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Angefangen bei der Idee des (weitestgehend) unabhängigen Reisens bin ich, zusammen mit einem Freund von mir, bei dem Vorhaben des Unterwegssein per Anhalter gelandet. Die darin bestehende Unabhängigkeit zum ersten mal eine Reise dieses Ausmaßes selbst zu planen und durchzuführen, sowie der Gedanke im kleinen Maßstab für eine überschaubare Zeit sein eigener Herr zu sein.
Des weiteren konnten wir aufgrund des Trampens den Vorzug in Anspruch nehmen, innerhalb von kurzer Zeit größere Strecken zurückzulegen, um somit eine große Anzahl von Eindrücken zu gewährleisten. Meine Hoffnungen und Ansprüche vor der Reise bezogen sich vor allem darauf, die Menschen hinter dem Rahmen einer Nation kennen zu lernen, also jenen Eindruck zu bekommen, welcher jedem Pauschal-Touristen und Erholungsurlauber verwährt bleibt.
„Reisen als Gift gegen Vorurteile“ sowie die Möglichkeit neue Bekanntschaften zu schließen und ein Land auf eine sehr persönliche Art kennen zu lernen waren unsere hoch gesteckten (?) Ziele, wir sollten nicht enttäuscht werden…
Fakten zur Reise
Dauer: 17 Tage ( 5. August 2010- 21. August 2010)
Route: Deutschland- Tschechien- Polen- Litauen- Lettland- Estland
(Rückweg durch die selben Länder, ausgenommen Tschechien)
Gesamtstrecke: ~ 4000 Km
Kosten: ~ 200 Euro
Reisestil: Reisen per Anhalter
Übernachtung mit Zelt+ Schlafsack
Viele werden beim lesen der ersten Zeilen wohl einen Dämpfer verspüren. Unser eigentlicher Start war nicht etwa Reutlingen, sondern Prag. Zumindest was das Vorhaben des Trampens betrifft. Für die 500 Km dazwischen bedienten wir uns der Mitfahrzentrale, eine Initiative unsererseits um nicht schon in den ersten Tagen unserer eigentlich knapp bemessenen Zeit (Max. 3 Wochen) irgendwo auf einem Autobahnkreuz in Deutschland zu versauern. Die 25 Euro/Person waren es uns alle male Wert, da das Ziel unserer Reise auf den Osten- Nordosten Europas festgelegt waren. Warum also mehr Zeit als nötig in Deutschland verbringen!?
Im Zuge dieser geregelten Fahrt konnten wir uns also mental auf die nächsten Wochen einstellen, endlich ging es los. Nun würde sich zeigen, inwiefern die Vorstellungen und Ausmalungen mit dem Vorausstehenden übereinstimmen. Und auch hier hat sich ein Prinzip durchweg an der Spitze gehalten: „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“
De facto konnten wir nur die Rahmenbedingungen planen, der Rest unterliegt (zum Glück!) dem Einfluss des Zufalls.
[Tag 1] - 5.August 2010
Schon beim Anblick der Riesenmetropole Prag verspüren wir eine riesige Vorfreude auf die bevorstehende Zeit. Wir Kleinstadtmenschen inmitten einer fremden Großstadt, irre! Mit unseren 18 Jahren haben wir wohl auch noch nicht allzu viel gesehen, und sind daher nicht sehr schwer zu beeindrucken.
Unsere (bezahlte) Fahrerin überlässt uns am äußeren Ring der Innenstadt uns selbst, es ist bereits abend und die Straßen füllen sich mit Nachtschwärmern. Inmitten dieses Treibens Valentin und Ich mit unseren 20 Kg schweren Rucksäcken, viel zu schwer wie wir noch erfahren werden.
Um die Eindrücke erst einmal absacken zu lassen, nehmen wir Platz in einer nahe liegenden Kneipe und gönnen uns 2 Pilsener Urquell, DAS Kultbier Tschechiens ;)
Wir wollen demnächst Schlafen gehen, wobei ein erstes Problem auftritt:
Wo kann man inmitten einer Großstadt sein Zelt aufschlagen?
Wir werden auf einen nahe gelegenen „Hügel“ verwiesen, ein grüner Fleck inmitten von Straßen und großen Wohnblöcken.
Der erste Tag geht zu Ende…
[Tag 2] - 6.August 2010
In der Nacht kam viel Regen herunter, wodurch unser Zeltboden erstmals nass wurde. Im Schutz nahe liegender Bäume nehmen wir ein provisorisches Frühstück ein und machen uns anschließend in Richtung „Metro“ auf, um den Kern der Stadt schneller zu erreichen.
Nach einer kurzen Stadtbesichtigung wollen wir nun endlich starten, auf in Richtung Norden.
Doch wie trampt man am besten?
Keiner von uns war je per Anhalter unterwegs, zudem regnet es in strömen. Nicht die besten Voraussetzungen für den ersten Tramp, dementsprechend dauert es gut 2 Stunden bis wir am Stadtrand erstmals mitgenommen werden. Ziel ist es, noch heute die polnische Grenze zu erreichen, mit dem Auto ein Katzensprung von Prag aus. Ein mit Whiskey beladener LKW wird unser Gefährt über die tschechisch-polnische Grenze, der überaus nette Mann nimmt uns mit bis Zabkowice, ein eher verschlafener Ort nahe der Grenze.
Wir bemerken bereits zu diesem Zeitpunkt, dass die Kommunikation nicht immer einfach sein wird. Gerade die „ältere“ Generation spricht wenig/kein Englisch, lediglich russisch als zweite Fremdsprache, was mitunter auf die Zeit und Schulbildung in der ehemaligen Sowjetunion zurückzuführen ist.
Wir stellen unser Zelt in einem Maisfeld auf, um neugierigen und ungemütlich gesinnten Personen aus dem Weg zu gehen. Trotz aller Offenheit mit der wir dieses Vorhaben angehen wollen wir uns doch auch zurückziehen können. Das Maisfeld bietet vorerst Möglichkeit dazu.
Bei einem Abendspaziergang durch Zabkowice bekommen wir Einblick in das routinierte Treiben des kleinen Ortes. Die Kassiererin in einem kleinen Kiosk grinst mich nur schräg an als ich mit tschechischem Geld zahlen will. Die Währungsumstellung ist gar nicht so einfach, vor allem bei einem ständig wechselndem Währungskurs, blick da mal einer durch ;)
Beim schlendern durch die Straßen stoßen wir auf 3 Jugendliche, zwei von ihnen sind offensichtlich unter Drogen. Sie geben uns zu verstehen dass wir ihnen Alkohol und Zigaretten in dem besagten Kiosk kaufen sollen, als eine Art selbstverständlichen Obolus.
Wir verneinen und versuchen das Gespräch umzuleiten, dies scheint auch gut zu funktionieren bis die drei auf die Idee kommen sich ungefragt an unserem Bier zu bedienen. Okay denke ich mir, daran soll es nicht liegen. Wir sind offensichtlich unterlegen, sowohl vom sprachlichen als auch vom Heimvorteil, immerhin sind wir nur Touristen.
Valentin drückt ihnen 3 Zigaretten ab, wir merken dass die Situation kritisch werden könnte. Ein älterer Dorfbewohner, welcher die ganze Szene wohl beobachtet hat schreitet ein und bittet uns, die Gegend zu verlassen. Die Drei wollen noch nicht locker lassen, sichtlich amüsiert und vorerst mit Zigaretten versorgt lassen sie uns ziehen. Eine wohl notwendige „Diplomatie“….
-- Beine ausstrecken an der tschechisch-polnischen Grenze --
-- polnischer Whiskey-Transporter als Gefährt über die Grenze --
[Tag 3] - 7.August 2010
Nach einer regenreichen Nacht gleicht unser Maisfeld einer Schlammgrube, dem enstprechend ist unsere Stimmung auch etwas matschig. Der Vorfall mit den Jugendlichen gestern Abend beschäftigt mich noch, ich versuche daraus schlau zu werden. In Zukunft werden wir ein wenig vorsichtiger und aufmerksamer sein müssen.
Sehr schnell kann eine Situation wie diese umschlagen und wir würden in ein weitaus größeres Bedrängnis geraten. Nichts desto trotz will ich mich aufgrund dessen nicht grundsätzlich vor den Leuten verschließen, wir hatten nur Pech (?) , Polen gleich am ersten Tag auf diesem Fuß zu erwischen…
An einer Tankstelle unweit der anliegenden Landstraße werden wir von einem älteren Ehepaar nach Breslau mitgenommen.
Am Stadtausgang treffen wir auf Sepp (Name geändert), einen aus Bayern stammender Mann der eine durchaus schwere Zeit durchlebt. Seine Kinder sind großgezogen, er fühlt sich als Vater immer weniger gebraucht. Zudem geht seine Ehe den Bach herunter, er wird sich demnächst scheiden lassen.
Wow, wir sitzen im Auto eines deprimiert wirkenden Mannes der sich offenbar in einer Krise befindet. Er nimmt eigentlich keine Anhalter mit, ihm war in seiner Lage nur etwas nach Gesellschaft. Für die nächsten 550 Km wird er unser Fahrer, sein Ziel ist Elk in Nordpolen, wo er eine Woche verbringen wird um den Kopf ein wenig frei zu bekommen. Wer bereits einmal per Anhalter unterwegs war wird wissen, dass es sehr viel Glück braucht um eine Mitfahrgelegenheit für eine derart lange Strecke zu finden. Wir sind zufrieden mit dem Verlauf bis hierher, zumahl Sepp ein angenehme Person ist. Ich kann sein introvertiertes und deprimiertes Verhalten nicht gleich deuten, mir kommt sogar kurz der Gedanke auf, in seiner Situation haben ihn viele Lebensgeister verlassen und er geht die Reise und deren Ausgang mit einer gewissen Gleichgültigkeit an.
Da dies nicht meine letzte Fahrt werden soll bleibe ich skeptisch und beobachte ihn genau. Als wir gegen Abend in ein ländliches Lokal einkehren um eine Pause zu machen entspannt sich die Situation erstmal. Er spendiert uns ein Essen und wir beschließen gemeinsam, die Nacht durchzufahren bis Elk. Zurück im Auto merke ich, dass die 2 polnischen Bier welche Sepp getrunken hat doch etwas stärker wirken als jene aus unserer Region. Es wird abermals kritisch, was sollen wir machen?
Die logische Konsequenz wäre gewesen, uns mitten auf der Landstraße abzusetzen und somit den sicheren Weg einzuschlagen. Doch Motivationstechnisch kam dies nicht in Frage, wir wollten vorankommen, und das möglichst schnell. Somit entschieden wir uns, sehr leichtsinnig in Nachhinein, Sepp weiterhin zu begleiten.
Auf der Landstraße rennt eine betrunkene Frau vor unser Auto, trotz des Alkohols im Blut reagiert Sepp schnell genug und weicht aus. Ich bekomme so langsam eine Vorstellung davon, wie gefährlich polnische Landstraßen sind, sowohl vom Verlauf als auch von der Fahrqualität vieler Menschen. Nur wenige Kilometer später geraten wir in einen Stau. Ich atme auf, hoffentlich verstreicht ein wenig Zeit sodass Sepp wieder ausnüchtern kann. Müde vom Sitzen steige ich aus und will mir ein wenig die Beine vertreten. Als ich neben dem Auto stehe fährt ein Sportwagen mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei.
Wenige Momente kracht es, Scheiben gehen zu bruch, das unverkennbare Knirschen einer zu Schrott gefahrenen Karosserie ertönt.
Der Wagen ist nur wenige Meter hinter uns auf der Gegenfahrbahn in ein Grabenende gefahren und liegt nun halb schräg darin. Valentin und Ich sind schnell bei dem Auto um uns nach den Insassen zu erkundigen. Der Beifahrer klettert aus dem zerbrochenen Fenster der Türe und torkelt auf ein angrenzendes Feld, dennoch scheint er Ok zu sein. Die Fahrertür ist verbeult, nur schwer ist sie auf zu bekommen. Wir ziehen und der Mann am Steuer tritt von innen dagegen bis sie sich schließlich öffnen lässt. Der Mann ist in Ordnung, und sturzbetrunken….wahrlich ein Fluch an diesem Abend.
Zurück in „unserem“ Auto geht die Fahrt bald weiter, ein weitaus schwererer Unfall 2 Km war Ursache für den Stau. Die Nachtfahrt bleibt aufregend: ein vorbeifahrendes Auto verliert seinen Auspuff, die sprühenden Funken prasseln an unsere Fahrertür.
Was das Autofahren angeht ist Polen durchaus ein Kulturschock. Auf den wenigen Kilometern wurden wir davon überzeugt, dass es viel ruppiger und unwegsamer zugeht als auf unseren Landstraßen.
Der Morgen bricht an, wir befinden uns auf den letzten 30 Kilometern unserer Strecke. Ich muss Sepp wach halten, immer wieder fallen ihm die Augen zu. Auch ich bin todmüde, schlafen wäre jetzt jedoch alles andere als angebracht. Wie so oft an diesem Abend/Morgen muss ich um unsere Gesundheit bangen, wenn Sepp am Steuer einschläft wäre dies katastrophal. Einmal trudelt unser Auto auf den Grünstreifen..es ist höchste Zeit dass wir ankommen. Gefühlt im „letzten“ Moment erreichen wir Elk, glücklich aber müde, das Auto wird zu unserem Schlafplatz…
Des weiteren konnten wir aufgrund des Trampens den Vorzug in Anspruch nehmen, innerhalb von kurzer Zeit größere Strecken zurückzulegen, um somit eine große Anzahl von Eindrücken zu gewährleisten. Meine Hoffnungen und Ansprüche vor der Reise bezogen sich vor allem darauf, die Menschen hinter dem Rahmen einer Nation kennen zu lernen, also jenen Eindruck zu bekommen, welcher jedem Pauschal-Touristen und Erholungsurlauber verwährt bleibt.
„Reisen als Gift gegen Vorurteile“ sowie die Möglichkeit neue Bekanntschaften zu schließen und ein Land auf eine sehr persönliche Art kennen zu lernen waren unsere hoch gesteckten (?) Ziele, wir sollten nicht enttäuscht werden…
Fakten zur Reise
Dauer: 17 Tage ( 5. August 2010- 21. August 2010)
Route: Deutschland- Tschechien- Polen- Litauen- Lettland- Estland
(Rückweg durch die selben Länder, ausgenommen Tschechien)
Gesamtstrecke: ~ 4000 Km
Kosten: ~ 200 Euro
Reisestil: Reisen per Anhalter
Übernachtung mit Zelt+ Schlafsack
Viele werden beim lesen der ersten Zeilen wohl einen Dämpfer verspüren. Unser eigentlicher Start war nicht etwa Reutlingen, sondern Prag. Zumindest was das Vorhaben des Trampens betrifft. Für die 500 Km dazwischen bedienten wir uns der Mitfahrzentrale, eine Initiative unsererseits um nicht schon in den ersten Tagen unserer eigentlich knapp bemessenen Zeit (Max. 3 Wochen) irgendwo auf einem Autobahnkreuz in Deutschland zu versauern. Die 25 Euro/Person waren es uns alle male Wert, da das Ziel unserer Reise auf den Osten- Nordosten Europas festgelegt waren. Warum also mehr Zeit als nötig in Deutschland verbringen!?
Im Zuge dieser geregelten Fahrt konnten wir uns also mental auf die nächsten Wochen einstellen, endlich ging es los. Nun würde sich zeigen, inwiefern die Vorstellungen und Ausmalungen mit dem Vorausstehenden übereinstimmen. Und auch hier hat sich ein Prinzip durchweg an der Spitze gehalten: „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“
De facto konnten wir nur die Rahmenbedingungen planen, der Rest unterliegt (zum Glück!) dem Einfluss des Zufalls.
[Tag 1] - 5.August 2010
Schon beim Anblick der Riesenmetropole Prag verspüren wir eine riesige Vorfreude auf die bevorstehende Zeit. Wir Kleinstadtmenschen inmitten einer fremden Großstadt, irre! Mit unseren 18 Jahren haben wir wohl auch noch nicht allzu viel gesehen, und sind daher nicht sehr schwer zu beeindrucken.
Unsere (bezahlte) Fahrerin überlässt uns am äußeren Ring der Innenstadt uns selbst, es ist bereits abend und die Straßen füllen sich mit Nachtschwärmern. Inmitten dieses Treibens Valentin und Ich mit unseren 20 Kg schweren Rucksäcken, viel zu schwer wie wir noch erfahren werden.
Um die Eindrücke erst einmal absacken zu lassen, nehmen wir Platz in einer nahe liegenden Kneipe und gönnen uns 2 Pilsener Urquell, DAS Kultbier Tschechiens ;)
Wir wollen demnächst Schlafen gehen, wobei ein erstes Problem auftritt:
Wo kann man inmitten einer Großstadt sein Zelt aufschlagen?
Wir werden auf einen nahe gelegenen „Hügel“ verwiesen, ein grüner Fleck inmitten von Straßen und großen Wohnblöcken.
Der erste Tag geht zu Ende…
[Tag 2] - 6.August 2010
In der Nacht kam viel Regen herunter, wodurch unser Zeltboden erstmals nass wurde. Im Schutz nahe liegender Bäume nehmen wir ein provisorisches Frühstück ein und machen uns anschließend in Richtung „Metro“ auf, um den Kern der Stadt schneller zu erreichen.
Nach einer kurzen Stadtbesichtigung wollen wir nun endlich starten, auf in Richtung Norden.
Doch wie trampt man am besten?
Keiner von uns war je per Anhalter unterwegs, zudem regnet es in strömen. Nicht die besten Voraussetzungen für den ersten Tramp, dementsprechend dauert es gut 2 Stunden bis wir am Stadtrand erstmals mitgenommen werden. Ziel ist es, noch heute die polnische Grenze zu erreichen, mit dem Auto ein Katzensprung von Prag aus. Ein mit Whiskey beladener LKW wird unser Gefährt über die tschechisch-polnische Grenze, der überaus nette Mann nimmt uns mit bis Zabkowice, ein eher verschlafener Ort nahe der Grenze.
Wir bemerken bereits zu diesem Zeitpunkt, dass die Kommunikation nicht immer einfach sein wird. Gerade die „ältere“ Generation spricht wenig/kein Englisch, lediglich russisch als zweite Fremdsprache, was mitunter auf die Zeit und Schulbildung in der ehemaligen Sowjetunion zurückzuführen ist.
Wir stellen unser Zelt in einem Maisfeld auf, um neugierigen und ungemütlich gesinnten Personen aus dem Weg zu gehen. Trotz aller Offenheit mit der wir dieses Vorhaben angehen wollen wir uns doch auch zurückziehen können. Das Maisfeld bietet vorerst Möglichkeit dazu.
Bei einem Abendspaziergang durch Zabkowice bekommen wir Einblick in das routinierte Treiben des kleinen Ortes. Die Kassiererin in einem kleinen Kiosk grinst mich nur schräg an als ich mit tschechischem Geld zahlen will. Die Währungsumstellung ist gar nicht so einfach, vor allem bei einem ständig wechselndem Währungskurs, blick da mal einer durch ;)
Beim schlendern durch die Straßen stoßen wir auf 3 Jugendliche, zwei von ihnen sind offensichtlich unter Drogen. Sie geben uns zu verstehen dass wir ihnen Alkohol und Zigaretten in dem besagten Kiosk kaufen sollen, als eine Art selbstverständlichen Obolus.
Wir verneinen und versuchen das Gespräch umzuleiten, dies scheint auch gut zu funktionieren bis die drei auf die Idee kommen sich ungefragt an unserem Bier zu bedienen. Okay denke ich mir, daran soll es nicht liegen. Wir sind offensichtlich unterlegen, sowohl vom sprachlichen als auch vom Heimvorteil, immerhin sind wir nur Touristen.
Valentin drückt ihnen 3 Zigaretten ab, wir merken dass die Situation kritisch werden könnte. Ein älterer Dorfbewohner, welcher die ganze Szene wohl beobachtet hat schreitet ein und bittet uns, die Gegend zu verlassen. Die Drei wollen noch nicht locker lassen, sichtlich amüsiert und vorerst mit Zigaretten versorgt lassen sie uns ziehen. Eine wohl notwendige „Diplomatie“….
-- Beine ausstrecken an der tschechisch-polnischen Grenze --
-- polnischer Whiskey-Transporter als Gefährt über die Grenze --
[Tag 3] - 7.August 2010
Nach einer regenreichen Nacht gleicht unser Maisfeld einer Schlammgrube, dem enstprechend ist unsere Stimmung auch etwas matschig. Der Vorfall mit den Jugendlichen gestern Abend beschäftigt mich noch, ich versuche daraus schlau zu werden. In Zukunft werden wir ein wenig vorsichtiger und aufmerksamer sein müssen.
Sehr schnell kann eine Situation wie diese umschlagen und wir würden in ein weitaus größeres Bedrängnis geraten. Nichts desto trotz will ich mich aufgrund dessen nicht grundsätzlich vor den Leuten verschließen, wir hatten nur Pech (?) , Polen gleich am ersten Tag auf diesem Fuß zu erwischen…
An einer Tankstelle unweit der anliegenden Landstraße werden wir von einem älteren Ehepaar nach Breslau mitgenommen.
Am Stadtausgang treffen wir auf Sepp (Name geändert), einen aus Bayern stammender Mann der eine durchaus schwere Zeit durchlebt. Seine Kinder sind großgezogen, er fühlt sich als Vater immer weniger gebraucht. Zudem geht seine Ehe den Bach herunter, er wird sich demnächst scheiden lassen.
Wow, wir sitzen im Auto eines deprimiert wirkenden Mannes der sich offenbar in einer Krise befindet. Er nimmt eigentlich keine Anhalter mit, ihm war in seiner Lage nur etwas nach Gesellschaft. Für die nächsten 550 Km wird er unser Fahrer, sein Ziel ist Elk in Nordpolen, wo er eine Woche verbringen wird um den Kopf ein wenig frei zu bekommen. Wer bereits einmal per Anhalter unterwegs war wird wissen, dass es sehr viel Glück braucht um eine Mitfahrgelegenheit für eine derart lange Strecke zu finden. Wir sind zufrieden mit dem Verlauf bis hierher, zumahl Sepp ein angenehme Person ist. Ich kann sein introvertiertes und deprimiertes Verhalten nicht gleich deuten, mir kommt sogar kurz der Gedanke auf, in seiner Situation haben ihn viele Lebensgeister verlassen und er geht die Reise und deren Ausgang mit einer gewissen Gleichgültigkeit an.
Da dies nicht meine letzte Fahrt werden soll bleibe ich skeptisch und beobachte ihn genau. Als wir gegen Abend in ein ländliches Lokal einkehren um eine Pause zu machen entspannt sich die Situation erstmal. Er spendiert uns ein Essen und wir beschließen gemeinsam, die Nacht durchzufahren bis Elk. Zurück im Auto merke ich, dass die 2 polnischen Bier welche Sepp getrunken hat doch etwas stärker wirken als jene aus unserer Region. Es wird abermals kritisch, was sollen wir machen?
Die logische Konsequenz wäre gewesen, uns mitten auf der Landstraße abzusetzen und somit den sicheren Weg einzuschlagen. Doch Motivationstechnisch kam dies nicht in Frage, wir wollten vorankommen, und das möglichst schnell. Somit entschieden wir uns, sehr leichtsinnig in Nachhinein, Sepp weiterhin zu begleiten.
Auf der Landstraße rennt eine betrunkene Frau vor unser Auto, trotz des Alkohols im Blut reagiert Sepp schnell genug und weicht aus. Ich bekomme so langsam eine Vorstellung davon, wie gefährlich polnische Landstraßen sind, sowohl vom Verlauf als auch von der Fahrqualität vieler Menschen. Nur wenige Kilometer später geraten wir in einen Stau. Ich atme auf, hoffentlich verstreicht ein wenig Zeit sodass Sepp wieder ausnüchtern kann. Müde vom Sitzen steige ich aus und will mir ein wenig die Beine vertreten. Als ich neben dem Auto stehe fährt ein Sportwagen mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei.
Wenige Momente kracht es, Scheiben gehen zu bruch, das unverkennbare Knirschen einer zu Schrott gefahrenen Karosserie ertönt.
Der Wagen ist nur wenige Meter hinter uns auf der Gegenfahrbahn in ein Grabenende gefahren und liegt nun halb schräg darin. Valentin und Ich sind schnell bei dem Auto um uns nach den Insassen zu erkundigen. Der Beifahrer klettert aus dem zerbrochenen Fenster der Türe und torkelt auf ein angrenzendes Feld, dennoch scheint er Ok zu sein. Die Fahrertür ist verbeult, nur schwer ist sie auf zu bekommen. Wir ziehen und der Mann am Steuer tritt von innen dagegen bis sie sich schließlich öffnen lässt. Der Mann ist in Ordnung, und sturzbetrunken….wahrlich ein Fluch an diesem Abend.
Zurück in „unserem“ Auto geht die Fahrt bald weiter, ein weitaus schwererer Unfall 2 Km war Ursache für den Stau. Die Nachtfahrt bleibt aufregend: ein vorbeifahrendes Auto verliert seinen Auspuff, die sprühenden Funken prasseln an unsere Fahrertür.
Was das Autofahren angeht ist Polen durchaus ein Kulturschock. Auf den wenigen Kilometern wurden wir davon überzeugt, dass es viel ruppiger und unwegsamer zugeht als auf unseren Landstraßen.
Der Morgen bricht an, wir befinden uns auf den letzten 30 Kilometern unserer Strecke. Ich muss Sepp wach halten, immer wieder fallen ihm die Augen zu. Auch ich bin todmüde, schlafen wäre jetzt jedoch alles andere als angebracht. Wie so oft an diesem Abend/Morgen muss ich um unsere Gesundheit bangen, wenn Sepp am Steuer einschläft wäre dies katastrophal. Einmal trudelt unser Auto auf den Grünstreifen..es ist höchste Zeit dass wir ankommen. Gefühlt im „letzten“ Moment erreichen wir Elk, glücklich aber müde, das Auto wird zu unserem Schlafplatz…
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