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Eine Herbstwanderung vor 2 Jahren in Rumänien
Meine letzte Bergwanderung, wo ich abends mein Zelt aufbaute und mich vom mitgeschleppten Essen aus dem Rucksack verpflegte, lag rund 5 Jahre zurück. Jetzt wollte ich endlich wieder mal zu einer klassischen Bergtour aufbrechen. Mit Zelt und Rucksack durch die Karpaten laufen. Der westliche Teil der Südkarpaten schien mir dafür gut geeignet.
Im Retezat stand der Felsengrat der Porţile Închise sowie der Tibetanerweg schon lang auf meinem Wunschzettel. Das Godeanu-Gebirge musste ich mit meinem Wanderfreund Uli 1997 fluchtartig verlassen, als Ende Mai fast ein Meter Neuschnee gefallen war. Jetzt wollte ich einen neuen Versuch wagen und dem Hauptkamm folgen bis hinüber ins Ţarcu-Gebirge. Einem Massiv, dessen kahle Kuppen ich vom Stausee Gura Apei jedes Mal sehnsüchtig betrachtete und mir vorstellte, dort mal entlang zu wandern, wenn ich von Touren im Retezat heimkehrte. Nun war sie fällig – eine Runde durch die Südkarpaten in den Massiven Retezat, Godeanu und Ţarcu.
Der Nachtzug aus Wien erreicht Deva fast pünktlich. Es ist 7 Uhr, als ich aus dem Zug klettere. Der Morgen ist kühl. Răzvan wartet auf dem Bahnsteig. Seit meinem letzten Rumänienbesuch sind mehr als drei Jahre vergangen. Damals paddelten wir gemeinsam auf den Flüssen Goldene Bistritz und Nera. Jetzt wollen wir die erste Hälfte der Bergtour gemeinsam wandern.
Doch bevor es in Richtung Berge geht, haben wir noch Zeit für ein typisch rumänisches Frühstück mit frischem Weißbrot, Tomaten, Schafskäse und – klar ein Gläschen Ţuica. Răzvan hatte schon im Vorfeld die Anfahrt ins Gebirge organisiert. Petre, ein Arbeitskollege, wird uns bis Pui bringen, einem Dörfchen am Fuße der Retezat-Berge. Von dort wird uns dann Ionică, noch ein Kollege von Răzvan, bis zur Hirtenalm Stâna de Râu fahren. Ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht, noch mal Geld zu wechseln. Immerhin hatte ich schon mal ein wenig in Deutschland getauscht. Da wir uns jedoch nicht auf Shoppingtour begeben, lasse ich es.
Um 11 Uhr geht es los. Wir verstauen unsere Rucksäcke in Petres Opel und auf geht's in den Süden. Doch schon an der ersten Tankstelle wird gehalten. Răzvan braucht noch ein Feuerzeug. Kaum ist er weg, kommt er auch schon zurück, erfolglos. „Die waren zwar elektronisch, funktionierten aber nicht,“ – so sein Kommentar. An der nächsten Tankstelle hatte er mehr Glück, und auch ich bekam noch ein Feuerzeug. Nun hatte ich 3 – zur Sicherheit halt. Wäre auch blöd so auf 2000 m in einem Bergsattel zu hocken und sein Abendmahl nicht einnehmen zu können, weil einem der Feuerstarter verreckt ist. Entsprechende Erlebnisse hatte ich ja schon. Jetzt konnte es ungehindert nach Pui gehen. Wir erreichen das Dorf nach rund einer Stunde.
Ionică und sein Sohn Alin erwarten uns bereits. Die beiden werden uns bis zur Hirtenalm Stâna de Râu fahren, im Ostteil des Retezatgebirges. Im Hof steht schon ein Nissan-Navara der Nationalparkbehörde in „pole position“. Ionică arbeitet als Ranger im Retezat-Nationalpark. Doch bevor wir starten, geht es in den Garten und wir bekommen einen Sack voll Tomaten als Wegzehrung, Bier für den Durst und damit uns abends im Gebirge nicht kalt wird, kommt auch noch eine Flasche Ţuica ins Gepäck.
Der Zivilisation den Rücken kehren, ohne die beste Gulaschsuppe probiert zu haben, geht schon mal gar nicht. So folgen wir Răzvans Tipp und kehren ein in die Hanul Boleştilor, einer Herberge in der Nachbargemeinde Petros. Die Gulaschsuppe kann ich nur empfehlen. Răzvan hatte nicht zu viel versprochen.
Die Forststraße durch das Tal des Râu Bărbat zieht sich über 30 km durch den Bergwald. Hier ließ Ceauşescu das Holz schlagen für seinen Volkspalast, erzählt mir Răzvan. Noch immer zeugen kahle Hänge von den Rodungen. Zu Fuß hätte uns der Aufstieg zur Alm einen ganzen Wandertag gekostet. Allradgetrieben dauert das Geruckel und Geholper 1 ½ Stunden. Bis zu unserem Tagesziel laufen wir noch eine knappe halbe Stunde.
Ende September ist es ruhig geworden in den Retezat-Bergen. Sowohl die Hirten als auch die Leute vom Bergrettungsdienst SALVAMONT haben ihre Stützpunkte verlassen. So können wir unser Basislager in der Schutzhütte der Bergwacht einrichten. Ionică lädt den Müll, der sich in der Hütte angesammelt hat, in seinen Nissan. In zwei Tagen will er noch mal vorbeischauen und auch unseren Müll mitnehmen. Das ist für uns sozusagen eine offizielle Lizenz zum Bier trinken. Wir verabschieden uns von Ionică und Alin und beziehen unser Nachtlager unter dem Hüttendach.
Retezat-Gebirge (Ost)
Unsere erste Bergwanderung im Retezat ist als Tagestour geplant. Wir wollen hinauf zum Bergsee Tău Ţapului, von dort irgendwie querfeldein den Hang hinauf bis zum Vârful-Mare-Sattel und über den Felsgrat der Porţile Închise auf den zweithöchsten Gipfel des Gebirges – der Păpuşa (2508 m). Dem Păpuşa-Custura-Bergkamm folgend soll es den Tibetanerweg hinunter zurück zu unserer Bergwachthütte gehen. Eine lange Tour, das heißt, wir müssen uns früh aus den Schlafsackfedern schälen.
Es ist schon hell, als wir um 7 Uhr aufstehen. Ich knabbere ein paar Nüsse, Răzvan macht sich Müsli, dann brechen wir auch schon auf. Ein paar Meter hinter der Hütte queren wir den Bărbat-Bach, nach rechts führt der Pfad mit blauem Dreieck markiert in Richtung Baleia-Hütte. Wir folgen einem unscheinbaren Pfad direkt vor der Nase etwas links den Hang hinauf. Ab und zu zeigen uns Steinmännchen oder rote Punkte an den Baumstämmen, dass wir noch auf dem rechten Weg wandeln. Răzvan glaubt, dass die Markierungen von Wilderern stammen, die hier im Gebirge illegal Gämsen jagen.
Eine reichliche halbe Stunde mühen wir uns durch den Wald, dann wird es lichter. Auf einer kleinen Wiese steht eine verfallene Almhütte. Der Boden zu unseren Füßen ist aufgewühlt – waren es Bären oder Wildschweine? Prächtige Exemplare der Zirbelkiefer ragen in den blauen Himmel. Über den Berggipfeln sammeln sich lokale Quellwolken, ein Zeichen für gutes Wetter. Das Gelände ist nun offener. Auf einem grasbewachsenen Geröllhang steigen wir weiter nach oben. Ein Bächlein sprudelt zwischen dunkelgrünen Latschenkiefern hervor. Doch die Idylle ist trügerisch. Wie angewurzelt bleibt Răzvan plötzlich stehen. Ich kann nichts sehen. Doch da! Einen knappen Meter vor seinen Schuhspitzen windet sich aufgeregt zischend ein brauner Schwanz zwischen den Grasbüscheln. „Viper!“ höre ich ihn rufen. Die Kreuzotter ist etwa 70 cm lang und mindestens genauso gestresst wie Răzvan. Mit aufgerichtetem Köpfchen züngelnd sucht sie ihr Heil in der Flucht. Als Răzvan seinen Fotoapparat betriebsbereit hat, schaut nur noch das Schwanzende unter einem Latschenzweig hervor. Dann ist die Schlange verschwunden. Vorsichtig schauend, wo wir unsere Füße platzieren, geht es weiter. Es sollte jedoch unsere einzige Begegnung mit Vipern werden.
Die nächste Gletscherstufe kommt in Sicht. Eineinhalb Stunden sind wir nun schon unterwegs, als vor uns das Wasser des Tău Ţapului in der Sonne glitzert. Wenig Wasser ist in dem See. Zu der Insel im See gelangen wir trockenen Fußes über eine Reihe ausgelegter Steine. Den ganzen September ist kein Tropfen Regen gefallen, berichtet mir Răzvan. Die Wasserknappheit sollten wir auf der ganzen Bergtour noch zu spüren bekommen.
Hier am See endet auch unser Pfad, ab jetzt geht es querfeldein über Geröll und steile Grasstufen eine Rinne hinauf. Sie endet im Şaua Lacului, einem kleinen Bergsattel westlich des Vârful Lacului. Ionică hatte uns den Weg empfohlen. Oben im Sattel sehen wir zum ersten Mal den Gipfel der Păpuşa, aber auch den Weg dorthin, den gezackten Felsgrat der Porţile Închise. „Geschlossene Tore“ bedeutet der Name des Grates, da es keinen Durchgang gibt zwischen dem Gletscherkessel des Tău Ţapului im Südosten und dem Lacul Galeş im Nordwesten. Nach einem kurzen Stück über den Bergkamm stehen wir im Vârful-Mare-Sattel. Ein rostiger Wegweiser zeigt nach Südwest. „Porţile Închise – V. Păpuşa 3 – 3 ½ h“ steht drauf und die Markierung des Abschnittes, das rote Band. Meine alte Retezat-Wanderkarte von 1982 zeigt mir einen unmarkierten Pfad über den Porţile-Închise-Grat und die neue Karte von 2009 hat den Pfad gleich ganz unterschlagen. Auch die Zeitangabe scheint mir etwas großzügig formuliert.
Die Kraxelei über den Felsgrat ist nicht schwierig. Ab und zu nervt mich meine Fototasche vorm Bauch, da ich meine Füße nicht sehe, aber es klappt trotzdem irgendwie. Da waren die Wege in der Westtatra anspruchsvoller. Doch schön ist er. Tief zu unserer Rechten liegt blau der Galeş-See, auf der anderen Seite blinkt der Tău Ţapului herauf. Der Grat endet in einem kleinen Plateau, welches sanft zum Vârful Ţapului hin ansteigt. Wir traversieren hoch über dem Gletscherkessel mit dem Bergsee Lacul Adânc, dem „Tiefen See“, und erreichen den Fuß der Păpuşa. Es ist die Schlüsselstelle unserer Wanderung. Ein mit Stahlseilen gesicherter Felsabschnitt bildet den Einstieg zum Gipfelweg auf die Păpuşa. Nach einer halben Stunde stehen wir auf dem zweithöchsten Gipfel des Retezat – der „Puppe“. Seinen Namen erhielt der Beg von den Schafhirten, die so auch ihre Steinmännchen nannten, welche die Bergpfade markierten. Um uns herum breitet sich ein atemberaubendes Bergpanorama aus. Gegenüber, nur einen Meter höher, der Peleaga-Gipfel (2509 m). Hinter uns, im Norden, der Weg, den wir gelaufen sind, entlang der Porţile Închise bis hin zum Vârful-Mare-Gipfel (2463 m). Im Westen der Namensgeber des Gebirges – Vârful Retezat (2482 m) und im Osten weit unten die Stâna de Râu, unser Lagerplatz.
Knapp 2 Stunden haben wir gebraucht vom Vârful-Mare-Sattel bis zum Păpuşa-Gipfel. Deutlich weniger also, als auf dem Wegweiser stand. Nach einer kurzen Rast beginnt unser Abstieg. Steil geht es die Südostflanke der Păpuşa hinab. Den Gipfel der Păpuşa Mică umgehen wir und folgen dem Păpuşa-Custura-Kamm bis zum Beginn des so genannten Tibetanerweges. Der Abschnitt Stâna de Râu – Vârful Custura wurde von Georg Hromadka in seinem Artikel im „Komm Mit 1976“ als Tibetanerweg vorgestellt. Jetzt bot sich mir die Gelegenheit, den Weg kennen zu lernen. Die Markierung blaues Dreieck ist immer noch präsent. Und auch die großen Steinmänner, die schon fast an Manimauern erinnern, finden sich auf dem Weg, der in langen Serpentinen hinunter ins Tal des Râu Bărbat führt. Eine Stunde und 45 Minuten dauert unser Abstieg zurück zur Bergwachthütte. Wir sind müde und durstig. Seit dem Aufstieg vom Tău Ţapului gab es kein Wasser mehr. 8 ¾ Wanderstunden stecken uns in den Knochen, als wir unsere Unterkunft erreichen. Es waren wohl meine interessantesten 8 ¾ Stunden im Retezat. Der Râu Bărbat spült uns den Dreck vom Körper und das letzte Bärenbier ein wenig die Müdigkeit aus den Beinen.
Morgen startet unsere eigentliche Rundtour, mit vollem Gepäck wird es hinauf zu den Bergseen Ciomfu Mare sowie dem Kleinen und Großen Custura See gehen und dann über den Custura-Gipfel nach Westen bis zum Plaiul-Mic-Sattel im Kleinen Retezat.









Meine letzte Bergwanderung, wo ich abends mein Zelt aufbaute und mich vom mitgeschleppten Essen aus dem Rucksack verpflegte, lag rund 5 Jahre zurück. Jetzt wollte ich endlich wieder mal zu einer klassischen Bergtour aufbrechen. Mit Zelt und Rucksack durch die Karpaten laufen. Der westliche Teil der Südkarpaten schien mir dafür gut geeignet.
Im Retezat stand der Felsengrat der Porţile Închise sowie der Tibetanerweg schon lang auf meinem Wunschzettel. Das Godeanu-Gebirge musste ich mit meinem Wanderfreund Uli 1997 fluchtartig verlassen, als Ende Mai fast ein Meter Neuschnee gefallen war. Jetzt wollte ich einen neuen Versuch wagen und dem Hauptkamm folgen bis hinüber ins Ţarcu-Gebirge. Einem Massiv, dessen kahle Kuppen ich vom Stausee Gura Apei jedes Mal sehnsüchtig betrachtete und mir vorstellte, dort mal entlang zu wandern, wenn ich von Touren im Retezat heimkehrte. Nun war sie fällig – eine Runde durch die Südkarpaten in den Massiven Retezat, Godeanu und Ţarcu.
Der Nachtzug aus Wien erreicht Deva fast pünktlich. Es ist 7 Uhr, als ich aus dem Zug klettere. Der Morgen ist kühl. Răzvan wartet auf dem Bahnsteig. Seit meinem letzten Rumänienbesuch sind mehr als drei Jahre vergangen. Damals paddelten wir gemeinsam auf den Flüssen Goldene Bistritz und Nera. Jetzt wollen wir die erste Hälfte der Bergtour gemeinsam wandern.
Doch bevor es in Richtung Berge geht, haben wir noch Zeit für ein typisch rumänisches Frühstück mit frischem Weißbrot, Tomaten, Schafskäse und – klar ein Gläschen Ţuica. Răzvan hatte schon im Vorfeld die Anfahrt ins Gebirge organisiert. Petre, ein Arbeitskollege, wird uns bis Pui bringen, einem Dörfchen am Fuße der Retezat-Berge. Von dort wird uns dann Ionică, noch ein Kollege von Răzvan, bis zur Hirtenalm Stâna de Râu fahren. Ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht, noch mal Geld zu wechseln. Immerhin hatte ich schon mal ein wenig in Deutschland getauscht. Da wir uns jedoch nicht auf Shoppingtour begeben, lasse ich es.
Um 11 Uhr geht es los. Wir verstauen unsere Rucksäcke in Petres Opel und auf geht's in den Süden. Doch schon an der ersten Tankstelle wird gehalten. Răzvan braucht noch ein Feuerzeug. Kaum ist er weg, kommt er auch schon zurück, erfolglos. „Die waren zwar elektronisch, funktionierten aber nicht,“ – so sein Kommentar. An der nächsten Tankstelle hatte er mehr Glück, und auch ich bekam noch ein Feuerzeug. Nun hatte ich 3 – zur Sicherheit halt. Wäre auch blöd so auf 2000 m in einem Bergsattel zu hocken und sein Abendmahl nicht einnehmen zu können, weil einem der Feuerstarter verreckt ist. Entsprechende Erlebnisse hatte ich ja schon. Jetzt konnte es ungehindert nach Pui gehen. Wir erreichen das Dorf nach rund einer Stunde.
Ionică und sein Sohn Alin erwarten uns bereits. Die beiden werden uns bis zur Hirtenalm Stâna de Râu fahren, im Ostteil des Retezatgebirges. Im Hof steht schon ein Nissan-Navara der Nationalparkbehörde in „pole position“. Ionică arbeitet als Ranger im Retezat-Nationalpark. Doch bevor wir starten, geht es in den Garten und wir bekommen einen Sack voll Tomaten als Wegzehrung, Bier für den Durst und damit uns abends im Gebirge nicht kalt wird, kommt auch noch eine Flasche Ţuica ins Gepäck.
Der Zivilisation den Rücken kehren, ohne die beste Gulaschsuppe probiert zu haben, geht schon mal gar nicht. So folgen wir Răzvans Tipp und kehren ein in die Hanul Boleştilor, einer Herberge in der Nachbargemeinde Petros. Die Gulaschsuppe kann ich nur empfehlen. Răzvan hatte nicht zu viel versprochen.
Die Forststraße durch das Tal des Râu Bărbat zieht sich über 30 km durch den Bergwald. Hier ließ Ceauşescu das Holz schlagen für seinen Volkspalast, erzählt mir Răzvan. Noch immer zeugen kahle Hänge von den Rodungen. Zu Fuß hätte uns der Aufstieg zur Alm einen ganzen Wandertag gekostet. Allradgetrieben dauert das Geruckel und Geholper 1 ½ Stunden. Bis zu unserem Tagesziel laufen wir noch eine knappe halbe Stunde.
Ende September ist es ruhig geworden in den Retezat-Bergen. Sowohl die Hirten als auch die Leute vom Bergrettungsdienst SALVAMONT haben ihre Stützpunkte verlassen. So können wir unser Basislager in der Schutzhütte der Bergwacht einrichten. Ionică lädt den Müll, der sich in der Hütte angesammelt hat, in seinen Nissan. In zwei Tagen will er noch mal vorbeischauen und auch unseren Müll mitnehmen. Das ist für uns sozusagen eine offizielle Lizenz zum Bier trinken. Wir verabschieden uns von Ionică und Alin und beziehen unser Nachtlager unter dem Hüttendach.
Retezat-Gebirge (Ost)
Unsere erste Bergwanderung im Retezat ist als Tagestour geplant. Wir wollen hinauf zum Bergsee Tău Ţapului, von dort irgendwie querfeldein den Hang hinauf bis zum Vârful-Mare-Sattel und über den Felsgrat der Porţile Închise auf den zweithöchsten Gipfel des Gebirges – der Păpuşa (2508 m). Dem Păpuşa-Custura-Bergkamm folgend soll es den Tibetanerweg hinunter zurück zu unserer Bergwachthütte gehen. Eine lange Tour, das heißt, wir müssen uns früh aus den Schlafsackfedern schälen.
Es ist schon hell, als wir um 7 Uhr aufstehen. Ich knabbere ein paar Nüsse, Răzvan macht sich Müsli, dann brechen wir auch schon auf. Ein paar Meter hinter der Hütte queren wir den Bărbat-Bach, nach rechts führt der Pfad mit blauem Dreieck markiert in Richtung Baleia-Hütte. Wir folgen einem unscheinbaren Pfad direkt vor der Nase etwas links den Hang hinauf. Ab und zu zeigen uns Steinmännchen oder rote Punkte an den Baumstämmen, dass wir noch auf dem rechten Weg wandeln. Răzvan glaubt, dass die Markierungen von Wilderern stammen, die hier im Gebirge illegal Gämsen jagen.
Eine reichliche halbe Stunde mühen wir uns durch den Wald, dann wird es lichter. Auf einer kleinen Wiese steht eine verfallene Almhütte. Der Boden zu unseren Füßen ist aufgewühlt – waren es Bären oder Wildschweine? Prächtige Exemplare der Zirbelkiefer ragen in den blauen Himmel. Über den Berggipfeln sammeln sich lokale Quellwolken, ein Zeichen für gutes Wetter. Das Gelände ist nun offener. Auf einem grasbewachsenen Geröllhang steigen wir weiter nach oben. Ein Bächlein sprudelt zwischen dunkelgrünen Latschenkiefern hervor. Doch die Idylle ist trügerisch. Wie angewurzelt bleibt Răzvan plötzlich stehen. Ich kann nichts sehen. Doch da! Einen knappen Meter vor seinen Schuhspitzen windet sich aufgeregt zischend ein brauner Schwanz zwischen den Grasbüscheln. „Viper!“ höre ich ihn rufen. Die Kreuzotter ist etwa 70 cm lang und mindestens genauso gestresst wie Răzvan. Mit aufgerichtetem Köpfchen züngelnd sucht sie ihr Heil in der Flucht. Als Răzvan seinen Fotoapparat betriebsbereit hat, schaut nur noch das Schwanzende unter einem Latschenzweig hervor. Dann ist die Schlange verschwunden. Vorsichtig schauend, wo wir unsere Füße platzieren, geht es weiter. Es sollte jedoch unsere einzige Begegnung mit Vipern werden.
Die nächste Gletscherstufe kommt in Sicht. Eineinhalb Stunden sind wir nun schon unterwegs, als vor uns das Wasser des Tău Ţapului in der Sonne glitzert. Wenig Wasser ist in dem See. Zu der Insel im See gelangen wir trockenen Fußes über eine Reihe ausgelegter Steine. Den ganzen September ist kein Tropfen Regen gefallen, berichtet mir Răzvan. Die Wasserknappheit sollten wir auf der ganzen Bergtour noch zu spüren bekommen.
Hier am See endet auch unser Pfad, ab jetzt geht es querfeldein über Geröll und steile Grasstufen eine Rinne hinauf. Sie endet im Şaua Lacului, einem kleinen Bergsattel westlich des Vârful Lacului. Ionică hatte uns den Weg empfohlen. Oben im Sattel sehen wir zum ersten Mal den Gipfel der Păpuşa, aber auch den Weg dorthin, den gezackten Felsgrat der Porţile Închise. „Geschlossene Tore“ bedeutet der Name des Grates, da es keinen Durchgang gibt zwischen dem Gletscherkessel des Tău Ţapului im Südosten und dem Lacul Galeş im Nordwesten. Nach einem kurzen Stück über den Bergkamm stehen wir im Vârful-Mare-Sattel. Ein rostiger Wegweiser zeigt nach Südwest. „Porţile Închise – V. Păpuşa 3 – 3 ½ h“ steht drauf und die Markierung des Abschnittes, das rote Band. Meine alte Retezat-Wanderkarte von 1982 zeigt mir einen unmarkierten Pfad über den Porţile-Închise-Grat und die neue Karte von 2009 hat den Pfad gleich ganz unterschlagen. Auch die Zeitangabe scheint mir etwas großzügig formuliert.
Die Kraxelei über den Felsgrat ist nicht schwierig. Ab und zu nervt mich meine Fototasche vorm Bauch, da ich meine Füße nicht sehe, aber es klappt trotzdem irgendwie. Da waren die Wege in der Westtatra anspruchsvoller. Doch schön ist er. Tief zu unserer Rechten liegt blau der Galeş-See, auf der anderen Seite blinkt der Tău Ţapului herauf. Der Grat endet in einem kleinen Plateau, welches sanft zum Vârful Ţapului hin ansteigt. Wir traversieren hoch über dem Gletscherkessel mit dem Bergsee Lacul Adânc, dem „Tiefen See“, und erreichen den Fuß der Păpuşa. Es ist die Schlüsselstelle unserer Wanderung. Ein mit Stahlseilen gesicherter Felsabschnitt bildet den Einstieg zum Gipfelweg auf die Păpuşa. Nach einer halben Stunde stehen wir auf dem zweithöchsten Gipfel des Retezat – der „Puppe“. Seinen Namen erhielt der Beg von den Schafhirten, die so auch ihre Steinmännchen nannten, welche die Bergpfade markierten. Um uns herum breitet sich ein atemberaubendes Bergpanorama aus. Gegenüber, nur einen Meter höher, der Peleaga-Gipfel (2509 m). Hinter uns, im Norden, der Weg, den wir gelaufen sind, entlang der Porţile Închise bis hin zum Vârful-Mare-Gipfel (2463 m). Im Westen der Namensgeber des Gebirges – Vârful Retezat (2482 m) und im Osten weit unten die Stâna de Râu, unser Lagerplatz.
Knapp 2 Stunden haben wir gebraucht vom Vârful-Mare-Sattel bis zum Păpuşa-Gipfel. Deutlich weniger also, als auf dem Wegweiser stand. Nach einer kurzen Rast beginnt unser Abstieg. Steil geht es die Südostflanke der Păpuşa hinab. Den Gipfel der Păpuşa Mică umgehen wir und folgen dem Păpuşa-Custura-Kamm bis zum Beginn des so genannten Tibetanerweges. Der Abschnitt Stâna de Râu – Vârful Custura wurde von Georg Hromadka in seinem Artikel im „Komm Mit 1976“ als Tibetanerweg vorgestellt. Jetzt bot sich mir die Gelegenheit, den Weg kennen zu lernen. Die Markierung blaues Dreieck ist immer noch präsent. Und auch die großen Steinmänner, die schon fast an Manimauern erinnern, finden sich auf dem Weg, der in langen Serpentinen hinunter ins Tal des Râu Bărbat führt. Eine Stunde und 45 Minuten dauert unser Abstieg zurück zur Bergwachthütte. Wir sind müde und durstig. Seit dem Aufstieg vom Tău Ţapului gab es kein Wasser mehr. 8 ¾ Wanderstunden stecken uns in den Knochen, als wir unsere Unterkunft erreichen. Es waren wohl meine interessantesten 8 ¾ Stunden im Retezat. Der Râu Bărbat spült uns den Dreck vom Körper und das letzte Bärenbier ein wenig die Müdigkeit aus den Beinen.
Morgen startet unsere eigentliche Rundtour, mit vollem Gepäck wird es hinauf zu den Bergseen Ciomfu Mare sowie dem Kleinen und Großen Custura See gehen und dann über den Custura-Gipfel nach Westen bis zum Plaiul-Mic-Sattel im Kleinen Retezat.










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