, die Baguette machen können. Und dann in einem kleinen Ort. Ich hätte den ganzen Korb kaufen sollen.

                                      Das Zimmer sieht jetzt standgesgemäß unordentlich aus, und ich krieche unter die Bettdecke. Schwer liegt das Daunenbett auf mir. Das Bett ist weich, aber nicht zu weich. Ich fühle mich wie ein König in einem Schloss. Ach, ist das schön.

                                      In dieser Nacht schlafe ich ohne aufzuwachen tief und traumlos durch.


                                      Zuletzt geändert von Torres; 27.10.2014, 07:43.
                                      Oha.
                                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                                      • Torres
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                                        • 16.08.2008
                                        • 30801
                                        • Privat

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                                        #79
                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                        Abschied.

                                        Do, 18.09.2014
                                        Wickham Market – Ipswich/Harwich, 62,4 km

                                        Am Morgen trete ich aus der Tür und sehe mit einer tiefen Befriedigung dichten Nebel. Bin ich froh, jetzt nicht auf einer feuchten Wiese zu stehen, sondern luxuriös meine trockenen Sachen einpacken zu können. Schnell mache ich Ordnung in dem Zimmer, bevor das Frühstück kommt und trage die ersten Sachen zum Fahrrad.





                                        Um halb acht klopft es an der Tür und das Frühstück wird serviert. Genial, oder?





                                        Das ist die Vorspeise. Der Fruchtsalat ist großartig. Vitamine. Dann kommt der Hauptgang.





                                        Das Würstchen hatte mir die Dame empfohlen. Es ist von einem Schlachter aus der Region und schmeckt wirklich fantastisch. Das hat nichts mit den üblichen englischen Pappwürstchen zu tun, sondern schmeckt wie eine gutgewürzte grobe Bratwurst. Ich gönne mir heute diesen Luxus. Es ist ja der letzte Tag, auf meine Knie muss ich nicht mehr achten.

                                        Um halb neun verlasse ich die gastliche Stätte. Vermutlich hätte ich auch auf dem Campingplatz gut geschlafen. Aber gestern Abend war es genau die richtige Entscheidung. Ich fühle mich rundum wohl.





                                        Aus dieser Straße bin ich gestern gekommen. Einen kurzen Moment überlege ich, einfach per Navi in Richtung Ipswich zu fahren, um schneller zu sein. Aber so kurz vor dem Ziel will ich nun den Radweg nicht verlassen. Hätte ich es mal getan. Stattdessen biege ich ab.





                                        Blick zurück auf Wickham Market.





                                        Das Restaurant in Easton, in dem ich gestern gefragt habe.





                                        Die Kirche.





                                        Diese Anlage ist zu verkaufen.





                                        Die Fahrt zurück zum Startpunkt war angenehm und nicht zu steil. Bald stehe ich vor dem Schild.








                                        Meine Laune bekommt aber schon bald einen Dämpfer. Denn der Radweg ist nicht zielführend. Er macht im Zickzack einen großen Bogen und immer wieder tauchen die gleichen Ortsnamen mit ähnlichen Kilometerangaben auf. Framlingham 3 Meilen. Soweit war ich doch gestern schon.





                                        Auch hier ist es ziemlich hügelig – erheblich hügeliger als die Straße, der ich aus Wickham kommend gefolgt bin. Also heißt es an einigen Stellen wieder schieben. Eine Furt. Man beachte die Messskala. Anscheinend rechnet man hier mit sehr hohen Wasserständen.





                                        Was runter geht, geht auch wieder hoch. Die Straßen sind schmal, und die Kurven sind eng. So richtig Gas geben kann man bergrunter nicht, weil man schauen muss, was hinter der Kurve kommt.





                                        Wieder einmal Nebelbilder. Es ist sehr herbstlich geworden in den letzten Tagen.





                                        3 Meilen bis Wickham Market. Interessant. Als ich Wickham Market verließ, waren es auch 3 Meilen. Und Easton ist laut Schild eine halbe Meile entfernt. Ist das nicht schön? Da war ich vor ungefähr anderthalb Stunden schon einmal. So ganz traue ich den Zahlen nicht. Eigentlich kann das nicht sein.








                                        Nicht sehr angenehm ist außerdem der Straßenbelag. Es sind Risse im Belag oder der Belag ist sehr grob. Mit Erstaunen sehe ich außerdem, dass auf meiner Karte eine völlig andere Route eingezeichnet ist. Die Route der offiziellen Website verlief viel weiter westlich in einer relativ direkten Linie. Anscheinend wurde irgendwann die Streckenführung geändert.





                                        Die Hügel sind auch hier nicht nach meinem Geschmack. Immer wieder muss ich schieben. Hätte ich nun noch eine Woche Zeit, würde ich die Fahrt sicherlich genießen. Aber ich stehe unter Druck und so hält sich meine Begeisterung in Grenzen.








                                        In der Ferne vermutlich die Kirche von Hoo.





                                        Wieder einmal sind die Autos schnell und laut. Aber es sind wenige und eine Bedrohung sind sie nicht. Der Straßenbelag bleibt schlecht.





                                        Ich erreiche Charsfield. Sollte hier ein Campingplatz sein? Ich sehe keinen. Ich bin froh, gestern meinen eigenen Weg gefahren zu sein.





                                        Herbststimmung.





                                        Etwas weniger als 3 Meilen bis Wickham Market.





                                        Nur wo Du zu Fuß warst.....





                                        Ein Zeltplatz mit B&B kurz vor Bredfield.





                                        In Bredfield sehe ich einen Village Shop und biege in die Einfahrt ein.





                                        Er wird von Frauen betrieben, die sich zusammengeschlossen haben, um die Versorgung im Ort zu gewährleisten. Ich kaufe Geschenke für zu Hause, die sehr gut ankommen werden. Als ich die Sachen auf den Tresen lege, beginnt eine der Damen sofort an zu kassieren, obwohl ich noch Joghurt und Milch holen will. Anscheinend hat sie Angst, dass ich es mir anders überlege. Es sind selbstgemachte Handarbeitssachen, und ich schätze, sie brauchen das Geld.

                                        Eine der Frauen fragt, wo ich herkomme. Ihr Akzent kommt mir bekannt vor und tatsächlich ist sie aus Deutschland. Sie hat hierher geheiratet und erzählt, dass es in ihrer Familie viele Unglücke gab. Aber hier gab es auch viel Unglück, so einfach war das mit ihrem Mann nicht. Immer hin und her. Ob ich Lust auf einen Kaffee hätte.
                                        Neugierig und mit einem etwas scharf Tonfall fragt eine Engländerin, worüber wir reden. Ich erzähle, dass meine Gesprächspartnerin mich zu einem Kaffee einladen wollte, und sie ist ein wenig beruhigt. Vermutlich ist meine Gesprächspartnerin ein Plappermaul. Sie dürfte mindestens 70 Jahre sein. Ich hätte Lust, noch ein bisschen zu reden, aber dann schaffe ich die Strecke nicht. Wer weiß, wie weit es noch ist.
                                        Schade. Ich hätte mir einfach mehr Zeit lassen sollen. Die nächste Reise wird wieder anders.








                                        Weiter geht es. Es ist jetzt zwanzig vor elf. Die Damen in dem Village Shop haben mir gute Laune gemacht.





                                        Die Straßen sind immer noch schlecht, und immer wieder muss ich schieben. Ich hätte mir einen netteren Abschied gewünscht.











                                        Herbstblätter auf „Bremsbelag“.





                                        Ein Landrover taucht neben mir auf. Das Auto ist mit Blumen übersäht. Prilblumen. Interessant, was es so alles (noch) gibt.





                                        Eigentlich will ich nach Ipswich. Der Radweg leider nicht. Immerhin bin ich nun nach gut zwei Stunden Fahrt bereits 8 Kilometer von Wickham Market entfernt.





                                        Flach.





                                        Ich bin jetzt kurz vor Woodbridge.





                                        Und meine Stimmung sackt in den Keller. Woodbridge? Wieso Woodbridge. Ich bin eine riesige Schleife gefahren. 21 km liegen jetzt hinter mir und ich bin Ipswich nur geringfügig näher gekommen. Das darf doch alles nicht wahr sein.


                                        Dass Woodbridge eine Windmühle hat, kann mich nur wenig trösten.





                                        Windmühlen. Morgen früh bin ich vermutlich in Holland. Ich kann es noch gar nicht glauben. Vorausgesetzt, dass ich es schaffe, irgendwann einmal nach Harwich zu kommen.

                                        Ich fahre geradeaus in die Innenstadt. In der Fußgängerzone ist viel Betrieb.





                                        Da ich kein weiteres Schild sehe, quere ich sie und komme am Parkplatz eines Supermarktes heraus. Falsch. Also wieder zurück. Ein Straßenmusiker sitzt an der Ecke und spielt Gitarre. Sie ist schlecht gestimmt oder schlechter Qualität aufgrund der Feuchtigkeit, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, entweder der Gitarre oder ihm etwas anzutun. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Ich kann solche Geräusche nicht mehr ertragen. Dann schimpfe ich mit mir. So etwas darf man noch nicht einmal denken.

                                        Endlich entdecke ich das Schild. Wenn man weiß, wo es ist, ist es ganz einfach.





                                        Also noch einmal. Ich muss in die Einkaufsstraße einbiegen. Ich schiebe mein Fahrrad hindurch und mache erst in einer Nebenstraße ein Foto.





                                        Eigentlich ein hübscher Ort. Aber ich muss doch weiter. Die Kamera stellt leider nicht scharf.





                                        Ich bin jetzt wieder richtig.





                                        Eine Seniorenresidenz, wenn ich das richtig verstehe. Gegründet 1537. Gibt es bei uns auch im Jahre 1537 gegründete Altersheime?








                                        Woodbridge scheint ein zentraler Ort in der Gegend zu sein. Und hat natürlich einen Bahnanschluss. Sicherlich ein Grund, warum die Wegführung geändert wurde. Hätte ich gewusst, dass Woodbridge vom Nordseeküstenradweg durchquert wird, hätte ich gestern versucht, hier eine Unterkunft zu finden, statt in Framlingham. Ob das besser gewesen wäre, weiß ich nicht. Einen Campingplatz scheint der Ort nicht zu haben.


                                        Wieder einmal schiebe ich mein Rad eine lange Strecke den Hügel hinauf. Es ist jetzt halb zwölf. Von Ipswich bis Harwich sind es 80 Kilometer. Wie soll ich das heute noch schaffen?


                                        Und so stehe ich um zwanzig vor zwölf vor einer folgenschweren Entscheidung. Dem Nordseeküstenradweg weiter folgen bis Ipswich und dann dort fragen, ob es kurze Nebenwege nach Harwich gibt (gibt es nicht)? Und wenn nicht, die Bahn nehmen?
                                        Oder den Radweg verlassen und nach Felixstowe radeln, um dort mit der Fähre nach Harwich überzusetzen? Oder einem ganz anderen Radweg folgen?





                                        Diesem Schild zufolge geht der Radweg 1 geradeaus.





                                        Ein älterer, drahtiger Radfahrer kommt vorbei und fragt, ob ich alright bin. Ich frage ihn, ob die Fähre nach Harwich noch fährt. Ja, sagt er, die fährt bis Ende September. Ich kann ruhig über Felixstowe fahren.

                                        Einen Moment bin ich mir unschlüssig, dann entscheide ich mich für Felixstowe. Dann kann ich jedenfalls sagen, dass ich „by fair means“ nach Harwich gelangt bin. Ob die Entscheidung klug ist, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Ipswich ist geschätzt ungefähr 10 km entfernt. Ich werde es sehen.

                                        Ein schöner Radweg, das merke ich bald. Vor allem kann man hier wieder unbeschwerter fahren. Auf der linken Seite sieht man den River Orwell.





                                        Ich schiebe eine Straße hoch und zu meiner Überraschung ist die Straße klitschnass.





                                        Bald entdecke ich die Quelle. Anscheinend ist der Zustand bekannt.





                                        Moin.





                                        Fünfeinviertel Meilen. Bald entscheidet sich mein Schicksal. Ich hoffe, dass die Fähre wirklich fährt. Noch könnte ich nach Ipswich abbiegen. Eine Sekunde bin ich mir nicht mehr sicher. Aber ich habe mich entschieden. Also fahre ich jetzt weiter.





                                        Ich komme wieder ganz gut voran. Dann muss ich eine sehr große Straße überqueren, die A 14. Es gibt eine Fußgängerbrücke, wenn ich das richtig erinnere. Aber Fotos mache ich nicht.
                                        Ich erreiche Kirton und fahre in einen Kreisverkehr hinein. Ein Auto kommt in flotter Fahrt um den Kreisel gefahren, macht irgendwelche Zeichen und bremst hart in einer Parkbucht vor mir. Der Fahrer springt heraus. Was hat der denn? Ich bin so gut erholt, dass ich mich gar nicht erschrecke, ich bin nur verwundert. Interessiert der Mann sich für mich? Wieso? Ich kenne hier doch niemanden.

                                        In der Tat gilt seine Bremsung mir. Er läuft auf mich zu und es sprudelt aus ihm heraus. Er ist der Mann mit dem Rennrad, den ich vorhin nach der Fähre gefragt habe. Die Fähre fährt nicht. Er hat dort eben angerufen. Sie fährt nur bis Ende August. Es tut ihm leid.
                                        Ich bin wie versteinert. Das darf doch nicht wahr sein. Den ganzen Weg also wieder zurück. Es hätte ja heute mal gut gehen können. Wieso habe ich kein Glück?
                                        Der Mann ist wirklich zu Tode betrübt. Er hat sich umgezogen und dann das Auto geholt, um mich abzufangen. Wie gut, dass ich nicht nach Ipswich abgebogen bin, denke ich. Er hätte ewig gesucht. Aufgeregt erklärt er mir, wie ich jetzt fahren soll. Apathisch nicke ich. Er wird an einer bestimmten Stelle warten und mir dann zeigen, wie es weitergeht. Ich bedanke mich, und er entschuldigt sich noch einmal. Kein Problem. Kann er doch nichts dafür. Er setzt sich wieder ins Auto, und ich fahre los.

                                        Er steht an einer Bushaltestelle, an der die Landstraße in die Schnellstraße übergeht. Ich mache ein Foto, das weiß ich genau, aber das Foto ist weg. Ich habe es wohl gelöscht, als mir die Kamera auf der Fähre aus der Hand glitt. Das ärgert mich jetzt, auch wenn man nicht viel von ihm sah. Es war ja aus der Entfernung heraus fotografiert.
                                        Er schärft mir ein, wie ich fahren soll: Immer geradeaus. Erst dem Radweg folgen und dann immer weiter geradeaus. Die Straße ist flach. Wenn eine T-Kreuzung kommt, links abbiegen. Er hämmert mir den Weg ein, denn ich bin ziemlich orientierungslos und kann nicht glauben, dass ich hier an der Straße sicher entlang fahren kann. Erst kurz darauf sehe ich, dass an der Schnellstraße ein Radweg entlang führt.

                                        Ich bedanke mich und bin mit den Gedanken schon auf der Strecke. Ich gebe Gas. Es ist wirklich flach und der Asphalt ist gut. Zwei Mofafahrer machen Unsinn und fahren auf dem Radweg rum, aber ich fahre einfach an ihnen vorbei. Der Radweg endet und geht in eine Landstraße über. „Geradeaus. Immer geradeaus. Bis zur T-Kreuzung.“
                                        Ein Radwegschild erscheint. Der Weg geht links ab und wird wohl Nebenstraßen nutzen. Einen Moment überlege ich, dann erinnere ich mich an die Worte des Mannes: „Geradeaus. Immer geradeaus. Bis zur T-Kreuzung. Die Straße ist flach.“ Der letzte Satz gibt den Ausschlag. Bitte keine Umwege mehr. Wieder gebe ich Gas. Die Landstraße wird vierspurig, und ich fahre immer, immer weiter. Die Autos scheint das nicht zu stören, sie überholen ruhig und ohne Stress. Ich fühle mich, als würde ich fliegen. Endlich wieder Radfahren.

                                        Zwei Campingplätze in Foxhall. Sie nutzen mir nichts mehr. Ob die T-Kreuzung davor oder dahinter ist, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall biege ich irgendwo links ab.





                                        Der Verkehr wird dichter, und ich fahre immer weiter. Teilweise gibt es Radwege an der Straße. Ich lasse längst das Navi routen und rase Richtung Bahnhof. Es ist viel Verkehr in der Innenstadt, aber ich fahre schnell genug, um mitzuschwimmen. Mein einziger Gedanke ist die Fahrkarte für die Fähre. Keine Lust mehr auf irgendwelche Umwege. Ich will nach Hause. Wenn ich noch eine Chance haben sollte, dann sollte ich sie schnell nutzen, bevor die Fähre ausgebucht ist.

                                        An einer Ampel biege ich kurz in eine Seitenstraße ab. Ein Bild vom Hafen zur Erinnerung.








                                        Dann fädele ich mich wieder in den Verkehr ein. An einer Steigung schiebe ich ein Stück, frage dann aber bei einer Fußgängerin noch einmal nach. Ich bin falsch. Der Bahnhof ist im Tal.
                                        Am offenen Schalter steht eine gemütliche Britin mit afrikanischen Wurzeln und erklärt mir genau, was ich zu tun habe. Ganz kapiere ich es dennoch nicht. Nicht wegen der Sprache, sondern mir fehlt die Vorstellungskraft. Die Fahrkarte kostet um die 8 Pfund und in zwanzig Minuten kommt der Zug. Er fährt um zehn vor drei und hat das Fahrtziel London.

                                        Ich habe verstanden, dass ich ans Ende des Zuges muss, aber erst auf Nachfragen sehe ich das Fahrradsymbol am Ende des Bahnsteigs. Dort stelle ich mich hin. Die Sonne ist herausgekommen und es ist plötzlich sehr warm. Aber entspannen kann ich mich nicht. Ich bin vollgepumpt mit Adrenalin. Auf der Gegenseite nehmen zwei Radfahrer mit Mountainbikes Platz. Wo es flacher und urbaner ist, gibt es auch Fahrräder.
                                        Als der Zug kommt, begreife ich erst richtig, worum es geht. Gefahren wird hier mit einem Gepäckwagen, der sich am Ende des Zuges befindet. Ich muss das Fahrrad die Waggonstufen hochtragen und im Gepäckwagen anschließen. Dann muss ich schnell aus dem Gepäckwagen aussteigen und in den vorhergehenden Waggon umsteigen. Im Gepäckwagen darf man sich während der Fahrt nicht aufhalten.
                                        Kurz darauf setzt sich der Zug in Bewegung. Ich brauche dringend eine Toilette, aber sie scheint besetzt zu sein. In Wirklichkeit klemmt die Tür. Ich komme mir vor wie ein Depp, als eine junge Frau die Tür mit Druck geöffnet bekommt.

                                        In Manningtree muss ich umsteigen. Manningtree liegt am River Stour und man hat vom Zug aus einen Blick auf den Fluss. Ich hole schnell mein Rad aus dem Gepäckwagen, denn die nächsten Fahrräder warten schon. Der Anschlusszug steht am Gleis gegenüber. Er ist modernerer Art, und ich steige ins erste Abteil ein. Eine Frau hat ihr Fahrrad im Gang geparkt und ich schiebe es etwas zur Seite, um sitzen zu können. Sie ist ungehalten darüber und kauert sich dann wütend auf die andere Seite des Durchgangs. Als ich einen Mann mit Sicherheitsweste frage, wo ich aussteigen muss, wird sie freundlicher. Touristen halt.

                                        Der Bahnhof Harwich International geht direkt in das Fährterminal über, und natürlich ist die Fähre ausgebucht. Es gab überraschend viel Nachfrage in den letzten zwei Tagen. Morgen früh ist noch Platz. Emotionslos nehme ich die schlechte Nachricht zur Kenntnis, was soll ich auch anders tun. Ich hatte gehofft, mich morgen bereits auf den Weg nach Hause machen können. So verliere ich einen ganzen Tag und muss in Hoek van Holland übernachten. Hoffentlich bekomme ich am Samstag einen Zug. Mit Fahrrad ist das ohne Vorreservierung keineswegs einfach.
                                        Die Überfahrt kostet 40 Euro, wenn ich das richtig erinnere. Das ist günstiger als gedacht. Mit dem Ticket in der Tasche verlasse ich Harwich International.

                                        Es ist jetzt zwanzig vor vier.
                                        Oha.
                                        (Norddeutsche Panikattacke)

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                                          • 16.08.2008
                                          • 30801
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                                          #80
                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                          Am Ziel.


                                          Ich fahre mit dem Aufzug nach unten und komme auf der Freifläche des Terminals heraus. Ich schiebe mein Fahrrad zum Ausgang und der Pförtner öffnet die Schranke. Ich frage ihn, wo ich mich morgen einfinden muss, und er zeigt auf die Flaggenmaste. Das ist einfach. Ich programmiere den Punkt ein.

                                          Ich wende mich in Richtung Harwich Zentrum. Dort scheint es laut meinem Navi Campingplätze zu geben.





                                          Ein Schulmädchen läuft auf dem Bürgersteig und ich spreche es an. Ja, es gibt einen Campingplatz, der auch Zelte nimmt. Sie erklärt mir altklug mit vielen überlegenden Augenbewegungen den Weg. Mein Navi zeigt mir zwei Plätze an, das scheinen sie zu sein. Ich programmiere sie ein. In Windeseile fahre ich den Hügel herunter. Ein Schild wirbt für ein günstiges B&B, aber heute habe ich dazu keine Lust. Am Kreisverkehr finde ich das Nordseeküstenradwegschild wieder und rechne die Distanz hoch. Nein, das hätte ich heute nicht geschafft. Alleine bis Colchester sind es 22 Meilen. Für die Strecke ab Ipswich braucht man einen ganzen Tag.





                                          Ich finde den Campingplatz, und er sieht auf den ersten Blick nicht besonders ansprechend aus. Immerhin steht am Eingang ein riesiges Schild, dass auch Zelte willkommen sind. Eigentlich ist alles willkommen. Der Nachbarplatz wirkt nobler und hat auch eine normale Rezeption, aber er nimmt keine Zelte auf. Ich fahre zurück und finde den Betreiber. Er ist nett. Ich zahle die üblichen 10 Euro und bekomme einen Platz in der hinteren Ecke. Eine Zeltwiese gibt es nicht. Man steht auf Rasenflächen, an denen ursprünglich einmal Mobile Homes standen. Anscheindend lässt sich mit Zeltern gutes Geld verdienen. Dusche und Klo sind in einem ausrangierten Mobile Home. So sieht das also von innen aus.








                                          Immerhin funktioniert die Dusche, sie ist heiß und sauber ist es auch.

                                          Es weht ein leichter Wind und die Luft ist anders als bisher. Ich brauche etwas, bis ich die Zeichen deuten kann. Hier ist Wasser in der Nähe. Das Meer? Nein, das kann nicht sein. Harwich liegt in einer Bucht. Ich befrage ein Ehepaar, und sie erzählen mir, dass es hier einen Strand gibt. Er ist gar nicht so weit weg. Es gäbe sogar einen Fußweg, aber dazu braucht man einen Schlüssel. Aber ich hätte ja ein Fahrrad. Ein paar Meter weiter, dann an der Straße rechts und an den Sportplätzen vorbei, dann sieht man es schon. Ich schnappe mir mein Fahrrad und fahre los.

                                          Ich verirre mich zunächst in einem Wohngebiet, weil ich zu früh abbiege. Die modernen Einfamilienhäuser wirken verlassen, aber dann finde ich doch noch einen alten Mann, der mir die Richtung zeigt. Als ich in die richtige Straße einbiege, kommen mir Eltern mit ihren Kindern entgegen. Die Strandsachen in der Hand.





                                          Ich fahre an den Sportanlagen vorbei und biege in eine Promenade ein. Ich gebe Gas bis zur Kurve. Und stehe nun direkt am Wasser. Und dieses Wasser trägt einen Namen: Nordsee.





                                          Kaum zu glauben. Am letzten Tag habe ich es doch noch geschafft. Ich stehe an der Nordsee.





                                          Ein Blick auf Harwich.





                                          Auf der anderen Seite ist Felixstowe.





                                          Es ist eine besondere Stimmung hier.





                                          Fahl leuchtet die Sonne hinter den Wolken.





                                          Das Wasser gluckst und ab und zu hört man eine Möwe.





                                          Ich schaue lange auf das Meer.


                                          Und dann rekapituliere ich meine Tour. Ich habe es nicht geschafft. Nicht nur, dass ich Middlesbrough mit der Bahn umfahren habe. Auch die Strecke nach Harwich habe ich nicht geschafft. Ich bin mit dem Zug gefahren. Auf den letzten Metern habe ich versagt. Ich wollte die Strecke vollständig fahren. Es fehlte ein zusätzlicher Tag. Und ich fühle mich erschöpft und leer.

                                          Aber dann rede ich ein ernstes Wörtchen mit mir. Letztes Jahr konnte ich noch nicht einmal laufen und Fahrrad fahren schon gar nicht. Ich sollte dankbar sein. Ich bin einen großen Teil des Nordeeküstenradwegs Englands gefahren und nun stehe ich tatsächlich in Harwich. Nicht in Hull, sondern in Harwich. Es hätte auch Hull sein können. Ich bin geschätzte 1300 oder 1400 km gefahren (Genau sind es bisher 1414 km). Und hatte keine Panne. Ich sollte dankbar sein.





                                          Und dann bedanke ich mich bei dem Hauptprotagonisten dieser Tour: Meinem Fahrrad. Ohne es hätte ich diese Tour nicht machen können. Zuverlässig hat es mich an mein Ziel getragen. Danke schön.





                                          Langsam fahre ich nun zurück. Gleich wird es kalt und feucht werden, und ich habe Hunger. An einem öffentlichen Wasserhahn fülle ich mein Trinkwasser auf.





                                          Eine Familie ist noch hier und sitzt vor ihrer Hütte.





                                          Überhaupt die Hütten. Sehen sie nicht wunderbar aus? Dieses Foto ist für lina.





                                          Lina mag nämlich englische Strandhütten, wenn ich das richtig erinnere.








                                          Einen Moment überlege ich, ob ich mich noch an den Strand setzen soll.





                                          Aber ich habe meine Jacke im Zelt gelassen. So genieße ich aus der Ferne.





                                          Ein letzter Blick zu den Hütten.





                                          In der Ferne machen Mannschaften Sport.








                                          Und während ich so zuschaue, wird mir bewusst, wie fremd mir dieses Land doch eigentlich ist. Ich spreche zwar seine Sprache, aber ich gehöre hier nicht hin. Ich weiß weder, wie es ist, hier zur Schule zu gehen, noch, wie es ist, hier in einem Sportverein zu sein oder hier zu arbeiten. Ich weiß so viel über das Land, aber wenn ich ehrlich zu mir bin, so sehe ich es mit dem Blick desjenigen, der auf Reisen ist. Kann man ein Land kennen, in dem man nicht geboren ist? Der Mann keucht seinem Hund hinterher.




                                          Nachdenklich radele ich zum Platz zurück.








                                          Ein paar Mobil Homes weiter wirft ein Mann den Grill an. Ich koche meine restlichen Nudeln und esse sie mit dem Tomatenketchup. Morgen will ich um fünf Uhr aufstehen. Die Fähre hat ab 7.00 Uhr Check-In.





                                          Ich stelle das erste Mal seit drei Wochen den Wecker und lausche dem Geräusch der Möwen. Dann schlafe ich ein.
                                          Zuletzt geändert von Torres; 28.10.2014, 19:55.
                                          Oha.
                                          (Norddeutsche Panikattacke)

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