AW: [GR] Kreta - Die Insel des Zeus
Donnerstag, 13. Oktober 2005
Gestern Abend haben wir uns eine entscheidende Frage gestellt: Schafft Maike noch eine herausfordernde Bergwanderung? Die Zweifel überwogen – und so ist heute Transfertag an die Nordküste. Statt vor Sonnenaufgang aufzustehen, schlafen wir aus, frühstücken in aller Ruhe. Maike geht noch einmal zum Meer, schwimmen. Ich plane in der Zwischenzeit unsere Route. Danach wird das Zelt abgebaut und wir brechen auf.
Unser erstes Ziel ist die Oropedio Lasithiou, die Lassiti-Ebene. Begleitet von zahlreichen Reisebussen fahren wir durch die größte Polje Kretas, die eingebettet zwischen den Gipfeln des Oroseira Dikti, des Dikti-Gebirges, liegt. Höchster Berg ist der 2.148 Meter hohe Dikti, den ich gerne aus der Oropedio Lasithiou heraus über den E4 bestiegen hätte. Doch ich akzeptiere Maikes Entscheidung – und so durchqueren wir die stark landwirtschaftlich genutzte Ebene nur mit dem Auto. Hin und wieder steht eine einfache Windmühle am Straßenrand. Mit diesen wurde früher das Grundwasser zur Bewässerung der Ebene in den trockenen Sommermonaten emporgepumpt. Heute verschwinden diese zunehmend zu Gunsten von Dieselpumpen – die letzten Windmühlen dienen vor allem touristischen Zwecken.
Im Frühsommer ist die Ebene oft überschwemmt, was dazu führte, dass sich die Bewohner an den Berghängen angesiedelt haben. Diese setzte Ende des 15. Jahrhunderts ein, nachdem die Oropedio Lasithiou für fast 200 Jahre Sperrzone gewesen war. Kretische Aufständische hatten sich zuvor in ihrem Kampf gegen die venezianischen Besatzer hierher zurückgezogen, und nachdem das Widerstandnest eingenommen wurde, wollte man eine Neuansiedlung mit allen Mitteln verhindern. Als dann jedoch eine Hungersnot ausbrach, siedelten die Venezianer Bauern in der Ebene an. Für eine Optimierung der Bewässerung wurde ein schachbrettartiges Kanalsystem angelegt – das bis heute Bestand hat und die Oropedio Lasithiou prägt.

Blick auf die Oropedio Lasithiou.
Insgesamt liegen am Rand der Oropedio Lasithiou 21 Dörfer. In einem davon, Psihro, halten wir, um zur Dikteo Andro, der Andron-Höhle, aufzusteigen. Der Legende nach erblickte hier Zeus das Licht der Welt – muss sich diese „Ehre“ jedoch mit der Dikteo Idron, der Idron-Höhle, im Psiloritis-Massiv teilen. Mittlerweile wird die Dikteo Idron jedoch oft als die Höhle bezeichnet, in der Zeus aufwuchs. Zeus’ Mutter, Rhea, gebar Zeus im Schutz der Höhle, da dessen Vater Kronos, Herrscher der Welt, von seinem Vorgänger Uranos prophezeit wurde, dass er eines Tages von seinem Sohn entmachtet werden würde, woraufhin Kronos alle seine Kinder auffraß. Als Rhea von Kronos gefragt wird, was aus dem Kind geworden sei mit dem sie Schwanger war, gibt sie ihm einen in Windeln gehüllten Felsen zum Verschlingen.
Belegt ist, dass die 84 Meter tiefe Andron-Höhle bereits vor 4.000 Jahren von den Minoern zu kultischen Zwecken genutzt wurde. Einige der entdeckten Kunstgegenstände lagen so lange unangerührt am Boden, dass sie bei ihrer Entdeckung von Tropfsteinen eingeschlossen waren. Die Höhle geriet in Vergessenheit, lediglich die Hirten der Oropedio Lasithiou wussten von ihrer Existens, nutzten sie die überhängenden Felswände doch gerne als Schutz vor schlechtem Wetter. Die Höhle selbst konnten sie nicht betreten, da der Eingang durch einen Felssturz versperrt war. 1866 entdeckte dann einer der Hirten einen glänzenden Gegenstand in einem Stalagmiten, was den italienischen Archäologen Halbherr dazu veranlasste, die Höhle näher zu untersuchen. Doch die türkischen Besatzer verweigerten ihm eine systematische Erkundung. 1900, zwei Jahre nach Abzug der Türken, ließ der Direktor der Britischen Schule für Ausgrabungen in Athen, D. G. Hogarth, den Felssturz am Höhleneingang wegsprengen – und entdeckte mit seinem Team zahlreiche minoische und mykenische Opfergaben. Leider ist der Charme der Höhle mittlerweile durch eine Betontreppe und viele abgebrochene Tropfsteine zerstört. Am tiefsten Punkt der Höhle liegt ein kleiner See.

Blick in die Dikteo Andro.
Der Aufstieg zur Dikteo Andro gleicht ein wenig einem Hindernislauf, vorbei an all den Eseltreibern, die uns in allen erdenklichen Sprachen einen Esel aufschwatzen wollen („Madame, donkey?“). Wenn wir schon nicht reiten wollen, wie wäre es dann mit einem Foto für ein paar Euro? Wir lehnen dankend ab – und freuen uns, dass wir beim Abstieg nicht weiter belästigt werden, da gerade eine Busladung älterer Touristen die Angebote angenommen hat.
Wir setzen uns ins Auto und fahren in einem Schwung weiter nach Rethimno, wo wir auf einem gemütlichen, stadtnahen Campingplatz zwischen Hotelanlagen unser Zelt aufschlagen. Abends wandern wir die etwa vier Kilometer nach Rethimno, wo wir nach einem gemütlichen Restaurant suchen und fündig werden.
Donnerstag, 13. Oktober 2005
Gestern Abend haben wir uns eine entscheidende Frage gestellt: Schafft Maike noch eine herausfordernde Bergwanderung? Die Zweifel überwogen – und so ist heute Transfertag an die Nordküste. Statt vor Sonnenaufgang aufzustehen, schlafen wir aus, frühstücken in aller Ruhe. Maike geht noch einmal zum Meer, schwimmen. Ich plane in der Zwischenzeit unsere Route. Danach wird das Zelt abgebaut und wir brechen auf.
Unser erstes Ziel ist die Oropedio Lasithiou, die Lassiti-Ebene. Begleitet von zahlreichen Reisebussen fahren wir durch die größte Polje Kretas, die eingebettet zwischen den Gipfeln des Oroseira Dikti, des Dikti-Gebirges, liegt. Höchster Berg ist der 2.148 Meter hohe Dikti, den ich gerne aus der Oropedio Lasithiou heraus über den E4 bestiegen hätte. Doch ich akzeptiere Maikes Entscheidung – und so durchqueren wir die stark landwirtschaftlich genutzte Ebene nur mit dem Auto. Hin und wieder steht eine einfache Windmühle am Straßenrand. Mit diesen wurde früher das Grundwasser zur Bewässerung der Ebene in den trockenen Sommermonaten emporgepumpt. Heute verschwinden diese zunehmend zu Gunsten von Dieselpumpen – die letzten Windmühlen dienen vor allem touristischen Zwecken.
Im Frühsommer ist die Ebene oft überschwemmt, was dazu führte, dass sich die Bewohner an den Berghängen angesiedelt haben. Diese setzte Ende des 15. Jahrhunderts ein, nachdem die Oropedio Lasithiou für fast 200 Jahre Sperrzone gewesen war. Kretische Aufständische hatten sich zuvor in ihrem Kampf gegen die venezianischen Besatzer hierher zurückgezogen, und nachdem das Widerstandnest eingenommen wurde, wollte man eine Neuansiedlung mit allen Mitteln verhindern. Als dann jedoch eine Hungersnot ausbrach, siedelten die Venezianer Bauern in der Ebene an. Für eine Optimierung der Bewässerung wurde ein schachbrettartiges Kanalsystem angelegt – das bis heute Bestand hat und die Oropedio Lasithiou prägt.

Blick auf die Oropedio Lasithiou.
Insgesamt liegen am Rand der Oropedio Lasithiou 21 Dörfer. In einem davon, Psihro, halten wir, um zur Dikteo Andro, der Andron-Höhle, aufzusteigen. Der Legende nach erblickte hier Zeus das Licht der Welt – muss sich diese „Ehre“ jedoch mit der Dikteo Idron, der Idron-Höhle, im Psiloritis-Massiv teilen. Mittlerweile wird die Dikteo Idron jedoch oft als die Höhle bezeichnet, in der Zeus aufwuchs. Zeus’ Mutter, Rhea, gebar Zeus im Schutz der Höhle, da dessen Vater Kronos, Herrscher der Welt, von seinem Vorgänger Uranos prophezeit wurde, dass er eines Tages von seinem Sohn entmachtet werden würde, woraufhin Kronos alle seine Kinder auffraß. Als Rhea von Kronos gefragt wird, was aus dem Kind geworden sei mit dem sie Schwanger war, gibt sie ihm einen in Windeln gehüllten Felsen zum Verschlingen.
Belegt ist, dass die 84 Meter tiefe Andron-Höhle bereits vor 4.000 Jahren von den Minoern zu kultischen Zwecken genutzt wurde. Einige der entdeckten Kunstgegenstände lagen so lange unangerührt am Boden, dass sie bei ihrer Entdeckung von Tropfsteinen eingeschlossen waren. Die Höhle geriet in Vergessenheit, lediglich die Hirten der Oropedio Lasithiou wussten von ihrer Existens, nutzten sie die überhängenden Felswände doch gerne als Schutz vor schlechtem Wetter. Die Höhle selbst konnten sie nicht betreten, da der Eingang durch einen Felssturz versperrt war. 1866 entdeckte dann einer der Hirten einen glänzenden Gegenstand in einem Stalagmiten, was den italienischen Archäologen Halbherr dazu veranlasste, die Höhle näher zu untersuchen. Doch die türkischen Besatzer verweigerten ihm eine systematische Erkundung. 1900, zwei Jahre nach Abzug der Türken, ließ der Direktor der Britischen Schule für Ausgrabungen in Athen, D. G. Hogarth, den Felssturz am Höhleneingang wegsprengen – und entdeckte mit seinem Team zahlreiche minoische und mykenische Opfergaben. Leider ist der Charme der Höhle mittlerweile durch eine Betontreppe und viele abgebrochene Tropfsteine zerstört. Am tiefsten Punkt der Höhle liegt ein kleiner See.

Blick in die Dikteo Andro.
Der Aufstieg zur Dikteo Andro gleicht ein wenig einem Hindernislauf, vorbei an all den Eseltreibern, die uns in allen erdenklichen Sprachen einen Esel aufschwatzen wollen („Madame, donkey?“). Wenn wir schon nicht reiten wollen, wie wäre es dann mit einem Foto für ein paar Euro? Wir lehnen dankend ab – und freuen uns, dass wir beim Abstieg nicht weiter belästigt werden, da gerade eine Busladung älterer Touristen die Angebote angenommen hat.
Wir setzen uns ins Auto und fahren in einem Schwung weiter nach Rethimno, wo wir auf einem gemütlichen, stadtnahen Campingplatz zwischen Hotelanlagen unser Zelt aufschlagen. Abends wandern wir die etwa vier Kilometer nach Rethimno, wo wir nach einem gemütlichen Restaurant suchen und fündig werden.
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