[FR] GR 70 – der Stevensonweg mit ohne Esel

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  • Wanderoma
    Anfänger im Forum
    • 06.06.2020
    • 13
    • Privat

    • Meine Reisen

    [FR] GR 70 – der Stevensonweg mit ohne Esel

    Tourentyp
    Lat
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    Mitreisende
    [FR] GR 70 – der Stevensonweg mit ohne Esel

    Aufmerksam auf den Stevensonweg wurde ich durch die zufällig gelesene Bemerkung, dass sich an jedem Etappenziel ein Campingplatz befinde. Außerdem erinnerte mich von früheren Reisen an diese wunderbare Gegend. Und weil ich so gern hier im Forum die Berichte lese, kommt nun einer vom Chemin de Stevenson. (An- und Rückreise per Bahn.)
    Ich bin mit dem Wanderführer vom Conrad Stein Verlag – Frankreich: Cévennen Stevensonweg GR 70 (2. Auflage 2017) unterwegs gewesen. (Die Informationen sind natürlich veraltet und der Weg wurde inzwischen teilweise verlagert.)
    Die km-Angaben sind nur Annäherungswerte.


    1. Tag: Mittwoch, den 14.6.2023
    Le Puy-en-Velay – Le Mont · 17 km

    Gegen Mittag entkam ich Le Puy verhältnismäßig schnell, geradewegs die steilsten Wege hinauf. (Ich hatte vergessen, dass die GR jeweils den schwierigsten aller zur Verfügung stehenden Wege nutzen.) Es ging weiter auf beeindruckenden schmalen Altstraßen, die allerdings in schlechtem Zustand waren, die Seitenmauern verfallen und manchmal auf das eigentliche Pflaster gestürzt. Das Ganze oft überwuchert und durch den tagelagen Regen in einen schnellfließenden Bach verwandelt. Vllt sah das vor 145 Jahren anders aus und war für Esel durchaus zu bewältigen. Na gut, Stevensons Wanderung begann erst in Le Monastier-sur-Gazeille, ich hatte also die Hoffnung, dass der Weg ab dort besser wird…
    So war ich schon dankbar, dass das Wetter allmählich besser wurde. Ich bekam in den Hügeln über Le Puy einen wunderschönen warmen Abend mit einem prächtigen Sonnenuntergang.

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  • Igelstroem
    Fuchs
    • 30.01.2013
    • 1888
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    Viel hast du noch nicht geschrieben – aber mir schon einen Floh ins Ohr gesetzt.
    Umso mehr bin ich gespannt, was jetzt kommt.
    Lebe Deine Albträume und irre umher

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    • Wanderoma
      Anfänger im Forum
      • 06.06.2020
      • 13
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      Ja, es kommt noch was. Aber froh bin ich, dass es mit den Fotos geklappt hat…


      2. Tag: Donnerstag 15. Juni
      Monts – Le Bouchet-St-Nicolas · 24 km

      Kalt war die Nacht gewesen, sehr kalt. Am nächsten Morgen rutschte ich teilweise auf dem Hosenboden über das nasse Gras bergab Richtung Le Monastier-sur-Gazeille. Das touristische Angebot dieses Ortes war enttäuschend, das Sortiment des Supermarktes traurig, ein Kaffee nicht erhältlich. Nach der Besichtigung der erstaunlichen Abteikirche kochte ich mir also meinen eigenen Kaffee, bitteschön, schließlich bin ich autark unterwegs. Während ich gemütlich auf „meiner“ Aussichtsterrasse hockte, zählte ich die startenden Wanderer. Phänomenal! Bin ich hier richtig? oder habe ich aus Versehen die Via Podiensis erwischt? Über dreißig Leute, alles Franzosen bis auf einen Engländer – und zwei Niederländer, natürlich mit Fahrrad – innerhalb nur einer Dreiviertelstunde. Es dauerte ein Weilchen bis ich bemerkte, dass die Leute sich an der kleinen Kapelle trafen, auf deren Terrasse ich frühstückte. Dann gingen sie in Trupps von acht bis zwölf Personen los, alles ältere Ehepaare, teilweise offensichtlich mit Gepäcktransport. Meine Grüße irritierten sie, vllt hielten sie mich ja für die ortsansässige Tütenfrau. Ich hatte meine feuchten Klamotten: Zelt, Innenzelt, Unterfolie und Socken zum Trocknen großzügig über Bänke und Zaun ausgebreitet.
      So viele Menschen hatte ich noch nie auf irgendeinem Wander- oder Pilgerweg getroffen. Es machte mich etwas kopfscheu. Recht bald stellte sich heraus, dass Wanderer in Gruppen mit mehr als zwei Personen nicht gewillt waren, ein Gespräch zu beginnen. Mit Einzelwanderern oder Pärchen konnte ich mich gut unterhalten. Wir haben uns über die Tage immer wieder getroffen, das war ganz witzig. Gewandert bin ich immer allein, mein Schneckentempo war für alle zu langsam. Na und, dann brauchte ich eben etwas länger – schad’ nix…

      Nach dem Frühstück ging ich wieder in die Hügel und schnell stellte sich heraus, dass die Wege für meine Quadratfüße nicht gut geeignet waren. Es waren wieder interessante Altwege, aber in schlechtem Zustand wie am Tag zuvor – koppelige, lose Steine bergauf, bergab. Die Berge waren eindeutig etwas höher als gestern. Sobald der Weg auf Steigung und Gefälle verzichtete, kam ich gut voran, durch schöne Landschaft mit intakter Landwirtschaft.
      Ich machte viele Pausen, es gab so viel zu sehen und kam erst nach 20 Uhr in Le Bouchet-St-Nicolas auf dem Camping municipal an, eine Reception gab es nicht und so konnte ich hier kostenlos wohnen… Auf dem Platz siedelten nur Einzelwanderer, ca. fünf Zelte.

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      Bocage bei Ussel


      3. Tag: Freitag 16. Juni
      Le Bouchet-St-Nicolas – Pradelles · 21 km

      Auch diese Nacht war sehr frisch gewesen. Noch am Ortsausgang von Le Bouchet machte ich auf einem lieblosen Spielplatz eine Trocknungs-Kaffee-Frühstückspause und dabei kamen weit mehr als fünf Wanderer an mir vorbei.
      Wieder ein sehr interessanter Tag mit vielseitiger Landschaft. Erst war ich am Rande der Margeride unterwegs, einer Hochebene mit verfallenen Trockenmauern. Das Wetter wurde langsam heiß und heißer. In Arquejols, einem Dorf auf der halben Strecke nach Pradelles, lagerten die Grüppchen der Wanderer im spärlichen Schatten der wenigen Bäume und Büsche des Dorfangers. Ein buntes Bild. Der Anwohner, bei dem ich nach Wasser fragte, fand das ulkig und meinte, das sähe im Sommer immer so aus.

      Zwei gemütliche lange Mittagspausen habe ich gemacht, jeweils mit Superaussicht. Die Landschaft ist zu und zu schön, viel Fernsicht, am Feldrand breite Blühstreifen mit Pflanzen, die in DE als mickriges Unkraut 10 cm hoch werden und hier in wilden Farben blühen wie in einem botanischen Garten.

      Die Anstiege waren immer höher als die Bergabstrecken, von Le Puy hatte ich mich schon 200 m höher gearbeitet. Morgen wird es dann noch weiter hinauf gehen, Langogne liegt auf über 900 m. Und Chasseradès, das Etappenziel in einigen Tagen, liegt auf fast 1000 m Höhe. Der GR nimmt natürlich zwischendurch jeden Berg mit – und dann kommt der Mont Lozère…

      Am Etappenziel in Pradelles war der Camping geschlossen, trotzdem wohnte dort eine Familie. Sie fühlten sich nicht gestört, wenn ich eine Nacht dort bliebe, es gäbe keinen Strom, nur kaltes Wasser – für den Akku meines Handys nicht gut. Von den anderen Wanderern kam hier keiner vorbei, die Topo-Guides der GR sind aktueller als mein antiquarisches Teil. Inzwischen hatte ich die Guides bei den Wanderkollegen zu sehen bekommen: gutes Kartenbild, anscheinend ausführlich erklärender Text, nur das Format ist ’n büschen zu groß.

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      4. Tag: Samstag 17. Juni
      Pradelles – Le Cheylard-l'Evêque · 23 km

      Die vergangene Nacht war ziemlich kühl. Heute wanderte ich mehr durch Wald als Landwirtschaft mit interessanten Spuren alter Straßen und Wege. Ich hatte das Glück in Langogne einen sehr gut ausgestatteten Wochenmarkt zu treffen. Endlich mal Obst und Gemüse in herausragender Qualität. Und eine Kirche mit erstaunlichen Kapitellen. Jetzt konnte ich mich ausführlich mit Vorräten für die nächsten Tage eindecken, denn ich würde erst einmal keine Einkaufsmöglichkeiten im Vorübergehen treffen. Aber auch hier fand ich bis auf Obst und Gemüse nicht die üblichen leckeren Artikel, die ich sonst in Frankreich gewohnt war…
      Weiter ging es durch den Wald von Mercoire. Auch hier soll im 18 Jh. der Wolf von Gévaudan seine Beute gefunden haben. Es war ein toller Wald, viel Hochwald mit alten Besiedlungsspuren.

      Und dann erinnerte ich mich plötzlich an die Diskussion wg wilden Zeltens auf den ODS: Mitten im tiefsten Fichtenwald kurz vor Le Cheylard-l'Evêque stand ein ziemlich kompaktes Dreimannzelt knapp 10 m neben dem GR, aber hier war ja auch noch kein Naturschutzgebiet…

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      5. Tag: Sonntag 18. Juni
      Le Cheylard-l'Evêque – La Bastide · 20 km

      Diese Berge gingen mir auf die Nerven, alle Wege benötigten mehr Zeit als gedacht, diese ständigen Aufs und Abs verbrauchten zu viel Energie, das war ich als Nordlicht aus den platten norddeutschen Landen nicht gewohnt. Sonst war ich nur in gemütlichen Mittelgebirgen unterwegs, aber dies hier war eine andere Liga. Landschaftlich überzeugend schön – aber sehr anstrengend! Und dann tauchte immer wieder am südlichen Horizont der Riesenwal auf: der Mont Lozère…

      Zur Entspannung nahm ich eine Abkürzung, nicht zum Kloster Notre-Dame des Neiges sondern direkt auf steilstem Weg den Berg hinunter nach La Bastide.
      Im Ort gab es nichts. Supermarkt und Bäcker, auf den OSM noch avisiert, waren nicht existent. Vor den Hotels und auf den Terrassen der Restos versammelten sich schon die Wandergruppen der französischen Ehepaare, denen ich seit Monastier-sur-Gazeille begegnet war. Sie klebten immer dichter aneinander und waren der Kommunikation absolut abgeneigt.
      Also watschelte ich weiter zum Campingplatz. Hier traf ich wieder auf alle Einzelwanderer, denen ich seit Le Monastier-sur-Gazeille hinterhertaperte und noch etliche mehr. Dieser Platz hatte eine Besonderheit, der ich noch nie zuvor begegnet war: Er war ganz gewissenhaft von jeder Steckdose befreit. Echt blöd, denn meine Powerbank hatte sich inzwischen natürlich schon entladen.
      Dafür sorgte ich bei zwei älteren französichen Wanderern für ein seltenes Déjà-vu. Angesichts meines minimalistischen Esbitkochers, erinnerten sie sich an ihre Militärzeit. Oh, sorry!

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      • bananensuppe
        Dauerbesucher
        • 13.08.2006
        • 742

        • Meine Reisen

        #4
        Schöner Bericht. Das weckt Erinnerungen an mein Tour im Mai.
        Der Campingplatz in Le Bouchet-St-Nicolas ist eigentlich nicht kostenlos. Normalerweise kommt da abends jemand zum abkassieren. Aber vielleicht war der schon da, bevor da ankamst.
        In La Bastide gab es im Mai noch eine Epicerie wo man auch Backwaren bekam.
        Biwakieren ist in Frankreich meist geduldet und die Franzosen machen das auch sehr oft. Im Nationalpark Cevennen ist es, entlang der Hauptwanderweg, auch offiziell erlaubt.

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        • Igelstroem
          Fuchs
          • 30.01.2013
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          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          Mich interessiert ja sehr, was jetzt tatsächlich gegessen worden ist. Und wie es die anderen Einzelwander:innen gemacht haben. 🙃 Hattest du Trekkingmahlzeiten mitgenommen? Und dann mit Esbitkocher? Oder anders gefragt (aus ganz pragmatischen Gründen): Wie viele Nahrungsmittel hast du bei dir getragen, wie oft hast du tatsächlich einkaufen können, hast du dabei auch Grundnahrungsmittel oder nur Ergänzendes eingekauft, hätte man durch vertretbare Abweichungen von der Route wesentlich bessere Versorgungsmöglichkeiten gehabt?
          Eigentlich werden ja viele Ortschaften berührt, und der Laie denkt sich dabei immer eine winzige Boulangerie, eine "Bar Tabac" (für den Kaffee) oder einen Supermarkt in Sichtweite an der Autostraße im Tal, also die von früher gewohnte Infrastruktur.​
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          • lina
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            Vorstand
            Liebt das Forum
            • 12.07.2008
            • 42960
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            Ich freu mich auch auf die Fortsetzung, und das ist ja wunderschön da :-)

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            • ronaldo
              Freak
              Moderator
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              • 24.01.2011
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              • Meine Reisen

              #7
              Mir gefällt der Bericht sehr, aber ehrlich: kein Esel, kein einziger Esel, nicht mal son kleiner halbstarker?

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              • Wanderoma
                Anfänger im Forum
                • 06.06.2020
                • 13
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                Danke für eure freundlichen Kommentare.

                bananensuppe: wahrscheinlich kommt auch morgens noch einmal jemand von der Mairie zum Abkassieren, aber da war ich ja schon wech. Natürlich gibt es die Bar in La Bastide mit dem Cafe au lait, aber ohne Croissant, weil der Bäcker noch nicht oder nicht mehr geöffnet hatte, war ein Sonntag…

                Igelstroem: So ein Esbitkocher ist hervorragend geeignet, um Tütensuppen, Kartoffelpüree, Couscous oder löslichen Kaffee aufzuwärmen. Etwas Gewürz habe ich dabei und nehme sonst, was so kommt, meist Schinken und Tomaten. Die Wanderkollegen hatten gewaltige Ausstattung dabei, ich habe mich sehr gewundert: drei Leute, drei Kocher – Franzosen eben, essen ist wichtig.
                Autofahrer düsen bis zur nächsten größeren Stadt, wo genügend Supermärkte existieren. (Hab ich auch schon mal gemacht, mich per Anhalter düsen lassen, weil dringend Kleidung ersetzt werden musste.)

                lina: Der GR 70 war wirklich ein Erlebnis, deshalb muss ich davon berichten!

                ronaldo: einen Esel habe ich gesehen, von weitem, auf einer Koppel, glaub’ ich jedenfalls, vllt war es auch ein Pony, schade!


                6. Tag: Montag 19. Juni
                La Bastide – Chasseradès · 13 km

                Heute hatte ich nur eine kleine Etappe vorgesehen, denn bis nach Bleymard, wo die anderen sich treffen wollten, war es mir zu weit. Dreißig Kilometer bei diesen Steigungen und Gefällen mit diesen Wegbeschaffenheiten waren mir zu viel. So hatte ich einen Tag mit gemütlichem Flanieren, nachdem ich einen Höhenweg (ca. 1350 m) erreicht hatte, der eine lange Reihe von Windrädern verband.
                Den Mont Lozère konnte ich sehr gut sehen, er nahm den gesamten südlichen Horizont ein. Er ist schon ein Riesentrumm und ich hatte richtig Respekt vor der Querung, die mir übermorgen bevorstand.

                Die Landschaft in Richtung Chasseradès sieht recht harmlos aus, aber im Winter tritt hier anscheinend regelmäßig das Chaos ein. Die normalen kleinen Landstraßen sind mit Hinweisschildern für Autofahrer versehen, die anzeigen, dass die nächste Strecke, der nächste Pass „ouvert“, also frei befahrbar sind. Die Hügeldurchstiche der Bahnstrecke sind mit Schneetunneln versehen, die Schneeverwehungen verhindern. Das sieht sehr merkwürdig aus.

                Auf dem Camping municipal von Chasseradès begann das große Waschen, alle Wanderer nutzten das großzügige Angebot des städtischen Campingplatzes: warme Duschen, Waschmittel, lange Wäscheleinen und sogar Wäscheklammern. Wir waren alle sehr emsig, dabei sah das Wetter nicht so aus als ob die nassen Klamotten noch trocknen könnten.

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                7. Tag: Dienstag 20. Juni
                Chasseradès – Le Bleymard · 17,5 km

                Heute war es etwas kühler, der Himmel bedeckt und ein Mitwanderer sagte etwas von Regen, (der gestern doch nicht gekommen war). Danach krabbelte ich auf einem über 1400 m hohen Weg durch Wald und Feld. Dem Mont Lozère hatte ich mich im Laufe der Tage schon so weit genähert, sodass ich ihn nur bis zur Baumgrenze sehen konnte, alles darüber, der Rücken des Wales, war durch die Krümmung des Berges unsichtbar.

                Der Supermarché in Bleymard war das Schlimmste, das ich auf dieser Reise zu sehen und riechen bekam. Es stank unglaublich! Es war kaum auszuhalten und das Sortiment war erbärmlich. Im Dorf selber gab nur Gîtes, ein Hotel, ein Resto und eine Bar. Und ein Bäcker, der nachmittags zwar öffnete, aber nichts frisch Gebackenes hatte.

                Auch hier gab es einen städtischen Campingplatz und ich durfte mein Zelt abseits der Wandererwiese etwas windgeschützter aufbauen, denn es wehte ein übler Sturm.

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ID: 3212700

                8. Tag: Mittwoch 21. Juni
                Le Bleymard – Mont Lozère – Le Pont-de-Montvert · 18 km

                Morgens ging es los: der Aufstieg zu meinem persönlichen „Bergfest“. Nach 7 km erreichte ich den Parc National des Cévennes. Aber bis dorthin traf ich im Wald dicht am Weg auf zwei Wanderzelte, eines wurde gerade abgebaut, das andere war ein längerfristiges Lager, verstärkt mit Tarp, Möbeln aus Brettern und einer Art Schuppen aus Ästen, vllt die Latrine. (Dank bananensuppe wundere ich mich inzwischen nicht mehr über diese Waldbewohner.) Kurz vor der Station du mont-Lozère kam ich an dem obligatorischen umgebauten buntbemalten LKW mit berliner Nummer vorbei, der überall anzutreffen ist.
                An den Bäumen entlang des Wanderweges hingen Schilder, die darauf aufmerksam machten, dass der Wald kein Klo sei. Die Sanitäranlagen in der Skistation waren geschlossen.

                Der weitere Verlauf des GR 70 war nicht markiert, mein Wanderführer rätselhaft in seiner Beschreibung und nicht nur ich sondern sämtliche Wanderer eierten suchend durch die Gegend bis ein kurzes aber heftiges Gewitter die Leute in irgendwelche Unterschlupfe trieb.
                Kurz nach dem letzten Schlepplift und der Baumgrenze begann der mit groben Steinstelen gekennzeichnete alte Weg über den Rücken des Wals. Toll! Einfach nur toll!!!

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                Ich trudelte ganz langsam den Berg hinauf. Es war überhaupt nicht anstrengend. Der Weg über den Rücken des Wals hatte nur eine sehr gemütliche Steigung. Er war trotzdem schwierig für mich. Ich konnte mir kaum Zeit lassen, den nahen Himmel und die gewaltige Leere zu genießen, denn hier und heute waren solche Massen von Menschen unterwegs, dass ich keine Minute allein war. Ganze Schulklassen torften herum, Rentnerbusladungen und Großfamilien stoben durch das Gelände.

                Nach dem Abzweig zum Sommet de Finiels war es wieder total einsam. Alle anderen wanderten die letzten 50 Höhenmeter auf den Gipfel. Mit Schildern wird intensiv vor der Besteigung des Sommets bei unklaren Wetterverhältnissen gewarnt. Dort gibt es auch keine Steinstelen. Diese begleiteten mich noch abwärts bis zur Baumgrenze, die hier wg des kalten und schneereichen Winters wesentlich tiefer liegt als in Restmitteleuropa.

                Über abwärtsführende Forst- und Waldwege schlenderte ich Richtung Süden. Irgendwann dropte der kleine Kletterpfad vom Sommet auf meinen Weg, trotzdem blieb ich allein. In Finiels, dem nächsten Ort, traf ich auf eine wunderbare frische Quelle und viele, viele Wandergruppen, alle Bänke, Restoplätze und schattigen Steinmauern waren besetzt.
                Ich brauchte nur auf dem nächsten Feldweg einmal um die Ecke zu gehen, um den Wanderweg zu verlassen und einen schönen Pausenplatz mit Aussicht im Schatten zu finden.

                Langsam wurde der Weg schwieriger, für die letzten zwei Kilometer nach Le Pont-de-Montvert brauchte ich weit über eine Stunde, er war sehr steil und bestand nur aus großen losen Gesteinsbrocken, die übersät waren mit den narbigen Spuren der scharfen Trekkingstockspitzen meiner Vorläufer.

                Im Etappenziel war großes Bohei! Die Terrassen der Bars und Freiluftrestos waren überfüllt. Statt Parkplätzen gab es Biergartenkombinationen. Am Ufer des Tarn baute sich eine Openairkonzertbühne auf. Es wurde schon fleißig geprobt und klang sehr interessant nach jazziger Weltmusik.
                Glücklicherweise konnte ich noch alles einkaufen, was ich benötigte und mich auf das andere Ufer des Tarn auf den Campingplatz verkrümeln. In sicherer Entfernung zu dem wilden Fluss baute ich meine Hütte auf und hatte eine geruhsame Nacht (nachdem sich die merkwürdige Band endlich ausgetobt hatte, die dann doch nur die französischen Tanzstandards spielte).


                9. Tag: Donnerstag 22. Juni
                Le Pont-de-Montvert – Bédouès · 20 km

                Morgens schwänzelte sich der Stevensonweg im Zickzack den Berg hinauf. Er war eindeutig wieder sehr alt – mit Pflaster und Trockenmauern.
                Als ich einen freien Blick auf den südwestlichen Horizont hatte, bekam ich einen echten Schrecken. Dort hatte sich eindeutig ein Unwetter aufgebaut. Blitze fusselten aus einer blauschwarzen Wolke, die fette Regenschleier transportierte. Donner war auch schon zu hören.

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                Da stand ich nun auf dem ersten Hügel hoch über dem Flusstal ohne jeden Schutz – keine Felsen, keine Bäume, keine Strauchgruppen. Mit den ersten Regentropfen erreichte ich einen steinernen Kuhstall mit flachem Dach. Die Viecher hatten natürlich drinnen Zuflucht gefunden und ich dahinter im Windschatten und zu Beginn auch vor dem Regen geschützt. Ach was, von wegen Regen: das waren apokalyptische Niederschläge, Hagel, Graupel, eierbechergroße Wassertropfen. Ein echter Härtetest für mein Cape. Bald musste ich ein Stückchen vom Kuhstall abrücken, weil vom Dach herab ein Wasserfall stürzte. Meine Schuhe waren sofort durchnass. Nach einer Dreiviertelstunde war der Zauber vorbei und ich wollte gern weiter.
                Auf dem gesamten Hügel stand das Wasser knöchelhoch und floss nicht ab. Ich eierte auf Grasbüscheln und Steinen zum Wanderweg und der war ein reißender Bach, na klar.

                Über den Bergen im Südwesten näherte sich schon das nächste Gewitter. Ich beschloss, den GR 70 zu verlassen, der als ausgesetzter Kammweg über die 1400 m hohen Berge führte und mich zur Straße durchzukämpfen. Dort war ich durch hohen Baumbewuchs geschützt und konnte gemächlich zur Passhöhe watscheln, wo ich den Stevensonweg wiedertraf. Zwischendurch hängte ich mir in den Regenpausen das Cape am Trekkingstock über den Rücken und es wurde sogar ein wenig weniger nass.

                Auf dem Sattel der Passhöhe baute ich zwischen Fichten und Kiefern mein Zelt auf, braute mir einen heißen Tee und machte Picknick im Trockenen, während das dritte oder vierte Gewitter über mich hinwegtobte.
                Das Gleiche machte ich dann später noch einmal am Wanderweg, der hier über breite Forstwege verläuft. Diesmal gab es Brühe und Baguette.

                Am frühen Abend hatte ich das Tarntal bei Bédouès fast erreicht. Ich hörte schon die Hunde vom ersten Bauernhof, als ich eine markierte Wegabzweigung nach Florac entdeckte, der ich folgte. Hier war es ruhiger. Auf der ersten flachen Stelle abseits des Weges baute ich in den letzten Sonnenstrahlen mein Zelt auf, das tatsächlich schon fast trocken war.

                Das Unwetter hatte übrigens ganz Europa heimgesucht. Im gesamten Massif central gab es vollgelaufene Keller und weggeschwemmte Gärten. In Bayern waren die Hagelkörner taubeneigroß… Nur in Hamburg kam der Regen nicht an. Dort herrschte seit Wochen schon Dürre und niemand weckte die Regentrude!

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                • Enja
                  Alter Hase
                  • 18.08.2006
                  • 4751
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  Ach wie nett. In der Nähe von Florac habe ich mein schulisches Auslandsjahr in einem von drei Familien bewohnten Bergdorf verbracht. Da gab es natürlich weder Laden noch Gastwirtschaft. Einmal die Woche kam das Postauto, bei dem man auch anderes bestellen konnte. Und ein rollender Miniladen.

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                  • Wanderoma
                    Anfänger im Forum
                    • 06.06.2020
                    • 13
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10

                    Hi, Enja, so ein Verkaufswagen hat mir schon mal den Tag gerettet, einmal in Nordfrankreich, Grand Est oder so. Es gibt sie auch in DE, im Weserbergland erhielt ich wunderbare Brötchen und dazu Butter und in der Eifel schenkte mir die Fahrerin zu meinem Einkauf einen Apfel.


                    10. Tag: Freitag 23. Juni
                    Bédouès – Florac · 8 km

                    Die vergangene Nacht war nicht mehr gar so kalt. Ich hatte das Zelt unter Bäumen und Sträuchern aufgebaut, alles war trocken geblieben. Es war total still in der letzten Nacht – kein Auto, kein Rehbock, kein Flugzeug und auch keine Eule.
                    Auf dem Weg nach Florac habe ich es mal wieder geschafft, mich zu verlaufen. Aber man muss ja nur abwärts zu gehen, um im Flusstal anzukommen, in diesem Fall wieder am Tarn… Nördlich des Wals zogen riesige dunkelgraue Schlechtwetterwolkenfelder entlang des Verlaufs des Mont Lozère. Hier im Süden war Sommer!
                    Florac erreichte ich punktgenau am Supermarché für ein opulentes Frühstück, das auch gleich auf dem nächsten Spielplatz aufgefuttert wurde.

                    Im Ort suchte ich das Tourismusbüro auf. Es befindet sich im Informationszentrum des Parc National des Cévennes. Hier konnte ich erstmals Ansichtskarten entdecken, die auch für meine Enkel gut geeignet waren mit Wölfen, Ziegen und Eulen. Briefmarken gab es nicht, aber ich hatte schon kurz vorher La Poste entdeckt. (Wo mir wieder von Hand die Tür geöffnet werden musste, ich bin immer zu blöde, diese codierten Türen aufzubekommen.) «Les 160 Km de Florac» war im Tourismusbüro unbekannt, aber den Camping für die Wanderer konnte man mir beschreiben.
                    Dort angekommen, durfte ich unter früchtetragenden Maulbeerbäumen siedeln, die gerade geerntet wurden. Unter die Bäume legten zwei Jungs Plastikfolien aus, schubsten dann mit Harke und Besen an den Ästen herum, um das abgefallene Obst in einen Eimer zu schütten. Vllt macht man daraus Marmelade, die Früchte schmecken aromatisch und sehr süß.

                    Nach Zeltaufbau und Bewohnbarmachung trudelte ich in die Stadt und machte ausführlich Sightseeing. Florac hat mir sehr gut gefallen. Eigentlich wollte ich einen Ruhetag einlegen, aber hier gab es zu viel anzuschauen. Außerdem musste ich einen Großeinkauf starten, denn am nächsten Tag stand eine Etappe ohne Verpflegung auf dem Programm. Und ob ich am Sonntag auf eine geöffnete Epicerie oder so träfe, war völlig ungewiss. Abends glühten meine Füße vom Asphalt- und Pflastertreten.

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ID: 3212883Es gibt einen Bioladen in der Stadt!!!


                    11. Tag: Samstag 24. Juni
                    Florac – Cassagnas · 18 km

                    Die letzte Nacht war warm!
                    Der Camping hatte eine Hikerbox, in der ich meinen überflüssigen Einkauf zurücklassen konnte: große Packung Couscous, Kaffeepulver und Taschentücher.
                    Heute sollte ich ganz bequem ohne besondere Steigungen vor mich hin traben und das bei SuperSommerWetter. Es ging über der Radweg der voie verte, einem ehemaligen Bahndamm mit Tunneln und Brücken. Ich war schon sehr neugierig. Ein behaglicher Wegverlauf, oft im Schatten, mit Walderdbeeren, Aussicht auf einen wildromantischen Fluss und ab und zu einer Bank oder Picknick-Kombination. Sehr entspanntes Wandern.

                    Der Campingplatz in Cassagnas war nicht mehr geöffnet, ich konnte die Toiletten benutzen und Wasser auffüllen, aber es gab keine Bewohner und keine Angaben an der Reception. Ich pausierte ausführlich am Fluss und schaute danach noch einmal beim Camping nach, wo sich aber nichts gerührt hatte. Weitere Wanderer trudelten ein und schoben nach kurzer Verzögerung ab in den Wald, wie auch meine Nachbarn vom letzten Platz in Florac, zB eine Mädchenbande mit Bratpfanne und Stiefeln, hinten am Rucksack baumelnd.
                    Auch ich zog weiter die Berge hinauf. Auf der ersten Flachstelle konnte ich einen Trupp älterer Wanderer sehen, die unter großen Fichten ihr Lager aufschlugen. Und auf dem Sattel der ersten Passhöhe stand direkt neben dem Weg das große Zelt meiner Nachbarn in Florac.

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                    12. Tag: Sonntag 25. Juni
                    Cassagnas – St-Etienne-Vallée-Française · 16 km

                    Schon wieder eine warme Nacht, ich glaube, ich bin im Urlaub!
                    Heute vormittag watschelte ich behaglich durch die Berge, mit viel Aussicht, einer überraschenden Viehtränke mit gefasster Quelle und mehren netten Picnicplätzen. Es war sehr sommerlich und ich verbrauchte Unmengen von Wasser. Wenn ich irgendwo Besiedlung fand, fragte ich sofort, ob ich meine Flasche auffüllen durfte. (Ach, ja, ich habe vergessen zu berichten, dass meine teure, neue Platypus-Trinkblase undicht war und am ersten Wandertag entsorgt wurde, nachdem sie meinen Rucksack so durchfeuchtet hatte, dass mir das Wasser auf die Waden tropfte.)

                    Nun sieh mal an, der kleine Supermarkt in St-Germain-de-Calberte hatte am Sonntag bis 12 Uhr geöffnet und ich kam rechtzeitig. Die Auswahl war wieder traurig, aber davor stand eine Bank für die sofortige Vernichtung der neuen Vorräte, auf der ich mich auch gleich niederließ. Fünf Minuten vor Ladenschluss kamen die drei Mädels mit der Bratpfanne, die wurde inzwischen in der Hand getragen…
                    Ich schleppte mich von Pause zu Pause, es war viel zu heiß! (Es herrschte eine gewaltige Hitzewelle über Europa – reichte bis Hamburg.) Zum Glück gab es im Ort genug Wasser und große schattige Bäume mit netten Bänken darunter.


                    13. Tag: Montag 26. Juni
                    St-Etienne-Vallée-Française – St-Jean-du-Gard · 18 km

                    Letzte Nacht war es so warm, dass ich auf das Schlafoutfit verzichten konnte… Toll!
                    Heute durfte ich wieder auf überaus interessanten Altstraßen wandern. Eine der Straßen war in den Fels geschlagen mit Graben und Abflusssystem. Gern hätte ich mehr über diese Bauten erfahren.
                    Nach dem Col de St Pierre war eine total neue Wegführung markiert. Der frühere Weg ging über die Dörfer, Altstraßen und Feldwege. Der neue Weg folgte der Départementsgrenze zwischen Lozère und Ardèche, auf einem Grat – weglos über ausgesetzte Höhen mit Blocksteinen – absolut sinnlos! Auf diesem Wegstück könnte kein Esel nach St-Jean-du-Gard gelangen. Vllt war in dem Topoguide des GR 70 eine Alternativstrecke für Esel und Wanderomas vermerkt, an der Strecke selber war nichts ausgeschildert.
                    Also krabbelte ich Esel über die Klamotten, ärgerte mich fürchterlich und kam nachmittags in St-Jean-du-Gard an. Hier war die Einkaufsmöglichkeit wieder desolat. Mag sein, dass die Autofahrer vor den Toren des Städtchens andere Gelegenheiten haben, mir fiel es schwer, etwas Anständiges zu besorgen.
                    Ich fuhr per Anhalter die sieben Kilometer zum Campingplatz hinauf. Dort gab es zu meiner Rettung ein Bistro und ich erhielt einen leckeren salade cévennoise.

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                    Altstraße


                    14. Tag: Dienstag 27. Juni
                    St-Jean-du-Gard – Moncalm · 18 km

                    An diesem Tag lief ich kilometerlang an Straßen entlang, danach auf schattigen Waldwegen. Der einzige Ort der heutigen Etappe war so eine Art Museumsdorf, nur ohne Besucher. Les Aigladines hatte eine alte Brücke über einen Gardon und eine Mini-Epicerie mit Kaffee- und Weinausschank. Die Landwirtschaft in diesem Tal war beklemmend armselig, Mauern, Gehöfte, Wege und Brücken uralt.

                    Nach einem normalen Anstieg auf alten Wegen kam ich in eine Gegend, wo mit Gewalt neue Pisten in die Landschaft gefräst worden waren. Es gab 10 m breite Schneisen ohne Bewuchs, total baumlos in der südlichen Sonne. Über etliche Kilometer musste ich mich ohne Schatten durch die kochende Wüste schleppen.
                    Jedes Mal, wenn ich ein Haus erreichte, bettelte ich um Wasser. Aber die Leute waren sehr nett und hatten Verständnis für meinen Durst. Einmal bekam ich Apfelsinen geschenkt. Ein anderes Mal hätte ich den Hofhund mitnehmen können: Er folgte mir mit Begeisterung und verließ mich erst am letzten Gehöft vor dem Pass.
                    Der Stevensonweg verwandelte sich mal wieder in einen Kletterpfad. Blöd, für so was bin ich nicht gebaut. Mein Trekkingstock verschwand plötzlich fast zur Hälfte in irgendeinem Loch zwischen den Steinen. Promt legte ich mich so dermaßen, dass ich erst einmal platt auf dem Boden sitzen blieb und vorsichtig meine Knochen zählte. Außerdem blies ein so heftiger Wind, dass ich Bedenken hatte, diesem ausgesetzten Weg weiter zu folgen, ich wollte mich doch nicht vom Grat pusten lassen. Das abendliche Wolkenbild sah für mich ziemlich eigenartig aus, ich befürchtete, dass sich Mistral entwickeln könnte und den hatte ich in äußerst unangenehmer Erinnerung.


                    15. Tag: Mittwoch 28. Juni
                    Moncalm – Alés · 8 km

                    Der Wind schlief in der Nacht ein und ich auch. Am nächsten Morgen gab es den letzten Kaffee und die übriggebliebenen Verpflegungsfragmente. Die eiserne Reserve habe ich auch gleich aufgefuttert.
                    Der weiterführende Kletterpfad hatte es in sich. Ich musste Stock und Rucksack vor mir die Felsen hinauf- oder hinunterwerfen und vorsichtig hinterherklettern. Glücklicherweise konnte ich mich trotz des gestrigen Sturzes gut bewegen. Aber meine Hose wurde sehr mürbe und zeigte immer mehr Risse und aufgeraute, fadenscheinige Stellen. Ich hatte die Nase voll von diesem Gekraxel, nahm den nächsten Feldweg abwärts und erreichte bewohntere Gegenden. Die letzten Kilometer nach Alés fuhr ich per Autostopp. Dort war das schöne Wanderleben vorbei, es gab weder Gîte noch Campingplatz und ich musste ein Hotel suchen.
                    Am nächsten Tag begann die Rückreise, alle Verbindungen klappten prima und am Morgen danach war ich zu Hause.

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                    Ein Fazit? Die Landschaft ist ganz toll, nördlich des Mont Lozère alte Kulturlandschaften und lockere Bewaldung, in den Cévennes war jeder Schritt Waldbaden. Beunruhigt hat mich, dass ich kaum wilde Tiere gesehen hatte. Der Weg war für mich teilweise sehr anstrengend. (Man – äh – ist ja nicht mehr 50.) Ich bin nicht ganz so trittsicher obwohl ich UL unterwegs bin. Trotzdem kann ich mir vorstellen, Ähnliches noch einmal zu versuchen. Die Einkaufssituation in der französischen Provinz ist problematisch, aber das ist in den abgelegenen Ecken in DE nicht anders. In den kleinen Ortschaften gibt es nichts, in den größeren (von Florac und Alès abgesehen) ist die Bevorratung nur sehr primitiv möglich. Boulangerien existieren kaum noch. Dieser Teil des Massif central ist kein wohlhabender Landstrich, in den Ortschaften habe ich sehr viel Leerstand gesehen. Aber in Alès habe ich eine Markthalle gefunden – mjam mjam!!!

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                    • bananensuppe
                      Dauerbesucher
                      • 13.08.2006
                      • 742

                      • Meine Reisen

                      #11
                      Ich fand die Einkaufssituation auf dem Weg eigentlich sehr gut. Die kleinen Läden haben halt nur eine kleine Auswahl aber es kommt doch alles paar Tage ein größere Supermarkt. Ich glaube du hattest vielleicht etwas Pech bei den Öffnungszeiten. Ich fand fast jeden Tag einen geöffneten Laden (auch Sonntag und Feiertag) und meist auch einen Bäcker. Ich hatte viele Einkaufsmöglichkeiten gar nicht genutzt, da sie so reichlich waren.

                      Der Campngplatz/Gite Espace Stevenson in Cassagnas hatte wirklich zu. Seltsam, im Mai waren hier sehr viel Wander auf dem Zeltplatz und in der Gîte d'étape. Bar und Restaurant hatte auch offen.

                      Der GR70 hat einige sehr unangenehme Schuttwege, das ist richtig, aber die meiste Zeit läuft er doch eher auf einfachen Wald und Wiesenwegen.

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                      • blauloke

                        Lebt im Forum
                        • 22.08.2008
                        • 8357
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        Sehr schöner Bericht aus einer Gegend die hier nicht so oft vorkommt.

                        Aus den Maulbeeren kocht meine Frau Marmelade, es gibt hier einen Baum in der Gegend von dem wir manchmal etwas holen.
                        Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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