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  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
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    • Meine Reisen

    #21
    AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

    Du hättest dich an den Bürgermeister wenden sollen. Der hätte dir bestimmt erlaubt, den CP zu benutzen.

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    • Werner Hohn
      Freak
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      • 05.08.2005
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      • Meine Reisen

      #22
      AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

      Moin Enja,

      an einem Sonntagnachmittag eher nicht. Das mit dem Gang zur Mairie habe ich vor Jahren in Chanas gemacht. Dort gab es nur die unwirsche Auskunft, dass der Campingplatz noch geschlossen ist und sie (die Frau vor mir) die Öffnung nicht anordnen könne. Seitdem schaue ich nur noch, ob ein Eingang (oft nur für Fußgänger, damit keine Wohnwagen und Wohnmobile auf den Platz fahren) und ein Sanitärgebäude offen sind. In der Vergangenheit hat das mehrmals funktioniert, ohne das sich einer daran gestört hat. Für die Zukunft gehe ich davon aus, dass das weiterhin funktionieren wird. In der Regel sehen die Franzosen das ziemlich locker.
      Zuletzt geändert von Werner Hohn; 17.07.2013, 10:24.
      .

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      • hosentreger
        Fuchs
        • 04.04.2003
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        • Meine Reisen

        #23
        AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

        Viele meiner Fragen beantwortest Du schon, bevor ich sie gestellt habe...

        Und das mit dem Bericht hatte ich eigentlich schon befürchtet und mir einen neuen Bleistift besorgt.
        Aber Du legst die Latte recht hoch (gilt auch für Enja)!

        Meine Probetour vom vergangenen Wochenende (Saar-Blies-Glan-Nahe-Bostalsee-Saar) für Mensch und Material hatte jedenfalls zum Ergebnis, dass ich mich wohl nach einem etwas seniorengerechteren Zelt umsehe. Dank Torres Privat-Konsultation wird es vermutlich das HB Unna. Dafür lege ich in kaum gebrauchtes VAUDE Hogan UL in die Biete-Schale - aber das ist ein anderes Thema. Jetzt warte ich mal auf die weitere Fortsetzung und weitere Tipps. Kann mir immerhin Mitte September auch blüheb, dass einzelne Campingplätze schon wieder zu sind. Dann also trotzdem rütteln...

        hosentreger
        Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

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        • Werner Hohn
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          • 05.08.2005
          • 10872
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          • Meine Reisen

          #24
          AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

          Das mit dem Hogan kommt mir bekannt vor. Letztes Jahr, erste große Radtour, erste Nacht auf dem Campingplatz in Bingen. Am nächsten Morgen stand fest, dass ich mir sofort ein neues Zelt kaufe. Mit dem Hogan bin ich Tausende Kilometer gewandert weil es so schön leicht ist. Doch als Radfahrer, habe ich mir gesagt, kann es etwas komfortabler sein. Ich bin dann zu Decathlon in Bad Kreuznach geradelt und habe mir für 110 Euro ein Quechua T3 Ultralight gekauft. Ein Zelt für 3 Personen, das nur 3 Kilo auf die Waage bringt. Gut, in einen heftigen Sturm möchte ich mit dem nicht geraten. Nachteilig ist die Farbe. Graue Regentage werden in einem schwarzen Zelt mit einem schwarzen Innenzelt nicht unbedingt schöner. Die Apsis könnte etwas größer sein, doch wenn ich das Innenzelt vorne aushänge, kann ich sogar im Helinox-Stuhl sitzen.

          Der Helinox Chair one zählt mittlerweile zu meinen drei wichtigsten Ausrüstungsgegenständen auf Radtouren. Eher bleibt die Isomatte zu hause, als dieser Stuhl. Vorher hatte ich Dreibeinhocker. Auf Dauer sind die eine einzige Quälerei. Auf dieser Tour haben einige Leute im Helinox gesessen und alle, wirklich alle, waren hellauf begeistert. Einer hat mir auf der Stelle 100 Euro geboten, ein alter Japaner. Ich wäre ja nur noch wenige Tage unterwegs.

          Das Unna ist ja nicht schlecht, vor allem schön leicht, doch ohne Apsis bei Regen ziemlich unpraktisch. Dass ich bei Schietwetter nur im Zelt liegen kann, hat mich schon immer gestört. Auf Dauer nervt mich das. Dann lieber ein Kilo mehr auf dem Gepäckträger. Ich kenne einen auch nicht mehr jungen Mann, der mit einem Unna unterwegs ist, und zusätzlich ein Tarp mit schleppt.

          Der Verein hat doch das eine oder andere Zelt, das für deine Tour passen könnte. Aber das wäre vielleicht einen separaten Thread wert. Leichtes seniorengerechts Zelt für Radtouren gesucht.
          Zuletzt geändert von Werner Hohn; 17.07.2013, 16:18.
          .

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          • Enja
            Alter Hase
            • 18.08.2006
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            #25
            AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

            Ja, der Helinox-Stuhl. Ohne den verlasse ich auch nicht mehr das Haus. Und selbst wenn ich allein fahre, nehme ich das Nammatj 3 mit. Ein bißchen Komfort muss sein.

            Wir fragen uns inzwischen, ob wir die Helinox-Stühle nicht auch zu Hause benutzen sollten.

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            • lina
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              • 12.07.2008
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              #26
              AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

              Das Unna hat so ein wunderbar geräumiges (und teil-aushängbares) Innenzelt. Aber mehr davon hier (wobei ich bei längeren Reisen auch sehr gerne das Nammatj 3 mitnehme ....)

              Schreib bitte schnell weiter, Werner, der Punkt namens Durch-Frankreich-radeln auf meiner Liste der Reisepläne rückt immer weiter nach oben

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              • hosentreger
                Fuchs
                • 04.04.2003
                • 1406

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                Zitat von lina Beitrag anzeigen
                Das Unna hat so ein wunderbar geräumiges (und teil-aushängbares) Innenzelt. ...
                Mich wundert aber doch sehr, an dieser Stelle noch nicht von Torres dazu gehört zu haben (gell???).
                Aber ich merke schon, dass ich Euch ausrüstungstechnisch sehr nahe bin: Bei meiner Saar-Pfalz-Tour am Wochenende hatte ich den Helinox (zum ersten Mal) auch dabei und neidische Blicke anderer Campingplatznutzer geerntet. Passt man damit bei teilausgehängtem Unna-Innenzelt ggf. unter das Außenzelt (Bin eher der weniger große Ältere...).

                Aber jetzt will ich den Reisebericht mit meinen Ausrüstungsdetails nicht mehr stören - frage Euch ggf. per PN an.
                Trotzdem danke

                hosentreger
                Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

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                • Werner Hohn
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                  • 05.08.2005
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                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                  Zwölfter Tag: Durch die Stadt
                  Crêches-sur-Saône - St Clair du Rhône (Campingplatz)

                  Die rote Linie in der Straßenkarte ist lang. Zuerst Nationalstraße, dann Département-Straße, die allgemein als gemütlich angesehen werden. Michelin macht die Straßen rot sobald es Hauptverkehrswege sind. Die kümmert nicht, ob Département-Straße oder Nationalstraße. Viel Verkehr bekommt eine rote Linie, als wolle die Redaktion von Michelin warnen. Nebenan auf der Autobahn 7 wurde vor 30 Jahren der längste Stau der Welt gemessen. Mehr als 170 Kilometer, ein bis heute ungebrochener Weltrekord. Immer wenn wir mit dem Auto auf Lyon zufahren, fällt mir das ein. Dabei war ich nicht, aber dieser Stau würde sich gut im Lebenslauf machen. Lässig könnte ich abwinken, wenn die Rede auf die Ferienstaus kommt. Kinners … Stau? Ach kommt, ihr habt noch keinen Stau erlebt. Zu spät. Eine neue Chance wird sich seit dem Bau der Umgehungsautobahn nicht bieten. Seitdem fahren Urlauber nur noch selten durch Lyon. Sie wissen nicht, was ihnen entgeht.

                  In Belleville - Hiesiger Berufsverkehr

                  Auf der roten Straße nach Lyon ist bestimmt die Hölle los, und erst in der Stadt, nach Paris die zweitgrößte des Landes. Muss ich da unbedingt hin? Ist es nicht besser einen weiten Bogen um die Stadt in Richtung Bourg-en-Bresse zu schlagen? Die Straßen dort sind auf dem Kartenblatt schnurgerade, somit vermutlich weitesgehend steigungsfrei. Den Großraum um Lyon herum würde ich nicht ganz aus dem Weg gehen können, doch bis zum Mittag könnte es ein gemütlicher Tag werden. Dagegen spricht, dass ich schon tausendmal durch Lyon gefahren bin, und trotzdem war ich noch nie in der Stadt.

                  Mit dem Auto nach Lyon rein, ist keine Kunst. Von oben die Autobahn hinunter in den dreckigen, stinkenden schwarzen Tunnel, dessen himmelstürmender, betonstarrender Eingang wie eine Mischung aus Betonsilo, sozialem Wohnungsbau und Eiger-Nordwand aussieht, mit einem Tunneleingang, der ohne Umschweife in die Lyoner Unterwelt zu führen scheint, hoffen, im Tunnel, in dieser von Abgasen schwarzen Röhre, nicht in einen Stau zu geraten, dann am Tunnelausgang kräftig bremsen, das Tempo-30-Schild steht nicht ohne Grund da, weil man sonst in der Saône landet, beschleunigen, hier schon wieder autobahnähnlich, einen Blick nach links über die Schulter riskieren, meine Frau wird wie immer einwerfen, dass wir endlich mal die Stadt besichtigen müssen, ihr Mann wird zustimmen und dabei das Gaspedal zum Bodenblech treten, an der Gitterbrücke vorbei, unter der die Saône in Rhône fließt, links wird nun die Rhône fließen, wieder werden wir uns wundern und fragen, warum keine Schiffe auf diesem großen Fluss zu sehen sind, rechts, an der Straße neben der Schnellstraße werden wir den gammeligen Häusern wieder keine Beachtung schenken, den unter Bäumen dort abgestellten LKWs, auf deren Planen sich im Herbst das Laub sammelt, auch nicht, zum ersten Mal auf der Fahrt nach Süden wird das Auto über die Rhône rollen, auf Feyzin zu, an den Raffinerien vorbei, wo ein braunes Schild neben der Autobahn steht und die touristische Sehenswürdigkeit Feyzin mit genau diesen Raffinerien anpreist, die spinnen, die Franzosen, wo riesige Öltanks in Reih und Glied stehen, wo endlose Güterzüge aus Tankwaggons stehen, wo wir dann endlich aufatmen werden, weil wir mal wieder ohne Stau durch die Stadt gekommen sind, und zum Schluss, im Süden der Stadt, zeigen Schilder an, dass wir auf der Autoroute du Soleil fahren. Keine Straße trägt einen schöneren Namen. Und ganz zum Schluss, wenn die Lyoner schon wieder von der Autobahn runter sind, werden wir erneut bedauern, ohne Halt durch die Stadt gefahren zu sein. So sind alle unsere Autofahrten durch die Stadt.


                  Lyon - Kathedrale Saint-Jean und Basilika Notre-Dame de Fourvière (oben)

                  Dann auf, mit dem Fahrrad in die Stadt! Kilometer abreißen im Werktagsverkehr. Ich hab's mir schlimmer vorgestellt. Ein völlig ereignisloser Morgen auf der Straße. Keine Fotomotive, kein Anlass Stopps einzulegen. Beim LKW-Händler in Villefranche-sur-Saône, jener, der direkt an der Autobahn mit seiner Vielsprachigkeit Werbung macht, wechsele ich an das andere Ufer der Saône. Ab jetzt wird es lauschig. Bisschen hoch, bisschen runter, ab Neuville-sur-Saône flach auf der Uferstraße nach Lyon.

                  Nach Lyon mit dem Rad reinzufahren ist einfach. Immer am Ufer der Saône entlang ins Zentrum, durchs Zentrum auf der für Fahrräder freigegebenen Busspur. Das läuft. Grüne Welle hinterm Bus. Ich schaue nach rechts, nach links, zwinge mich zum Fotostopp. Die Motive finde ich auf den Hügeln. Was ich sehe, schaut toll aus. Soll ich ein Hotel ..? Das läuft grade so gut. Das ist das Kreuz mit dem Fahrrad. Viel zu oft läuft es gut. Immer der Ausschilderung Confluence hinterher, ums neue Hafenbecken für Sportboote kurven, über die breiten Bürgersteige des neuen Lyons fahren, dabei die Sonne im Süden nicht aus den Augen verlieren, die Umleitung für Radfahrer nicht übersehen, auf dem Bürgersteig, unweit des Tempo-30-Schilds, schon auf der Gitterbrücke unter der die Saône in die Rhône mündet, habe ich schon wieder nichts von der Stadt gesehen. Lyon rückt auf der ewigen Liste der Orte, die unbedingt besucht werden müssen, unter die ersten 10 vor. Lyon kann sich was darauf einbilden. Das hat noch keine Stadt geschafft.


                  Vienne - Saint-Maurice

                  Auf Feyzin mit den endlosen Raffinerien habe ich keine Lust, auch wenn dort die Straße neben der Autobahn ohne die geringste Steigung ist. An der Gitterbrücke den leichten Anstieg hoch, hinten wieder runter, an der ersten Ampel links, der nächsten rechts, das war's. Über Irginy, weiter nach Givors komme ich in der Sonne gewaltig an Schwitzen. Sieh an, es ist nicht weit bis in den Süden. Auf der Karte sah das nach einer Fahrt ohne Höhenmeter entlang der Rhône aus, leider nur auf der Karte. Meine Véloroute du Soleil. Vienne sehe ich vom anderen Ufer. Tausendmal vorbei gefahren und doch noch nie so gesehen. Wieder ein Radweg, der mir unbekannt ist. ViaRhôna steht auf dem Wegweiser und das es bis Valence noch 88 Kilometer sind. Flach übern Deich. Übermütig geworden, fällt der Entschluss, die 88 Kilometer „ropp“ ich noch runter. Denkste! Nach nur 11 Kilometer ist der Radweg verschwunden. Na denn, ab auf den nächsten Campingplatz. In einem engen Seitental werde ich fündig. Vier Meter hohe Hecken trennen die Parzellen. Wie ein Knast. Einen Laden gibt es hier nicht. Es ist still hier. Ein Bach gurgelt. Ein Frau sucht im Sanitärgebäude den Bereich für die Frauen. Sie wird nicht fündig werden. Die Franzosen sehen das locker. Alle zusammen und für die Männer 'ne stille Ecke fürs Urinal. Geschlechtertrennung auf französisch.

                  Von nebenan gibt es eine Einladung zum Tee. Zwei Männer aus Holland sind mit ihren Frauen unterwegs nach Spanien. Die Frauen fahren den Camper, die Männer fahren Rad. Morgens wird ein Tagesziel abgesprochen, welches es zu erreichen gilt. Die Vier machen das jedes Jahr so. Der Jakobsweg, nach Italien und dieses Jahr eben mal nach Spanien. Das mit der ViaRhôna soll ich mir aus dem Kopf schlagen. Stückwerk. Mal ist sie da, dann wieder nicht. Auch gut. Bin ich nun endlich im Süden angekommen? Die Holländer meinen ja, der Wetterbericht für den kommenden Tag würde vielversprechend aussehen. Sommerwetter. Ich kenne den Wetterbericht für den Tag nach dem Sommerwetter.
                  Zuletzt geändert von Werner Hohn; 28.12.2015, 16:52. Grund: Die finale Korrekturrunde?
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                  • Enja
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                    #29
                    AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                    Aha. Das berühmte "Begleitfahrzeug". Das gibt Punktabzug beim Pilgercasting.

                    Solche Kombis haben wir auch öfter getroffen. Allerdings weniger mit niederländischen Kennzeichen.

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                    • Werner Hohn
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                      #30
                      AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                      Die nehmen das locker. Holländer halt, und wenn es ums Pilgern geht, bin ich Holländer. Hauptsache alles zu Fuß, respektive alles getreten.

                      So, ich bin dann mal weg - Fehler rausschmeißen.
                      .

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                      • Enja
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                        #31
                        AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                        Die Niederländer, die wir trafen, waren durchwegs als Paare unterwegs. Während die deutschen Gruppierungen Männer-Ausflüge waren. Aus deren Richtungen stets schiefe Blicke in meine Richtung kamen. Da Niederländer dann auch noch, wie wir, gerne zelten, waren wir stets mit ihnen unterwegs.

                        Die deutschen Radler, die ihre Frauen dabei hatten, nutzten sie als Chauffeurinnen der Begleitfahrzeuge. Das waren aber auch eher wenige.

                        Persönlich hätte ich nichts gegen ein Begleitfahrzeug gehabt. Solange ich es nicht fahren muss. Auf der anderen Seite mag ich das Gefühl, alles im Gepäck zu haben, was ich unterwegs brauche. Also für mich wohl eher doch keine Reiseform.

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                        • lina
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                          #32
                          AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                          Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                          Auf der anderen Seite mag ich das Gefühl, alles im Gepäck zu haben, was ich unterwegs brauche.
                          Das finde ich auch immer wieder faszinierend: So ein kleiner Stapel Gepäck und darin alle Improvisationsgrundlagen, die man braucht. Morgens muss man nur aufsteigen und weiterfahren, man ist für die überwiegende Anzahl an Eventualitäten gerüstet und kann dort alles auspacken, wo man bleiben mag, auch mal spontan. Ein Begleitfahrzeug würde da nur stören.

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                          • Enja
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                            #33
                            AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                            Auch, wenn dein über alles geliebter Schatz ihn steuern würde? Der alle haushaltlichen Erfordernisse für dich übernimmt?

                            Nun gut. Meine Vorstellungen von Partnerschaft sind da irgendwie anders. Ich reise entweder allein oder in Gesellschaft. Aber nicht beides gleichzeitig. Aber vielleicht kommen wir da noch hin, wenn einer von uns beiden "nicht mehr kann". Dann kriegen wir das auch irgendwie hin.

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                            • lina
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                              #34
                              AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                              Ich sehe da jetzt keinen Widerspruch?

                              Wer weiß was Leute dazu bewegt, mit einem Begleitfahrzeug zu fahren. Ist dann eben eine andere Sorte Urlaub, eher mit Tagesausflugscharakter. Diese ganz besondere Stimmung, dieses Einfach-unterwegs-Sein mit den zahlreichen spontanen Möglichkeiten fällt damit weg. Was ich schade fände.

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                              • Werner Hohn
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                                Für die beiden Pärchen aus Holland war das einfach nur eine praktische Lösung für beide Seiten:

                                - die Männer können mit dem Rad auf Tour, ohne dass es Stress mit dem Frauen gibt
                                - die Frauen haben ebenfalls Urlaub und sehen was von der Welt, anstatt im schönen Holland auf ihre Kerle zu warten

                                Meins wäre es auch nicht unbedingt, doch wenn sich so Probleme lösen lassen, Gott, es gibt Schlimmeres im Leben.

                                Die Holländer waren übrigens nicht auf dem Weg nach Santiago, dass war Jahre vorher ihr Ziel, sondern an die Costa Blanca.
                                .

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                                • cane

                                  Alter Hase
                                  • 21.10.2011
                                  • 4401
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                                  Interessanter Bericht, auch wenn die egomanischen Kommentierungen von alles und jedem Nerven, auch wenn sie authentisch erscheinen

                                  Gute Reise!

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                                  • hosentreger
                                    Fuchs
                                    • 04.04.2003
                                    • 1406

                                    • Meine Reisen

                                    #37
                                    AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                                    Zitat von cane Beitrag anzeigen
                                    Interessanter Bericht, auch wenn die egomanischen Kommentierungen von alles und jedem Nerven, auch wenn sie authentisch erscheinen

                                    Gute Reise!

                                    Ich will ja nicht polemisieren, aber ob der Begriff "egomanisch" hier wirklich angebracht ist, schein mir mehr als zweifelhaft. Und das wird durch den zwinkernden Smiley auch nicht unbedingt besser. Ich finde den Begriff hier unpassend! Und wenn Dich etwas so gewaltig nervt, kannst Du ja immert noch die Ignor-Liste benutzen.

                                    Wikipedia sagt zu Egomanie "krankhafte Selbstbezogenheit oder Selbstzentriertheit" als psychopathologische Störung....

                                    Für mich ist es ein interessanter Reisebericht, der gerade durch die persönlichen Kommentierungen lebt - wie in sehr vielen Reiseberichten hier. Hoffentlich ändert der Autor nicht den Schreibstil!

                                    hosentreger

                                    edit: geringfügig geändert...
                                    Zuletzt geändert von hosentreger; 22.07.2013, 07:55.
                                    Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

                                    Kommentar


                                    • ronaldo
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                                      Moderator
                                      Liebt das Forum
                                      • 24.01.2011
                                      • 12922
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #38
                                      AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                                      Hi,

                                      tolle Beschreibung von Lyon - doch, genau so wirkt die Stadt! Wenn man sich dann mal zwo Tage Zeit nimmt, lernt man durchaus auch die netten Seiten kennen...

                                      Zum "begleiteten Reisen": Klar, jeder wie sie/er es mag. Mir würde dabei allerdings das Spontane fehlen, das ist doch das Salz in der Reisesuppe (--> vgl. Linas Kommentar).

                                      Gruß, Ronald

                                      Kommentar


                                      • cane

                                        Alter Hase
                                        • 21.10.2011
                                        • 4401
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #39
                                        AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                                        Zitat von hosentreger Beitrag anzeigen
                                        Wikipedia sagt zu Egomanie "krankhafte Selbstbezogenheit oder Selbstzentriertheit" als psychopathologische Störung....
                                        Ich glaube der Autor kann mit meiner gezwinkerten Kritik ganz locker leben und weiß wie es gemeint ist

                                        mfg
                                        cane

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                                        • Werner Hohn
                                          Freak
                                          Liebt das Forum
                                          • 05.08.2005
                                          • 10872
                                          • Privat

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                                          #40
                                          AW: [DE] [FR] [ES ][CH] Mit dem Fahrrad vom Rhein an die Costa Brava und zurück

                                          Dreizehnter Tag: Shopping
                                          St-Clair-du-Rhône - Tain-l'Hermitage (Campingplatz)

                                          Rhône bei Serrières

                                          Der Tag fängt mit einer Einkaufsliste an. Den fahrenden Bäcker habe ich auf dem Campingplatz eben noch so erwischt. Mit dem Brot alleine komme ich heute nicht weit. Der erste Posten auf der Liste ist Geld, gefolgt von einem Kaffee, eine Straßenkarte brauche ich, eine neue Luftpumpe und irgendwas für aufs Brot. Trocken runterwürgen, muss in der Heimat der Sterneküche nicht sein.

                                          Geld gibt es in Le Péage-de-Roussillon, die Tasse Kaffee ebenfalls. Supermärkte gibt es an der N 7 ganz große. Wenn ich das Wetter zum Maßstab nehme, habe ich mich in der vergangenen Woche oft gefragt, wo denn endlich der Süden anfängt. Beim Gang durch die Gemüse- und Fischabteilungen der Supermärkte hier, bin ich im Süden. Frischfisch auf Eis in langen Kühltheken, davor Frauen und Männer, die Fische im Einkaufswagen verstauen, bei denen unsereins vor dem Verzehr zuerst googeln muss, was sich daraus zubereiten lässt. Auch die Gemüseabteilungen sind größer als der komplette heimische Edeka. In den Käsetheken sind Sorten zu finden, für die ich daheim bis Köln fahren muss. Allerdings ist so mancher kleine Käse hier so teuer, als ob die Fahrkarte der SNCF nach Köln inbegriffen wäre.


                                          Andancette

                                          Mir fehlt die Seite 138 aus meinem alten Michelin-Atlas. Bei DIN A3 ist das eine ganze Menge Strecke. Benötigt wird die Michelin 523 Rhône-Alpes. Karten gibt es in jedem Zeitungsladen. Seit Jahren predige ich das allen. Die Besitzer der Zeitungs- und Tabakläden in Le Péage-de-Roussillon scheinen von meiner Predigt noch kein Wort gehört zu haben. Weiter zum Supermarkt am Stadtrand. Auch hier Fehlanzeige. Was predige ich eigentlich immer? Der Casino Supermarché hier hat Bücher, jedoch keine Landkarten. Merde! Fündig werde ich im Zeitungsladen nebenan. Die 523 ist wie üblich eine 3-m²-Karte. Benötigt wird nur das Stück von hier bis Montelimar. Die beiden Männer am Aschenbecher neben der Automatiktür staunen nicht schlecht, als ich mit dem Messer die Karte passend schneide, immerhin stilecht mit einem Opinel. Einen halben Quadratmeter brauche ich, der Rest wandert in den Mülleimer. Da staunen sie noch mehr.

                                          Es fehlt noch eine vernünftige und leichte Luftpumpe. Das Ding in der Packtasche ist nur für den Notfall gedacht. Tankstellen gibt es schließlich überall. Die letzte Tankstelle, die genug Luft hatte, war eine in Remich. Das war keine Kunst, denn an der luxemburger Grenze reiht sich Tankstelle an Tankstelle. Seitdem bin ich auf der Suche nach einer Tankstelle, die genug Luft für mein Rad hat. Der letzte Versuch fand an der Esso in Dole statt. Piep-Piep-Piep-Piep. Fünf Komma fünf Bar zeigte das Display an. Super. Einen Euro hatte ich in den Schlitz gesteckt. Unter der Säule sprang der Kompressor an. Während der ratterte, studierte ich die Instruktionen. Nach meiner freien Interpretation blieben mir 5 Minuten, sobald der Kompressor aufhörte zu rattern. Das dauerte und dauerte. Dann war es still. Schlauch aufs Ventil – nix. Okay, vermutlich blieben mir insgesamt 5 Minuten, schlussfolgerte ich unter dem ausladenden Dach der feierabendlich verwaisten Tankstelle. Erneut verschwand ein Euro im Schlitz der roten Kompressorsäule. Druck wird jetzt wohl da sein. Unter der Säule sprang der Kompressor an. Warum? Hatte der eben 5 Minuten für nichts gerattert? Während der erneut ratterte, studierte ich diesmal nicht die Instruktionen, sondern sah auf die Uhr. Nach 4 Minuten ratterte der Kompressor immer noch. Egal. Schlauch aufs Ventil. Hurra, hurra, es rauscht, es rauscht! Leider in die falsche Richtung, was mir ziemlich spät aufgefallen ist. Mit ziemlich plattem Vorderrad hatte ich das Fahrrad zum Campingplatz geschoben. Mir war eine holländische Gruppe mit Rennrädern aufgefallen, die vor einem der Bungalows ihre Räder säuberlich ausgerichtet stehen hatten. Kein Problem, wie viel soll es denn sein, sprach einer und öffnete die Transportertür. Sieh an, ein Kompressor. In einer Werkzeugkiste fand sich dann auch noch der passende Adapter. Seitdem bin ich ohne Luft. Und weil ich nicht an jeder Ecke Holländer mit Kompressor erwarten kann, muss eine anständige Pumpe her.


                                          Tournon-sur-Rhône

                                          Einen Fahrradladen oder Decathlon brauche ich. Im Stillen hoffe ich, Decathlon vor einem Radladen zu finden. 'ne Pumpe aus'em Radladen würde ein sehr gutes Menu du jour weniger bedeuten. Die N-7 runter nach Süden. Ausschau halten nach der Decathlon Werbung, die immer und überall unübersehbar an den Hauswänden prangt. Nix. Wenn man mal einen von denen braucht. Beinahe wäre ich vorbeigefahren, an "einen von denen". Neben dem Kreisel in Salaise-sur-Sanne steht ein funkelnagelneuer Decathlon. Der ist so neu, dass die noch nicht mal Zeit hatten, die Zeltausstellung draußen auf den Parkplatz zu nageln. Der ist sogar so neu, dass die Regale noch nicht komplett eingeräumt sind.

                                          Jetzt tut sich ein winziges Sprachproblem auf. Ich brauch eine Pumpe, die mindestens 8 Bar schafft, ohne das sich die Kalkschulter meldet. Die Probleme des Alters. Kein Problem, deute ich die Aussage des überaus freundlichen jungen Mannes. Der drückt mir eine Pumpe fürs Rennrad, die bekanntlich keine Autoventile haben, in die Hand. Ob man die umbauen kann? Die Piktogramme bleiben bei dieser Frage stumm. Der Mann vor mir auch. Was heißt „Autoventil“? Soll ich den Herrn Schrader und sein Ventil ins Spiel bringen? Soll ich das Wörterbuch raus kramen? Wir einigen uns auf einen Gang vor die Ladentür. Junge, ist das heiß geworden. Erbarmungslos brennt die Sonne auf den Sattel. Schrader, kommt es undeutlich von unten. Sieh an, den Herrn hätte ich doch ins Spiel bringen sollen. Das Problem ist gelöst. Im Laden drückt er mir eine Pumpe in die Hand die maximal 6 Bar schafft. Die will ich nicht. Ich will mehr, in der Hoffnung mich nicht quälen zu müssen. Das noch verdammt leere Regal gibt nicht viel her. Kein Problem, deute ich die Ausführungen des junge Mannes, der anfängt in den umstehenden Kartons zu suchen. Sieh an, er reckt eine chromblitzende Pumpe ich die Höh'. Sein Zeigefinger klopft auf einen runden schwarzen Punkt. 8 Bar kann ich lesen. Fein, passt die denn auch? Die Kunst der Verständigung hat in der vergangenen halben Stunde gewaltige Fortschritte gemacht. Wir sind wie ein altes Ehepaar. Ohne viele Worte weiß jeder, was der andere will. Schon baut er die Pumpe um. Dann klemmt er sich eine anständige Fußpumpe unter den Arm, und pumpt mir die Reifen auf. Das Jammern mit der Schulter scheint er verstanden zu haben. Wenn es um sowas geht, also ums Jammern, sind Männer schon immer grenzüberschreitend gut gewesen. Erfreulich ist der Preis. Das Tagesmenü kann üppig ausfallen.

                                          Tain-l'Hermitage - Passerelle Marc Seguin

                                          Aus dem Morgen ist Mittag geworden, als ich endlich wieder auf der Straße bin. Mein Drang zur Nationalstraße wird nach wenigen Metern gebremst. Für Fahrräder verboten. War da nicht ein Wegweiser zur ViaRhôna, irgendwo zwischen Supermarkt und Decathlon? Ja, stimmt. Eine Stunde später rolle ich auf der D 86, und lege angesichts des Schilds vor mir Vollbremsung hin, so überrascht bin ich.

                                          Dass ich jede Menge Zeit habe, war mir klar, jedoch das hier, damit habe ich nicht gerechnet. BIS Montpellier 203 steht auf dem gelben Schild am Rand der D 86. Mit den BIS-Wegweisern schildern die Franzosen schnelle Überlandrouten unter Vermeidung kostenpflichtiger Autobahnen aus. Im Zweifel geradeaus, bis zum nächsten gelben BIS-Schild. In vier, allerhöchstens fünf Tagen könnte ich an der Costa Brava sein. Und dann? Weiter nach Südspanien und mit dem Zug wieder zurück an die Costa Brava? Eine große Runde durchs spanische Hinterland oder durchs französische? Oder kürzer treten? Die Ardèche wollte ich vielleicht noch hoch, sofern das Wetter mitspielt. Bis zu deren Mündung in die Rhône ist es noch ein gutes Stück. Heute ist Sommer, morgen nur noch bis zum Mittag. Danach gibt es Regen und für die Höhenlagen ist Schneefall angekündigt.

                                          Als ich am Gemeindecampingplatz von Tain-l'Hermitage vorbei fahre, fällt spontan der Entschluss zu bleiben. Tain und Tournon-sur-Rhône am anderen Ufer sehen aus, als könne man hier anderthalb Tage verbringen. Das mit dem Regen wird sich sowieso nicht vermeiden lassen, doch übermorgen wird der Wind auf Nord drehen. Aus dem Gegenwind wird Schiebewind werden.

                                          Vierzehnter Tag: Müßiggang
                                          Pausentag in Tain-l'Hermitage

                                          Tain und Tournon geben nicht so viel her wie erwartet. Die Hauptstraße rauf, die Hauptstraße runter. Über die Passerelle Marc Seguin an das andere Ufer. Auch hier: die Straße rauf, die Straße runter. Gestern waren die Straßen und Cafés in Tournon voll mit Menschen. Heute ist alles leer. Der Anleger für Kreuzfahrtschiffe, an dem am Vortag ein weißes Schiff festgemacht hatte, ist verwaist. Die Kellner stehen beschäftigungslos herum, in den Souvenirläden sitzen Frauen hinter der Kasse und lesen Zeitung, andere halten auf der Straße ein Schwätzchen mit dem ebenfalls auf Kunden wartenden Nachbarn. In Tain sieht es nicht besser aus.

                                          Tain-l'Hermitage - Chappele de Larnage

                                          Nur beim Schokoladenhersteller Valrhona an der Hauptstraße ist Betrieb. Angesichts der Preise gehen mir die Augen über. Der Holländerin neben mir auch. In der Hand hält sie vier kleine durchsichtige Tüten mit winzigen Mengen Schokolade. Man sieht, dass sie im Kopf die Zwischensumme zieht. Eine Tüte wandert zurück ins Regal, nach kurzem Zögern noch eine. Ich halte mich an die kostenlose Probestücke, die es hier für jedes Produkt gibt. Was soll ich sagen? Als eingefleischter Nutella-aus-dem-Glas-Löffler ist man nicht objektiv. Ich würde sagen, auch meine nächste Tafel Schokolade wird wie immer nur den Bruchteil der billigsten 100-Gramm-Tafel von Valrhona kosten. Banause bleibt Banause.

                                          Auf der Uferpromenade passe ich einen Mann ab, den ich vor einem Tag überholt habe. Rucksack auf dem Buckel, Einkaufstüte in der Hand, so ist der mir schon beim Überholen aufgefallen. Einer aus Süddeutschland auf dem Weg nach Barcelona. Er wandert nicht, er geht nach Spanien. Er folgt den Radwegen und den Straßen. Angefangen hat er in Mulhouse, im Anschluss der Radklassiker: Doubs, Saône und nun Rhône. Er wird noch einen Schlenker durch die Cevennen machen. Südfrankreich wird mörderisch heiß werden. Wann er in Barcelona ankommt, sei nicht so wichtig. Auf der Stelle könnte ich mitgehen.

                                          Wie angekündigt setzt am Mittag der Regen ein. In Rekordzeit wird es kälter. Fleecejacke an, Regenjacke an. Beim Regenguss rein ins Zelt, bei der Regenpause raus aus dem Zelt. Der Wind hat noch nicht nachgelassen. Und er kommt noch immer nicht aus dem Norden, doch er hat auf Nordwest gedreht. Daher kommt die Kälte, die holt er sich auf den Weiten des Atlantiks. Der Himmel ist grau. Achtundvierzig Stunden war Sommer. Auf der grauen Rhône rauscht ein Frachter zu Tal. Die Rhône führt mächtig Wasser, fließt schnell. Gespannt, ob und wie der Mann im Ruderhaus die Kurve kriegt, schaue ich dem Schiff hinterher. Sogar aus einiger Entfernung ist zu sehen, wie Backbord am Bug weißes Wasser schäumt. Ohne Bugstrahlruder wäre es knapp geworden. Scheiß Wind. Scheiß Hochwasser. Scheiß Regen. Scheiß Kälte. Abends bin ich froh, das Abend ist. Regentage im Zelt, im Süden, sind nix.

                                          Fünfzehnter Tag: Wo der Süden anfängt
                                          Tain-l'Hermitage – Bollène (Hotel)

                                          Losfahren macht keinen Spaß. Grau, grau und nochmals grau. Mittags, sagt zum Abschied der städtische Mitarbeiter, der heute auf dem Campingplatz Dienst schiebt, wird das Wetter besser werden. Ein schwacher Trost. Aber immerhin. Der Radweg ist butterweich. Der nächtliche Dauerregen hat den Belag aufgeweicht. Schwer zu fahren. Als fahre man ohne Unterlass eine leichte Steigung hoch. Neidische Blicke zum blanken Asphalt der Straße nebenan. Ich komme nicht hin, weil der Radweg über den Damm zwischen Rhône und Kanal verläuft. Den Absprung habe ich verpasst. Irgendwas mit Naturschutz soll hier sein. Mir ist das an diesem Morgen egal. Ich will Asphalt! Auf der Straße nebenan rauscht ein Auto, eine lange, hoch aufwirbelnde Gischtfahne nach sich ziehend, vorbei. Was wäre das schön.

                                          Vor Valence

                                          Wie versprochen kommt der Wind aus dem Norden. Er schiebt. Valence, wie wird die Fahrt durch die Stadt werden? Mit dem Berufsverkehr treffe ich in der Stadt ein. Den Radweg habe ich verloren. Zugegeben, gesucht habe ich nicht, als keine Schilder mehr auftauchten. Morgens fahre ich gerne mit dem Berufsverkehr in Städte. Es muss nur richtig viel sein, so dass der nicht ans Rollen kommt. So wie an diesem Morgen in Valence. Zweispurig steht der Verkehr an der ersten Ampel und setzt sich nur schleichend in Bewegung als die Ampel auf Grün umspringt. Durchschlängeln zwischen den Autos, aufpassen bei den Lastwagen, wenn diese anfahren. Zehn Meter, dann stehen alle wieder. Vorbeifahren am rechten Rand. Rechts, zwei Meter neben mir rauscht die Autobahn. Der Wind weht das dort aufgewirbelte Wasser zu mir rüber. Die Richtung beizubehalten ist einfach. Immer an der Mauer der Autobahn entlang, immer auf der mehrspurigen Straße direkt daneben. Ehe ich mich versehe, bin ich durch die Stadt durch, ohne einen Meter durch sie hindurch gefahren zu sein. Valence an der Rhône liegt nicht am Fluss, habe ich mir bei der Vorbeifahrt auf der Autobahn immer gesagt. Valence liegt an der Autobahn. An diesem Tag liegt Valence an der Nationalstraße 7 und der Autobahn.


                                          In Charmes

                                          Mal eben im Süden der Stadt, schon wird der Regen stärker. Hinüber ans rechte Ufer der Rhône. Wer weiß, ob die N 7 durchgängig für Radfahrer frei ist. Keine Experimente bei diesem Wetter. Die D 86 ist alles andere als flach. Wasser steht auf der Fahrbahn. Seit Stunden fahre ich nun im Regen. Die Kamera ist nass geworden. Vergessen hängt sie stundenlang am Oberrohr. Als ich sie brauche, ist es zu spät. Fotos sind Glückssache. Im Futter der Zustiegschuhe sammelt sich das Wasser. Die Füße, die Füße! Ach, nicht weiter drüber nachdenken. Längst müssten sie gefühllos sein, so lange tun sie schon weh. Die Kette läuft trocken. So sehr die Füße auch schmerzen, die Sohlen bekommen mit, dass die Kette Öl vertragen könnte. Leichtes Vibrieren in den Füßen, wenn die Kette auf einem der beiden ausgelutschten Ritzel läuft, die immer ran müssen. Es sind die Ritzel für das Flachland.

                                          Es ist kein schönes Land, keine schöne Strecke, kein schönes Fahren. Keine gute Bewertung. Das Wetter wird das seinige dazu beitragen, doch, da bin ich mir sicher, bei Sonnenschein würde das Urteil nicht besser ausfallen. Oben auf der Autobahn kommt man auch nicht zu einem anderen Urteil. Einzig der Blick ist ein anderer. Von dort tun sich Blicke ins weite Tal nach Westen auf, werden gefesselt vom Kernkraftwerk Cruas mit den vier Kühltürmen und vier bescheidenen Windrädern. Auf den Beton des nördlichsten Kühlturms hat man ein spielendes Kind gemalt. Das sieht man sogar von der Autobahn

                                          Auch von unten, von der Landstraße, wird das große Kernkraftwerk nicht schön, aber kleiner, denn die Ausmaße sind nicht zu überblicken. Die Naben der Rotorblätter sind an diesem Morgen nach Norden gerichtet. Das ist schön, denn sonst hätte ich Gegenwind. An der Kurve vor dem Kernkraftwerk kommt mir auf Fahrrädern ein Ehepaar aus Dänemark entgegen. Er hat auf der Lenkertasche ein an diesem Tag nutzloses kleines Solarpanel. Sie sind auf dem Weg von Gibraltar nach Dänemark. Das Wetter setzt beiden zu. Sie sind schon nach Griechenland gefahren, von Sizilien hoch in die Heimat, aber so kaltes, stürmisches und regnerisches Wetter hatten sie noch nie. Ihr Budget für Hotelübernachtungen ist weit überzogen. Die langfristige Vorhersage ist nicht so, dass die Reisekasse geschont werden kann. Es soll noch kälter werden. Unser aller Leben dreht sich nur noch um die Wettervorhersage.

                                          Montélimar im Vorbeifahren

                                          An Montélimar vorbei. Leider wieder auf einem kurzen Stück der ViaRhôna. Nichts gesehen, außer Deiche, Seerosen in Tümpeln und grüne Wiesen. Dafür glatter Asphalt, Schiebewind und die Sonne meldet sich auch wieder. Seit dem letzten Kernkraftwerk in Cruas, mal eben zwei Stunden unterwegs, schon wieder ein Kraftwerk. Das hier fällt weniger auf. Weniger Kühltürme. Die Atomanlage Tricastin in Pierrelatte ist der französische All Inclusive-Schuppen fürs Atomare. Vier Reaktoren. Etwas Wärme für die wenigen Haushalte rundum, ein bisschen Strom fürs Land, Wärme für die große Krokodilfarm nebenan, Forschung für Atomwaffen. Die vier Kühltürme rauchen für die Urananreicherung. Traumtänzerinnen, die den Franzosen Ökostrom schmackhaft machen wollen, sollten sich ein Fahrrad kaufen und die Flüsse runter fahren.

                                          Wohin heute? Kräftiger Rückenwind bringt für Momente Avignon ins Spiel, noch sechzig, siebzig Kilometer weit weg. Nein, es geht dorthin wo der Süden anfängt. Früher hatte der Süden für uns in Lyon angefangen. Je öfter es weit, weit außerhalb der Sommersaison in den Süden ging, umso weiter rutschte der Süden nach Süden, nach Valence, dann nach Montélimar. Überall gab esauf der Vorbeifahrt kalte Frühlingstage und nasse Herbsttage, sogar Schnee im Frühjahr. Der Süden rückte jedesmal ein gutes Stück weiter Richtung Mittelmeer, bis nach Bollène.

                                          Das letzte Bollwerk gegen das Schmuddelwetter aus dem Norden, war und ist immer noch die Firma Gerflor. Gerflor stellt Bodenbeläge her, vielleicht beheizbare, woher soll man das wissen, wenn man im Auto vorbeifährt. Unsereins ist ja schon froh wenn er weiß, dass es das weiß, also dass die Teppiche und Linoleum machen. Wie die Geschäfte der Firma zurzeit laufen weiß ich nicht. Es könnte sein, dass es etwas hängt, denn der Anfang vom Süden hat Macken. Für uns fängt der Süden an der weithin sichtbaren Datum- und Temperaturanzeige der Firma Gerflor an. Für andere ebenso, weiß ich. Draufschauen tut jeder. Die blauen Neonziffern leuchten des nachts weit nach Norden und nach Süden. Vom Norden kommend, auf dem Weg in den Urlaub, hält man gebannt Ausschau danach. Wie warm wird es sein? Vom Süden kommend, auf dem Heimweg, möchte man besonders im Herbst beim Blick auf die Temperaturangabe nicht ans Thermometer auf dem Balkon in der kalten Heimat denken. Das Datum hängt schon lange. Mal fehlt eine komplette Ziffer, dann fehlt sie ganz, dann wieder nur einige Striche. Solange die Temperaturangabe noch leuchtet, soll mir das egal sein. Trotzdem: kauft Bodenbeläge von Gerflor, damit sie Geld für die fällige Reparatur haben, für die Leuchtziffern neben der Autobahn in Saint-Paul-Trois-Châteaux. Von da ist es nicht mehr weit bis an das Mittelmeer. 14,5 Grad zeigen die Leuchtziffern an diesem Nachmittag an. Es ist Mitte Mai. Luftlinie bis zu den Stränden des Mittelmeers, na, großzügig geschätzt, 100 Kilometer.

                                          Bollène wird es für diesen Tag. Durchrauschen bis Avignon wäre ein Verbrechen an der Papst-Stadt. Am Abend ankommen, am nächsten Morgen weiter. Darauf würde es hinauslaufen. Außerdem muss ich mal wieder zu Decathlon. Diesmal brauche ich Fahrrad-Überschuhe. Meine Füße sind immer noch kalt. Im Schaumstoff der Zustiegschuhe staut sich noch das Regenwasser vom Morgen. Die Schuhe werden über Nacht nicht trocken werden. Überschuhe sind ausverkauft, wie alle Regensachen. Fahrradhandschuhe sind auch Mangelware. Übergrößen an Hosen und Jacken und Ponchos haben sie noch. Mit billigen wasserdichten Wanderschuhen der Hausmarke verlasse ich das Haus.


                                          Viviers

                                          Nach dem nassen Vormittag darf das Hotel ein Stückchen besser werden. Campanile hat aufgerüstet, sowohl im Design, wie im Preis. Stechendgrün-Weiß-Braun lehnen sich deren Zimmer nun ans Modische an. Das ist mir egal, genau wie das überteuerte Frühstück, das ich genommen habe. Morgen Früh die Füße unter dem Tisch ausstrecken, um mit aller Zeit der Welt den Tag zu beginnen, wie soll ich das verrechnen. Das Rad darf auf das Zimmer, und dass die neue gläserne Design-Dusche ein auf zwei Meter misst, das ist wichtig. Platz für das Zelt. Über blendend weiße Fliesen, Kacheln, Bad- und Waschmöbel krabbeln innerhalb Minuten die Reste eines Ameisenvolkes. Ein Schnecke finde ich später auch noch.

                                          Eine nette ältere Dame wird entscheiden, ob ich nach Avignon oder die Ardèche hoch fahre. Das Wetter ist wichtig geworden in Frankreich. Nicht so wichtig wie bei uns, wo ohne die Erlaubnis von Plöger, Niedeck und Konsorten keiner mehr vor die Tür geht, doch die Franzosen holen auf. Schon ankündigt in der Hauptnachrichtensendung von TF1 am Abend, erscheint die Dame um Viertel vor neun. Leicht verlegen, als würde das wirklich miserable Wetter der vergangenen Wochen auf ihre Kappe gehen, hat sie keine erfreulichen Nachrichten. Das Wetter wird nicht besser werden, eher schlechter. Der Nordwind wird sich zum Mistral auswachsen. Regen wird es geben, Schnee wird es geben, dunkle Wolken wird es geben. Noch ein halbwegs schöner Tag mit Sonne soll folgen. Für den Tag danach hat sie vorsorglich schon eine Sturmwarnung parat. Als sie zum Ende ihrer nicht eben berauschenden Vorhersage kommt, knickt sie leicht in den Knien ein, hebt ihre schmalen Schultern, dreht die Arme mit den Handflächen nach außen, neigt den Kopf leicht und lächelt, kaum dass der Zuschauer es registriert, als tue sie Buße.

                                          Sechzehnter Tag: Wo Benedikt XVI. nie Urlaub machen wird
                                          Bollène – Avignon

                                          Orange - Stadtgründungsbogen

                                          Du schaust morgens aus dem Fenster und siehst blauen Himmel, sitzt beim Frühstück und siehst den Menschen hinterher, die hektisch ins Auto steigen, die keine Zeit fürs Frühstück haben. Vielleicht haben sie sich auch nur gesagt, dass ihnen das Gebotene nicht den geforderten Zuschlag auf den Zimmerpreis wert ist. Draußen vor dem Fenster steht dein Rad fertig bepackt. Nicht zum ersten Mal überschlägst du wie weit es bis Avignon ist und wie viele Stunden du bis in die Stadt brauchen wirst. Weil die Rechnung klein ausfällt, ganz im Gegensatz zu „Zimmer mit Frühstück“, drehst du die nächste Runde um das Frühstücksbuffet, bleibst vor der Kaffeemaschine stehen und siehst dem dampfenden Kaffee zu wie er in die weiße Tasse läuft. So hatte ich mir das gestern Abend ausgemalt. Genau so ist es gekommen. Das Frühstück ist auch bei Campanile nicht sein Geld wert, das Gefühl mit jeder Menge Zeitpolster am Frühstückstisch zu sitzen schon.

                                          Wohin denn nun? Avignon, Ardèche oder der Pont du Gard? Sollte die Ardèche noch im Spiel gewesen sein, ist sie raus mit dem Wetterbericht, der lautlos links an der Wand läuft. Kein Wetter für Fahrten durch Flusstäler, hinauf auf die Höhen, Vielleicht Avignon und der Pont du Gard? Zwei Ziele, die man gesehen haben muss. Muss man? Ehrlich? Ehrlich! Ja denn. Nein, muss man nicht. Am ollen Viadukt aus römischen Zeiten bin ich unzählige Male vorbei gefahren ohne es gesehen zu haben, ohne dass sich meine kulturbeflissene Abteilung gemeldet hat. Pont du Gard steht seit Jahren neben der Autoroute 9. Das hat nie gezogen. La Languedocienne steht auf schmalen blauen Schildern am Rand der Autobahn. Das hat immer gezogen. Warum haben unsere Autobahnen keine Namen, noch nicht mal prosaische? Sogar die einst so oft genannte Köln-Frankfurter-Bahn ist zur A3 geschrumpft.


                                          Weingut bei Châteauneuf-du-Pape

                                          „Brücke“ und Stadt an einem Tag, ist eindeutig zu viel Programm. Avignon soll es werden. Mir ist eingefallen, dass ich zu den glücklichen Menschen gehöre, die, sofern sie im Wirkungsbereich der Katholischen Kirche leben und von ihr geprägt wurden, dank Gregor XIII. nicht nur eine Jahrtausendwende erleben durften, sondern nach Jahrhunderten mal wieder mit zwei amtierenden Päpsten leben. Avignon auszulassen wäre somit unverzeihlich. Auf Jahrhunderte hinaus wird sich diese Chance nicht mehr bieten. Würde Benedikt XVI., unser Wir-Sind-Papst, Urlaub in der Stadt der Gegenpäpste machen? Nein, natürlich nicht. Eher geht der Teufel im Kölner Dom ans Taufbecken. Was wäre das für ein Fressen in unserer total beknackten Medienwelt. Schwarze Druckerfarbe würde kurzfristig unbezahlbar. Was für Schlagzeilen. „Papst Benedikt XVI. macht Urlaub in der Stadt der Gegenpäpste!“. Die Vereinigungen der Internationalen Ich-habe-keine-Ahnung-aber-reiß-das-Maul-auf-Kaffeesatzleser würden sich in den Fernsehstudios die Stühle streitig machen. Das würden sogar die Vettel-Anbeter, Fußballtabellenrunterbeter, Facebookprofilpfleger, Discounterweinschlurzer, ja, vielleicht sogar die BohlenundKlumanbeterinnen mitbekommen. Lebt Peter Scholl-Latour noch?

                                          Der Morgen ist einfach schön. Endlich fahre ich Fahrrad im Süden. Da stört es nicht, dass mich ein holländisches Wohnmobil in Orange auf den Radweg drängt. Versehen? Absicht? Idiot? Idiot, sage ich mal. Ohne Halt durch die Stadt, fast am Ortsrand ein Schild: Châteauneuf-du-Pape. Diesen Ort kenne sogar ich. Wein en gros, en detail, sprich im 5-Liter-Karton und der Flasche. Aber gut, dass im Hotel Prospekte auslagen. Immerhin weiß ich seit wenigen Stunden, dass in Châteauneuf-du-Pape die Sommerresidenz der Päpste aus Avignon stand. 'ne Ruine. Nicht sehenswert, beschließe ich schon vorab.


                                          Avignon

                                          Abbiegen ohne große Überlegungen. Zu dem Dorf muss ich. Nach dem ersten Anstieg, getrieben von einem LKW, der nicht überholen kann, bin ich tatsächlich in einer anderen Region. Wellige Weinberge soweit ich sehen kann. Darf man Plantagen schreiben, oder springen dann die Kenner im Dreieck? Vereinzelt stehende Bäume. Weit auseinander die Weingüter. Nur die Schilder, die zu Weinprobe und Direktverkauf einladen, sind kolossal störend. Im Dorf Weinladen neben Weinladen, Touristen mit Kameras, Touristen mit Weinführern, Touristen, die im Kofferraum Weinkarton nach Weinkarton verstauen, Touristen wie ich, die ein schnelles Foto machen und dann weg sind. Für die Ruine der Sommerresidenz muss man wirklich nicht hierher fahren; und den Wein gibt es bestimmt auch beim Discounter; nichts wie weg nach Avignon. Am südlichen Himmel zieht eine schwarze Wolkenwand hoch. Das ist die angekündigte.

                                          Weil ich mal wieder einen Abzweig verpasse, gibt es eine Stadtrundfahrt. Was zieht die Touristen in diese Stadt? Avignon, das ist eine Stadt wie jede andere. Und dann fahre ich am Flussufer vorbei, mache den weiten Linksbogen mit, um zur Brücke zu gelangen, ziehe mit nicht für möglich gehaltenem Tempo, zu dem nahendes Unwetter einen treiben kann, die Rechtskurve auf die Brücke hoch, und staune beim flüchtigen Blick über die Schulter. Wahrlich, Avignon, ist mehr als einen Abstecher wert.

                                          Das Außenzelt steht, es schüttet aus Eimern. Schwein gehabt. Auf der Nachbarparzelle hat sich ein flacher See gebildet. Vorsichtshalber ziehe ich Abflussgräben. In der Nacht will ich ruhig schlafen. Vor dem Campingplatz stoppen zwei Reisebusse. Achtzig Chinesen machen Fotos. Der Campingplatz hat eine Traumlage. Nirgendwo sonst, bietet sich dieses Panorama. Einzig der Blick von der Brücke ist noch besser. Parken darf dort niemand. Was für ein Glück. Die Reiseleiter stehen gelangweilt am Rand. Meine Vermutung, die Busreisenden kommen aus Japan wird in China korrigiert. China ist im Kommen. Für die Chinesen habe Avignon keinen großen Stellenwert. Die Sache mit den westlichen Religionen sei ihnen schnuppe. Avignon stände wegen der Altstadt, hauptsächlich jedoch wegen des Panoramas auf ihrer Besuchsliste. Die hier seien nur auf der Vorbeifahrt von Barcelona. Noch am Abend wird man in Saint Tropez eintreffen. Dort werden sie zwei volle Tage bleiben.


                                          Avignon - Palais des Papes

                                          Die Altstadt Avignons ist verschlafen. Vielleicht, weil alles um den Papstpalast so ordentlich sein muss. Leise ist es auch. Keine Spur südländichen Lebens. Die Menschen, die hier leben, sind nicht hier, die sind da, wo die Stadt kein Museum ist. Vor dem Papstpalast tummelt sich ein Gruppe fetter Amerikaner. Eine deutsche Schulklasse zieht mit ihrem dozierenden Lehrer vorbei. Woran werden sie sich nach Jahren noch erinnern? Vielleicht nur an das Lied, das einem vorgesummt wird, wenn den Namen der Stadt nennt. Das ist doch die Stadt mit dem Lied. Wie heißt das nochmal? Moment, ich komm gleich drauf. Und dann fangen sie an zu summen: Sur le pont d' Avignon. Auf der berühmten halben Brücke summen kostet Eintritt.

                                          Mit dem Abend kommt die Sonne noch einmal hinter den Wolken hervor und taucht die Stadt in ein unwirkliches Licht. Plötzlich wimmelt es von Menschen mit Kameras vor dem Auge. Morgen, dass wissen alle, wird es solch ein Licht nicht geben. Unwetter sind angekündigt.

                                          Siebzehnter Tag: Sturmtag
                                          Avignon – Saint-Gilles (Hotel)

                                          Packen im Regen. Viel zu früh bin ich fertig. Die Rezeption ist noch geschlossen. Das Selbstbedienungsrestaurant hat schon auf. Kaffee und Croissant zusammen an einem Tisch mit einer Gruppe geistig Behinderter. Wie so viele dieser Menschen, haben sie keine Probleme mit dem Fremden an ihrem Tisch. Da setzt sich einer hin und frühstückt mit. Mehr ist das nicht. Nebenan sitzen zwei Holländer in Radkleidung. Von Barcelona nach Genua soll die Fahrt gehen. Noch haben sie nicht gepackt. Unschlüssig, wollen sie erst einmal die Wetterentwicklung abwarten. Draußen treibt der Wind den Regen waagerecht über das Wasser der Rhône. Als ich losfahre, bin ich alleine. Die D 2 am rechten Flussufer nehme ich. Zuerst sollte es die Straße am linken Ufer werden. Auf der Karte sieht das malerischer aus. Die D 2 ist bei diesem Wetter die richtige Wahl, Sie bietet mehr Schutz vor dem Wind aus Nordwesten. Das Wasser steht in den Spurrinnen. Bei jedem überholendem Auto ist eine Komplettdusche fällig. Das fällt nicht weiter ins Gewicht. Es regnet eh vom Himmel hoch. Viele Autofahrer hupen aufmunternd, als wüssten sie, dass es hilft. Es hilft tatsächlich. Nicht lange, nur eine halbe Stunde, und ich bin raus dem Bereich der schützenden Hecken. Der Wind kommt in Sturmstärke aus dem Landesinneren. Es ist erstaunlich, wie viel Schutz eine popelige, niedrige Leitplanke bietet. Dünne Hecken, vereinzelte Büsche geben unverhofften Windschutz. Dort wo der Wind keine Barriere findet, muss ich aufpassen, von einer der vielen Böen nicht auf die Gegenfahrbahn geweht zu werden.

                                          Bis auf die Haut bin ich nass. Der Sturm treibt dass Wasser unter den Saum der Jacke. Dazu kommt der Schweiß. Ich ackere wie ein Pferd. Über die Brücke an der Mündung des Gard ou Gardon traue ich mich nicht zu fahren. Quer zum Wind, würde ich nicht heil ans andere Ufer kommen. Obwohl ich absteige und gehe, muss ich mich am Geländer festhalten. Das Rad kann ich nur halten, weil es zwischen mir und dem Geländer eingeklemmt ist. Arm und Hand werden zu Ankertau und Anker. Unter dem weit ausladenden Dach der Tankstelle oben in Beaucaire finde ich keinen Schutz. Der Wind treibt den Regen einmal quer hindurch. Ein Mann erklärt mir den Weg nach Bellegarde. Viel Wind, verstehe ich. Gibt es keine Hecken, keinen Wald? Das Sprachproblem erweist sich mal wieder als hinderlich. Es wird schon nicht so schlimm werden. Weiter.

                                          Mündung Gard ou Gardon in die Rhône

                                          Die D 38 bietet nur bescheidenen Schutz vor dem Wind. Offenes, flaches Land über dem der Sturm seine Kraft nicht verliert. Hecken? Fehlanzeige. Mühsam, überwiegend im kleinsten Gang trete ich gegen den Mistral an, der, wie es scheint, nach und nach auf West dreht. Sturmwind von vorne, der das Wasser in die knatternde Kapuze treibt. Von Fahren kann keine Rede mehr sein. Mittags suche ich Schutz hinter einem niedrigen mit mächtigen Platanen bewachsenen Erdwall. Im Nu kühle ich aus. In den neuen und wasserdichten Schuhen steht das Wasser. Sie sind tatsächlich wasserdicht, lassen das Wasser aber auch nicht mehr hinaus. Wie auch. Wenn ich mir nicht den Tod holen will, muss ich weiter. In der Unterführung an der Nationalstraße 115 bei Bellegarde komme ich mir vor wie im Windkanal. Ich schaffe es nicht, die Kurbel zu treten. Warten, bis die hämmernden Böen nachlassen und dann schnell, schnell das Rad durch die Betonröhre schieben.

                                          Am Canal du Rhône à Sète stehen Wohnmobile, aus deren Fenstern Licht nach draußen fällt. Bis jetzt ist der Tag nicht hell geworden. Dämmerlicht seit meinem frühen Aufbruch. Was bin ich neidisch auf die Leute in den Caravans! Was würde ich nicht alles für eine trockene und warme Unterkunft geben! Am Anleger zerren die Boote an den Leinen. Zwischen den Bordwänden werden altersschwache Fender platt gedrückt. Kein Mensch ist zu sehen. Von rechts bläst der Wind ohne Unterlass. Le-Grau-du-Roi werde ich heute nicht erreichen. Mehr als 120 Kilometer bei diesem Wetter ist pure Utopie. Die Sehnsucht nach dem Meer, tagelanger Antrieb, wird heute nicht befriedigt werden.

                                          Die freundliche, bei Hannover aufgewachsene Frau hinter dem Tresen der Touristeninformation in Saint-Gilles ist derselben Meinung. Die zweithöchste Sturmwarnung hat Météo France ausgerufen. Da fährt man kein Rad. Im Handumdrehen bin ich überzeugt, auch, weil sie mir verspricht, dass Hotel habe eine gute Küche.


                                          Saint-Gilles - Abteikirche

                                          Ist das Putzwasser? Warm ist das Wasser über mein Gesicht gelaufen. Die Kopfhaut unter der Kapuze ist ebenfalls warm. Auf der Gepäckrolle ist Schmutz zu sehen, der nicht von der Straße stammt. Den gleichen Dreck sehe ich auf der Regenjacke, auf der Regenhose. Verdammt, ja, dass ist Putzwasser! Da hat jemand in den oberen Etagen mal eben einen Eimer mit heißem Putzwasser vom Balkon geschüttet. Angeekelt stelle ich mich minutenlang in den Regen, bis auch der allerletzte Schmutzpartikel verschwunden ist.

                                          Am anderen Bürgersteig stoppt ein Radfahrer. Es braucht nur Sekunden, bis Henk den Entschluss, den Tag schon so früh in einem Hotel ausklingen zu lassen, für gut befindet. Er ist auf dem Weg von Rotterdam nach Saintes-Maries-de-la-Mer und wieder zurück nach Holland. Henk ist zwar eben erst in Arles gestartet, doch ihm reicht es für heute. Wir beschließen den Vormittag mit einem standesgemäßen, in dem Fall nicht dem allerteuersten, Menu du jour. Es wird ein langes, unterhaltsames Mittagessen. Die Kellner müssen nachhelfen, damit das ein Ende findet. Ihre drei Stunden Pause sind unantastbar.

                                          Alleine drehe ich Runden durch das Städtchen. Lange Gespräche sind anstrengend geworden. Schwatzen ja, stundenlang einen Menschen neben mir, sich auf ihn konzentrieren, nein. Das ist immer so, wenn ich alleine unterwegs bin. Zehn Tage, vielleicht wenige mehr, vielleicht einer weniger, dann bin ich weg, tatsächlich weg. Ohne das es mir anfangs bewusst wird, entferne ich mich nach und nach aus der Gesellschaft. Mangels Austausch sind die eigenen Maßstäbe das einzige Maß, das zählt. An manchen Tagen macht sich niederdrückende Einsamkeit breit, an den allermeisten bin ich glücklich. Alleine Reisen kann zur Droge werden.

                                          Saint-Gilles - Via Tolosana, hier Sackgasse.

                                          Die zentrale Kreuzung ist fest in der Hand nordafrikanischer Einwanderer. Ausschließlich Männer sitzen auf den Bürgersteigen vor den beiden Bars. Alte Stühle aus fleckigem, ehedem chromblitzenden Stahl, mit abgewetzten, rissigen, hie und da aufgerissenen Polstern, aus denen vormals gelber Schaumstoff quillt, gruppieren sich um die kleinen runden Tische, auf den stehen Gläser mit Tee, liegen zusammengeknüllte Zigarettenschachteln. Das ist das Frankreich, welches viel zu vielen Franzosen nicht gefällt. Hotelgäste hatten uns vor denen gewarnt. Mir tun sie nichts. Wenn sie jeden Tag hier sitzen, wissen sie, dass ich nicht hierher gehöre. Es kann sein, dass sie in mir einen Pilger sehen. Die sind seit einiger Zeit wieder häufiger in der Stadt zu sehen; denn erneut kreuzt ein Jakobsweg meine Route. In Saint-Gilles ist das der GR 653, die Via Tolosana, die wirklich historisch verbürgt ist. Das wäre eine Route für den Winter. Rund um die Kirche ist an jeder Ecke das bekannte Muschelsymbol zu sehen. Die Pilgerherbergen scheinen noch abends leer zu stehen. Pilger sind wohl bei dem Wetter nicht unterwegs. Oder ist keine Saison?

                                          Achtzehnter Tag: Am Mittelmeer
                                          Saint-Gilles – Vias Plage (Campingplatz)

                                          Pfingstsonntag. Schon im Morgengrauen bin ich wach. Ich schaue der Sonne zu, wie sie den Tag hell macht. Mit dem Sonnenlicht beginnt ein Mittelmeertag. Extra wegen des Lichts bin ich aufgestanden, um eines der hier allgegenwärtigen Fliegengitter zu Seite zu schieben. Wenigstens eine halbe Fensterbreite ungestörte Sicht in den beginnenden Tag.


                                          Bei Canavere am Rand der Camargue

                                          Mit Henk habe ich mich zum Frühstück um 8 Uhr verabredet. Wir werden die ersten Kilometer gemeinsam fahren. Bis zum Frühstücken ist noch lange hin. Einschlafen gelingt mir nicht mehr. Mich treibt ein Gedanke um. Was mache ich, wenn Henk seinen Plan ändert, sein Ziel ändert und statt bis an die Mündung der Rhône zu fahren, den Vorschlag macht, gemeinsam zu fahren? Denn, wenn er an der Mündung war, dreht er sein Rad er um und fährt mir eigentlich hinterher. Immerhin für die kommenden zwei Tage. Was, wenn er Saintes-Maries-de-la-Mer sausen lässt? Plötzlich wäre ein Fahrrad an meiner Seite. Dauerndes Anpassen ans Tempo, an die Pausen, wo Abbiegen, anpassen an Fotostopps, Stopps für den Bäcker, den Supermarkt, das Restaurant oder die Dönerbude? Verbissenes Mithalten oder erzwungenes Trödeln? Unterhalten müssen, weil nun einer da ist der zuhört, der womöglich Unterhaltung sucht? In den ersten Tagen hatte ich hin und wieder mit dem Gedanken an eine Begleitung die Einsamkeit überbrückt. Mit jedem Tag mehr, bin ich nach und nach wie beim Wandern zum Alleinfahrer geworden. Wie soll ich ihm sagen, dass ich alleine fahren möchte? Sorgen, noch bevor der Tag hell geworden ist. Muss ich mir überhaupt den Kopf zerbrechen?

                                          Aigues-Mortes

                                          An diesem Morgen gibt es das beste Frühstück seit ich unterwegs bin. Zwei Sterne hat das Hotel nur, doch im Gegensatz zu den Hotelketten, gibt es hier eine Familie, die das Haus betreibt. Der Hotelier ist schon auf und kümmert sich um jeden Gast. Hemdsärmelig, ist er das genaue Gegenteil seiner Frau. Im schicken Kostüm, wohlfrisiert und mehrsprachig, strahlte sie gestern eine Weltläufigkeit aus, als würde sie ein Grand Hotel an der Côte d'Azur leiten.

                                          Henk lässt sich Zeit beim Frühstück. Da geht es schon los. Alleine wäre ich schon unterwegs. Die Franzosen dagegen sind schnell mit dem Frühstück. Kaffee, trockenes Croissant, ein viertel Meter trockenes Baguette, alles kommt in den Kaffee, schmatzen, dabei wird die Zeitung gelesen, die Frau ignoriert. Noch ein Kaffee? Die Frau auch? Ja. Wenig später bleiben Schlachtfelder zurück, mit denen sich die halbe Welt ernähren ließe.

                                          Es ist tatsächlich ein verbissener Start. Abtasten wie schnell der andere fährt, wie lange er das Tempo halten kann. Meine Sache ist das nicht. Aufgeben auch nicht. Henks auch nicht. Am Abzweig nach Stes. Maries ist er vorbeigerauscht. Ich bin schon ein Stück zurück, und rufe nach ihm. Nein, meint Henk, sein Ziel wird er nicht ändern. Händedruck, schön, dass wir uns getroffen haben, tot ziens!. Er hatte vermutlich dieselbe Sorgen wie ich.

                                          Der Mistral ist abgeflaut und über Nacht zum Tramontana geworden. Heftiger Gegenwind aus Nordwest. Im Großen und Ganzen ist das die Richtung in die ich muss. Es verspricht ein schöner Tag zu werden. Endlich Sommerfarben, endlich Sonne und heute werde ich endlich, endlich das Meer sehen - und wenn ich mir das Rad auf den Rücken binden muss. Die Luft ist ganz klar, wenn auch kalt. Keine Hügel mehr, vorerst keine großen Straßen mehr. Die Camargue ist hier, wo sie nach Westen ausläuft, langweilig. Einfach nur platt. Die Kanäle stehen bis zum Rand voll mit Wasser. An einigen Stellen hat das Wasser auf den Straßen gestanden. Das war einfach zu viel Regen in den vergangen Wochen. Alle Häuser sind mit Fliegengitter verbarrikadiert. Gut, dass heftiger Wind weht. Besser gehen den Wind treten, als Fliegen fressen. Die Wiesen mit den schwarzen Kühen bleiben zurück. Reis, später vermehrt Wein, bringt mehr Gewinn.

                                          La Grande-Motte

                                          Aigues-Mortes ist von Autofahrern belagert. Ach-ja, Pfingsten. Das Foto mit der Außenansicht muss reichen. Andere Ansichten der Stadt gibt es eh nicht. Noch bin ich nicht am Meer. In Le Grau-du-Roi bin ich am Meer, nur sehe ich es nicht. Zu viel Betrieb. Das zweifelhafte Vergnügen, mein Rad durch die Menschenmengen zu schieben erspare ich mir. Le Grande-Motte, die von vielen als größte Bausünde Südfrankreichs angesehene Ansammlung von Hoch- und Terrassenhäusern, durchfahre ich mutterseelenallein auf mehrspurigen Schnellstraßen. Unter den hohen schattigen Kiefern wird im Sommer der Verkehr toben. Immer noch habe ich das Meer nicht gesehen. Étangs, diese Flachwasserweiher, die sich die Küste entlang bis beinahe nach Spanien hinziehen, ja, die habe ich gesehen, durch die bin ich heute sogar auf Deichen gefahren, habe einen neben mir. Das Meer? Nein!

                                          Das Meer, wo ist das Meer? Zwischen den Häusern hätte ich ans Meer fahren können, Ich will kein Meer zwischen Häusern. Ich will die Illusion, das Meer für mich alleine zu haben. Endlich ein Stück unbebaute Küste. Eine kleine Düne, nicht mehr als ein vom Wind aufgeworfener Sandhaufen, ein Durchlass im von der Sonne gebleichten Lattenzaun, eine Stranddusche, ein gutes Dutzend Holzbohlen, ein Streifen Sandstrand, dahinter ist das Meer. Keine vier Wochen ist es her, dass ich hier in der Nähe am Meer war. Das heute ist ganz anders. Ich bin aus eigener Kraft hierher gefahren. Tagelang. Vor einem Jahr bin ich mit dem Rad an die Nordsee gefahren. Wie langweilig. Die Nordsee ist kein Mittelmeer. Im warmen Sand sitzend, schreibe ich eine SMS an meine Frau. „Bin am Meer. Sitze am Strand.“ Sie ist auf der Arbeit, und wird das verstehen.


                                          Étang de Vic - Die 'Lorelei' im Canal du Rhône à Sète

                                          Jetzt beginnt endlich das Küstenfahren, auf das ich mich seit dem Start gefreut habe. Da stört nicht, dass ich durch Frankreichs Feriengebiet mit den größten Bausünden fahre. Hier wurde für Massentourismus geplant und gebaut. Hier macht Urlaub wer die bunten Blätter liest, wer Urlaub mit Sonne und Strand gleichsetzt. Im Augenblick fühle ich mich dazugehörig. Wo ich am Abend landen werde, ist egal. Der heftige Gegenwind hat den ganzen Tag noch keine Pause eingelegt. Im Windschatten der Häuser von Carnon-Plage fahren, ist schön. Der Ort ist grauselig. Zweistöckige Ferienhäuser. Sollten Architekten mitgebaut haben, haben sie ihr Können gut versteckt. Der Verkehr soll hier rechts vor links rollen. Es gibt keinen Verkehr. Das Rad läuft über die Kreuzungen, bis das erste Auto von rechts kommt. Die Fahrerin besteht auf der Vorfahrt. Das war knapp. Rechts vor links endet erst am Yachthafen vor Palavas-les-Flots, hier endet der fahrbare und bebaubare Teils des sandigen Fingers, der den Étang du Méjean vom Mittelmeer trennt. Längst bin ich mit den Namen der Flachwasserteiche durcheinander gekommen. Einmal ums Eck, schon schiebt sich eine Landzunge, ein Kap in die Tümpel, schon ist einer neuer Name fällig. Der Wind wirft nur kurze Riffelblech-Wellen auf. Für wirklichen Seegang ist das Wasser nicht tief genug. Der Canal du Rhône à Sète ist nun auch wieder da. Im Unwetter vom Vortag habe ich nicht viel von dem mitbekommen. Hier hat man den Kanal in die Seen gebaut. Ein Kanal im Wasser. Erstaunlich.


                                          Sète - Die Proa 'Jo's Toy'

                                          Wie gerne würde ich am Meer weiterfahren. Es geht nicht. Immer dünner, immer sandiger wird der lange Finger, am Ende so dünn, dass sogar das Mittelmeer mühelos über die Sandbänke kommt. Ich muss aufs „Festland“. Sollte ich nicht über die letzte Brücke in Richtung Montpellier dürfen, habe ich mir vorgenommen, das zu ignorieren. Alles wieder zurück? Nee, dann lieber Strafe zahlen. Ein Radweg vereitelt den vorsätzlichen Gesetzesbruch. Villeneuve-lès-Maguelone ist schon am anderen Ufer. Vom Mittelmeer bin ich plötzlich sehr weit weg, weiter als beim Blick in die Karte erwartet. Am Städtchen ist der Tourismus spurlos vorbei gehuscht. Das haben alle Orte an der Landseite der Étangs gemeinsam. Vorne, da wo das Meer und die Strände sind, hat man sich in den Sechzigern ausgetobt. Hinten hat das Languedoc seine ländliche Verschlafenheit behalten. Vom Land mit Schwung wieder zurück ans Meer. Frontignan-Plage soll das nächste Ziel sein. Campingplatz? Quatsch, weiter! Sète ist ums Eck. Von da ist es nicht mehr weit bis Agde. Und wenn ich schon in Agde bin, kann ich noch ein Stück weiter fahren, bis zu den Campingplätzen rund um Vias. Sechzehn große quetschen sich in die Gemeinde.

                                          Voie Verte du Lido de Sète Marseillan-Plage

                                          So leer die Zufahrstraßen nach Sète auch sind, in der Innenstadt drücken sich Menschenmassen am Canal de Sète entlang. Die Vereinigung der Golden Oldies Multihulls hat zur Trophy 2013 geladen. Mehrrumpfboote, einige haben Segelgeschichte geschrieben, liegen am Kai. Segeln ist in Frankreich so populär wie Fußball – na, fast. Schräge Köpfe und Helden im Geschwindigkeitsrausch unter Segeln sind im Land bekannter als so mancher Held der Tour. Die Franzosen haben es schon auf den Meeren krachen lassen, als in Deutschland noch mehr Wert auf traditionelle Gebräuche und überlieferte Yachtetikette als aufs seglerische Können gelegt wurde. Daran hat sich übrigens immer noch nichts geändert. Gibt es irgendwo einen Segelrekord zu brechen, rüsten die Franzosen auf. Rasende Mehrrumpfboote sind dem deutschen Durchschnitts-Segelgustav höchst suspekt. Besonders die Rekordkisten der Hochsee. Wirft man einem deutschen Segler Banque Populaire an den Kopf, wird der „Bankenkrise“ antworten. Der Franzose wird sich an die Weltumseglung in 45 Tagen des Trimarans Banque Populaire V erinnern. Weltrekord! Jules Verne müsste sein Buch umschreiben. Französisches Boot, französisches Geld, französische Bank, französischer Skipper, was sonst. La Grande Nation halt. Der Deutsche ist zu blöd fürs Schnellsegeln, anders lässt sich nicht erklären, dass wir nirgends mitmischen, noch nicht einmal beim America's Cup. Autofahrer mit Prinz-Heinrich-Mütze.

                                          Agde - Kathedrale Saint-Étienne

                                          Die Strecke über den langen und sandigen Finger von Sète bis Marseillan Plage ist trotz makellos geteerter Voie Verte mühselig. Wind, Wind, Wind. Kein Baum, kein Hügel, der den Wind bremst. „Hast du gesehn, wie der sich quält, der Idiot!“ Der Wind weht die Worte klar und deutlich bis an mein Ohr. Der andere lacht. Eben haben mich zwei fette alte Säcke auf ihren e-Bikes überholt, ohne in die Pedale zu treten. „Arschlöcher“, brülle ich so laut ich kann gegen den Wind, hinterher. Sie haben es gehört. Dann sind sie hinter der nächsten Biegung verschwunden. Vor Agde will mich einer mit einem Rennrad auf der zweispurigen Gegenfahrbahn den Berg hoch schicken. Ich hatte mir ja vorgenommen, in Zukunft die Vorschläge der Rennradfahrer zu beherzigen. Das Navi-Programm seines iPhones ist der Meinung, dass es einen Radweg auf dem Standstreifen gibt. Es gibt keinen Standstreifen, aber Gegenverkehr. Zurück, noch habe ich das Alter fürs Abtreten nicht erreicht. Der Rest ist Routine. Wege suchen in verlassenen Feriensiedlungen. Wenn ich in denen vom Rad falle, wird man mich erst mit dem Einsetzen der Sommersaison finden. Am Stadtrand ist alles wieder vertraut. Hier sind wir vor vier Wochen mit dem Auto oder dem Rad oder dem Tretroller gefahren. Ab Agde kenne ich sogar ein paar Abkürzungen durch grüne Wiesen.
                                          Zuletzt geändert von Werner Hohn; 28.12.2015, 17:17. Grund: Die finale Korrekturrunde?
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