[UK] Eine Mitleidstour

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • gearfreak
    Erfahren
    • 30.01.2010
    • 278
    • Privat

    • Meine Reisen

    [UK] Eine Mitleidstour

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Lake District im Spätwinterfrühfrühling

    Eine gemütliche Tour vom neunten bis zum vierzehnten März Zweitausendvierzehn



    Prolog:

    Es waren einmal zwei Forumsmitglieder, die hatten ganz schreckliches Mitleid miteinander.
    Das eine Mitglied konnte wegen einer entzündeten Sehne kein Gepäck tragen, und das andere Mitglied konnte aus nicht näher bekannten (oder professionell analysierten) Gründen nicht allein auf Tour gehen.

    Zum Glück waren die beiden schon einmal auf einer nicht autorisierten Forumstour gewesen und waren darum privat so gut miteinander bekannt, dass sie sich ihr gegenseitiges Leid klagen konnten.

    Nachdem den beiden bewusst wurde, dass sie sich gegenseitig helfen konnten, wurde aus dem Planen über ein wenig Herumspinnen bald konkrete Planung:


    Das soziale Mitglied (Buck Mod.93) wollte gerne auf Wintertour, das verletzte Mitglied (gearfreak=ich) lieber auf Radtour, nein, dann doch lieber eine normale Wandertour, aber wer trägt das Gepäck, das geht doch nicht, ach dann nehm ich halt alles, ja, aber dann nicht nach Israel, aber wohin kann man denn im März, usw usw ging die Diskussion.

    Irgendwann entschieden wir uns für Altbekanntes in Form vom englischen Lake District, und zwar aus dem Grund, dass man dort die meisten Alternativen hätte, wenn irgendetwas schief gehen sollte.
    Meine Idee war, dass ich meinen Reisepartner dann auf Tagestouren schicke und im Pub auf ihn warte..

    Nun gut, das Lake District im Winter also.

    Wie plant man da eine Route? Wie wird das Wetter? Liegt da nicht viel zuviel Schnee?
    Meine Recherche ergibt, dass wir tagsüber durchschnittlich 7-8 Grad erwarten müssen, und nachts Temperaturen um den Gefrierpunkt. Soweit kein Problem. Auf Bildern von verschiedenen Blogs sehe ich alles von Ski-tauglichem Schnee bis zu absolut keinem Schnee. Oder kein Schnee im Februar und dann viel Schnee im März. Na gut, ich werde also eine Route planen, bei der man Alternativ-Routen im Tal hat, und wenn der Winter sehr hart wird, fahren wir eben nach Südengland oder -Wales.

    Zur nächsten Frage: Wie weit kann ich gehen? Ich leide seit meiner Cairngorms-Tour im letzten Juni (ja doch, Bericht ist in Arbeit!) unter Schmerzen in der Posterior-Tibialis-Sehne und habe trotz orthopädischer Einlagen meist nach cirka fünf Kilometern im dänischen Wald Beschwerden.
    Seit einiger Zeit mache ich eine neue Stärkungs-Übung und habe das Gefühl, dass es besser wird. Eine Tour gehen zu wollen ist jedoch sehr optimistisch. Also: wenig Kilometer will ich gehen. Das bedeutet im Gegenzug viele Höhenmeter. Nun hat aber Ferdi versprochen, den Großteil unseres Gepäcks zu tragen, um meinen Fuß bestmöglich zu entlasten. Wie soll soll der mit dem ganzen Kram den Berg hochkommen?

    Ich löse das Problem, indem ich die Verantwortung abgeben und Ferdi einfach wöchentlich einrede, dass er anständig trainieren soll.

    Im Lake District kommt man um die Höhenmeter sowieso nicht herum.

    Die Route sollte auch gerne eine Rundtour werden, da wir mit dem Auto anreisen. Dieses soll irgendwo sicher abgestellt werden, also fällt meine Wahl auf die Lanefoot Campsite, wo ich schon einmal mein Auto für ein paar Tage parken durfte. Diese Campsite hat den Vorteil, dass sie etwas ausserhalb Keswicks liegt und man somit schnell in den Bergen ist.

    Die geplante Route sieht dann so aus: gute zehn Kilometer am Tag und jeweils ungefähr 900 Höhenmeter.
    Alternative Tal-Routen sind vorhanden, sowie auch Möglichkeiten, an Campsites mit Duschen und Pubs vorbeizukommen; und trotz der kurzen Strecke hoffe ich, Ferdi einen guten Eindruck vom Lake District geben zu können.



    Damit ist die Planung von meiner Seite eigentlich abgeschlossen, was uns aber nicht davon abhält, regelmäßig unsere unterschiedlichen Pack-Philosophien zu debattieren..

    Ansonsten mache ich fleissig meine Übungen und schaue regelmäßig in den Wetterbericht. Bis kurz vor unserer Reise sind meist um die 4-6 Grad und Regen, aber pünktlich zu unserer Reise verspricht die Seite plötzlich Sonnenschein und Temperaturen bis zu 12 Grad!

    Es kann losgehen!
    Zuletzt geändert von gearfreak; 02.04.2014, 13:48.

  • gearfreak
    Erfahren
    • 30.01.2010
    • 278
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: [UK] Eine Mitleidstour

    Anreise - 7./8. März

    Zu diesem Tag gibt es von mir leider keine Bilder, da ich irgendwo auf dem Weg meine Kamera verloren habe. Aber von Buck Mod.93 kommt ja auch noch eine Version.

    Die Anreise dauert in diesem Fall sehr lang, hoffentlich gibt mein Fuß nicht nach dem ersten Tag schon auf..

    Ich arbeite in der Woche vor unserer Tour mal wieder in den Niederlanden, und da ist man ja schon fast in Großbritannien, dachte ich, also haben wir uns einfach für den Freitag abend in meinem Arbeitsort verabredet.

    Ferdi muss durch den Freitag-Nachmittag-Verkehr im Ruhrpott und ist dementsprechend müde, als er ankommt. Wir packen seinen Kram in mein Auto und fahren in die Kleinstadt, in der ich heute ein Konzert spiele.
    Für meinen jugendlichen Begleiter ist es das erste Mal in einem Konzert mit klassischer Musik, und ich bin gespannt, ob es ihm gefallen wird. Na gut, so jugendlich ist er vielleicht nicht mehr; wir sind ja beide seit unserer letzten (und ersten) Begegnung fast zwei Jahre älter geworden

    Es fühlt sich dank Skype an, als wäre das letzte Treffen gar nicht so lange her, und es ist schön, Ferdi wiederzusehen.


    Meine Kollegen sind alle ganz neugierig auf diesen deutschen Jungen, den ich aus dem Internet kenne und mit dem ich ein Woche lang im selben Zelt schlafen will; sie können sich das alles gar nicht richtig vorstellen.

    Das Konzert dauert länger als gedacht, und es ist nach 22 Uhr, als wir nach Antwerpen aufbrechen. Dort wollen wir bei einem Freund von mir übernachten, damit der Weg morgen ein wenig kürzer ist und ich mein Instrument sicher verwahren kann.
    Bei dem Freund kommen wir nach ewiger Parkplatzsuche gegen ein Uhr morgens an, und eigentlich müssten wir jetzt sofort ins Bett (müde genug sind wir). Nun habe ich diesen Freund aber schon einige Jahre nicht gesehen, und Hunger haben wir auch, also zaubert uns Pieter schnell ein Pastagericht. Dazu gibt es Bier und Wein, und wir erzählen uns alle Neuigkeiten und schwelgen auch ein wenig in Erinnerungen.

    Ich weiß nicht mehr, wann wir im Bett sind, aber es muss wohl um drei Uhr morgens sein. Ich hatte gesagt, dass wir in einem Zimmer schlafen können, da wir ja sowieso eine Woche zusammen im Zelt verbringen werden. Aber ein Doppelbett finde ich im ersten Moment doch komisch. Ich bin aber zu müde, um weiter darüber nachzudenken, und der Wein tut sein Übriges.

    Am Samstagmorgen werden wir von einem viel zu wachen Kind (das ja leider keinen Wein getrunken hatte ) geweckt; und wir frühstücken noch ganz gemütlich zusammen mit Pieters Familie, bevor wir um 11 Uhr nach Dünkirchen aufbrechen.


    Die Fahrzeiten habe ich gut geplant, und wir haben zu keinem Zeitpunkt Stau.
    Wir kommen pünktlich in Dunkerque an und fahren auf die Fähre nach Dover.

    Das Wetter ist wunderschön; die Sonne scheint und ich bekomme richtig Urlaubsstimmung.
    Wir laufen ein bißchen an Deck herum und machen Photos und essen Chips, die wir in Frankreich gekauft haben. Danach gucken wir in den Laden, wo ich eine Flasche Aberlour kaufe. Vernünftigen Islay gibt es nicht, und letztes Mal mochte Ferdi den auch nicht, darum kaufe ich sicherheitshalber einen Mädchen-Whisky

    Nach einem Costa-Coffee probieren wir, ein wenig zu schlafen, aber die Briten am Nebentisch sind schon beim zweiten Pint (wer von denen fährt eigentlich gleich?!) und werden immer lauter.

    Wir gehen wieder an Deck und bewundern die berühmten Kreidefelsen von Dover, die von der Sonne heute besonders schön angestrahlt werden. Ich muß wie immer an "Cliffs of Dover" aus meinem Guitar-Hero-Spiel denken.


    In Dover angekommen fange ich an, mein Mantra zu murmeln: "Links fahren, links fahren, links fahren, links fahren.."
    Ich finde es eigentlich nicht mehr so schlimm. Blöd ist nur, wenn man irgendwann den Linksverkehr normal findet und dann trotzdem noch denkt, man müsse alles andersherum machen

    Das Wetter ist immer noch sehr schön, aber nach einigen Stunden merke ich doch, wie müde ich bin. Langsam werde ich ausserdem etwas gestresst, denn ich möchte sehr gerne heute noch in Keswick ankommen, weiss aber nicht, bis wann man an der Campsite noch anreisen darf. 22h hängt irgendwie in meinem Kopf, und laut Navi schaffen wir das nur, wenn absolut nichts dazwischenkommt.
    Ich versuche regelmäßig, den Besitzer zu erreichen, bekomme aber immer ein Mädchen an die Leitung, dass keine Entscheidungen treffen kann oder darf. Irgendwann erreiche ich aber zum Glück Gareth, und wir können entspannt weiterfahren.

    Als es dunkel wird, werde ich immer müder, und auf der Landstrasse ist der Linksverkehr teilweise doch gruselig. Ein entgegenkommendes Licht, das nicht links von mir ist, interpretiert mein Auge als frontal auf mich zu kommend, und ich muß mehrmals die Augen-starr-geradeaus-und-durch-Technik anwenden.

    Wir kommen kurz nach 22h an (23h MEZ), und ich bin völlig fertig und habe auf einmal pochende Kopfschmerzen.
    Im Auto ist alles durcheinander, aber ich finde das Zelt und baue es schnell auf. Danach setzen wir uns noch ein bißchen vor das Zelt, und nach etwas Schokolade und einer Kopfschmerztablette geht es mir bald wieder gut.

    Ich kann trotzdem nur noch in den Schlafsack - packen und planen müssen wir morgen.
    Zuletzt geändert von gearfreak; 02.04.2014, 10:57.

    Kommentar


    • kanuwanderer
      Gerne im Forum
      • 14.03.2011
      • 58
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [UK] Eine Mitleidstour

      Au Prima, was aktuelles über Lake District. Bin gespannt.

      Kommentar


      • Buck Mod.93

        Lebt im Forum
        • 21.01.2008
        • 9011
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [UK] Eine Mitleidstour

        Prolog:

        Mitleidstour? Ja und zwar, weil ich bei Anna gejammert habe.
        Darüber, dass ich keinen Reisepartner für eine Wintertour habe, darüber,
        dass ich auch kein Geld für eine Pulka habe und natürlich darüber, dass ich trotzdem verreisen möchte.
        Die Sache war also von vorne herein aus der Not geboren.
        Der nächste Kompromiss an dieser Reise:
        Anna hat Probleme mit ihrem Fuß und ich muss mich darauf einstellen, dass ich 2/3 der Ausrüstung tragen muss und wir möglicherweise die Tour abbrechen müssen, wenn die Schmerzen schlimmer werden.
        Vernünftigerweise müsste man sagen: Bleibt zu Hause Kinder.
        Der eine lädiert, der andere eigentlich auf Wintertour gepolt und schwer beladen. Und trotzdem oder gerade weil es eine Geschichte war, auf die ich mich in vielerlei Hinsicht „einlassen“ musste, wurde es eine grandiose Reise.
        Wir haben uns auch von Anfang an versprochen einen Reisebericht zu schreiben, denn von unserer Tour im Rondane gibt es leider keinen.

        Anreise - 7./8. März

        Der Tag war schon in meinen Vorstellungen schlimm genug. Ewig lange im Auto, auf der Autobahn, dann noch alleine.
        Früher dachte ich, ich würde mein Leben lang Zug fahren. Ich hielt das für praktisch, umweltfreundlich. Lesen, Essen, Trinken und ein anderer Fährt dich ans Ziel. Als ich aber den ganzen Kram sah, den ich mitnehmen wollte, ist mir darauf irgendwie die Lust vergangen. Auf der Rondanetour habe ich neben dem 35 Kilo schweren Rucksack auch noch ein 15 kg schweres Paket mit Essen durch den Zug gewuchtet und das war mir nicht gut in Erinnerung geblieben.

        Dunkerque:



        Anna:



        Dover:



        Das waren für mich die Dreh und Angelpunkte dieses Tages. Da wollten wir hin, Anna fährt und zwar ziemlich versiert und da wollen wir auch hin: Dover.
        Nach dieser Reise habe ich zu meinem Friseur, der aus Großbritannien stammt, gesagt: Das was man von Dover sieht, wenn man dort mir der Fähre ankommt, ist so hässlich.
        Er kuckte mich verdutzt an, so wie jemand kuckt, wenn man ihm ein Geheimnis, das schon lange keins mehr ist, als besonders kostbar verkaufen möchte.
        "Sag bloß!" meinte er dann grinsend. Als ich in Holland bei Annas Hotel ankomme bin ich schon fürchterlich durch den Wolf gedreht.
        Wir fahren zum Ort des Konzertes und ich besorge mir das Freibier, das man mit der Eintrittskarte für das Konzert ersteht.
        Das Konzert gefällt mir ausgesprochen gut. Ich habe zwar schon klassische Musik auf meiner Anlage zu Hause gehört, fühle mich aber sehr ertappt, als ich gestehen muss, dass ich noch nie bei einem klassischen Konzert war.
        Nach dem Konzert geht es weiter Richtung Antwerpen. Freunde von Anna besuchen.
        Pieter ist ein super Typ und seine Carbonara schmeckt herrlich. Und was tut er vor meinen Augen? Chili in die Carbonara. Ein absoluter Visionär!
        Der Abend, der eigentlich ein früher Morgen ist, gefällt mir ausgesprochen gut. Ich bin zu müde zum Reden und trinke wortlos meinen Wein. Ich höre zu. Gespräche über das Orchester, gemeinsame Freunde, Instrumente. Als Anna auf der Toilette ist, stecke ich Pieter einen Fünfer zu, mit der Bitte uns das Zimmer mit dem Doppelbett zuzuweisen. Zwei Fünfer wechseln dann den Besitzer und ich nippe wieder in Ruhe an meinem Rotwein.
        Les Flics Sont Sympathique

        Kommentar


        • gearfreak
          Erfahren
          • 30.01.2010
          • 278
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [UK] Eine Mitleidstour

          Tag 1 - 9. März


          Heute geht es also endlich los!

          Wir wachen trotz mehrerer krähender Hähne relativ spät auf, und das auch nur, weil wir einen Wecker gestellt haben. Wobei sich der Weck-Ton auf Ferdis Telefon eher als Einschlafhilfe eignet denn als Weckhilfe..

          Bevor wir heute los können, müssen wir aus dem Chaos im Auto unseren Kram zusammensuchen, den Besitzer der Campsite finden und frühstücken. Duschen wollen wir auch noch gerne, und ich muss meinen Fuß mit Kinesiotape entlasten.
          Da ich noch nicht richtig gepackt hatte, sondern eher alles, was nützlich sein konnte, in mein Auto geworfen hatte, dauert dies eine Weile. Wir laufen ständig zwischen Auto und Aufenthaltsraum hin und her und machen Haufen für "kommt mit" und "kommt nicht mit".
          Es gibt auch noch letzte Diskussionen darüber, was wirklich nötig ist, denn ich habe Sorge, dass Ferdi das nicht schafft mit dem vielen Gepäck (weiss nicht, wie ich darauf komme, Ferdi.. ). Einige Tüten mit Essen fliegen also noch raus.

          Ich hatte eigentlich vor, die ganze Tour in Regenhose zu laufen, da meine eVent-Hose sehr atmungsaktiv ist und auch oben aufgezippt werden kann, aber in Anbetracht des Wetterberichts entscheide ich mich doch um. Darüber bin ich auf der Tour dann auch froh.

          Gareth finden wir irgendwann und bezahlen ihn für die letzte Nacht und auch schon für die Nacht nach unserer Rückkehr. Er sagt uns, wo wir das Auto am besten hinstellen können. Fürs Aufpassen möchte er 1£ pro Tag - ein sehr fairer Preis, wie ich finde.

          In dem Chaos kann ich meine Kamera nicht finden, bin aber sicher, dass sie noch irgendwo im Auto liegt.
          Als ich sie nach dem Frühstück immer noch nicht gefunden habe, mache ich noch einmal alle Taschen und Beutel leer, aber sie ist wirklich weg!
          So ein Mist, wie kann denn das passiert sein?? Ich muss sie auf der Fähre irgendwo liegengelassen haben, oder sie wurde mir gestohlen. Oh nein, ohne Kamera kann ich doch nicht auf Tour!
          Ferdi bietet mir netterweise sofort seine Handykamera an, allerdings glaubt er nicht, dass der Akku die ganze Tour über halten wird. Sein anderer Apparat ist für normalsterbliche Kompakt-Knipser viel zu kompliziert, da sind wir uns einig.
          Ich will meine eigene Kamera!!

          Was sind die Möglichkeiten? Heute ist Sonntag, aber vielleicht hat ja in Keswick ein Fotogeschäft auf? Gareth sagt, dass ich vielleicht Glück haben könnte. Jetzt ist es aber schon halb Zwölf; wenn wir jetzt noch einkaufen fahren, schaffen wir es heute nicht vor Anbruch der Dunkelheit zu meinem anvisierten Zeltplatz, also müsste ich die gesamte Route ändern.
          Und ganz spontan irgendeine Kamera zu kaufen ist mir eigentlich auch zu blöd.

          Schweren Herzens beschließe ich, ohne Kamera loszugehen, nehme aber meine Ersatz-Speicherkarte mit, damit ich zumindest versuchen kann, mit Ferdis Kamera ein paar Bilder zu machen. Es geht mir ja mehr um die Erinnerung als ums Photographieren, also macht es ja vielleicht nicht sooo viel, wenn alle Bilder schlecht werden.


          Sobald wir die Rucksäcke aufgesetzt haben (aus irgendeinem Grund trage ich nun doch 9kg) bin ich aber plötzlich einfach nur froh, unterwegs zu sein! Seit letztem Juli war ich wegen meines Fusses nicht wandern; und eine Weile hatte ich befürchtet, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte, aber nun bin ich im Lake District und die Sonne scheint!
          Also hinter den Wolken. Scheint sie.
          Ähmm..

          Egal, es regnet jedenfalls nicht!

          Mein Plan für heute ist, direkt in die Berge zu gehen und über Grisedale Pike, Hopegill Head und Whiteside Richtung Crummock Water zu laufen. Nach ein paar Höhenmetern kann ich dann besser einschätzen, wie viel Zeit wir für die restliche Route brauchen werden.
          Wir haben pro Tag zehn Stunden Tageslicht zur Verfügung, aber nun ist es ja schon Mittag und um 18h wird es dunkel, darum möchte ich möglichst schnell den Gipfel erreichen.

          Wir gehen ungefähr zwei Kilometer an der Strasse entlang, aber dann geht es schon direkt nach oben, und nach ein paar Schritten hat man schon eine Aussicht auf Skiddaw und Bassenthwaite Lake:



          Die Sonne kämpft gegen die schwarzen Wolken an, und der Gipfel von Skiddaw ist nicht zu sehen. Der liegt aber über Hundert Meter höher als der von Grisedale Pike; vielleicht haben wir ja Glück.
          Der Wetterbericht hält jedenfalls bisher, was er versprochen hat: Heute sollte es bewölkt sein mit etwas Regen am Nachmittag, und ab morgen dann fünf Tage lang schön.

          Hach, ist es schön, bergauf zu gehen!
          Wir machen immer wieder kleine Verschnaufpausen unter dem Vorwand, ein Kleidungsstück an- oder auszuziehen oder ein Bild zu machen

          Der Blick auf Keswick offenbart, dass seit letzter Woche viel Schnee geschmolzen ist. Das Wetter scheint etwas besser zu werden, und im Hintergrund ist Great Mell Fell als einziger Berg in Sonnenlicht getaucht. 17km ist die Sonne also ungefähr entfernt - wenn wir langsam genug gehen, holt sie uns vielleicht noch ein..



          Da das Frühstück ja schon eine Weile her ist und das Wetter auf dem Gipfel wahrscheinlich nicht zu einer Pause einlädt, machen wir eben jetzt schon eine Pause. Bei mir gibt es Pistazien und Bifi.



          Die Sonne holt uns tatsächlich ein, aber der Weg zum Gipfel sieht nicht besonders einladend aus, und den Gipfel kann man nicht erkennen.



          Als wir oben ankommen, habe ich volle Regenmontur an. Die Sicht ist gleich null, aber schön ist es trotzdem!
          Ausser uns sind noch zwei junge Männer auf dem Berg, die etwas unsicher auf ihr Handy gucken.

          Ich versuche wenn möglich, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, damit sie vielleicht weniger Hemmungen haben, nach dem Weg zu fragen, also bitte ich die beiden, ein Bild von uns zu machen.
          Sie laufen auch entgegen Ferdis Befürchtungen nicht mit seiner Kamera weg , sondern bitten uns im Gegenzug um den gleichen Gefallen.
          Danach trauen sie sich dann auch, uns nach dem Weg zum Whinlatter Forest Park zu fragen. Sie denken wohl, dass es irgendeine Abkürzung gibt und wollen eine andere Route nach unten nehmen.
          Die beiden haben zwar GPS im Telefon, aber keine Karte und auch sonst keine Ausrüstung, also schicke ich die beiden zurück in die Richtung aus der sie gekommen sind.

          Wir laufen auf dem Kamm weiter zum Hopegill Head - auch hier haben wir natürlich keine Sicht. Nun müssen wir nur noch hinunter, und schon können wir zelten! Südlich von uns sehen wir schon Liza Beck, den Fluss, an dem wir zelten wollen.
          Prima, da können wir schon nach einem geeigneten Platz Ausschau halten.

          Wir liegen trotz unseres späten Aufbruchs gut in der Zeit, aber wegen des Nieselregens und der Kälte machen wir keine längeren Pausen mehr.

          Als wir uns dem Crummock Water und somit der Strasse nähern, sehen wir zu Ferdi Betrübnis ein Haus, aber ich verspreche ihm, dass wir das von unserem Zeltplatz aus schon gar nicht mehr sehen können.

          Der Weg den Fluss hinauf macht richtig Spass; wir müssen öfter die Stöcke wegstecken und unsere Hände zur Hilfe nehmen.

          Der einzige ebene Platz, den wir von oben ausmachen konnten, erweist sich als akzeptabler Zeltplatz.
          Ich baue das Zelt auf, während Ferdi uns mit meinem blöden Kurbel-Steripen Wasser sterilisiert. Ich habe immer Probleme, das Teil zu bedienen und verleihe meinem Wandergenossen daher feierlich den Titel "Kurbelknecht".

          Zum Draussensitzen ist es mir leider zu kalt, also wird im Zelt gegessen. Ferdi probiert sich durch die verschiedenen Globetrotter-Mahlzeiten, und bei mir gibt es Spaghetti Carbonara von Knorr. Die holländische Version davon schmeckt besser. Oder war es die schwedische? Jedenfalls nicht empfehlenswert. Ich vergebe 5 von 10 Punkten.

          Nach dem Essen verwöhnt mich Ferdi mit Lumumba, obwohl ich vorher noch über das "unnötige Gewicht" gemeckert hatte. Vergib mir, Ferdi! Dein Lumumba ist genial!



          Nach dem Lumumba schlafen wir bald ein. Es war ein schöner erster Tag!


          Hier die Route vom heutigen Tag:

          Zuletzt geändert von gearfreak; 02.04.2014, 13:45.

          Kommentar


          • Buck Mod.93

            Lebt im Forum
            • 21.01.2008
            • 9011
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [UK] Eine Mitleidstour

            Tag 1 - 9. März

            Das, was ich auf dem Campingplatz in Braithwaite am Abend unserer Ankunft sah, gefiel mir und gefiel mir nicht. Es war stürmisch, als wir draußen saßen und ich nach der langen Autofahrt einen Whisky trank. Das gefiel mir durchaus und natürlich gefielen mir auch die Berge im Hintergrund, die mal vom Mond beschienen waren, mal von Wolken verstellt. Der Wind versuchte die Araukarie, die inmitten des Platzes stand, zu Boden zu ringen. Vergebens.
            Der Morgen nach unserer Ankunft begann, wie Morgen eben beginnen. Ein bisschen verschlafen taumele ich zum Waschraum, dann zum Auto, wieder zurück. Die ganze Unordnung im Kofferraum macht mich wahnsinnig und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir es schaffen sollen, all das wieder zu trennen, was dort durcheinander geraten war.
            Wir packen eilig unsere Rucksäcke und begeben uns auf die Straße. Und eben das machte mich ein wenig nachdenklich. Eine Straße gab es da und Häuser, Pubs, Cafés.



            Wie sollte hier ein Gefühl der Einsamkeit entstehen können? Anna versprach mir schon auf der Autofahrt, dass es sich wie Trekking anfühlen wird und nicht, wie eine Hüttentour, auf der man nicht in den Hütten schläft sondern daneben. Um es vorweg zu nehmen; sie hatte recht.
            Wir passieren einige Häuser und bewerkstelligen dann unseren ersten Aufstieg.
            Mein Rucksack wiegt 23 kg und ich habe die letzten Wochen doch mehr im Labor gesessen,
            als Sport getrieben und das merke ich. Andererseits ist der erste Tag immer problematisch.



            Kurz nach den ersten Metern unseres Anstieges setzt Anna einen herzzerreißenden Blick auf, der von diesem Punkt an immer von den Worten "Darf ich deine Kamera haben" begleitet wurde. Ich wusste wirklich nicht, auf was ich mich da einlasse. Meine X100 wurde zur Prostituierten für SD Karten aller Fabrikate!





            Bereits am ersten Tag kosten wir den vorzüglichen Schnittlauch, von dem man uns in Keswick vorgeschwärmt hat. Er sollte auch mein Abendessen, mit dem ich ansonsten ein wenig unzufrieden war, verfeinern.



            Laut Anna werden wir heute den Grisedale Pike entern. Denkt man an die Pyrenäen oder die Alpen, werden die Berge höher und steiler, wenn man sich ihnen nähert. Im Lake District aber ist das Umgekehrte der Fall!
            Das Gelände ist schroff und steinig und ich freue mich an dieser exponierten Stelle sehr über meine winddichte Mütze.





            Um auch etwas zu den Don Quijotes zu sagen, die mit uns auf dem Gipfel waren: Ich fand es gut, dass Anna sie angesprochen hat. Ich hätte es nicht getan und mir später wahrscheinlich große Vorwürfe gemacht, wenn ihnen etwas zugestoßen wäre.



            Während wir über den Kamm zum Hopegill Head gehen, schwärmt Anna mir vor, wie schön die Aussicht bei gutem Wetter von hier oben ist. Ich schließe hin und wieder meine Augen, die vom Wind ein wenig brennen und versuche mir das von ihr beschriebene Panorama vorzustellen. "Morgen" sage ich mir "Morgen wirst du all das sehen, von dem Anna da redet".



            Als wir mit dem Abstieg beginnen, reißen die Wolken ein wenig auf und man kann - je tiefer man kommt - immer mehr von den Tälern sehen. Leider schieben sich nun auch einige Häuser ins Bild.



            Der steile Taleinschnitt zu unserer Linken soll uns in dieser Nacht beherbergen. Ich halte bereits von oben Ausschau nach einem geeigneten Zeltplatz und sehe in einer halben Stunde genau einen. Es sieht zumindest von oben eben aus aber das muss nichts heißen.
            Als wir bis zum Fluss abgestiegen sind, biegen wir in das Tal ein und gehen zurück zu dem Zeltplatz, den wir von oben ausgemacht hatten. Es ist zwar ein wenig laut, da wir sehr nah am Wasser zelten müssen aber immerhin versperrt uns das Tal nun die Sicht auf Crummock Water.





            Abends gibt es traditionsgemäß Lumumba und ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass er noch viel besser schmeckt (und nicht so schnell kalt wird), wenn man ihn mit Stroh 80 zubereitet. Anna schien aber auch mit der 40 prozentigen Variante nicht unzufrieden zu sein.



            Was ich an diesem Abend gefuttert habe, weiß ich nicht mehr genau. Ich habe mich diesmal leider wegen eines blöden Gutscheins statt bei Travellunch bei Trek´n´Eat bedient und war erschüttert. Das ist aber ein anderes Kapitel und dazu muss es selbstverständlich eine gesonderte Hasssendung geben.
            Les Flics Sont Sympathique

            Kommentar


            • gearfreak
              Erfahren
              • 30.01.2010
              • 278
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [UK] Eine Mitleidstour

              War es nicht Reispfanne Balkan Art?
              Weil Du keine Lust auf Chana Masala hattest?

              Jedenfalls nicht so lecker. Oder wir waren nicht hungrig genug

              Kommentar


              • Skyalf
                Neu im Forum
                • 14.12.2013
                • 8
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [UK] Eine Mitleidstour

                Danke für den Bericht, sehr schön geschrieben, ich bin gespannt ...

                Kommentar


                • grenzenlos
                  Dauerbesucher
                  • 25.06.2013
                  • 566
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [UK] Eine Mitleidstour

                  Macht viel Freude. Danke für den Bericht
                  Gruß Wi grenzenlos
                  Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                  Gruß, Wi grenzenlos

                  Kommentar


                  • gearfreak
                    Erfahren
                    • 30.01.2010
                    • 278
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [UK] Eine Mitleidstour

                    Tag 2 - 10. März


                    Wenn man zwischen zwei Bergen zeltet, dauert es ja eine Weile, bis die Sonne im Zeltinneren ankommt, und so bin ich ziemlich überrascht, als mich beim morgendlichen Blick aus dem Zelt ein sonnenbestrahlter Mellbreak begrüßt.



                    "Ferdi, Ferdi, wach auf, die Sonne scheint!"
                    Bei so schönem Wetter will ich immer am liebsten gleich los, aber der junge Mann hat ja Urlaub, und ich bemühe mich, ihn nicht zu sehr zur Eile zu drängen.
                    Gestern waren wir eigentlich schneller als erwartet, also wird doch die heutige Etappe auch mit ein bißchen Trödelei gut zu schaffen sein.
                    Die ersten Kilometer gehen heute auch ganz flach am See entlang, also stresse ich mich nicht.

                    Aber erstmal wollen wir ja sowieso frühstücken.
                    Ferdi macht immer so ganz ekligen Instant-Kaffee (so eine Gas-Verschwendung ), und ich werde auf der Tour jeden Tag wieder den verhängnisvollen Fehler machen, ihn zu probieren
                    Aus irgendeinem Grund isst er zum Frühstück die Reste von gestern. Wir haben beide unser Essen nicht aufgegessen, und nun hat er in seiner Tüte eine farblich interessante Mischung.

                    Jetzt weiss ich es auch wieder: Huhn in Curryreis! In diesem Fall inzwischen vermischt mit meiner Carbonara..



                    Ich packe während des Frühstücks schon mal das Zelt zusammen und schaue auf die Karte. Leider versäume ich es, die für heute geplanten Kilometer zu zählen, aber dazu später mehr.

                    Ungefähr anderthalb Stunden nach dem Aufstehen machen wir uns auf den Weg (so lang wird es an jedem Tag dauern; das ist zu zweit schon in Ordnung, finde ich).
                    Wir gehen den gleichen Weg zurück, auf dem wir gestern gekommen sind und sind bald in Lanthwaite, einem Ort, der aus zwei Häusern zu bestehen scheint. Auf dem Weg dorthin lege ich noch einen "prat fall" hin - irgendwie schaffe ich es, mich auf absolut ebenem Untergrund auf den Hosenboden zu legen. Ich glaube, das ganze wurde auch dokumentiert..



                    Wir hoffen, bei dem Parkplatz unseren Müll loswerden zu können (wir haben ja "nasses" Essen im Rucksack), aber leider gibt es keine Mülltonne.
                    Der Weg um den See Crummock Water führt uns erst durch einen parkähnlichen Wald, in dem viele Spaziergänger unterwegs sind. Am See angekommen, sehen wir eine Bank, also legen wir erst einmal eine ausgedehnte Pause ein.

                    Ferdi erklärt mir immer wieder, wie seine Kamera funktioniert, und manches bleibt nach mehrfacher Wiederholung auch hängen
                    Ich schalte aber sowieso immer auf Automatik-Modus

                    Es ist aber auch schön hier! Der See ist von Bergen umgeben, den Bergen, auf die wir heute hinaufwollen. Die Sonne scheint und das Leben ist schön!!



                    Wir werden bei der Bank von einer Gruppe Ramblers (Tageswanderern) überholt und machen uns wieder auf den Weg. Der Pfad am See ist ziemlich nass, aber unsere Füße bleiben zum Glück trocken.



                    Auf der anderen Seite des Sees blicken wir immer wieder auf "unser" Tal zurück, und ich verliebe mich in den Berg Grasmoor. Da muß ich auch mal rauf!



                    Bald haben wir den Punkt erreicht, wo der Aufstieg nach Red Pike beginnt. Davor muss man ja sicherheitshalber noch eine Pause machen, und eine Landzunge im See ist geradezu geschaffen fürs Faulenzen



                    Meine geliebten Herdwick-Schafe scheinen im März nicht so zahlreich unterwegs zu sein wie im Sommer, darum gelingt mir auch auf der gesamten Tour kein gutes Schaf-Bild Das hindert mich aber nicht daran, es immer wieder zu versuchen.





                    Oops, das war gar kein Schaf..


                    So, nun geht es endlich bergauf! Wir gehen den Scale Beck entlang nach oben. Bis zum Wasserfall Scale Force treffen wir noch auf Spaziergänger, aber ab da haben wir den Berg für uns.

                    Scale Force ist mit seinen über fünfzig Meter der höchste Wasserfall des Lake Districts.
                    "Force" bedeutet in diesem Fall nicht "Kraft", sondern hat seinen Ursprung im Altnordischen, wie auch das Wort "Foss" im Norwegischen.
                    Wen es interessiert: Hier ist eine Liste über Wörter im Yorkshire-Dialekt, die ihren Ursprung im Altnordischen haben.


                    Und nein, ich möchte hier keine Diskussion wieder anleiern..



                    Schon nach einem kurzen Anstieg hat man eine schöne Aussicht auf Crummock Water mit der kleinen Landzunge.



                    Wir haben den Bach inzwischen verlassen und wandern nun durch niedrige Sträuche. Bei solch einer Landschaft werde ich immer ganz wehmütig - vor hundert Jahren waren die dänischen Hügel auch flach bewachsen, aber nun gibt es fast überall nur noch Forst, und damit ist der Blick auf die Hügel versperrt. Umso mehr geniesse ich es, hier zu sein!



                    Bald verschwindet der See fast aus unserer Sicht.
                    Hach, sind die Farben schön hier!





                    Wir nähern uns unseren heutigen Bergen. Eine kleine Pause ist bei dem warmen Wetter willkommen. Offiziell ist es zwar Winter, aber wir sind im T-Shirt unterwegs! ich kann unser Glück kaum fassen und erwähne dies darum auch ca. 20-30mal am Tag..



                    Eine halbe Stunde später sind wir auf dem Gipfel von Red Pike angelangt, und mein Träger bekommt eine wohlverdiente Pause



                    Die Aussicht ist fantastisch; man kann in der Ferne Keswick erkennen:



                    In der anderen Richtung ist das Wetter nicht so gut, und man sieht am Schnee, dass wir an Höhe gewinnen. Pillar habe ich von dieser Seite noch nicht gesehen; wie schön! Der ist bei dieser Tour leider gar nicht eingeplant.

                    Heute wollen wir einfach den Kamm entlang über High Stile (im Bild) und High Crag auf Haystacks, auf dem ich schon seit meiner ersten Tour im Lake District unbedingt mal zelten will.



                    So langsam frage ich mich, ob wir nicht doch zuviele Pausen gemacht haben. Bergauf geht halt mit dem ganzen Gepäck doch nicht so schnell, und wir haben ja noch Einiges vor heute. Von High Stile sind es aber nur noch drei oder vier Kilometer Luftlinie, das muss doch gehen! Ich treibe Ferdi etwas vor mir her; das tut mir auch leid, ich habe ja nur wenig zu tragen, aber vor meinem anvisierten Zeltplatz sehe ich kein Wasser auf der Karte, und auf einen Abstieg mit Stirnlampe habe ich wenig Lust.

                    Für Photo-Pausen muss aber Zeit sein, bei der Sicht! Diese Aussicht auf Grasmoor und Crummock Water im Hintergrund und Bleaberry Tarn und Dodd im Vordergrund hat auch schon lokale Künstler inspiriert:







                    Ich scheuche Ferdi weiter, und irgendwann erreichen wir endlich den Gipfel von High Stile.



                    Auch hier ist die Sicht fantastisch, und ich kann mich gar nicht an Blencathra sattsehen, die ich von dieser Seite noch nicht kenne (rechts im Bild).
                    Ferdi ist auch ganz begeistert



                    Es ist schon 17 Uhr, als wir auf dem Gipfel ankommen, und die Sonne geht ungefähr um sechs oder halb sieben unter. Natürlich ist es dann nicht sofort stockduster, aber so langsam mache ich mir doch ein wenig Sorgen.
                    Das Wetter sieht auch nicht mehr ganz so freundlich aus.



                    Nun gut, Jammern hilft uns nicht weiter; weitergehen hingegen schon.
                    Hier wollen wir noch runter und rüber, dann auf der anderen Seite (links im Bild) wieder rauf, und dort ist dann der See, an dem ich zelten möchte.



                    Haystacks ist ein besonderer Berg; hier ist nämlich die Asche von Alfred Wainwright verstreut, einem Mann, dem seine Frau so auf die Nerven gegangen ist, dass er täglich in die Berge ging. Er zeichnete und schrieb dabei insgesamt sieben sogenannte Pictorial Guides, die die wohl schönsten Reiseführer der Welt sind.
                    Diese Bücher sind alle Faksimiles von seiner Original-Handschrift:



                    Alle Berge und Hügel, die er beschrieben hat, werden jetzt als "Wainwrights" bezeichnet; und wie die Schotten ihre Munros sammeln, sammeln die Engländer eben ihre Wainwrights.


                    Die Zeit beziehungsweise die Sonne läuft uns davon, und wir erlauben uns nur noch wenige Photographier-Stopps.
                    So langsam wird der herzförmige Tümpel zwischen High Crag und Seat immer attraktiver - es wird wohl heute nichts mehr mit Haystacks..



                    Ferdi, wie würdest Du dieses Bild bearbeiten? Bei mir wurde es immer schlechter..





                    Der letzte Abstieg ist noch recht steil, und ich bin froh, dass wir nicht mit Stirnlampen gehen.



                    Am Tümpel angekommen finden wir, dass der Zeltplatz eigentlich sehr schön ist.
                    Ferdi wird seinen Pflichten als Kurbel-Knecht gerecht, und ich schnappe mir seine Kamera und versuche mich an Sonnenuntergangs-Bildern.







                    Mir ist, wie auch schon gestern, wahnsinnig kalt. Bei meinen anderen Touren habe ich dies auf die höhere Tagesleistung und die Tatsache, dass mich niemand entlastet, geschoben, aber hier ist es jetzt auch so. Ich bin wohl nicht fürs Zelten geeignet. Schade eigentlich, aber eine Wintertour werde ich wohl nie machen..
                    Das Abendessen wärmt mich zum Glück jeden Abend verlässlich wieder auf.
                    Heute gibt es bei Ferdi die Reispfanne Balkan-Art (oder?), und bei mir Knorr Asia Huhn Hot & Spicy. Ich finde meins lecker. Es hat zwar im Vergleich zu sahnigen Pasta-Gerichten nicht besonders viele Kalorien, aber für so eine entspannte Tour macht das ja nix.

                    Ein schöner Tag war das heute!

                    Hier die Route:

                    Zuletzt geändert von gearfreak; 09.04.2014, 22:26.

                    Kommentar


                    • ronaldo
                      Freak
                      Moderator
                      Liebt das Forum
                      • 24.01.2011
                      • 12030
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [UK] Eine Mitleidstour

                      Schöne Tour, danke fürs Teilen... euer Stil gefällt mir.

                      Kommentar


                      • trekalex
                        Erfahren
                        • 23.03.2013
                        • 253
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [UK] Eine Mitleidstour

                        Wirklich schön, immer beide Seiten von euch zu hören. Schöner Bericht

                        Kommentar


                        • Buck Mod.93

                          Lebt im Forum
                          • 21.01.2008
                          • 9011
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [UK] Eine Mitleidstour

                          Tag 2 - 10. März

                          In meinem müden Schädel kreisen am Morgen die Gedanken über das Wetter des vorherigen Tages.
                          Meine Nasenspitze sagt mir: Es ist noch nicht warm im Zelt. Dies kann nun zweierlei bedeuten:

                          1. Es ist noch sehr früh (was meine Hoffnung ist)
                          2. Das Wetter ist noch genau so, wie gestern Abend (was ich nicht hoffe)

                          Irgendwer ruft meinen Namen. Soll ich wieder kurbeln? Ich möchte nicht kurbeln.
                          Ich öffne meine Augen und sehe eine freudig strahlende Anna, die aus dem Zelt rausschaut und kurzerhand wieder die Kamera verlangt. Als ich auch einen Blick nach draußen wage, bin ich erleichtert.
                          Das Wetter ist prächtig; nur in unserem Tal war die Sonne noch nicht angekommen.



                          Ich verlasse das Zelt und koche mir einen Kaffee. Anna, die soweit ich mich erinnere zu Hause nur Senseo Kaffee konsumiert, labt sich allmorgendlich an meiner Instantbrühe. Ich weiß nicht, was sie daran findet.



                          Auch ich habe an diesem Morgen das Verlangen schnell aufzubrechen, damit wir endlich in der Sonne laufen können.
                          In der entgegengesetzten Richtung ist die Kraxelei anstrengender, als am Vortag und ich befestige meine Trekkingstöcke am Rucksack, damit ich die Hände frei habe. Anna stößt in unregelmäßigen Abständen Laute der Entzückung über das schöne Wetter aus.





                          Wir passieren den Parkplatz, an dem sich leider wider Erwarten keine Mülltonne befindet. Anschließend kommen wir zum Crummock Water. Dort tummeln sich allerlei Rentner, die in Rentnermanier die Finger hinter dem Rücken verschränkt, über den Waldweg schleichen. Fast alle grüßen uns freundlich und ich bin erstaunt darüber, dass man hier mit Trekkingrucksack auf dem Rücken nicht wie ein Sonderling betrachtet wird.

                          Annas kleine Stunteinlage:


                          Der Blick zurück in das Tal, in dem wir die Nacht verbracht haben:


                          Der See beruhigt mich in einem solchen Maße, dass ich regelrecht schläfrig werde. Die Berge erwärmen sich in der Ferne und die leichte Brise, die über den See weht, zwingt mich dazu, meine Augen für einige Sekunden zu schließen.





                          Nach unserer Pause beginnen wir den Aufstieg am Scale Beck entlang. Am Wasserfall sehen wir ein letztes Mal Tageswanderer, die sich dort mit reichlich Kameraequipment installiert haben.
                          Der Aufstieg gefällt mir sehr gut und nun fühle ich mich endgültig in die Pyrenäen zurück versetzt. Einige vergangene Geschichten dieser Reise erwachen in meinen Gedanken, vieles, was mir gar nicht mehr bewusst in Erinnerung war, sehe ich nun deutlich vor mir.



                          Erst als Anna wieder nach der Kamera fragt, enden meine Tagträume.
                          Durch die kleine Pause auf der Landzunge, kann man immer wieder schön sehen, von wo aus wir aufgestiegen sind.
                          Ich denke einige Zeit darüber nach, warum es für Anna eine solche Befriedigung darstellt auf dem Gipfel einer dieser Hügel zu stehen.



                          Sie sagte am Ende der Reise zu Gareth, dass sich das Puzzle zusammensetzt, wenn man mehr und mehr Berge und Täler aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet hat. Auf dem Red Pike leuchtet mir das noch nicht ein.
                          Nach einer kurzen Pause geht es weiter Richtung High Stile und High Crag.



                          Anna macht sich nun Sorgen, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen an unserem Tagesziel anzukommen. Auch wenn ich sonst eher dafür bin, dann die Etappe zu kürzen, möchte ich heute auch am geplanten Zeltplatz ankommen, da mein Wasser langsam aber sicher zur Neige geht.
                          Von High Crag aus sehen wir einen kleinen und einen etwas größeren Tümpel. Es geht sehr steil nach unten und mein Rucksack
                          ist durch das nasse Essen, das ich immer noch trage, nicht leichter geworden.





                          Der geschlängelte Pfad, dem wir vom High Crag nach unten gefolgt sind:


                          Die Knie werden bei solchen Abstiegen leider immer stark in Mitleidenschaft gezogen und so steht für mich schon nach der Hälfte des Abstieges fest, dass es wohl besser sein wird dort unten zu zelten. So ist es auch noch früh genug, um ein wenig draußen zu sitzen und den Sonnenuntergang zu betrachten.



                          Als Anna sich wieder ein wenig in ihrem Schlafsack und ihrer Daunenjacke aufgewärmt hat, kommt sie sowohl ihren Pflichten als Navigator, als auch ihren hausfraulichen Pflichten nach.





                          Nach unserem Lumumba, der heute ein wenig stärker ausfällt, schlafen wir selig ein.
                          Les Flics Sont Sympathique

                          Kommentar


                          • Outdoorfetischist
                            Dauerbesucher
                            • 13.12.2010
                            • 917
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [UK] Eine Mitleidstour

                            Schöner Bericht! Möchtet ihr das geheime Lumumba-Rezept mit uns teilen ;) ?

                            Kommentar


                            • gearfreak
                              Erfahren
                              • 30.01.2010
                              • 278
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [UK] Eine Mitleidstour

                              Zitat von Outdoorfetischist Beitrag anzeigen
                              Schöner Bericht! Möchtet ihr das geheime Lumumba-Rezept mit uns teilen ;) ?
                              Diesmal war es Schocofix von Teekanne, und irgendein dunkler Rum (war es Pott?). Aber laut Ferdi schmeckt er mit Stroh 80 besser - dann ist er ja weniger verwässert.

                              Es kommt ungefähr ein Viertel Rum in die Schokolade, oder so viel, bis das kochende Wasser auf Trinktemperatur ist.
                              Echt lecker und gut zum Einschlafen

                              Kommentar


                              • tizzano1
                                Erfahren
                                • 13.06.2006
                                • 383
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #16
                                AW: [UK] Eine Mitleidstour

                                Ja, Lumumba haha...

                                in den 70ern des vergangenenen Jhdts. war ich auf Folegandros (Kykladen). Ein dt. Tourist mit Spanienerfahrung bestellte Lumumba, griechische Variante: Kakao mit Koniaki (Metaxa)... war sofort das In - Getränk der Insel. Allerdings auch gleich ausverkauft. Nicht weil auf der Insel der Metaxa ausgegangen wäre, nein, der Kakao war aus. Alle mussten 1 Woche warten , bis die nächste Fähre für vom Wirten bestellten Kakaonachschub sorgte. War eine harte Urlaubswoche,

                                tizzi

                                Kommentar


                                • gearfreak
                                  Erfahren
                                  • 30.01.2010
                                  • 278
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #17
                                  AW: [UK] Eine Mitleidstour

                                  Tag 3 - 11. März


                                  Nach einer Nacht, in der ich von kongolesischen Ministerpräsidenten geträumt habe, wache ich erquickt auf.
                                  Der morgendliche Blick aus dem Zelt bietet heute einen klaren Tag mit strahlendem Sonnenschein:



                                  Hier muß ich mich in Ruhe umgucken! Ich wecke Ferdi diesmal nicht, sondern schnappe mir direkt seine Kamera (sonst will er die noch selbst benutzen) und gehe dem Schaf einen guten Morgen wünschen.
                                  Hatte ich erwähnt, dass ich die Herdwick-Schafe liebe?





                                  Als nächstes gehe ich Wasser holen, aber bevor ich Wasser schöpfen kann, werde ich wieder vom Photographier-Drang überwältigt: Pillar spiegelt sich so schön im Tümpel!





                                  Dieser Tümpel ist am Ufer sehr nass, darum haben wir auch gestern schon am kleineren Tümpel Wasser geholt. Dieser ist komplett überfroren, und es scheint, als wäre all das saubere Wasser zu Eis geworden - es gelingt mir trotz mehrerer Versuche nicht, sauberes Wasser zu schöpfen.
                                  Hätte ich mal meinen Pre-Filter mitgenommen..

                                  Als ich mit meiner Miso-Suppe zurück ans Zelt komme, ist Ferdi inzwischen auch wach. Er bekommt seine Kamera zurück und macht Zeltbilder. Auch er freundet sich mit meinem Schaf an.
                                  Ich habe Angst, dass er zu nah an das Tier herankommt und es aus Schreck den Abgrund hinunterfällt. Keine Ahnung, ob das wirklich passieren würde; aber besonders trittsicher sind Schafe ja nicht, sonst würden wohl in den Bergen nicht so viele tote Schafe herumliegen.

                                  Die Sicht ist so klar, ich weiss gar nicht, ob ich loslaufen oder einfach nur die Aussicht geniessen will..

                                  Beim Frühstück macht der mitgereiste Photograph Bilder von uns für den neuen Jack-Wolfskin-Katalog.


                                  Die Route, die ich ursprünglich geplant hatte, würde uns jetzt über Haystacks ganz nach unten ins Tal führen, und dann auf Englands höchsten Berg, Scafell Pike.
                                  Dies hätte bei schlechtem Wetter die Möglichkeit geboten, sich in dem Pub in Wasdale Head aufzuwärmen, aber an einem Tag wie heute besteht absolut kein Bedarf an Zivilisation.

                                  Haystacks spare ich mir trotzdem. Ich möchte da aus irgendeinem Grund lieber mal alleine hoch. Weiss auch nicht, warum.

                                  Stattdessen habe ich mich für Great Gable entschieden, den majestätischen Felsklumpen.
                                  Mal sehen, wie lang wir dorthin brauchen. Danach sehen wir weiter.


                                  Bevor es hinunter geht, müssen wir noch über einen Berg namens Seat, bevor wir am Scarth Gap Pass Richtung Süden abbiegen und zum Fluss Liza hinabsteigen (Liza River, nicht zu verwechseln mit Liza Beck aus Tag 1 (der Name ist übrigens kein Frauenname, sondern kommt wieder aus dem Alt-Nordischen - ljós á bedeutet "heller Fluss"; auf modernem Dänisch zum Beispiel hiesse das "lys å")).

                                  Diesem Fluss folgen wir dann bis zu seiner Quelle am Windy Gap Pass, und dann biegen wir rechts ab und steigen auf Mr. Gable.



                                  Der Weg ins Tal ist sehr schön; es erstaunt mich immer wieder, wie bei einer Autofahrt eine Landschaft stundenlang gleich aussehen kann, während man sich beim Wandern nach einer halben Stunde in einer völlig neuen Szenerie wiederfindet.

                                  Im Tal gehen wir an der Black Sail Hut vorbei, einer Jugendherberge, die 1933 aus einer Schäfer-Bothy umgewandelt wurde.
                                  Die Toilette ist leider geschlossen.
                                  Wir grüßen also lediglich den Mountainbiker, der auf der Bank vor dem Hostel sitzt, und gehen weiter den Fluss entlang.

                                  Bald entfernen wir uns vom Fluss, und ich frage mich, wo der Weg nun eigentlich genau lang geht. Es geht noch ein Weg nach Nordosten, da möchte ich nicht aus Versehen drauf landen. Nun gut, den Pass sehen wir ja die ganze Zeit über; im schlimmsten Fall gehen wir also weglos und verlieren etwas Zeit.

                                  Ein Schaf spielt peek-a-boo mit mir:



                                  Am Fluss war der Weg zu matschig, und jetzt gehen wir etwas planlos an den kleineren Hügeln entlang. Irgendwann treffen wir endlich auf den Pfad, und das Gehen wird wieder leichter.
                                  Nach einer Weile sind wir wieder am Fluss, der hier oben nur noch ein Gebirgsbach ist. Da wir sowieso Wasser brauchen machen wir eine Pause.



                                  Der Tag ist heute irgendwie trödelig, aber gestern war es ja auch ein bißchen stressig gegen Ende, und ich bin heute sowieso körperlich nicht auf der Höhe. Der Grund dafür ist, dass eine gedankliche Kreatur von Menschen, die keine Wissenschaft kannten, darüber erzürnt war, dass eine Frau in einem Garten versuchte, sich und ihren Mann gesund zu ernähren..

                                  Je näher wir Great Gable kommen, desto beeindruckender wirkt der Berg. Die meisten Leute nennen ihn freundschaftlich einfach nur "Gable" (dabei ist doch direkt daneben Green Gable ), aber in diesem Licht ist er so beeindruckend, ich kann ihn nur bei seinem vollen Namen nennen:


                                  "GREAT GABLE"


                                  Der Weg zum Pass ist gar nicht mehr weit, und entgegen seines Namens ist der Windy Gap auch überhaupt nicht windy, sodass wir wieder eine Pause einlegen.



                                  Obwohl ich gerade offensichtlich vor mich hin döse, spricht mich ein älterer Mann an. Wir reden ein bißchen, das übliche "Wohin - Woher - Wie ist das Wetter Wundervoll". Auf meine Frage, wohin, antwortet er mit Blick auf seine sauertöpfisch aussehende Frau: "mal sehen, was die Frau meint".

                                  Mir ist das hier zu viel Trubel, da gehe ich lieber weiter.
                                  Der Weg zum Gipfel ist recht kraxelig, und bald überholen wir die Frau. Sie verabschiedet sich gerade von ihrem Mann, da ihr der Aufstieg zu heikel ist. Der fragt sie noch, ob sie sicher ist, dass er nicht mitkommen soll, und geht dann allein weiter zum Gipfel, während sie ängstlich versucht, wieder zum Pass hinunterzukommen. Ich biete ihr meine Hilfe an und begreife bald, dass sie nicht gern Hilfe annimmt.
                                  Trotzdem höre ich, wie sie vor sich hinmurmelt: "Pathetic.. I got up here twenty years ago.. Pathetic.."
                                  Dazu fragt sie uns, ob es dort oben einfacher wird.
                                  Die Frau tut mir leid, und hier oben scheint es wirklich wieder besser zu gehen zu sein, also werfe ich meinen Rucksack ab und suche von oben einen besseren Weg, den ich ihr dann zeige.

                                  Sie ist eigentlich gar nicht sauertöpfisch, sondern nur etwas unsicher, weil sie eben schon Mitte sechzig ist, wie ich vermute. Ich sage ihr, dass ich nicht viele Frauen in ihrem Alter kenne, die könnten, was sie gerade tut, und hoffe, sie dadurch ein wenig aufzubauen.

                                  Am Gipfel fragt mich ihr Mann, wie ich das denn geschafft hätte, seine Frau hier hochzubekommen, und ich erwidere, dass ich seine Frau zwar erst seit einer halben Stunde kenne, es aber für mich trotzdem offensichtlich ist, dass sie das nicht meint, wenn sie sagt "nee, lass man, ich komm schon zurecht".

                                  Er lacht. Ach, egal, die Dame ist glücklich, oben angekommen zu sein, und die beiden sind wieder ein Herz und eine Seele ♥


                                  Die Sicht ist fantastisch, und das ist auch das einzige Gesprächsthema auf dem Gipfel. Dass man Schottland sehen kann, ist nichts Ungewöhnliches, aber heute ist auch die Isle of Man zu erkennen.
                                  Wir bleiben ewig auf dem Berg und reden mit unseren neuen Gipfelbekanntschaften. Ausser uns und dem älteren Paar sind noch ein sportliches Pärchen, ein Paar mit Hund, zwei Freundinnen und ein allein-gehender Mann, mit dem wir allerdings nicht sprechen. Das werde ich später noch bereuen.

                                  Am Gipfel ist eine Plakette angebracht, die an die Mitglieder des Fell & Rock Climbing Club gedenkt, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben liessen. Zu ihren Ehren hat der Verein in den Zwanziger Jahren über 12000 Hektar Land erworben (darunter auch Great Gable), und sie dem National Trust geschenkt.

                                  Wir machen Bilder, essen etwas und geniessen die Sicht in das Tal, aus dem wir heute gekommen sind und überhaupt fast unsere gesamte Tour bisher, und in der anderen Richtung auf das Scafell-Massiv:










                                  Jetzt muss ich mich entscheiden, wie wir heute weitermachen.
                                  Mein optimistischer Plan war, heute noch über die Corridor Route auf Scafell Pike zu steigen, und bei diesem Wetter wäre das sicher auch ein tolles Erlebnis.
                                  Andererseits ist es jetzt schon recht spät, und ich fühle mich noch immer nicht ganz wohl. Ausserdem wollte ich schon immer einmal am Sprinkling Tarn übernachten, allein schon wegen des schönen Namens.

                                  Morgen soll das Wetter ja auch noch gut sein, und diese Tour, noch über vier Berge, möchte ich auch nicht gehetzt unternehmen. Das Abendlicht scheint zwar genau auf diese Route, und morgen vormittag wird es dort schattig sein, aber ich entscheide mich trotzdem für einen geruhsamen Abend am See (unteres Bild Mitte). Das findet Ferdi bestimmt auch schöner.





                                  Der Pfad hinunter zum Styhead Tarn ist steinig, und wir machen ein Rondane-Memorial-Schattenbild (das kommt in Ferdis Post) und sammeln vom dem berühmten Überbelichteten Cumbrischen Schnittlauch, der uns das Abendessen verfeinern wird.



                                  Am Styhead Tarn gibt es wieder eine kurze Pause, in der ich zu meiner Blencathra rüberschaue. Obwohl oder vielleicht gerade weil mich diese Schönheit beim ersten Mal nicht ran- oder raufgelassen hat, wächst meine Faszination für diesen Berg jährlich. (Herzchen Herzchen Herzchen) Nicki, wie machst Du die roten Herzchen??



                                  Es ist erst ungefähr 16 Uhr, als wir am Sprinkling Tarn ankommen. Auch diese Aussicht hat die Maler inspiriert, wenn auch in diesem Fall der Vater Alfred Heaton Cooper nicht so realistisch malt wie der Sohn William Heaton Cooper (siehe Tag 2):





                                  Ich baue wie immer das Zelt auf, während CrankBoy Wasser holen geht.
                                  Der See ist ein sehr beliebter Zeltplatz (darum bleiben wir heute auch nicht allein), und wir entdecken mehrere Feuerstellen, obwohl es kein natürliches Feuerholz gibt.
                                  Wir haben leider keinen Sack Kohlen mit, aber wir säbeln mit Ferdis kleinem UK-approved pocket knife obsessiv an einem großen Stück Holz herum, da wir Sorge haben, dass unser Gas vielleicht nicht reicht. Auf den Lumumba können wir auf keinen Fall verzichten!

                                  Zwischendurch gehe ich Bilder machen.


                                  Das Zelt und der Mond



                                  Great End - der ist morgen dran



                                  Das Zelt im Abendlicht




                                  Blencathra



                                  warm und kalt



                                  letztes Abendlicht



                                  Suchbild mit Zelt



                                  Nach stundenlanger Vorbereitung bekommen wir tatsächlich ein Feuer entfacht.
                                  Das Feuer wärmt uns zwar leider nicht, aber es gelingt uns trotzdem, darauf eine Lauchcremesuppe zu kochen, um deren köstliche Pulverstückchen wir uns streiten, und auch unser Abendessen.
                                  Wir essen im Zelt, damit die Wärme im Körper bleibt.

                                  Bei mir gibt es heute Spaghetteria Funghi, und Ferdi isst, wenn ich mich recht entsinne, den Jägertopf mit Rindfleisch und Nudeln. Beides recht lecker.

                                  Nach dem Essen gehe ich um den See herum, um ein Bild von Gable und dem Sonnenuntergang zu machen.

                                  Ich glaube, heute gibt es gar kein Lumumba. Ich kann mich nicht genau erinnern, aber die Ursache muss in der Prohibition aus Gasmangel liegen..

                                  Schlafen tun wir trotzdem gut.






                                  Hier noch die Route von heute:

                                  Zuletzt geändert von gearfreak; 08.04.2014, 22:36.

                                  Kommentar


                                  • Buck Mod.93

                                    Lebt im Forum
                                    • 21.01.2008
                                    • 9011
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    AW: [UK] Eine Mitleidstour

                                    Sehr schön, Anna!
                                    Les Flics Sont Sympathique

                                    Kommentar


                                    • Mika Hautamaeki
                                      Alter Hase
                                      • 30.05.2007
                                      • 3979
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      AW: [UK] Eine Mitleidstour

                                      Ein herrlicher Bericht. Hat mir gerade meine Mittagspause versüßt! Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
                                      So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                      A. v. Humboldt.

                                      Kommentar


                                      • Mika Hautamaeki
                                        Alter Hase
                                        • 30.05.2007
                                        • 3979
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [UK] Eine Mitleidstour

                                        Zitat von gearfreak Beitrag anzeigen
                                        [U]Nicki, wie machst Du die roten Herzchen??
                                        Ich glaube so:


                                        also [img*http://www.outdoorseiten.net/forum/c...rite.png*/img]
                                        statt der Sternchen einfach die entsprechende Klammer setzen.

                                        Einfach mal den Code aus dem Oman-Bericht geklaut
                                        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                        A. v. Humboldt.

                                        Kommentar

                                        Lädt...
                                        X