AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route
Es wird.
Mo, 08.09.2014
Sunderland - Seaham; Saltburn-by-the-Sea – Hinderwell, 18,4 km
Am Morgen ist es immer noch kalt. Seit Februar hatten wir im Norden – bis auf zwei oder drei Wochen im August – wunderbares Wetter und die Vorstellung, dass der Herbst kommt, ist sehr ungemütlich. Aber es hilft nichts. Ich muss Wasser wegbringen und pelle mich aus meinen Schlafsäcken. Schnell ziehe ich mich an und hole meine dünne Polarloftinnenjacke aus dem Reservebeutel. Auch die wollene Wintermütze schadet nicht.
Ich packe zusammen. Das Außenzelt ist klitschnass, aber das Innenzelt ist wie immer trocken. Also trenne ich wieder das Innenzelt vom Außenzelt. Diese Version lässt sich auch viel besser im Packbeutel verstauen.
Die deutschen Zelter sind ebenfalls aufgestanden, und ich laufe zu ihnen, weil mich ihr Vorhaben interessiert. Sie besitzen ein Nallo. Von ods haben sie noch nie etwas gehört. Sie laufen den Hadrian`s Wall Path. http://www.nationaltrail.co.uk/hadrians-wall-path. Ihr Auto werden sie an einem Hotel parken, das extra Parkflächen für Wanderer bereit hält. Die Unterkünfte sind vorgebucht.
Die Sonne erzeugt ein farbenprächtiges Morgenrot,

doch kurz darauf verschwindet sie hinter den Wolken. Ein Blick zurück.

Als ich den Platz verlasse, schlafen die Engländer von gestern noch. Ich mache ein paar Erinnerungsfotos und bin wieder auf der Landstraße von gestern. Vor dem Wäldchen habe ich gestern gestanden und telefoniert.

Das dezente Schild.

Heute wird es fast nur bergab gehen, das ist günstig. An einer Kreuzung sehe ich ein Radwegschild und erhoffe mir, dass der Weg nach Seaham führt. Gestern kam hier ein Radler heraus. Der Bereich ist videoüberwacht.

Es macht Spaß, ihn zu radeln, aber leider knickt der Weg ab und ich kann nicht erkennen, ob er nicht ganz woanders hinführt. Mein Navi hilft hier leider nicht weiter und Radfahrer oder ortskundige Spaziergänger sehe ich auch nicht. Das erste Mal merke ich, dass ich in meiner Flexibilität ohne topografische Karten sehr eingeschränkt bin. Erst viel später werde ich erfahren, dass es Spezialkarten für Radfahrer gibt, auf denen die Radwege verzeichnet sind. Sie sind bei Sustrans erhältlich, die den Nordseeküstenradweg in England zusammenstellen. Die offizielle website des Nordseeküstenradwegs weist sogar darauf hin, aber die Information ist mir in der Vorbereitung entgangen.
Ich wende, denn sicher ist sicher und fahre das Stück zurück. In der Ferne sieht man Seaham. Ich brauche übrigens noch einen Tag, um zu bemerken, dass der etwas dunklere Streifen am Horizont das Meer ist. Die Kamera bildet den Kontrast deutlicher ab, als er ist.

Bald bin ich in Seaham.

Noch bin ich unentschlossen, ob ich tatsächlich mit dem Zug fahren soll. Heather hatte mir geraten, in der Leihbücherei, die auch eine Touristinformation ist, nach Routen und Unterkünften zu fragen. Aber als ich mein Fahrrad durch Seaham schiebe, vergeht mir dazu die Lust. Der Ort wirkt deprimierend und es scheint, als würde jeder, der es sich leisten kann, wegziehen.

Die Menschen auf den Straßen sehen müde aus und schauen mich gleichgültig oder ablehnend an. Wer Arbeit hat, ist jetzt sicherlich nicht unterwegs, und ich tue Seaham vielleicht Unrecht, aber was ich sehe, beeinflusst natürlich meine Stimmung. Ich verspüre wenig Lust, hier zu bleiben. Durch das Schieben gerate in ins Schwitzen und ziehe die Wintermütze und die wärmende Jacke aus. Vergeblich halte ich nach dem Supermarkt von gestern Ausschau. Ich hatte einige Straßen wiedererkannt, aber wohl anscheinend eine Abzweigung verpasst. So finde ich nicht wieder. Aber dort hätte ich mein Fahrrad auch nicht unbewacht abstellen mögen, genausowenig, wie ich es an der Tankstelle tue, die ich nun passiere. Es erscheint mir einfach zu riskant.
Ich finde die Schilder zum Bahnhof und entscheide mich, vernünftig zu sein. Die Hilflosigkeit von gestern möchte nicht nicht noch einmal erleben und auf eine zweite Heather kann ich mich nicht verlassen. Wäre ich in Begleitung, würde ich wohl weiterfahren, aber alleine habe ich ein Bedürfnis nach Sicherheit. Zwei mit billigem Schmuck behängte, übergewichtige Teenies in britisch-pink (Bonbonfarben) laufen affektiert vor mir her. Ich frage sie nach dem Bahnhof und sie geben mir richtig nett Auskunft. Man soll Menschen nicht nach dem Aussehen beurteilen. Ich fotografiere die Stelle, wo ich Heather getroffen habe und ringe noch einmal kurz mit mir. Geradeaus geht eine ruhige Straße in Richtung Meer. Aber die Warnung von gestern hat gewirkt. Ich gebe mir einen Schubs. In 12 Minuten fährt der Zug.

Vor mir liegt das falsche Gleis. Ich muss eine Unterführung durchqueren, um zum anderen Bahnsteig zu kommen. Als ich ihn endlich erreiche, sehe ich, dass der Automat auf der anderen Seite ist. Ich überlege, ob ich ohne Fahrkarte einsteigen soll und erklären soll, ich hätte die Funktionsweise des Automaten nicht verstanden, aber mein Sinn für Korrektheit lässt sich nicht manipulieren. Ich rase mit dem Fahrrad auf die andere Seite und hechte zu dem Automaten. Er ist defekt. Also rase ich wieder zurück. Ein paar Geschäfte befinden sich in Bahnhofsnähe, aber ich kann nicht erkennen, ob ein Kiosk dabei ist. Es scheint eine Agentur zu sein. Ich habe Hunger und esse ein Stück Lakritze. In Redcar muss ich mir etwas zu essen suchen.
Der Zug kommt pünktlich und es ist ein Züglein. Eher ein Schienenbus. 2 Waggons. Es gibt einen Abschnitt für Fahrräder, und ich kann mich sogar setzen. Die Schaffnerin kommt. Ich zahle 10 Pfund für ein Ticket nach Redcar. Die Fahrt geht holprig an der Küste entlang und ab und zu habe ich Seeblick. Die von mir auf der offiziellen website gefundene Route wäre dagegen im Landesinneren verlaufen.
Ein Meer von Häusern. Wie fühlt man sich, wenn man in so einer Enge aufwächst?

Golfplatz

Kohle und Stahl.

In Middlesbrough muss ich umsteigen, der Zug fährt am gleichen Bahnsteig. Er ist erheblich moderner als der erste, aber auch nicht sehr lang. Ich komme mit einem Mann ins Gespräch und als ich erzähle, dass ich Richtung Whitby fahre, fragt er mich, warum ich denn nicht in Saltburn aussteige, der Zug endet dort. Die Gegend dort ist sehr hügelig und sehr schwer zu fahren. Da ich ja nun sowieso schon Zug fahre, kommt es auf ein paar Meter auch nicht mehr an und ich frage den Schaffner, wieviel die zusätzliche Strecke kostet. Nichts. Meine Fahrkarte geht auch bis Saltburn. Also bleibe ich sitzen. Zu meiner Überraschung ist die Strecke Redcar – Saltburn flach und ich ärgere mich ein wenig. Diese 6 Kilometer hätte ich auch noch geschafft. Aber bekanntlich sind bestimmte Dinge Schicksal.

Als ich in Saltburn-by-the-Sea aus dem Bahnhof komme und überlege, wo ich hier etwas zu Essen finden könnte, spricht mich ein Mann an und fragt mich, ob das ein Elektro-Bike sei. Ich verneine verwundert, und er zeigt auf mein Bordo Granit Schloss. Er dachte, das sei ein Akku. Er erzählt mir, dass er ein E-Bike hatte und der Antrieb defekt ist. Man kann den Dingern nicht trauen. Ich wolle mit dem Fahrrad weiterfahren? Dazu ist es hier doch viel zu steil. Ähm ja.

Zwei ältere Herren auf dem Fahrrad sehen, dass ich etwas suche und gesellen sich zu mir. Was ich suchen würde? Ich erkläre ihnen, dass ich dringend etwas zu essen brauche, und sie erklären mir den Weg zum besten Sandwichgeschäft der Stadt. Ob mein Fahrrad da sicher sei, frage ich? Sie bieten mir an, mich zu begleiten und warten total nett vor dem Geschäft, um auf mein Gepäck aufzupassen. Ich kaufe für 5 Pfund ein belegtes Sandwich (Käse, Tomaten und viel Salat), ein Stück Pizza vegetarisch und ein Onion und Cheese Pie. Die Frau hinter dem Tresen hat eine mütterliche Aussstrahlung, und ich kann vorwegnehmen, dass ich noch nie so ein gutes Sandwich gegessen habe, wie hier.
Ich erzähle den beiden Männern, was ich vorhabe, und der eine legt die Stirn in Falten. Das wird schwer. Sehr schwer. „Hier ist es wie im Harz“. Ich schüttele den Kopf, der Harz ist höher, und ich wundere mich ein wenig, dass er den Harz kennt. Er war einmal in Osterode in Urlaub. Aber ich bin nun gewarnt und bedanke mich sehr herzlich bei den Herren.
Ich suche den Weg Richtung Whitby, den sie mir beschrieben haben und fahre eine Straße hinunter. Um kurz darauf geschockt mit meiner Höhenangst zu kämpfen. Steil führen die Serpentinen in die Tiefe. Oh, Leute, muss da sein? Dann schon lieber Holland.
Vorsichtig taste ich mich ins Tal. Hoffentlich halten die Bremsen. Auf halber Höhe mache ich an einer breiteren Stelle Halt, um die Autos vorbeizulassen, die ungeduldig den Berg hinunterrasen wollen. Schnell mache ich ein paar Bilder.
Die Seebrücke.

So geht es gleich weiter.

Und dann auf dem schmalen, kurvigen Pfad wieder hoch.

Weiter unten bedanke ich mich zunächst bei meinem Fahrrad und sehe dann ein Schild, das mir bekannt vor kommt. Ach.

Ich hätte in Redcar aussteigen können, der Promenadenweg ist flach. Und er wäre Teil des Nordseeküstenradwegs gewesen. Mist. Aber ein so gutes Sandwich hätte ich da bestimmt nicht gefunden, das war also Schicksal.
Ein letzter Blick zurück.

Es geht nun den steilen Weg hinauf und ein MTBler, der mir gleich entgegenkommt, bekundet Mitleid mit mir.

Mit dem Gepäck wird das abenteuerlich, meint er. Danke. Das Schieben geht aber besser als erwartet, mein Fahrrad war schon viel schwerer. Ab und zu halte ich dennoch an, um etwas zu Verschnaufen. Und Brombeeren zu naschen, die leider noch etwas sauer sind.

Oben angekommen mache ich Fotos von Saltburn und sehe, dass es hier sogar eine Seilbahn gibt, welche die Menschen vom Strand in die Stadt bringt. Der kleine rote Kasten bewegt sich nämlich. Im Hintergrund dürfte man Middlesbrough sehen.



Der Radweg führt nun auf der Höhe entlang, was nicht heißt, dass es flach ist. Aber es ist eben auch nicht richtig steil, so dass ich teilweise fahren kann.

Es geht durch geordnete, teils spießige Wohngegenden (bewachte Nachbarschaft), kleine Zwischenräume, Parkanlagen und schon bald geht mir das ziemlich auf die Nerven. Ständig muss ich nach den Schildern suchen und ich habe das Gefühl, ich komme nicht weiter. Es sind einfach nur Umwege, um der direkten Straße aus dem Weg zu gehen.


Auch wenn es immer wieder etwas zu sehen gibt.





Um zehn nach zwei stehe ich an einem Radwegschild, das ich nicht verstehe. Ich interpretiere es so, dass der 1er hier zu Ende ist. Mittlerweile weiß ich, dass der Nordseeküstenradweg verschiedenen lokalen Routen folgt und manchmal durch diese abgelöst wird. So erspart man sich wohl eine doppelte Beschilderung. So ist es durchaus möglich, dass darauf hingewiesen werden soll, dass der Weg nach Whitby zunächst einmal der 168 folgt. Mir ist das an dieser Stelle aber nicht klar und da ich nicht weiß, wo der Weg jetzt weitergeht, bin ich misstrauisch. Ich möchte einfach nichts mehr riskieren. Einen kurzen Moment folge ich ihm noch, dann entscheide ich mich für die Landstraße.

Ich möchte endlich vorankommen und nicht mehr ewig durch irgendwelche Dörfer gondeln. Und nicht zuletzt heißt meine Route „Nordseeküstenradweg“ und die Küste habe ich schon länger nicht mehr gesehen. Ich sause die Straße hinunter und denke nur: „Das musst Du jetzt alles wieder hochschieben“, aber nun ist es zu spät. Unten angekommen wird mir klar, dass die Straße recht viel befahren ist. Aber ein Mann, den ich frage, erklärt mir, ich solle nicht den Radwegen, sondern der Straße folgen. Er verwendet ein Wort, das ich nicht kenne, aber ich vermute, da ist ein Bürgersteig. Das ist richtig, zumindest teilweise und das erleichtert den Weg. Eine zeitlang gibt es sogar einen kleiner parallellaufenden Pfad für Fußgänger in einem Waldstück, der sehr idyllisch ist. Die Sonne ist mittlerweile herausgekommen und brennt ganz schön.
Immer wieder kleinere Ortschaften.

Tolle Abfahrten (nach den Schiebestrecken).

Die nächsten Hügel drohen natürlich schon. Aber dennoch genieße ich den schönen Tag. Fahrradschieben hat etwas meditatives, wie ich finde. Ich wandere ja gerne und mit dem Fahrrad kann man dann die abfallenden und flachen Passagen wunderbar überbrücken. Als Belohnung sozusagen. Wie immer bin ich froh, dass ich mit Wanderstiefeln radele.
Dann kommt ein Moment, wo ich langsam müde werde und im Navi nach Übernachtungsmöglichkeiten schaue. Die Adressen, die mir die Frau vom Campingplatz gestern gegeben hatte, bezogen sich zweimal auf Saltburn und einmal auf Whitby. Ich gebe die Adresse des Platzes bei Whitby ein und mein Navi weist mir eine Entfernung von 15 km aus. Das ist zu weit. Bei diesen Hügeln brauche ich ewig. Ich muss wieder auf mein Glück hoffen.
Und das kommt auch. In Form eines Schildes. Hinderwell steht darauf. Hinderwell ist der nächste Ort und ca. 2 km entfernt. Hinderwell? Hieß so nicht der Campingplatz, den mir die Frau aufgeschrieben hatte?

Ich checke Archies Camping. Der Campingplatz ist aufgeführt. 2 Miles. Er liegt mitten am Weg. Ich bin erleichtert.
Ich befinde mich nun im Nationalpark North York Moors und stelle fest, dass meine und die Interpretation der Engländer, was vorsichtiges Fahren ist, ein wenig auseinander gehen.

Es gibt nun wieder einen Bürgersteig. Ein alter Mann sitzt auf einer Bank und schaut auf die Straße. Etwas später begegnet mir ein wanderndes Ehepaar mittleren Alters. Sie könnten bei ods sein. Ich grüße und frage sie, ob sie den Campingplatz kennen. Ja, den kennen sie, ein netter kleiner Platz. Er ist geöffnet. Wo ich den hinwolle. Ich erzähle ihnen, dass ich über Whitby nach Scarborough fahren werde und es so schwierig ist, Campingplätze zu finden. Nach kurzem Nachdenken sagt der Mann: „ Mit Campingplätzen kenne ich mich nicht so aus. Aber in Boggle Hole ist eine Jugendherberge, die sollten sie besuchen. Die liegt sehr abgelegen und ist wirklich sehenswert. Und fragen Sie in Whitby nach dem Cindertrack. Der Cindertrack ist eine alte Bahntrasse. Die Strecke ist flach. Den sind wir auch schon gewandert. Den müssen Sie unbedingt gesehen haben.“ Seine Frau nickt zustimmend.
Ich bedanke mich und finde, das klingt doch jetzt alles schon sehr viel besser als gestern. Vor lauter Freude mache ich Raupenfotos.


Kurz darauf finde ich den Campingplatz. Eine sehr alte Dame begrüßt mich herzlich. Auch hier gibt es ein Häuschen, in dem sich die Zelter aufhalten können. Die Dusche ist kostenfrei und ich habe die Auswahl zwischen zwei Stellplätzen. Der eine Platz ist schief, aber vermutlich unverbaubar, der Platz ist relativ gerade. Ich entscheide mich für den zweiteren, da ich guten Schlaf höher bewerte. Sofort ist das Begrüßungs- und Inspizierkommando des Platzes da und schaut, was ich da treibe.

Die (noch) unverbaute Aussicht.

Raubtierfütterung.

Ein trocknendes Zelt.

Etwas die Straße herunter gibt es einen Butcher, dessen Geschäft als kleiner Supermarkt fungiert. Ich laufe hin und bedauere mal wieder, kein Fleisch essen zu dürfen. Ich kaufe Pilze, Paprika, Broccoli, Brötchen, eine Dose gemantsche Erbsen und eine Dose Bohnen. 7 Pfund, also ca. 9 Euro. Der Fish und Chips Shop zwei Häuser weiter, den ich geflissentlich ignorieren wollte, hat geöffnet, und man sollte nie hungrig einkaufen gehen. Ein Automatismus lenkt meine Schritte in die Richtung und ohne es steuern zu können, sagt meine Stimme: „eine kleine Portion Fish and Chips“. Irgendwie erwarte ich den üblichen Fischkettenfraß, bestehend aus zur Unkenntlichkeit deformierten Fischnuggetts und bin dann überrascht, als ein echtes Fischfilet seinen Weg in die Friteuse findet.

Die Panade esse ich übrigens nicht mit. Dafür tränke ich die Chips in Essig.
Vor dem Zelt, mit Blick auf den North York Moor Nationalpark, verzehre ich meine Beute. Vielleicht war es doch ganz gut, Middlesbrough weiträumig zu umfahren. Meine Vorfreude auf die nächsten Tage steigt.
Dem Fisch folgt das Sandwichbrötchen von heute morgen und hätte ich gewusst, wie gut es schmeckt, hätte ich zwei gekauft. Für das Gemüse reicht mein Hunger leider nicht mehr. Den Rest muss ich morgen essen.

Zwei Autofahrer mit Zelt kommen und stellen ein riesiges Familienzelt genau auf den Stellplatz vor mir. Das Auto noch links daneben. Unglaublich rücksichtsvoll. Sie räumen ihr Zelt ein und nerven sich gegenseitig an. Beste Voraussetzungen für den Urlaub. Zwei Autofahrer mit einem kleinen Trekkingzelt in orange haben dagegen den Platz am Rand auf der gegenüberliegenden Seite gewählt. Das ist weit weg. Schade, ich hätte gerne noch ein bisschen gequatscht. Der Abend gestern war so lustig. Aber die Camper hier sind lieber für sich.
Ich bitte die Dame vom Campingplatz, meinen Fotoakku aufzuladen und das tut sie gerne. Sie sind morgens immer schon früh wach und übernachten in einem Wohnwagen neben der Rezeption. Sie sind schon viel gereist und waren auch in Deutschland. Sie passen auf den Hund der Tochter auf.

Es dauert nicht lange, dann wird es auch schon dunkel und da ich zum Schlafen gekommen bin, stört mich der beeinträchtigte Blick nicht mehr. Als ich in der Nacht rausmuss, leuchtet der Himmel orange. Middlesbrough. In der Tat. Man muss nicht alles sehen.
Es wird.
Mo, 08.09.2014
Sunderland - Seaham; Saltburn-by-the-Sea – Hinderwell, 18,4 km
Am Morgen ist es immer noch kalt. Seit Februar hatten wir im Norden – bis auf zwei oder drei Wochen im August – wunderbares Wetter und die Vorstellung, dass der Herbst kommt, ist sehr ungemütlich. Aber es hilft nichts. Ich muss Wasser wegbringen und pelle mich aus meinen Schlafsäcken. Schnell ziehe ich mich an und hole meine dünne Polarloftinnenjacke aus dem Reservebeutel. Auch die wollene Wintermütze schadet nicht.
Ich packe zusammen. Das Außenzelt ist klitschnass, aber das Innenzelt ist wie immer trocken. Also trenne ich wieder das Innenzelt vom Außenzelt. Diese Version lässt sich auch viel besser im Packbeutel verstauen.
Die deutschen Zelter sind ebenfalls aufgestanden, und ich laufe zu ihnen, weil mich ihr Vorhaben interessiert. Sie besitzen ein Nallo. Von ods haben sie noch nie etwas gehört. Sie laufen den Hadrian`s Wall Path. http://www.nationaltrail.co.uk/hadrians-wall-path. Ihr Auto werden sie an einem Hotel parken, das extra Parkflächen für Wanderer bereit hält. Die Unterkünfte sind vorgebucht.
Die Sonne erzeugt ein farbenprächtiges Morgenrot,

doch kurz darauf verschwindet sie hinter den Wolken. Ein Blick zurück.

Als ich den Platz verlasse, schlafen die Engländer von gestern noch. Ich mache ein paar Erinnerungsfotos und bin wieder auf der Landstraße von gestern. Vor dem Wäldchen habe ich gestern gestanden und telefoniert.

Das dezente Schild.

Heute wird es fast nur bergab gehen, das ist günstig. An einer Kreuzung sehe ich ein Radwegschild und erhoffe mir, dass der Weg nach Seaham führt. Gestern kam hier ein Radler heraus. Der Bereich ist videoüberwacht.

Es macht Spaß, ihn zu radeln, aber leider knickt der Weg ab und ich kann nicht erkennen, ob er nicht ganz woanders hinführt. Mein Navi hilft hier leider nicht weiter und Radfahrer oder ortskundige Spaziergänger sehe ich auch nicht. Das erste Mal merke ich, dass ich in meiner Flexibilität ohne topografische Karten sehr eingeschränkt bin. Erst viel später werde ich erfahren, dass es Spezialkarten für Radfahrer gibt, auf denen die Radwege verzeichnet sind. Sie sind bei Sustrans erhältlich, die den Nordseeküstenradweg in England zusammenstellen. Die offizielle website des Nordseeküstenradwegs weist sogar darauf hin, aber die Information ist mir in der Vorbereitung entgangen.
Ich wende, denn sicher ist sicher und fahre das Stück zurück. In der Ferne sieht man Seaham. Ich brauche übrigens noch einen Tag, um zu bemerken, dass der etwas dunklere Streifen am Horizont das Meer ist. Die Kamera bildet den Kontrast deutlicher ab, als er ist.

Bald bin ich in Seaham.

Noch bin ich unentschlossen, ob ich tatsächlich mit dem Zug fahren soll. Heather hatte mir geraten, in der Leihbücherei, die auch eine Touristinformation ist, nach Routen und Unterkünften zu fragen. Aber als ich mein Fahrrad durch Seaham schiebe, vergeht mir dazu die Lust. Der Ort wirkt deprimierend und es scheint, als würde jeder, der es sich leisten kann, wegziehen.

Die Menschen auf den Straßen sehen müde aus und schauen mich gleichgültig oder ablehnend an. Wer Arbeit hat, ist jetzt sicherlich nicht unterwegs, und ich tue Seaham vielleicht Unrecht, aber was ich sehe, beeinflusst natürlich meine Stimmung. Ich verspüre wenig Lust, hier zu bleiben. Durch das Schieben gerate in ins Schwitzen und ziehe die Wintermütze und die wärmende Jacke aus. Vergeblich halte ich nach dem Supermarkt von gestern Ausschau. Ich hatte einige Straßen wiedererkannt, aber wohl anscheinend eine Abzweigung verpasst. So finde ich nicht wieder. Aber dort hätte ich mein Fahrrad auch nicht unbewacht abstellen mögen, genausowenig, wie ich es an der Tankstelle tue, die ich nun passiere. Es erscheint mir einfach zu riskant.
Ich finde die Schilder zum Bahnhof und entscheide mich, vernünftig zu sein. Die Hilflosigkeit von gestern möchte nicht nicht noch einmal erleben und auf eine zweite Heather kann ich mich nicht verlassen. Wäre ich in Begleitung, würde ich wohl weiterfahren, aber alleine habe ich ein Bedürfnis nach Sicherheit. Zwei mit billigem Schmuck behängte, übergewichtige Teenies in britisch-pink (Bonbonfarben) laufen affektiert vor mir her. Ich frage sie nach dem Bahnhof und sie geben mir richtig nett Auskunft. Man soll Menschen nicht nach dem Aussehen beurteilen. Ich fotografiere die Stelle, wo ich Heather getroffen habe und ringe noch einmal kurz mit mir. Geradeaus geht eine ruhige Straße in Richtung Meer. Aber die Warnung von gestern hat gewirkt. Ich gebe mir einen Schubs. In 12 Minuten fährt der Zug.

Vor mir liegt das falsche Gleis. Ich muss eine Unterführung durchqueren, um zum anderen Bahnsteig zu kommen. Als ich ihn endlich erreiche, sehe ich, dass der Automat auf der anderen Seite ist. Ich überlege, ob ich ohne Fahrkarte einsteigen soll und erklären soll, ich hätte die Funktionsweise des Automaten nicht verstanden, aber mein Sinn für Korrektheit lässt sich nicht manipulieren. Ich rase mit dem Fahrrad auf die andere Seite und hechte zu dem Automaten. Er ist defekt. Also rase ich wieder zurück. Ein paar Geschäfte befinden sich in Bahnhofsnähe, aber ich kann nicht erkennen, ob ein Kiosk dabei ist. Es scheint eine Agentur zu sein. Ich habe Hunger und esse ein Stück Lakritze. In Redcar muss ich mir etwas zu essen suchen.
Der Zug kommt pünktlich und es ist ein Züglein. Eher ein Schienenbus. 2 Waggons. Es gibt einen Abschnitt für Fahrräder, und ich kann mich sogar setzen. Die Schaffnerin kommt. Ich zahle 10 Pfund für ein Ticket nach Redcar. Die Fahrt geht holprig an der Küste entlang und ab und zu habe ich Seeblick. Die von mir auf der offiziellen website gefundene Route wäre dagegen im Landesinneren verlaufen.
Ein Meer von Häusern. Wie fühlt man sich, wenn man in so einer Enge aufwächst?

Golfplatz

Kohle und Stahl.

In Middlesbrough muss ich umsteigen, der Zug fährt am gleichen Bahnsteig. Er ist erheblich moderner als der erste, aber auch nicht sehr lang. Ich komme mit einem Mann ins Gespräch und als ich erzähle, dass ich Richtung Whitby fahre, fragt er mich, warum ich denn nicht in Saltburn aussteige, der Zug endet dort. Die Gegend dort ist sehr hügelig und sehr schwer zu fahren. Da ich ja nun sowieso schon Zug fahre, kommt es auf ein paar Meter auch nicht mehr an und ich frage den Schaffner, wieviel die zusätzliche Strecke kostet. Nichts. Meine Fahrkarte geht auch bis Saltburn. Also bleibe ich sitzen. Zu meiner Überraschung ist die Strecke Redcar – Saltburn flach und ich ärgere mich ein wenig. Diese 6 Kilometer hätte ich auch noch geschafft. Aber bekanntlich sind bestimmte Dinge Schicksal.

Als ich in Saltburn-by-the-Sea aus dem Bahnhof komme und überlege, wo ich hier etwas zu Essen finden könnte, spricht mich ein Mann an und fragt mich, ob das ein Elektro-Bike sei. Ich verneine verwundert, und er zeigt auf mein Bordo Granit Schloss. Er dachte, das sei ein Akku. Er erzählt mir, dass er ein E-Bike hatte und der Antrieb defekt ist. Man kann den Dingern nicht trauen. Ich wolle mit dem Fahrrad weiterfahren? Dazu ist es hier doch viel zu steil. Ähm ja.

Zwei ältere Herren auf dem Fahrrad sehen, dass ich etwas suche und gesellen sich zu mir. Was ich suchen würde? Ich erkläre ihnen, dass ich dringend etwas zu essen brauche, und sie erklären mir den Weg zum besten Sandwichgeschäft der Stadt. Ob mein Fahrrad da sicher sei, frage ich? Sie bieten mir an, mich zu begleiten und warten total nett vor dem Geschäft, um auf mein Gepäck aufzupassen. Ich kaufe für 5 Pfund ein belegtes Sandwich (Käse, Tomaten und viel Salat), ein Stück Pizza vegetarisch und ein Onion und Cheese Pie. Die Frau hinter dem Tresen hat eine mütterliche Aussstrahlung, und ich kann vorwegnehmen, dass ich noch nie so ein gutes Sandwich gegessen habe, wie hier.
Ich erzähle den beiden Männern, was ich vorhabe, und der eine legt die Stirn in Falten. Das wird schwer. Sehr schwer. „Hier ist es wie im Harz“. Ich schüttele den Kopf, der Harz ist höher, und ich wundere mich ein wenig, dass er den Harz kennt. Er war einmal in Osterode in Urlaub. Aber ich bin nun gewarnt und bedanke mich sehr herzlich bei den Herren.
Ich suche den Weg Richtung Whitby, den sie mir beschrieben haben und fahre eine Straße hinunter. Um kurz darauf geschockt mit meiner Höhenangst zu kämpfen. Steil führen die Serpentinen in die Tiefe. Oh, Leute, muss da sein? Dann schon lieber Holland.
Vorsichtig taste ich mich ins Tal. Hoffentlich halten die Bremsen. Auf halber Höhe mache ich an einer breiteren Stelle Halt, um die Autos vorbeizulassen, die ungeduldig den Berg hinunterrasen wollen. Schnell mache ich ein paar Bilder.
Die Seebrücke.

So geht es gleich weiter.

Und dann auf dem schmalen, kurvigen Pfad wieder hoch.

Weiter unten bedanke ich mich zunächst bei meinem Fahrrad und sehe dann ein Schild, das mir bekannt vor kommt. Ach.

Ich hätte in Redcar aussteigen können, der Promenadenweg ist flach. Und er wäre Teil des Nordseeküstenradwegs gewesen. Mist. Aber ein so gutes Sandwich hätte ich da bestimmt nicht gefunden, das war also Schicksal.
Ein letzter Blick zurück.

Es geht nun den steilen Weg hinauf und ein MTBler, der mir gleich entgegenkommt, bekundet Mitleid mit mir.

Mit dem Gepäck wird das abenteuerlich, meint er. Danke. Das Schieben geht aber besser als erwartet, mein Fahrrad war schon viel schwerer. Ab und zu halte ich dennoch an, um etwas zu Verschnaufen. Und Brombeeren zu naschen, die leider noch etwas sauer sind.

Oben angekommen mache ich Fotos von Saltburn und sehe, dass es hier sogar eine Seilbahn gibt, welche die Menschen vom Strand in die Stadt bringt. Der kleine rote Kasten bewegt sich nämlich. Im Hintergrund dürfte man Middlesbrough sehen.



Der Radweg führt nun auf der Höhe entlang, was nicht heißt, dass es flach ist. Aber es ist eben auch nicht richtig steil, so dass ich teilweise fahren kann.

Es geht durch geordnete, teils spießige Wohngegenden (bewachte Nachbarschaft), kleine Zwischenräume, Parkanlagen und schon bald geht mir das ziemlich auf die Nerven. Ständig muss ich nach den Schildern suchen und ich habe das Gefühl, ich komme nicht weiter. Es sind einfach nur Umwege, um der direkten Straße aus dem Weg zu gehen.


Auch wenn es immer wieder etwas zu sehen gibt.





Um zehn nach zwei stehe ich an einem Radwegschild, das ich nicht verstehe. Ich interpretiere es so, dass der 1er hier zu Ende ist. Mittlerweile weiß ich, dass der Nordseeküstenradweg verschiedenen lokalen Routen folgt und manchmal durch diese abgelöst wird. So erspart man sich wohl eine doppelte Beschilderung. So ist es durchaus möglich, dass darauf hingewiesen werden soll, dass der Weg nach Whitby zunächst einmal der 168 folgt. Mir ist das an dieser Stelle aber nicht klar und da ich nicht weiß, wo der Weg jetzt weitergeht, bin ich misstrauisch. Ich möchte einfach nichts mehr riskieren. Einen kurzen Moment folge ich ihm noch, dann entscheide ich mich für die Landstraße.

Ich möchte endlich vorankommen und nicht mehr ewig durch irgendwelche Dörfer gondeln. Und nicht zuletzt heißt meine Route „Nordseeküstenradweg“ und die Küste habe ich schon länger nicht mehr gesehen. Ich sause die Straße hinunter und denke nur: „Das musst Du jetzt alles wieder hochschieben“, aber nun ist es zu spät. Unten angekommen wird mir klar, dass die Straße recht viel befahren ist. Aber ein Mann, den ich frage, erklärt mir, ich solle nicht den Radwegen, sondern der Straße folgen. Er verwendet ein Wort, das ich nicht kenne, aber ich vermute, da ist ein Bürgersteig. Das ist richtig, zumindest teilweise und das erleichtert den Weg. Eine zeitlang gibt es sogar einen kleiner parallellaufenden Pfad für Fußgänger in einem Waldstück, der sehr idyllisch ist. Die Sonne ist mittlerweile herausgekommen und brennt ganz schön.
Immer wieder kleinere Ortschaften.

Tolle Abfahrten (nach den Schiebestrecken).

Die nächsten Hügel drohen natürlich schon. Aber dennoch genieße ich den schönen Tag. Fahrradschieben hat etwas meditatives, wie ich finde. Ich wandere ja gerne und mit dem Fahrrad kann man dann die abfallenden und flachen Passagen wunderbar überbrücken. Als Belohnung sozusagen. Wie immer bin ich froh, dass ich mit Wanderstiefeln radele.
Dann kommt ein Moment, wo ich langsam müde werde und im Navi nach Übernachtungsmöglichkeiten schaue. Die Adressen, die mir die Frau vom Campingplatz gestern gegeben hatte, bezogen sich zweimal auf Saltburn und einmal auf Whitby. Ich gebe die Adresse des Platzes bei Whitby ein und mein Navi weist mir eine Entfernung von 15 km aus. Das ist zu weit. Bei diesen Hügeln brauche ich ewig. Ich muss wieder auf mein Glück hoffen.
Und das kommt auch. In Form eines Schildes. Hinderwell steht darauf. Hinderwell ist der nächste Ort und ca. 2 km entfernt. Hinderwell? Hieß so nicht der Campingplatz, den mir die Frau aufgeschrieben hatte?

Ich checke Archies Camping. Der Campingplatz ist aufgeführt. 2 Miles. Er liegt mitten am Weg. Ich bin erleichtert.
Ich befinde mich nun im Nationalpark North York Moors und stelle fest, dass meine und die Interpretation der Engländer, was vorsichtiges Fahren ist, ein wenig auseinander gehen.

Es gibt nun wieder einen Bürgersteig. Ein alter Mann sitzt auf einer Bank und schaut auf die Straße. Etwas später begegnet mir ein wanderndes Ehepaar mittleren Alters. Sie könnten bei ods sein. Ich grüße und frage sie, ob sie den Campingplatz kennen. Ja, den kennen sie, ein netter kleiner Platz. Er ist geöffnet. Wo ich den hinwolle. Ich erzähle ihnen, dass ich über Whitby nach Scarborough fahren werde und es so schwierig ist, Campingplätze zu finden. Nach kurzem Nachdenken sagt der Mann: „ Mit Campingplätzen kenne ich mich nicht so aus. Aber in Boggle Hole ist eine Jugendherberge, die sollten sie besuchen. Die liegt sehr abgelegen und ist wirklich sehenswert. Und fragen Sie in Whitby nach dem Cindertrack. Der Cindertrack ist eine alte Bahntrasse. Die Strecke ist flach. Den sind wir auch schon gewandert. Den müssen Sie unbedingt gesehen haben.“ Seine Frau nickt zustimmend.
Ich bedanke mich und finde, das klingt doch jetzt alles schon sehr viel besser als gestern. Vor lauter Freude mache ich Raupenfotos.


Kurz darauf finde ich den Campingplatz. Eine sehr alte Dame begrüßt mich herzlich. Auch hier gibt es ein Häuschen, in dem sich die Zelter aufhalten können. Die Dusche ist kostenfrei und ich habe die Auswahl zwischen zwei Stellplätzen. Der eine Platz ist schief, aber vermutlich unverbaubar, der Platz ist relativ gerade. Ich entscheide mich für den zweiteren, da ich guten Schlaf höher bewerte. Sofort ist das Begrüßungs- und Inspizierkommando des Platzes da und schaut, was ich da treibe.

Die (noch) unverbaute Aussicht.

Raubtierfütterung.

Ein trocknendes Zelt.

Etwas die Straße herunter gibt es einen Butcher, dessen Geschäft als kleiner Supermarkt fungiert. Ich laufe hin und bedauere mal wieder, kein Fleisch essen zu dürfen. Ich kaufe Pilze, Paprika, Broccoli, Brötchen, eine Dose gemantsche Erbsen und eine Dose Bohnen. 7 Pfund, also ca. 9 Euro. Der Fish und Chips Shop zwei Häuser weiter, den ich geflissentlich ignorieren wollte, hat geöffnet, und man sollte nie hungrig einkaufen gehen. Ein Automatismus lenkt meine Schritte in die Richtung und ohne es steuern zu können, sagt meine Stimme: „eine kleine Portion Fish and Chips“. Irgendwie erwarte ich den üblichen Fischkettenfraß, bestehend aus zur Unkenntlichkeit deformierten Fischnuggetts und bin dann überrascht, als ein echtes Fischfilet seinen Weg in die Friteuse findet.

Die Panade esse ich übrigens nicht mit. Dafür tränke ich die Chips in Essig.
Vor dem Zelt, mit Blick auf den North York Moor Nationalpark, verzehre ich meine Beute. Vielleicht war es doch ganz gut, Middlesbrough weiträumig zu umfahren. Meine Vorfreude auf die nächsten Tage steigt.
Dem Fisch folgt das Sandwichbrötchen von heute morgen und hätte ich gewusst, wie gut es schmeckt, hätte ich zwei gekauft. Für das Gemüse reicht mein Hunger leider nicht mehr. Den Rest muss ich morgen essen.

Zwei Autofahrer mit Zelt kommen und stellen ein riesiges Familienzelt genau auf den Stellplatz vor mir. Das Auto noch links daneben. Unglaublich rücksichtsvoll. Sie räumen ihr Zelt ein und nerven sich gegenseitig an. Beste Voraussetzungen für den Urlaub. Zwei Autofahrer mit einem kleinen Trekkingzelt in orange haben dagegen den Platz am Rand auf der gegenüberliegenden Seite gewählt. Das ist weit weg. Schade, ich hätte gerne noch ein bisschen gequatscht. Der Abend gestern war so lustig. Aber die Camper hier sind lieber für sich.
Ich bitte die Dame vom Campingplatz, meinen Fotoakku aufzuladen und das tut sie gerne. Sie sind morgens immer schon früh wach und übernachten in einem Wohnwagen neben der Rezeption. Sie sind schon viel gereist und waren auch in Deutschland. Sie passen auf den Hund der Tochter auf.

Es dauert nicht lange, dann wird es auch schon dunkel und da ich zum Schlafen gekommen bin, stört mich der beeinträchtigte Blick nicht mehr. Als ich in der Nacht rausmuss, leuchtet der Himmel orange. Middlesbrough. In der Tat. Man muss nicht alles sehen.

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