AW: [PT, ES] Drei Caminos und ein Vorspiel im Sand
Donnerstag, 8. Mai 2008 Ein paar Kilometer nur für mich
Etappe: Boadilla del Camino – Carrion de los Condes
Tageskilometer: 26 Gesamtkilometer: 309
Unterkunft: Albergue Espíritu Santo im Konvent der „Hijas de la Caridad de San Vicente de Paul” (Nonnen)


Canal de Castilla


Villalcázar de Sirga, Betonstelen vor Carrion de los Condes
Donnerstag, 8. Mai 2008 Ein paar Kilometer nur für mich
Etappe: Boadilla del Camino – Carrion de los Condes
Tageskilometer: 26 Gesamtkilometer: 309
Unterkunft: Albergue Espíritu Santo im Konvent der „Hijas de la Caridad de San Vicente de Paul” (Nonnen)


Canal de Castilla
Heute morgen ist es so einsam, dass ich mich frage, ob ich mich nicht verlaufen habe. Aber ein gelber Pfeil, der durch das hohe Schilf fast verdeckt wird, beseitigt auch diese Zweifel. Richtig gezweifelt habe ich dann doch nicht. Immerhin gibt das Kanalufer den Weg vor. Nun ja, seit ich das Tor der Luxusherberge hinter mir gelassen habe, bin ich alleine auf dem Weg. Das ist in den letzten Tagen so selten geworden, da können schon mal Zweifel aufkommen. Bis Fromista überhole ich nur Maria, die mal wieder vor sich hintrödelt.
Wenn die Vorstellungen der Planer Wirklichkeit geworden wären, sollten auf dem Canal de Castilla Schiffe unterwegs sein. Geplant war die Wasserrinne als schiffbarer Handelsweg auf dem die Ernte von den endlosen Feldern zu den Märkten gebracht werden sollten. Dafür hat’s nun doch nicht gereicht. Heute, nach 200 Jahren immer noch unvollendet, bewässert er eben diese Felder, und dient Fröschen und Vögel als willkommener Lebensraum.
Fromista kündigt sich durch riesige Getreidesilos an. Fromista ist Treff- und Kreuzungspunkt einiger Fernstraßen. Fromista ist auch Treffpunkt fliegender Arbeitsvermittler, die ihre tageweise beschäftigen Arbeiter in den Bars aufsammeln. Fromista ist hässlich.
Fromista ist herrlich, denn Fromista beherbergt einer der schönsten kleinen Kirchen Spaniens. Die 1.000 Jahre alte Kirche San Martín zählt zu den Meisterwerken romanischen Kirchenbaus. Unverputzter Sandstein, zwei Rundtürme, eine Vierungskuppel. Steinerne Fratzen, Teufel, Dämonen und Tiere bilden den Abschluss der Dachsparren. Es sind mehrere Hundert. Wenn die da oben alle aufpassen, wird diese Kirche noch weitere 1.000 Jahre stehen.
Fromista ist doch hässlich, denn die Kirche ist verschlossen. Vor lauter Wut mache ich auf dem Absatz kehrt und ziehe weiter. In der Baustelle hinter dem Ort fällt mir ein, dass ich nicht ein einziges Bild von der Kirche gemacht habe. Umkehren? Auf diesem Weg bin ich noch nie umgekehrt, heute Morgen auch nicht.
Bei uns undenkbar, aber hier stört sich niemand daran, dass wir alle durch die Brückenbaustelle stapfen. Rucksackträger neben Schutzhelmträger, wenn das ein heimischer Sicherheitsbeauftragter sehen könnte.
Und dann, wie auf Kommando sind alle wieder da. Das auch noch auf einem der monotonsten Abschnitte der letzten Woche. Schnurgerade geht es immer neben der Straße auf einem separatem Weg nach Westen. Die Monotonie wird durch die an jeder Feldzufahrt aufgestellten Betonstelen - gleich in vierfacher Ausführung (die sollen verhindern, dass die Bauern sich des Pilgerwegs bedienen) - noch verstärkt. Nichts wie weg hier, nur wohin?
Wenn die Vorstellungen der Planer Wirklichkeit geworden wären, sollten auf dem Canal de Castilla Schiffe unterwegs sein. Geplant war die Wasserrinne als schiffbarer Handelsweg auf dem die Ernte von den endlosen Feldern zu den Märkten gebracht werden sollten. Dafür hat’s nun doch nicht gereicht. Heute, nach 200 Jahren immer noch unvollendet, bewässert er eben diese Felder, und dient Fröschen und Vögel als willkommener Lebensraum.
Fromista kündigt sich durch riesige Getreidesilos an. Fromista ist Treff- und Kreuzungspunkt einiger Fernstraßen. Fromista ist auch Treffpunkt fliegender Arbeitsvermittler, die ihre tageweise beschäftigen Arbeiter in den Bars aufsammeln. Fromista ist hässlich.
Fromista ist herrlich, denn Fromista beherbergt einer der schönsten kleinen Kirchen Spaniens. Die 1.000 Jahre alte Kirche San Martín zählt zu den Meisterwerken romanischen Kirchenbaus. Unverputzter Sandstein, zwei Rundtürme, eine Vierungskuppel. Steinerne Fratzen, Teufel, Dämonen und Tiere bilden den Abschluss der Dachsparren. Es sind mehrere Hundert. Wenn die da oben alle aufpassen, wird diese Kirche noch weitere 1.000 Jahre stehen.
Fromista ist doch hässlich, denn die Kirche ist verschlossen. Vor lauter Wut mache ich auf dem Absatz kehrt und ziehe weiter. In der Baustelle hinter dem Ort fällt mir ein, dass ich nicht ein einziges Bild von der Kirche gemacht habe. Umkehren? Auf diesem Weg bin ich noch nie umgekehrt, heute Morgen auch nicht.
Bei uns undenkbar, aber hier stört sich niemand daran, dass wir alle durch die Brückenbaustelle stapfen. Rucksackträger neben Schutzhelmträger, wenn das ein heimischer Sicherheitsbeauftragter sehen könnte.
Und dann, wie auf Kommando sind alle wieder da. Das auch noch auf einem der monotonsten Abschnitte der letzten Woche. Schnurgerade geht es immer neben der Straße auf einem separatem Weg nach Westen. Die Monotonie wird durch die an jeder Feldzufahrt aufgestellten Betonstelen - gleich in vierfacher Ausführung (die sollen verhindern, dass die Bauern sich des Pilgerwegs bedienen) - noch verstärkt. Nichts wie weg hier, nur wohin?


Villalcázar de Sirga, Betonstelen vor Carrion de los Condes
Eine Nebenroute, die in Población de Campos abzweigt, ist die Rettung. Nicht das sich hier ein verwunschener Traumpfad auftut, oder die Landschaft sich in einem anderen Gewand zeigt. Ein ganz normaler auf die Maße europäischer Landmaschinen zugeschnittener Feldweg reicht aus, damit sich meine Stimmung merklich hebt.
Laut Skizze im Wanderführer werde ich diesem Weg mehr als 6 Kilometer folgen. Immer geradeaus, dabei einen ganz leichten, kaum wahrnehmbaren Bogen nach links machen, einmal links auf eine Brücke abbiegen und am anderen Bachufer die ursprüngliche Wanderrichtung wieder aufnehmen. Zum Schluss noch ein Schlenker nach links, der mich zurück zur Hauptroute führen soll. Höhepunkt wird der Ort Villovieco sein, sonst nur Felder und im Süden die Straße mit dem separiertem Pilgerweg. Traumpfade werden anders beschrieben.
Vermutlich wäre diese Route an jedem anderen Tag nur ein langweiliger Feldweg gewesen, den man am besten schnell hinter sich bringt. Feldwege wie diesen gibt es ungezählte in Europa. Auf diesen Wegen bin ich aber nicht, ich bin hier und hier passt er. Ich bin allein, nur zwei frische Fußspuren im feuchten Sand zeugen von Leben. Vor mir sind also noch welche. Sie müssen weit voraus sein, denn zu sehen ist niemand. Tatsächlich niemand, vor mir nicht und hinter mir auch nicht. Sollte den anderen 400 Meter Umweg zu viel sein?
Natürlich ist das hier nicht das Paradies. Aber gelegentlich reicht es schon nicht da zu sein, wo die anderen sind. Absetzen vom Pulk, Ruhe haben, mitten auf dem Weg stehen und in Richtung Sonne pinkeln - kleine Freiheiten.
Am Wegrand ein moderner, doch schon schäbiger, den Bedürfnissen der Großlandwirtschaft angepasster Bauernhof. Doch eine Storchenfamilie fühlt sich hier offensichtlich wohl. Villovieco, das Nest mit dem Namen, der an Italien erinnert, ist genauso nüchtern. Nüchterne Häuser, teils Hütten gleich, die alle nach einer Renovierung schreien. Ein Pilger als Scherenschnitt aus Blech soll vermutlich eben diese halten. Doch wohin? Die Bar am Sportgelände, deren handgemalte Werbeschilder seit geraumer Zeit Cafè und Bocadillo versprechen, ist schon lange geschlossen. Für wen sollte die auch aufmachen? Pilger verirren sich trotz guter Markierung nicht oft hier hin. Ich brauch’ die Bar auch nicht. Ein Stein im Schatten der Bäume, die hier das Bachufer säumen, tut’s auch.
Unweigerlich zeichnet sich hinter den Feldern das Ende meiner kleinen Auszeit ab. Bunte Rucksäcke ragen über hochstehenden Getreideähren, die die Stimmen nicht aufhalten können. Schon auf dem gemeinsamen Weiterweg nach Carrion de los Condes verklären sich diese wenigen Stunden – es waren mal eben zwei – und wirken noch bis zum Einschlafen nach.
In Carrion de los Condes ist für viele Schluss. Nicht für den Weg im ganzen. Viele wollen sich die Meseta nicht mehr antun und nehmen folglich den Bus nach Leon. Der Fernbus, der an der Bar hält – wie passend -, füllt sich in wenigen Minuten bis zum letzten Sitzplatz mit Menschen aus aller Welt. Vielleicht haben einige vor der Abfahrt noch einen Blick aufs Pilgerdenkmal gegenüber geworfen. Wie beinahe alle neuen Pilgerdenkmale am Weg, stellt es einen heroischen blickenden und energisch ausschreitenden Pilger der Vergangenheit dar. Klar doch, was sonst!
Ich komme im Nonnenkonvent unter, wie siebzig andere auch. Darunter sind Roberto, der Brasilianer mit dem Wäschesack und Maurice, der Franzose. Da haben sich wohl zwei gefunden. Den beiden fällt auf, dass wir schon seit Tagen dieselben Etappen gehen. Na, mit der Beobachtung sind sie nicht alleine.
Der Tag morgen fängt mit einer 17 Kilometer langen Geraden an. Passend für ein kleines Rennen zwischen Brasilien, Frankreich und Deutschland schlägt Roberto im Spaß vor. Kann er haben!
Laut Skizze im Wanderführer werde ich diesem Weg mehr als 6 Kilometer folgen. Immer geradeaus, dabei einen ganz leichten, kaum wahrnehmbaren Bogen nach links machen, einmal links auf eine Brücke abbiegen und am anderen Bachufer die ursprüngliche Wanderrichtung wieder aufnehmen. Zum Schluss noch ein Schlenker nach links, der mich zurück zur Hauptroute führen soll. Höhepunkt wird der Ort Villovieco sein, sonst nur Felder und im Süden die Straße mit dem separiertem Pilgerweg. Traumpfade werden anders beschrieben.
Vermutlich wäre diese Route an jedem anderen Tag nur ein langweiliger Feldweg gewesen, den man am besten schnell hinter sich bringt. Feldwege wie diesen gibt es ungezählte in Europa. Auf diesen Wegen bin ich aber nicht, ich bin hier und hier passt er. Ich bin allein, nur zwei frische Fußspuren im feuchten Sand zeugen von Leben. Vor mir sind also noch welche. Sie müssen weit voraus sein, denn zu sehen ist niemand. Tatsächlich niemand, vor mir nicht und hinter mir auch nicht. Sollte den anderen 400 Meter Umweg zu viel sein?
Natürlich ist das hier nicht das Paradies. Aber gelegentlich reicht es schon nicht da zu sein, wo die anderen sind. Absetzen vom Pulk, Ruhe haben, mitten auf dem Weg stehen und in Richtung Sonne pinkeln - kleine Freiheiten.
Am Wegrand ein moderner, doch schon schäbiger, den Bedürfnissen der Großlandwirtschaft angepasster Bauernhof. Doch eine Storchenfamilie fühlt sich hier offensichtlich wohl. Villovieco, das Nest mit dem Namen, der an Italien erinnert, ist genauso nüchtern. Nüchterne Häuser, teils Hütten gleich, die alle nach einer Renovierung schreien. Ein Pilger als Scherenschnitt aus Blech soll vermutlich eben diese halten. Doch wohin? Die Bar am Sportgelände, deren handgemalte Werbeschilder seit geraumer Zeit Cafè und Bocadillo versprechen, ist schon lange geschlossen. Für wen sollte die auch aufmachen? Pilger verirren sich trotz guter Markierung nicht oft hier hin. Ich brauch’ die Bar auch nicht. Ein Stein im Schatten der Bäume, die hier das Bachufer säumen, tut’s auch.
Unweigerlich zeichnet sich hinter den Feldern das Ende meiner kleinen Auszeit ab. Bunte Rucksäcke ragen über hochstehenden Getreideähren, die die Stimmen nicht aufhalten können. Schon auf dem gemeinsamen Weiterweg nach Carrion de los Condes verklären sich diese wenigen Stunden – es waren mal eben zwei – und wirken noch bis zum Einschlafen nach.
In Carrion de los Condes ist für viele Schluss. Nicht für den Weg im ganzen. Viele wollen sich die Meseta nicht mehr antun und nehmen folglich den Bus nach Leon. Der Fernbus, der an der Bar hält – wie passend -, füllt sich in wenigen Minuten bis zum letzten Sitzplatz mit Menschen aus aller Welt. Vielleicht haben einige vor der Abfahrt noch einen Blick aufs Pilgerdenkmal gegenüber geworfen. Wie beinahe alle neuen Pilgerdenkmale am Weg, stellt es einen heroischen blickenden und energisch ausschreitenden Pilger der Vergangenheit dar. Klar doch, was sonst!
Ich komme im Nonnenkonvent unter, wie siebzig andere auch. Darunter sind Roberto, der Brasilianer mit dem Wäschesack und Maurice, der Franzose. Da haben sich wohl zwei gefunden. Den beiden fällt auf, dass wir schon seit Tagen dieselben Etappen gehen. Na, mit der Beobachtung sind sie nicht alleine.
Der Tag morgen fängt mit einer 17 Kilometer langen Geraden an. Passend für ein kleines Rennen zwischen Brasilien, Frankreich und Deutschland schlägt Roberto im Spaß vor. Kann er haben!
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