[FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR 34

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    [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR 34

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Vorwort:

    Dieser Reisebericht ist für Werner (Cervantes), der zur gleichen Zeit zu einer anderen Reise aufgebrochen ist.


    Die Vorbereitung - Erster Teil:

    Das Gelingen eines Urlaubes setzt bekanntermaßen eine sorgfältige und durchdachte Planung voraus. Da der Urlaubsbeginn immer sehr überraschend kommt und meine letzte Reise doch sehr intuitiv war, beginne ich bereits im Februar mit ersten Vorüberlegungen. Ich besuche eine Reisemesse, befrage mein Horoskop und bin kurz davor, das allwissende Forum zu befragen. Allerdings befürchte ich, zu einer Anfrage "Reiseziel in Europa gesucht" 48 Antworten zu bekommen und 48 wohlmeinende User zu enttäuschen, wenn ich mich für Variante 51 entscheide.

    So vertage ich die Entscheidung und wende mich dringenderen Fragestellungen zu. Zum Beispiel: "Gefährdet es den Tourerfolg, wenn die Schnürsenkel nicht zu den Schuhen passen" oder: "Welches Shampoo duftet am besten". Auch die Frage: "Welche Unterhose trocknet am schnellsten?" beschäftigt mich intensiv. Als ich zu der Frage komme: "Wann fährt der Bus?" komme, fällt mir auf, dass ich immer noch kein Ziel habe.

    Mittlerweile ist es Juli. Ich setze Shetland und Kroatien auf die Liste, streiche sie aber Anfang August aus diversen Gründen wieder. Nordseeküstenradweg Niederlande und Südfrankreich bleiben über. Fahrrad oder Motorrad? Ich kann mich nicht entscheiden. Der Sommer war schlecht, ich sehne mich nach Sonne, wenn ich Anfang September starte.

    Mitte August müsste sich Werner längst gemeldet haben und ich erfahre seinen aktuellen Gesundheitszustand. Kein Grund zur Freude. Am 20. August fahre ich mit seiner Zustimmung nach Köln, um ihn noch einmal zu sehen und mich zu verabschieden. Er freut sich sehr und Anja2, die sich ihm und seiner Familie gegenüber in dieser Zeit als wahre, unersetzliche Freundin erweist (unterstützt von Hans und später auch von Khyal) und mich begleitet, wird sagen, dass er die Tage vorher und nachher nie mehr so fit war, wie an diesem Tag. Er zeigt mir die in ein Fotoalbum geklebten Bilder seines Urlaubs mit einer Freundin in der Bretagne und man merkt, wie wichtig es für ihn ist, dass ich sie sehe. Geplant war der Urlaub als Radtour, aber das ließ sein Gesundheitszustand wohl nicht zu.. "Das Zelt war sch....", sagt er und wir lachen. Ich habe es ihm nicht empfohlen, der Platzbedarf machte ein Familienzelt erforderlich. Ich sehe Bilder von tiefblauem Wasser und rauer Küste. "Da musst Du unbedingt hin", sagt er mit seinem aufgrund der Krankheit veränderten, eingeschränkten Wortschatz, "Das ist ideal". Ich nicke. Immer schöner werden die Bilder. "Warst Du da schon einmal?" Ich nicke, ja, aber es ist Jahre her. "Da musst Du unbedingt hin. Das ist toll", sagt er wieder und ich schaue ihn an: "Ich habe in zwei Wochen Urlaub und noch kein echtes Ziel. Bretagne, warum nicht." Er schaut mich groß an. "Du fährst wirklich in die Bretagne?" "Ja. Wenn Du sagst, dass es dort schön ist, dann fahre ich dahin." Und damit ist es entschieden. Als ich mich am nächsten Tag endgültig von ihm verabschiede, wissen wir beide, dass es für immer ist. Aber dennoch habe ich die Hoffnung, ihm vielleicht auf dem Rückweg vom Urlaub ein paar Bilder zeigen zu können. Manchmal geschehen Wunder, man weiß ja nie und er ist fest entschlossen, bis Oktober durch zu halten.


    Die Vorbereitung - Zweiter Teil

    Das Ziel steht fest, aber das Verkehrsmittel nicht. Ich befrage einen befreundeten Franzosen und er sagt sofort: "Nimm das Fahrrad, mit dem Motorrad siehst Du nichts." Also das Fahrrad. Gut. Warum eigentlich nicht.

    Ich recherchiere oberflächlich im Netz und stelle fest: Es gibt nicht sooo viele Infos zu Radtouren in der Bretagne. Ein paar, ja. Aber nicht das, was ich auf die Schnelle bräuchte.
    Die Regionalzüge nehmen Fahrräder mit. Aber die Anreise mit dem Fernzug ist mit dem Rad nervig (Verpacken, Rad klein machen, Tickets gleichzeitig kaufen und mit wenigen Ausnahmen nur in Frankreich möglich etc.). Zwar fährt ein Nachtzug von Hamburg nach Paris, aber dann muss man erst einmal weiter kommen. Und am Ende der Tour steht die Mitgliederversammlung. Sehr umständlich.

    Ich orientiere mich an den Radtourvorschlägen der Seite http://www.fahrrad-tour.de/Bretagne/Bretagne.htm und finde Tour 1 ansprechend. Fougeres bis Quimper. 450 km sollten zu schaffen sein. Ich streiche die Bahnfahrt aus dem Sinn und beschließe, mein Auto - wie vorgeschlagen - in Fougeres zu parken. Meine Bekannten versorgen mich mit Telefonnummern von Freunden und Vätern und ich soll unbedingt nach Pointe Du Raz zu A. fahren. Ganz links auf der Karte.

    In einem Reisebericht stolpere ich über den Satz, dass die Bretagne verdammt hügelig, ja sogar richtiggehend steil ist. Bitte? Hügelig? Steil? Ich bin schon als Kind mit dem Rad keine Hügel hoch gekommen. Und das hat sich bis heute nicht geändert.
    Ich erkläre schlagartig meine Vorbereitungen für beendet. Das will ich alles gar nicht so genau wissen. Das findet sich vor Ort. Immerhin bin ich so clever, meinen Fahrradhändler zu bitten, durch den Einbau von zwei neuen Ritzeln die Übersetzung zu ändern. Und mein Straßenrad mit normaler Bereifung mit zu nehmen, um Rollwiderstand zu minimieren. Eine kluge Entscheidung, wie sich zeigen wird.


    Die Vorbereitung - Dritter Teil


    Mein Plan, die Woche vor dem Urlaub zu packen, scheitert an persönlicher Unzulänglichkeit. Ich muss unbedingt mein Auto sauber machen, aufräumen und andere überflüssige Dinge erledigen. So wird der erste Urlaubstag der Packtag. Und es werden trotz der Kürze der Zeit schwerwiegende Entscheidungen getroffen:

    A) Das Zelt:
    Anforderung: Lang, breit, robust, unempfindlich gegen Sand und Hitze, unter 4 kg, soll auch mal in praller Sonne stehen können. Möglichst kein SilNylon, kein Tunnel. Ich fülle den Zeltfragebogen aus und empfehle das Zelt, das ich an dieser Stelle empfehlen würde: Vaude Mark II Long. Ich hatte es noch nie mit auf Tour, also wird es Zeit. Es wiegt 3,7 kg und ich denke an eine von Werners letzten PN, wo er sich über den im Forum leichtfertig verwendeten Satz "Auf dem Fahrrad ist Gewicht egal" aufregte. Ach was, die 700 gr. mehr sind mir lieber, als mein Lieblingszelt in der Sonne verglühen zu sehen.

    B) Der Kocher
    Frankreich ist Gourmetland. Und ich habe Urlaub. Sich nur von mitgebrachten Tütensuppen zu ernähren, ist zwar ehrenvoll, aber reichlich schwachsinnig. Allein das französische Fleisch! Mir läuft das Wasser im Munde zusammen. Ich brauche auf jeden Fall einen Kocher mit genug Wumms für die Steaks. Und eine Bratpfanne. Einen Topf für Muscheln. Außerdem einen Kocher für die schnelle Mahlzeit, falls das Wetter schlecht ist. Ich fülle den Kocherfragebogen aus und das Ergebnis ist unausweichlich: Ich nehme zwei Kocher mit: Den XGK-EX für die Steaks und den MSR Reactor für's Schnelle. Natürlich mit Brennstoff und Schraubkartuschen. Jeder Menge Brennstoff. Damit ich nicht verhungere. Rechne ich damit, Schnee schmelzen zu müssen? Eigentlich nicht. Tatsächlich gehe ich von Erfahrungswerten mit anderen Kochern aus und da habe ich immer sehr viel Brennstoff benötigt. Es geht eben nichts über Erfahrung! So landen anderthalb Liter Benzin und drei Kartuschen im Gepäck, davon eine allerdings fast leer. Eine kleine und eine mittlere Kartusche. Reicht das? Ich grübele lange. In Frankreich gibt es nur Stechkartuschen, das weiß ich immerhin. Ich suche den Markill Stechkartuschenadapter, finde ihn aber nicht. Wetten, dass ich ihn finde, wenn ich wieder zu Hause bin?

    Nachdem die Grundlagen geklärt sind, geht das Packen schnell. Ich rechne mit warmem und kaltem Wetter sowie mit katastrophalem Wetter zur ods Mitgliederversammlung. Für letztere wird ein Kleiderdepot im Auto angelegt. Auf Tour muss ich improvisieren. Radklamotten lang und kurz, Wechselwäsche. Den Korkenzieher nicht vergessen. Sandheringe. Eine Kühltüte aus dem Supermarkt für die Frischwaren unterwegs - von "Unser Norden" am besten. Um Gewicht und Platz zu sparen, kommt der WM Caribou mit. Ich wiege meine Packtaschen, Rucksack und Lenkertasche nicht, aber da ich das Fahrrad mit Wasser, Packtaschen und Zelt gerade noch anheben kann, ist alles gut. Grob überschlagen rechne ich damit, dass ich mit Wasser und Essen zwischen 25 und 30 kg dabei haben werde. Luxus hat seinen Preis. Die genaue Packliste kommt später.

    Ich fahre kurz mit den Packtaschen und dem Zelt Probe - man ist ja organisiert - und die Gewichtsverteilung stimmt. Ich fühle mich für meinen Urlaub gut gerüstet. Dann alles ins Auto geworfen und gegen 15.00 Uhr geht es am 02.09.2012 endlich los.
    Zuletzt geändert von Torres; 27.09.2012, 20:56.
    Oha.
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    #2
    AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

    Die Anreise

    Die Autobahnen sind voll und Autofahren ist für mich ungewohnt. Zu Hause fahre ich nur Fahrrad. Nach ca. 3 Stunden reicht es mir und ich suche mir bei Münster einen Campingplatz. Ich fremdele ein wenig mit dem Zelt, da ich im Allgemeinen Längsschläfer mit GT Apsis bevorzuge. So muss ich erst ein neues Ordnungssystem finden. Außerdem stelle ich mich beim Reinkriechen recht dämlich an. Normalerweise ist bei meinen Zelten am Eingang der höchste Punkt. Bei diesem Zelt ist am Eingang der niedrigste. So reiße ich anfangs fast den Eingang ein, wenn ich in das Zelt krieche. Der Zeltnachbar ist übrigens mit einem Campo Grande Family unterwegs und schwärmt von seinem alten Mark II.

    Am nächsten Tag fahre ich Richtung Venlo und als ich die Richtungsschilder Köln sehe, überlege ich, noch einmal zu Werner zu fahren. Aber eine innere Stimme warnt mich und tatsächlich hatte sich sein Gesundheitszustand so verschlechtert, dass er nicht mehr an den Rhein fahren konnte. Aber ich fühle ein Unbehagen, das ich seit zwei Wochen nur schwer unterdrücken kann. Darf man in Urlaub fahren, wenn ein Freund stirbt? Andererseits ist alles gesagt und er selbst wollte bis zuletzt Normalität. So fahre ich weiter.

    Die Autobahnfahrt ist so reizarm, dass ich fast einschlafe. Abwechslung bieten nur die Rasthöfe, die in Frankreich wirklich schön und funktionell sind. Ich erwerbe eine Straßenkarte der Bretagne. Es könnte ja recht praktisch sein, zu sehen, wohin man fährt. Und ich merke, wie erschöpft und urlaubsreif ich bin. So beschließe ich, in Honfleur Halt zu machen, wie es mir von den Franzosen empfohlen wurde.

    Honfleur liegt gegenüber von Le Havre an der Seinemündung und die Brücke über die Seine ist grandios.







    Bekanntermaßen liebe ich schöne Brücken und ich freue mich, sie mir später von unten an zu schauen. Ich finde einen netten Campingplatz im Ort und checke ein.








    Mein Zelt fängt an, mir zu gefallen. Auf dem Nachbarplatz sind Radreisende mit Nallo, doch ein Gespräch ergibt sich nicht.





    Der Ort ist tatsächlich wunderschön. Meine Bekannten haben nicht zu viel versprochen.


























    Und ich denke an den Thread der verschwundenen Dinge: Echte Karussells.











    Ich frage in der Pharmazie nach Alkoholtestgeräten, die laut Forum Vorschrift geworden sein sollen, aber anscheinend gibt es eine Übergangsfrist und daher hat die keiner. Und niemand weiß, wo es die gibt. Dann gehe ich noch beim Optiker vorbei und stelle fest, dass Franzosen unendlich viel Zeit zu haben scheinen. Aber ich habe Urlaub.

    Der Abend ist sommerlich warm und ich gehe an der Seine entlang und fotografiere die Brücke. Wirklich Urlaub. Ich atme tief durch.

















    Ich koche die erste Tütensuppe und gehe früh schlafen.
    Zuletzt geändert von Torres; 14.10.2012, 15:50.
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      #3
      AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

      Dienstag 04.09.2012. 18 km, Mont-Saint-Michel

      Am Morgen wache ich früh auf und es gelingt mir, dem Putzmann zu erklären, dass das Licht in der Dusche defekt ist. Wow. Ganz ungeahnte Französischkenntnisse tun sich auf (ich hatte es ein halbes Jahr in der Schule).

      Ich entdecke, dass man beim Mark mit ein paar Klicks das Außenzelt aushängen kann. Bei meinen anderen Zelten ist das ein umständlicher Akt, der damit endet, dass man selbst, das IZ und vor allem die Haare klitschnass sind. Da das Mark aber mit Schnellverschlüssen ausgestattet ist und zusätzlich völlig symmetrisch, konstant hoch und mit zwei Apsiden ausgestattet ist, ist der Ausbau ein Kinderspiel, das ich mir angewöhnen werde. Nötig wäre es nicht, aber das Zelt passt so besser in den Event-Packbeutel.

      Als ich den Müll wegbringe, sehe ich eine tote Maus. Die Katze, die heute Nacht mit Schwung auf mein Zeltgestänge gesprungen ist und dann wie ein Klops auf dem Zelt hing? Ich war dann so höflich und habe sie von innen angemotzt und kurz attackiert und danach war Ruhe. Ja, das außenliegende Gestänge. Ich erinnere mich, dass irgendjemand das Mark II Long - oder war es das light? - äußerst negativ bewertet hatte, weil sich Vögel aufs Gestänge gesetzt hatten und aufs Zelt gekackt hatten. Tja. Was soll man da sagen.

      Nach ca. 2 Stunden erreiche ich Fougeres. Lina hatte die Idee, ich solle doch mal auf dem dortigen stadteigenen Campingplatz fragen, ob ich dort parken kann. Der Platz schließt bereits eine Woche früher als geplant. Schade. Ich fahre durch verwinkelte Straßen, es ist viel Verkehr, es gibt viele Parkverbote. Und es ist verdammt steil dort. Mist. Ich merke, wie mir alles zuviel wird und gebe Campingplätze in der Nähe ein. Der erste ist ein Naturlagerplatz mit Klo. Manoir de Bonteville, heißt er.








      Der zweite ist noch einsamer am A.... der Welt im Garten eines abgelegenen Hofes angesiedelt. Ich gebe Gas. In einer größeren Stadt ist das Auto besser aufgehoben. Und dann geht es hoch, runter, hoch, runter. Das kann ja heiter werden. Ich habe eine Campingplatzkarte von 2008 dabei und sehe, dass in Pontorson ein großer Platz ist. Nichts wie hin. Pontorson liegt übrigens – wie Mont Saint Michel – noch in der Normandie.

      Der Platz ist gut geführt, wenn auch nicht sehr idyllisch gelegen. Aber von hier aus kann man gut die Sehenswürdigkeiten der Region erkunden, der Ort ist hübsch und ein Supermarkt nicht weit. So ist er gut besucht. Ich checke ein und frage, ob sie mir sagen könnten, ob ich irgendwo für zwei Wochen parken kann. Als die Managerin kommt, klappt das reibungslos. Toller Service. Der Swimming-Pool lockt, aber ich bin ja Outdoorer.





      Ich baue mein Zelt auf und höre sofort, dass der Platz an der zentralen Landstraße zum Mont-Saint-Michel liegt. Ein Auto nach dem anderen zischt vorbei. Später werde ich die Theorie aufstellen, dass die Straßen in Frankreich anders asphaltiert sind als bei uns. Anders kann ich mir die Lautstärke nicht erklären. Kurz: Meine von Stress überfluteten Sinne leiden.

      Als das Zelt steht, riecht es im Inneren nach Fisch. Ich bin begeistert. Irgendjemand hat vermutlich Fischwasser auf den Boden gekippt. Der Geruch verfliegt jedoch bald. Ich lade mein Fahrrad aus und freue mich schon. St Michael's Mount vor Penzanze habe ich nie besichtigt, nun will ich das französische Gegenstück besuchen. Dass ich ohne Gepäck fahren kann, trifft sich gut.

      Die Landstraße ist öde, erfreulicherweise aber flach. Neben einer Trabrennbahn und einer Mühle finden sich am Wegesrand vor allem Läden, die Souvenirs und regionale Produkte anbieten.








      Dann werde ich über Parkleitsysteme zu einem Parkplatz gelotst, fahre aber durch die autofreie Anlage aus Hotels und Restaurants weiter. Die Region lebt von dieser Sehenswürdigkeit.
      Dann geht es auch für Fahrräder nicht mehr weiter. Ein Shuttlebus fährt mich und viele andere französische und internationale Touristen bis zur Sperrzone. Und der Anblick der Anlage ist wirklich atemberaubend. Was für eine von Menschenhand erschaffene Stadt im Wasser. Fast muss ich an Herr der Ringe denken.








      Ich fotografiere eine spanische Familie, damit sie einmal die ganze Familie auf dem Bild haben. Die Frau hatte mir vorher im Bus geholfen. Dann betrete ich die Anlage.





      Im Inneren geht es schmale Pfade immer weiter hinauf. Links und rechts sind Souvenirläden, Restaurants und die Post.




      Ich kaufe Aufkleber für mein Fahrrad. Zwei sportlich aussehende Zahnarzttypen unterhalten sich über Gehhilfen und Knieprobleme. Ein paar Asiaten versuchen, Pflaumen vom Baum zu pflücken.





      Immer weiter geht es nach oben und von dort aus durch die Innenräume nach unten und die Eindrücke werden immer vielfältiger.





























      Durch die Fenster hat man einen weiten Blick auf die gleichnamige Bay. Die borstigen Bäume gehören bereits zur Bretagne und geben Auskunft über die Hauptwindrichtung. Hier werde ich morgen meine Tour beginnen.





      Die Besichtigung hat sich mehr als gelohnt. Als ich zurückradele, finde ich den örtlichen Supermarkt. Es gibt Zucchini und Crevetten in Tomatentütensuppe und dazu Fischfilet. Die Tour kann beginnen.


      Zuletzt geändert von Torres; 24.09.2012, 17:47.
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        #4
        AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

        Mittwoch, 05.09.2012, 45 km + 9 km, Port-Mer (Cancale)

        Der erste Tag der Tour beginnt und ich habe schlecht geschlafen. Die Autos haben genervt und mir tun die Ohren weh. Hatte ich nicht mal Ohropax? Eine Sch...organisation ist das mal wieder. Das Zelt riecht wieder nach Fisch, als ich es abbaue, aber wie schon gesagt, nimmt es den Geruch nicht an. Ich stelle das Fahrrad in Position, klemme die Packtaschen fest. Ich überlege, etwas Neues auszuprobieren und packe das Zelt längs auf den Gepäckträger und die Evazotes quer. Fein.
        Jetzt noch die Lenkertasche. Wieso geht die nicht ran, ist die Halterung defekt? Kreisch! Ich habe die falsche Lenkertasche gepackt. Diese hier gehört zum gelben Fahrrad. Auf dieses Fahrrad gehört eine Ortliebtasche. Passiert so etwas eigentlich immer nur mir oder gehöre ich einfach zu den Menschen, die so etwas auch noch erzählen?

        Keine Chance. Passt nicht. Umpacken. Elektronik zu Schlafen. Sonnencreme in die Werkzeugtasche. Karten in den Rucksack. Die Straßenkarte wie früher mit dem Packtaschenriemen am Lenker befestigen. Wenn es regnet, bin ich geliefert. Ich habe die Karten nicht laminiert. Die Suppenkelle bleibt da. Die Ersatzkartusche nicht vergessen. Aber wohin damit. Erst mal noch einmal ablegen und die Beinlinge verstauen.
        Hab ich alles? Ich hoffe. Die Kühltüte ist von ALDI Süd, groß prangen die Buchstaben über der Rückleuchte. Ne, nicht? Peinlich. Ich habe die Falsche gegriffen. Egal. Abmarsch. Ich wackele aus der Einfahrt. Ohne Lenkertasche ist die Gewichtsverteilung anders. Aber das Gepäck wird ja jetzt von Tag zu Tag leichter.

        Der Morgen ist wolkenverhangen und trüb, doch regnen tut es nicht. Ich suche per Navi einen Weg Richtung Küste. Eigentlich ist es hier flach und dennoch gibt es leichte Steigungen. Das kann heiter werden. Ich sehe ein Schild "Voie verte", kann damit aber noch nichts anfangen.





        Es bezeichnet ein teilweise bereits fertig gestelltes, teilweise in Planung befindliches Fernradwegnetz in Frankreich, das in den touristischen Karten nicht eingezeichnet ist und zum Teil sogar nirgendwo verzeichnet ist, wenn es sich mit lokalen Radrouten überschneidet. Es ist Zufall, wenn man eine Route findet und oft fehlen Richtungsangaben. Später werde ich einen Prospekt erhalten, doch dieser stimmt auch nicht immer mit der Realität überein.

        Ich habe allerdings Glück. Hinter Pontorson beginnt eine lange Radroute, die auch für Fußgänger und Reiter angelegt ist.








        Ich hänge meinen Gedanken nach. Als ich einem Spaziergänger begegne, erschrecke ich mich. Ich sehe die Bäume, die gestern von Saint-Mont-Michel aus zu sehen waren.








        Ein Mädchen sitzt an einem Stein, sie will den GR 34 am Wasser bei den borstigen Bäumen laufen. Für Fahrräder eignet er sich nicht.





        Also radele ich weiter. Aus Richtung Meer hört man Pferdehufe und dem Geräusch nach zu urteilen, sind es Traber. Tatsächlich ist hier eine Trainingsbahn für Sandrennen, aber ein Bild gelingt mir nicht.

        Der Radweg endet an Ste-Anne und ich komme mir vor wie in Irland, Schottland und Wales zugleich. Neblig-trübes Wetter und in der weiten Leere eine kleine Kapelle. In der Ferne liegt Mont Saint Michel.











        Nun geht es Küstenstraße entlang durch den Ort Cherrueix und wieder sehe ich Paralellen zu Landschaften auf den britischen Inseln und Irland.





        Am Strand von Cherrueix mache ich Rast und schaue lange auf die Bay - für mich ist sie das Meer, auch wenn sie am Ärmelkanal liegt. Ich ertappe mich bei sentimentalen Gedanken, summe "La mer" und merke, wie urlaubsreif ich doch bin. Allerdings ist gerade Ebbe. Der Tidenunterschied ist in dieser Bay ungewöhnlich hoch, irgendwo lese ich etwas von 12 Metern. In Hamburg sind es 3,5 Meter.














        An der Küstenstraße geht es weiter und parallel verläuft der GR 34 auf einem eigenen Pfad. Stände mit frischen Muscheln locken.





        In Vivier- sur-Mer verfahre ich mich am Hafen, finde aber doch noch den richtigen Weg. Es ist gleichzeitig der GR 34.














        Bald wird es touristischer und der Verkehr nimmt zu.





        Aber es ist nicht so schlimm, wie befürchtet, die meisten Autofahrer gehen in die Restaurants, um Muscheln und Austern zu essen. Am Straßenrand werden wie schon in Cherrueix frische Muscheln angeboten, aber ich will jetzt nichts mitschleppen. Die Straße führt direkt am Meer entlang. In der Ferne lockt eine felsige Küste. Hoffentlich wird es nicht zu steil.

        Ich mache Pause an einem Rastplatz.








        Das Wetter klart unvermittelt auf und es wird sonnig und heiß. Der Verkehr nimmt zu und wird immer lauter. LKW donnern an mir vorbei. Meine Nerven. Und es wird steil. Richtig steil. Ich sehe die Steigung in der Ferne. Da muss ich schieben, da komme ich nicht hoch. Auch nicht mit Gepäck.. Und das bei dem Verkehr. Vorhin war ein Radwegschild - hätte ich doch von der Küste wegfahren sollen? Zu spät. Mein Navi zeigt rechterhand eine Seitenstraße, doch dort scheint Sackgasse zu sein. Egal. Nur weg hier. Ich biege ab.

        Ich passiere ein Hotel, dann geht es kurz bergab und ich bin am Strand. Mist. Immerhin verläuft hier der GR 34 und einige lokale Wanderwege. Vielleicht habe ich ja doch Glück.





        Ich schiebe weiter und komme an eine Treppe, an der ein Ehepaar sitzt und liest. Es ist eine steile Holztreppe und ich ärgere mich in Nachhinein, dass ich kein Foto gemacht habe. In dem Moment hoffe ich allerdings noch, dass die Treppe zufällig dort steht. Wenn der Wanderweg dort weiter gehen sollte, müsste ich umkehren, denn da komme ich mit dem Fahrrad nicht hoch. Es sei denn, ich lade komplett ab. Mhmmm.

        Ich beschließe, das Ehepaar zu fragen, ob man am Strand weiter kommt und grüße. Die beiden schauen mich an und nicken mir zu. Hhhmmm. Keine Franzosen. "Do you speak english?" Ja. Ich bin begeistert. Endlich versteht mich mal jemand. Die beiden lachen. Sie sind aus Stratford-on-Avon und ich assoziiere Herrn Schüttelspeer. Richtig geraten. Frech wie ich bin, frage ich den Mann, ob er hier sitzen würde, weil er Heimweh nach England hat und er hat den gleichen trockenen Humor und bestätigt es. Zur Erinnerung: Die Bucht liegt am Ärmelkanal. Ich frage, ob man am Strand weiter kommt, aber sie wissen nicht, ob es dort weiter geht und zeigen auf die Treppe. Seine Frau läuft allerdings etwas vor, um zu gucken und sagt: "Ich glaube, das geht, da stehen Autos", woraufhin er sie freundlich korrigiert und sagt: "Das sind Schiffe". Später sehe ich, dass sie recht hatte. Es sind geparkte Autos. Aber erst einmal stehe ich an der Treppe und weiß nicht weiter.
        .
        Zurück zu fahren habe ich keine Lust, am Strand ist riskant, und die Treppe komme ich nicht hoch. Am besten ich fahre wieder nach Hause.
        Um nicht ganz tatenlos aus zu sehen, beschließe ich, die Treppe zu inspizieren und laufe nach oben. Tatsächlich, dort geht GR 34 auf einem schmalen Wanderpfad weiter. Ich gehe wieder runter und erzähle es weiter. Und stehe nun. Grübelnd. Was tun?

        Und nun fällt der entscheidende Satz:" I'VE THOUGHT GERMANS ARE ALWAYS ORGANIZED" sagt der Mann süffisant und erklärt, dass doch normalerweise die Briten für skurrile Aktionen bekannt seien. Ich entschuldige meine britische Ader mit einer nachhaltigen Prägung durch Monty Pythons Flying Circus und äußere die Befürchtung demnächst hochgehender Bömbchen am Strand, wenn ich den Wanderweg betrete. Seine Frau lacht und unkt, dass der ganze Wanderweg mit Gattern und Toren vermint sei könnte. Ihr Mann schaut mich unverwandt an und sagt: "Und?" Und als ich nicht gleich begreife, fragt er, ob ich denn nun da hoch wolle oder nicht und wenn ja, dann sollte ich ja wohl mal abladen.

        Wenn man so nett Hilfe angeboten bekommt, darf man natürlich nicht nein sagen und so zerre ich mein Zeug vom Fahrrad und merke, dass das neue Pachsystem nichts taugt. Da muss ich mich drum kümmern. Ich nehme das Fahrrad auf die Schulter, der Mann die Packtaschen und seine Frau Kühltasche und Evazote.
        Oben sehe ich nun ein Schild, auf dem steht, dass der Weg ein reiner Wanderweg ist. Das Verbotsschild, das anzeigt, dass auf diesem Weg Fahrradfahren streng verboten ist, steht hier nicht, sondern am anderen Ende des Weges. Ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen. Aber jetzt bin ich nun mal oben. Außerdem werde ich dann schieben und ich hoffe, das ist okay.
        Ich lade wieder auf und frotzele ein wenig mit dem Mann herum, während sich seine Frau schlapp lacht und Erinnerungsfotos macht. Dann ziehe ich todesmutig von dannen.

        Ich schiebe mein Fahrrad also langsam und verbotenerweise den GR 34 entlang und der Weg ist wunderschön.























        Es ist heiß geworden, ich schätze es sind fast 30 Grad im Schatten. An einem engen Gatter muss ich wieder abladen und anschließend packe ich wie üblich das Zelt quer oben auf.

        An einer steilen Treppe wird das mein Glück, denn ich bin zu schwer und es gelingt mir am Berg das Zelt und das Wasser ab zu machen und das Rad mit dem restlichen Gepäck hoch zu schieben. In der Ferne sehe ich die Engländer, die mir gespannt zu schauen. Meine gelbe Windbreaker leuchtet meilenweit.














        Der Weg endet an einem Strand und nun sehe ich auch das Verbotsschild.




        Auf der anderen Seite des Strandabschnittes geht der GR 34 weiter, wobei er hier nicht reglementiert ist. Fast rutsche ich am Anfang des Weges auf den von einem Bächlein benetzten, nassen Steinen aus und beglückwünsche mich, dass ich die Wanderschuhe mitgenommen habe. Das hätte böse ausgehen können.





        Dann geht es auf der Straße in den malerischen Ort Cancale hinein.













        Die Straßen sind verstopft, denn hinter dem Leuchtturm ist direkt an den Muschelbänken Muschelmarkt.





        Ich flüchte und mein Navi schickt mich eine steile Straße hinauf, die dazu eng und zugeparkt ist. Ich frage an der Touristeninfo nach überregionalen Fahrradrouten, aber sie hat nur einen Plan von zwei lokalen Rundrouten.
        Ich schiebe zur Küstenstraße, auch sie ist steil und viel befahren. Daher biege ich in die vermeintlich ruhigere D 201 Nebenstraße nach St.-Malo ein, die an der Küste entlang führt.





        Sie ist ebenfalls viel befahren, Wohnmobile überholen gewagt und wieder muss ich teilweise schieben. Ein Campingplatz kommt und als der zweite kommt, habe ich die Schnauze voll. Ich checke ein. Den Platz soll ich mir aussuchen und die Nummer melden. Als ich einen riesig großen Zeltplatz (Platznummer 136) direkt am GR 34 finde, bin ich begeistert. Zwar ist der Platz durch einen Zaun vom GR 34 getrennt, der Boden schief und krumm und noch sind viele Wanderer unterwegs, aber die Aussicht! Und an den Zaun kann ich mein Fahrrad ketten. Hier bleibe ich. Der Ortsteil heißt Port-Mer und es ist ein Camping municipale, also ein städtischer Platz, der gut gefüllt ist.








        Ich besichtige ein wenig den Platz und finde ein Tor, durch das man zum Wanderweg kommt. Auch dieser Weg ist ausschließlich Fußgängern vorbehalten.





        Ich suche einen Supermarkt und die Dame von der Rezeption zeigt mir einen flacheren, wenig befahrenen Weg durch Nebenstraßen nach Cancale.





        Auf dem Rückweg sehe ich, dass neben dem Campingplatz in der Tiefe ein weitläufiger Strand ist. Vermutlich ist der Wanderweg ein Zugang dorthin.





        Es gibt Steaks mit Reisfertiggericht vom Discounter, Tomaten und Crêpes, die vor dem Supermarkt verkauft wurden. Die Steaks werden auf dem Benziner perfekt und parallel kocht der Reactor den Reis. Ich bin begeistert. Endlich kein umständliches Hin und Her mit verschiedenen Garzeiten auf dem gleichen Kocher.








        Danach schaue ich auf das tiefblaue Meer. Diese Bilder muss ich Werner zeigen. Das hat er gemeint, als er mir seine Bilder zeigte. Welch eine überbordende Natur. Und dann horche ich in mich hinein. Wird Werner noch da sein, wenn ich wieder komme? Bestimmt, rede ich mir ein. Sicher geht es ihm besser und er wird sich über die Bilder freuen.

        Als die Sonne untergeht, wird es kühl und mit der Flut kommt der Wind. Ich verkrieche mich ins Zelt. Als ich doch noch einmal raus muss, knalle ich mit dem Knie voll auf einen Hering. Es blutet. Gab es da nicht gerade einen Thread zu? An der Stelle setze ich sonst nie einen Hering. Ich hole Pflaster aus der Verbandstasche und finde die Ohropax. Sie sind in dieser Nacht unverzichtbar, denn mit Höllenlärm knallen die Wellen die ganze Nacht über an die Felsen.
        Zuletzt geändert von Torres; 24.09.2012, 21:02.
        Oha.
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          • 11.04.2008
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          #5
          AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

          Die Bretagne steht auch noch bei mir auf der Liste.
          20 Jahre ist das jetzt schon her, wie ich das erste Mal dort war.
          "In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen." Loriot (1923-2011)

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          • Torres
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            • 16.08.2008
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            • Meine Reisen

            #6
            AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

            Donnerstag, 06.09.2012, 47,6 km, St-Malo - Cancale / Port-Mer

            Besonders gut habe ich nicht geschlafen. Der Boden ist einfach zu schief. Zuletzt habe ich mich quer ins Zelt gelegt - Kopf zur Tür, Oberkörper auf der Neoair und Beine im rechten Winkel an der Zeltwand. 1.65 cm Zeltbreite lassen Spielraum. Das Zelt gefällt mir immer besser.

            Rot geht die Sonne über dem Meer auf. Ich werde einen Tag verlängern und heute mal ohne Gepäck die Lage checken.





            Mein rechtes Knie zickt herum. Seit dem Nordseeküstenradweg fühlt es sich ungesund an, als wäre es überlastet worden. Also vorsichtig sein.
            Das Navi habe ich über Nacht angelassen. Wie gut, dass ich genug Batterien dabei habe. 26 Stunden Laufzeit rechne ich aus. Das ist okay. Auf dem Platz hat der Kiosk morgens noch geöffnet. Ich kaufe Baguettes und decke mich mit 3 Litern Wassern ein.

            Ich folge der D201 Richtung St-Malo.





            An der Spitze befindet sich der Pointe du Grouin und einem Herdentrieb folgend fahre ich an den parkplatzsuchenden Autofahrern triumphierend vorbei. Der Ausblick ist wunderschön.

















            Auch hier geht der GR 34 direkt am Meer entlang.





            Das erste Mal beschleicht mich der Verdacht, dass die Küste der Bretagne erst richtig zur Geltung kommt, wenn man sie zu Fuß erkundet.

            Die hügelige Straße lässt sich gut fahren, zumal die böseren Steigungen in Gegenrichtung liegen, aber autofrei ist sie nicht und die Autos tun meinen Ohren weh. Bei Le Verger lockt ein Strand, aber mir fehlt die Ruhe dazu, baden zu gehen. Ein innerer Motor treibt mich weiter.





            Mein Knie berappelt sich langsam, das lässt hoffen. Zum Strand hin ist es steil bergab gegangen und andere Radfahrer mit Rennräder quälten sich hinauf. Nun bin ich dran - und schiebe. Ab einem bestimmten Steilheitsgrad muss ich passen – auch ohne Gepäck.





            Ich werde zurück eine andere Strecke wählen. Es ist heiß geworden, die Temperaturen werden auf über 30 Grad steigen. Sommer!

            Ich biege bei Les Chevrets von der Straße ab. Tief geht es hinunter, das werde ich nachher ebenfalls schieben müssen.








            Eine Tarpburg steht am Hang. Ods?





            Unvermittelt taucht eine Bucht auf - ist das schön hier. Ein Wagen mit Göttinger Kennzeichen stört das Bild und ich muss die Perspektive ändern.











            Über einen Sandparkplatz geht es Richtung Sandstrand, fast rutsche ich aus. Einem Rennradler passiert später das Gleiche.





            Wieder lockt der GR 34, aber ich radele (schiebe) zurück.




            Ein Kiosk hat geöffnet und ich kaufe noch eine Flasche Wasser. 2 Liter habe ich schon getrunken und der Tag bzw. die Hitze fängt erst an.

            Dann nähere ich mich St-Malo.





            Ein langer Sandstrand liegt vor den Vororten und lässt den Blick auf die vorgelagerte Festung zu.





            Ich fahre parallel zu Hauptstraße durch ruhige Nebenstraßen. Ein LKW versperrt die Straße. Transportiert er die Hotelwäsche ab? Ich weiß es nicht.





            Mit Erstaunen nehme ich zu Kenntnis, dass es Radwege in St-Malo gibt.





            Sie erleichtern das Fortkommen ungemein und so radele ich selbst die Steigungen relativ problemlos hoch.

            Die Festungsanlage mit Schloss sieht beeindruckend aus und ich biege in den alten Festungskern der Stadt ein. Kleine Gassen erwarten mich, in denen sich kleine Läden befinden.











            Die Gassen sind teils autofrei, dennoch fahren Autos nach nicht erkennbaren Regeln herum und man muss aufpassen. Ich schaue, ob ich vielleicht einen Fahrradladen finde, wo ich eine Lenkertasche kaufen kann, aber ich finde nichts derartiges. Essen, Klamotten, eine Schule. Ich verirre mich in den Gassen und komme am Zugang zu den vorgelagerten Inseln heraus.








            Aber bleiben will ich hier nicht. Ich merke, dass mir die Stadt zu viel wird. Zu viele Menschen, zu viele Autos. Meinen Plan, zu schauen, ob man an der vierspurigen D 768, an der auf der Landkarte erstaunlicherweise der GR 34 eingezeichnet ist, wirklich die Bucht queren kann, gebe ich auf. Ich will hier weg.

            Das Navi lenkt mich über Hauptstraßen Richtung Cancale. Anscheinend funktioniert das Fahrradrouting in Frankreich mit der Straßenkarte nicht, denn ich bekomme nur die großen Straßen angezeigt. Nebenstrecken, wie sie in Deutschland im Radmodus ausgewiesen werden, muss man sich selbst suchen. Immerhin hilft mir diese Erkenntnis weiter. Ich biege auf eine kleinere Landstraße im Binnenland ein und lerne auf dem Rückweg, dass die Straßen abseits der Küste weniger steil sind.





            Und die Landschaft ebenfalls vielfältig ist. So erreiche ich St-Columb.

















            Dann wird der Verkehr wieder dichter und die Straße steiler. Ich flüchte in eine Seitenstraße und zufällig ist tatsächlich hier ein Radweg, der auf ein Teilstück des GR 34, das sich wunderbar fahren lässt. Hier fahren keine Autos und ich atme tief durch.








            Damit habe ich den Trick gefunden, den ich gesucht habe: Man muss im Binnenland querfeldein von Küste zu Küste fahren und größere Landstraßen und die Küstenrouten meiden. Dann kann man wunderschön und einsam durch die Bretagne radeln.

















            Ich kaufe noch ein paar Sachen in dem schon vertrauten Supermarkt ein. Dann döse ich ein wenig in der Sonne.








            Als ich später den Reactor anmache, stelle ich fest, dass die Kartusche alle ist und suche die mittlere Reservekartusche. Ich hatte doch extra aufgepasst, dass ich sie von der Lenkertasche in die Packtasche packe. Ich durchwühle alles, aber sie bleibt verschwunden. Also muss ich morgen shoppen gehen. Die ods-Hotline versorgt mich mit Adressen. In St-Malo gibt es einen Sportladen und in St-Jouen-des-Gerets einen Decathlon. Na, Prosit.

            Um Gas zu sparen, brate ich die rohen Kartoffeln an, dazu gibt es Ei und Tomate.





            Drei Kartoffeln bleiben übrig, die ich zusammen mit zwei Fertiggerichten (ich kann das Zeug nicht mehr sehen) und noch irgendetwas anderem einem Ehepaar aus Jena schenke, die mit dem Wohnmobil unterwegs sind. Sie freuen sich, wir reden noch ein wenig und hinterher bringt mir die Frau ein Fläschchen Bier. Der Kronkorken ist ein Drehverschluss, verrät sie mir. Äußerst praktisch, wie ich am nächsten Tag feststelle.

            Als ich spülen gehe, killen die Reisreste vom Vortag den Ausfluss. Einen Stampfer suche ich vergebens. Ich verziehe mich unauffällig, bevor ich noch auf die Idee komme, die Rohre aus einander zu schrauben.

            Aber ein Unglück kommt selten allein. Schon am Nachmittag hatte sich eine Verdauungsstörung angekündigt, die sich nun entlädt. Ohne mit Details langweilen zu wollen, kann ich sagen, dass ich mit der Regenhose in den Schlafsack krieche. Wieder ein Ausrüstungsgegenstand, der gebraucht wurde. Ich beglückwünsche mich zu meiner Packliste.
            Oha.
            (Norddeutsche Panikattacke)

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            • Ditschi
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              • 20.07.2009
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              #7
              AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

              Hallo Torres,
              endlich auch die Bilder zu Deinem Bericht. Werner ( Cervantes) hätte Freude an Bericht und Bildern gehabt. Eine schöne Idee, Beides ihm zu widmen. Aber er hat Dich ja auch zum Reiseziel animiert.
              Ich habe auch Freude dran. Als Küstenbewohner, der sich am wohlsten fühlt in der amphibischen Welt zwischen Land und Meer, sprechen mich Bilder vom Stränden, Häfen, Schiffen und Wasser in besonderem Maße an.
              Das wäre ein lohnendes Reiseziel.
              Toll, was Du mir Deinen Rad alles erfährst.
              Gruß Ditschi

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              • Torres
                Freak

                Liebt das Forum
                • 16.08.2008
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                #8
                AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                Freitag, 07.09.2012, 54,6 km, St-Lunaire

                Die Sonne geht auf und ich packe diszipliniert meine Sachen. Ich will weiter ziehen.





                Ich fahre den Weg Richtung Supermarkt und dann dem Navi folgend Richtung Hauptstraße, da ich nicht mehr genau weiß, wo der gestrige Radweg verlief. Ich vergesse, dass er im Navi gespeichert ist.
                Die Hauptstraße ist gut asphaltiert und es sind weniger Autos unterwegs als gestern. Aber auch wenige sind noch zu viel. Cancale liegt im Morgendunst.








                An einer Einmündung halte ich und biege auf gut Glück Richtung Binnenland ab.





                Und lande auf einer Veloroute, die an dem gestrigen Teilstück des GR 34 vorbei führt. An Feldern und Wiesen vorbei geht es nun relativ eben und konsequent nach Navikarte auf direktem Wege Richtung St-Malo. Schön hier. Es muss nicht immer die Küste sein.











                An einer Pferdekoppel frühstücke ich und die Pferde leisten mir Gesellschaft. Es ist nun gegen 10.00 Uhr und noch ist es kühl.








                Bald bin ich in St-Malo und auf ruhigen Straßen erreiche ich den Stadtkern und das Einkaufszentrum.














                Der Sportladen entpuppt sich als decathlonähnliche Kette. Gaskartuschen hat er nicht, aber eine Lenkertasche für 29,95, die man an den Lenker kletten kann. Das Teil ist ziemlicher Schrott und ein Kartenfach hat es nicht, aber besser als nichts. Später stelle ich fest, dass eine neongelbe Regenhülle dabei ist. Die Hülle ist schon aufgrund der Signalwirkung unbezahlbar und hält das Teil, das schief unter der Ortliebhalterung hängt, tatsächlich wasserdicht. Und schnell mal was reinstopfen kann man auch. Also doch ein tauglicher Kauf. Diese Foto ist viel später entstanden, zeigt aber die sensationelle Regenhülle samt vorgelagertem Inhalt. Für 4 Joghurtbecher wäre die Tasche zu klein.





                Das heißt nun allerdings, dass ich noch zu Decathlon muss. Mein Navi lenkt mich auf eine vielbefahrene Landstraße - vergleichbar mit einer deutschen vierspurigen Bundesstraße. Ich radele um mein Leben auf einem winzigen Randstreifen, die Steigung packe ich fast , dann donnere ich die Ausfahrt runter und lande direkt im Decathlon. Naja, nicht ganz, aber der Laden liegt direkt an der Ausfahrt.





                Mit bangem Blick steuere ich auf das Gaskartuschenregal zu und da stehen sie: Zwei kostbare Primus-Schraubkartuschen. Die Winzigen. 100 gr. Dose. Mehr haben sie nicht, die Saison ist vorbei.
                Ich zahle 9,95 Euro und bin dennoch happy. Noch weiß ich nicht, dass ich sie gar nicht brauchen werde, weil der Reactor so wenig Gas verbraucht. Am Ausgang nervt ein rhythmisches Video. Hier werden schon die Kleinsten der Kleinen auf kreischbunte Klamotten für 4,95 Euro gepolt. Wo lässt Decathlon eigentlich fertigen?

                Auf einer Nebenstrecke fahre ich zurück und entdecke in einem Wäldchen sogar einen netten Campingplatz.








                Dann muss ich doch wieder auf sie rote Landstraße, um zu Querung der Bucht zwischen St-Malo und Dinard zu kommen. Ich interpretiere das Navi falsch und fahre rechts in die Ausfahrt, die mich zurück zu Decathlon bringen würde.





                Vorsichtig schiebe ich mich rückwärts wieder zurück und hoffe, dass mich kein Ordnungshüter sieht. Mit dem Rad fährt man nicht mal so einfach um den Pudding.

                Dieser Straße mündet in die vierspurige D 768 ein, die zur Querung der Bucht führt.





                Rechts und links Idylle.








                Dann fällt sie steil ab. Und hinter der Kurve stockt mir der Atem. Was für ein Panorama. Als ich etwas tiefer anhalten kann, mache ich ein Bild, doch gibt es den ersten Eindruck nur ansatzweise wieder.





                Und dann denke ich: Da komme ich nie wieder hoch. Auf dem Rückweg muss ich mir etwas einfallen lassen.





                Unten angekommen sehe ich, dass der GR 34 eine eigene Fahrbahn hat. Auch hier sind Fahrräder nicht erwünscht und ich schiebe. Eine Treppe schaffe ich ohne ab zu laden.











                Am Ende der Brücke mache ich Pause, wieder sind 30 Grad und die Sonne brennt. Mein Kopf brummt, auch von dem Verkehr. Die Autos schieben sich wie ein stetiger, unaufhörlicher Strom vorbei.

                Die Ampel am Parkplatz verschafft mir einen kurzen Moment Luft, als ich auf die Hauptstraße einbiege, aber gleich ist klar, ich werde schieben müssen. Der GR 34 verschwindet an einer Treppen im Hang.





                Die kleine Seitenstraße, die auf meinem Navi ausgewiesen ist, ist für Servicefahrzeuge und die Einfahrt für Fahrzeuge verboten. Für Fahrräder auch?





                Ich sehe einen Bauarbeiter am Gebäude und nutze meine Chance. Ich biege ein, rufe ihn und frage, ob ich da hochfahren darf. Auf der Hauptstraße sind so viele Autos. Er nickt verständnisvoll. Nun schiebe ich in Ruhe mein Fahrrad den Berg hoch und als ich oben ankomme, fragt mich eine Französin nach dem Weg. Kein Problem, mein Navi hilft.





                Ich will Dinard umfahren und halte mich aufgrund meiner Navikarte an eine Wegführung, die so weit es geht geradeaus zur gegenüberliegenden Küste führt. Bei St-Briac-sur-Mer ist eine weitere Brücke, die ich nehmen muss, um weiter zu kommen und ich hoffe, dass sie etwas weniger befahren ist. Die Idee, Nebenstrecke zu fahren, bewährt sich. Erst irre ich in Wohngebieten etwas herum, wobei ich einen schönen Nebenweg finde und einmal fahre ich gegen die Einbahnstraße, aber das ist bei Radfahrern wohl hier auch üblich.











                Später wird es landschaftlich schön und ruhig.





                Als ich mich der Gegend um St-Lunaire nähere, gibt es sogar wieder Velorouten und Straßenschilder, die Rücksicht auf Fahrräder einfordern.








                Am frühen Nachmittag komme ich in St-Briac-sur-Mer an und der Ort ist typisch französisch.





                Der Buchhändler öffnet gerade nach der Mittagspause, aber eine Karte der Radwege in Frankreich hat er nicht. Die Touristeninformation ist nett und kompetent, aber auch sie haben nur Infos über lokale Routen und die Strecke, die ich gefahren bin, kennen sie gar nicht.








                Zwei Plätze gibt es in dem Ort. Ich fahre zu dem oberen Platz, aber er ist im Binnenland und wirkt etwas bieder. Ich beschließe, in St-Lunaire zu schauen. Die Strecke ist hügelig, aber meine Kondition ist besser geworden. Der Platz in St-Lunaire ist auch nicht besser, aber zurück fahren will ich nicht.

                Ich stelle mein Zelt in die Sonne und fahre einkaufen.














                Beim Schlachter erwerbe ich Boudin und Merguez und im Supermarkt Feldsalat mit Löwenzahn und Schnellreis. Auf dem Rückweg stelle ich fest, dass der Ort Charme hat und an der Promenade über Bäderarchitektur verfügt. Der Strand fasziniert mich jedoch mehr.








                Den Reis bereite ich im Reactor zu, den Rest auf dem Benziner. Laut hallt er über den Platz, aber die Franzosen sind lärmunempfindlich und nehmen es mit Fassung.





                Das Innenzelt ist am Boden nur an einer Seite mit Schnellverschlüssen versehen und so statte ich die andere Hälfte des Innenzeltes mit Karabinern aus, um auch hier einen Schnellverschluss zu haben.





                Und mache gleich noch ein Bild des Schnellverschlusses, der den separaten Abbau des Innenzeltes so einfach macht.





                4 Heringe reichen mir mittlerweile zum Aufbau des Zeltes. Wir sind echte Freunde geworden. Mein Fahrrad schließe ich am Gestänge an. Besser als nichts.





                Dann gehe ich an den Strand. Verlassene Buden zeugen von regem Treiben im Sommer. Man kann es nicht verleugnen: Der Herbst kommt.














                Zuletzt geändert von Torres; 25.09.2012, 13:38.
                Oha.
                (Norddeutsche Panikattacke)

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                • Julia
                  Fuchs
                  • 08.01.2004
                  • 1384

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                  Du schreibst so kurzweilig, vergnüglich, humoristisch und informativ. Es ist immer eine Freude, Deine Berichte zu lesen!

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                  • tbrandner
                    Erfahren
                    • 03.11.2010
                    • 489
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                    Schöner Reisebericht!
                    Weckt schöne Erinnerungen in mir. Ich war mit dem Reisemobil vor 2 Jahren dort.
                    Mir hat's so gut gefallen, dass ich eine Woche Trekking auf der Halbinsel la Finistere (Point du Raz) gemacht habe.
                    Ich weiß, der Reisebericht fehlt noch - vielleicht komme ich bald mal dazu ...

                    Weiter so :-)
                    Thomas
                    _____________________________________
                    Meine Seite: http://www.thomasbrandner.at

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                    • Flachlandtiroler
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                      • 14.03.2003
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                      #11
                      AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                      Zitat von Julia Beitrag anzeigen
                      Du schreibst so kurzweilig, vergnüglich, humoristisch und informativ. Es ist immer eine Freude, Deine Berichte zu lesen!
                      Vollste Zustimmung -- schon die Einleitung ist köstlich, hält dem ODSler geradezuden Spiegel vor

                      Davon ab hätte ich auch erwartet dass die Küstenlinie AKA GR34 eher was zum wandern ist. Aber das wäre ja einfach...

                      Gruß, Martin
                      Meine Reisen (Karte)

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                      • Torres
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                        • 16.08.2008
                        • 32315
                        • Privat

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                        #12
                        AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                        Samstag, 08.09.2012, 36,2 km, Pléhérel-Plage (Vieux Bourg)

                        In der Nacht sind zwei weitere Wohnmobile auf dem Abschnitt gelandet, auf dem ich stehe und auch diese haben wie der Nachbar kläffende und Exkremente verteilende Schoßhündchen dabei. Beschäftigungstherapie für gelangweilte Ehepaare on Tour?

                        Ich fühle mich, als hätte mir jemand mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen. Bekomme ich eine Erkältung? Das Wetter macht Anzeichen, um zu schlagen. Als ich das Zelt trocken wische, kommt ein halber Liter Wasser zusammen.










                        Meine Beine sind schwer und mein Kopf schläft. Ich verfahre mich und muss schieben. Dann erreiche ich erneut St-Briac-sur-Mer und wieder finde ich den Ort wunderschön. Im Zentrum herrscht reges Treiben, man diskutiert oder ist in Eile und ich versorge mich mit Baguette, Käse, einem Kartoffelpuffer und Obst. Ein alter R4 glänzt vor der Tür.











                        Als ich Richtung Brücke fahre, kommt mir eine Dreiergruppe mit Ford Mustangs entgegen. Einer ist dunkellila lackiert. War das damals modern? Ein Porschefahrer röhrt um die Kurve – Berufssöhnchen gibt es wohl auch in Frankreich. Am Weg zur Brücke kann man Bootsbedarf kaufen, hier ist ein Paddelrevier.

                        Die Brücke kann ich problemlos passieren, aber für ein Fotos ist keine Zeit. Dann fahre ich bei Lancieux auf Nebenstraßen weiter, die ruhig und weniger steil sind. Ich trödele herum und mache viele Fotos.











                        Ein Dööschwo (Deux Cheveaux) heizt in einer Abgaswolke durch die stillen Straßen und ich bin überrascht, wie das Auto stinkt. War das schon immer so?





                        Irgendwann muss ich wieder einen Hügel hoch schieben und eine brombeersammelnde Französin zeigt Mitgefühl. Dann fahre ich eine Passage auf der recht ruhigen Hauptstraße Richtung Trégon und verwechsle links und rechts. Das ist aber gar nicht schlecht, denn auf diese Weise finde ich eine schöne Veloroute, die mich entfernt von Hauptstraßen Richtung Trégon bis nach Matignon führen wird..




















                        Kurz vor Trégon treffe ich auf eine Variante des GR 34. Das Umfeld der Holzschranken entpuppt sich als Freilufttoilette. Anscheinend treffen sich hier gruppenweise bedürftige Radler und Wanderer. Der Ausblick ist von hier aus aber schön.











                        Der Weg kommt am Ortsausgang von Trégon raus und geht auf der anderen Straßenseite weiter. Es dauert, bis ich die Straße überqueren kann.





                        Ein einsames Haus lockt. Derartige Pensionen gibt es in Frankreich gerade in abgelegeneren, schönen Gegenden viele und die Zimmer sind noch nicht einmal sehr teuer. Sie sind an dem grünen Logo zu erkennen, das man an der Regenrinne sieht.








                        Gegen Mittag erreiche ich unvermittelt eine Wiese und dahinter steht ein altes Gemäuer. Interessiert trete ich näher.





                        Es ist ein ehemaliges Schloss, das Château du Guildo. Ich schiebe mein Fahrrad auf das Gelände und lehne es an einer steinernen Sitzzgruppe an, an der sich zu gleichen Zeit eine Familie eingefunden hat. Dann besichtige ich das ehemalige Schloss.


























                        Ich gehe zum Fahrrad zurück und beschließe, ebenfalls zu picknicken, die Familie hat sich weg gesetzt und liegt nun auf der Wiese. Ich schaue auf das Meer und kann mich nicht satt sehen. Danke, Werner, dass Du mir diesen Tipp mit der Bretagne gegeben hast. Hier würde es Dir gefallen. Und dann merke ich, dass ich endlich Gewissheit haben muss. Geht es ihm besser? Geht es ihm schlechter? Ist es vorbei?





                        Ich rufe Anja2 an. "Ja, der Werner liegt im Sterben", ist die geradlinige Antwort in rheinischem Tonfall. "Ich habe Dir doch eine lange mail geschrieben". Mein Herz setzt aus. Eigentlich kannte ich die Antwort, aber wenn man es dann hört, ist es noch einmal ganz anders. Ich erzähle, dass ich keine mails lesen kann, weil ich in der Bretagne bin und sie stellt ganz betroffen fest: "Du machst seinen Urlaub". Sie hat es auf den Punkt gebracht. "Ja", sage ich, "er wollte doch, dass ich hier hinfahre. Aber ich bin in einer anderen Ecke". Wir telefonieren lange. Die Familie ist rund um die Uhr bei ihm. Länger als Montag wird er es nicht mehr schaffen. Wir lassen Erinnerungen aufleben und müssen sogar lachen. Dann bricht die Verbindung ab und ich bin im Funkloch.

                        Ich esse und versuche, zu verarbeiten. Es geht ihm gut, er hat mit dem Leben abgeschlossen. Bald wird er keine Schmerzen mehr haben. Und wie Anja2 richtig sagt: Er hat viel im Leben erreicht von dem, was er sich vorgenommen hatte. Es ist, wie es ist.

                        Lange noch schaue ich auf die Bucht und meine Gedanken sind leer.





                        Nach gut einer Stunde fahre ich weiter und überquere den Fluss.











                        Hinter der Brücke geht die Veloroute weiter, klein ist das Schild links von dem Restaurant, aber ich entdecke es.





                        Ich biege in einen schönen, kühlen und bald von einem tiefen Tal begrenzten Wald ein.





                        Und dann merke ich, dass ich keine Luft mehr bekomme. Nicht mehr atmen kann. Und ich muss anhalten und mich beruhigen. So einfach steckt man das nicht weg. Unsere Verbindung war eine ganz Besondere. Enger als die zu vielen anderen Menschen, die man kennt oder Freunde nennt. Und die Bilder des Abschiedes sind nah.

                        Dann geht es wieder und ich fahre weiter.











                        Ich erreiche Matignon. Die Touristeninformation hat geöffnet und das Mädchen weiss sofort, was ich meine, als ich von Radwegen rede. Sie drückt mir die offizielle Karte der aktuellen Voie verte in die Hand. Dann bekomme ich einen Ausdruck der aktuellen regionalen Route in die Hand und empfiehlt mir den Campingplatz Municipal in Pléherel-Plage. Sie warnt mich, mich nicht nach den Schildern zu gehen, sondern nach der Karte. Den Rat beherzige ich zwar, scheitere aber an der Umsetzung.





                        Ich kaufe Baguette im Ort und fotografiere die Kirche, dann geht es auf ausgeschilderten Nebenstrecken Richtung Pléboulle.








                        Auch eine ergiebige Schiebestrecke darf nicht fehlen. Es ist drückend heiß.








                        Und am Ende dieser Schiebestrecke verliere ich die Orientierung. Obwohl ich ausgiebig Karte, Ausdruck und Navi studiere. Aus irgendeinem Grund bilde ich mir ein, ich wäre erst an der ersten Weggabelung statt an der zweiten. Möglicherweise benebelt meine stylische Kühltüte die Sinne.





                        Vermutlich ist es aber eher die Hitze. In der Ferne reflektieren gleißend die Autos und die Luft über den Feldern flimmert.





                        So biege ich dem Radschild folgend links ab und das ist falsch. Zwar ist der Weg sehr schön, aber nach kurzer Zeit heißt es schieben, schieben, schieben.




















                        Vor allem habe ich mich dadurch weit von dem Radweg entfernt. So fahre ich Richtung Fréhel. Eine Frau sitzt regungslos auf einer Bank am Platz vor der Kirche und ich bemerke sie erst, als ich mich erschrecke, weil sie sich bewegt.











                        Der Camping municipale „Le pont de l´etang“ in Pléhérel Plage ist schnell erreicht, da die Steigungen gut zu fahren sind. Ich zahle 6,90 € und die Platzwahl ist mir überlassen. Keine leichte Aufgabe. Der Platz besteht aus einem riesigen, naturbelassenen Areal inmitten von Dünen mit vielen abgelegenen Ecken und Plateaus. 900 Stellplätze hat er im Sommer. Ich habe keine Lust, lange zu suchen und baue in der Nähe der Sanitäreinrichtungen 4 auf. Dort steht das Zelt geschützt, ich kann ein Stück vom Meer sehen und in den Bäumen dahinter lässt sich das Fahrrad anschließen. Später sehe ich noch bessere Plätze, die völlig abgelegen sind, aber ich bleibe bei meiner Entscheidung. Etwas Gesellschaft wird mir gut tun. Es sind deutsche Wohnmobile in der Nähe. Ich mache mich bekannt und weiß, sie werden auf meine Sachen acht geben.








                        Dann gehe ich an den Strand. Tiefblau liegt das Meer vor mir.








                        Immer noch sind 30 Grad und ich tauche in das klare, kühle Wasser ein. Auf dem Boden ist reiner, feinkörniger Sand. Und ich schaue in die Ferne, sehe den Leuchtturm und spüre so intensiv wie noch nie, dass ich lebe.

                        Später setze ich mich an den Strand und suche Muscheln. Und ich fühle, dass Werner seine Reise schon angetreten hat. Vielleicht hat er seinen Körper noch nicht verlassen, aber er ist schon unterwegs.

                        Es wird kühl und ich gehe langsam zurück. Eine Familie verlässt den Strand mit einem mit einem Motorboot und das kleine Mädchen schreit erbarmungswürdig, weil es das Boot nicht tragen darf. Ich koche eine kleine Mahlzeit.





                        Später gehe ich in Richtung Rezeption, weil nur dort Handyempfang ist. Ein Wohnmobil steht am Rande, aber dieses Ehepaar hat keinen Schoßhund, sondern Vögel vor der Tür.





                        Vor dem Campingplatz ist ein Restaurant und ich setze mich hinein. An so einem Abend sollte man nicht alleine sein. Die Sonne geht unter und es wird eine klare Nacht. Ich esse Muscheln aus der Region, trinke einen Chardonnay dazu und zum Nachtisch gibt es ein Crêpes mit Schokolade.











                        Als ich zum Zelt zurückkomme, ist der Himmel sternenklar. Obwohl die Sanitärräume beleuchtet sind, steht über meinem Zelt die Milchstraße und sie wirkt, als könne man nach ihr greifen. Eine Sternschnuppe fällt vom Himmel und ich denke an Werner. Ein strahlender Stern, der vom Himmel fällt und verglüht. Noch lange schaue ich in die Nacht hinaus, noch lange. Das Leben ist so groß. Nie darf man das vergessen.

                        „Wohin?“, fragte Monty eifrig. „Was ist Mana-hatin?“
                        „Die Legende sagt, es ist ein magischer Ort, an dem alle Lebewesen in Frieden und Harmonie miteinander existieren. Auch jetzt sind wir mit Mana-hatin verbunden, und die Menschen sind mit uns verbunden, mit der Welt um uns herum und mit dem Universum. Es ist wie ein Ring, ohne Anfang und ohne Ende...“ Er atmete schwer.
                        „Weiter! Erzähl mir mehr!“, versuchte Monty ihn wach zu halten.
                        „Sambucina wächst zum Beispiel in Mana-hatin. Das Geheimnis ist ganz einfach: Wer die Natur annimmt, wird von der Natur angenommen. Jedes Leben hat seine Bedeutung, es ist kostbar und wertvoll. Wir müssen es beschützen.....“

                        Aus: Die Story von Monty Spinneratz: Das Buch zum Film / Augsburger Puppenkiste. Von Werner Morgenrath. Nach dem Drehbuch von Peter Scheerbaum und Werner Morgenrath. München, 1997, S. 50.


                        Zuletzt geändert von Torres; 25.09.2012, 15:35.
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                          • 16.08.2008
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                          #13
                          AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                          Sonntag, 09.09.2012, 5,74 km GR 34

                          Am nächsten Morgen bin ich ziemlich angeschlagen.

                          Dann setze ich mich hin und schreibe an Werner. Über unsere Seelenverwandschaft. Über das Ods Treffen in Breckerfeld, als ich die Kölner wecken wollte und Werner nicht aufwachte. Und ich einen endlos scheinenden Moment dachte, er sei tot. Und dann, als ich überlegte, wen ich um Hilfe rufen könne, der Reißverschluss doch noch aufging und Werner aus dem Zelt kam. Und ich mit belegter Stimme sagte: "Werner, Du bist nicht aufgewacht. Bitte geh zum Arzt, da stimmt was nicht". Und ein bis zwei Monate später eine PN von ihm kam, ich hätte Recht gehabt, er hätte meine Warnung sehr ernst genommen, aber man hätte nichts gefunden und nun sei die Krankheit da. Und mir fällt nichts Besseres ein, als zu antworten: Kein Glück gehabt und dann kam noch Pech hinzu.
                          Ich schreibe noch mehr. Und mein "Brief" endet mit den Worten: "Als wir uns am letzten Tag im Innenhof der Klinik unterhielten, stellten wir fest, dass wir beide die Bücher von Arto Paasilinna mögen. Auch Du kanntest "Schutzengel mit ohne Flügel". Solltest Du also einem von uns odslern zugeteilt werden: Bitte treib es nicht so dolle. Und pass auf die Benzinkocher auf! ". Und ich weiß, dass er über die letzten Sätze lachen würde. Danach geht es mir wieder besser.

                          Ich verlängere um einen Tag und radele in den Ort. Die Aussicht an der Küstenstraße ist phänomenal und ich merke erst jetzt, wie idyllisch der Campingplatz wirklich gelegen ist. In der Ferne der Leuchtturm von Cap Fréhel.











                          Radfahrer sind unterwegs, später wird ein ganzer Renntrupp kommen. Dass die Kirche einen besonderen Friedhof besitzt – war es einer der letzten keltischen Friedhöfe? Oder ein bretonischer? - weiß ich da noch nicht.





                          In einem kleinen Laden besorge ich Frühstück. Eier, Marmelade, Baguette und eine gute Flasche Rotwein für den Abend. Dann fahre ich eine etwas andere Strecke und mache noch ein Foto von den Restaurants. Würde man hier nicht französisch sprechen, würde ich wetten, ich wäre in England.





                          Für jedes Kind steht hier ein Baum. Eine Tafel ordnet die Bäume den neu geborenen Kindern des Ortes zu. Irgendwann wird an dieser Stelle ein großer Park sein. Heute ist er Hundeauslaufplatz für Wohnmobilisten.





                          Rennfahrer erobern die Küstenstraße.





                          Ich frühstücke auf meinem pinkfarbenen Strandhandtuch, das ich vor zwei Jahren bei einem großen französischen Outdoordiscounter erworben habe. Die Farbe hat odsrelevante Bewandtnis, die ich hier nicht weiter ausführen möchte und kein Grund für Lästereien sein sollte.





                          Der Himmel zeigt erste Anzeichen von Hitzebewölkung. Später wird es sehr heiß und schwül werden. Das Wetter soll schlechter werden. Ich beschließe, ein Stück GR 34 in Richtung Cap Fréhel zu laufen. Es ist Sonntag und an den Stränden sind viele Menschen, die Erholung suchen. Der GR 34 verläuft am Campingplatz und ich wandere über den Platz. Es ist eine riesige Anlage in den Dünen und es gibt versteckte Plätze, in denen man das Gefühl des Wildcampens haben kann. Andere Stellen haben einen wunderbaren Meerblick und sind aber auch entsprechend von Wohnmobilen besetzt.

















                          Hinterher erfahre ich, dass hier viele Wohnmobilisten, die am Atlantik Urlaub gemacht haben, hier die letzten Tage vor der Rückreise verbringen. Der Platz ist von der Sonne verwöhnt und verfügt über eine erstaunlich stabile Wetterlage für die Region. Viele kommen schon seit Jahren in der Nachsaison hier her.

                          Ich rede mit einem Aachener Ehepaar, das interessiert mein GPS betrachtet. Dann sehe ich die ersten GR 34 Markierungen. Teilweise führt der Wanderweg direkt über den Platz.





                          Ich finde den Einstieg und der Fernwanderweg führt idyllisch auf einem kleinen Pfad an der Küste entlang.














                          Immer wieder sieht man Toilettenpapier am Rand (schlimmer noch: es sind feuchte Tücher) - sind das wirklich immer die anderen? Das Bild ist etwas später gemacht, aber so sieht es an vielen Stellen aus.





                          Dann geht der Weg auf der Straße weiter. Die meisten Autofahrer parken nur, so ist wenig fließender Verkehr. Dennoch bin ich froh, als ich ein Drängelgitter sehe. Dass die Markierung des linken Pfostens extra darauf hinweist, dass der GR 34 hier nicht weiter führt, übersehe ich.





                          So zerkratze ich mir die Beine an dem Buschwerk, werde aber durch die Aussicht entschädigt.








                          Dann geht es bergab auf einen Sandstrand und auf der anderen Seite wieder steil hoch. Auf der anderen Seite der Straße ist ein weiterer Campingplatz. Erneut laufe ich nun ein Stück die Straße entlang.
                          Dann geht der GR 34 links ab und entpuppt sich als ein mit Drähten an den Seiten gesichert Weg. Die Markierung ist auf die Pflöcke aufgetragen.





                          Drei Fernwanderinnen kommen mir entgegen, den Blick fest auf den steinigen Weg geheftet. Einen Moment habe ich das Gefühl, dass sie von der Umgebung gar nichts mitbekommen, sondern im "Flow" mittlerweile mechanisch die Strecke abreißen. Ein Umstand, der mir nicht unbekannt ist.








                          Der Weg ist viel begangen, denn von hier aus ist Cap Fréhel gut zu erreichen. Auf 3 km schätze ich den weiteren Weg. Allerdings meldet sich mein rechtes Knie angesichts des steinigen, rutschigen Untergrundes wieder zaghaft zu Wort und da ich nichts riskieren will, beschließe ich, um zu kehren. 3,5 km bin ich gelaufen. Der Himmel zieht sich langsam zu, als ich zurück gehe. Diesmal laufe ich den richtigen Weg, lasse den Plage de la Fosse rechts liegen und übe auf dem Rückweg, Blumenfotos zu machen. Mit mäßigem Erfolg.











                          Am Abend gibt es Tomatensuppe aus meinen Beständen mit morgens erworbenen Dosenerbsen und hart gekochten Eiern. Dazu gibt es die restlichen Maiskolben.





                          Ein Franzose baut sein Vorzelt ab und schickt seinen kleinen Sohn zur Müllentsorgung auf alt-französisch: Pappe, ein kaputter Stuhl und der abgebrochene Sonnenschirm werden zwischen die Bäume neben den Toiletten geworfen.

                          Ein Ehepaar aus Aachen erzählt mir, dass die Ile de Brehat wunderschön ist. Sie ist autofrei und liegt hinter St-Brieuc, das ich morgen ansteuern möchte. Das klingt gut. Ich habe ein Ziel. Von meiner ursprünglichen Route bin ich längst abgekommen. Zwar könnte ich es mit viel Energie bis Pointe Du Riaz schaffen, aber dann müsste ich mit dem Zug zurück fahren. Zwar sind die Distanzen in der Bretagne klein - meine Tagesetappen sind in Autokilometern selten länger als 30 km, selbst wenn ich das Doppelte brauche, um das Ziel zu erreichen -, aber die Wegsuche und die Steigungen kosten Zeit. Und ich bin mental einfach nicht auf der Höhe, das lässt sich nicht verleugnen. Immerhin weckt die Tatsache meinen Ehrgeiz, dass der Mann nachdenklich sagt: Bis St-Brieuc müssen Sie erst einmal kommen. Aber ich bin zuversichtlich - die steile Küstenroute werde ich meiden.

                          In der Nacht träume ich von einem ods User (der Name ist mir bekannt, wird hier aber nicht verraten), der mir ein fünfteiliges Hubba Hubba in die Hand drückt, weil die Vaude Zelte alle undicht seien. Anscheinend beginne ich mich zu erholen. Mein Zelt ist selbstverständlich dicht, wie ich bereits testen konnte und ein fünfteiliges Hubba Hubba habe ich bisher noch nicht gesehen.
                          Zuletzt geändert von Torres; 25.09.2012, 16:55.
                          Oha.
                          (Norddeutsche Panikattacke)

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                          • Atze1407
                            Fuchs
                            • 02.07.2009
                            • 2425
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                            #14
                            AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                            Eine feine Tour, Danke Torres.

                            LG
                            Atze
                            Wenn du den Charakter eines Menschen kennenlernen willst, gib ihm Macht.
                            Abraham Lincoln

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                            • Detti
                              Gerne im Forum
                              • 16.06.2012
                              • 73
                              • Privat

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                              #15
                              AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                              Ich bin immer wieder fasziniert über die tollen Reiseberichte.

                              Ganz toller Bericht und beeindruckende Bilder, als wäre man dabei gewesen.

                              Danke für die Mühe und Arbeit die in diesem Bericht stecken.
                              Gruß Detlev

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                              • Harry
                                Meister-Hobonaut

                                Lebt im Forum
                                • 10.11.2003
                                • 5069
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                                Respekt Torres.
                                Wunderbar, dass du diese Reise unternommen hast.

                                Harry, der gerade nachdenklich, sich an das ODs Treffen auf der Burg Ludwigstein und Breckerfeld errinnert.
                                Zuletzt geändert von Harry; 25.09.2012, 19:35.
                                Gruß Harry.
                                Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen. (Johann Wolfgang von Goethe)

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                                • Torres
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                                  Liebt das Forum
                                  • 16.08.2008
                                  • 32315
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                                  #17
                                  AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                                  Montag, 10.09.2012, 71 km, Pordic

                                  Ich stehe um sechs und verlasse gegen 7.30 Uhr meinen Stellplatz. An den Poubelles, den Mülleimern - die Mülltrennung in Frankreich ist übrigens vorbildlich - treffe ich einen Dortmunder auf Weltreise. Er erzählt von Alaska, einem Radreisenden in Patagonien, dem das ganze Gepäck gestohlen wurde, zeigt mir (ungefragt) seinen Bus, schimpft auf Japaner und gibt dann Gas und rattert davon. Ich bin kaum zu Wort gekommen und etwas erschöpft von der Begegnung. Es geht auf 8 Uhr zu.





                                  Ich beschließe, unterwegs zu frühstücken und fahre Richtung Plurien. Es ist regnerisch und kalt und immer wieder treffen mich feine irische Nieselregenschauer. So passt es, als ich in die Rue du Frost einbiege.





                                  An einem Friedhof in Plurien mache ich kurz Halt und trinke etwas. Mein Magen knurrt und ich hoffe auf eine Bäckerei.





                                  Eine Bäckerei gibt es hier nicht, aber einen Schlachterladen und ich kaufe Baguette, Salami und Paté. Es ist kurz vor halb zehn. Im Nieselregen frühstücke ich vor der Kirche.





                                  Die Straße in Richtung St-Aaron ist langsam ansteigend und und ich verfolge auf dem Navi die Höhenmeter. Aber ich kann sie gut radeln und brauche nicht zu schieben.





                                  An einer Kirche – in St-Laurent vielleicht? Ich weiß es nicht mehr - finde ich sogar eine Toilette, die mit Seife und Toilettenpapier ausgestattet ist.








                                  Ich komme zu einem weiteren Ort und man sieht, dass die Landschaft hügeliger wird. Ist dies hier bereits St-Aaron? Ich weiß nur, dass der Ort viele Seitenstraßen und so kreise ich zweimal um die Kirche und brauche ein wenig, den richtigen Weg zu finden.








                                  Es hat aufgeklart und ich genieße die Landschaft. Die Straßen sind fast autofrei und Menschen sieht man keine. Erinnerungen an Polen werden wach. An einigen Stellen riecht es feucht und ich frage mich, wie es hier wohl im Winter sein wird.














                                  Bei Andel muss ich wieder schieben, dann geht es Richtung Coetmieux.





                                  Hier verläuft eine Landstraße parallel zur RN Richtung St-Brieu und ist als Landstraße für Radfahrer, Mofafahrer und Traktorfahrer als Pflichtroute und Fernradweg ausgewiesen.








                                  Der Autoverkehr nervt, aber die D 712 ist gut befahrbar und fast autofrei.





                                  Ich erreiche Yffiniac und finde das Gebäude zu meiner Kühltüte. Auf eine Besichtigung verzichte ich.





                                  Kurz vor dem Ortsschild sehe ich ein kleines, grünes Veloroutenschild und biege ein. Geradeaus führt zwar ein Radweg weiter, aber ich müsste jetzt eine lange Strecke stadtnah fahren. So biege ich ab.





                                  Und werde belohnt. Der Radweg läuft jetzt mit dem GR 34 zusammen und ich radele an einer Bucht entlang.











                                  An einer Hundestation mache ich halt und fotografiere mit Begeisterung die genaue Bedienungsanleitung, für den interessierten Hundehalter.





                                  Zwei Frauen sprechen mich an und empfehlen mir, geradeaus dem GR 34 zu folgen, da die abknickende Radroute sehr steil wird. Als ich frage, ob das erlaubt sei, nicken sie. Dann habe ich endlich die Gelegenheit ein Lokfoto für Pfadi zu machen.








                                  Ich suche meine Sonnencreme und finde sie nicht. Aber das ist ja nicht neues.

                                  Der Weg ist wunderschön und führt leicht ansteigend auf einem breiten Weg in die Höhe. Spaziergänger sind unterwegs und mit schlechtem Gewissen grüße ich höflich. Zwei MTBler kommen mit entgegen.

















                                  Als der Weg endet, fahre ich in einen weiteren Weg geradeaus und biege dann, ohne auf mein Navi zu achten auf einen für Fahrzeuge gesperrten, von der Straße abgehenden, parallel verlaufenden Wanderweg ein. Der Weg ist breit und gut zu fahren, wird aber später schmaler. Er scheint in die richtige Richtung zu führen. Denke ich.





                                  Ich komme an ein altes Viadukt und fotografiere die Ruine. Vor Betreten wird gewarnt. Zurückblickend lässt sich sagen, dass wenn diese Viadukt in Betrieb wäre, der Weg eine echte Abkürzung wäre. Ist es nur nicht.











                                  Der Weg wird enger und das Navi zeigt, dass sich der Weg von meiner Route entfernt. Soll ich umkehren? Aber ich bin jetzt schon gut eine Viertelstunde unterwegs, vielleicht sogar länger und der Weg kann doch nicht so lang sein. Denke ich. Noch einmal zeigt sich das Viadukt in aller Schönheit.





                                  Ich muss jetzt schieben, da der Weg an der rechten Seite steil abfällt und das Risiko zu groß ist, ab zu rutschen. Und der Weg wird hügelig. Die Pedale bohren sich in meine Wade und hinterlassen Kratzer. Meine Beine sehen so zerkratzt aus wie in meiner Kindheit. Ich denke an Werner, heute ist D-Day. Es ist drückend heiß, die Sonne wird hier immer erst gegen 15.00 Uhr richtig intensiv.
                                  Ich komme an eine Treppe, die aus Baumstämmen in eine fast senkrechte Steigung geschlagen ist. Der Weg ist mittlerweile so eng, dass ich das Fahrrad nun nicht mehr gefahrlos drehen könnte. Vorsichtig lade ich ab und lasse die Packtaschen auf den Boden gleiten. Der Boden ist wellig und sie halten erstaunlicherweise. Dann packe ich das Fahrrad mit gewohntem Griff und wuchte es auf die erste Treppenstufe.

                                  Und hänge fest.

                                  Die Stufe ist so steil, dass ich das linke Bein zwar knapp auf die Stufe stellen kann, mich aber nicht hoch ziehen kann. Ich versuche es mit dem anderen Bein und da ist die Treppe noch höher. Das geht so nicht. Ich versuche das Fahrrad an zu heben, um es wieder auf den Weg zu stellen und zu überlegen, wie ich vorgehe. Aber es hat sich verkantet und droht ab zu rutschen. Es kostet mich Kraft, es zu halten und ich sehe uns schon beide in den Abgrund stürzen. Meine Knie fangen an zu zittern, die Belastung ist zu hoch. Ich muss aufpassen, nicht ab zu rutschen und gleichzeitig nicht nur das Gleichgewicht halten, sondern auch noch das Gewicht des Rades. "Das geht schief," denke ich respektlos. "verdammt, zwei Tote an einem Tag sind zu viel". Ich versuche, mich zu entspannen, das Gewicht so zu fixieren, dass ich länger durchhalte, aber ich stecke fest. Schit.
                                  Und als ich noch überlege, wie ich aus der Sache wieder raus komme, höre ich Stimmen. Mehrere Stimmen. Und instinktiv denke ich: Ist Werner schon tot? Und Schutzengel? Aber erst müsste er ja laut Arto Paasilinna einen Grundkurs für Engel besuchen und das Engeldiplom machen.
                                  Zwei Ehepaare kommen die Treppe herunter und sehen meine missliche Lage. Der eine Mann nimmt mir das Fahrrad ab, er hat Alkohol getrunken und unterschätzt die Treppen. Locker will er nach oben stürmen und schwankt dann doch ziemlich unter der Wucht des Fahrrads. Die Treppenabstände sind einfach zu hoch. Ich befürchte, dass er sich verletzt und abstürzt, aber es geht gut.
                                  Als er endlich oben ist, will ich die Packsäcke holen, aber der andere Mann und eine der Frauen haben sich schon die Taschen gegriffen. Ich steige meinem Fahrrad hinterher und merke, wie mir die Knie zittern. Vor Anstrengung, nicht vor Angst. Hoffentlich hält mein rechtes Knie.
                                  Die andere Frau versucht sich auf englisch zu verständigen, scheitert aber kläglich. Sie erklärt mir, dass es jetzt noch sehr steil werden wird, ich wäre besser umgekehrt. Und ich solle mich links halten. Mehr Gespräch gelingt nicht, unser Wortschatz ist nicht kompatibel.

                                  Dann sind sie weg. Und ich bin wieder völlig allein. Meine gute Stimmung ist verflogen. Ich lade wieder auf und schiebe weiter. Der Weg bleibt eng. Mein Navi zeigt mir, dass ich eine völlig unsinnige Schleife gelaufen bin und fast dort wieder heraus kommen werde, wo ich am Anfang beim Abbiegen gestartet bin. Es könnte ja theoretisch mal alles glatt gehen – aber nicht bei mir. Völlig unsinnige Aktion.

                                  Dann wird der Weg wieder breiter, aber auch staubiger, steiler und rutschiger. Wie gut, dass ich Wanderstiefel anhabe. Mit Radschuhen hätte ich keine Chance.





                                  Ein Baumstamm versperrt den Weg und ich ziehe das Fahrrad mit voller Beladung darunter durch. Ich lasse mich doch von so etwas nicht terrorisieren!





                                  Der Weg zieht sich und schön finde ich ihn nicht mehr. Dann kommt ein steiles Stück und ich beglückwünsche mich zu der Entscheidung, keine Radschuhe zu tragen, sondern die Alaska. Und ich denke an Becks Signatur: „Alles was nicht senkrecht ist, ist ein Weg.“ Hahaha. Ich vermute mal, er ist ohne Fahrrad unterwegs.

                                  Und plötzlich ist der Weg vorbei und ich stehe mitten in einer Motocrossstrecke, bei deren Anblick ich Höhenangst bekomme. In der Ferne Häuser. Es ist 15.55 Uhr. Ich bin eine Stunde lang im Kreis gelaufen.





                                  Ich studiere die Karte im Navi und schiebe das Fahrrad durch steile Wohnstraßen. Dann bin ich wieder auf der Hauptstraße und erreiche St-Brieuc. Die Autos sind laut, es ist Feierabendverkehr. Ich folge einem Richtungsschild, aber die Beschilderung bricht ab.





                                  Ich finde auf der Karte eine kleine, weiße Straße, die über den Fluss führt. Ich irre durch die Altstadt von St-Brieuc und finde eine Zugangsstraße. Tief stürzt sie ins Tal und ich muss bergab schieben. Das schaffen meine Bremsen nicht, viel zu riskant. Mir schwant, dass ich auf der anderen Seite irgendwann wieder hoch muss. Über mir verläuft die RN. Hätte ich jetzt Internetzugang, könnte ich wikipedia unter dem Stichwort „St-Brieuc“ folgendes entnehmen: „Die Stadt liegt etwa drei Kilometer vom Atlantik [sic!] entfernt auf einem Plateau, in welches sich die Flüsse Gouët und Gouédic tiefe Täler gegraben haben.“ Tja. Auf dem Rückweg werde ich dem Navi entnehmen, dass der Höhenunterschied zur Innenstadt hier ca. 65 Meter beträgt.





                                  An der Bucht liegen Segelboote und die Gegend wirkt sehr idyllisch.





                                  Die Touristeninformation hat geschlossen und so mache ich den zweiten Fehler diesen Tages: Ich schiebe mein Fahrrad nicht die steile Dorfstraße von Perdic hoch, sondern folge der Veloroute. Der Ausblick auf die Bucht ist idyllisch und dann beginnt die Küstenstraße. Sie windet sich elegant parallel zu Küstenlinie entlang, ist aber weit vom Ort entfernt und: Steil. Sehr steil.





                                  Und ich schiebe. Schiebe. Schiebe. Dann halte ich kurz an und schiebe weiter. Und schiebe. Und schiebe. Unendliche 46 Minuten schiebe ich das verdammte Fahrrad und mich diese verdammte Steigung hinauf. Irgendwann bin ich dann an einem kleinen Marktplatz und sehe kurz das Meer. Meine Laune bessert das nicht.





                                  Ich schiebe Richtung Ortskern und spreche zwei Frauen an, die mir den Weg erklären. Es ist jetzt 18.00 Uhr. Der nächste Campingplatz ist in Pordic, da will ich hin.

                                  Ich erreiche den Ortskern von Perdic und folge der Landstraße Richtung Pordic. Die Straße ist viel befahren, aber ich kann endlich wieder radeln. Und dann setzt mein Herz aus: Die Straße geht über eine Brücke und ist für Fahrräder gesperrt. Ne, nicht? Nicht das noch. Zurück fahre ich nicht.





                                  Ich schaue mich um, aber es gibt kein Schild. Ich biege in die Seitenstraße ein - was soll ich auch sonst tun?
                                  Am Ende der Straße finde ich einen Radweg. Die Richtung stimmt ungefähr und eine andere Möglichkeit habe ich nicht.





                                  Am Ende des Weges weiß ich nicht weiter. Es gibt drei Abzweigungen und nirgends ist ein Schild. Ich fluche. Und ein zweites Mal an diesem Tag habe ich richtig Glück. Ein Jogger kommt des Weges und ich bringe ihn dazu, an zu halten. Er macht seine Musik aus und zeigt auf eine Abzweigung. Im gleichen Moment kommt ein Radfahrer hin zu und bestätigt den Hinweis des Joggers, der sofort wieder abdampft, als er sieht, dass der Radfahrer helfen kann. Ich bedanke mich und der Radfahrer erklärt mir, der Weg sei ganz neu. Er würde vorfahren.

                                  Der Weg führt über ein Viadukt und kommt vor Pordic heraus.





                                  Der Radler wartet sogar, als ich schieben muss, weil die Schotterpiste mit dem Gepäck schlecht befahrbar ist. Erst am Campingplatz verabschiedet er sich. Ich würde ihn gerne zu einem Bier einladen, aber er winkt ab.

                                  An der Rezeption befindet sich eine ältere Dame, die anscheinend Zeit ohne Ende hat und ein französisches Paar mit Wohnmobil ausgiebig über die Attraktionen der Gegend berät. Es interessiert sie zwar nicht, aber sie sind höflich. Ich dagegen bin müde und hungrig und merke, dass ich es gleich ganz gewaltig an die Nerven bekomme und krame in der Eistruhe herum. Die Franzosen schaffen es, sich los zu eisen und sie wendet sich meiner Anmeldung zu, während ich ein großes M. Classic verspeise. Almond haben sie nicht.

                                  Der Platz ist preiswert und scheußlich, er besteht fast nur aus Mobil Homes und ist menschenleer. Die Küste sieht man nicht. Ich stelle mich neben die Franzosen, das ist mir hier zu unheimlich. Als ich das Zelt aufbaue, ist der Boden so hart, dass ich den Zelthammer aus der Radtasche hole. Und finde die Sonnencreme. Meine Laune hebt sich.
                                  Ich gehe duschen und der Franzose singt in der Dusche aus voller Brust französische Lieder. Ich spreche ihn später grinsend darauf an und er lacht und sagt, wenn er singt, gibt es keinen Regen. Die Strategie wird nicht ganz auf gehen, denn morgens kommen ein paar kleine Schauer herunter. Aber von richtigem Regen bleibt die Region verschont.
                                  Zuletzt geändert von Torres; 14.10.2012, 15:43.
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                                  (Norddeutsche Panikattacke)

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                                    #18
                                    AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                                    Dienstag, 11.09.2012, 58 km, Ile de Bréhat

                                    Am nächsten Morgen ist das Zelt klitschnass. Ich fröstele. Das Bad ist voller Schnecken. Der Herbst ist hier schon da.





                                    Ich suche meine grauen Socken, aber sie sind verschwunden und bleiben es. Meine Beine sind müde und die Knie schwer. Da es nieselt, ziehe ich die Regenhose an, aber sie eng mich ein. Es ist wiederum so warm, so dass sie an den Beinen klebt. Also ziehe ich sie wieder aus.
                                    Auf Nebenwegen fahre ich Richtung Pordic-Zentrum und finde wieder eine Veloroute.





                                    Als ich den Ortseingang erreiche, ist es 9.26 Uhr.





                                    Um halb zehn Uhr hört Werner auf zu atmen. Er hat ein Lächeln im Gesicht.


                                    In der Bäckerei kaufe ich Baguettes, Tarte de pommes und Tarte de fraise. Das Erdbeertörtchen wird das leckerste Törtchen werden, das ich jemals gegessen habe.








                                    Ich habe eine Strecke ausgesucht, die quer durch das Land in respektvoller Entfernung zur Küste verläuft. Eine andere Chance habe ich nicht. Der Radfahrer von gestern hat mir bestätigt, dass es an der Küste verdammt steil ist.

                                    Und auch hier geht es hoch und runter. Die größeren Straßen sind im Tal, die Ortschaften auf der Höhe. Ich fahre, stürme Hügel herunter und schiebe wieder hoch. Jede Straße auf einer Hügelkette mit nur moderater Steigung beglückt mein Herz.











                                    Bei Lantic muss eine alte Kapelle sein, aber sie liegt nicht auf dem Weg. In Pléguien esse ich Galette mit Schinken und Crêpes mit Nutella. Super lecker. Und zahle 2,70 €. Ich erkläre der Bäckerin, dass Crêpes Nutella in Deutschland manchmal 4,00 € kostet und sie guckt ganz erstaunt. Das geht hier nicht, sagt sie, das ist doch Nationalgericht!











                                    Gestärkt radele ich weiter. Ich versuche eine Route zu finden, die sich auf einem Hügelkamm befindet, doch die gibt es nicht. Die Zahl der Autos tendiert gegen Null und Menschen sehe ich fast keine. Nur ein Arbeiter springt an einer Abzweigung aus seinem Auto, errichtet eine Straßensperre und winkt mir zu.














                                    Ich erreiche den Ort Lannebert.














                                    Hinter Lannebert führt eine alte D Straße parallel zur neugebauten Ausbauroute D 7 entlang und ich folge ihr. Sie hat einen ungewöhnlich guten Straßenbelag, aber nach einigen gut fahrbaren Abschnitten heißt es hier auch längere Passagen lang: Schieben. Ein Schloss und Golfhotel steht am Rand, doch das Gebäude enttäuscht und auf der Golfwiese spielen zwei Personen. Nachsaison.











                                    Ich fahre auf der Nebenstrecke Richtung Yvias, biege also links ab.























                                    Ich erreiche Yvias. Die Kirche ist sehr schön.











                                    Dann halte ich mich Richtung Plounez. Meine Strategie ist es, Paimpol weit zu umfahren und genau in der Mitte der Küsten zu bleiben. Der Wind frischt auf.

















                                    In der Ferne zeigt sich bereits Paimpool.











                                    Hinter Plounez wird klar, dass meine Strategie auf geht. Tatsächlich finde ich auf kleinen landwirtschaftlich genutzten Straßen den perfekten Weg, der gar nicht so steil ist, wie ich anfangs befürchtet hatte.





                                    Die Straßenschilder werden immer französischer. Rechts von mir liegt weiterhin die Bucht von Paimpool, die ich weiträumig umfahre.

















                                    Als ich der Ile de Brehat immer näher komme, wird die Umgebung plötzlich ungewohnt heiter.








                                    Sind es die Blumen? Oder herrscht hier ein anderes Klima? Ein Campingplatz ist im Ort, vermutlich für die Wohnmobilisten, die die Insel nur als Tagestour besuchen können. Ich überlege kurz, ob ich hier zelte und erst morgen rüber fahre, aber ich bin neugierig und fahre weiter.























                                    Und dann rolle ich die steile Küstestraße zur Fähre hinunter.





                                    Unten sind Parkplätze und Parkplatzsuchende und ich fühle mich gut, als ich einfach vorbei fahren kann und auf das Tickethäuschen zusteuern kann.

                                    Das Schiff ist gerade angekommen und spuckt Unmengen von Menschen aus. Die Überfahrt kostet 9 Euro pro Person und ich verwechsele 15 und 50 und denke, dass mich das Fahrrad 50 Euro kosten wird, aber es sind nur 15 Euro für die Hin- und Rückfahrt. Durch den Irrtum kommen wir ins Gespräch und ich frage, ob der Campingplatz geöffnet ist. Er weiß es nicht, meint aber, ich könne mich da einfach hinstellen, im schlimmsten Fall seien eben die Sanitärräume geschlossen. Noch weiß ich nicht, dass es sich um einen riesigen, in öffentlichem Besitz befindlichen Naturlagerplatz handelt, der noch nicht einmal eingezäunt ist. Notfalls zahlt man eben beim Bürgermeister.

                                    Das Schiff hat abgelegt und das nächste kommt erst in über einer Stunde. Er gibt mit den Tipp, spätestens um 5 Uhr vorne an der Anlegestelle zu sein. Dann kämen nämlich die Schüler aus der Schule und ich eventuell mit dem Schiff nicht mehr mit.
                                    Ich postiere mich am Gate, packe Brot und Wurst aus und fange an zu frieren. Es weht ein kräftiger Wind.





                                    Wieder kommt ein Schiff und dann ruft einer der Festmacher etwas und ich verstehe nur "tout de suite". Intuitiv erfasse ich die Bedeutung, stopfe das Essen in die Jacke und renne los. Der Mann hilft, das Fahrrad ins Boot zu wuchten und schon geht die Überfahrt los. Eine außerplanmäßige Fahrt. Am Ziel sehe ich auch warum: Der Zugang ist voller Menschen, die sich in Richtung Boot drängen. Ich steige aus und rufe: "Attention", aber die Leute sehen nur das Boot und drängeln sich an dem schmalen Steg voran. Als die ersten in mein Fahrrad laufen und "Aua" rufen, merken die anderen, dass dort ein Hindernis ist und geben die Information weiter. Derweil verstecken sich die anderen 4 Passagiere des Bootes hinter mir und warten geduldig. Zu groß ist die Gefahr, von der Menge ins Wasser gedrückt zu werden.

                                    Auf der Insel biege ich schnell links ab - dort muss ungefähr der Campingplatz sein. An einer Abzweigung frage ich und dann ist er ausgeschildert.





                                    Die "Reception", ein kleines Holzhäuschen, ist besetzt. Ich zahle für zwei Tage (6,90 € pro Tag) und darf mir einen Platz aussuchen. Das ist nicht einfach, denn der Platz ist riesig und es gibt nur wenige gerade Plätze. Außerdem möchte ich gerne einen Blick aufs Wasser haben, denn so eine Gelegenheit kommt nicht wieder. Und Abendsonne wäre auch schön. Dann finde ich die passende Stelle: Sie ist idyllisch unter einem Baum gelegen und recht eben. Außerdem windgeschützt. Ich spendiere meinen Zelt vier Heringe und registriere, dass es endgültig in der Galerie meiner Lieblingszelte angekommen ist.








                                    Ich besichtige die Sanis, die ziemlich weit entfernt an der Spitze des Platzes sind.





                                    und dann radele ich noch kurz in den Ort und kaufe Lebensmittel.





                                    Ich esse etwas Baguette mit Käse und mache es mir im Zelt gemütlich. Ich bin hundemüde.

                                    Vor mir dümpeln Fahrgastschiffe und in der Nacht leuchten die beiden Leuchtfeuer. Auf dem Campingplatz stehen insgesamt 5 Zelte und es sind 9 Personen da. Und niemand sieht den anderen.
                                    Zuletzt geändert von Torres; 28.09.2012, 17:20.
                                    Oha.
                                    (Norddeutsche Panikattacke)

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                                      • 16.08.2008
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                                      #19
                                      AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                                      Mittwoch, 12.09.2012, 6 km, Ile de Bréhat

                                      In der Nacht hat es gestürmt, man konnte es an dem Rauschen der Bäume hören. Gegen Morgen hat es dann sogar geregnet und durch den Baum sind dicke, fette Tropfen hörbar lauf auf meinem Zelt gelandet. Am morgen ziehen nur noch kleine Schauer durch und ich dusche. Anschließend laufe ich ein wenig auf den Felsen am Sanitärgebäude herum.











                                      Dann wasche ich Wäsche. Mein weißes Radshirt ist ganz braun, weil ich einen Tag lang den Schlüssel um den Hals getragen hatte. Dieser ist durch den Schweiß gerostet und hat abgefärbt.





                                      Zwei kleine Wohnwagen stehen auf dem Platz und ich überlege, wie man die wohl auf die Insel geschafft hat. Am nächsten Tag werde ich es sehen.

                                      Da ich am Abend dann doch zu faul zum Kochen war, hole ich das jetzt nach. Ein abgesägter Baum gibt den perfekten Tisch ab und ein Baumstamm den perfekten Stuhl. Es gibt Kotelett, Tomaten, Ziegenkäse und Reis und zum Nachtisch Banane. Die Koteletts waren teuer – zwei Stück kosteten 9 Euro – aber sie sind butterzart. Welch ein Qualitätsunterschied zu dem deutschen Supermarktfleisch.








                                      Ich schicke Anja2 eine SMS, um Gewissheit zu haben, mache das Handy nach einiger Zeit jedoch aus, um den Akku zu schonen.

                                      Ich starte zu einer Inselbesichtigung und schaue mir erst einmal die „Citadelle“ an, eine rundgebaute Anlage, die nicht weit von meinem Zelt Teil des Campingplatzes ist und immer wieder von Spaziergängern besichtigt wird. Sie beinhaltet in ihren Räumen Ateliers und eine Glasbläserei und ich schaue zu, wie ein Weinglas entsteht.











                                      Inzwischen ist das Wetter schön geworden und ich radele oder wandere durch die engen Gassen und kann mich nicht satt sehen. Was für eine wunderschöne Insel. Im Winter wird es hier sehr hart sein, aber im Sommer ist die Insel ein Traum. Jeder Ausblick ist anders und fast überall sieht man Wasser. Und Blumen, Bäume, Büsche. Die Insel wird auch die Insel der Blumen und der roten Felsen genannt.











                                      In der Plastikbox befindet sich übrigens kein Wachhund, sondern eine Ziege.

















                                      Ca. 400 Menschen leben hier und im Sommer kommen 5000 täglich hinzu, das meiste sind Tagestouristen. Von einigen Badeorten aus fahren Touristenschiffe aus, welche die Menschen auf die Insel bringen. Auf dem Campingplatz befinden sich dann gut 200 Personen. Aber keine Autos. Wie viele natürliche Geräusche plötzlich in der Luft sind, wenn man keine Autos hört.











                                      Als Wahrzeichen thront die Kirche Saint- Michel (1651) über der Insel.

















                                      Auf eine Besichtigung von Saint-Michel verzichte ich jedoch, denn überall sitzen Menschen und picknicken.





                                      Ein Zeugnis der engen, sich auch in der Sprache manifestierenden Verwandtschaft zwischen Engländern und Franzosen. Viele Schulklassen sind unterwegs.




















                                      Und dann komme ich an einen Busch und traue meinen Augen kaum:





                                      Er ist voller Schmetterlinge. Die ersten Fotos gelingen nicht, aber dann wird es besser. So viele Schmetterlinge habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen.

















                                      Und dann habe ich richtig Glück und mir gelingen Fotos, von denen ich bisher nur träumen konnte:





                                      Ist er nicht wunderschön?





                                      Ganz benommen gehe ich weiter und sehe kurz darauf die einzige Jack Wolfskin Jacke dieses Urlaubs. Sie gehört definitiv einem Franzosen.

                                      An einer idyllischen Bucht setze ich mich nieder. Ich habe etwas Hunger und die Sonne wärmt so schön. Sie ist hier nicht so heiß wie auf dem Festland, sondern eher wie bei uns und durch den leichten Wind ist es hier wunderbar erfrischend. Ich denke an Nordstrand und fühle mich heimisch.














                                      Die Luft flirrt und schwirrt, es summt und brummt und überall glitzert es. Die Atmosphäre ist so heiter, dass es wirkt, als wäre die ganze Luft voller Leben. Als hätten sich neben den Tieren und Pflanzen alle Faune, Pane, Engel, Feen und Geistwesen hier versammelt, um durch die Lüfte zu streichen und und ihre körperlose Existenz zu genießen. Ich grabe in meinem Gedächtnis, ob es in der Mythologie Vorstellungen gibt, dass die Seelen der Menschen, die erst kurz ihren Körper verlassen haben, noch in einer Zwischenwelt über die Erde streifen und sich an den Orten oder in der Nähe der Menschen aufhalten, die ihnen wichtig waren.
                                      Aber meine Gedanken werden durch den ersten Traktor unterbrochen, der sich auf dem schmalen Küstenpfad ins Binnenland begibt. Ihm folgen in kurzen Abständen zwei andere, dann kommt der erste wieder zurück: Kurz – es ist viel Verkehr. Hinterher werde ich sehen, dass sie eine Gartenmauer abbrechen. Möglicherweise müssen sie an unterirdische Leitungen heran kommen, denn am nächsten Tag wird ein Messwagen die Insel besuchen.





                                      Ich verlasse das Plätzchen und schiebe mein Fahrrad Richtung Norden.














                                      Bei einem Biobauern kaufe ich Apfelsaft und süße, reife Minitomaten, die wunderbar schmecken werden. Aber zur nördlichen Spitze schiebe ich dann doch nicht. Vermutlich sind hier die roten Felsen, aber es sind mir zu viele Menschen unterwegs und so kehre ich um.








                                      Im Ort ist trotz der Mittagspause reges Treiben und ich kaufe Mineralwasser und Postkarten.





                                      Dann verfahre ich mich und kehre auf Umwegen zum Campingplatz zurück.





                                      Dort setze mich unter meinen Baum. Ich mache mein Handy an und lese die SMS von Anja2: „Unser Werner hat es geschafft. Ich rufe Dich morgen an“. Ich lächele und freue mich für Werner aus tiefstem Herzen.

                                      Und dann muss ich doch weinen.


                                      Zuletzt geändert von Torres; 26.09.2012, 09:12.
                                      Oha.
                                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                                        #20
                                        AW: [FR] I've thought Germans are always organized – Bretagne: Voie verte und GR

                                        Donnerstag, 13.09.2012, 45 km + 4 km, Etables-sur-Mer

                                        Am nächsten Morgen wache ich um 6.00 Uhr auf und packe in der Dunkelheit. Das Zelt ist völlig trocken und ich lasse es ausnahmeweise mal zusammen. Der knapp bemessene Packbeutel geht dadurch schwerer zu und ich werde das wohl wieder ändern. Die erste Fähre fährt um 7.00 Uhr und ich breche langsam auf. Um 7.33 bin ich am Anleger. Vier Angler sitzen auf der Bank und unterhalten sich. Was genau sie machen oder wollen ist mir unklar, denn sie werfen weder ihre Angel aus noch kommt ein Schiff, um sie zu holen.





                                        Die nächste Fähre soll um 8.00 Uhr kommen, doch als sie nicht kommt, frage ich nach. Die 8.00 Uhr Fähre fährt nur sonntags. Ich habe den Fahrplan nicht richtig gelesen. Die Fähre um 7.00 Uhr fällt in den Ferien aus und ich dachte, das gilt auch für die 8.00 Uhr Fähre.
                                        Es ist wieder windig und ich fröstele. Die Hitze der letzten Tage hat mein Temperaturgefühl verändert, denn für hiesige oder gar norddeutsche Verhältnisse ist es immer noch warm. Immer wieder geht mein Blick hinauf zum Campingplatz. Da ungefähr habe ich gestanden.





                                        Das Szenario, das nun kommt, hätte ich aber niemals missen wollen.
                                        Der erste Traktor mit Anhänger kommt und parkt auf dem kleinen Parkplatz neben dem Klo. Der zweite Traktor kommt und stellt sich daneben. In dem Moment kommt der dritte Traktor und der zweite fährt wieder raus und auf den Anleger. Das ist Millimeterarbeit, das kann man sehen.








                                        Der nächste Traktor kommt und stellt sich auf den Anleger und der parkende Traktor fährt raus und stellt sich auch davor. Ich verstehe, dass es eine bestimmte Reihenfolge gibt. Der Mann, der in dem Sanitäranlagenhäuschen auf dem Campingplatz wohnt, kommt ebenfalls mit Traktor, ich erkenne ihn an dem Hund. Er fährt einen zweiten Traktor rückwärts ganz vorne an die Spitze und ich kann kaum glauben, dass auf dem schmalen Steg zwei Traktoren nebeneinander vorbei kommen. Gute Arbeit.





                                        Ich frage die Angler, wo sich Gate 2 und 3 befinden, die im Inselplan eingezeichnet sind, denn es ist eindeutig Niedrigwasser. Es sieht nicht so aus, als sei an dem Felsen ein Weg. Je nach Wasserstand hält das Schiff an vorgelagerten Stegen und er zeigt mir, dass dort tatächlich ein Weg verläuft. Dann kommt das Schiff und hält an Gate 2. Zwei Traktoren scheren aus der Reihe wieder aus und donnern an der Seite zu dem Schiff. Der eine Angler empfiehlt mir, ihnen zu folgen und so stehe ich am Schiff.
                                        Es ist richtig lausig kalt da draußen, denn immer noch weht der Wind. Aber meine Daunenjacke ist eingepackt. Das Schiff muss erst gereinigt werden, so warte ich mit zwei, drei Touristen im Wind. Einer der Festmacher spricht ein gutes Englisch. Die Traktoren werden beladen: Muscheln und andere Säcke. Der andere nimmt die Post. An der Gabelung zwischen Gate 2 und 3 sehe ich die Citadelle und die Bäume vor meinem Zelt.











                                        Dann kommt das erwartete Warenanlieferungsschiff und die Spannung steigt. Es hat nicht so viel Tiefgang wie das Personenschiff, aber ein Auto dabei. Dieses muss erst am Gate 2 ausgeladen werden, bevor es zum Steg weiter fährt. So rückt das Passagierschiff zur Seite. Der Fahrer des Autos versucht es aus eigener Kraft, aber der Schiffsführer muss erst mit dem Kran eine Platte holen. Dann geht es.








                                        Als der Wagen langsam um die Kurve fährt, um in den Weg zur Küste ein zu biegen, muss ich staunen. Da ist wirklich nur noch fingerbreit Spiel und einen kurzen Moment befindet sich die Hälfte des Hinterreifens in der Luft. Ich bin so fasziniert, dass ich kein Foto mache.





                                        Ich unterhalte mich auf französisch mit einem anderen Radfahrer, der mir erzählt, im Regionalzug wäre die Fahrradmitnahme in der Bretagne problemlos. Ein Festmacher, der sehr gut Englisch spricht und den Eindruck macht, als hätte er früher einen anderen Beruf ausgeübt, hilft mir, das Rad zu verstauen, denn das Schiff ragt gut einen halben Meter aus dem Wasser und eine Gangway gibt es an dieser Stelle nicht. Der andere Eingang ist zu eng. Und dann heißt es Abschied zu nehmen von dieser wunderschönen Insel.








                                        Kurz darauf bin ich am Festland und schlängele mich durch die wartenden Gäste.





                                        Ich rufe dem Ticketverkäufer zu, dass der Campingplatz geöffnet hat und er freut sich. Dann schiebe ich den steilen Hügel hoch und fühle mich wunderbar. Was für eine Insel. Hier sollte ich noch einmal hin fahren. Aber ich wollte nicht bleiben. Vor mir liegen die Passagen über St-Brieuc und St-Malo und ich weiß nicht, ob ich den richtigen Zugang finde und wieviel Zeit ich brauche.














                                        Ich lasse mir den von meinem Navi den gespeicherten Track an zeigen und folge der gefunden Route. Ist das schön hier. Und die Ruhe im Ohr. Ein Tag ohne Autolärm und man merkt, wie sich das Gehör verändert.








                                        Das Wetter ist traumhaft und windstill. Ich entdecke, dass meine Bremsbeläge ein kritischen Niveau erreicht habe und ich ermahne mich, vorsichtig zu fahren. Aber erst einmal bleibe ich wieder von allzu steilen Höhen und Tiefen verschont und ich merke, wie anders man plötzlich die Umgebung betrachtet, wenn man von einer Insel der Blumen und der Stille kommt.














                                        Ich erreiche Plounez, schaue den Turmvögeln zu und kaufe Baguette. In einer Grundschule lärmen die Kinder. Ich muss an Polen denken. Ist die Welt hier noch heil?











                                        Erneut passiere ich den Bahnübergang.





                                        In einem Dorf mache ich mitten auf der Straße an einer Kreuzung Rast und werde von den Dorfhunden kurz beschnüffelt aber für ungefährlich erklärt. Im Garten hinter mir duften die Rosen.











                                        Einen kurzen Moment überlege ich, ob es besser gewesen wäre, zu schauen, ob es einen Regionalzug in meine Richtung gibt, aber ich möchte keine fremden Hilfsmittel nehmen. Ich will die Strecke fahren. Diese Herausforderungen gehören nun einmal dazu.
                                        Und diese beginnen dann ja auch wieder. Weiterhin folge ich der alten Route und erreiche Plourivo.








                                        Ein quietschgelber Zitröön Dööschwo tackert an mir vorbei. Bis ich den Fotoapparat gezückt habe, ist er fast verschwunden. Auch er zieht eine Abgaswolke hinter sich her.





                                        Dann folgt erneut Yvias.











                                        Und wieder geht es hoch und runter, hoch und runter.








                                        Ich merke das erste Mal Unlust in mir aufsteigen: Man kann hier nicht einfach mal sagen: Oh, da hinten ist eine schöne Kapelle, da fahre ich jetzt schnell mal hin. Die Zeit, die man dafür braucht, ist einfach unkalkulierbar. Gebe ich in das Navi ein Ziel ein, z.B. Pléhérel Plage – St-Brieuc, dann zeigt das Navi ca. 31 km an. Mit dem Fahrrad fährt man – wenn man nicht stur die Auto-Küstenstraße fährt – mit den streckentypischen Umwegen ungefähr die doppelte Distanz. Hinzu kommen - zumindest bei mir - je nach Strecke noch mindestens 5 Prozent Schieberei hin zu, so dass auch der Zeitaufwand schlecht zu berechnen ist.

                                        Um nicht wieder parallel der RN fahren zu müssen, ändere ich die Strecke leicht ab und fahre Richtung Lanleff. Der Streckenzustand ist schlecht, denn dicke Löcher sind im Asphalt. Dafür komme ich endlich wieder an einer Sehenswürdigkeit vorbei: Dem Tempel bei Lanleff. Es handelt sich allerdings um eine romanische Kirche auf kreisrundem Grund und diese hat mit einem antiken Tempel nichts zu tun hat. Wissenschaftler vertreten die Meinung, dass sie Ende des 11. oder Anfang des 12. Jahrhunderts nach dem Muster der Rotunde des Heiligen Grabes gebaut wurde und Maria geweiht wurde.

















                                        Ein Rabenvogel macht Unsinn und stiehlt einem picknickenden Pärchen einen Klumpen Alufolie, in den vermutlich Käse eingewickelt ist. Die junge Frau versucht ihm die Beute ab zu jagen – ohne Erfolg. Erst als er das Interesse verliert, kann sie die zerpickte Folie auf heben.





                                        Ich nutze die Toilette der Kirche an der Kreuzung und da eine Flasche herum steht, denke ich mir nichts und nutze sie für die Handhygiene. Kaum habe ich die Flüssigkeit auf die Hand gekippt, stelle ich fest, dass es Toilettenreiniger ist. Steht sogar drauf. Egal. Was der Toilette nutzt, kann den Händen nicht schaden. Nur der Geruch könnte etwas milder sein.








                                        An der Kreuzung verläuft eine Binnenvariante des GR 34. Ich folge dem Weg nicht, weil ich nicht weiß, ob er durchgehend befahrbar ist.





                                        Es schließt sich eine schöne Strecke an, die ich genießen kann.

                                        Als ich wieder auf die Parallelstraße zur RN komme, überlege ich langsam, wie ich St. Brieuc am besten durch- bzw. umfahre. Das Übersetzen mit der Fähre hat allerdings wertvolle Zeit gekostet und ich stelle mich darauf ein, notfalls wieder in Pordic zu übernachten. Ich komme erneut an dem Schloss der Hinfahrt vorbei. In strahlendem Sonnenschein präsentiert sich der Golfplatz in leuchtenden Farben und es sind ca. 10 Golfspieler zu sehen.

                                        Ich durchfahre Lannebert und einsam geht es weiter. Ein Raubvogel kreist in einem Waldgebiet, aber als ich den Fotoapparat zücke, fliegt er davon.











                                        Wieder komme ich durch Pléguien, aber die Crêperie hat noch geschlossen, es ist Mittagspause.








                                        Und plötzlich habe ich keine Lust mehr. Einfach keine Lust mehr. Die Sonne scheint und ich habe Urlaub.

                                        Mein Navi zeigt mir einen Campingplatz in Etables-sur-Mer an und ich biege Richtung Plourhan ab. Eine Wolkenformation fasziniert mich und ich versuche sie zu fotografieren, bevor der I-Punkt verblasst. Die Strecke ist relativ eben und lässt sich gut fahren.














                                        Dann geht es steil zur Küste herunter und ich werde auf die vielbefahrene D 786 geleitet. Als Verkehrshindernis quäle ich mich an Lidl, Carrefour, BMW und keine Ahnung was vorbei und es ist einfach nur furchtbar. Der Campingplatz geht rechts ab und ich schiebe wieder einen Hügel hoch. Eine nette Französin erkundigt sich, wo ich her komme und empfiehlt den Platz wärmstens. So schiebe ich weiter. Als ich oben bin, blicke ich zurück und sehe die Ausfahrt.








                                        Der Eingang ist vorne an der Straße.





                                        Der Platz ist tatsächlich hübsch, wenn auch auf Wohnmobile eingestellt. Aber er hat ein gutes Flair und sogar einen geöffneten kleinen Supermarkt. Frische Sachen fehlen jedoch, es ist eben Nachsaison. Leider ist der Strand auf der anderen Seite der Hauptstraße und letztere hört man laut. Es wäre vielleicht geschickter gewesen, nach Binic zu fahren, das direkt am Meer liegt.
                                        Aber eigentlich ist mir das egal. Ich finde ein wunderschönes Plätzchen in der Sonne, baue mein Zelt auf und gehe unter die Dusche.





                                        Dann schiebe ich mein Rad in den Ort hoch zum Einkaufen.














                                        Die Kirche fasziniert – so etwas habe ich noch nie gesehen.











                                        Beim Schlachter kaufe ich Rumpsteak, zwei Merguez und eine Scheibe Mousse de Canard und zahle dafür 6,60 Euro. Das Steak wird später fast schon vom Anschauen zerfallen, so butterzart ist es.

                                        Ich stelle den Benzinkocher an, freundlich beäugt von den französischen Nachbarn mit Wohnmobil. Da die Franzosen ein völlig anderes Verhältnis zu Lärm haben und keine Probleme haben, den ganzen Tag ein Radio über den Platz schallen zu lassen, habe ich keinerlei Hemmungen.





                                        Ich telefoniere mit Anja2 und höre, dass Werner friedlich mit einem Lächeln im Gesicht eingeschlafen ist. Freitag in einer Woche wird für ihn in der Kirche eine Messe gelesen werden. Anschließend werden alle an den Rhein gehen und Lichter an zünden. Ich weiß noch nicht, ob ich da hinfahren werde. Aber ich bezweifle es. Ich habe anders Abschied genommen.

                                        Am Abend wird die Straße still, es ist in der Bretagne immer nur der Berufs- und Strandverkehr, der Lärm macht. Dafür summt das Aggregat vom Swimming-Pool. Ich schlafe trotzdem tief und fest.
                                        Zuletzt geändert von Torres; 26.09.2012, 09:53.
                                        Oha.
                                        (Norddeutsche Panikattacke)

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