12. Tag: Donnerstag, 8. März 2007 Zum Feierabend ein Dreckloch
Etappe: Cáceres - Cañaveral
Tageskilometer: 44 Gesamtkilometer: 345


Hinter Casar de Cáceres, Tajo-Stausee
13. Tag: Freitag, 9. März 2007 Fürsorgliche Bevormundung
Etappe: Cañaveral - Carcaboso
Tageskilometer: 40 Gesamtkilometer: 385


Galisteo, "Wasserweg" im trockenen Spanien
14. Tag: Samstag, 10. März 2007 Auf alten Viehtrieben und römischen Wegen
Etappe: Carcaboso – Aldeanueva del Camino
Tageskilometer: 39 Gesamtkilometer: 424

Steineichen-Dehesa


Cáparra - der römische Torbogen, Gehöft in der Dehesa
15. Tag: Sonntag, 11. März 2007 Auf dem Weg zu einer Legende der Vía de la Plata
Etappe: Aldeanueva del Camino – Fuenterroble de Salvatierra
Tageskilometer: 43 Gesamtkilometer: 467


Bei Calzada de Béjar
Kastilien und León



Herberge von Don Blas in Fuenterroble de Salvatierra
16. Tag: Montag, 12. März 2007 Schinden für einen Pausentag
Etappe: Fuenterroble de Salvatierra – Salamanca
Tageskilometer: 52 Gesamtkilometer: 519

Blick zurück in Richtung Fuenterroble de Salvatierra


Cruz de Santiago, Steinmännchen vor Salamanca
17. Tag: Dienstag, 13. März 2007 Salamanca – ein Traum!
Etappe: Ruhetag in Salamanca
Tageskilometer: 0 Gesamtkilometer: 519


Casa de Las Conchas (Muschelhaus), Kathedrale


Universität, innen und außen
18. Tag: Mittwoch, 14. März 2007 Highway to hell?
Etappe: Salamanca – El Cubo de la Tierra del Vino
Tageskilometer: 34 Gesamtkilometer: 553


Bei Calzada de Valdunciel, Herberge/Kirche in El Cubo de la Tierra del Vino
Etappe: Cáceres - Cañaveral
Tageskilometer: 44 Gesamtkilometer: 345


Hinter Casar de Cáceres, Tajo-Stausee
Der Katalane hat die Nacht im Tiefschlaf verbracht. Martín und ich dagegen sind froh, dass wir wenigstens einige Stunden Schlaf hatten. Das Schnarchen des neuen Mitwanderers war grauenhaft! Dank vorsorglicher Lebensmitteleinkäufe hatten wir alle einige Kilos mehr im Rucksack, als wir uns frühmorgens auf dem Weg zur Stierkampf-Arena machten. Wie so oft wenn man kleinere oder auf größere Städte verlässt, sind wir am Anfang mal wieder auf den Einfallstraßen, die um diese frühe Uhrzeit nur von wenigen Berufspendlern bevölkert sind, unterwegs.
Schon gestern hatte sich das Landschaftsbild geändert. Die aufgelockerten Wälder mit Steineichen waren zurückgeblieben, jetzt drückte die offene Wiesen- und Waldlandschaft der Landschaft ihren Stempel auf. Unserem neuen Begleiter sind Martín und ich natürlich mal wieder zu langsam. Er wird in Casar de Cáceres auf uns warten. Uns ist das nur recht, so können wir ungestört unser gewohntes Tempo gehen.
Casar de Cáceres ist bekannt für einen nur hier hergestellten Käse. Für meine beiden Spanier bedeutet das Großeinkauf! Eingedenk der Tatsache, dass ich schon einige Kilos in Lebensmittel zusätzlich im Rucksack habe, verzichte ich auf diesen Einkauf. Brot, Wurst und Käse werden mir bis zum Etappenziel reichen - ja, mit Sicherheit sogar noch einige Tage mehr! Schon kurz hinter der Ortsgrenze sind die beiden meiner Meinung, und beschließen ihre doch mittlerweile großen Vorräte bei einer ausgiebigen Frühstückspause zu verkleinern.
Nach der Pause verkündet der Katalane, dass wir beide mal wieder zu langsam für ihn seien und zieht im Marathonstil ab. Martín und ich sind eigentlich ganz froh über seine Entscheidung. Obwohl ein Landsmann von Martín, wird auch er nicht warm mit dem Neuen, dieser Eindruck drängt sich mir jedenfalls auf. Sogar seinen Namen haben wir mittlerweile wieder vergessen. Mein Fall ist der Mann ebenfalls nicht.
Heute ist einer dieser Tage, die obwohl ohne großartige Höhepunkte verlaufen, in Erinnerung bleiben. Ich weiß nicht warum, vielleicht liegt es an dieser ruhigen unaufgeregten Landschaft oder daran, dass wir beide, ohne uns groß darüber zu verständigen, schweigend nebeneinander herlaufen. Das ist die schöne Seite mangelnder Sprachkenntnisse: man hat einen Grund zum Schweigen.
Am Tajo-Stausee müssen wir mal wieder auf eine angeblich stark befahrene Autostraße, doch wie schon so oft in dieser Ecke Spaniens, der Verkehr hält sich in Grenzen. Einzig der Windzug, der durch vorbeidonnernde LKWs verursacht wird, sorgt auf der Brücke dafür, dass ich meinen Hut fester in den Nacken drücken muss. Doch auch das überlebt er. Das war’s dann auch schon, mehr hat die in den Pilgerführern als gefährlich beschriebene Strecke nicht hergegeben. Zugegeben: Wenn man auf der Brücke auf einen pennenden Autofahrer trifft, hat man als Fußgänger schlechte Karten.
Zum Glück verläuft der Weiterweg nach Cañaveral wieder über einsame verlassene Feldwege. Als wir am späten Nachmittag in dem Nest eintreffen, wartet am Ortsrand schon unser dritter Mitwanderer auf uns. Als Marathonläufer ist er schon lange da, so lange, dass er fast schon zu den Ureinwohnern zählt, gibt er augenzwinkernd zu verstehen.
Auch hier sind am späten Nachmittag nur alte Leute unterwegs, die uns zum Hostal, wo es den Schlüssel für die Herberge gibt, lotsen. Es handelt sich um ein leerstehendes Haus, das von der Gemeinde für Wanderer und Pilger zur Verfügung gestellt wird. Treppe hoch, Tür aufschließen, umsehen – Schock! Die Bude ist ein Drecksloch. Das Badezimmer wurde montagelang nicht gereinigt. Seifenreste, Klopapierreste, Haare, all diese unappetitlichen Hinterlassenschaften unserer Vorgänger/innen, sowie die leere Gasflasche, die das Wasser erwärmen soll, lassen in mir den Gedanken aufkeimen, dass heute die erste Katzenwäsche der Wanderung fällig ist. Beim nächsten Blick in die Küche, wo uns der Schimmel aus alten Töpfen entgegen springt, uns ein alter Kühlschrank erwartet neben dem ein überquellender Mülleimer steht, dessen Gestank vom undefinierbarem Inhalt herrührt, ist klar, dass wir hier nicht essen werden. Das alte Wohnzimmer ist wenigstens soweit sauber, dass wir uns zutrauen aus unseren Plastiktüten zu essen.
Einen Vorteil hat diese Herberge aber, hier gibt es drei Schlafräume. Der Katalane als Weltmeister im Schnarchen wird ein eigenes Schlafzimmer haben! Die Matratzen sind in einem so erbärmlichen Zustand, dass ich einige Zeit darauf verwende sie nach unerwünschten Mitschläfern abzusuchen. Erstmals kommt meine Isomatte zum Einsatz.
Beim obligatorischen Rundgang im Dorf, werden wir von einigen alten Frauen darüber aufgeklärt warum es in der Herberge so aussieht wie es aussieht: Im letzten Jahr müssen drei „Pilgerinnen“ hier die Sau rausgelassen haben. Während einer Schlechtwetterperiode, die sie zwang mehrere Tage hier zu verbringen, sollen in der Herberge Gelage stattgefunden haben, an denen auch einige der noch hier im Ort lebenden jungen Männer nicht ganz unschuldig gewesen sein sollen. Die Mädels sollen bei der Abreise eine Riesensauerei hinterlassen haben, so die Gerüchteküche. Die Frauen die ehrenamtlich die Herberge reinigen und in Schuss halten, haben sich dann für die Zukunft geweigert dies weiterhin zu tun. Ganz besonders, nachdem sie beim Blick in die Spendendose auf deren blanken Boden sahen. Die drei Damen hatten „vergessen“, die von allen erwartete freiwillige Spende zu hinterlassen – ganz besonders nach einem mehrtätigem Aufenthalt. Wahrheit oder Ausflucht der etwas beschämt dreinblickenden älteren Damen des Ortes?
Schon gestern hatte sich das Landschaftsbild geändert. Die aufgelockerten Wälder mit Steineichen waren zurückgeblieben, jetzt drückte die offene Wiesen- und Waldlandschaft der Landschaft ihren Stempel auf. Unserem neuen Begleiter sind Martín und ich natürlich mal wieder zu langsam. Er wird in Casar de Cáceres auf uns warten. Uns ist das nur recht, so können wir ungestört unser gewohntes Tempo gehen.
Casar de Cáceres ist bekannt für einen nur hier hergestellten Käse. Für meine beiden Spanier bedeutet das Großeinkauf! Eingedenk der Tatsache, dass ich schon einige Kilos in Lebensmittel zusätzlich im Rucksack habe, verzichte ich auf diesen Einkauf. Brot, Wurst und Käse werden mir bis zum Etappenziel reichen - ja, mit Sicherheit sogar noch einige Tage mehr! Schon kurz hinter der Ortsgrenze sind die beiden meiner Meinung, und beschließen ihre doch mittlerweile großen Vorräte bei einer ausgiebigen Frühstückspause zu verkleinern.
Nach der Pause verkündet der Katalane, dass wir beide mal wieder zu langsam für ihn seien und zieht im Marathonstil ab. Martín und ich sind eigentlich ganz froh über seine Entscheidung. Obwohl ein Landsmann von Martín, wird auch er nicht warm mit dem Neuen, dieser Eindruck drängt sich mir jedenfalls auf. Sogar seinen Namen haben wir mittlerweile wieder vergessen. Mein Fall ist der Mann ebenfalls nicht.
Heute ist einer dieser Tage, die obwohl ohne großartige Höhepunkte verlaufen, in Erinnerung bleiben. Ich weiß nicht warum, vielleicht liegt es an dieser ruhigen unaufgeregten Landschaft oder daran, dass wir beide, ohne uns groß darüber zu verständigen, schweigend nebeneinander herlaufen. Das ist die schöne Seite mangelnder Sprachkenntnisse: man hat einen Grund zum Schweigen.
Am Tajo-Stausee müssen wir mal wieder auf eine angeblich stark befahrene Autostraße, doch wie schon so oft in dieser Ecke Spaniens, der Verkehr hält sich in Grenzen. Einzig der Windzug, der durch vorbeidonnernde LKWs verursacht wird, sorgt auf der Brücke dafür, dass ich meinen Hut fester in den Nacken drücken muss. Doch auch das überlebt er. Das war’s dann auch schon, mehr hat die in den Pilgerführern als gefährlich beschriebene Strecke nicht hergegeben. Zugegeben: Wenn man auf der Brücke auf einen pennenden Autofahrer trifft, hat man als Fußgänger schlechte Karten.
Zum Glück verläuft der Weiterweg nach Cañaveral wieder über einsame verlassene Feldwege. Als wir am späten Nachmittag in dem Nest eintreffen, wartet am Ortsrand schon unser dritter Mitwanderer auf uns. Als Marathonläufer ist er schon lange da, so lange, dass er fast schon zu den Ureinwohnern zählt, gibt er augenzwinkernd zu verstehen.
Auch hier sind am späten Nachmittag nur alte Leute unterwegs, die uns zum Hostal, wo es den Schlüssel für die Herberge gibt, lotsen. Es handelt sich um ein leerstehendes Haus, das von der Gemeinde für Wanderer und Pilger zur Verfügung gestellt wird. Treppe hoch, Tür aufschließen, umsehen – Schock! Die Bude ist ein Drecksloch. Das Badezimmer wurde montagelang nicht gereinigt. Seifenreste, Klopapierreste, Haare, all diese unappetitlichen Hinterlassenschaften unserer Vorgänger/innen, sowie die leere Gasflasche, die das Wasser erwärmen soll, lassen in mir den Gedanken aufkeimen, dass heute die erste Katzenwäsche der Wanderung fällig ist. Beim nächsten Blick in die Küche, wo uns der Schimmel aus alten Töpfen entgegen springt, uns ein alter Kühlschrank erwartet neben dem ein überquellender Mülleimer steht, dessen Gestank vom undefinierbarem Inhalt herrührt, ist klar, dass wir hier nicht essen werden. Das alte Wohnzimmer ist wenigstens soweit sauber, dass wir uns zutrauen aus unseren Plastiktüten zu essen.
Einen Vorteil hat diese Herberge aber, hier gibt es drei Schlafräume. Der Katalane als Weltmeister im Schnarchen wird ein eigenes Schlafzimmer haben! Die Matratzen sind in einem so erbärmlichen Zustand, dass ich einige Zeit darauf verwende sie nach unerwünschten Mitschläfern abzusuchen. Erstmals kommt meine Isomatte zum Einsatz.
Beim obligatorischen Rundgang im Dorf, werden wir von einigen alten Frauen darüber aufgeklärt warum es in der Herberge so aussieht wie es aussieht: Im letzten Jahr müssen drei „Pilgerinnen“ hier die Sau rausgelassen haben. Während einer Schlechtwetterperiode, die sie zwang mehrere Tage hier zu verbringen, sollen in der Herberge Gelage stattgefunden haben, an denen auch einige der noch hier im Ort lebenden jungen Männer nicht ganz unschuldig gewesen sein sollen. Die Mädels sollen bei der Abreise eine Riesensauerei hinterlassen haben, so die Gerüchteküche. Die Frauen die ehrenamtlich die Herberge reinigen und in Schuss halten, haben sich dann für die Zukunft geweigert dies weiterhin zu tun. Ganz besonders, nachdem sie beim Blick in die Spendendose auf deren blanken Boden sahen. Die drei Damen hatten „vergessen“, die von allen erwartete freiwillige Spende zu hinterlassen – ganz besonders nach einem mehrtätigem Aufenthalt. Wahrheit oder Ausflucht der etwas beschämt dreinblickenden älteren Damen des Ortes?
13. Tag: Freitag, 9. März 2007 Fürsorgliche Bevormundung
Etappe: Cañaveral - Carcaboso
Tageskilometer: 40 Gesamtkilometer: 385


Galisteo, "Wasserweg" im trockenen Spanien
Ohne die berühmte Träne im Knopfloch, wir waren froh dieses Etablissement ohne unerwünschte „Mitwanderer“ zu verlassen, machen wir uns im Schein der Stirnlampe auf den Weg nach Norden. Sobald es hell genug ist macht der Katalane sich wieder aus dem Staub. Diesmal dauert es aber nicht lange bis wir wieder auf ihn treffen. Eine etwas komplizierte Wegführung, die in seiner spanischen Wegbeschreibung nicht näher erklärt wird, lässt es ihm ratsam erscheinen auf uns zu warten. Martín, der mittlerweile auch auf die deutsche Wegbeschreibung vertraut, ist dies nicht so ganz recht. Er war der Meinung, dass wir den erst nach einigen Stunden wieder sehen.
Heute sind es wieder Stein- und Korkeichenwälder, die an unserem Weg liegen. Ereignislos zieht sich der Weg meist an einem Zaun entlang. Ein kurzes Schwätzchen mit einigen Arbeitern, die eben diesen Zaun reparieren, ist die einzige Abwechselung. Gegen Mittag wird’s aber wieder spannender. Schon von weitem können wir einen einzelnen Menschen erkennen, der offensichtlich pilgert. Trotz der großen Entfernung erkennen wir nämlich einen langen Pilgerstab in seiner Hand. Weil Bernard, so sein Name, sehr, sehr langsam ist, haben wir ihn schnell eingeholt. Er ist genau wie wir in Sevilla gestartet, aber zwei Wochen früher und lässt sich, wie schon gesagt, Zeit. Nicht dass er jede Sehenswürdigkeit am Weg mitnimmt, nein, der Franzose geht einfach langsam und macht viele Pausen. Versehen mit einem unerschütterlichem Gottvertrauen ist er mit einem Minirucksack unterwegs, in dem sogar der Schlafsack fehlt. Er verlässt sich darauf, dass er in jeder Unterkunft eine Decke vorfindet. Im Gespräch erwähnt er, dass er mit einem Deutschen unterwegs ist. Der kann nicht weit vor uns sein. Weil wir kurz vor Galisteo sind, werden wir den Deutschen wohl dort treffen. Meine beiden spanischen Mitwanderer haut diese Auskunft nicht so sehr aus ihren Wanderschuhen, mich schon eher.
Von der letzten Anhöhe vor Galisteo haben wir ungehinderten Blick auf die von den Mauren errichtete zinnengekrönte Stadtmauer, an dessen Fuß die Bar Los Emigrantes steht. Wir haben nur noch gut zwei Stunden bis zu unserem heutigen Etappenziel und wollen hier zu Mittag essen. Es ist zwar noch zu früh für das spanische Mittagessen (noch keine 14 Uhr), aber dieses Geschäft lässt sich die Wirtin nicht entgehen und öffnet für uns den Speiseraum. Wie in vielen spanischen Bars, deren Böden meist vor Dreck strotzen, ist der separate Speiseraum peinlichst sauber. Hier treffen wir auch auf den anderen Deutschen. Gerd, auch um die fünfzig, ist genau wie wir alle in Sevilla gestartet und hat unterwegs den Franzosen getroffen, mit dem er seit einigen Tagen unterwegs ist. Im Gegensatz zu Martín und mir gehen die beiden tagsüber getrennt und treffen sich erst abends in der Herberge wieder. Bernard, der Franzose, findet sozusagen jeden Abend ein gemachtes Bett vor.
In der Zwischenzeit ist auch Bernard eingetroffen und es wird unser erstes gemeinsames Essen. Auf dem Camino francés ist das gemeinsame Essen mit fremden Pilgern an der Tagesordnung, hier jedoch in dieser menschenleeren Weite ist das schon etwas Besonderes. Gerds erste Handlung besteht darin, dass er mit seine Sonnencreme über den Tisch reicht. Auch wenn es hier tagsüber nicht mehr so warm wird wie in Andalusien, so hat die Sonne es doch geschafft, dass die Haut an einigen Stellen in meinem Gesicht in Fetzen hängt. Er tut zwar nicht weh, aber es sieht unschön aus.
Nach dem ausgiebigen Mittagessen ziehen wir alle noch eine Ehrenrunde durch Galisteo und machen uns dann auf den Weg nach Carcaboso. Ereignislos zieht sich der Weg zu dem Ort mit der besonderen Pilgerunterkunft.
Señora Elena, die Besitzerin der Bar Ruta de la Plata, vermietet auch Zimmer an Pilger und Wanderer. Ihre wirklich herausragende, ja man kann beinahe schon sagen bevormundende Unterbringung ihrer Gäste, hat ihren Niederschlag schon in einigen Pilgerführern gefunden. Mich schickt sie zuerst einmal in die Apotheke, ich soll mir eine Sonnenmilch zulegen. Und das sofort! Martín wird in einem mütterlichen Ton belehrt, wie er die Wäsche zu waschen hat und wo er sie aufhängen soll. Ich weiß jetzt schon, dass Martín etwas falsch machen wird. Natürlich hat er seine Wäsche nicht richtig ausgewrungen, „so werden die Strümpfe, T-Shirts und die Unterwäsche bis morgen nicht trocken“, macht sie ihm beim Kontrollgang ziemlich deutlich klar und zeigt ihm wie es nach ihrer Vorstellung sein sollte. Hinter ihrem Rücken stehend kontrolliere ich verstohlen noch mal meine Wäsche, ob sie ihren hohen Ansprüchen genügen kann. Danach werden wir noch mehrfach gefragt, ab wir ausreichend Decken haben und werden aufgefordert die Räume so zu verlassen wie wir sie vorgefunden haben – extrem sauber. Auf die Nachfrage nach einem Restaurant gibt Elena uns zu verstehen, dass wir im Supermarkt einkaufen und hier zu Abend essen sollen, weil das hiesige Restaurant nicht gut sei. Den schüchternen Einwand von Martín, dass wir das selber ausprobieren wollen, fegt sie vom Tisch. Mittlerweile sind der Katalane, der uns mal wieder davongelaufen war, Gerd und Bernard auch da. Mit Mühe und Not und unter Aufbietung seines ganzes spanischen Mannesstolzes kann Martín Señora Elena davon überzeugen, dass der Katalane ein eigenes Zimmer braucht.
Wir haben uns schon gewundert wo der Katalane ist. Wir dachten er sei auf dem Weg zum nächsten Ort. Er teilt uns aber mit, dass er mit seiner Familie telefoniert habe, und hier seine Tour nach Santiago de Compostela nach nur drei Tagen beenden wird. So richtig traurig sind Martín und ich nicht darüber.
Zum ersten Mal seit vielen Tagen sitzen wir mal wieder in einer größeren Runde um einen Tisch. Es tut gut mal wieder mit anderen Menschen zu sprechen, auch wenn man dafür längst verschüttete oder rudimentäre Fremdsprachenkenntnisse bemühen muss.
Am nächsten Morgen werden wohl zwei Zweiergruppen starten.
Heute sind es wieder Stein- und Korkeichenwälder, die an unserem Weg liegen. Ereignislos zieht sich der Weg meist an einem Zaun entlang. Ein kurzes Schwätzchen mit einigen Arbeitern, die eben diesen Zaun reparieren, ist die einzige Abwechselung. Gegen Mittag wird’s aber wieder spannender. Schon von weitem können wir einen einzelnen Menschen erkennen, der offensichtlich pilgert. Trotz der großen Entfernung erkennen wir nämlich einen langen Pilgerstab in seiner Hand. Weil Bernard, so sein Name, sehr, sehr langsam ist, haben wir ihn schnell eingeholt. Er ist genau wie wir in Sevilla gestartet, aber zwei Wochen früher und lässt sich, wie schon gesagt, Zeit. Nicht dass er jede Sehenswürdigkeit am Weg mitnimmt, nein, der Franzose geht einfach langsam und macht viele Pausen. Versehen mit einem unerschütterlichem Gottvertrauen ist er mit einem Minirucksack unterwegs, in dem sogar der Schlafsack fehlt. Er verlässt sich darauf, dass er in jeder Unterkunft eine Decke vorfindet. Im Gespräch erwähnt er, dass er mit einem Deutschen unterwegs ist. Der kann nicht weit vor uns sein. Weil wir kurz vor Galisteo sind, werden wir den Deutschen wohl dort treffen. Meine beiden spanischen Mitwanderer haut diese Auskunft nicht so sehr aus ihren Wanderschuhen, mich schon eher.
Von der letzten Anhöhe vor Galisteo haben wir ungehinderten Blick auf die von den Mauren errichtete zinnengekrönte Stadtmauer, an dessen Fuß die Bar Los Emigrantes steht. Wir haben nur noch gut zwei Stunden bis zu unserem heutigen Etappenziel und wollen hier zu Mittag essen. Es ist zwar noch zu früh für das spanische Mittagessen (noch keine 14 Uhr), aber dieses Geschäft lässt sich die Wirtin nicht entgehen und öffnet für uns den Speiseraum. Wie in vielen spanischen Bars, deren Böden meist vor Dreck strotzen, ist der separate Speiseraum peinlichst sauber. Hier treffen wir auch auf den anderen Deutschen. Gerd, auch um die fünfzig, ist genau wie wir alle in Sevilla gestartet und hat unterwegs den Franzosen getroffen, mit dem er seit einigen Tagen unterwegs ist. Im Gegensatz zu Martín und mir gehen die beiden tagsüber getrennt und treffen sich erst abends in der Herberge wieder. Bernard, der Franzose, findet sozusagen jeden Abend ein gemachtes Bett vor.
In der Zwischenzeit ist auch Bernard eingetroffen und es wird unser erstes gemeinsames Essen. Auf dem Camino francés ist das gemeinsame Essen mit fremden Pilgern an der Tagesordnung, hier jedoch in dieser menschenleeren Weite ist das schon etwas Besonderes. Gerds erste Handlung besteht darin, dass er mit seine Sonnencreme über den Tisch reicht. Auch wenn es hier tagsüber nicht mehr so warm wird wie in Andalusien, so hat die Sonne es doch geschafft, dass die Haut an einigen Stellen in meinem Gesicht in Fetzen hängt. Er tut zwar nicht weh, aber es sieht unschön aus.
Nach dem ausgiebigen Mittagessen ziehen wir alle noch eine Ehrenrunde durch Galisteo und machen uns dann auf den Weg nach Carcaboso. Ereignislos zieht sich der Weg zu dem Ort mit der besonderen Pilgerunterkunft.
Señora Elena, die Besitzerin der Bar Ruta de la Plata, vermietet auch Zimmer an Pilger und Wanderer. Ihre wirklich herausragende, ja man kann beinahe schon sagen bevormundende Unterbringung ihrer Gäste, hat ihren Niederschlag schon in einigen Pilgerführern gefunden. Mich schickt sie zuerst einmal in die Apotheke, ich soll mir eine Sonnenmilch zulegen. Und das sofort! Martín wird in einem mütterlichen Ton belehrt, wie er die Wäsche zu waschen hat und wo er sie aufhängen soll. Ich weiß jetzt schon, dass Martín etwas falsch machen wird. Natürlich hat er seine Wäsche nicht richtig ausgewrungen, „so werden die Strümpfe, T-Shirts und die Unterwäsche bis morgen nicht trocken“, macht sie ihm beim Kontrollgang ziemlich deutlich klar und zeigt ihm wie es nach ihrer Vorstellung sein sollte. Hinter ihrem Rücken stehend kontrolliere ich verstohlen noch mal meine Wäsche, ob sie ihren hohen Ansprüchen genügen kann. Danach werden wir noch mehrfach gefragt, ab wir ausreichend Decken haben und werden aufgefordert die Räume so zu verlassen wie wir sie vorgefunden haben – extrem sauber. Auf die Nachfrage nach einem Restaurant gibt Elena uns zu verstehen, dass wir im Supermarkt einkaufen und hier zu Abend essen sollen, weil das hiesige Restaurant nicht gut sei. Den schüchternen Einwand von Martín, dass wir das selber ausprobieren wollen, fegt sie vom Tisch. Mittlerweile sind der Katalane, der uns mal wieder davongelaufen war, Gerd und Bernard auch da. Mit Mühe und Not und unter Aufbietung seines ganzes spanischen Mannesstolzes kann Martín Señora Elena davon überzeugen, dass der Katalane ein eigenes Zimmer braucht.
Wir haben uns schon gewundert wo der Katalane ist. Wir dachten er sei auf dem Weg zum nächsten Ort. Er teilt uns aber mit, dass er mit seiner Familie telefoniert habe, und hier seine Tour nach Santiago de Compostela nach nur drei Tagen beenden wird. So richtig traurig sind Martín und ich nicht darüber.
Zum ersten Mal seit vielen Tagen sitzen wir mal wieder in einer größeren Runde um einen Tisch. Es tut gut mal wieder mit anderen Menschen zu sprechen, auch wenn man dafür längst verschüttete oder rudimentäre Fremdsprachenkenntnisse bemühen muss.
Am nächsten Morgen werden wohl zwei Zweiergruppen starten.
14. Tag: Samstag, 10. März 2007 Auf alten Viehtrieben und römischen Wegen
Etappe: Carcaboso – Aldeanueva del Camino
Tageskilometer: 39 Gesamtkilometer: 424

Steineichen-Dehesa
Alle, auch der Katalane, stehen morgens vor der Tür und machen sich auf den Weg. Der Katalane zur nächsten Bushaltestelle, Gerd und der Franzose müssen noch zum Bäcker, nur Martín und ich ziehen sofort los. Vorher hat Señora Elena jedem 2 € für einen Kaffee und einen schäbigen Keks abgeknöpft. Zur ersten - und heute als einige der wenigen Ausnahmen nicht einzigen - Pause sitzen wir bei strahlendem Sonnenschein in einer wunderschönen Eichen-Dehesa, umgeben von Stieren und Kühen. Es ist sehr selten, dass der Pilgerweg über Wiesen führt auf denen Stiere weiden. Es sind jedoch mit Sicherheit keine Kampfstiere. Diese Tiere sind zu kostbar, als dass Fremde Zutritt zu deren Weiden hätten. Hinzukommt dass Kampfstiere sich nicht an Menschen gewöhnen sollen, sonst würden sie zu zutraulich und damit für die Arena wertlos.
Martín und ich nehmen zwar wahr, dass wir durch eine saftiggrüne Landschaft ziehen, in der das Wasser noch auf den Wiesen steht, aber uns steht mehr der Sinn nach Tratschen. Dass der Katalane familiäre Gründe nur vorgeschoben hat, ist unser beider Vermutung. Welcher spanische Mann bricht wegen seiner volljährigen, verheirateten Tochter eine dreiwöchige Wanderung ab, es sei denn sie ist gerade von einer Brücke gesprungen oder bringt Drillinge zur Welt. Und nichts davon hat er erwähnt. Der Menschenmangel, ganz besonders der Frauenmangel, so vermuten wir, hat ihn wohl dazu veranlasst aufzugeben. Unterwegs in hautengen Laufleggins und auch sonst in einem modischen Outfit, war uns schon aufgefallen, dass das Hauptaugenmerk unseres Mitwanderers dem leider (oder zum Glück) hier fehlenden Teil der weiblichen Erdbevölkerung galt. Ganz besonders fiel uns das bei den allabendlichen Runden durch den Etappenort auf. Nicht nur, dass er sich in Schale warf, nein, bedingt durch die hautenge Hose, konnte er auch das was viele Männer als ihr wichtigstes Körperteil betrachten effektvoll in Szene setzen. Seine Schilderungen von den Erlebnissen der letztjährigen Wanderung auf dem Camino francés bestätigten das von uns gehegte Vorurteil zusätzlich. Im Gegensatz zum gestrigen Tag haben Martín und ich heute genügend Gesprächsstoff. Von einem richtigen Gespräch kann bei mir aber immer noch keine Rede sein, obwohl wir schon zwei Wochen unterwegs sind. Martín jedoch gibt sich Mühe und was viel wichtiger ist, der Vormittag geht rum.
Als wir an den Cañadas Reales (königlicher Weideweg) kommen, sind wir sicher, dass wir mit unserer Vermutung richtig liegen. Wir waren schon mehrfach auf solchen Weidewegen, die früher ganz Spanien durchzogen, unterwegs. Dieser Weideweg hier ist jedoch ein Prachtstück. Noch heute ist er in voller Breite über eine Länge von mehreren Kilometern erhalten. Zwischen den hier mehr als 70 Meter voneinander entfernten Weidezäunen marschierend kann man gut nachvollziehen wie der alljährliche Viehtrieb von Norden nach Süden vonstatten ging. Weil diese großen Viehtriebswege immer wieder von land- und machtgierigen Großgrundbesitzern beschnitten und zum Teil sogar unterbrochen wurden, stellte das spanische Königshaus die wichtigsten Strecken unter ihren Schutz. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass einige Wege bis heute erhalten geblieben sind. Den meisten ist es allerdings schlecht ergangen: Verschwunden unter Autobahnen, Nationalstraßen oder einverleibt von den hier immer noch tonangebenden Großgrundbesitzern erinnert man sich erst seit Neuerem wieder an dieses alte spanische Kulturgut. Da wo dieser Weideweg endet steht der Torbogen von Cáparra. Von Cáparra, einer ehemaligen römischen Siedlung, ist nur dieser Torbogen erhalten geblieben, umsäumt von einigen Fundamenten. Lange Zeit vergessen in der Weite der extremadurischen Landschaft, finden nur wenige Touristen hierhin. Für uns einer der wenigen Orte, in denen wir auf Kultur machen. Die Rucksäcke bleiben unter dem Torbogen stehen und wir machen uns auf Besichtigungstour. Sorge, dass die uns hier geklaut werden müssen wir uns nicht machen, dies ist ein Land mit ehrlichen Leuten. Dummerweise haben wir unsere Rücksäcke so geschickt unter den Torbogen gestellt, dass kein Tourist ein Foto machen kann ohne dass diese nicht mit angebildet werden, was uns einige böse Blicke einbringt.
Martín und ich nehmen zwar wahr, dass wir durch eine saftiggrüne Landschaft ziehen, in der das Wasser noch auf den Wiesen steht, aber uns steht mehr der Sinn nach Tratschen. Dass der Katalane familiäre Gründe nur vorgeschoben hat, ist unser beider Vermutung. Welcher spanische Mann bricht wegen seiner volljährigen, verheirateten Tochter eine dreiwöchige Wanderung ab, es sei denn sie ist gerade von einer Brücke gesprungen oder bringt Drillinge zur Welt. Und nichts davon hat er erwähnt. Der Menschenmangel, ganz besonders der Frauenmangel, so vermuten wir, hat ihn wohl dazu veranlasst aufzugeben. Unterwegs in hautengen Laufleggins und auch sonst in einem modischen Outfit, war uns schon aufgefallen, dass das Hauptaugenmerk unseres Mitwanderers dem leider (oder zum Glück) hier fehlenden Teil der weiblichen Erdbevölkerung galt. Ganz besonders fiel uns das bei den allabendlichen Runden durch den Etappenort auf. Nicht nur, dass er sich in Schale warf, nein, bedingt durch die hautenge Hose, konnte er auch das was viele Männer als ihr wichtigstes Körperteil betrachten effektvoll in Szene setzen. Seine Schilderungen von den Erlebnissen der letztjährigen Wanderung auf dem Camino francés bestätigten das von uns gehegte Vorurteil zusätzlich. Im Gegensatz zum gestrigen Tag haben Martín und ich heute genügend Gesprächsstoff. Von einem richtigen Gespräch kann bei mir aber immer noch keine Rede sein, obwohl wir schon zwei Wochen unterwegs sind. Martín jedoch gibt sich Mühe und was viel wichtiger ist, der Vormittag geht rum.
Als wir an den Cañadas Reales (königlicher Weideweg) kommen, sind wir sicher, dass wir mit unserer Vermutung richtig liegen. Wir waren schon mehrfach auf solchen Weidewegen, die früher ganz Spanien durchzogen, unterwegs. Dieser Weideweg hier ist jedoch ein Prachtstück. Noch heute ist er in voller Breite über eine Länge von mehreren Kilometern erhalten. Zwischen den hier mehr als 70 Meter voneinander entfernten Weidezäunen marschierend kann man gut nachvollziehen wie der alljährliche Viehtrieb von Norden nach Süden vonstatten ging. Weil diese großen Viehtriebswege immer wieder von land- und machtgierigen Großgrundbesitzern beschnitten und zum Teil sogar unterbrochen wurden, stellte das spanische Königshaus die wichtigsten Strecken unter ihren Schutz. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass einige Wege bis heute erhalten geblieben sind. Den meisten ist es allerdings schlecht ergangen: Verschwunden unter Autobahnen, Nationalstraßen oder einverleibt von den hier immer noch tonangebenden Großgrundbesitzern erinnert man sich erst seit Neuerem wieder an dieses alte spanische Kulturgut. Da wo dieser Weideweg endet steht der Torbogen von Cáparra. Von Cáparra, einer ehemaligen römischen Siedlung, ist nur dieser Torbogen erhalten geblieben, umsäumt von einigen Fundamenten. Lange Zeit vergessen in der Weite der extremadurischen Landschaft, finden nur wenige Touristen hierhin. Für uns einer der wenigen Orte, in denen wir auf Kultur machen. Die Rucksäcke bleiben unter dem Torbogen stehen und wir machen uns auf Besichtigungstour. Sorge, dass die uns hier geklaut werden müssen wir uns nicht machen, dies ist ein Land mit ehrlichen Leuten. Dummerweise haben wir unsere Rücksäcke so geschickt unter den Torbogen gestellt, dass kein Tourist ein Foto machen kann ohne dass diese nicht mit angebildet werden, was uns einige böse Blicke einbringt.


Cáparra - der römische Torbogen, Gehöft in der Dehesa
Auf den letzten Kilometern zu dem heutigen Etappenziel erleben wir noch ein kleines Wunder: Wir treffen auf eine große spanische Wandergruppe. Für diese Region mehr als außergewöhnlich. Fürs erste haben wir einen gemeinsamen Weg. Genug Gelegenheit für die Wanderer uns beide auszuquetschen. Einige Kurzetappen der Vía sind ein paar schon gegangen, die ganze Strecke aber noch nicht, was jetzt natürlich nachgeholt werden muss.
Weil auch hier mal wieder der Autobahnbau ins Landschaftsbild eingreift und der Pilgerweg mal wieder verschwunden ist, gehen wir auf Nummer sicher und bleiben die letzten Kilometer nach Aldeanueva del Camino auf der nicht mehr befahrenen alten Nationalstraße.
Als Gerd und Bernard eintreffen, haben wir schon die Wäsche gewaschen und den ersten Rundgang durch den Ort hinter uns. Die beiden wollen morgen eine etwas kürzere Etappe gehen. Martín und ich planen aus alter Gewohnheit und weil es uns Spaß mach mal wieder eine längere Strecke über 40 Kilometer. Es ist unser letzter gemeinsame Abend, weshalb Bernard, Martín und ich ins Restaurant zu einem letzen gemeinsamen Abendessen aufbrechen. Gerd bleibt lieber in der Herberge, er will sich ausruhen.
Weil auch hier mal wieder der Autobahnbau ins Landschaftsbild eingreift und der Pilgerweg mal wieder verschwunden ist, gehen wir auf Nummer sicher und bleiben die letzten Kilometer nach Aldeanueva del Camino auf der nicht mehr befahrenen alten Nationalstraße.
Als Gerd und Bernard eintreffen, haben wir schon die Wäsche gewaschen und den ersten Rundgang durch den Ort hinter uns. Die beiden wollen morgen eine etwas kürzere Etappe gehen. Martín und ich planen aus alter Gewohnheit und weil es uns Spaß mach mal wieder eine längere Strecke über 40 Kilometer. Es ist unser letzter gemeinsame Abend, weshalb Bernard, Martín und ich ins Restaurant zu einem letzen gemeinsamen Abendessen aufbrechen. Gerd bleibt lieber in der Herberge, er will sich ausruhen.
15. Tag: Sonntag, 11. März 2007 Auf dem Weg zu einer Legende der Vía de la Plata
Etappe: Aldeanueva del Camino – Fuenterroble de Salvatierra
Tageskilometer: 43 Gesamtkilometer: 467


Bei Calzada de Béjar
Aldeanueva del Camino befindet sich noch im Tiefschlaf als Martin und ich uns auf den Weg machen. Weil die Vía de la Plata mal wieder über eine Verkehrstraße geführt wird, haben wir uns mit Absicht für diesen frühen Aufbruch entschieden. Bis Baños de Montemayor hält sich der Verkehr wegen der frühen Stunde auch schön in Grenzen. Größeren Andrang, und zwar einen Menschenauflauf, gibt es vor einer Bäckerei in diesem Städtchen mit dem gekrönten Kirchturm. Es wird eine lokale, in fett gebackene Spezialität verkauft. Martín, schon wieder völlig ausgehungert, reiht sich ans Ende der Schlange an. Ich mache mich auf den Weg zu dem kleinen Lebensmittelladen.
Es bewahrheitet sich mal wieder der alte Satz, dass man nicht hungrig einkaufen soll, denn als ich ihn wiedersehe, trägt er eine große Papiertüte in der Hand. Das Fett hat sich schon durch die dünne Tüte gearbeitet. Na, das kann ja heiter werden, mit Sicherheit wird es Schwerstarbeit für unsere Mägen. Der steile Anstieg zur Provinzgrenze zwischen der Extremadura und der zentralspanischen Provinz Kastilien und Leon bis rauf 900 m, ist entsprechend mühevoll.
Es bewahrheitet sich mal wieder der alte Satz, dass man nicht hungrig einkaufen soll, denn als ich ihn wiedersehe, trägt er eine große Papiertüte in der Hand. Das Fett hat sich schon durch die dünne Tüte gearbeitet. Na, das kann ja heiter werden, mit Sicherheit wird es Schwerstarbeit für unsere Mägen. Der steile Anstieg zur Provinzgrenze zwischen der Extremadura und der zentralspanischen Provinz Kastilien und Leon bis rauf 900 m, ist entsprechend mühevoll.
Kastilien und León
Hier oben sind wir endlich auf der spanischen Hochebene, der Meseta, und im angeblichen Herz Spaniens. Im heutigen Kastilien, bestehend aus den drei autonomen Gemeinschaften Kastilien la Mancha, Madrid und eben aus Kastilien und Leon hat das Hochspanische, die Sprache die von fast 30% der Weltbevölkerung gesprochen wird, ihren Ursprung. Und hier ist das politische Herz Spaniens – nicht nur heute, auch schon im frühen Mittleralter. Von Kastilien ging die christliche Rückeroberung der spanischen Halbinsel aus.
Wirtschaftlich mag es den drei Regionen in etwa gleich gut gehen. Kastilien und León, eine der größten Regionen des Landes, jedoch zählt hier im Westen an der Grenze zu Portugal, immer noch zu den ärmeren Landschaften Spaniens. Der Streifen zwischen Salamanca, Zamora mit meist kleinen oder kleinsten Dörfern - wie immer die alle heißen - ist geprägt von Landflucht und von den unvermeidlichen Großgrundbesitzern. Die beiden Städte Salamanca und Zamora wirken wie ein Magnet auf die Landbevölkerung. Wer dort kein Auskommen findet, geht zur Not auch in die weite Feld. Viele Familien Südamerikas haben ihre Wurzeln hier in dieser Region. Die Folge ist, dass die Dörfer nur noch von alten Menschen bewohnt sind oder sogar leer stehen.
Hier oben auf der großen spanischen Hochebene, der besagen Meseta, die sich über fast ganz Zentralspanien ausbreitet, werden die Kampfstiere für die Arenen Südspaniens gezüchtet. Und hier findet man eine der schönsten und lebendigsten alten Städte Spaniens - Salamanca!
Saukalt kann es hier im Winter werden. Eisige Winde aus der nördlichen Hemisphäre können in kalten Jahren so viel Schnee mitbringen, dass weite Gebiete für Tage unpassierbar sind. Diese Wettersituation ist zwar selten, es kann aber schon mal vorkommen. Uns verspricht der Wetterbericht zwar kalte, dafür aber trockene und sonnige Tage.
Abrupt hat sich jedoch der Bewuchs geändert. Die Kork- und Steineichenwälder Andalusiens und der Extremadura haben schlagartig knorrigen, uralten, um diese frühe Jahreszeit noch ohne ihre Blätter dastehenden Eichen und Buchen Platz gemacht. Die Wiesen sind hier oben auf gut 900 m auch nicht mehr so grün wie weiter unten im Süden. Moosbewachsen, auch uralt, oft von Buchen- und Eichenhecken überwuchert, zeugen die Feldsteine der Trockenmauern von längst vergangenen Zeiten, in denen meist Tagelöhner und abhängige Bauern für die Großgrundbesitzer schufteten.
Ein „Herrenreiter“ der uns hinter Puerto de Béjar beinahe über den Haufen reitet, und uns dabei keines Blickes würdigt, scheint zu bestätigen, dass sich einiges aus der alten Zeit bis in die Gegenwart gerettet hat.
Wir sind so früh in Calzada de Béjar, dass wir den Gedanken an ein Ausweichquartier (hier gibt es eine gute private Herberge), welches wir uns gestern vorsorglich ausgesucht hatten, beiseite schieben und nach einem Schwätzchen mit einigen Omas weiterziehen.
In Valverde de Valdelcasa, in Valdelcasa, alles kleine Ortschaften an unserem weiteren Weg, überall das gleiche Bild: Alte, steinalte und ein paar nicht mehr ganz so junge Menschen sitzen in der wärmenden Nachmittagssonne und freuen sich, dass der Winter vorbei ist. Oft sehen wir noch ganz alte Häuser aus grauen Feld- oder Granitsteinen dieser Region, die noch bewohnt sind. Wenn ich mir ausmale, wie kalt es darin im Winter ist, läuft es mir den Rücken runter. Wenn ich das richtig überblicke, sitzt hier so gut wie niemand alleine vorm Fernseher. Jedenfalls nicht heute, an einem Sonntag. Oma und Opa sitzen in kleinen Grüppchen beisammen und schwatzen.
Ein paar Kilometer vor Fuenterroble de Salvatierra weisen viele gelbe Markierungspfeile auf eine Umleitung der Vía hin. Weil es im letzten Ort einen ziemlichen Pfeil-Wirrwarr gab, sind wir beide misstrauisch und gehen auf der alten Route weiter. Die Wegbeschreibung im Pilgerführer macht's möglich, denn vorsorglich wurde die alte Markierung entfernt. Wir hätten uns an den neuen Pfeilen orientieren sollen! Die alte Route endet in einem überfluteten Weg, Durchkommen nicht möglich.
Seit der letzten Pause, wir aber noch eine gute Stunde bis zum heutigen Ziel, brennt der rechte kleine Zeh etwas. Anhalten und nachsehen? Ach was, wir sind ja gleich da! Gegen 18:00 Uhr sind wir dann endlich in der von allen gelobten Herberge von Pfarrer Don Blas.
Wirtschaftlich mag es den drei Regionen in etwa gleich gut gehen. Kastilien und León, eine der größten Regionen des Landes, jedoch zählt hier im Westen an der Grenze zu Portugal, immer noch zu den ärmeren Landschaften Spaniens. Der Streifen zwischen Salamanca, Zamora mit meist kleinen oder kleinsten Dörfern - wie immer die alle heißen - ist geprägt von Landflucht und von den unvermeidlichen Großgrundbesitzern. Die beiden Städte Salamanca und Zamora wirken wie ein Magnet auf die Landbevölkerung. Wer dort kein Auskommen findet, geht zur Not auch in die weite Feld. Viele Familien Südamerikas haben ihre Wurzeln hier in dieser Region. Die Folge ist, dass die Dörfer nur noch von alten Menschen bewohnt sind oder sogar leer stehen.
Hier oben auf der großen spanischen Hochebene, der besagen Meseta, die sich über fast ganz Zentralspanien ausbreitet, werden die Kampfstiere für die Arenen Südspaniens gezüchtet. Und hier findet man eine der schönsten und lebendigsten alten Städte Spaniens - Salamanca!
Saukalt kann es hier im Winter werden. Eisige Winde aus der nördlichen Hemisphäre können in kalten Jahren so viel Schnee mitbringen, dass weite Gebiete für Tage unpassierbar sind. Diese Wettersituation ist zwar selten, es kann aber schon mal vorkommen. Uns verspricht der Wetterbericht zwar kalte, dafür aber trockene und sonnige Tage.
Abrupt hat sich jedoch der Bewuchs geändert. Die Kork- und Steineichenwälder Andalusiens und der Extremadura haben schlagartig knorrigen, uralten, um diese frühe Jahreszeit noch ohne ihre Blätter dastehenden Eichen und Buchen Platz gemacht. Die Wiesen sind hier oben auf gut 900 m auch nicht mehr so grün wie weiter unten im Süden. Moosbewachsen, auch uralt, oft von Buchen- und Eichenhecken überwuchert, zeugen die Feldsteine der Trockenmauern von längst vergangenen Zeiten, in denen meist Tagelöhner und abhängige Bauern für die Großgrundbesitzer schufteten.
Ein „Herrenreiter“ der uns hinter Puerto de Béjar beinahe über den Haufen reitet, und uns dabei keines Blickes würdigt, scheint zu bestätigen, dass sich einiges aus der alten Zeit bis in die Gegenwart gerettet hat.
Wir sind so früh in Calzada de Béjar, dass wir den Gedanken an ein Ausweichquartier (hier gibt es eine gute private Herberge), welches wir uns gestern vorsorglich ausgesucht hatten, beiseite schieben und nach einem Schwätzchen mit einigen Omas weiterziehen.
In Valverde de Valdelcasa, in Valdelcasa, alles kleine Ortschaften an unserem weiteren Weg, überall das gleiche Bild: Alte, steinalte und ein paar nicht mehr ganz so junge Menschen sitzen in der wärmenden Nachmittagssonne und freuen sich, dass der Winter vorbei ist. Oft sehen wir noch ganz alte Häuser aus grauen Feld- oder Granitsteinen dieser Region, die noch bewohnt sind. Wenn ich mir ausmale, wie kalt es darin im Winter ist, läuft es mir den Rücken runter. Wenn ich das richtig überblicke, sitzt hier so gut wie niemand alleine vorm Fernseher. Jedenfalls nicht heute, an einem Sonntag. Oma und Opa sitzen in kleinen Grüppchen beisammen und schwatzen.
Ein paar Kilometer vor Fuenterroble de Salvatierra weisen viele gelbe Markierungspfeile auf eine Umleitung der Vía hin. Weil es im letzten Ort einen ziemlichen Pfeil-Wirrwarr gab, sind wir beide misstrauisch und gehen auf der alten Route weiter. Die Wegbeschreibung im Pilgerführer macht's möglich, denn vorsorglich wurde die alte Markierung entfernt. Wir hätten uns an den neuen Pfeilen orientieren sollen! Die alte Route endet in einem überfluteten Weg, Durchkommen nicht möglich.
Seit der letzten Pause, wir aber noch eine gute Stunde bis zum heutigen Ziel, brennt der rechte kleine Zeh etwas. Anhalten und nachsehen? Ach was, wir sind ja gleich da! Gegen 18:00 Uhr sind wir dann endlich in der von allen gelobten Herberge von Pfarrer Don Blas.



Herberge von Don Blas in Fuenterroble de Salvatierra
Martín, der als Spanier von ihm gehört haben müsste, zuckt nur mit den Schultern. Der Mann ist ihm unbekannt, ebenso seiner Wegbeschreibung aus dem Jahr 2001. Da steht auch nix drin. Ihm ist es auch egal wer eine Herberge betreibt, Hauptsache er hat ein Dach überm Kopf und eine Dusche. In den deutschsprachigen Wander- und Pilgerführern wird der Mann als Engel der Pilger, beziehungsweise als Legende der Vía beschrieben.
Er ist jedenfalls nicht da und sonst auch niemand. Wir springen erstmal unter die Dusche und gehen danach in die Bar, einige Meter weiter die Straße hoch und kaufen in dem dazugehörenden Miniladen (2 x 3 m) fürs Abendessen ein. Dass heute Sonntag ist und der Laden eigentlich geschlossen ist, stört niemand.
Als wir zur Herberge zurückgekommen, sind zwei Männer da, die uns einladen von den Vorräten zu essen. Dann sind sie verschwunden. Wir machen uns über den Schinken und die Wurst aus der Vorratskammer her. Waren diese Vorräte gemeint, oder das Obst in der Kiste und der Inhalt des Kühlschranks? Wurst und Schinken schmeckten jedenfalls sehr gut. Kein Wunder in einem Land in dem zwar nicht Milch und Honig fließen, mit Sicherheit aber Wurst und Schinken!
Abends dann kommt er, Don Blas, zwei dürre Sätze, ein Griff in den Kühlschrank (den meinten also die zwei Männer) und schon steht unser Abendessen auf dem Tisch. Er will uns noch den Pilgerstempel geben, das haben wir schon selbst erledigt, und schon ist er wieder verschwunden. Das war er also! Ich kann den Mann ja verstehen. In dem einen Pilgerführer bekommt er fast einen Heiligenschein, in dem anderen wird von einem gemeinsamen Abendessen gesprochen. Nicht nur bei mir werden diese Aussagen zu einer erhöhten Erwartungshaltung geführt haben. Und der Pfarrer wird wohl auch keine Lust und auch keine Zeit haben, so gut wie jeden Abend in fremder Runde ein gemeinsames Abendessen abzuhalten. Besonders weil nicht jeder als Pilger unterwegs ist und sein Hauptaugenmerk gilt ganz offensichtlich seiner Gemeinde. Der von Gemeindemitgliedern ausgemalte Gemeinschaftssaal des Pfarrhauses (unsere Herberge) zeugt davon.
An diesem Abend darf ich das machen, was ich schon seit mindestens acht Jahren nicht mehr gemacht habe: ich muss eine Blase aufstechen! An meinem kleinen Zeh blüht eine winzig kleine Blase. Das war also das brennen, von heute Nachmittag. Das kleine Bläschen wird der fällige Tribut an die großen und langen Etappen der letzten paar Tage sein und der Tribut an meine Leichtwanderschuhe, besser Freizeitschuhe. In der Größe ist das Dilemma nicht weiter der Rede wert - hoffe ich.
Er ist jedenfalls nicht da und sonst auch niemand. Wir springen erstmal unter die Dusche und gehen danach in die Bar, einige Meter weiter die Straße hoch und kaufen in dem dazugehörenden Miniladen (2 x 3 m) fürs Abendessen ein. Dass heute Sonntag ist und der Laden eigentlich geschlossen ist, stört niemand.
Als wir zur Herberge zurückgekommen, sind zwei Männer da, die uns einladen von den Vorräten zu essen. Dann sind sie verschwunden. Wir machen uns über den Schinken und die Wurst aus der Vorratskammer her. Waren diese Vorräte gemeint, oder das Obst in der Kiste und der Inhalt des Kühlschranks? Wurst und Schinken schmeckten jedenfalls sehr gut. Kein Wunder in einem Land in dem zwar nicht Milch und Honig fließen, mit Sicherheit aber Wurst und Schinken!
Abends dann kommt er, Don Blas, zwei dürre Sätze, ein Griff in den Kühlschrank (den meinten also die zwei Männer) und schon steht unser Abendessen auf dem Tisch. Er will uns noch den Pilgerstempel geben, das haben wir schon selbst erledigt, und schon ist er wieder verschwunden. Das war er also! Ich kann den Mann ja verstehen. In dem einen Pilgerführer bekommt er fast einen Heiligenschein, in dem anderen wird von einem gemeinsamen Abendessen gesprochen. Nicht nur bei mir werden diese Aussagen zu einer erhöhten Erwartungshaltung geführt haben. Und der Pfarrer wird wohl auch keine Lust und auch keine Zeit haben, so gut wie jeden Abend in fremder Runde ein gemeinsames Abendessen abzuhalten. Besonders weil nicht jeder als Pilger unterwegs ist und sein Hauptaugenmerk gilt ganz offensichtlich seiner Gemeinde. Der von Gemeindemitgliedern ausgemalte Gemeinschaftssaal des Pfarrhauses (unsere Herberge) zeugt davon.
An diesem Abend darf ich das machen, was ich schon seit mindestens acht Jahren nicht mehr gemacht habe: ich muss eine Blase aufstechen! An meinem kleinen Zeh blüht eine winzig kleine Blase. Das war also das brennen, von heute Nachmittag. Das kleine Bläschen wird der fällige Tribut an die großen und langen Etappen der letzten paar Tage sein und der Tribut an meine Leichtwanderschuhe, besser Freizeitschuhe. In der Größe ist das Dilemma nicht weiter der Rede wert - hoffe ich.
16. Tag: Montag, 12. März 2007 Schinden für einen Pausentag
Etappe: Fuenterroble de Salvatierra – Salamanca
Tageskilometer: 52 Gesamtkilometer: 519

Blick zurück in Richtung Fuenterroble de Salvatierra
Ausnahmsweise ist heute ein Tag, an dem wir uns Zeit lassen können. Wir sind der Meinung, dass wir in den letzten Tagen genug große Etappen zurückgelegt haben und wollen heute nur bis nach Morille. Bis dahin sind es nur etwas mehr als 30 Kilometer, für unsere Verhältnisse ein Spaziergang. Als die Herbergstür hinter uns ins Schloss fällt, ist es schon weit nach acht, aber bitter kalt. In der Nacht hat es gefroren, die Wiesen sind dick mit Reif bedeckt und auf den Pfützen hat sich eine Eisschicht gebildet. Weil ich nur mit zwei dünnen Sommerhosen unterwegs bin, habe ich zwangsläufig alle an. Darüber kommt noch die Regenhose. Ich hab mal wieder vergessen, dass wir auf knapp 1000 Meter sind und dass auch in Zentralspanien noch Winter ist. Anfangs müssen wir mal wieder über einen fast 100 Meter breiten Weideweg, der nach der alltäglichen Frühstückspause in einen steilen Bergpfad übergeht. Einer der wenigen wirklich steilen Strecken der letzten 500 Kilometer. Oben auf dem Pico de la Dueña steht neben den neuen Wahrzeichen unserer Zeit – der Kamm wird von Windkraftanlagen gekrönt – klein und unscheinbar das uralte Cruz de Santiago. Angeblich liegt hier auf gut 1100 Meter die Hälfte der Gesamtstrecke hinter uns.
Für mich wichtiger ist jedoch, dass mein rechter kleiner Zeh höllisch weh tut. Ich müsste mal nach ihm sehen, aber dafür eine extra Pause einschieben? Das würde ja bedeuten, dass ich gegenüber Martín ins Hintertreffen gerate. In den ersten Tagen unserer gemeinsamen Wanderung war Martín so langsam, dass ich hin und wieder mal eine Pause einschieben konnte, in der Martín weiterging. Sollte sich dies jetzt umgekehrt haben? Nach mehr als zwei Wochen wandern ist natürlich auch bei Martín ein gewisser Trainingseffekt feststellbar. Jedenfalls hat sich sein Tempo beträchtlich erhöht. Wenn ich jetzt eine Pause einschiebe um meinen Zeh zu verarzten, wird er mich zwar fragen, ob er warten soll, eher würde ich mir aber die Zunge abbeißen als ihn zum Warten aufzufordern. So kommt es dann auch. Ich mache Pause und Martín zieht von dannen. Er ist es gewohnt, dass ich ihn schnell wieder einhole. Aus der winzig kleinen Blase ist ein dicker Brummer geworden. Dies bedeutet aufstechen, ausdrücken und weiter. Nach jeder Pause, das weiß ich jetzt schon, muss ich mich erstmal an den Anlaufschmerz gewöhnen. Der kleine Zeh liegt wie wohl bei jedem Menschen dummerweise in der Knickfalte des Wanderschuhs und wird so mit jedem Schritt zusätzlich malträtiert. Nach wenigen 100 Metern lässt der Schmerz nach und ich kann mich daran machen Martín, dessen Vorsprung inzwischen beträchtlich gewachsen ist, wieder einzuholen.
Weil es heute nur eine kurze Etappe werden soll, machen wir heute ausnahmsweise eine zweite Pause. Unter einem Baum liegend, es ist mittlerweile wieder sehr warm geworden, kommt bei uns der Gedanke auf, ob wir wirklich nur bis Morille gehen sollen. Wir haben erst Mittag, in spätestens zwei Stunden werden wir in dem kleinen Nest mit der Pilgerherberge sein. Unsere Planung sah vor, dass wir morgen gegen Mittag dann in Salamanca eintreffen würden. So hätten wir dann einen halben Tag für die Stadtbesichtung. Bei uns keimt der Gedanke auf, dass wir, trotz meiner Fußprobleme, diese Strecke auch heute noch schaffen können. Aufkommende Zweifel wegen der Länge der zusätzlichen Strecke zerstreut mal wieder der deutsche Wanderführer. Da steht was von 17 Kilometern, in Martíns spanischer Ausgabe von 23 Kilometern. Uns beiden ist klar, dass die deutsche Angabe falsch sein muss, aber wie das nun mal so ist im Leben, hin und wieder muss man sich auch mal selbst bescheißen. Um halb drei sind wir in Morille und hier fällt endgültig die Entscheidung: Wir gehen durch, dadurch gewinnen wir einen ganzen Pausentag für Salamanca! Gegen 18 Uhr, so reden wir uns ein, werden wir in der Stadt sein.
Für mich wichtiger ist jedoch, dass mein rechter kleiner Zeh höllisch weh tut. Ich müsste mal nach ihm sehen, aber dafür eine extra Pause einschieben? Das würde ja bedeuten, dass ich gegenüber Martín ins Hintertreffen gerate. In den ersten Tagen unserer gemeinsamen Wanderung war Martín so langsam, dass ich hin und wieder mal eine Pause einschieben konnte, in der Martín weiterging. Sollte sich dies jetzt umgekehrt haben? Nach mehr als zwei Wochen wandern ist natürlich auch bei Martín ein gewisser Trainingseffekt feststellbar. Jedenfalls hat sich sein Tempo beträchtlich erhöht. Wenn ich jetzt eine Pause einschiebe um meinen Zeh zu verarzten, wird er mich zwar fragen, ob er warten soll, eher würde ich mir aber die Zunge abbeißen als ihn zum Warten aufzufordern. So kommt es dann auch. Ich mache Pause und Martín zieht von dannen. Er ist es gewohnt, dass ich ihn schnell wieder einhole. Aus der winzig kleinen Blase ist ein dicker Brummer geworden. Dies bedeutet aufstechen, ausdrücken und weiter. Nach jeder Pause, das weiß ich jetzt schon, muss ich mich erstmal an den Anlaufschmerz gewöhnen. Der kleine Zeh liegt wie wohl bei jedem Menschen dummerweise in der Knickfalte des Wanderschuhs und wird so mit jedem Schritt zusätzlich malträtiert. Nach wenigen 100 Metern lässt der Schmerz nach und ich kann mich daran machen Martín, dessen Vorsprung inzwischen beträchtlich gewachsen ist, wieder einzuholen.
Weil es heute nur eine kurze Etappe werden soll, machen wir heute ausnahmsweise eine zweite Pause. Unter einem Baum liegend, es ist mittlerweile wieder sehr warm geworden, kommt bei uns der Gedanke auf, ob wir wirklich nur bis Morille gehen sollen. Wir haben erst Mittag, in spätestens zwei Stunden werden wir in dem kleinen Nest mit der Pilgerherberge sein. Unsere Planung sah vor, dass wir morgen gegen Mittag dann in Salamanca eintreffen würden. So hätten wir dann einen halben Tag für die Stadtbesichtung. Bei uns keimt der Gedanke auf, dass wir, trotz meiner Fußprobleme, diese Strecke auch heute noch schaffen können. Aufkommende Zweifel wegen der Länge der zusätzlichen Strecke zerstreut mal wieder der deutsche Wanderführer. Da steht was von 17 Kilometern, in Martíns spanischer Ausgabe von 23 Kilometern. Uns beiden ist klar, dass die deutsche Angabe falsch sein muss, aber wie das nun mal so ist im Leben, hin und wieder muss man sich auch mal selbst bescheißen. Um halb drei sind wir in Morille und hier fällt endgültig die Entscheidung: Wir gehen durch, dadurch gewinnen wir einen ganzen Pausentag für Salamanca! Gegen 18 Uhr, so reden wir uns ein, werden wir in der Stadt sein.


Cruz de Santiago, Steinmännchen vor Salamanca
Auf der Anhöhe hinter Morille sehen wir zum ersten Mal in der Ferne die Silhouette der Stadt. Und schon wieder bescheißen wir uns. Wir wissen beide, dass es in der Zeit nicht zu schaffen ist. Wie zu erwarten sind wir gegen 18 Uhr nicht in Salamanca, sondern auf der Höhe von Miranda de Azán. Noch immer liegt die Stadt in weiter Ferne. Für uns hält dieser Tag mehrere Premieren bereit: Nicht nur, dass wir zum ersten Mal mehr als 50 Kilometer gehen, die 500-Kilometermarke überschreiten, nein, zum ersten Mal gibt es auch drei Pausen. Es ist schon fast neun Uhr abends als sich die Herbergstür für uns öffnet.
Der Hospitalero ist überrascht uns so spät noch zu sehen und meint wir wären erst gegen Mittag in Morille losgegangen ... Nach ein paar Worten der Aufklärung, kapiert er, dass wir bei Pfarrer Don Blas in Fuenterroble gestartet sind. In der Herberge sind noch zwei Finnen und ein Spanier, der mit dem Fahrrad unterwegs ist. Der sieht so aus, als sei er der letzte Überlebende der längst vergangenen Hippiekultur. Wegen Rückenschmerzen muss er hier leider seine Tour beenden.
Abends kommt dann noch eine Studentin, die Deutsch und Englisch studiert, und gemeinsam mit dem Hospitalero tratschen wir noch bis fast Mitternacht. Wie nicht anders zu erwarten dreht sich alles um das Thema Pilgern. Als ich den Spaniern erzähle, dass das Pilgerbuch eines deutschen Entertainers die Millionenauflage überschritten hat, schütteln sie ungläubig mit dem Kopf. Dass Deutsche in den letzten Jahren sehr aufs Pilgern abfahren, ist auch in Spanien angekommen, dass es aber solche Ausmaße angenommen hat, verwundert doch sehr.
Der Hospitalero ist überrascht uns so spät noch zu sehen und meint wir wären erst gegen Mittag in Morille losgegangen ... Nach ein paar Worten der Aufklärung, kapiert er, dass wir bei Pfarrer Don Blas in Fuenterroble gestartet sind. In der Herberge sind noch zwei Finnen und ein Spanier, der mit dem Fahrrad unterwegs ist. Der sieht so aus, als sei er der letzte Überlebende der längst vergangenen Hippiekultur. Wegen Rückenschmerzen muss er hier leider seine Tour beenden.
Abends kommt dann noch eine Studentin, die Deutsch und Englisch studiert, und gemeinsam mit dem Hospitalero tratschen wir noch bis fast Mitternacht. Wie nicht anders zu erwarten dreht sich alles um das Thema Pilgern. Als ich den Spaniern erzähle, dass das Pilgerbuch eines deutschen Entertainers die Millionenauflage überschritten hat, schütteln sie ungläubig mit dem Kopf. Dass Deutsche in den letzten Jahren sehr aufs Pilgern abfahren, ist auch in Spanien angekommen, dass es aber solche Ausmaße angenommen hat, verwundert doch sehr.
17. Tag: Dienstag, 13. März 2007 Salamanca – ein Traum!
Etappe: Ruhetag in Salamanca
Tageskilometer: 0 Gesamtkilometer: 519


Casa de Las Conchas (Muschelhaus), Kathedrale
Einen ganzen Tag für eine der schönsten Städte Spaniens. Weil wir alle offiziell nur eine Nacht in der Herberge bleiben dürfen, schmeißt uns alle der Hospitalero in aller Herrgottsfrühe aus dem Haus. Er hat heute seinen letzten Tag, und später kommen die Betreiber für die Endabnahme, so erzählt er uns. Die Rucksäcke deponiert er in seinem Zimmer. Am Nachmittag dürfen wir wieder erscheinen. Dann wird er uns „neu“ aufnehmen.
Was zunächst ärgerlich ist, stellt sich nun als Glücksfall raus. Die Stadt gehört uns und der aufgehenden Sonne. Zunächst noch graubraun, taucht die Morgensonne den Sandstein in ein rotgold leuchtendes Farbenbad. Dass um diese frühe Uhrzeit so gut wie kein Mensch unterwegs, ist erhöht den Reiz zusätzlich. Als die Hauptpost öffnet herrscht auf den Straßen dann das übliche Treiben einer Großstadt.
Auf die Post muss ich, weil ich endlich mein Zelt zurück nach Deutschland schicken will. Ursprünglich hatte ich vor hin und wieder im Zelt schlafen, ja hin und wieder auch in einem Hotel oder Hostal zu übernachten. Doch weil es so schön praktisch und billig ist und alle Herbergen, bis auf eine Ausnahme, in einem akzeptablen bis guten Zustand waren, ist daraus nichts geworden. Und für die zweite Hälfte der Strecke wird sich daran auch nichts ändern, im Gegenteil: Ab Galicien wird es mit den Herbergen noch besser.
Was zunächst ärgerlich ist, stellt sich nun als Glücksfall raus. Die Stadt gehört uns und der aufgehenden Sonne. Zunächst noch graubraun, taucht die Morgensonne den Sandstein in ein rotgold leuchtendes Farbenbad. Dass um diese frühe Uhrzeit so gut wie kein Mensch unterwegs, ist erhöht den Reiz zusätzlich. Als die Hauptpost öffnet herrscht auf den Straßen dann das übliche Treiben einer Großstadt.
Auf die Post muss ich, weil ich endlich mein Zelt zurück nach Deutschland schicken will. Ursprünglich hatte ich vor hin und wieder im Zelt schlafen, ja hin und wieder auch in einem Hotel oder Hostal zu übernachten. Doch weil es so schön praktisch und billig ist und alle Herbergen, bis auf eine Ausnahme, in einem akzeptablen bis guten Zustand waren, ist daraus nichts geworden. Und für die zweite Hälfte der Strecke wird sich daran auch nichts ändern, im Gegenteil: Ab Galicien wird es mit den Herbergen noch besser.


Universität, innen und außen
Der Rest des Tages ist ausgefüllt mit Besichtigungen, Besorgungen, Rumgammeln. Wir zigeunern durch die wunderschöne Altstadt, machen mal einen Abstecher in die Uni, oder springen mal kurz in ein Museum. Kurz, es tut gut mal wieder in einer Stadt zu sein.
In Salamanca gibt es fast alles zu kaufen, nur keine brauchbaren Wanderschuhe. Die Blase an meinem Zeh habe ich meinen weichgelaufenen Freizeitwanderschuhen zu verdanken. Die sind in der Zwischenzeit so formstabil wie ein luftleerer Fußball. Aber wie gesagt, in Salamanca gibt es alles ... Also müssen die alten Schuhe noch etwas halten. Am Nachmittag sind wir wieder an der Herberge und warten jetzt gemeinsam mit dem Hippie-Spanier von gestern Abend darauf, dass diese geöffnet wird. Zwei Polizisten kommt dies wohl alles spanisch vor. Mit dem Ergebnis, dass sie unsere Pässe sehen wollen. Bei Martín ist alles ok, dann kommt der Hippie-Spanier an die Reihe. Mit einem süffisanten Grinsen reicht er den Polizisten einen etwas seltsamen Ausweis. Sekunden später stehen beide stramm. Wie uns der Spanier später erklärt, ist er, obwohl er aussieht wie ein Hippie und weit über 50 ist, Oberst der spanischen Polizei. Zwar schon länger ohne festen Bezug zu irgendeinem Dienstplan (so eine Art bezahlte Dauerdienstbefreiung), aber immer noch Oberst und somit im Zweifelsfall Vorgesetzter unserer beiden fleißigen Polizisten. Dann bin ich an der Reihe. Und da die beiden dem Anschein nach zeigen wollen wie fleißig sie sind, starten sie eine Anfrage sogar über Europol. Was sich natürlich länger hinzieht. Nach gut 20 Minuten habe auch ich das Prozedere überstanden und wir dürfen gehen. Weil wir am nächsten Tag wieder früh los wollen, liegen wir an diesem Abend weit vor Mitternacht im Bett.
Hier liegt nun mehr als die Hälfte des Weges hinter mir. Salamanca - das wollte ich auf alle Fälle erreichen. Bei einem Abbruch vor der Zeit, hätte ich mit der zurückgelegten Strecke ganz gut vor mir bestehen können. Eins ist jedoch sicher: Trotz Fußproblemen wird es weiter nach Norden gehen. Und noch etwas ist sicher: Ich werde mich nicht in meinem Bekanntenkreis melden und sagen, was ich gerade mache oder wo ich im Augenblick bin. Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, dass in Salamanca die erste Postkarte im Briefkasten landet oder die erste SMS fällig ist. Bis auf meine Frau und meine Kinder (mit denen stehe ich in täglichem Kontakt) kann sich der große Rest der Welt in dem Glauben wiegen, dass ich auf Camping/Rucksack/Kurzwandertour an der spanischen Mittelmeerküste bin.
Es gefällt mit etwas aus der Welt gefallen zu sein. Dabei soll es fürs Erste bleiben!
In Salamanca gibt es fast alles zu kaufen, nur keine brauchbaren Wanderschuhe. Die Blase an meinem Zeh habe ich meinen weichgelaufenen Freizeitwanderschuhen zu verdanken. Die sind in der Zwischenzeit so formstabil wie ein luftleerer Fußball. Aber wie gesagt, in Salamanca gibt es alles ... Also müssen die alten Schuhe noch etwas halten. Am Nachmittag sind wir wieder an der Herberge und warten jetzt gemeinsam mit dem Hippie-Spanier von gestern Abend darauf, dass diese geöffnet wird. Zwei Polizisten kommt dies wohl alles spanisch vor. Mit dem Ergebnis, dass sie unsere Pässe sehen wollen. Bei Martín ist alles ok, dann kommt der Hippie-Spanier an die Reihe. Mit einem süffisanten Grinsen reicht er den Polizisten einen etwas seltsamen Ausweis. Sekunden später stehen beide stramm. Wie uns der Spanier später erklärt, ist er, obwohl er aussieht wie ein Hippie und weit über 50 ist, Oberst der spanischen Polizei. Zwar schon länger ohne festen Bezug zu irgendeinem Dienstplan (so eine Art bezahlte Dauerdienstbefreiung), aber immer noch Oberst und somit im Zweifelsfall Vorgesetzter unserer beiden fleißigen Polizisten. Dann bin ich an der Reihe. Und da die beiden dem Anschein nach zeigen wollen wie fleißig sie sind, starten sie eine Anfrage sogar über Europol. Was sich natürlich länger hinzieht. Nach gut 20 Minuten habe auch ich das Prozedere überstanden und wir dürfen gehen. Weil wir am nächsten Tag wieder früh los wollen, liegen wir an diesem Abend weit vor Mitternacht im Bett.
Hier liegt nun mehr als die Hälfte des Weges hinter mir. Salamanca - das wollte ich auf alle Fälle erreichen. Bei einem Abbruch vor der Zeit, hätte ich mit der zurückgelegten Strecke ganz gut vor mir bestehen können. Eins ist jedoch sicher: Trotz Fußproblemen wird es weiter nach Norden gehen. Und noch etwas ist sicher: Ich werde mich nicht in meinem Bekanntenkreis melden und sagen, was ich gerade mache oder wo ich im Augenblick bin. Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, dass in Salamanca die erste Postkarte im Briefkasten landet oder die erste SMS fällig ist. Bis auf meine Frau und meine Kinder (mit denen stehe ich in täglichem Kontakt) kann sich der große Rest der Welt in dem Glauben wiegen, dass ich auf Camping/Rucksack/Kurzwandertour an der spanischen Mittelmeerküste bin.
Es gefällt mit etwas aus der Welt gefallen zu sein. Dabei soll es fürs Erste bleiben!
18. Tag: Mittwoch, 14. März 2007 Highway to hell?
Etappe: Salamanca – El Cubo de la Tierra del Vino
Tageskilometer: 34 Gesamtkilometer: 553


Bei Calzada de Valdunciel, Herberge/Kirche in El Cubo de la Tierra del Vino
Die Straßen der Stadt, die gestern Nachmittag noch von Horden junger Leute bevölkert waren, sehen heute morgen nur zwei einsame Wanderer und die Männer der Stadtreinigung. Im Gegensatz zum Weg nach Salamanca hinein (bis an den Stadtrand durch offenes Land und Feldwege) müssen wir hier auf den Seitenstreifen der Nationalstraße, die auch den beziehungsreichen Namen „Ruta de la Plata“ trägt. Jedenfalls künden überdimensionale Schilder davon. In der einschlägigen Pilgerliteratur (mein Pilgerführer macht darin keine Ausnahme) und in den verbreiteten Pilgerberichten wird immer wieder von den mörderischen Bedingungen für Wanderer auf den Nationalstraßen berichtet. Da kann man von mutwilligen Lkw-Fahrern lesen, deren Freizeitvergnügen im Abdrängen von Pilgern besteht und von Autofahrern, die unachtsam sind und somit den Wanderer angeblich gefährden sollen. Entweder liegt es an meiner etwas lockeren Sicht auf diese Dinge oder daran, dass ich den Großteil meines Arbeitslebens hinter einem Lenkrad verbracht habe, als gefährlich oder sogar lebensbedrohend würde ich dies nicht bezeichnen. Man kann natürlich das Pech haben, dass man es genau anders erlebt. Hier und heute ist es jedenfalls nicht so. Das Ausweichen in den Graben oder den lebensrettenden Sprung hinter die Leitplanke bleiben uns erspart. Im Gegenteil: Fast alle Lkw-Fahrer hupen oder grüßen freundlich und auch die Pkw-Fahrer bilden darin keine Ausnahme. Es ist nicht der schönste Abschnitt der Vía, meist führt er über offene durch unendliche Felder geprägte Landschaft, es ist auch kein Weg zum Paradies, aber mit Sicherheit auch kein Weg zur Hölle.
In Calzada de Valdunciel ist dann mal wieder mein rechter Fuß fällig. Die eine Blase ist nun nicht mehr allein, an der Ferse hat sich eine zweite gebildet, die Schonhaltung macht’s möglich. Weil es halt so praktisch ist und wir eh Pause haben, erledigen wir direkt unseren Tageseinkauf.
Es ist wie in so vielen Dörfern durch die wir in den letzten Tagen gekommen sind, als Fremder drängt sich der Eindruck auf, dass es außer Rathaus und Kirche keine weiteren Einrichtungen gibt. Man muss sich durchfragen und dann steht man meist vor einer ganz normalen Haustür hinter der sich ein Bäcker, ein Metzger oder ein kleiner Lebensmittelladen verstecken kann. Dieses Nest macht darin auch keine Ausnahme. Nach dem Woher und Wohin ruft die Verkäuferin im Lebensmittelladen ihren gut 20 jährigen Sohn herbei. Stolz erzählt sie, dass er letztes Jahr in Deutschland im Urlaub war. Meine Vermutung nach der Fußball-WM wird verneint, der junge Mann hat eine klassische, ich würde sagen ein Alte-Leute-Besichtigungstour hinter sich: Schloss Neuschwanstein, Brandenburger Tor, Rheintal ... Seine drei Kumpels, die mit waren, waren genauso begeistert wie er. Bei mir wirft das dann doch ein paar Fragezeichen auf.
Vor El Cubo de la Tierra del Vino drücken wir noch mal aufs Tempo, denn von weitem leuchtet, wie wir vermuten, ein neuen Einkaufszentrum. Je näher wie kommen, desto mehr Einzelheiten können wir erkennen: Ein sehr großer Parkplatz, dies war wohl unser Anhaltspunkt für ein Einkaufszentrum, ein hoher, sehr hoher Zaun, mehrere Wachtürme und zum Schluss die vergitterten Fenster weisen eher auf ein Gefängnis hin. Ein kleines Schild am Eingang beseitigt alle Zweifel. Es handelt sich um eine neue Jugendstrafanstalt.
Heute gibt es mal wieder eine besondere Herberge. Der ehemalige Pfarrer von El Cubo de la Tierra del Vino hält in seiner Kirche zwei Räume für Obdachlose bereit. Den Pfarrer gibt es nicht mehr, die Übernachtungsräume haben ihn jedoch überlebt. Nach langer Zeit findet sich in dieser Pilgerherberge mal wieder ein brauchbares Pilgerbuch. Für die letzte Nacht hatten sich zwei Deutsche eingetragen, die mal probieren wollen, wie das mit dem Pilgern so ist, so steht es jedenfalls in dem Buch. Sie wollen von Salamanca nach Zamora pilgern. Die mit Abstand beschissenste Strecke der gesamten 1000 Kilometer.
Völlig ungewohnt durchblättert Martín hektisch das Pilgerbuch. Normalerweise interessieren ihn diese nicht sonderlich. Irgendwann wird er dann auch fündig und erzählt mir aufgeregt warum ihn das Buch diesmal so interessiert. Im letzten Jahr war sein Nachbar aus Mallorca auf der Vía unterwegs. Aus gesundheitlichen Gründen hat der hier das Handtuch geschmissen, und er hat sich hier in dem Pilgerbuch verewigt. Ich kenne Martín inzwischen so gut, dass ich mit vorstellen kann, dass ab hier jeder weitere Meter für ihn zu einem persönlichen Triumph über seinen Nachbarn wird.
Fürs Abendessen verziehen wir uns in einen nahe gelegenen kleinen Park, der mit Geldern der EU gefördert wurde. Genutzt wird der Park von fast niemandem. Im Sommer meiden die Leute den Park wegen der Hitze, im Winter sitzen die alten Leute vor ihren warmen Öfen. Man kann oft sehen, dass in diesen abgelegenen Regionen mit EU-Geldern (meist weist auch ein kleines Schild auf diesen Geldgeber hin) völlig unsinnige Kleinprojekte gefördert wurden. Vom kleinen Teich, auf dessen Grund eine erbärmliche Pfütze daran erinnert was er mal werden sollte, über überdimensionierte Zufahrtsstraßen für einige Gutshöfe bis hin zu den der prallen Mittagssonne ausgesetzten betonierten und mit schmiedeeisernen Bänken dekorierten Dorfplätzen. Es steht Geld zu Verfügung, das weg muss, aber der Landflucht wird damit kein Einhalt geboten. Das Geld wäre besser in Betreuungsprojekte für alte Leute und für die wenigen Jugendlichen angelegt. Für uns ist dieser Park jedoch ein idealer Pausenplatz. Und weil sich keine Obdachlosen blicken lassen, sofern es in dieser Gegend überhaupt welche gibt, gehört die Kirche diese Nacht uns alleine.
Ach ja, Wein gibt es hier schon lange nicht mehr. Der Ortsname verspricht zwar ein Land voller Eimer und Kübel mit diesem Getränk, doch eine Ungezieferplage hat schon vor Generationen alle Rebstöcke vernichtet. Dabei ist es geblieben.
In Calzada de Valdunciel ist dann mal wieder mein rechter Fuß fällig. Die eine Blase ist nun nicht mehr allein, an der Ferse hat sich eine zweite gebildet, die Schonhaltung macht’s möglich. Weil es halt so praktisch ist und wir eh Pause haben, erledigen wir direkt unseren Tageseinkauf.
Es ist wie in so vielen Dörfern durch die wir in den letzten Tagen gekommen sind, als Fremder drängt sich der Eindruck auf, dass es außer Rathaus und Kirche keine weiteren Einrichtungen gibt. Man muss sich durchfragen und dann steht man meist vor einer ganz normalen Haustür hinter der sich ein Bäcker, ein Metzger oder ein kleiner Lebensmittelladen verstecken kann. Dieses Nest macht darin auch keine Ausnahme. Nach dem Woher und Wohin ruft die Verkäuferin im Lebensmittelladen ihren gut 20 jährigen Sohn herbei. Stolz erzählt sie, dass er letztes Jahr in Deutschland im Urlaub war. Meine Vermutung nach der Fußball-WM wird verneint, der junge Mann hat eine klassische, ich würde sagen ein Alte-Leute-Besichtigungstour hinter sich: Schloss Neuschwanstein, Brandenburger Tor, Rheintal ... Seine drei Kumpels, die mit waren, waren genauso begeistert wie er. Bei mir wirft das dann doch ein paar Fragezeichen auf.
Vor El Cubo de la Tierra del Vino drücken wir noch mal aufs Tempo, denn von weitem leuchtet, wie wir vermuten, ein neuen Einkaufszentrum. Je näher wie kommen, desto mehr Einzelheiten können wir erkennen: Ein sehr großer Parkplatz, dies war wohl unser Anhaltspunkt für ein Einkaufszentrum, ein hoher, sehr hoher Zaun, mehrere Wachtürme und zum Schluss die vergitterten Fenster weisen eher auf ein Gefängnis hin. Ein kleines Schild am Eingang beseitigt alle Zweifel. Es handelt sich um eine neue Jugendstrafanstalt.
Heute gibt es mal wieder eine besondere Herberge. Der ehemalige Pfarrer von El Cubo de la Tierra del Vino hält in seiner Kirche zwei Räume für Obdachlose bereit. Den Pfarrer gibt es nicht mehr, die Übernachtungsräume haben ihn jedoch überlebt. Nach langer Zeit findet sich in dieser Pilgerherberge mal wieder ein brauchbares Pilgerbuch. Für die letzte Nacht hatten sich zwei Deutsche eingetragen, die mal probieren wollen, wie das mit dem Pilgern so ist, so steht es jedenfalls in dem Buch. Sie wollen von Salamanca nach Zamora pilgern. Die mit Abstand beschissenste Strecke der gesamten 1000 Kilometer.
Völlig ungewohnt durchblättert Martín hektisch das Pilgerbuch. Normalerweise interessieren ihn diese nicht sonderlich. Irgendwann wird er dann auch fündig und erzählt mir aufgeregt warum ihn das Buch diesmal so interessiert. Im letzten Jahr war sein Nachbar aus Mallorca auf der Vía unterwegs. Aus gesundheitlichen Gründen hat der hier das Handtuch geschmissen, und er hat sich hier in dem Pilgerbuch verewigt. Ich kenne Martín inzwischen so gut, dass ich mit vorstellen kann, dass ab hier jeder weitere Meter für ihn zu einem persönlichen Triumph über seinen Nachbarn wird.
Fürs Abendessen verziehen wir uns in einen nahe gelegenen kleinen Park, der mit Geldern der EU gefördert wurde. Genutzt wird der Park von fast niemandem. Im Sommer meiden die Leute den Park wegen der Hitze, im Winter sitzen die alten Leute vor ihren warmen Öfen. Man kann oft sehen, dass in diesen abgelegenen Regionen mit EU-Geldern (meist weist auch ein kleines Schild auf diesen Geldgeber hin) völlig unsinnige Kleinprojekte gefördert wurden. Vom kleinen Teich, auf dessen Grund eine erbärmliche Pfütze daran erinnert was er mal werden sollte, über überdimensionierte Zufahrtsstraßen für einige Gutshöfe bis hin zu den der prallen Mittagssonne ausgesetzten betonierten und mit schmiedeeisernen Bänken dekorierten Dorfplätzen. Es steht Geld zu Verfügung, das weg muss, aber der Landflucht wird damit kein Einhalt geboten. Das Geld wäre besser in Betreuungsprojekte für alte Leute und für die wenigen Jugendlichen angelegt. Für uns ist dieser Park jedoch ein idealer Pausenplatz. Und weil sich keine Obdachlosen blicken lassen, sofern es in dieser Gegend überhaupt welche gibt, gehört die Kirche diese Nacht uns alleine.
Ach ja, Wein gibt es hier schon lange nicht mehr. Der Ortsname verspricht zwar ein Land voller Eimer und Kübel mit diesem Getränk, doch eine Ungezieferplage hat schon vor Generationen alle Rebstöcke vernichtet. Dabei ist es geblieben.
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