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Europas Dach der Alpen – Der „Weiße Berg“

Wieder einmal verbrachte ich meine Hochtourenwoche mit dem Fachübungsleiter (FÜL) Hochtouren Robert Neja. Diesmal begleiteten uns zwei meiner engsten Freunde, Henry und Torsten. Akklimatisiert haben wir 2 Nächte auf dem Refuge de l'Envers des Aiguilles, wo wir u.a. den Versuch wagten, die Aiguille de la Republique zu besteigen. An einem weiteren Tag kletterten wir unterhalb der Hütte an den Sportkletterrouten. Es war eine schöne Kletterei bei herrlichstem Wetter. Am 02.08.2011 verließen wir die Hütte und stiegen bis Chamonix zu Fuß ab. Nach einer Übernachtungauf einem Zeltplatz unterhalb des Bossongletschers fuhren wir am nächsten Tag mit der Seilbahn auf die ca. 3800 m hohe Aig. du Midi. Wir beschlossen, dort zu bleiben, um dann auf den „Weißen Berg“ zu steigen. Wir ruhten, aßen etwas und machten uns nachts gegen 1:30 Uhr auf den Weg. Über den schmalen Grat ging’s stetig bergab, grob in Richtung Cosmiquehütte. Im alten Biwak unterhalb der Hütte deponierten wir die Ausrüstung die wir nicht brauchten, um uns so gewichtsmäßig zu optimieren. Die Sicht war noch recht schlecht, aber verbesserte sich zusehends. Schnaufend ging es an den Aufstieg Richtung Schulter des Tacul, die Robert und ich schon vom letzten Jahr her kannten. Der Routenverlauf war dieses Jahr dennoch vollkommen anders, keine Leiter mehr, mit deren Hilfe eine Spalte überwunden werden konnte. Henry und Torsten waren beeindruckt. Sie schnauften; eigentlich schnauften wir alle. Gegen 5 Uhr erreichten wir das Ende des Anstiegs und somit auch die Epaule (Schulter) des Mont Blanc du Tacul. Es waren viele Seilschaften unterwegs, der Tag versprach wettermäßig grandios zu werden. Aus dem Tal wehte eine recht steife Brise, die uns wissen ließ, dass wir nun wirklich im Hochgebirge waren. Die ersten 500 Hm haben wir hinter uns gebracht. Wir befanden uns auf 4000m. Es ging gut voran durch den Col Maudit. Am Ende des Anstiegs erwartete uns eine Steileisflanke, der Col du Mont Maudit, den es zu überwinden galt. Das Seil wurde verkürzt, da das Gelände immer steiler wurde. Die Entscheidung war goldrichtig. Hier war die Gefahr des Abrutschens höher als die Spaltengefahr.
Die Steilheit forderte ersten Tribut bei Torsten und Henry… Schritt für Schritt kämpften sie sich hoch. Vorn „zog“ Robert, hinten „schob“ ich. Ihnen war die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Immer wieder geisterte mir der Satz im Kopf herum, dass nur knapp die Hälfte der Mont Blanc Aspiranten den Gipfel erreichen. Dieser Satz bezog sich aber auf den Normalweg. Wir befanden uns nicht auf diesem. Nein wir befanden uns auf der Route einer mehr oder minder 2-fach-Überschreitung auf dem Weg zum Dach Alpen. Motiviert durch diesen Gedanken versuchte ich auch Henry, der vor mir lief, zu motivieren. Langsam, in glühendem Rot, ging die Sonne auf und zeichnete Konturen in die Flanke vor uns. Es ist immer wieder atemberaubend schön und nicht in Worte zu fassen, welch Farbenspiel die aufgehende Sonne veranstaltet. Cirka 7.30 Uhr erreichten wir nun die Steileisflanke, welche sich mit 45% Steigung zum Col hochzog. Sie ist ca. 70 m hoch. In und auch vor ihr wuselten Heerscharen von Bergsteigern, geführt von Bergführern. Ein nicht enden wollender Strom, vergleichbar mit einer Pinguinkolonne am Südpol, pickelte sich Stück für Stück die schräge Eiswand hoch.

Kolonne auf dem Weg zur Schulter
Ich sah in die Gesichter von Torsten und Henry. Sie waren sehr erschöpft. Robert befand sich nun im Vorstieg und erreichte den ersten Stand. Blind verstanden wir uns. Ich stieg nach und sicherte dann mit dem anderen Seil Torsten und Henry nach. Nun passierte etwas, was ich noch nie gesehen habe und was ich auch nicht vermutete. Henry war psychisch scheinbar am Ende. Nachdem er 25 Meter nachstieg und zu mir an den Stand kam, bat ich ihn, sich mit Mastwurf einzusichern. Er verstand mich nicht. Ich erklärte Ihm was er machen sollte, aber er hat mich einfach nicht verstanden. Ich sicherte ihn dann ein und verstand die Lage. Robert war indes oben angekommen und baute den Stand. Ich sicherte Henry im nächsten Seil ein nahm ihn aus dem Stand und schickte ihn und Torsten hoch zu Robert und stieg hinter ihnen her.

Steileisflanke hoch zur Schulter des Maudit
Oben erzählte ich Robert von diesem Vorfall. Hier hatte sich aber Henry schon wieder gefangen. Wir bekamen mit, dass sie zu wenig getrunken hatten, da die Trinkschläuche eingefroren waren. Ich gab ihnen von meinen Trinkschläuchen und die beiden verschnauften erstmal kurz. Viel Zeit war nicht, da wir an einer sehr windigen Stelle waren. Die Temperatur betrug geschätzte -10°C. Wir setzten unseren Weg fort. Robert und ich beobachteten Henry und Torsten jetzt sehr genau. Wir hielten ständigen Kontakt, konnten aber nicht mehr so schnell gehen, da die Erschöpfung schon arg fortgeschritten war. Nach einigen 100 Metern am Col de la Brenva machten wir Rast. Torsten hatte jetzt seinen Tiefpunkt. Ich gab ihm ein Sport-Gel und er erholte sich schnell.
Wir berieten und drängten auf eine Entscheidung - weiter oder zurück - Abstieg oder weiter Aufstieg? Torsten und Henry sahen sich an, sahen uns an und sahen dann zum Gipfel von dem uns aber immer noch ca. 500 Hm trennten. Gemeinsam beschlossen wir, weiter den Weg Schritt für Schritt zu gehen. Ein steiler Aufschwung sollte uns noch die Luft nehmen, die Mur de la Côte lag vor uns.

Nicht mehr weit bis zum Gipfel ?!
Höhenmeter um Höhenmeter kämpfte sich unsere Seilschaft nach oben. Pause, atmen, weiter, Pause, trinken, weiter, 2 Stunden lang stampften wir so die Gipfelflanke hoch und erreichten um genau 11 Uhr den Gipfel. Ich war stolz auf Torsten und Henry, aber auch auf Robert und mich. Umarmungen folgten. Glücklich zog ich mich kurz zurück, um mich zu sammeln und mein Gipfelglück allein zu genießen. Gipfelglück… ein Gefühl, dass ich bis jetzt nur mit dem Glücksgefühl vergleichen kann, dass ich bei der Geburt meiner Kinder verspürt habe. Ja, das kommt dem schon nahe. Man kann es nicht beschreiben. Es ist, als wenn die Welt für diesen einen Moment still steht Man vergisst alles und ist einfach nur glücklich. In diesem Augenblick möchte man nirgendwo anders sein als genau hier. Eine Stunde verbrachten wir auf dem Gipfel und traten dann nach der obligatorischen Fotosession den Weg zurück an. Wir wussten, dass wir erst die Hälfte geschafft hatten. Jetzt mussten wir heil wieder runter kommen.

v.l.n.r. Torsten, Manuel, Robert, Henry
Vorsichtigen Schrittes arbeiteten wir uns nun auf demselben Weg zurück. Über den Col du Mont Maudit und die Schulter des Tacul runter bis zum Col du Midi. An der Schulter des Tacul hatte ich einen kleinen Tiefpunkt, da jetzt auch bei mir das Wasser zur Neige ging. Oh nein! Noch ein letzter Anstieg zur Cosmiquehütte, vorher noch unser Equipment geholt und es war geschafft. Nun checkten wir ein und regenerierten uns schnell durch ein kurzes Schläfchen bis zum Abendbrot. Wir werteten den Tag aus und waren überglücklich, es geschafft zu haben.
Fazit der Tour ist, dass jeder einzelne dennoch immer aufpassen muss, dass ihm das Notwendigste, in diesem Fall das Getränk, nicht einfriert, denn ohne ausreichende Flüssigkeitsversorgung ist es gefährlich, weiter zu gehen. Wir profitierten davon, dass ich meinen Beutel mit 3 Litern gefüllt habe und noch Gels dabei hatte. Auch Roberts Beutel stand uns zur Verfügung und wenn ich mich recht erinnere, waren die Schläuche von Robert und Torsten am Gipfel wieder einsatzbereit, sodass sie wieder ihre eigenen Getränke zu sich nehmen konnten. Alles in Allem war es ein toller Tag. Die Tour ist von den Höhenmetern nicht zu unterschätzen. Knappe 1350 Hm im Aufstieg haben wir in hinter uns gebracht und für die gesamte Tour haben wir 15 Stunden benötigt. Kondition und Willenskraft sind die Basis und der Garant für einen Gipfelerfolg. Wieder mal geht ein Dank an Robert, der uns mit fachlichen Können und seiner ruhigen, konzentrierten Art, den Gipfelsieg beschert hat. Henry und Torsten haben sich super geschlagen und haben gezeigt, was ein Körper zu leisten vermag.
Hier nochmal der Bericht auf der Originalseite.
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