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  • LadyofPedelec
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    • 09.10.2013
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    [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    ......davon möchte ich berichten.

    Einen geeigneten Partner/in für so eine Tour konnte sich leider nicht finden, keiner wollte 800 km fahren und dann auch noch über die Alpen. Ohne große Tourerfahrung war ich ganz allein auf mich angewiesen. Ein wenig Sicherheit versprach ich mir vom neu überarbeiteten Bikelineführer “Via Claudia Augusta”. Danach richtete ich meine Planung aus. Erfahrungswerte von Tagestouren hatte ich ja, so dass ich 60-80 km pro Tag für mich realistisch ansah. Schließlich wollte ich auch noch etwas erleben und nicht nur Radfahren. Mir war es auch wichtig, die schönen Städte, Dörfer und Museen auf der Strecke nicht links liegen zu lassen. Hinterher hätte ich mich geärgert, das alles (ich berichte davon) nicht gesehen zu haben. So hatte ich die Tour meiner Meinung nach richtig geplant und hatte dementsprechend die Hotels auch gleich vorgebucht. Toll! Während der Fahrt hat sich dann doch einiges geändert.

    1. Tag Dienstag, 13.08.2013
    100 km von Stuttgart nach Augsburg (mit der Bahn)
    65 km mit dem Rad von Augsburg bis Markt Waal (bei Landsberg)


    Meine Planung nur bis Landsberg zu fahren, war zum einen, weil ich am ersten Tag nicht gleich 80 km fahren wollte, zum anderen weil ich dieses alte Städtchen Landsberg einfach sehen wollte und dort auch 2 Stunden Aufenthalt eingeplant hatte.

    Als ich um halb acht Uhr, es war schon gut warm an diesem frühen Morgen, unsere Garage verließ, hatte ich schon meine ersten Bedenken, ob ich mit meiner Superplanung auch richtig liege. Ich hatte meine Radtaschen (typisch Frau) vollgepackt. Mein Rad fühlte sich an als säße ich auf einer schweren Harley. Oh Gott, wie komme ich damit in den Zug und am Augsburger Bahnhof vom Bahnsteig, waren so meine Gedanken. Auf dem Bahnsteig in Stuttgart waren noch zwei Fernradler da. Ein Ehepaar aus dem Remstal, die wie ich nach Augsburg fahren wollten. Im vorgebuchten Abteil, war meine erste Frage an die Schaffnerin: “Gibt es einen Aufzug auf den Bahngleisen in Augsburg?“, Nein, war ihre Antwort. Augsburg ist doch eine große Stadt, das gibt es doch nicht! Man beruhigte mich, keine Panik, irgendwie werden wir es zu dritt schon schaffen. Die Remstaler wollten auch die VIA fahren. Kurz bevor wir in Augsburg einfuhren, erhielt ich von der Schaffnerin einen Tipp. Ich gebe das nur unter Vorbehalt jetzt weiter - ganz hinten am Bahngleis gibt es eine Unterführung für Paketpost und wenn die Türe offen ist, kämen wir durch einen Tunnel zu einem Hinterausgang. Wir hatten Glück die Tür war nur angelehnt. Ich verabschiedete mich von dem netten Ehepaar, weil ich mir die Innenstadt und das Rathaus mit dem goldenen Saal ansehen wollte. Beide wollten allerdings gleich weiter. Ihre Planung war bis Schongau zu fahren. Immerhin fast 100 km am ersten Tag.

    Augsburg eine einzige Baustelle (siehe Bild). Mit dem Rad kein großes Problem. Ich habe mir den Fuggerstadtpalast von außen angesehen, die Fuggerei und natürlich das Rathaus von Innen. Der berühmte goldene Saal (siehe Bild), eine Rekonstruktion des im Krieg vollkommen zerstörten Rathauses wurde wieder in alter Pracht hergestellt und es gab schon mal den ersten Ausblick auf Venedig. So sind in Venedig die Paläste innen ausgestattet. Die Fugger, durch den Handel mit Venedig sehr reich geworden, hatten sich in ihrer Heimat damit ein weiteres Denkmal gesetzt. Ich freute mich jetzt schon riesig auf Venedig.

    Der Weg zum Lech war einfach zu finden und so war ich gegen elf Uhr auf dem Radweg Richtung Süden. Ich hatte dann irgendwann ein Hinweisschild zum VIA-Weg übersehen und bin weiter die Auenlandschaft am Lech entlang gefahren. Ich hatte mich zwar gewundert, daß ich alleine unterwegs war. Im nachhinein stellte ich fest, daß der Weg gut 6 bis 8 km länger war, da er sich wie der Fluß schlängelt und nicht geradeaus durch Ortschaften führte. Auch war ich während der Fahrt überrascht, wie groß das Naherholungsgebiet der Stadt Augsburg ist. Kleine und große Stauseen, die zum Baden, Angeln oder Segeln genutzt werden, reihten sich aneinander, daher war ich froh, diesen Weg gefahren zu sein. Ab der großen Staustufe Mandichosee darf der Lech für eine kurze Zeit wieder ganz schön wild daherkommen. (siehe Bild).

    Um nicht ganz die Orientierung zu verlieren, bin ich wieder zurück auf den alten Römer Weg nach meinem Bikelinebuch. Dank der brütenden Hitze (gefühlte 40 Grad) über die Mittagszeit war das keine gute Idee. Alles offenes Gelände, keine Schatten spendenden Bäume weit und breit, Schotterweg ohne Ende. Ich fürchtete schon um meine Reifen. Besser wäre ich am Lech geblieben und ab hier wäre der Weg nach Landsberg auch kürzer gewesen. Der originale Römerweg führte dann durch vielen Ortschaften und Gehöfte (siehe Bild) oder an deren Rand vorbei. In Graben gibt es Hinweise zur Römerzeit und unterwegs traf ich auf zwei Duplikate eines der wenigen noch erhaltenen Meilensteine (siehe Bild). Zum Essen habe ich mir nicht viel Zeit genommen, so während der Fahrt meine Schnitten gegessen, um zumindest in Landsberg noch einige Zeit verbringen zu können.

    Ab Iflingen mußte ich dann doch den Römerweg verlassen, um nach Landsberg zu kommen. Kurz nach drei Uhr nachmittags bin ich in Landsberg angekommen. Auch hier die Altstadt eine große Baustelle (siehe Bild). An einem der Bauzäune habe ich dann meinen Drahtesel angekettet. Auf dem Marktplatz das beste Eis der letzten Jahre in der dortigen italienischen Eisdiele verspeist und es gewagt, mein Rad, es war zwar gut angeschlossen, jedoch mein schweres Gepäck, na ja, ich hab’s mal für gut eine Stunde allein gelassen. Die Altstadt ist noch tiefstes Mittelalter, um 1135 erstmals urkundlich erwähnt. Viele Häuser sind bunt bemalt. Unbedingt sehenswert. Um halb fünf Uhr bin ich wieder auf mein Fahrrad gestiegen, um mich auf den Weg zu meinem vorgebuchten Hotel zu machen. Es waren noch 15 km bis Markt Waal zu fahren.

    Auf dem Weg dorthin kam ich an einer kleinen Kapelle vorbei. Der Messner war gerade damit beschäftigt, die Kirche für das kommende Fest am Donnerstag, Mariä Himmelfahrt, auszuschmücken. Da ich sehr neugierig bin habe ich mich natürlich gleich erkundigt, welche Geschichte hinter der doch einsam in der Landschaft stehenden Kapelle steckt. Der Messner fand das ganz toll, dass sich jemand für seine Kapelle (Maria Eich) interessiert und erzählte mir ausgiebig die Entstehungsgeschichte. Als Dank für das Ende der Belagerung im 30-jährigen Krieg, versprachen die Bürger von Landsberg eine Kapelle der Mutter Gottes zu errichten. Das Geld wurde durch Spendenaktionen und Kreditaufnahme schließlich zusammengebracht und der bekannte Baumeister Johann Schnuzer mit dem Bau beauftragt. Das Gelände dafür sollte der kleine, uralte Eichenhain sein, in dem jetzt die Kapelle mitten im Nirgendwo steht. Vom Eichenwald ist nichts mehr zu sehen, außer einem Eichenbaum der aber jüngeren Datums ist. 1696 wurde die Kapelle in Form eines barocken Saalbau‘s fertiggestellt.

    Sehenswert die Wand- und Deckenmalerei im Innern, nicht wie üblich die Himmelfahrt Mariens darstellt, sondern eine Episode aus dem Alten Testament „Judith enthauptet Holofernes“ (siehe Bild). So etwas habe ich in einer Kirche noch nicht gesehen. Daher bin die geneigt die Geschichte, die mir der Messner erzählte, zu glauben. Ein ähnlicher Fall wie im alten Testament, soll sich in den 1630iger Jahren auch zugetragen haben. Der Anführer der Schweden hatte ein Schäferstündchen mit einer ortsansässigen Dirne und diese hat ihm, auf Befehl der belagerten Landsberger, im Schlaf die Kehle durchgeschnitten. Welche Schmach, nicht im Kampf sondern im Bett einer Dirne zu sterben!. Die schwedischen Truppen müssen danach führerlos weiter gezogen sein. Geschichtlich ist das nicht belegt, also gehört diese Geschichte zu den Legenden.

    Auch Markt Waal der kleine Ort abseits meiner Route ist schon uralt. 890 erstmals urkundlich erwähnt, war überraschend schön. Es gibt ein Schloss mitten im Dorf, es wohnen hier die Fürsten von Leyen, auch zwei große Kirchen St. Nikolaus und St. Anna gibt es. Mein Hotel war ein alter, umgebauter Bauernhof, mit kleiner Brücke über einem Bach zu erreichen. Nicht weit davon eine Mühle mit laufendem Mühlrad. Total idyllisch. So schön hatte ich mir das nicht vorgestellt. Auch die Wirtsleute waren sehr nett. Abends in der Wirtsstube waren außer den wenigen Hotelgästen, Einheimische zum Schoppen trinken, bzw. zum Abendessen da. Der Wirt spielte nebenbei Schach. Er war Schachmeister und gab zwei jüngeren Frauen Schachunterricht. Nach meinem Abendessen mit Bierchen bin ich schon um halb zehn Uhr auf mein Zimmer. Voller Sorge hatten mein Mann und mein Sohn schon ein paar Mal angerufen, aber ich konnte sie beruhigen, es ging mir ausgezeichnet. Besser hätte der erste Tag nicht sein können. Vielleicht, vom Wetter her nicht ganz so heiß!

    Ich hatte dann auch gar keine Lust den Fernseher anzumachen, Tagesthemen oder Filmwiederholungen interessierten mich überhaupt nicht mehr. Ich war in einer ganz anderen Welt angekommen.







    Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 06.06.2014, 13:24. Grund: geotaggen

  • LadyofPedelec
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    #2
    2. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

    Mittwoch, 14. 08.2013
    35 km mit dem Rad von Markt Waal bis Schongau
    30 km von Schongau bis Füssen (mit dem Bus)
    20 km wieder mit dem Rad von Füssen bis Reutte

    Kurz nach halb acht Uhr erschien ich zum Frühstück. Wollte ich doch wegen der großen Hitze schon früh unterwegs sein. Aber der zweite Tag und das hatten mir Einige prophezeit, ist der Schwerste. Schleppend packte ich schon meine Taschen. Bin dann noch in den Garten um den prächtigen Hahn, der mich in aller Frühe geweckt hatte, zu fotografieren. Leider hat er sich nirgendwo blicken lassen, nur seine Hennen liefen überall herum.

    So bin ich also erst um neun Uhr (die Kirchturmuhr schlug gerade) losgekommen. Die Strecke verlief zuerst leicht bergab durch den Waaler Wald nach Oberdießen. Jetzt war ich wieder auf der VIA Strecke Richtung Schongau. Es war schon angenehm warm heute morgen. Keine Wolke am Himmel. Das versprach wieder ein richtig heißer Tag zu werden. Eine schöne weite Landschaft (siehe Bild), die nächsten 35 km. Leider, ohne dass ich es so richtig merkte, es ging konstant bergauf. Zwischendurch hatte ich noch in einem Supermarkt meine Tagesvorräte gekauft und so kam ich schon leicht erschöpft in Schongau an. Diese Stadt wollte ich unbedingt besichtigen. Inzwischen war es halb zwölf Uhr und ich hatte auch vor, hier eine längere Pause einzulegen, dafür war ich leider schon überreif. Na, dass wird lustig, da ich noch 50 km zu fahren habe und der erste Alpaufstieg erst am Ende, also die letzten 20 km ansteht. Dieses leichte, konstante bergwärts Fahren war anstrengend und ich bin es zu schnell angegangen, d. h. ich hätte heute morgen gemütlicher fahren sollen und mit meinen Kräften haushalten, oder war es doch nur dieser 2. Tag, ging mir so durch den Kopf.

    Die Stadt Schongau wurde im 13. Jh. gegründet, liegt auf einer Anhöhe und hat einen lang gezogenen großen Marktplatz (siehe Bild), der zum Teil autofrei ist. Am Brunnen vor dem schönen, gotischen Ballenhaus (mittelalterliches Warenlager) waren Bänke und auch ein wenig Schatten. Ich ruhte mich mal eine gute halbe Stunde so richtig aus. Danach so richtig fit war ich immer noch nicht. Ich will auch nicht im Detail beschreiben, was mir alles weh getan hat. Meinen Drusus (inzwischen hat mein Drahtesel einen Namen) hatte ich auf dem Gelände der imposanten, barocken Stadtkirche an einen Baum gebunden. Die Taschen mal wieder alleine gelassen und raffte mich auf, zu Fuß die Stadt zu erkunden. Ich besuchte die Stadtkirche (siehe Bild), das Ballenhaus (siehe Bild), die Stadtmauer mit Wehrgang, die Münze und zum Schluss ein ehemaliges Kloster mit einer romanischen, nach Renovierungen barocken Kirche. Inzwischen war es halb zwei Uhr am Nachmittag, ich immer noch nicht so richtig fit um die nächsten 50 km mit dem Rad fahren zu wollen. Vor allem machte ich mir Sorgen, ob ich zum Schluß noch den steilen Aufstieg von Füssen nach Reutte schaffe.

    Das Infozentrum, das im Rathaus untergebracht ist, war jetzt meine Anlaufstelle. Ich erkundigte mich nach einer Zugverbindung nach Füssen. Die Dame hat sich bemüht. Im Internet recherchiert. Heraus kam, dass es nur eine Verbindung mit Umweg über Garmisch gibt mit zweimaligem Umsteigen. Toll, diese Plage mit den Fahrräder beim Ein- und Aussteigen, oder das Wechseln der Bahngleise ohne Aufzug. Davor schreckte ich zurück und bedankte mich für die Auskunft. Also bleibt mir nichts anderes übrig als mit dem Rad schnellstens weiter zu fahren. Ich holte mein Rad und war schon am Losfahren, als mich eine Frau ansprach, „Wo ich denn hinfahre, sie hätte mich schon auf dem Weg nach Schongau auf der Straße gesehen“. Als ich ihr sagte, ich fahre nach Venedig, da staunte sie nicht schlecht. Wir unterhielten uns und sie erzählte mir, dass sie seit ihrer Rente hier in Schongau wohne, weil der Ort so schön sei. Leider hätte sie nur wenig Bekannte hier, so dass das im nach hinein keine so gute Idee war, denn sie ist oft recht alleine.

    Als ich ihr erzählte, dass ich für heute eigentlich schon die Nase voll habe vom Radfahren, es jedoch zu schwierig wäre mit dem Zug weiterzukommen, sagte sie: "Wieso fahren sie nicht mit dem Bus". Oh, wie geht das denn?. Bei der Info wusste man von nichts. Wir standen auch noch direkt vor der Bushaltestelle und sie ging mit mir zum Fahrplan. Ich hatte mal wieder verdammtes Glück, denn um halb drei Uhr fuhr der nächste Bus und dann erst wieder um fünf Uhr. Man musste nur in Schongaden umsteigen. Weil man mit dem dortigen Bus, der so eine Art Ausflugsbus ist, auch zu den Ludwigschlössern und zur Wallfahrtskirche „Wies’n“ kommt (viele Japaner waren unterwegs) kannte sie diese Verbindung. Der Himmel hat mir diese Frau geschickt. Ich bedankte mich herzlichst und wünschte ihr noch alles Gute für die Zukunft in Schongau. Jetzt wartete ich geduldig auf den Bus. Wie ich so im Bus sitze, froh heute noch in Reutte anzukommen, dachte ich mir, den Weg wäre ich gerne mit dem Rad gefahren, weil ab jetzt die Landschaft besonders schön ist, aber meine Planung für den 2. Tag war, wie man so schön sagt „grotten falsch“. Ich hätte hier nur 50 km einplanen sollen. Übernachten in Füssen um dann frisch am nächsten Morgen den ersten Alpaufstieg bewältigen zu können. Sehr ausgeruht kam ich um vier Uhr in Füssen an.

    Füssen liegt am Forggensee, der wirklich augenscheinlich sehr groß ist. Ich hatte noch genügend Zeit, mir die Stadt anzusehen (siehe Bild). Viele Touristen waren unterwegs. Ich konnte das Rad nur durch die Straßen schieben, so ein Gedränge. Die Stadt wurde bereits im 4. Jh. V. Chr. gegründet, weil hier die Römer ein Kastell zum Schutz der Via Claudia Augusta errichteten. Jahrhunderte nach den Römern wurde an der Stelle ein Kloster gebaut, St. Mang existiert heute noch. Die Altstadt ist reich an bunt bemalten Häusern. Auch gibt es ein imposantes, spätgotisches Schloß der Fürstbischöfe von Augsburg. Heute befindet sich darin eine Gemäldesammlung. Also man könnte durchaus einen ganzen Tag mit Besichtigungen verbringen. Oder besser noch zwei, damit man auch die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung, wie die Königsschlösser der Wittelsbacher besuchen kann. Der Trubel in der Altstadt war mir für den Moment dann doch zu viel, so dass ich nur durch die Fußgängerzone (siehe Bild) ging und so schnell wie möglich die Stadt in Richtung Lech verliess. Unterwegs habe ich noch in einer kleinen Kirche halt gemacht. Der Rokokofassade konnte ich nicht widerstehen. Im Innern waren farbenprächtige Fresken zu bewundern. Ich habe mich mal wieder beim anwesenden Messner erkundigt. Sie stammen von Anton Walch und die Spitalkirche zum Heilig-Geist ist dem hl. Nepomuk, Schutzpatron der Flößer gewidmet. Er wurde zum Schutz und zur Hilfe bei Floßunfällen angerufen. Früher war es sehr gefährlich den wilden Lech zu befahren und das geschlagene Holz flussabwärts zu bringen.

    Gleich nach der Kirche ging es über eine Lechbrücke zum gut ausgeschilderten Radweg und sofort steil bergauf. Zuerst neben der stark befahrenen Straße Richtung Österreich entlang. Trotz Zeitdruck machte ich noch einen Abstecher zum Lechfall. Imposant, weil sich hier der Fluß einen Weg durch Felsgestein graben musste und stufenweise an einigen Stellen tief herab fällt (siehe Bilder). Unbedingt ansehen. Auch gibt es eine Brücke über dem Wasserfall. Man muss schon ein bisschen schwindelfrei sein. Auf der anderen Seite, glaube ich, gibt es eine schöne Wanderstrecke, zumindest gingen viele Leute in diese Richtung. Leider hatte ich nicht viel Zeit mich länger aufzuhalten. Vor mir lag ein steiler Aufstieg mit dem Rad nach Reutte und ich musste bis 18 Uhr im Hotel sein. Der Weg führte auch schnell weg von diesem Stinkverkehr (Autoabgase vertrage ich nicht) ins Grüne. Mal steil durch den Wald bergauf, dann wieder fast eben über Wiesen. Hier holte mich dann auch ein junger Mann ein. Kurzes Hallo, wo fahren sie hin. Ach, auch Via Claudia und alleine. Junge Leute erkennen oft schneller wo es langgeht, so habe ich mich an ihn, was, ich glaube ihm nicht unangenehm war, rangehängt. Er hat sich nur gewundert, dass ich mit ihm Schritt halten konnte - dass ich mit einem Pedelec unterwegs bin, haben sich die meisten ja schon gedacht. Ich muss nur eben den "Naserümpflern" den Wind aus den Segeln nehmen. Wenn ich 8 Stunden mit dem Pedelec strample bin ich genauso kaputt wie jemand, der mit einem normalen Rad fährt. Der Unterschied ist nur, daß ich 5 km pro Stunde weiter bin.

    Gerade noch rechtzeitig kam ich um viertel vor sechs Uhr in Reutte (siehe Bilder) an. Am ersten Haus im Ort sah ich eine Frau im Garten. Bevor ich noch lange suche, dachte ich mir, frage ich mal nach der Ammerwaldstraße und meinem Hotel. Ich freute mich schon auf das Hotel, denn es hatte ein Hallenschwimmbad. Sie schaute mich groß an und sagte nur: „Kommen sie geschwind herein, ich zeige es ihnen auf der Karte“. Oh, Schreck, das Hotel war gar nicht in Reutte, sondern falsche Angabe von meinem Internethotelanbieter, nur Gemarkung Reutte. Das änderte natürlich alles. Vor mir standen 16 km steilst bergauf in die Berge. Gut 1800 Meter hoch lag das Hotel. Bestimmt ein sehr schönes Hotel im Winter zum Skifahren. Gotteswillen, sagte ich, dass schaffe ich heute nicht mehr. Also habe ich dort angerufen und mein Leid geklagt. Dafür hatte man großes Verständnis und man hat meine Buchung storniert. Erst mal froh, da ohne Stornogebühren raus gekommen zu sein, steuerte ich das nächstbeste Hotel an. Oh, das wird heute sehr teuer, dachte ich mir, ich hätte jeden Preis akzeptiert, aber ausgerechnet am morgigen Donnerstag ist ein Feiertag in katholischen Teilen Deutschlands, in Österreich und Italien „Maria Himmelfahrt“ und viele nutzen so ein verlängertes Wochenende zum Wandern. Noch nicht einmal für viel Geld konnte ich ein Zimmer bekommen, alles war ausgebucht. Die Dame am Empfang „zum Mohren“, hier hätte ich wirklich gerne gewohnt, bemühte sich für mich nach einem anderen Quartier. In Lechaschau war dann noch ein Einzelzimmer zu haben. Als ich dort ankam, standen schon Leute an der Rezeption die auch nach Zimmern fragten. Oh, hatte ich Glück, man hätte das Zimmer noch einige Male vergeben können. Der Preis des Zimmers war verträglich, das Hotel, na ja schon etwas angestaubt, damit meine ich 70/80er Jahre Stil, aber das Essen im Restaurant war ausgezeichnet und das Frühstücksbüffet sensationell. So endete mein zweiter Abend entspannt.









    Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 19.06.2014, 08:08. Grund: Korrektur

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      #3
      AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

      Hallo,
      bin gespannt auf die nächsten Folgen + natürlich auf die Bilder.
      Gruß Wi grenzenlos
      Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

      Gruß, Wi grenzenlos

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      • LadyofPedelec
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        #4
        [D] [A] [I] 3. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

        Donnerstag, 15.08.2013
        55 km mit dem Rad von Reutte nach Zams
        20 km von Biberwier zum Fernpass (mit dem Shuttle)

        Ich bin tatsächlich sehr früh aufgestanden und habe erst mal Unnötiges aus meinem Gepäck entfernt. Die „Putze“ wird sich freuen. Auch eine teure Bodum Thermoskanne (um unterwegs mein Getränk kalt zu halten, dafür hatte ich diese mitgenommen) war dabei. Den Kabelsalat konnte ich leider nicht loswerden. Rad-, Handy-, Kamera- und Laptop-Kabel waren lästig und nahmen viel Platz ein. Nach einem ausgiebigen Frühstück bin ich viertel nach neun Uhr losgefahren. Gleich hinter meinem Hotel führte der Radweg am Lech entlang. Sehr schöne, traumhafte Kulisse erfreute meine Augen. Es war auch noch nicht zu warm, aber auch nicht kalt, was ich eigentlich in dieser Höhe morgens erwartet hätte (Pullover und Windjacke hatte ich „unnötigerweise“ ja dabei). Ich bin dann richtig gemütlich angefahren, um diese Strecke bis zum Aufstieg zur Klause (Burgenwelt Ehrenberg) zu geniessen. Reutte liegt auf einem Hochplateau umgeben von steilen Bergen, die Gegend ist wirklich bilderbuchhaft. Kein Wunder dass alle Hotels ausgebucht waren.

        Durch den Wald ging es (gut beschildert) wie befürchtet steilst bergauf. Die eigentliche Strecke wurde gerade neu gemacht und war daher gesperrt. Alle die in Richtung Süden wollten, mußten den Wanderpfad hinauf und das noch mit groben Schottersteinen angefüllt. Verheerend, um nicht zu sagen katastrophal. Nur wer nicht Anhalten mußte oder ins Straucheln kam, der schaffte es hinaufzufahren. Aber irgendwann drehten meine Reifen durch und ich mußte absteigen. So ging es den meisten und wir mußten schieben. Mit fast 20 kg Gepäck und meinem Rad mit 21,5 kg, keine leichte Sache. Also schob ich gute 40 kg steilst bergauf. Ein netter Globetrotter, der mir immer helfen wollte, aber selbst mit viel Gepäck unterwegs war, so daß es beim Wollen blieb, begleitete mich die ganze Strecke. Er sorgte für Kurzweile, indem er aus seinem Leben erzählte. Er war das ganze Jahr mit dem Rad unterwegs. Hielt es nirgendwo lange aus. Im Moment war er gerade zu seinem Bruder nach Südtirol unterwegs. Für die kurze Strecke von 7 km brauchte ich eine volle Stunde. Oben angekommen, ich dachte mir zerreisst es die Lunge so keuchte ich, traf ich auf drei Radler, die sich ebenfalls ausruhten. Einer grinste als er mich so sah. Worauf ich zu ihm sagte: „Er hätte gut lachen, so ohne Gepäck“. Nein, sagte er: „wir freuen uns nur, daß sie es auch geschafft haben“. Toll! Wie sich heraus stellte, hatten die Drei Ihre Frauen mit dem Auto und Gepäck vorausgeschickt. Das war eine sehr kluge Planung. Brachte mich dann auf die Idee, sobald ich den ersten Fuß auf Italiens Boden setze, schicke ich die Hälfte meines Gepäcks mit der Post ins Hotel nach Venedig (Ich muß erwähnen, dass ich so viel Gepäck dabei habe, weil ich anschließend noch 14 Tage in Venedig verbringe).

        Leider nahm ich mir dann nicht viel Zeit um die Klause eine ehemalige Post- u. Zollstation zu besichtigen, es gab ein Museum zum Thema „Den Rittern auf der Spur“ auch einige Schautafeln zur Via Claudia Augusta waren zu sehen. Ich fürchtete durch diese Verzögerung (Rad schieben) komme ich zu spät in Biberwier meinem Shuttle zum Fernpass an. Zuerst ging es auch bergab, ein geländetaugliches Rad ist hier durchaus angebracht. Ich stand auf dem Rad um auszugleichen. Jetzt ist mir auch bewusst, warum die Mountainbiker meistens auf ihren Rädern stehen beim Fahren. Danach ging es wieder steilst bergauf, jedoch noch einigermaßen fahrend zu bewältigen. Ich bin lernfähig und habe lieber gleich die leichteste Stufe eingestellt, lieber tausend Umdrehungen gemacht, als wieder schieben zu müssen. Als alle diese Auf und Ab‘s (meistens im Wald) überwunden waren, ging es angenehm durch nette Ortschaften wie Heiterwang und Lermoos. Die meisten alten Bauernhöfe auf der Strecke waren zu Hotels umgebaut. Ob die alle im Winter ausgebucht sind, fragte ich mich. Jetzt stand überall trotz Feiertag „Zimmer frei“. Also nicht in Reutte übernachten, sondern bis hierher fahren, wäre meine Empfehlung. Irgendwann kam ich nochmals an den 3 Radlern (Klause) vorbei, die gerade eine Vesperpause einlegten. Na, dachte ich, so geil fuhren sie nun auch wieder nicht, wenn sie jetzt schon eine Pause brauchen. Ich habe auch nicht angehalten, nur ein Hallo ausgetauscht, da ich immer noch nicht wußte, komme ich rechtzeitig in Biberwier (Shuttle fährt um 12:30 Uhr) an.

        Meine Sorge war unbegründet. 10 Min. vor 12 Uhr war ich mit noch zwei anderen Radlern (Vater und Sohn aus Tübingen) am Gasthof Löwen. Meine Batterie war schon ziemlich aufgebraucht, so dass ich sofort auf der Toilette nach dem nächsten Stromzapfhahn suchte. Bei einem kühlen Apfelschorle konnte ich noch fast eine dreiviertel Stunde ausruhen. In der Dorfkirche gegenüber ging gerade die Messe zu Ende. Der heutige Feiertag, ist auch ein Festtag für die Feuerwehr und die Feuerwehrkapelle (alle in Trachten) gab auf dem Vorplatz mehrere Ständchen zum Besten. (siehe Bild). Danach gingen die Leute mit viel Hallo und „pfirti“ auseinander, einige in den Gasthof andere wahrscheinlich zum Mittagessen nach Hause. Als der Platz wieder leer war, kam prompt unser Shuttlefahrer mit seinem Anhänger. Die Fahrt kostete 11 Euro und war es allemal wert. Unterwegs sahen wir einige Radler die Strecke auf der normalen Straße fahren, so viele Abgase möchte ich nicht einatmen, außerdem ist es ja auch gefährlich. Ein Stinkstiefel nach dem anderen. Unterwegs kamen wir an eine Stelle, die einen grandiosen Blick zur Zugspitze in der Ferne bot. Anzuhalten und ein paar Fotos zu machen, dafür war leider keine Zeit, denn auch wir standen zeitweise im Stau. Auf meine Frage, ob das immer so sei, antwortete der Fahrer: „Dann kommen sie mal an einem Samstag. Das hier ist ganzjährig der größte Stau Österreichs“.

        Eigentlich wollte ich am Fernpass im dortigen Restaurant und am idyllischen Fernsteinsee eine längere Rast einlegen. Ich hatte ja noch nichts gegessen. Als wir dort auf dem Parkplatz ankamen und ich die vielen Autos und Motorräder sah (das war ich seit Dienstag nicht mehr gewohnt) suchte ich so schnell wie möglich das Weite. Froh wieder im Wald zu sein, weit weg vom Motorenlärm an einem steilen Abhang gönnte ich mir eine kleine Pause (hatte ich doch vom sensationellen Frühstücksbuffet einen Doppeldecker mitgenommen, quasi als Reserve). Ich muss sagen, die Fahrt ins Inntal ist nicht ganz ungefährlich. Über viele Kilometer ging es jetzt bergab, der Weg war zerfurcht und nicht sehr breit, ein sogenannter Gradweg besser noch Alpinweg. Ich bin dann immer auf der linken Spur, also der mir entgegenkommenden gefahren, weil ein kleiner Ausrutscher auf meiner Spur (höchstens einen halben Meter vom Abhang entfernt) einen Absturz zufolge gehabt hätte und das mit oft hoher Geschwindigkeit, das hätte ich nicht überlebt. Also lieber kollidierte ich mit einem entgegenkommenden Radler. Aber es ging gottseidank gut. Keiner fuhr die Strecke bergaufwärts. Durch diese hohe Anspannung war der Weg sehr kurzweilig.

        Aus dem Wald heraus ging es wieder vorbei an schönen alten Ortschaften wie St. Wendelin oder Nassereith und auch hier die meisten Häuser zu Hotels oder Pensionen umfunktioniert. Überall „Zimmer frei“. Auf der Höhe von Strad kam ich an einem Biergarten vorbei. Hier machte ich dann die längst fällige längere Pause, um meine Batterien rad- und kopfmäßig aufzutanken. Ich gönnte mir auch ein großes Radler und setzte mich, da die meisten Tische mit mehreren Gästen belegt waren zu einem einzelnen Herrn (ein Glücksfall). Er war als Radfahrer gleich zu erkennen (später in Italien wird es ja noch schlimmer) wegen seiner „knackeligen“ Fahrradklamotten (was sich die Designer bei diesen Entwürfen denken, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Vielleicht lieben sie ja die Renaissance, wie ich das tue). Er war ein Einheimischer, Rentner und jeden Tag mit dem Rad bergauf, bergab unterwegs. Wir unterhielten uns sehr nett. Am Nachbartisch saß ein junges Paar, mit viel Gepäck unterwegs zu Fuß nach Venedig. Sie setzten sich dann zu uns an den Tisch und berichteten von ihren Erlebnissen. Seit Anfang der Schulferien waren sie von Augsburg aus unterwegs. Ich gab ihnen viele Tipp’s für Venedig. Da ihre Ankunft in Venedig in der ersten Septemberwoche geplant war, konnten wir uns später in Venedig auch treffen. Ich bin mit ihnen per email in Kontakt und versuche sie zu überreden, ihre Erlebnisse auch zu veröffentlichen.

        Vom Biergarten aus führte der Weg direkt zum Gurglbach. Vorbei an einem interessanten Museum „Knappenwelt Gurgltal“. Ich war mal wieder spät dran, so daß ich mich nur informierte. Es wird in diesem Museum die Welt der Bergleute anschaulich erklärt und man kann auch ein Stück weit in das Bergwerk hineinfahren. Leider hat mich mehr Bikelineführer jetzt von diesem idyllischen Bachradweg weggeführt und nach Imst umgeleitet. Ich habe mich hinterher sehr geärgert. Nicht nur das ich einen Umweg gefahren bin, war es auch bei der brütenden Hitze und steilem Anstieg nach Imst eine richtige Plage (Imst war dazu auch noch an diesem Nachmittag wie ausgestorben). Sofort nach Imst wurde ich wieder zurück zum Gurglbach geleitet. Was sollte das? Also fortan schaute ich nur noch selten in mein Bikelinebuch.

        Irgendwann macht der Radweg am Bach auf der Höhe von Bichlbach eine Rechtskurve und danach befindet man sich auf dem breit angelegten und gut ausgebauten Inntalradweg. Alle paar hundert Meter ein Rastplatz und wie eine Parklandschaft gestaltet. Der Inn kommend aus den Schweizer Bergen mündet bei Passau in die Donau und ist in Österreich einer der beliebtesten Radwege. Jetzt war natürlich auch richtig etwas los. Die meisten Radler kamen mir entgegen. Klar, ich fuhr den Inn auch flussaufwärts. Auf Kiesbänken im Fluss konnte ich Leute baden sehen. Eine Abwechslung bei den doch heißen Temperaturen im August. Lust dazu hätte ich auch gehabt, aber die Strömung war ganz schön gewaltig und bestimmt das Wasser eiskalt. Etwas für Abgehärtete.

        Unterwegs traf ich den Radler vom Biergarten wieder, der sich eine Pause im Schatten gönnte. Ich setzte mich zu ihm und er erzählte mir, daß er jetzt bald zu Hause sei. Ich sagte, auch ich bin bald an meinem heutigen Ziel, ich hätte ein Hotel in Zams. Als ich ihm das Hotel Kronenburg nannte, schaute er mich eine Minute ganz entgeistert an und sagte dann: „Also ein Hotel Kronenburg gibt es in Zams nicht, aber schauen sie da mal hin und deutete in Richtung eines Bergkegels, da ist die Burg Kronenburg und unterhalb davon gibt es ein Kloster mit Gasthof und Hotel. Also, darauf habe ich einen Lachanfall bekommen. Wie gestern, nicht schon wieder. Er meinte auch, daß würde ich mit meinem Rad schwer schaffen. Es wäre nicht weit, etwa 6 km von Zams, aber steil bergauf. Oh, da muß ich abtelefonieren. Bis 18 Uhr kann ich kostenlos stornieren, so mein Hotelanbieter aus dem Internet. Er empfahl mir eine nette Gaststätte, da könnte ich dann zum Ortstarif telefonieren und begleitete mich bis dorthin. Unterwegs zeigte er mir noch einen besonderen Trinkbrunnen. Schön gestaltet, das Besondere daran war, dass es sich hier um rechtsdrehendes aus großer Tiefe kommendes Wasser handelt, welches weicher ist als das normalerweise linksdrehende und auch für Heilzwecke verwendet wird. Wie bereits ein Österreicher namens Johann Grander erforscht hat. Daher nennt man den Brunnen „Granderbrunnen“ (siehe Bild). Beim Lokal angekommen, verabschiedete er sich. Er meinte noch die Wirtsleute seien sehr nett, eine türkische Familie.

        Um diese Zeit war natürlich kein Gast im Lokal, dafür die komplette Familie beim Essen. Ich entschuldigte mich für die Störung und klagte mein Leid. Die Mutter, vermutlich die Köchin, überlegte kurz und meinte dann, ich bräuchte nicht zu telefonieren, da oben ist es sehr schön und sie fährt mich hinauf. Das war sprichwörtlich die Überraschung des Tages. Im Combi musste hinten nur ein wenig aufgeräumt werden und mein Rad passte gut hinein. Es ging wirklich steil hinauf. Gottseidank kam kein Fahrzeug entgegen, sonst hätten wir Schwierigkeiten bekommen und Ausweichstellen gab es nur wenige. Oben angelangt, ging mir das Herz auf. Es war wirklich herrlich hier. Ich gab meiner Fahrerin natürlich ein gutes Benzingeld. Sie wollte es noch nicht einmal annehmen. Erst als ich sagte, sie solle es den Kindern geben, steckte sie es ein.

        Das Hotel ist ein Klosterkonvent, für Seminare und Tagungen umgebaut und wird von den Nonnen geleitet. Mein Zimmer war toll und hatte anstatt einer Nummer den Namen „Ulrich von Liechtenstein“ wie witzig eine Schwäbin an Wilhelm Hauffs „Liechtenstein“ zu erinnern. Gegenüber gab es eine kleine Kapelle "Maria Hilf" (passend zum heutigen Feiertag). Ich bin auch später zu einer kurzen Andacht hinübergegangen, hatte ich doch heute schon so viele schöne Dinge erlebt und viel Glück gehabt hier zu sein. Im Innern gab es ein Altarbild „Maria Gnadenbild“ genannt, einen echten Lukas Cranach. Bei schönstem Sonnenuntergang ging ich anschließend zum Abendessen hinüber in die Gaststätte. Es waren Seminarteilnehmer beim Essen, darunter auch einige italienische Patres. Das Essen war gut, etwas teuer und der Wein sündhaft teuer. Dafür hatte ich das Gefühl das schönste, idyllischste Hotel ausgesucht zu haben (Danke an meinen Internetanbieter), das es in dieser Gegend gibt.















        Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 02.07.2014, 15:22. Grund: Korrektur

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        • LadyofPedelec
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          • 09.10.2013
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          • Meine Reisen

          #5
          [D] [A] [I] 4. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

          Freitag, 16.08.2013
          15 km von Zams nach Landeck
          55 km von Landeck nach Nauders (mit dem Bus)
          25 km von Nauders nach Glurns (Burgeis)

          Nachdem ich ein sehr gutes und reichhaltiges Frühstück hatte, frisch gebackenes Brot und auch sonst war alles da, konnte ich mich nur schwer von diesem schönen Fleckchen Erde verabschieden. Ich bin nochmals in die Kapelle gegangen und machte einen kleinen Spaziergang rund ums Kloster. Eine Nonne, die gerade dabei war die Blumenkästen zu gießen, sprach ich auf das Madonnenbild an. „Es täte mir in der Seele weh, einen echten Lukas Cranach ungeschützt so hängen zu sehen“. Schmunzelnd musste sie zugeben, daß das Bild nur aus seiner Werkstatt (Schule) stammt. Jedoch war das nirgendwo vermerkt. Also, man will schon mit einem berühmten Gemälde glänzen. Wertvoll ist es allemal. Ich sah dasselbe Gemälde später nochmals in Meran im dortigen Duomo. Lukas Cranach der Jüngere hatte ja eine richtige Malerfabrik, in der Gemälde wie auch die Porträts von Martin Luther haufenweise vervielfältigt wurden und das von meisterlich bester Qualität.

          Um 10 Uhr bin ich dann endlich losgekommen. Beim Bezahlen meiner Rechnung habe ich dummerweise die Dame am Empfang gefragt, ob ich denn, wenn ich auf der anderen Seite des Bergkegels den Weg nehme auch nach Landeck käme. Oh ja, selbstverständlich, sie wäre die Strecke schon oft mit ihrem Rad gefahren. Das war ein Fehler, anstatt steil bergab zu fahren, um von diesem Berg wieder ins Inntal zu kommen, führte der Weg auf den nächsten Bergrücken fast 2200 m hoch. Für Mountainbiker eine super Angelegenheit. Für mich und mein Gepäck eine Plage. Ich bin irgendwann dann doch über viele Irrwege und viel zu viel Zeitverbrauch in Landeck angekommen. Es war schon fast 12 Uhr und der nächste Shuttle nach Nauders fuhr 12:20 Uhr. Also habe ich mich zum Bahnhof begeben. Landeck ist auch nicht wirklich sehenswert.

          Beim ersten Bus den ich sah erkundigte ich mich nach der Linie Richtung Nauders. Als der Busfahrer mich und mein Rad sah, sagte er nur: „Elektrofahrräder dürfen wir nicht mitnehmen. Der Bus jedoch käme in ca. 5 Minuten“. Gottseidank, hatte ich dadurch noch ein bisschen Zeit und ich bin ja nicht dumm, habe sofort meine Batterie ausgebaut und in den Taschen verstaut und schon war mein Rad ein normales Fahrrad. Der Busfahrer schaute dann zwar komisch drein beim Verladen meines Rades, aber hat‘s dann doch aufgeladen. Die Fahrt war sehr schön, zuerst war ich alleine als Radfahrer im Bus, dann so ab Pfunds kamen viele Räder dazu. Mein Tipp, man muss nicht unbedingt den Shuttle schon ab Landeck nehmen. Es gibt auf der Strecke viele Möglichkeiten dazu zu steigen. Letzte Haltestelle bei Hochfinstermünz. Danach geht es bergauf. Ein netter, junger Mann ist hier eingestiegen und setzte sich zu mir. Wir unterhielten uns. Er sagte: „die Strecke fahre er nicht zum ersten Mal, aber nie wieder den Pass hinauf, da man streckenweise nur die viel befahrene Straße nutzen kann“. Er meinte auch, daß es gefährlich wäre. Sein Begleiter wollte aber trotzdem den Pass hochfahren und sie treffen sich nachher in Nauders.

          Um 13:45 Uhr bin ich in Nauders angekommen, hier ist Endstation für die Österreichischen Busse. Wenn man will kann man aber gleich nebenan in einen italienischen Bus einsteigen, der über den Reschen fährt bis Mals. Ich hatte mich entschieden, da es noch früh am Nachmittag war, den Radweg zum Reschenpass zu nutzen. Es ging steil bergauf, jedoch ist es ein gut ausgebauter Radweg neben der Straße und problemlos zu fahren.

          Oben am Pass angekommen, befinden sich noch immer, wie früher als man hier warten musste bis zur Zollabfertigung, die vielen italienischen Verkaufsstände, mit meist gefälschter Markenware (es war schon immer verführerisch eine Gucci oder Pradatasche für wenig Geld einzukaufen). Gottseidank, konnte ich nichts kaufen, weil kein Gramm mehr auf mein Rad kommt. Wahnsinnig viele Motorradfahrer in großen Gruppen waren (verlängertes Wochenende) auf dieser Strecke unterwegs. Also mal wieder nicht anhalten. Zuviel Lärm und Gestank. Ich habe mich sofort auf den Weg zum Reschensee gemacht und dort den Radweg auf der linke Seite benutzt. Zwar war dieser nur einige Meter von der Verkehrsstraße entfernt, jedoch die bequemere Wegstrecke. Der Weg rechts führt bergauf, bergab, darauf hatte ich jetzt keine Lust mehr. Der Reschensee ist ein beliebtes Ausflugsziel. In Graun ist die Altstadt im Reschenstausee verschwunden und es schaut die Kirchturmspitze aus dem Wasser. (Dummerweise habe ich hier kein Foto gemacht, weil sehr viele Leute unterwegs waren und ich so schnell wie möglich da durch wollte. Nach St. Valentin kommt nochmals ein kleiner See „Haidersee“, hier bin ich dann auf die rechte Seite gewechselt und eine zeitlang am Berghang entlang gefahren. Aus diesem See entspringt die Etsch (italienisch Adige). Diesem Flusslauf werde ich die nächsten 2 Tage bis Trento folgen. Toll, toll, toll. Bestens angelegter Radweg, abwechslungsreich gestaltet, viele Raststätten und die schönste Landschaft, die man sich nur denken kann.

          Für den heutigen Tag hatte ich keine Übernachtung vorgebucht. Am Reschensee gibt es natürlich viele Übernachtungsmöglichkeiten, aber der Autoverkehr und eine Menge Touristen schreckten mich ab überhaupt nach einer Unterkunft zu fragen. Hier zu bleiben, dass hätte mir keinen Spaß gemacht, vielleicht mit dem Auto, aber nicht mit dem Fahrrad. So bin ich weitergefahren über Mals nach Glurns. In diesem mittelalterlichen Städtchen wollte ich übernachten. Das Stadtrecht bekam Glurns 1304 und ist durch Salzhandel sehr reich geworden. Die Innenstadt ist so gut wie nicht verändert worden, eine umlaufende Stadtmauer mit Wehrgang ist zu besichtigen. Die alten Häuser (siehe Bild) mit ihren Laubengängen (die unteren Stockwerke wurden zur Lagerung von Salz verwendet) sind etwas ganz besonderes. Sehr sehenswert. Ich habe dann am Marktplatz mein Fahrrad abgestellt und bin, es war inzwischen halb fünf Uhr am Nachmittag, zum Informationsbüro. Leider mal wieder alles ausgebucht. Die Dame sagte, wäre ich früher gekommen, bis fünfzehn Uhr hätte sie noch viele Zimmer zur Verfügung gehabt, jetzt jedoch kein Einziges mehr im Ort.

          Sie bemühte sich dann für mich in den umliegenden Ortschaften und wurde in Burgeis fündig. Leider wäre das wieder zurück bis fast unterhalb des Haiderseees zu fahren gewesen und da kam ich ja gerade her. Der Pensionsbesitzer erklärte sich bereit, mich um achtzehn Uhr mit dem Auto abzuholen. Das passte mir gut, so hatte ich doch noch fast eineinhalb Stunden um mir die Stadt anzusehen. Pünktlich wurde ich abgeholt. Burgeis ist ein richtiges kleines Bergdorf, jedes Haus zum Hotel oder Pension umgebaut. Ich bin ja immer sehr neugierig und frage die Leute gerne aus. So erklärte er mir unterwegs die Südtiroler Verhältnisse. In der Schule bestehen die Eltern darauf, dass deutsch die vorherrschende Sprache ist, italienisch nur in den Naturfächern gesprochen wird. Also, sie unterhalten sich untereinander in deutsch und schauen abends österreichisches oder deutsches Fernsehen und wissen mehr über Frau Merkel Bescheid als über Berlusconi. Die Bewohner leben vom Fremdenverkehr und von der Landwirtschaft, ausschließlich wird (na ja, glaube ich mal) biologisch angebaut. Er fragte mich dann auch noch, ob ich am Abendessen, da die Gäste alle Halbpension haben, teilnehme. Wunderbar, so muß ich in dem kleinen Ort schon keine Kneipe suchen.

          Beim Abendessen um neunzehn Uhr lernte ich dann seine Frau kennen, die ein wunderbares Menue gekocht hatte. Die Pension war ausgebucht und alle Tische belegt. Die meisten Gäste waren Italiener. Sie musste daher ständig die Sprache wechseln. Mit den Österreichern und Deutschen sprach sie perfekt deutsch, ging sie zu den Italienern dort italienisch. Ich bewunderte, dass sie nicht durcheinander kam. Darauf angesprochen, sagte sie leise: „Eigentlich spreche ich viel lieber deutsch“ (die Abneigung der Südtiroler gegen Italien, wird mir in Bozen dann noch deutlich von einem netten Stadtführer! erklärt, davon berichte ich in zwei Tagen). Ich bin dann mal wieder früh auf mein Zimmer und habe an meinem Tagebuch gearbeitet, mich auf den Balkon (siehe Bild) gesetzt und gegen später die Sterne beobachtet. Es war wieder ein wunderbarer Tag.

          Leider war es dann so gegen dreiundzwanzig Uhr mit einer geruhsamen Nacht vorbei. Unterhalb der Pension gab es ein Hotel mit einem „Club“ (früher sagte man dazu "Disco"), der am Wochenende offen ist und deswegen ist Burgeis bei den Motorradbikern so beliebt. Die Musik muß man im ganzen Tal gehört haben bis morgens um halb drei Uhr und jede halbe Stunde volle Pulle den Sommersong „Jubel von Klingande“, da haben die Gäste lauthals mitgesungen und müssen auf den Tischen getanzt haben. Ich bin jedesmal wach geworden.

          Immer wenn jetzt dieser Song im Radio kommt, inzwischen auch bei uns sehr beliebt, muss ich an Burgeis denken und drehe in Erinnerung das Radio hauptsächlich im Auto auf volle Lautstärke.









          Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 22.07.2015, 11:33.

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          • PWD
            Fuchs
            • 27.07.2013
            • 1313
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            #6
            AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

            Zitat von LadyofPedelec Beitrag anzeigen
            Kann mir jemand helfen, wie bekomme ich mein Bild ins Profil. Danke im voraus
            LadyofPedelec
            Ganz einfach, klick

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            • rockhopper
              Fuchs
              • 22.04.2009
              • 1238
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              #7
              AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

              Hallo LadyofPedelec, das liest sich ja spannend!
              Gruß rockhopper

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              • LadyofPedelec
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                • 09.10.2013
                • 28
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                #8
                [D] [A] [I] 5. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                Samstag, 17.08.2013
                65 km von Burgeis nach Meran

                Etwas gerädert, weil ich erst ab drei Uhr so richtig schlafen konnte, erschien ich um acht Uhr beim Frühstück. Ich war eine der ersten Pensionsgäste. Das gab mir die Gelegenheit, mich nach der Poststation und den Möglichkeiten ein Paket nach Venedig zu versenden, die Wirtin zu befragen. Oh Gott, sagte sie: „das lassen sie lieber bleiben, sie kennen die italienische Post nicht. Wahrscheinlich kommt ihr Paket in Venedig an, wenn sie längst abgereist sind.“ Aber, meine Glückssträhne reißt nicht ab, sie sagte weiter: „warten Sie auf die Italiener aus Murano, die gestern am Nebentisch gesessen sind, ich frage mal ob sie ihr Paket mitnehmen“. Tatsächlich sie waren bereit einen Teil meines Gepäcks gute 10 kg mit ihrem Auto nach Hause zu nehmen. Wir verabredeten einen Treffpunkt für die Übergabe. Das war natürlich ein Risiko fremden Leuten Kleider anzuvertrauen. Ich hatte für Venedig, weil ich auch abends ins „Teatro La Venice“ wollte, ein paar nicht ganz billige Kleider mitgenommen. Da es Stammgäste waren, dachte ich, das wird schon gut gehen und die Übergabe in Venedig klappte auch bestens. Endlich erleichtert von meinem vielen Gepäck waren die nächsten Tage eine richtige Spazierfahrt.

                Um halb zehn Uhr bin ich dann auch losgefahren. Der Radweg führt direkt durchs Dorf und da ich gestern schon mal hier vorbeigekommen bin, hatte ich auch keine Orientierungsprobleme und war flott unterwegs. Bis Glurns führt die Radstrecke meistens auf der rechten Seite der Etsch vorbei, angenehm am Waldrand (siehe Bilder). Erst nach Prad beginnt das Gelände offener zu werden und die Tageshitze setzt einem zu. Wenn es mir am Lech schon sehr heiß vorgekommen ist, so haben sich die Temperaturen in Italien noch um einige Grad gesteigert. Meine Nase war schon ganz schwarz verbrannt. Sonnencreme half da nichts mehr. Ich musste mir in der Apotheke eine spezielle Salbe kaufen. Zumal ich auch nie wie eigentlich geplant von acht Uhr bis dreizehn Uhr gefahren bin. Ich war immer den ganzen Tag unterwegs und habe um die Mittagszeit nur eine längere Pause im Schatten eingelegt.

                Meine erste, kleine Pause so gegen halb zwölf Uhr machte ich mitten im Wald (siehe Bild) an einer wirklich netten Raststätte. Es gab hier deftige Brotmalzeiten auf Vinsgauer Brot. Außer dem üblichen Espresso war noch nicht viel von italienischem Essen zu erkennen. Meine richtige Mittagspause legte ich zwei Stunden später an einem Anglersee mit netter Gaststätte ein (siehe Bild). Ab Naturns beginnt die berühmte und für diese Gegend typische Obstlandschaft. Die Apfelernte steht bald an. Ich genoss diese Fahrt, so dass ich manchmal richtig langsam fuhr um das alles intensiver in mein Gedächtnis aufzunehmen (siehe Bilder). Rechts und links steile Berge und man kann erahnen, daß sich durch dieses Tal früher ein Gletscher durchgeschoben hat. Alles wirkt wie eine Moränenlandschaft. Am späteren Nachmittag kam ich auch an der Burg Juval vorbei, die Reinhold Messmer gehört und darin eines seiner Museen untergebracht ist (siehe Bild). Leider habe ich mir dafür keine Zeit genommen, ich war schon wieder mal spät dran.

                So gegen sechzehn Uhr machte ich dann, es war an diesem Tag wirklich sehr heiß, 40 Grad wurden mit Sicherheit erreicht, nochmals in einer Radbar (siehe Bild) eine Espressopause. Ich erzähle das jetzt nur, weil ich hier eine nette Episode hatte. Ich bin gerade dabei meinen Reifendruck zu prüfen, als aus einer Radgruppe drei Männer mittleren Alters an die Bar gingen. Sie fielen mir nur deshalb auf, weil sie plötzlich herzhaft loslachten. Als ich so zu ihnen rüber schaute, gefror einem der Drei, die Lache im Gesicht ein. Hoppla, dachte ich, die lachen ja über mich. Wahrscheinlich, „Oh, die Alte ist mit einem Rollator unterwegs, oder so ähnlich“. Zuerst ärgerte ich mich und wollte schon rübergehen und fragen, ob ich auch über sie und ihre Kasperklamotten lachen dürfte, aber dann dachte ich mir, das ist es nicht wert. Unerwarteterweise kam meine Rache etwas später.

                Ich bin bestimmt gute fünfzehn Minuten später als die Gruppe losgefahren und so nach einer halben Stunde denke ich, ja wer fährt denn da vorne. Also, das ist ja nur eine Freizeitgruppe und die geben an wie Profi‘s und lachen über mich. So, dachte ich, Strom habe ich ja noch genug, da ich auf der Strecke kaum welchen verbraucht hatte. Denen werde ich‘s zeigen. Schwerste Stufe eingestellt, (eine Umdrehung anstatt drei) und voll Strom dazugegeben. So bin ich mit 30 Sachen auf die Gruppe zu. Als ich dran vorbeifuhr, klingelte ich und sagte ganz laut: "Jetzt zeige ich Euch mal was ein Pedelec so drauf hat". Eine Radlerin aus der Gruppe, schrie hinter mir her, „das wissen wir schon, was ein E-Bike kann“. Nur die Drei, für die es bestimmt war, haben betreten auf die Seite geschaut, als ich an ihnen vorbeifuhr und lachen konnten sie dabei auch nicht mehr. Sie haben dann nur noch meine Staubwolke gesehen. Die 30 km/h habe ich gut dreißig Minuten durchgehalten bis zur Staustufe (siehe Bild), hier fällt die Etsch steil bergab und fließt durch den Wald. Ich mußte jetzt den Radweg verlassen um nach Meran abzufahren (siehe Bild). An der Staustufe habe ich noch ewig Fotos gemacht, aber von der Gruppe war immer noch nichts zu sehen. Oh, das hat meinem Ego gut getan.

                Nach Meran geht es auf einer Serpentinenstraße steil bergab, mit einem herrlichen Ausblick in die Trentiner Ebene. Wunderbar, nur zu empfehlen. Diesmal war mein vorgebuchtes Hotel wirklich direkt in Meran und sehr schön gelegen, gerade mal zwanzig Minuten zu Fuß in die Altstadt. Meran ist ein bekannter Kurort. Bereits in römischer Zeit bestand hier eine befestigte Siedlung. Urkundlich erstmals erwähnt 857 und nannte sich Mairania. Ab dem 13. Jh. bekam die Stadt durch die Grafen von Tirol das Stadtrecht. Durch die umliegenden Gebirge hauptsächlich der Texelgruppe hat Meran ein sehr mildes Klima, da die kalten Winde und auch die Niederschläge im Herbst und Winter abgehalten werden. Die ersten südländischen Pflanzen, wie Zypressen, Palmen und Zedern gedeihen hier schon. Etwas enttäuscht war ich dann doch, hatte ich mir Meran glamouröser vorgestellt, etwa wie Baden Baden. Das Kurhaus (siehe Bild) war sogar um diese Jahreszeit geschlossen. Wahrscheinlich ist hier nur im Frühjahr und Herbst etwas los, wenn die Kurgäste kommen. Der Kurpark soll sehr schön sein. Um noch einen größeren Spaziergang zu machen, war es leider schon etwas spät am Abend. Ich bin dann doch lieber durch die Altstadt gebummelt, habe mir den dortigen Dom angesehen, die bunten Glasfenster und originale Fresken waren sehr eindrucksvoll, was ähnliches habe ich nur noch einmal in Paris gesehen. Die Gassen in der Altstadt (siehe Bild) sind sehr schmal und haben wie in Glurns Laubengänge, nur leider mit Geschäften etwas verunstaltet. Ich habe mir eines der vielen Restaurants in einer sogenannten Freßgasse ausgesucht und dort auch wirklich gut gegessen, meine erste, richtige italienische Mahlzeit. Es war dann schon gegen dreiundzwanzig Uhr als ich wieder ins Hotel zurück bin (im nachhinein kann ich über diesen heutigen Tag sagen, daß es landschaftlich der schönste Reisetag war).



































                Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 13.08.2014, 14:51.

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                  #9
                  [D] [A] [I]6. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                  Sonntag, 18.08.2013
                  90 km von Meran bis Trient/Trento

                  Nach einem guten Frühstück bin ich schon vor neun Uhr (siehe Bild) losgefahren, hatte ich doch heute eine lange Strecke zu fahren und wollte unbedingt die Stadt Bozen sehen und natürlich Ötzi im dortigen Archäologischen Museum besuchen. Der Hotelbesitzer, es war wirklich ein sehr gutes Hotel, zeigte mir noch einen Trinkbrunnen schräg gegenüber, in dem ich meine Flaschen mit gutem Quellwasser auffüllen konnte. Ich fand auch sehr schnell den Radweg, der nach Bozen führte. Am Sonntagmorgen war es noch sehr ruhig auf den Straßen, kaum Verkehr und so war die Strecke, die an der Meraner Rennbahn vorbei führt, angenehm zu fahren. Hier spaltet sich der Radweg, ein Weg führt an die Etsch, der andere am Berghang entlang und ist als VIA-Weg gekennzeichnet. Ich bin inzwischen lieber auf den gut ausgebauten Flußwegen unterwegs, als auf dem Römerweg. Diese Strecken sind perfekt ausgeschildert, ebenso gibt es viele Rastplätze und die meisten Radler fahren auch diese Strecken.

                  Kurz hinter Meran traf ich Vater und Sohn aus Tübingen wieder, die ich im Shuttle zum Fernpass kennengelernt hatte. Auch sie bevorzugten die leichtere Strecke, zumal es wieder ein sehr heißer Tag werden wird. Die Fahrt war angenehm, da es dem Flußlauf folgend, immer leicht bergab ging. Viele Radfahrer waren am heutigen Sonntag unterwegs. Die meisten mit wenig Gepäck und hohem Tempo. Kurz vor Bozen kommt man nochmals an einem der fünf Museen Reinhold Messmers vorbei, die Burg Sigmundskron (siehe Bild). Ich habe wirklich lange mit mir gehadert, soll ich nun eine Stunde einplanen und dieses Museum besuchen, oder soll ich weiterfahren. Ich hatte mich dann fürs Weiterfahren entschieden und wollte doch lieber Ötzi in Bozen besuchen. Für alles zusammen wäre keine Zeit gewesen, sonst komme ich ja erst spät abends in Trient/Trento an (was dann auch ohnehin geschehen ist, davon später mehr). Bei Bozen vereinen sich die Eisack und die Etsch und bilden ab hier schon einen richtigen, großen Fluß.

                  An dieser Gabelung führt auch der Radweg (linken Seite) an der Eisack in die Stadt Bozen. Ein, wie sich herausstellte, netter Südtiroler (etwa mein Jahrgang), fuhr schon eine Zeitlang neben mir her und wir unterhielten uns. Er war auf einer Tagestour nach Brixen unterwegs. Als ich ihn darauf ansprach, „es wäre mir aufgefallen, daß die Südtiroler nicht gerne Italiener seien und was er davon halte“, da hatte ich in ein Wespennest gestochen, ab sofort war er in seinem Redefluss nicht mehr zu bremsen. Er schimpfte auf die italienische Regierung was das Zeug hielt und bot sich daraufhin an, mich ein Stück in die Stadt zu begleiten, um mir das größte Schandmal (wie er es nannte) das je entstanden ist, zu zeigen. Das war mir recht, so kam ich auch schnell vorwärts. Wir fuhren durch die Innenstadt, Bozen wesentlich größer, schöner und gepflegter als Meran. Unbedingt sehenswert. Mit Schandmal meinte er das Siegesdenkmal Mussolinis (siehe Bild), errichtet nach dem 2. Weltkrieg als Sieg über Südtirol und Hitlerdeutschland. Mussolini hätte sich zum Ende des Krieges als schon die Niederlage abzusehen war von Hitler abgewandt, dafür hätten ihm die Alliierten Südtirol versprochen, eine feige Übernahme die als Sieg gefeiert wurde, so denken die meisten Südtiroler, meinte er. Im Volksmund wird das Denkmal auch „Faschistenmahnmal“ genannt. Die Bozener würden sich auch über den hohen Ausländeranteil in ihrer Stadt, Albaner, Nordafrikaner usw. der ihnen von Rom aufgedrängt wird, maßlos ärgern. Ich habe das jetzt nicht im Internet recherchiert und berichte nur wie ein Einheimischer denkt, schließlich sollte man auch die Menschen kennenlernen und nicht nur das Land bereisen.

                  Geografisch liegt Bozen in einem Talkessel am Zusammenfluß der Etsch, Eisack und Talfer und ist an drei Seiten von hohen Bergen umgeben. Früher war dieses Tal durch häufige Überschwemmungen der Talfer ein großes Sumpfgebiet und galt lange Zeit als unbewohnbar. Die Keimzelle Bozens liegt mal wieder in der Römerzeit. Als Militärstation Pons Drusi zum Schutz der Passstraßen zum Reschen und Brenner angelegt. Erst nach Trockenlegung der Sümpfe wurde die spätere Stadt Bozen zwischen 1170 und 1180 als planmäßige Marktsiedlung mit einer zentralen Gasse (Laubengasse) und einem Marktplatz (Kornplatz) errichtet. Im 15. Jh. bekam Bozen dann das Stadtrecht. Der Südtiroler brachte mich noch bis zum Ötzi-Museum und verabschiedete sich, da er ja nach Brixen wollte. Ich habe meinen Drusus direkt vor dem Museum angekettet und mal wieder meine Taschen alleine gelassen. Es waren noch viele andere Räder da, so dachte ich, da fällt meins nicht auf. Im Museum war am heutigen Sonntag sehr viel Betrieb. Auf zwei Stockwerke verteilt wurde es doch tatsächlich geschafft, die wenigen Gegenstände die Ötzi bei sich hatte, zu präsentieren. Na ja, das saftige Eintrittsgeld muss irgendwie gerechtfertigt werden. Um die Mumie zu sehen, musste man sehr lange anstehen. Ich kam mir vor, als würde ich den Kronschatz der Königin von England betrachten wollen, so ein Aufwand. Sehr gut fand ich dann doch noch, daß Ötzi in Wachs ausgestellt ist, wie er höchstwahrscheinlich ausgesehen hat (siehe Bilder). Klein, gerade mal 155 cm groß und tätowiert. Sieh mal an, da hat sich ja gegenüber heutzutage nicht viel geändert, außer der Größe vielleicht. Anschließend bin ich nochmals in Ruhe durch die Stadt, diesmal zu Fuß. Durch die Laubengasse (siehe Bild), zum Kornmarkt (siehe Bild) und dem dortigen Dom „Maria Himmelfahrt“. Eine sehr große Kirche, leider recht schmucklos im Innern. Alles wahrscheinlich in der Reformation ausgeräumt und zerstört, wie bei uns in den Kirchen auch (natürlich nicht in Bayern).

                  Nach dieser kurzen Stadtbesichtigung machte ich mich wieder auf in Richtung Etsch und zu meinem heutigen Ziel Trient/Trento. Inzwischen bereits vierzehn Uhr und ich für die kommende Strecke viel zu spät dran. Das wird heute wieder spät, dachte ich noch, aber daß es noch viel später wurde, erfuhr ich bald. Wo die Eisack mit der Etsch zusammenfließt ist eine kleine Rastmöglichkeit. Hier traf ich auf einen jungen Nürnberger Lehrer, der gerade seine Mittagspause machte. Man kann hier auch gut seinen Wasservorrat an einem öffentlichen Trinkbrunnen auffüllen. Bei der Hitze ist viel Trinken ein Muß. Wir unterhielten uns kurz, Woher und Wohin, er war auch nach Venedig unterwegs, um in zwei Tagen mit einem Schiff nach Griechenland zu fahren und dort wollte er die Ionischen Inseln abfahren. Alle Achtung, sagte ich zu ihm: "da müssen sie ja stramme 120 – 150 km pro Tag fahren um das zu schaffen". Ja, meinte er, das fahre er schon seit Nürnberg und zeigte mir sein Tagebuch. Er hatte 40 kg Gepäck dabei, plus das Gewicht seines Rades (Kocher, Zelt und Proviant waren der größte Anteil). „Hoffentlich bricht ihr Rad nicht zusammen“, sagte ich zu ihm. Nein, das wird es nicht, damit wäre er schon am Nordkapp gewesen. Ich habe mich dann nicht lange aufgehalten, weil ich auch kein Vesper dabei hatte und eine der nächsten Rastplätze mit Bewirtung ansteuern wollte. Er rief mir noch hinterher, die Fahrt nach Trento wird heute Nachmittag sehr anstrengend, ich sollte mich gut stärken und wir sehen uns noch. Oh, da fiel mir wieder ein, das hatte mir schon der Südtiroler gesagt, am Nachmittag so ab fünfzehn Uhr ziehen die Passatwinde vom Gardasee das Tal hinauf und die Fahrt würde sehr anstrengend werden. Ich dachte ein bisschen Wind, wir sind doch hier nicht an der Nordsee, wird schon nicht so schlimm sein.

                  Eigenartig war jetzt schon, heute Morgen waren noch viele Radfahrer unterwegs, jetzt war ich plötzlich alleine auf der Strecke und nur ab und zu kam mal jemand entgegen. Bis jetzt machte ich mir noch keine großen Gedanken. An einer der nächsten Raststätten mit deutschem Bier im Ausschank habe ich dann meine Mittagspause eingelegt, vorsichtshalber mal meinen Akku an eine Steckdose angeschlossen und mich in den Garten gesetzt und mir eine einfache Brotzeit mit einem großen Radler gegönnt. Kurze Zeit später setzte sich eine Österreicherin zu mir, sie wartete auf ihren Mann, der in Neumarkt Verwandte besuchte, die sie nicht leiden konnte, so daß sie lieber hier in der Gaststätte auf ihn wartete. Sie erzählte mir dann, daß sie und ihr Mann diese Tour vom Reschensee jedes Jahr im Frühjahr zur Apfelblüte machen würden, weil das ein unglaublicher Anblick sei und ein irrer Apfelduft in der Luft liegt. Das genaue Datum wußte sie nicht und sie meinte auch, das würde sich in sehr kurzer Zeit abspielen, daher würden sie immer von hier angerufen werden, wenn es soweit ist.

                  Den Akku wieder einigermaßen aufgefüllt bin ich nach einer dreiviertel Stunde weitergefahren. Es war schon sehr mühsam und anstrengend gegen den Wind zu fahren. Ich hatte mir das vor einer Stunde noch nicht vorstellen können. Ich dachte schon, oh Gott, daß schaffe ich nie bis Trento. Plötzlich fuhr der Mathe- und Physiklehrer, den ich in Bozen schon mal getroffen hatte von hinten auf und da niemand außer uns unterwegs war, konnten wir fortan nebeneinander herfahren. Wir unterhielten uns über seine Reisen und in der ersten Stunde machte ich den Windschatten, danach mußte er übernehmen. Es fuhr sich wirklich leichter, nicht den ganzen Wind ab zubekommen, der übrigens richtig heiß war wie in einer Sauna. So habe ich den ganzen Weg dann doch durchgestanden. Kurz vor Trento sah A. W. eine günstige Stelle an der Etsch zum Übernachten und verabschiedete sich, nicht ohne mir vorher seine Visitenkarte zu geben. Er hat eine eigene Website mit seinen Reisen.

                  Jetzt war es ein Kinderspiel bis Trento. Abends hörte der Wind auch wieder auf. Ich bin erst um neunzehn Uhr in meinem Hotel angekommen. Natürlich war es mal wieder nicht ohne Schwierigkeiten zu erreichen, es lag mitten in einem Weinberg (siehe Bild). Ich war mit mir und der Welt schon ein bisschen fertig und wäre am liebsten gleich nach einem Abendessen ins Bett, aber mein Hotel hatte nur Garni und einen Automaten mit Chips und Getränken im Flur stehen. Zwei Möglichkeiten gab es jetzt, hungrig ins Bett zu gehen (hätte mir wahrscheinlich nicht geschadet) oder auf einem beschwerlichen Weg (ohne schützenden Fußgängerweg auf einer viel befahrenen Straße) in die Stadt zu gehen. Ich habe mich fürs Essen entschieden. Nach der Dusche noch etwas ausgeruht und bin dann, es war schon nach zwanzig Uhr in die Stadt. Die halbe Stunde laufen war schon eine recht gruselige Angelegenheit, aber die Stadt selbst (etwas ganz Besonderes, siehe Bilder) hat mich dafür entschädigt und ich habe in einer der Gassen mal wieder so richtig gut italienisch gegessen (siehe Bild).

                  In Trento sprechen nur noch Wenige deutsch. Mir fiel unterwegs schon auf, so ab Salorno, die Straßenschilder und Wegbeschreibungen sind nur noch in italienisch geschrieben. Vorher immer zweisprachig, deutsch und italienisch. Nach dem Essen bin ich noch gemütlich durch die Stadt gebummelt. Bei diesen warmen Nachttemperaturen hatte ich es nicht eilig ins Bett zu gehen und meine Müdigkeit war inzwischen auch verflogen. Auf den Plätzen und in den Gassen waren noch viele Leute unterwegs. Schade, schade hier hätte ich einen ganzen Tag Aufenthalt einplanen sollen. Meinen gruseligen Heimweg musste ich dann wieder zu Fuß antreten. Die Taxistände waren um diese Nachtzeit alle verwaist. Wenigstens hat mir der Vollmond ein bisschen den Weg beleuchtet (siehe Bild).

































                  Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 15.05.2014, 08:25.

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                  • rockhopper
                    Fuchs
                    • 22.04.2009
                    • 1238
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                    Das liest sich ja spannend! Bin neugierig auf die Fotos!
                    Gruß_rockhopper

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                    • LadyofPedelec
                      Anfänger im Forum
                      • 09.10.2013
                      • 28
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                      • Meine Reisen

                      #11
                      [D] [A] [I] 7. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                      Montag, 19.08.2013
                      25 km von Trento bis Pergine Valsugana (mit der Bahn)
                      95 km mit dem Rad von Pergine Valsugana nach Bassano del Grappa

                      Ich bin erst spät aufgestanden und um neun Uhr zum Frühstück gegangen. Auf meiner Buchungsbestätigung stand „internationales Frühstück“. Meine Freude darauf war verfrüht. Es gab italienischen Zwieback und Gummibrötchen (werden wahrscheinlich einmal im Monat eingekauft), dazu pro Gast je eine Scheibe Wurst und Käse, ein weiches Ei auf Sonderbestellung und Kaffee, der natürlich für unsere Verhältnisse viel zu stark ist. Auf den Plastikorangensaft aus dem Automat habe ich dann verzichtet, den hätte ich heute morgen nicht mehr verkraftet. Wau, das erwartet mich jetzt die nächsten zweieinhalb Wochen.

                      Ich lasse den heutigen Tag langsam angehen. Es stehen tagsüber keine Museumsbesuche oder Städtebesichtigungen an. Sehr schön war die Terrasse vor meinem Hotel mit Blick auf Trento (siehe Bild) und ich habe mir die Zeit genommen, einen Stadtführer der im Hotel auslag durchzublättern, weil ich unbedingt wissen wollte und gestern Nacht nirgendwo erfahren konnte, wie das einzigartige Aussehen dieser schönen Stadt zustande kam. Ich lese, der Stadtname ist keltischen Ursprungs (Trent). Das Aussehen der Stadt verdankt sie den Fürstbischöfen die auch die weltliche Macht inne hatten. In den Jahren 1545 bis 1563 fand hier das Konzil von Trient stand. In diese Zeit fällt die Neugestaltung im Renaissancestil. Ab 1700 kam noch eine Erneuerung im Barockstil hinzu. Ich bedauere wirklich, nicht länger hier zu sein, hätte ich mir doch gerne das Castello del Buonconsiglio mit seinem historischen Museum und den gut erhaltenen Fresken angesehen, das Diözesanmuseum mit der urchristlichen Basilika am Domplatz. Ich komme wieder habe ich mir fest vorgenommen!

                      Mein Weg führt heute nochmals steil in die Berge zum Lago di Caldonazzo und dem kleinen Lago di Levico aus deren Abflüsse die Brenta entsteht. Da der gestrige Tag recht anstrengend war und mir noch in den Gliedern steckt, habe ich beschlossen, die Bergstrecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, damit spare ich auch Zeit, denn ich muß wieder 90 km mit dem Rad fahren. Vom Hauptbahnhof in Trento fährt regelmäßig ein Zug in die Berge. Die Fahrt nach Pergine Valsugana dauerte 30 Minuten und war dank eines neuen Regio unkompliziert zu besteigen, fast ebener Ein- bzw. Ausstieg.

                      Pergine ist ein richtiger Höhenkurort, man sieht dem Ort Wohlstand an. Die Luft ausgesprochen frisch und rein und so war ich auch gut gelaunt, als ich Richtung Lago di Caldonazzo fuhr. Der Radweg ist wieder mal perfekt ausgeschildert und führt am rechten Ufer (siehe Bild) am See entlang. Zuerst auf dem Promenadenweg, danach wird es ein normaler Radweg. Nach dem See geht es um den Ort Caldonazzo herum und an den neu angelegten Brentaradweg (sehr zu empfehlen, leider gibt es in Deutschland noch keinen entsprechenden Radatlas). Mein Weg führt wieder einmal durch enge Täler mit umgebenden hohen Bergen (siehe Bild). In dieser Höhe ist auch die Hitze gut zu ertragen. Parkähnliche Landschaften wechseln sich ab in kühlende Waldwege, alle paar hundert Meter gibt es einen Rastplatz (siehe Bild), meist zur Selbstversorgung und manchmal auch kleine Badebuchten, für Familien und Freizeitsuchende.

                      Nach Stunden komme ich in der einzigen kleineren Stadt an, die es hier oben gibt, Borgo Valsugana (siehe Bild). Ab hier verlasse ich die Strecke der Via Claudia Augusta, weil ich nicht über die Berge nach Venedig fahren will, sondern weiter den Brentaradweg nutzen und über Padua nach Venedig radeln werde und von dort, den schon in der Renaissance ausgebauten Kanal der Brenta (auch Riviera del Brenta genannt) bis Venedig entlang fahre. Schon recht früh haben die Venezianer am Kanalufer rechts und links ihre Landvillen errichtet und einige davon will ich besuchen (ich berichte in einigen Tagen davon). Auch Goethe auf seiner Italienreise nahm diesen Weg und fuhr auf dem Kanal mit dem „Burchielli“ bis in den Canal Grande hinein, denn der ist eigentlich ein Süßwasserfluß, nämlich die Brenta.

                      Der Weg ist weiter sehr idyllisch, jedoch offeneres Gelände und bei Tezze kommt eine gute Rastmöglichkeit mit Einkehr und unglaublich, eine Fahrradwerkstatt war mit dabei (leider habe ich hier keine Foto‘s gemacht). Da mein Frühstück für unsere Verhältnisse miserabel war, hatte ich schon einen gewaltigen Hunger. Deshalb machte ich hier meine große Pause und konnte meinen Akku wieder voll aufladen (was übrigens nirgendwo ein Problem war). Ich gönnte mir ein italienisches Schinkensandwich, einen Teller Gemüse „la Tavola“ und ein großes Spezi.

                      Auf dieser Strecke sind kaum noch Fernreisende wie ich unterwegs und Deutsche habe ich schon gar keine mehr getroffen, dafür viele italienische Familien mit ihren Kindern oder gestylte, ältliche Italiener auf den teuersten Rennrädern, und die Klamotten! – na ja. Einen hätte ich gerne an der Raststätte fotografiert, in einem knallroten Anzug mit durchgehend breitem, weißem Streifen. Also, Gesäß und Gemach waren deutlichst hervorgehoben. Schade, als es mir einfiel ihn zu fotografieren und ich meine Kamera holen ging, war er schon wieder am wegfahren.

                      Einige Kilometer weiter bei Enego vereint sich die Brenta mit dem Cismon und jetzt würde ich sagen kann man die Brenta einen Fluß nennen, vorher war sie eher ein größerer Bach (siehe Bild). In Roccobello (sehenswerter Ort) habe ich nochmals an der dortigen Promenade (siehe Bild) eine kleine Espressopause eingelegt. Gegenüber (siehe Bild) dem örtlichen Feuerwehrverein bei seinen Übungen zugesehen.

                      Ab hier sind es noch ca. 25 km nach Bassano und der Weg führt nicht mehr direkt am Fluß entlang sondern auf Nebenstraßen die auch von Autos befahren werden. Natürlich war nachmittags der Wind vom Gardasee wieder da, jedoch lange nicht so schlimm wie auf der anderen Seite an der Etsch. Gegen siebzehn Uhr bin ich in Bassano del Grappa angekommen. Ab hier beginnt die venezianische Tiefebene. In einem Vorort habe ich mal vorsichtshalber Passanten nach meinem Hotel befragt und tatsächlich mein Hotel war wieder nicht in der Innenstadt, sondern ich hatte Glück, eine Querstraße weiter etwa einen Kilometer dieser Straße folgend. Das Hotel war gut, aber weit weg vom Schuss, kein Bus oder sonstige öffentliche Verkehrsmittel führten in die Innenstadt.

                      Wie jeden Abend und dafür habe ich immer in interessanten Städten übernachtet, will ich auch etwas Kulturelles unternehmen und danach in einem guten Lokal essen gehen. Also bin ich zwei Stunden später wieder aufs Fahrrad gestiegen und in die Innenstadt gefahren. Bassano ist schon eine sehr, sehr alte Stadt. Ausgrabungen belegten schon eine Besiedlung im 2. Jh. Ab dem 15. Jh. gehörte die Stadt zu Venedig und erst durch Napoleon und die durch ihn vorgenommenen Veränderungen kam Bassano 1866 zu Italien. Sehenswert die hölzerne Brücke „Ponte degli Alpini“ (die Pläne stammen von Palladio), sie führt über die Brenta in die Altstadt. Schön auch die gotische Kirche San Francesco sowie die zwei großen Plätze, der Marktplatz und der Rathausplatz (siehe Bild). Die Altstadt liegt recht steil an einem Berghang und ist weitgehend autofrei.

                      Leider waren am heutigen Montag die meisten guten Restaurants geschlossen und so habe ich notgedrungen in einer Pizzeria ähnlich eines McDonalds eine schlechte Pizza gegessen. Gottseidank hatte das Lokal Außenplätze auf dem schönen, oberen Marktplatz. Es war mal wieder viel los an diesem warmen Sommerabend, so daß ich mich dann doch längere Zeit dort aufgehalten habe (siehe Bild). Wenigstens war der Wein gut und billig und Wasser dazu gab‘s umsonst. Ein krasser Gegensatz zu Südtirol, dort lässt man sich das "Viertele" (schwäbisch) vergolden und eigentlich ist der Wein auch nicht anders, ach doch, es gab immer ein stilvolles Glas dazu.

                      Ich habe anschließend noch einen Stadtbummel gemacht, teils mein Rad geschoben, weil die Altstadt recht steil am Hang liegt und teils bin ich gefahren. Die Jugend trifft sich hier, geballt in einem bestimmten Lokal, das aus allen Nähten platzte und viele dadurch vor dem Eingang (siehe Bild) auf den Treppenstufen sassen. Oben am Ausgang der Altstadt gibt es einen Panoramaweg (siehe Bild) und hier hat man einen schönen Überblick über die Tiefebene. Dort unten liegen auch die Grappa-Destillerien, für die Bassano in der ganzen Welt bekannt ist. Ich hatte leider keinen getrunken, in dem Lokal war mir nicht danach.

                      Wieder im Hotel, habe ich mir dann doch noch einen Grappa genehmigt, mir war so richtig kodrig von der Pizza und dem Kunstkäse darauf. Schlafen konnte ich auch nicht erholsam. Der beständige Lärm der Klimaanlage ist für mich in der Nacht unerträglich. In Italien wird alles über die Klimaanlage geregelt. Also, italienisch: kein Fenster auf, Klimaanlage an und bei 18 Grad im Bett frieren (sobald die Temperatur höher eingestellt ist, erstickt man fast). Wir Deutsche sind das nicht gewohnt und als ich die Klimaanlage ausschaltete und das Fenster öffnete, habe ich so richtig den Lärm, der von den Außenboxen der Klimaanlage kam, ertragen müssen und vor allem die Kamikazeflieger (Schnaken) freuten sich und stürzten sich sofort auf mich (Autan hilft da nur bedingt). Dieses nächtliche Übel setzt sich jetzt leider fort, besonders schlimm wird es in Venedig und ab da hatte ich mich dann wenigstens einigermaßen an die Klimaanlage im Zimmer gewöhnt.





























                      Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 17.05.2014, 08:02.

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                      • LadyofPedelec
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                        • 09.10.2013
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                        #12
                        [D] [A] [I]8. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                        Dienstag, 20.08.2013
                        65 km von Bassano del Grappa nach Castelfranco Veneto


                        Ich bin schon um halb acht Uhr aufgestanden. Als ich am Spiegel vorbei kam, bin ich richtig erschrocken, nicht wegen meines dank Klimaanlage verschlafenen Aussehens, nein, wegen der Schnakenstiche mitten im Gesicht. Beim Frühstück sprach mich die Hotelbesitzerin auch darauf an und sagte: „Wir Italiener werden nicht gestochen. Sie müssen jeden Tag eine frische Knoblauchzehe essen“. Ach so, dass kann ja heiter werden. Das Frühstück war für italienische Verhältnisse gut, zwar gab es wieder Zwieback und Gummibrötchen, aber auch ein reichhaltiges Buffet mit Obst und Joghurt.

                        Um neun Uhr bin ich schon gestartet, denn heute wird ein interessanter, kultureller Tag. Ich gönne mir einen Umweg auf meiner Tour „mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig“ und mache einen Abstecher zum „Colle Argenta“ nach Asolo und am Nachmittag fahre ich nach Maser um die Villa Barbaro zu besichtigen.

                        Ich musste nochmals durch die Altstadt von Bassano fahren um auf den Weg Richtung Montebelluna zu kommen. Oh Gott, es fing gleich miserabel an. Der Weg, eine schlechte mit Schlaglöchern bepflasterte Landstraße, ist eigentlich nichts für Fahrräder, aber umkehren wollte ich dann doch nicht. Das Ziel vor Augen und durch. Wenigstens fuhren nicht allzu viele Autos an mir vorbei.

                        Nach gut 15 km bin ich gegen elf Uhr in Asolo angekommen. Das letzte Stück der Strecke, eine Abkürzung, ging steil bergauf, aber dafür waren hier keine Autos mehr unterwegs. Die Hügel von Asolo wurden schon im 7. Jh. v. Chr. besiedelt, das bezeugen Ruinen von Thermen und eines Theaters. Die Stadt nannte sich damals Acelum. Aufgrund seiner reizvollen Lage in den Hügeln von Treviso wird Asolo auch als „Perle von Treviso“ bezeichnet. Schon weithin sichtbar die Burg Rocca über dem malerischen Hügelstädtchen.

                        In der Renaissance gelangte dieses Bergdorf zur besonderen Berühmtheit, weil die ehemalige Königin von Zypern hier residierte und alle wichtigen und damals berühmten Persönlichkeiten bei ihr ein- und ausgingen. Durch einen genialen Schachzug hatte sich die Venezianische Republik die Vorherrschaft im Mittelmeer gesichert. Sie verheiratet 1489 eine junge venezianische Adelige, Caterina Cornaro mit dem letzten König von Zypern, nicht ohne sie vorher zu ihrem Mündel zu machen, d.h. die Erbschaft dieser Verbindung ging an Venedig. Man hatte bereits seit langem diplomatische Beziehungen zu Zypern, aber das reichte Venedig nicht, sie wollten die Insel für sich haben. Er, König Jacques Lusignan wurde mit einer immens reichen Mitgift gelockt und zudem war Caterina in ihren jungen Jahren eine große Schönheit. Schon eineinhalb Jahre nach der Heirat, Caterina war schwanger, wurde der König ermordet (wer auch immer die Täter waren, Venedig mit Sicherheit nicht unschuldig). Caterina zwang man dann, nachdem auch ihr Sohn noch im Babyalter unter mysteriösen Umständen starb, abzudanken und Zypern ihrem Vormund (Republik Venedig) zu überlassen. Dafür bekam sie einen großen Palast am Canal Grande und die Domäne Asolo. Ebenso jährlich riesige Summen, damit sie sich einen großen Hofstaat leisten konnte. Die Feste die sie veranstaltete und speziell in der dafür angelegten Barco in Altivole waren legendär. Der Literat und spätere Kardinal Pietro Bembo hat sie in seinen Versen Gli Asolani (Asolaner Gespräche) verewigt. Sie war auch eine große Förderin der Künste. Dies kam Malern wie Bellini, Giorgione und Tizian, um nur einige zu nennen, zugute.

                        Auch in jüngerer Zeit wohnten berühmte Künstler in Asolo. Robert Browing lebte in der Villa Scotti-Pasini, Schauspielerin Eleonore Duse lebte hier mit ihrem jüngeren Liebhaber dem Schriftsteller Gabriele D’Annunzio (sie ist hier auf dem Friedhof beerdigt) und alle nutzten und nutzen heute noch immer das kleine Städtchen als Quelle der Inspiration und zur Erholung. Im Castello, welches 1820 weitgehend abgerissen wurde, gab es einen großen hölzernen Theatersaal aus dem 17. Jh. in dem auch Eleonore Duse auftrat. Dieser Saal wurde nach Florida verkauft und ist heute in Sarasota im dortigen Museum zu sehen.

                        Meine Wenigkeit, hat ihren Drusus am Marktplatz (siehe Bilder) abgestellt und einen längeren Spaziergang durch den Ort unternommen. Leider war das Museum, auf das ich mich freute, geschlossen. Unter der Woche kommen wenig Besucher, wie mir im Infozentrum gesagt wurde, daher ist das Museum nur an Wochenenden geöffnet. Man hat mich aufgefordert, eine schriftliche Beschwerde einzulegen, vielleicht würde sich dadurch etwas ändern.

                        Ich bin danach in den Dom, ein paar interessante Bilder (u.a. Lotti) waren zu sehen. Auf dem Marktplatz und das fand ich sehr interessant, gab es eine offene Buchhandlung (siehe Bild) in der früheren Markthalle. Als ich fragte, ob man abends alle Bücher wieder wegräumt, erhielt ich zur Antwort: „Wir ziehen eine Plane darüber und es ist noch nichts weggekommen“. Es waren u. a. auch viele teure Kunstbücher dabei. Erstaunlich und das in Italien! Die anderen Geschäfte, Schmuckläden und Antiquitätengeschäfte, waren alle in alten Gemäuern untergebracht und die Boutiquen nur so mit Edelmarken gepickt. Ich hätte hier nichts kaufen können. Beim Betrachten der Preise überlegte ich, ob hier der Euro noch nicht angekommen ist und die italienische Lira noch immer gilt, bei den vielen Nullen vor dem Komma. Also hier oben ist man unter sich. Ein „Normalsterblicher“ kann sich bestimmt keine Wohnung zur Miete leisten. Auch die Lebensmittelgeschäfte, in eines bin ich hinein gegangen, waren teure Spezialitätenläden.

                        Nach so viel Luxus habe ich noch kurz das Castello besucht. Leider wirklich alles bis auf die Grundmauern abgerissen, nur ein Gebäude steht noch und wird für öffentliche Veranstaltungen genutzt. Nach einer Erholungspause, mußte ich mich von diesem doch unbeschreiblich schönen Ort verabschieden und bin zu meinem eigentlichen, heutigen Ziel der Villa Barbaro in Maser aufgebrochen.

                        Ich bin nicht wieder zurück zur Landstraße, sondern habe mir oben einen schmalen Weg am Berg entlang ausgesucht, der auch nach Maser führt. Lieber bergauf und bergab fahren, als diese Schlaglöcher, denen man kaum ausweichen konnte, ertragen zu müssen. Außerdem fahren italienische Autofahrer nicht gerade vorsichtig. Diese Fahrt am Berghang entlang schonte meine Nerven.

                        Pünktlich um vierzehn Uhr bin ich in der Villa Barbaro (siehe Bilder) angekommen. Die Öffnungszeit von 14 – 17 Uhr am heutigen Dienstag. Da die Villa noch bewohnt ist, gibt es nur begrenzte Besuchszeiten. Beim Kauf meines Einlasstickets habe ich mich gleich mal nach einer Stromquelle erkundigt, denn ich hatte meinen Akku schon ziemlich leer gefahren. Siehe da, die derzeitige Hausbesitzerin selbst, eine Marquise Volpi di Misurata, bat mich in ihr Büro und ich durfte dort meinen Akku am Strom anschließen. Das fing sehr gut an.

                        Ich nahm mir viel Zeit zur Besichtigung. Es waren hier zwei große Meister am Werk. Zum einen der Architekt Andrea Palladio, zum anderen der Maler der Fresken Paolo Veronese. Ich bin die Räume einige Male durchgegangen. So etwas Schönes habe ich noch nicht gesehen, nicht einmal in Venedig. Auch der Dogenpalast ist trotz seines Prunkes nicht halb so schön. Die Villa wurde im 16. Jh. von Palladio im Auftrag Francesco Barbaro erbaut und diente als repräsentativer Ort des Vergnügens und der Erholung und zur landwirtschaftlichen, ertragreichen Nutzung.

                        Palladio in seinem 2. Buch der Architektur beschreibt die Villa so: „Jeder Teil des Gebäudes besitzt Räume auf zwei Stockwerken. Gegenüber sind in den Berg ein Brunnen mit zahllosen Stuck- und Mauerverzierungen eingehauen. Dieser Brunnen bildet einen Teich der zum Fischen dient. Von hier aus teilt sich das Wasser. Es fließt in die Küche und dann, wenn es die Gärten, die rechts und links von der zum Haus hin leicht ansteigenden Straße liegen, bewässert hat, in zwei Fischteiche mit Tränken. Von hier aus bewässert es den Küchengarten, der sehr groß und voll ausgezeichneter Früchte ist und wo auch verschiedene Wildarten gehalten werden. Auf beiden Seiten des Gebäudes liegen Loggien, die an ihren Enden zwei Taubenschläge haben. Darunter befinden sich die Weinkeller, die Ställe und die anderen Nutzungsanlagen der Villa“.

                        Die Repräsentationsräume im Mittelbau und die Wohnräume wurden von Paolo Veronese in einer illusionistischen Landschaftsmalerei ausgestattet (siehe Bilder). Ich habe es gewagt zu fotografieren, weil die Bilder ja eh überall in Büchern und im Internet zu finden sind und zeige, die für meinen Teil wichtigsten Ausschnitte, nämlich das Fresko der Hausherrin, die sich mit ihrer Zofe über die Brüstung beugt. Auf der anderen Seite befindet sich eine Szene des Hausherrn und dann so wird vermutet, ein Selbstporträt Paolo Veroneses in Jagdmanier (siehe Bild), der sich ja immer gerne in seinen Gemälden untergebracht hat. Das zweite, weibliche Gemälde ist wahrscheinlich seine Gemahlin. Das bezeugt, daß ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu den Besitzern bestand. Es waren relativ viele Besucher da, auch eine große Gruppe japanischer Schüler mit ihren Lehrern.

                        Zum Schluß bin ich noch eine ganze Zeitlang durch die große Parkanlage und habe den zweiten Bau Palladio’s von außen angesehen, das Tempietto (wie der Name schon sagt, kleiner Tempel (Kapelle) für die private Nutzung der Familie Barbaro). Trotz der seit zwei Jahren abgeschlossenen Renovierung ist die Kirche immer noch nicht zu besichtigen, da man, wie ich später erfahren konnte, noch nicht imstande war den Bildband zur Eröffnung fertigzustellen. Gesponsert wurden diese Restaurationsarbeiten von einer großen Bank Italiens. Schade, zumal es der letzten Bau Palladios ist, hier ist er wahrscheinlich auch gestorben.

                        So hatte ich mehr Zeit und bin anschließend in die der Villa angeschlossenen Vinothek mit Verköstigung. Mit einem Auto hätte ich selbstverständlich Wein eingekauft. Wer kann schon bei uns einen Villa Barbaro Wein aus Maser und dazu noch zu günstigen Preisen kaufen! Ich habe wunderbar gegessen, einen großen Teller Antipasti mit Schinken, Salami, Käse und Oliven dazu natürlich einen Wein getrunken und viel Wasser dazu. Am liebsten wäre ich noch hier geblieben, aber ich musste ja zu meinem heutigen Ziel Castelfranco Veneto und das möglichst vor 18 Uhr. Meine Batterie habe ich wieder abgeholt und bei dieser Gelegenheit auch lobend die Vinothek erwähnt. Das kam sehr gut an.

                        So schön der heutige Tag bis jetzt war, so schlimm wird er die nächsten eineinhalb Stunden. Ich mußte wieder auf die Verkehrsstraße zurück, Fahrradwege gibt es anscheinend nur an Flußläufen und wenn ich heute morgen schon entsetzt war, wie schlecht die italienischen Landstraßen sind, so erlebte ich bald den reinsten Horror. In meiner Dummheit habe ich es gewagt eine größere Bundesstraße zu nutzen. Ich dachte, hier wird doch wenigstens ein breiter Randstreifen da sein. Dem war nicht so, ich mußte mitten auf der Fahrstrecke fahren und es gab keine Ausweichmöglichkeit. Auto‘s und LKW‘s einer nach dem anderen fuhren an mir vorbei und manche waren verständlicherweise verärgert und hupten, dazu kam noch, daß, wenn ein LKW an mir vorbei fuhr, ich durch den Windzug fast in den Straßengraben geworfen wurde. Ich musste mein Fahrrad immer krampfhaft festhalten und die Abgase, ich bin fast erstickt.

                        Irgendwann nach gut einer dreiviertel Stunde (gefühlsmäßig nach einer Ewigkeit) kam ich an eine Ausfahrt die in den Ort Riesa führte (der Ort ist berühmt, weil hier einer der Päpste Pio X. geboren wurde) und diese Ausfahrt habe ich auch gleich genutzt. Auf meiner Karte war hier eine kleinere Landstraße eingezeichnet, die nach Castelfranco führt. Wenigstens nicht mehr so viel Autoverkehr, dafür wieder mehr Schlaglöcher.

                        Wie durch ein Wunder habe ich diese Fahrt heil überstanden und bin in Castelfranco Veneto angekommen. Jetzt war es schon nach 18 Uhr und mein Hotel mal wieder nicht annähernd in der Innenstadt. An der Rezeption machte man mich darauf aufmerksam, daß der günstige Preis nur bis 18 Uhr gegolten hat und ich jetzt 15 Euro mehr zu zahlen hätte. Ich liess mir das Zimmer zeigen und entschied, es ist den Preis nicht wert. Ich bedankte mich und sagte: "Damit bin ich auch nicht mehr an meine Buchung gebunden" und verabschiedete mich, um in die Innenstadt zu fahren und mir ein anderes Hotel zu suchen.

                        Das Infozentrum an der großen Piazza vor dem Castello war natürlich um diese Zeit schon geschlossen. Einen Polizisten den ich fragte, wo ein gutes Hotel wäre, empfahl mir schräg gegenüber das Best Western Hotel. Oh Gott, wird das heute teuer, dachte ich. Als die Dame an der Rezeption mich so sah, hat sie mir doch tatsächlich den günstigsten Preis 65,00 Euro mit Frühstück für ein Zimmer genannt. Ich hätte mehr durch den Aufpreis in dem vorgebuchten Vorstadthotel bezahlen müssen. Ich stellte mein Fahrrad im Hof ab und ruhte mich erst mal so richtig aus. Das Zimmer war auch noch um einiges größer und schöner als im anderen Hotel.

                        Wie jeden Abend machte ich bei diesen lauen Temperaturen einen langen Spaziergang. Die Altstadt ist noch von einer durchgehenden Stadtmauer umschlossen. Der ehemalige Stadtgraben wurde zu einem öffentlichen Park umgebaut. Viele junge Paare belegten die Parkbänke und waren nicht gerade begeistert, als ich um diese Nachtzeit an ihnen vorbei ging. Aber so hatte ich wenigstens eine Orientierung für morgen Vormittag, weil ich dann, und dafür bin ich hier, die Casa Giorgione und den Duomo mit einem seiner ersten Altarbilder besichtigen werde.







































                        Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 17.05.2014, 08:07.

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                        • Wafer

                          Lebt im Forum
                          • 06.03.2011
                          • 9064
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                          Wunderbar! Die Mischung aus Reisebericht und kulturellem Hintergrund finde ich sehr anregend! Ich glaube das könnte mal was sein, das ich mir mal selber ansehen wollte. Bin mal gespannt auf das Ende.
                          Mach weiter so!

                          Gruß Wafer

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                          • LadyofPedelec
                            Anfänger im Forum
                            • 09.10.2013
                            • 28
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [D] [A] [I] 9. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                            Mittwoch, 21.08.2013
                            30 km von Castelfranco Veneto nach Padua (mit dem Zug)
                            10 km mit dem Rad vom Hotel zum Bahnhof und vom Bahnhof zum Hotel in Padua


                            Ich bin wieder mal früh aufgestanden. Hatte ich doch sehr gut geschlafen, zumal ich einiges von letzter Nacht nachholen musste. Ich konnte mich immer noch nicht an die Klimaanlage gewöhnen, so daß ich wieder mit geöffnetem Fenster schlief und da nicht in der Nähe von Wasser, vermute ich mal, waren auch keine Schnaken unterwegs, oder sie haben reissaus genommen, weil ich jetzt jeden Tag eine frische Knoblauchzehe esse (mal sehen wie lange ich das durchhalte).

                            Nach einem wirklichen, internationalen Frühstück mit frischen, knackigen Brötchen habe ich mich erst mal dank schlechter Erfahrungen erkundigt, wo ein geeigneter Radweg ist, der nach Padua führt. Die Dame an der Rezeption, wusste es nicht und hat ihren Chef befragt, der extra aus seinem Büro heraus kam, verzog jedoch verächtlich die Miene und sagte so etwas ähnliches wie: “Könnte er nichts mit gutem Gewissen empfehlen. Es gäbe zwar Landstraßen, die nicht so stark von Autos befahren sind, aber das wären Umwege und ob ich mich zurechtfinden würde, bezweifle er”. Also, ist heute Radfahren nicht angesagt, obwohl es nur 30 km bis Padua sind. Schade, aber irgendwie war ich froh, denn der Horror von gestern steckte noch in meinen Gliedern.

                            Da ich erst um 12 Uhr das Zimmer räumen musste, brauchte ich noch nicht auszuchecken und bin in die Altstadt. Die Gründung des Ortes ist um 1195 belegt und wurde zum Schutz des Stadtstaates Treviso gegen den verfeindeten Stadtstaat Padua errichtet. Die Stadt liegt am Kreuzungspunkt einer alten Römerstraße. Den ca. 100 Gründungsfamilien wurde für Ihre Verteidigungsbereitschaft Steuerfreiheit gewährt. Daher der Name, der übersetzt lautet: „Freie Burg“.

                            Für’s Museum war es noch viel zu früh, so gönnte ich mir einen Friseurbesuch. Voller Erwartung ging ich danach in den Duomo um Giorgiones Altarbild „Castelfranco Madonna“, das er im Auftrag des Ritters Tuzio Costanzo für dessen früh, schon mit 23 Jahren, verstorbenen Sohnes Matteo anfertigte. Leider platzte ich in eine gerade stattfindende Beerdigungsfeier und viele Leute drehten sich nach mir um, so dass ich nicht wieder aus der Kirche gehen konnte.

                            Um 10 Uhr war die Andacht vorbei und nun konnte ich in die Seitenkapelle um mir dieses Bild das laut Vasari „eines der herrlichsten Schöpfungen der venezianischen Malerei ist….“ anzusehen (siehe Bild). Ich interessiere mich meistens auch für Nebensächliches um Dinge herum und hier gibt es eine romantische Geschichte. Giorgione (so wurde er zuerst von den Enkeln Giovanni Bellinis gerufen, was übersetzt heißt: langer Georg) hat auf der Rückseite des Gemäldes ein Graffiti mit Kohlestift angebracht, mit den Worten „Komm Cecilia - komm und eile - der Deine erwartet Dich – Giorgio“. Es muss sich hier um sein Modell für die Madonna gehandelt haben, wegen der aus Eifersucht ein anderer Maler, nämlich Pietro Luzzo, der Morto da Feltre, Selbstmord begangen hat. Eventuell wegen Giorgione?, aber das gibt die Legende nicht her!

                            Auf dem Bild dargestellt sind die Madonna mit Kind zwischen dem hl. Franziskus und Nicasius (heiliger Märtyrer des Malteserordens), der, wie Zeitgenossen berichteten, Matteo sehr ähnlich sieht. Matteo ist bei einem Kriegseinsatz in Ravenna an Fieber gestorben und ihn muss Giorgione auch gekannt haben, da er selbst aus Castelfranco stammte und im gleichen Alter war. Giorgio di Castelfranco wurde 1478 geboren und war der illegitime Sohn eines Barbarella di Castelfranco (im Dom wird auf einer Grabplatte auf die verwandtschaftliche Beziehung hingewiesen). Seine Mutter war ein Landmädchen oder Kurtisane aus dem Nachbarort Veledago. Man weiß, dass er sehr früh seiner Mutter weggenommen wurde, vielleicht war sie aber auch gestorben, und er bei den Barbarella’s erzogen wurde, daher hatte er eine ausgezeichnete Bildung. Er war auch, was nicht sehr bekannt ist, ein sehr guter Musiker, sehr beliebt in aristokratischen Kreisen und spielte oft auf deren Festen. Man muss wissen, dass zur damaligen Zeit Maler als Handwerker galten, also eigentlich kein Umgang für Aristokraten waren. Giorgione jedoch dank seiner guten Umgangsformen und Bildung einer von ihnen war. So wird berichtet, als er mit 32 Jahren an der Pest in Venedig starb, seine Freunde, wie der Fürst Gabriel Vendramin und Tuzio Costanzo, die ganze Nacht nach seinem Leichnam gesucht haben, um ihn ehrenvoll zu bestatten, wie es heißt, ihn jedoch nicht mehr finden konnten. Pesttote wurden damals sehr schnell, wegen der hohen Ansteckungsgefahr in Massengräber entsorgt. So gibt es heute leider keine Grablege von Giorgione.

                            Ich war sehr beeindruckt von dem Gemälde, das eine wechselvolle Geschichte hat. Unsachgemäße Restauratoren haben im vorletzten Jahrhundert das Graffiti entfernt und dann wurde das Bild auch noch 1972 gestohlen. Erst 2002 wieder aufgefunden und danach in den Werkstätten der Accademia sorgfältig restauriert und in einer großartigen Ausstellung in Venedig gezeigt. 2005 kam es wieder nach Castelfranco zurück und ist heute natürlich sehr gut gesichert.

                            Danach ging ich ins Museum der Casa Giorgione. In diesem Haus wohnte zur Zeit Giorgiones ein Alchimist, Mathematiker, Philosoph und Arzt namens Giovan Battista Abioso, der eine berühmte Schule unterhielt. Es existieren 2 Bücher von ihm (1494 und 1498 erschienene „wissenschaftliche Auffassungen der Astrologie“). Zwei der Friese weisen auf diese Bücher hin. Er war der Auftraggeber für die von Giorgione entworfenen Friese, die den Speisesaal des Hauses zieren. Wahrscheinlich hat er diese Arbeit, während er am Altargemälde nebenan arbeitete, angenommen. Es stammen jedoch nur ein Viertel der ausgeführten Arbeiten von ihm selbst. Er muß die Arbeiten abgebrochen haben um 1505 nach Venedig zurück zu kehren. Wie berühmt Giorgione damals schon war, zeigt, dass das Haus eigentlich Casa Marta-Pellizzari, nur wegen dieser Teilarbeit fortan „Casa Giorgione“ genannt wurde und heute sogar ein Museum ist. Gezeigt werden im gesamten Haus u. a. auch originale Alltags- und Einrichtungsgegenstände der damaligen Zeit. Es ist sozusagen ergänzend ein Stadtmuseum. Wer sich für die italienische Geschichte des 15./16. Jh. interessiert ist hier gut aufgehoben.

                            Kurz vor 12 Uhr bin ich zurück zu meinem Hotel. Nach dem Bezahlen der Rechnung und der Erwähnung, dass ich das Hotel in sehr guter Erinnerung behalten werde und meinen Freunden weiterempfehle, fuhr ich mit dem Rad in Richtung Bahnhof. Unterwegs kaufte ich noch Getränke und Essen ein, um die untätige Zeit im Zug oder im Wartesaal durch einem Imbiss zu nutzen.

                            Ich hatte dann auch eine gute Stunde Wartezeit bis zum nächsten regionalen Zug, der auch Fahrräder mitnimmt. Es gab „oh Wunder“ keine Unterführung (mit vielen Treppen und ohne Aufzug). Man musste noch wie früher über die Bahngleise gehen um z. B. auf Bahnsteig 5 zu gelangen. Danach war es aber eine richtige Plage in den Zug zu gelangen. Nicht nur die Bahnhöfe sind vorsintflutlich, sondern auch die meisten Züge in Italien. Enge, schmale und steile Treppen um in den Zug zu gelangen. Kein Italiener war Kavalier genug, obwohl genug davon im Zug saßen, mir zu helfen und ein Schaffner hat sich schon gar nicht blicken lassen. Also erstmal Gepäck abschnallen, in den Zug tragen, hoffen, daß das Fahrrad inzwischen noch auf dem Bahnsteig steht und dann diese 21,5 kg Fahrrad schultern - aber irgendwie habe ich es geschafft.

                            Die Fahrt dauerte nur 35 Minuten und jetzt haben sich mehrere Italiener meiner „erbarmt“ und mir beim Aussteigen geholfen. In Padua ist der Bahnhof sehr groß und belebt, ist Padua ja auch eine der großen Städte Italien’s. Jedoch wieder mal kein Aufzug auf dem Bahnsteig und dieses Mal natürlich eine Unterführung (gefühlte 50 Treppen nach unten). Also, erstmal das Gepäck nach unten tragen, in Sichtweite deponieren und dann das Rad nachholen. Durch diese Aktionen war ich inzwischen ganz schön gestresst. Am Ende der Unterführung gab es doch noch einen Aufzug nach oben. Ich wartete geduldig bis ich dran war. Froh über diesen Aufzug und trotzdem muss ich lästern, denn abartig ist ja immer, dass solche Aufzüge egal wo, so klein und schmal sind, dass sie kaum mehrere Leute fassen oder ein Fahrrad richtig reinpasst. Will man damit den Fahrgästen sagen: „nur mit kleinem Gepäck, ohne Kinderwagen, ohne Fahrrad verreisen?“

                            Oben angekommen, musste ich mich erst mal orientieren. Dank eines kleinen Stadtplans, den ich mir heute Morgen im Hotel aus dem Internet geholt hatte, war das einigermaßen gut möglich. Der erste Eindruck von Padua vom Bahnhof aus, war - grauslich. Russgeschwärzte Gebäude eins nach dem anderen, alles hässlich grau in grau, lärmender Autoverkehr. Oh gott dachte ich, hier muss ich den ganzen morgigen Tag verbringen. Je weiter ich jedoch in die Innenstadt fuhr und es war auch bald alles für den regulären Autoverkehr abgesperrt, wurde die Stadt immer interessanter, zwar immer noch alle Gebäude grau bis schwarz verrußt (um den Verputz zu säubern fehlt wohl das Geld), jedoch wurden die Bauten immer prächtiger. Padua muss sehr reich gewesen sein, wahrscheinlich reicher als Mailand, so mein Eindruck und jetzt dachte ich, gottseidank habe ich hier einen Tag Aufenthalt. Ich hatte mich auf alles vorbereitet nur nicht auf Padua.

                            Mein Hotel lag dann auch noch so zentral, daß ich es nicht glauben konnte. Meine billigste Übernachtung auf der ganzen Tour und das mitten in einer so schönen Stadt. Das Hotel war neu renoviert und ich fühlte mich gleich wohl in meinem Zimmer. Hatte sogar einen kleinen Balkan zur Gartenseite. Wunderbar. An der Rezeption habe ich mir auch gleich alle Prospekte mit den Sehenswürdigkeiten Paduas aufs Zimmer geholt und beim Ausruhen sorgfältig studiert. Um neunzehn Uhr bin ich auf Empfehlung des Portiers in ein sehr gutes, alteingesessenes Lokal am Prato della Valle zum Essen.

                            Dieser Platz ist der drittgrößte Innenstadtplatz Europas, nach dem Roten Platz in Moskau und dem Place de la Concorde in Paris. Ich war natürlich eine der ersten Gäste, da neunzehn Uhr für italienische Verhältnisse viel zu früh fürs Abendessen ist. Wurde auch eine ganze Zeitlang links liegengelassen, weil die Kellner immer noch damit beschäftigt waren, die Tische auf den abendlichen Ansturm vorzubereiten. So ab zwanzig Uhr kamen die meisten Gäste und schnell waren alle Tische belegt. An meinen Tisch setzte man dann ein Ehepaar aus der Pfalz, die eine Italientour mit dem Wohnmobil machten und für einige Tage in Padua blieben. Von hier aus auch Venedig besuchten und da die Stellplätze um Venedig herum viel zu teuer seien, hier auf dem Campingplatz wohnten. Mit dem Zug sei man in einer halben Stunde direkt am Canal Grande. Zwar wären morgens alle Züge total überfüllt (viele Paduaner würden in Venedig arbeiteten), aber dafür ist man billig in Venedig, meinten sie. Eine gute Idee. Übrigens war das Essen ausgezeichnet und alles sehr günstig. Sehr interessant auch, die Italiener in ihren Familien (Großeltern bis Enkel) an einem Tisch sitzen zu sehen. Oft waren Kinder im Babyalter dabei, die schon längst ins Bett gehörten, aber das stört hier niemanden. Ich bin sehr lange geblieben, hatte ich doch mit dem Pfälzer Ehepaar eine gute Unterhaltung.

                            Um zu meinem Hotel zu gelangen, das in einer Nebenstraße lag, musste ich zurück über den großen Platz. Es war viel los, war es doch mal wieder ein lauer Sommerabend und dazu noch fast Vollmond. Der Prato della Valle scheint ein wichtiger Treffpunkt für Pärchen zu sein und auch sonst, um zu sehen und gesehen zu werden. Musikanten spielten in kleinen Gruppen und ich wollte überhaupt nicht ins Bett, weil es hier sehr schön und noch so viele Leute unterwegs waren. Einiges nach Mitternacht bin ich erst wieder zurück ins Hotel.













                            Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 21.05.2014, 14:04.

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                            • schoguen
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                              • 25.02.2005
                              • 398
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                              #15
                              AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                              Ein wirklich schöne Bericht.
                              Am Kreuzweg fragte er die Sphinx:
                              Geh ich nach rechts, geh ich nach links?
                              Sie lächelte: ...
                              <Mascha Kaléko>

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                              • LadyofPedelec
                                Anfänger im Forum
                                • 09.10.2013
                                • 28
                                • Privat

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                                #16
                                [D] [A] [I] 10. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                                Donnerstag, 22.08.2013
                                Besichtigung der Stadt Padua (zu Fuß)


                                Nachdem ich ausgezeichnet geschlafen hatte, war das Frühstück wie zu erwarten recht italienisch, d. h. schlecht. So war ich dann auch schon um neun Uhr bereit zur Stadtbesichtigung, auf die ich mich schon freute. An der Rezeption ließ ich mir vom Portier (da mein Italienisch nur dazu reicht „um in Italien nicht zu verhungern“ wie ich immer gerne sage) einen Termin telefonisch für die Besichtigung der Giotto Kapelle vereinbaren. Dieses einzigartige, noch in seinem Ursprung erhaltene Gesamtkunstwerk, ist leider nur mit Termin zu besichtigen. Zuhause habe ich ein ganzes Buch darüber und nicht mehr daran gedacht, daß sich die Kapelle hier in Padua befindet.

                                An der Rezeption, als ich auf meinen Termin wartete und das hat mich total mit meinem Hotelvermittler versöhnt, habe ich eine Deutsche beim Bezahlen der Rechnung gesehen. Ich fragte sie noch, wie lange sie hier war. Wau, es hat sich dabei herausgestellt, daß ich morgen nur die Hälfte pro Nacht bezahlen werde, allerdings hatte ich Monate im Voraus gebucht. Im Großen und Ganzen, auch wenn es manchmal lustig war, wo meine Hotels lagen, bin ich sehr zufrieden mit meinen Vorbuchungen. Die Hotels waren alle sehr gut und günstig. Auch in Venedig werde ich nur die Hälfte dessen bezahlen, was um diese Zeit (es ist in diesem Jahr Biennale) üblich ist.

                                So ein Pausentag ist sehr schön, werde ich bei kommenden Touren auch einplanen. Ich mußte nicht packen, konnte alles im Zimmer liegen lassen und mich ganz entspannt zu Fuß auf den Weg machen.

                                Die Stadt ist natürlich sehr groß, die Wege waren weit, aber es machte mir Spaß durch die Straßen zu laufen. Padua ist eine der ältesten Städte Italiens. Der Sage nach wurde sie vom Trojaner Antenor um 1184 v. Chr. gegründet. Belegt ist im 4. Jh. v. Chr. ein Fischerdorf am Bacchiglione. Schnell entwickelte sich die Region zum Zentrum der Veneter (eine gerade stattfindende Sonderausstellung diesbezüglich besuche ich am Nachmittag).

                                Mein Weg führte mich über den großen Platz zur Basilika San Antonio. Die Basilika ist gewaltig. Erinnerte mich an den Petersdom in Rom. Ursprünglich war die Verehrung des Heiligen Antonius auf Padua bezogen, hier hat er als Franziskaner gewirkt und ist hier auch gestorben. Ab dem 16. Jh. erreichte die Wallfahrt europaweit ihren Höhepunkt. Bei den Italienern scheint das heute noch so zu sein. Dem Volksglauben nach, begünstigt das Berühren der Grabplatte eine baldige Schwangerschaft. Diese Szene vor dem Grab (siehe Bild) mußte ich unbedingt fotografieren, trotz „no foto“, was den Zorn eines Patres heraufbeschwor.

                                Inzwischen war es nach zehn Uhr und ich hatte den Termin in der Scrovegni Kapelle um viertel vor elf Uhr. Der Weg dorthin ist nicht weit und durch schöne Gassen und fast autofrei (nur Zulieferverkehr) auch angenehm zu laufen. Ich kam noch an der Chiesa degli Eremitani vorbei, in dem Reste von Mantegna-Fresken zu sehen sind, von denen Goethe begeistert in seinem Tagebuch zur italienischen Reise geschrieben hat. Der größte Teil wurde im 2. Weltkrieg durch einen Bombenangriff zerstört. Andrea Mantegna hatte in Padua mit seinen Werken kein Glück, auch der große Freskenzyklus im Palazzo della Regione wurde durch einen Brand im 18. Jh. vollkommen zerstört und danach wieder einigermaßen rekonstruiert.

                                Ich hatte mir inzwischen einen Padua-Pass gekauft und könnte damit fast alle Museen besichtigen. Leider sind ein Tag Besichtigung für Padua viel zu wenig, so daß ich nur einen Bruchteil dessen, was ich gerne sehen würde, auch sehen kann.

                                Nun war es an der Zeit mich in die Reihe der wartenden Besucher für die Giotto-Kapelle einzureihen. So muß sich ein Besuch in „Fort Knox“ anfühlen. Taschen, auch Kleine, mußte man vorher einschließen, dann kam man in eine Art Sicherheitsschleuse. Dort wurde die weitere Wartezeit verkürzt, indem man Anweisungen in englisch, französisch und italienisch erhielt (deutsch ist in italienischen Museen kein Thema), wie man sich im Innern zu verhalten hat. Danach war eine ganze Viertelstunde Aufenthalt in der Kapelle erlaubt. Ich kannte das alles bereits aus meinem Buch. Aber im Original ist das schon noch faszinierender. Wunderbar, daß so etwas erhalten geblieben ist.

                                Danach habe ich noch die städtische Galerie im Palazzo der einstigen Herren von Padua, den Carraresi besucht. Dort sind römische Ausgrabungen und eine reichhaltige Gemäldegalerie aus allen Epochen zu sehen. Schräg gegenüber gibt es noch den Zuckermannpalast mit seiner antiken Münzsammlung und den Alltagsgegenständen (Möbel und Bekleidung) aus den letzten Jahrhunderten zu sehen.

                                Inzwischen bereits halb zwei Uhr und Zeit etwas zu essen, bin ich Richtung Innenstadt und Marktplatz. Unterwegs habe ich mir ein Sandwich in einer Panificio gekauft und mich gemütlich auf dem großen Marktplatz (Piazza delle Erbe) auf den Stufen zum Palazzo della Ragione, den ich anschließend besichtigen werde, eine kurze Mittagspause eingelegt. In diesem Gebäude findet zurzeit die große Venetiker-Ausstellung über die Anfänge Paduas statt. Da ich noch so viel sehen will, blieb nur wenig Zeit zum Essen.

                                Die Ausstellung im großen Saal war etwas enttäuschend, zumindest für mich. Da es sich nur um Grabbeigaben handelte, die sehr bescheiden waren, ist natürlich nicht viel zu sehen. Das meiste wurde den Besuchern über Schautafeln und ausführlichen Beschreibungen (natürlich nur in italienisch und englisch) vermittelt. Mehr gibt diese Zeit wohl nicht her. Es waren auch nicht viele Besucher da. Die großartige Ankündigung überall war ein bisschen übertrieben. Jedoch wollte ich diesen großen Versammlungssaal mit dem Modell (eins zu eins aus Holz gefertigt) für das Reiterdenkmal von Donatello am Piazza del Santo und dem rekonstruierten Jahreszeitenzyklus von Mantegna sowieso ansehen.

                                Den Marktplatz überquerend besuchte ich anschließend die Kathedrale St. Maria Assunta. Dies ist die Hauptkirche von Padua. Die alten Kunstschätze sind aus der Kirche entfernt, da sie in der Kirche schlecht zu bewachen sind und so wurde in einem Nebengebäude ein Museum errichtet. Leider im August geschlossen. Dafür war das kleine Baptisterium (Taufkapelle) geöffnet und ähnlich wie die Giotto-Kapelle komplett mit Fresken (in byzantinischer Manier) aus dem 13. Jh. bemalt. Man liess Besucher ein, obwohl gerade renoviert wird. Finde ich toll. So konnte ich mal Restauratoren bei der Arbeit zusehen.

                                Jetzt war es schon kurz vor vier Uhr am Nachmittag. Für heute mein Programm fast abgeschlossen. Das Beste wollte ich mir bis zum Schluß aufheben. Den Besuch des einzigartigen „Cafe Pedrocchi“. Das alleine würde sich schon lohnen Padua zu besuchen. Ich kann es kaum richtig beschreiben, denn auf so etwas war ich nicht gefasst.

                                Wieder zurück in die Haupteinkaufsstraße befindet sich das Cafe am zentralsten Platz. Im Erdgeschoß ist es immer noch ein Cafe, jedoch modern ausgestattet. Ich gönnte mir einen Espresso mit kleinem Stückchen Kuchen. Danach ging ich in den ersten Stock des Cafe’s, das inzwischen ein Museum ist. Alles im Original erhalten. Jeder Raum hat seine besondere Ausstattung. Ein großer Raum war wie ein ägyptischer Tempel gestaltet, ein anderer wie ein Raum in einem französischen Schloß usw., dazu gab es noch niedliche Séparée‘s. Ich war fasziniert. Ich habe mich sehr lange aufgehalten und bin die Räume mindestens dreimal durchgegangen. Dieses so reich ausgestattete Cafe war in der Belle Epoche Treffpunkt der Reichen und Intellektuellen. Auch daran habe ich erkannt wie bedeutend Padua einmal war. So ein Kaffeehaus gibt es heute noch in kleinerem Format in Venedig (Cafe Florian, Cafe Quadri) und da kann man sich den Besuch erst leisten, wenn man vorher im Lotto gewonnen hat.

                                Ich bin danach sehr zufrieden mit dem heutigen Tag zurück in mein Hotel und habe mich bis zum Abendessen erfrischt und ausgeruht. Ich muß mal wieder erwähnen, daß es immer noch sehr heiß ist, 40 Grad tagsüber werden bestimmt erreicht. Ich freute mich schon auf das Zafri (Lokal von gestern), daß ich heute wieder besuche.

                                Nach den Erfahrungen von gestern, bin ich erst nach halb acht Uhr zum Essen. Hatte ich einfach schon einen gewaltigen Hunger. Wieder war ich eine der ersten Gäste. Diesmal jedoch kannten mich die Kellner und waren recht freundlich. Ich habe wieder gut gegessen und mir auch einen großen Schluck Wein gegönnt. Kurz nach zehn Uhr bin ich jedoch schon wieder zurück ins Hotel, hatte ich doch morgen einen wichtigen Tag vor mir. 50 km den Brentakanal entlang nach Venedig radeln und dazwischen zwei Villen besuchen.

                                Nach Padua werde ich irgendwann einmal zurückkehren. Die Stadt ist mindestens so spannend und interessant wie Venedig. Auch der Evangelist Lukas soll in einer der Kirchen begraben sein. Die alte Universität, mit dem anatomischen Seziersaal von 1594, der Lehrkanzel von Galilei’s, dem Botanischen Garten (der schon in der Renaissance angelegt wurde), das Grab des Antenor (wenn es auch nicht das Richtige ist), römische Ausgrabungen und evtl. auch die euganischen Hügel mit den Thermen will ich dann besuchen. Das habe ich mir fest vorgenommen.















                                Mehr Bilder gibt es noch in der Fotogalerie
                                Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 21.05.2014, 14:15.

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                                • LadyofPedelec
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                                  #17
                                  [D] [A] [I] 11. Tag mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                                  Freitag, 23.08.2013
                                  50 km von Padua nach Venedig


                                  Nach dem Frühstück und checkout bin ich schon kurz nach neun Uhr losgefahren. Die Strecke zur wunderschönen Riviera del Brenta (wie Goethe sie nannte) war schnell zu finden. Durch das Stadttor (Portello), das eine Fassade gleich eines Triumphbogens hat, kommt man in das Viertel der einstigen Schiffer des Brentakanals.

                                  Das Schwemmmaterial, dass in die Lagune von Venedig gespült wurde, veranlasste Venedig bereits im 16. Jh. der Brenta ein neues Flußbett zu graben, dass südlich von Chioggia in die Adria mündete und heute noch so verläuft. Das alte Flußbett wurde mit einigen Schleusen versehen und diente fortan als Wasserweg für Frachten und Personenbeförderung nach Venedig oder umgekehrt. Die Fahrt erfolgte in Sandalo‘s, Gondeln oder den Burchielli‘s (überdachte Boote). Ab Ende des 16. Jh. bauten die Adligen von Venedig zahlreich ihre Landvillen rechts und links am Kanal entlang. Einige sind heute in jämmerlichen Zustand und andere wiederum gut erhalten und manche Besuchern zugängig.

                                  An einer Stelle als ich überlegte soll ich rechts oder links am Kanal entlang fahren, traf ich auf ein Ehepaar aus Mannheim, die dieselbe Überlegung anstellten. Interessant, sie hatten ein Pauschalangebot eines Reiseunternehmers gebucht, dass ihnen ihr Gepäck von Hotel zu Hotel transportierte und auch die Räder zur Verfügung stellte. Wir fuhren dann gemeinsam weiter, vorläufig mal, auf der linken Seite des Kanals in Richtung Stra. Hier wollten Sie die Villa Pisani besuchen. Diese Villa, die prachtvollste auf der ganzen Strecke, würde ich eher als ein Schloß bezeichnen „Versailles des Veneto“, ist recht groß und der Besuch dort dauert sehr lange. Es wäre schade, hier nur eine kurze Stippvisite zu machen. Die Parkanlage mit ihren Nebengebäuden, das Heckenlabyrinth, alles das ist sehr sehenswert.

                                  Als die Republik Venedig zu Ende ging und Napoleon sich zum König von Italien ausgerufen hatte, war diese Villa sein Hauptsitz. Im Inneren sind daher die Wohnräume im französischen Empire-Stil umgebaut und noch heute so erhalten. Man kann das Bett in dem Napoleon schlief besichtigen. Ich hatte diese Villa bereits bei einem meiner früheren Venedigaufenthalte besucht und einen ganzen Nachmittag dort verbracht. Also, für mich kam das jetzt nicht in Frage, sonst hätte ich die anderen beiden Villen nicht besuchen können.

                                  Sie bedauerten es, zumal ich die Geschichte Venedigs gut kenne und während der Fahrt einiges über die Villa Nationale, wie sie auch genannt wird, erzählen konnte. Wir hätten uns abends in Venedig treffen können, aber sie übernachteten in Mestre. Ich habe darauf nichts gesagt, denn ich würde niemals in Mestre auch nur eine Nacht verbringen wollen. So schön Venedig ist, so hässlich ist Mestre. Viele Stunden später hatte ich für die Entscheidung des Reiseunternehmens Mestre als Hotelstandort für Radtouristen zu wählen, durchaus Verständnis. Ich bin mal wieder an meine Grenzen gestoßen, als ich die „Brücke der Freiheit“ überqueren musste.

                                  Nachdem ich die Mannheimer verlassen hatte, wechselte ich auf die rechte Seite der Brenta. Die weitere Strecke der nächsten Stunden ging abwechselnd auf Straßen, durch Dörfer und ab und zu auch auf speziellen Radwegen weiter und immer wieder kam man an einer der rund 60 noch erhaltenen Villen vorbei. Im 19. Jh. waren es noch über 100 Villen aus dem goldenen Zeitalter Venedigs. Als man sich das feudale Landleben nicht mehr leisten konnte, verfielen viele der einst prächtigen Villen. Die Erben haben manche der Villen innen ausgeschlachtet und die Freskenmalereien in die ganzen Welt verkauft z. B., die Tiepolo Fresken aus der Villa Valmarana befinden sich heute im Museum Jacquemart-Andrè in Paris. Das Hauptgebäude (es soll eine ganz prächtige Villa gewesen sein) wurde danach abgerissen um die Grundbesitzsteuern zu sparen. Heute steht noch das Gästehaus (Barchessa) und Besucher können es besichtigen.

                                  In Dolo, einem kleinen Städtchen, gibt es den längsten Kirchturm in der Gegend, ähnlich eines Campanile in Venedig. Hier machte ich dann auch eine kurze Pause an der alten Schleuse, die durch die Vedutenbilder von Canaletto berühmt wurde. Auf der Brücke stehen noch die Häuschen und sind liebevoll restauriert. In einem der Häuschen (siehe Bild) ist ein Cafe eingerichtet und lädt zu einer Espressopause oder zu einem ersten Spizz ein. Viel Zeit blieb mir nicht, da ich noch vor dreizehn Uhr in der Villa Serimann-Widmann-Foscari sein wollte, denn die Besuchszeiten dort sind von 10-13 und 15-18 Uhr und um fünfzehn Uhr wollte ich schon bei der Villa Foscari-Malcontenta sein (da freute ich mich schon den ganzen Tag darauf).

                                  Weiter auf der Strecke kommt man an einige sehr große Villen vorbei. Der Villa Ferretti Angeli (besitzt einen großen Park der zugänglich ist und man evtl. eine Rast einlegen könnte), der Villa Velluti, etwas weiter der Barchessa Alessandri und der Villa dei Leoni, die so genannt wird, weil am Eingang Löwen von Canova standen, die ebenfalls im 19. Jh. verkauft und durch Kopien ersetzt wurden.

                                  Um zu verstehen, wie es zu so vielen großen, prächtigen Villen am Brentakanal kam, eine kleine Geschichte:

                                  Angefangen hatte es mit der Villa Malcontenta im 16. Jh. und seinen Abschluß fand es in der Villa Pisani im 18. Jh. (der Erbauer war zu diesem Zeitpunkt Doge und überaus prunksüchtig). In der Zeit dazwischen entwickelte sich der Brenta-Kanal zu einem regelrechten „Canal Grande auf dem Festland“, denn, wer sich hier eine Villa leisten konnte, hatte meist auch einen Palazzo am Canal Grande. Diese komfortablen Landhäuser dienten in erster Linie dem sommerlichen Vergnügen. Man amüsierte sich bei Spielen, Jagden und veranstaltete Gartenfeste. Gerne zog die adelige Gesellschaft (Nobili) mit ihren Booten von Fest zu Fest, von Villa zu Villa, was den italienischen Ausspruch „andar per ville“ hervorbrachte. Carlo Goldoni, venezianischer Komödienschreiber, machte sich in mehreren seiner Werke darüber lustig. Jede der reichen Familien wollte die schönste und größte Villa haben.

                                  Meine Fahrt ging weiter nach Mira. Um dieses Städtchen zu besichtigen, hatte ich leider nicht die Zeit und bin nur durchgefahren. Ausserhalb von Mira fuhr ich an der Villa Franceschi vorbei. Davon hatte ich in einer Gourmet-Zeitung schon mal etwas gelesen. Es soll ein Geheimtipp für Veneto-Liebhaber und Schöngeister sein. Die Villa ist als Hotel umgebaut, gehört den Brüdern Dario und Alessandro dal Corso und ist ein 5-Sterne-Hotel mit eben solcher Gastronomie. Also nichts für unsereins.

                                  Ich kam um viertel nach zwölf Uhr an meinem ersten Besuchsziel an. Wie man an dem Namen Serimann-Widmann-Foscari erkennt, gehörte zuerst die Villa den Serimanns. Eine venezianische, adelige Familie mit persischen Wurzeln, die sich in den venezianischen Adel für 100.000 Gulden eingekauft hatte. Mitte des 19.Jh. gehörte die Villa dann den Widmanns und wurde im Stil des französischen Rokoko umgestaltet. So ist heute noch die Villa im Original, sogar mit den Möbeln aus der Zeit, erhalten. Später durch Erbschaft kam die Villa an die Foscari’s.

                                  Ich hatte mich entschieden diese Villa zu besuchen, denn hier gibt es wieder einmal eine reizvolle Geschichte. Lord Byron, der ja einige Jahre in Venedig lebte, hatte diese Villa für die Sommermonate der Jahre 1817/18 gemietet und lebte hier in einem „sündigen Verhältnis“ mit einer jungen, venezianischen und noch dazu verheirateten Adeligen. Das wäre jetzt nicht weiter schlimm gewesen (damals war man nicht prüde), aber der betrogene, recht betagte Ehegatte dieser Geliebten, ein Mitglied des Rates, intervenierte und so mußte Lord Byron Venedig als unerwünschte Person für immer verlassen. Gast dieser Villa war auch Casanova.

                                  Als die Zeit der Landvillen vorüber war, mußten die Foscari’s, wie die Museumsführung ihrer Gruppe in russisch gefärbtem Englisch erklärte, nichts verkaufen, da sie sehr reich waren, sondern sie haben einfach die Türe zugeschlossen und alles einem Dornröschenschlaf überlassen. So, und kein bisschen restauriert, präsentieren sich die Räumlichkeiten. Das macht das Ganze so spannend. Die Zeit ist hier stehengeblieben. Man hatte wirklich das Gefühl, die Türe geht gleich auf und die adlige Gesellschaft von damals spaziert herein.

                                  Pünktlich um dreizehn Uhr wurde die Villa geschlossen. Ich durfte in der kleinen Parkanlage noch bleiben, da mein weiterer Weg zur Villa Malcontenta höchstens noch eine halbe Stunde zu fahren ist und so konnte ich in den Außenanlagen und dazu gehörte auch eine Remise mit schönem Innenhof (hier befinden sich noch die alten Pferdekutschen) mein mitgebrachtes Essen verspeisen und mich gut eine Stunde ausruhen.

                                  Verfrüht kam ich trotzdem nach meiner Mittagspause bei der Villa Malcontenta an. Umgeben ist die Villa von einer sehr gepflegten Gartenanlage, in einem strengen, klassischen Stil. Eingelassen wurde ich nicht. Wir, noch acht weitere Besucher, mussten warten bis das Ausflugsboot kam, das Besucher von Villa zu Villa schippert. Ich wunderte mich, wie viele auf diese Weise, ähnlich früheren Zeiten, die Villen besuchen. Dafür braucht man den ganzen Tag. Jetzt, obwohl es schon einiges nach drei Uhr war, wurde das Tor geöffnet und alle strömten Richtung Villa.

                                  Dieser Bau gleich eines antiken Tempels wurde von Andrea Palladio für den damaligen Dogen Foscari 1556 entworfen und 1560 fertiggestellt. Er gab damit eine, ich zitiere: „Grandiose Kostprobe seiner Architektur, die sich der römischen Antike und den theoretischen Werken Vitruvs verpflichtete“. Dementsprechend ist auch der Hauptsaal mit allegorischen Fresken eines Schülers Veroneses, Giambattista Zelotti, ausgestattet. Grandios muss auch ich sagen, vergleichbares gibt es nur noch in Vicenza, die Villa "la Rotonda". Unbedingt empfehlenswert.

                                  So einmalig das war, so unwohnlich wirkte es auf mich. Jedoch, wenn es nur dem sommerlichen Vergnügen diente, mußte es ja auch nicht sehr wohnlich sein. So ist vielleicht auch zu erklären, daß, als einer der Foscari seine Gemahlin (siehe Bild), die er zeitweise wegen ihres ausschweifenden Lebens in Venedig hierher verbannte, hier sehr unzufrieden und unglücklich wurde. Man nennt daher die Villa auch „la Malcontenta“.

                                  Ich habe mich lange aufgehalten, die große Gruppe aus dem Boot war schon längst weiter gezogen, bin auch durch die Parkanlage und erst um halb fünf Uhr an diesem Nachmittag wieder auf mein Rad gestiegen um die letzten Kilometer dieser Tour nach Venedig zu fahren.

                                  Inzwischen war alles nicht mehr so idyllisch. Ein Bus nach dem anderen wollte wie ich nach Venedig und es gab mal wieder keine Radwege. Vielleicht habe ich auch nur etwas falsch gemacht und hätte eine Nebenstraße fahren können. Derselbe Horror wie schon mal, als ich auf eine Bundesstraße geraten bin. Dann hatte ich auch noch den Einstieg in den schmalen Fußgängerweg über die Ponte della Liberta verpasst und bin die ganzen vier Kilometer über die Brücke auf der Straße gefahren. Diesmal habe ich mich nicht an den Rand (jetzt Leitplanke) drücken lassen, sondern bin mitten auf der Fahrspur gefahren mit äußerster, möglicher Geschwindigkeit. Die Schlange hinter mir, muss riesig gewesen sein, wahrscheinlich wie ein Stau, aber das war mir egal. Jeder Autofahrer musste mich ordentlich überholen, sobald es der entgegenkommende Verkehr zuließ. Das Gehupe klingt mir heute noch in den Ohren.

                                  Von weitem sah ich die Kuppeln der Salute. Es konnte nicht mehr weit sein, aber in solchen Momenten bleibt die Zeit irgendwie stehen und der Weg wollte nicht enden. Als ich es endlich geschafft hatte und am Piazzale Roma ankam, fürchtete ich schon, die Polizei wartet auf mich, denn bestimmt war das, was ich da gemacht hatte, sträflich. Später erfuhr ich von anderen Radlern, die den Einstieg zum Fußweg nicht verpassten, es war auch nicht besser. Der Fußweg ist so schmal, dass sie mit ihren Packtaschen ständig an den Leitplanken streiften, so dass auch sie das Gefühl hatten, es nicht zu schaffen.

                                  Jetzt musste ich nur noch über die neue Brücke am Canal Grande der „Ponte della Costituzione“ die seit 2008 fertiggestellt ist und schon war ich in meinem Hotel, dass ich mir für dieses Jahr in der Nähe des Bahnhofs Santa Luzia ausgesucht hatte.

                                  Und jetzt kommt die Krönung meiner Tour – die Hotels in Venedig haben ja keine Keller oder sonstige Lagerräume. Alles wird ausgenutzt und so gab es keine Möglichkeit mein Fahrrad unterzustellen. Was macht der Hotelbesitzer, der gerade auch an der Rezeption Dienst hatte, er trägt, weil der Aufzug viel zu eng war, mein Fahrrad in den 3. Stock in mein Zimmer. So hatte ich meinen geliebten, zuverlässigen Drusus die nächsten 14 Tage neben meinem Bett stehen.

                                  Nachwort: Ich danke den Lesern, die geduldig meine Tagebuchaufzeichnungen gelesen haben und hoffe, sie dazu angeregt zu haben, diese Tour (es gibt auch viele schöne Campingplätze unterwegs) mal selbst auszuprobieren.

                                  Ihre LadyofPedelec





























                                  Zuletzt geändert von LadyofPedelec; 21.05.2014, 14:35.

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                                  • grenzenlos
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                                    #18
                                    AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                                    Danke, Bericht + Fotos machen mir große Freude

                                    Gruß Wi grenzenlos
                                    Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                    Gruß, Wi grenzenlos

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                                      • 22.08.2008
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                                      AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                                      Schöner ausführlicher Bericht deiner Fahrt nach Venedig, habe ihn mit Interesse verfolgt.

                                      In Padua war ich mal vor vielen Jahren und war überrascht wie sehenswert diese Stadt ist. Wir hatten die Stadt als Standquartier für Besichtigungen von Venedig ausgewählt, wohin gute Bahnverbindungen bestehen.
                                      Im Endeffekt haben wir mehr Besichtigungen in Padua gemacht als in Venedig. Eine wirklich empfehlenswerte Stadt, die zu Unrecht im Schatten von Venedig liegt.
                                      Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                                      • Kim86
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                                        • 28.04.2014
                                        • 11
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                                        #20
                                        AW: [D] [A] [I] Mit dem Rad von Stuttgart nach Venedig

                                        Hallo,
                                        das ist ein wirklich schöner Bericht. Da hast Du ja eine Menge gesehen. Ich bin der Meinung, dass man bei einer Wandertour oder einer Radtour immer mehr von der Landschaft sieht, als wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Eine so lange Tour würde ich mir mit dem Rad allerdings nicht zutrauen, da hätte ich ehrlich gesagt zuviel Angst vor Pannen

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