[GR] Kreta - Die Insel des Zeus

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  • bjoernsson
    Fuchs
    • 06.06.2011
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    • Privat

    • Meine Reisen

    #21
    AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

    Donnerstag, 13. Oktober 2005

    Gestern Abend haben wir uns eine entscheidende Frage gestellt: Schafft Maike noch eine herausfordernde Bergwanderung? Die Zweifel überwogen – und so ist heute Transfertag an die Nordküste. Statt vor Sonnenaufgang aufzustehen, schlafen wir aus, frühstücken in aller Ruhe. Maike geht noch einmal zum Meer, schwimmen. Ich plane in der Zwischenzeit unsere Route. Danach wird das Zelt abgebaut und wir brechen auf.

    Unser erstes Ziel ist die Oropedio Lasithiou, die Lassiti-Ebene. Begleitet von zahlreichen Reisebussen fahren wir durch die größte Polje Kretas, die eingebettet zwischen den Gipfeln des Oroseira Dikti, des Dikti-Gebirges, liegt. Höchster Berg ist der 2.148 Meter hohe Dikti, den ich gerne aus der Oropedio Lasithiou heraus über den E4 bestiegen hätte. Doch ich akzeptiere Maikes Entscheidung – und so durchqueren wir die stark landwirtschaftlich genutzte Ebene nur mit dem Auto. Hin und wieder steht eine einfache Windmühle am Straßenrand. Mit diesen wurde früher das Grundwasser zur Bewässerung der Ebene in den trockenen Sommermonaten emporgepumpt. Heute verschwinden diese zunehmend zu Gunsten von Dieselpumpen – die letzten Windmühlen dienen vor allem touristischen Zwecken.

    Im Frühsommer ist die Ebene oft überschwemmt, was dazu führte, dass sich die Bewohner an den Berghängen angesiedelt haben. Diese setzte Ende des 15. Jahrhunderts ein, nachdem die Oropedio Lasithiou für fast 200 Jahre Sperrzone gewesen war. Kretische Aufständische hatten sich zuvor in ihrem Kampf gegen die venezianischen Besatzer hierher zurückgezogen, und nachdem das Widerstandnest eingenommen wurde, wollte man eine Neuansiedlung mit allen Mitteln verhindern. Als dann jedoch eine Hungersnot ausbrach, siedelten die Venezianer Bauern in der Ebene an. Für eine Optimierung der Bewässerung wurde ein schachbrettartiges Kanalsystem angelegt – das bis heute Bestand hat und die Oropedio Lasithiou prägt.


    Blick auf die Oropedio Lasithiou.

    Insgesamt liegen am Rand der Oropedio Lasithiou 21 Dörfer. In einem davon, Psihro, halten wir, um zur Dikteo Andro, der Andron-Höhle, aufzusteigen. Der Legende nach erblickte hier Zeus das Licht der Welt – muss sich diese „Ehre“ jedoch mit der Dikteo Idron, der Idron-Höhle, im Psiloritis-Massiv teilen. Mittlerweile wird die Dikteo Idron jedoch oft als die Höhle bezeichnet, in der Zeus aufwuchs. Zeus’ Mutter, Rhea, gebar Zeus im Schutz der Höhle, da dessen Vater Kronos, Herrscher der Welt, von seinem Vorgänger Uranos prophezeit wurde, dass er eines Tages von seinem Sohn entmachtet werden würde, woraufhin Kronos alle seine Kinder auffraß. Als Rhea von Kronos gefragt wird, was aus dem Kind geworden sei mit dem sie Schwanger war, gibt sie ihm einen in Windeln gehüllten Felsen zum Verschlingen.

    Belegt ist, dass die 84 Meter tiefe Andron-Höhle bereits vor 4.000 Jahren von den Minoern zu kultischen Zwecken genutzt wurde. Einige der entdeckten Kunstgegenstände lagen so lange unangerührt am Boden, dass sie bei ihrer Entdeckung von Tropfsteinen eingeschlossen waren. Die Höhle geriet in Vergessenheit, lediglich die Hirten der Oropedio Lasithiou wussten von ihrer Existens, nutzten sie die überhängenden Felswände doch gerne als Schutz vor schlechtem Wetter. Die Höhle selbst konnten sie nicht betreten, da der Eingang durch einen Felssturz versperrt war. 1866 entdeckte dann einer der Hirten einen glänzenden Gegenstand in einem Stalagmiten, was den italienischen Archäologen Halbherr dazu veranlasste, die Höhle näher zu untersuchen. Doch die türkischen Besatzer verweigerten ihm eine systematische Erkundung. 1900, zwei Jahre nach Abzug der Türken, ließ der Direktor der Britischen Schule für Ausgrabungen in Athen, D. G. Hogarth, den Felssturz am Höhleneingang wegsprengen – und entdeckte mit seinem Team zahlreiche minoische und mykenische Opfergaben. Leider ist der Charme der Höhle mittlerweile durch eine Betontreppe und viele abgebrochene Tropfsteine zerstört. Am tiefsten Punkt der Höhle liegt ein kleiner See.


    Blick in die Dikteo Andro.

    Der Aufstieg zur Dikteo Andro gleicht ein wenig einem Hindernislauf, vorbei an all den Eseltreibern, die uns in allen erdenklichen Sprachen einen Esel aufschwatzen wollen („Madame, donkey?“). Wenn wir schon nicht reiten wollen, wie wäre es dann mit einem Foto für ein paar Euro? Wir lehnen dankend ab – und freuen uns, dass wir beim Abstieg nicht weiter belästigt werden, da gerade eine Busladung älterer Touristen die Angebote angenommen hat.

    Wir setzen uns ins Auto und fahren in einem Schwung weiter nach Rethimno, wo wir auf einem gemütlichen, stadtnahen Campingplatz zwischen Hotelanlagen unser Zelt aufschlagen. Abends wandern wir die etwa vier Kilometer nach Rethimno, wo wir nach einem gemütlichen Restaurant suchen und fündig werden.

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    • OutofSaigon
      Erfahren
      • 14.03.2014
      • 485
      • Privat

      • Meine Reisen

      #22
      AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

      Hallo bjoernsson,
      danke für diesen sehr schönen (Teil-)Bericht!

      Ich sage "Teil", denn die Story endet irgendwie so abrupt in einem Restaurant in Rethimno; vielleicht kommt da noch etwas (darüber würden sich wohl manche freuen, mich eingeschlossen).

      Deine Ausführungen zur Geologie und Geographie des von euch bewanderten/bereisten Gebietes weiß ich sehr zu schätzen; ebenso die zur griechischen Mythologie (das alles wußte ich vor 40 Jahren einmal ganz gut, aber die Auffrischung war durchaus angebracht).

      Für den faktischen Hintergrund der Sage von Atlantis gibt es aber wahrscheinlich überzeugendere Thesen als den Bezug auf Kreta (das ja gar nicht im Meer versunken ist). Interessenten mögen dieses lesen wollen:
      http://www.bbc.co.uk/news/science-environment-27224243
      Das paßt schon eher, finde ich.

      Wie auch immer: die Levka Ori durchwandere ich vielleicht auch einmal, im September 2015 oder so, wobei ich allerdings versuchen werde, den von dir erwähnten dreitausend anderen Wanderern etwas aus dem Weg zu gehen. Ich bin zwar kein menschenscheuer Einzelgänger, aber so viele müssen es nicht sein ...

      Herzlich, Gottfried
      Zuletzt geändert von OutofSaigon; 01.02.2015, 09:08. Grund: Link korrigiert

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      • bjoernsson
        Fuchs
        • 06.06.2011
        • 1863
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

        Zitat von OutofSaigon Beitrag anzeigen
        danke für diesen sehr schönen (Teil-)Bericht!
        Danke, dass du mir diesen in Erinnerung gerufen hast! Durch längere Forums-Abwesenheit war mir dieser total in Vergessenheit geraten. Allerdings ist das meiste auch schon erzählt. Trotzdem werde ich versuchen, in den nächsten Tagen diese Reise schriftlich abzuschließen.

        Für den faktischen Hintergrund der Sage von Atlantis gibt es aber wahrscheinlich überzeugendere Thesen als den Bezug auf Kreta (das ja gar nicht im Meer versunken ist).
        Kreta ist halt eine von vielen Atlantis-Theorien (die ich selber nicht für die plausibelste halte, aber der Vollständigkeit halber bei einem Bericht über die Insel nicht verschweigen wollte).

        Wie auch immer: die Levka Ori durchwandere ich vielleicht auch einmal, im September 2015 oder so, wobei ich allerdings versuchen werde, den von dir erwähnten dreitausend anderen Wanderern etwas aus dem Weg zu gehen.
        Die Levka Ori kann ich nur empfehlen. Für mich das schönste Stück Kreta - und für mich auch weiterhin als erneutes Reiseziel auf Kreta interessant. Hier gibt es noch eine Menge Schluchten und Gipfel, die mich locken!

        Um den 3.000 anderen Wanderern zu entgehen: Vermeide einfach die Faragi Samarias.

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        • bjoernsson
          Fuchs
          • 06.06.2011
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          • Meine Reisen

          #24
          AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus

          So, ich habe es tatsächlich geschafft, an der Fortsetzung zu arbeiten ...

          Freitag, 14. Oktober 2005

          Beim Aufstehen entscheiden wir uns, dass wir einen weiteren Kulturtag in unsere Reise einbauen wollen. So setzen wir uns nach dem Frühstück ins Auto und fahren in die Ausläufer des Psiloritis-Gebirges zum Moni Arkadi. Das Kloster ist im Selbstverständnis der Kreter eines der wichtigsten Gebäude der Insel. Weniger auf Grund seiner Architektur, sondern als Erinnerung an einen der einschneidendsten Momente der kretischen Geschichte.

          Das Kloster wurde um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert erbaut. Während der türkischen Besatzung, die von 1669 bis 1898 andauerte, bildete sich hier eines der Zentren des Widerstands heraus. 1866 wird das Kloster zum Sitz des revolutionären Komitees der Provinz Rethimno bestimmt, nachdem dessen Abt Gavriíl zum Widerstandsführer gewählt wurde. Der türkische Pascha von Rethimno fordert Gavriíl mehrfach auf, das revolutionäre Komitee aufzulösen, andernfalls würde er das Kloster zerstören. Selbst Pános Koronéos, Offizier eines 150 Mann starken, vom griechischen Festland zur Verteidigung des Klosters einbestellten Heers, bittet Gavriíl, dieser Warnung nachzukommen, das Kloster sei nicht zu verteidigen. Doch Gavriíl bleibt hart, Koronéos zieht mit seinen Kämpfern ab. Gleichzeitig flüchten zahlreiche Bewohner der Provinz Rethimno auf Grund der zunehmenden Spannungen mit den Türken in das Kloster. Eine Aufzeichnung vom 7. November 1866 belegt, dass sich an diesem Tag 964 Menschen – davon nur 325 Männer – im Kloster aufhielten. Am folgenden Tag, dem 8. November 1866, greifen 15.000 Türken – zunächst vergeblich – das Kloster an. In der folgenden Nacht schaffen es zwei Mönche, die Belagerung der Türken zu durchbrechen, um Koronéos um Hilfe zu bitten. Doch dieser verweigert sich. Mit dieser Nachricht kommt einer der beiden Mönche zurück ins Kloster. Die Belagerten wissen nun, dass sie verloren haben. Nach einem Gottesdienst und der Entscheidung, sich gemeinsam umzubringen, bevor man den Türken in die Hände fällt, beginnt der Kampf erneut. Schließlich gibt Gavriíl das Kommando, dass sich alle ins Pulvermagazin zurückziehen sollen. Die Türken stürmen das Kloster, wollen das Pulvermagazin einnehmen. In diesem Augenblick schießt der Bürgermeister von Adele eine der letzten Patronen in die Fässer. Die Explosion tötet mehrere hundert Kreter, vor allem Frauen und Kinder, sowie Dutzende Türken. Wenig später werden 36 unbewaffnete Kreter im Speisesaal des Klosters von den Türken umgebracht. Während der Kämpfe verlieren etwa 1.500 Türken und 750 Kreter ihr Leben, 114 Widerständler werden gefangen genommen.

          Die Schlacht um das Moni Arkadi stößt in weiten Teilen Europas auf Empörung und führt dazu, dass – trotz eigener teilweise kriegerischer Auseinandersetzungen – Spendengelder für den kretischen Widerstand gesammelt werden. Doch erst 22 Jahre später greifen Frankreich, Großbritannien, Italien und Russland militärisch ein – und können Kreta befreien. Bis heute wird der 8. November als kretischer Nationalfeiertag mit Prozessionen zum Kloster und feierlichen Messen gefeiert.

          Im außerhalb des Klosters liegenden Beinhaus werden einige Schädel der Partisanen aufgebahrt. Ein makaberes „Schauspiel“ – kann man auf einigen doch Einschusslöcher und Schwerteinstiche sehen. Das Kloster selbst macht einen friedlichen, fast schon romantischen Eindruck. Die Zerstörungen von 1866 sind beseitigt. Lediglich das Mobiliar im Speisesaal weist noch immer Spuren des hier stattgefundenen Kampfes auf.


          Das Gebeinhaus am Moni Arkadi war ursprünglich eine Windmühle.


          Klosterkirche des Moni Arkadi.


          Glockenturm.


          Noch ein Glockenturm.

          Zurück am Campingplatz gönnen wir uns eine kleine Pause, dann spazieren wir am Strand entlang nach Rethimno. Nach einem Abstecher zum venezianischen Hafen gehen wir weiter zur oberhalb davon gelegen Fortezza. Diese wurde 1573 bis 1580 von den Venezianern auf einer steil aus dem Meer aufragenden Halbinsel errichtet und sollte in erster Linie Kreta vor den Türken schützen. Doch schon beim ersten türkischen Angriff 1646 fiel das Bauwerk. Die Türken errichteten unter anderem eine Moschee auf dem Gelände, das sie stadtähnlich überbauten. Diese Bebauung wurde durch Bombardements im Zweiten Weltkrieg zerstört.


          Sonnenschirm an Sonnenschirm auf dem Weg nach Rethimno.


          Leuchtturm an der Einfahrt in den venezianischen Hafen.


          Blick hinauf zur Fortalezza.


          Wachtturm mit Blick auf das Mittelmeer.


          Die Sultan-Ibrahim-Moschee im Zentrum der Fortalezza.

          Erst am frühen Abend spazieren wir direkt über den nun fast menschenleeren Strand – die Badetouristen haben sich zum Abendessen in ihre Hotels zurückgezogen – zurück zum Campingplatz. Unterwegs kommt uns ein streunender Hund knurrend und mit gefletschten Zähnen entgegen, den wir uns nur mit Mühe vom Leib halten können. Erst als an der Strandpromenade ein weiterer Hund auftaucht, verliert der "Rabauker" das Interesse an uns. Wir sind froh, nun Ruhe zu haben. Gleichzeitig tut uns der neu aufgetauchte "Streuner" Leid. Sein klägliches Winseln und das aggressive Bellen "unseres" Hunds begleitet uns noch eine ganze Weile.


          Abendwellen am Strand von Rethimno.

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