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Nach meiner Rückkehr von den Lofoten diesen Sommer machte mich der Gedanke fast schon depressiv, erst in einem Jahr wieder in meinen geliebten Hohen Norden zurückkehren zu können und es war klar - eine Herbsttour muss her. Bloß wo? Irgendwann stand fest, dass es sich zwischen dem Balkan und den Pyrenäen entscheiden würde - ein Youtube-Video von der Brèche Rolande gab schließlich den Ausschlag: Da will ich hin!
Tour 1, Gavarnie:
Col de Tentes - Breche Roland - Refugio de Góritz - Col de Tentes
Tour 2, Maladeta:
Hospice de France - Refugio de La Renclusa - Refugi Conangles - Refugio de Corones - Camping Los Banes - Hospice de France
Anreise
Einige Wochen später: Ab in den Zug - Frankfurt Flughafen - Ryanair - Toulouse - Mietwagen.
Gemütlich cruiste ich auf der Autobahn richtung Gavarnie, später im Dunkelwerden auf den gewundenen Gebirgsstraßen bis zu meinem Ziel.
Im Ort angekommen, steuerte ich den Campingplatz an, der aber schon geschlossen hatte. Dramatische Verbotsschilder an dessen Tor ließen mich von meinem ursprünglichen Plan Abstand nehmen, einfach mein Zelt aufzustellen und erst am nächsten Morgen zu bezahlen, weil ich befürchtete, sonst im Morgengrauen mit vorgehaltener Schrotflinte aus dem Zelt geholt zu werden
.
Also fuhr ich zurück in den Ort, fand einen Parkplatz für Wohnmobile und bezahlte einen Parkschein für 5€/24h. Ich richtete mich in meinem Kleinwagen ein und verbrachte eine unruhige Nacht auf dem nach hinten geklappten Beifahrersitz
.
Tag 1, Gavarnie
Als der Wecker um 07.00 Uhr klingelte, war es noch vollkommen dunkel draußen und ich blieb noch etwas liegen. Als es schließlich hell wurde, hatte ich aus dem Autofenster einen spektakulären Ausblick auf den Cirque de Gavarnie, der aber wenig später in der Nebelsuppe verschwand, die der Wetterbericht für den Tag vorausgesagt hat.
Ich schälte mich aus dem Schlafsack und lief zur öffentlichen Toilette unter dem nahegelegenen Office de Tourisme, danach ab in den Ort. Gleich beim ersten Gemischtwarenladen erspähte ich eine einzelne 440g Schraubkartusche hinter der Kasse, die ich erleichtert sofort kaufte - Futter für den Soto Windmaster. Hätten wir das schon mal geregelt! Später fand ich in einem gerade öffnenden Touri-Bergsportladen noch Kartuschen in allen Größen und Varianten, erstand dort eine 100g-Kartusche und ärgerte mich, dass ich vorher so schnell zugegriffen hatte
.
Nachdem ich mich also für die Tour eingedeckt und alles ins Auto gepackt hatte, fuhr ich die Serpentinen zum Col de Tentes hoch, der der Ausgangspunkt für meine Tour sein sollte. War es im Tal noch einfach nur ein bisschen bewölkt, kam ich nun mit zunehmender Höhe in eine immer dichter werdende Nebelsuppe. Weiter oben setzte auch noch dichter Nieselregen ein und mir wurde klar - das wird heute nix mehr
! Ich fuhr trotzdem noch weiter zum Col de Tentes, um mir das einfach mal anzusehen.
Oben angekommen standen ein paar Autos, eine Gruppe Hartgesottener stapfte gerade in den Nebel. Ich stieg aus. Das Wetter war wirklich eklig, kalt und nass und soll es laut Wetterbericht auch den ganzen Tag bleiben. Für die kommenden Tage war dagegen gutes Wetter angesagt. Die Entscheidung stand: Die Tour wird um einen Tag verschoben, dafür abgekürzt. Immerhin wusste ich jetzt, dass man oben am Parkplatz nicht bezahlen muss, das Auto also problemlos ein paar Tage stehen lassen kann.
Ich schlängelte mich die Straße wieder hinunter, fuhr teilweise Slalom zwischen Kühen und Schafen. Nach dem Mistwetter oben war es in Gavarnie angenehm warm und trocken. Ich fuhr zum Campingplatz, richtete mich ein und spazierte einfach mal drauf los, richtung Cirque de Gavarnie. Nach einem schönen Spaziergang kam ich schließlich am Aussichtspunkt Hôtel du Cirque an, von wo aus man die gewaltigen Felswände des Cirque sehen kann, die aber oben im Nebel verschwanden
.
Nun klarte das Wetter auf, nach und nach schälte sich das großartige Panorama aus den Wolken und ich konnte die 3000er bewundern
- auf die Höhe soll ich morgen - Oha
! Ich schoss Fotos von der beeindruckenden Kulisse, spazierte noch ein bisschen umher und schon war wieder alles in den Wolken.
Zurück auf dem Camping lernte ich ein paar Deutsche kennen, darunter einen jungen Ultraleicht-Wanderer, dessen Cuben-Tarp nicht weit von meinem Zelt stand. Wir kamen ins Gespräch, mampften unsere Nudeln und ließen den Tag so ausklingen. Die Nacht im Zelt war eine Wohltat nach dem unbequemen Autositz.

Alle Bilder durch zweifaches Klicken vergrößerbar!

Cirque de Gavarnie
Tag 2, Col de Tentes - Taillon - Brèche Roland
Nachdem auf dem Camping alles zusammengepackt war, fuhr ich wieder hinauf zum Col de Tentes. Wieder hinein in den Nebel, die Kälte und den Nieselregen, wie ich einigermaßen genervt feststellte
. Aber heute gilts! Wieder war ich nicht alleine dort oben, ein paar Grüppchen machten sich ebenfalls fertig zum loslaufen. Ich packte meinen Rucksack fertig, schloss das Auto ab, ging alles im Kopf nochmal durch - und los gings.
Ich hängte mich an eine Gruppe junger Franzosen, erst einmal ging es endlos über eine flache asphaltierte Straße. Schilder mit Karten und Bildern führten uns vor Augen, was für ein Spitzenpanorama wir verpassten, während wir in den Nebel starrten
. Dann Abzweigungen - die Franzosen machten einen ratlosen Eindruck. Ich quatschte sie einfach an, einer sprach Englisch. Mittels Locus Map Pro auf meinem Handy war schnell geklärt, wo es lang geht und ich übernahm die Führung.
Wir stiegen auf einem einfachen, ausgelatschten Gebigspfad immer höher, es wurde kälter, der Nieselregen wurde immer dichter. Die Franzosen zogen vorbei, als ich mir meine Regenhose anzog, um nicht völlig durchnässt zu werden.
Eine Stunde später. Dick eingepackt stapfte ich allein durch Nebel, Kälte und den Regen. Spaß ist anders. Immer mal wieder checkte ich das GPS. Als es galt, einen Gebirgsbach zu überqueren, sah ich auf der anderen Seite ein Pärchen, das wohl gerade Pause machte und mir wild gestikulierte, dass ich mitten in der kleinen Schlucht aufsteigen soll, die der Bach in den Fels gefressen hat, wo auch große rote Pfeile aufgemalt waren. Gleichzeitig war aber direkt auf der anderen Seite des Baches ein Steinmännchen. Ein Vorgeschmack auf die verwirrenden Wegmarkierungen, die mich auf dieser Tour noch des öfteren irritieren sollten.
Ich entschied mich, direkt durch den Bach zum Steinmännchen zu balancieren und zu klettern - etwas anspruchsvoll, aber kurz und direkt. Als ich drüben war, erntete ich dafür einen Daumen hoch. Das Pärchen hatte nur Tagesgepäck dabei, legte Tempo vor und war schnell wieder im Nebel verschwunden. Ich stapfte weiter.
Schließlich tauchten die Konturen des sich im Umbau befindlichen, geschlossenen Refuge de la Brèche Roland im Dunst auf. Bei so einem Wetter im Gebirge an einer menschenleeren, mit Zäunen abgeschirmten Baustelle vorbeizukommen, hat etwas surreales. War das Gelände bis hierher ein gut zu erkennender Weg, mündete dieser nun in weglosen Fels und einen Schutthang. Das Wetter klarte nun etwas auf, die Sicht wurde besser.
Etwas weiter vor mir erkannte ich das Pärchen von vorher, aus dem Fels rechts stieg die Gruppe der Franzosen ab, die sich wohl total verfranzt hatte
. Ich zog grinsend das Handy wieder raus, der Wortführer der Gruppe musste auch grinsen. Es stellte sich heraus, dass eine nach rechts-oben ziehende Stufe im Schutt der Weg war, der dann oben wieder nach links queren sollte. Also setzen wir uns in Bewegung und schlossen rasch zu dem Pärchen auf, dass sich links von uns auf der direkten Linie im Schutt und Schnee abmühte.
Wir kamen fast gleichzeitig oben an, an einer flachen, großflächigen Felsformation. Nun ging es wieder etwas nach unten, wo ein topfebenes Schneefeld auf uns wartete, danach Kraxelei im Fels. Schließlich tauchten die Umrisse der Brèche vor uns auf. Während der letzten Schritte setzte ein kalter Wind ein, der durch die Felslücke pfiff und dort bizarre Eisformationen geformt hatte. Aber endlich waren wir oben!

Der erste Blick auf die spanische Seite - tatsächlich besseres Wetter, wenn auch noch etwas bewölkt. Aber schon wurden die Wolken immer dünner, verzogen sich schnell ganz und die Sonne zeigte sich! Endlich, was für eine Wohltat
! Und das Panorama erst! Einigermaßen erschöpft suchte ich mir eine windgeschützte Stelle, die ich aber fluchtartig räumte, als mich kleine Eisstücke trafen, die vom weit über mir hängenden Fels herunterfielen.
Ich suchte mir einen besseren Platz und konnte endlich Pause machen, mich dank Sonnenschein der Schlechtwetter-Klamotten entledigen und mich darüber freuen, den ersten Teil der Tour geschafft zu haben.
Aber da kam ja noch was - der Taillon, der mein erster 3000er werden sollte. Also los! Dicht an der Felswand arbeitete ich mich vorwärts. Hier sind auch einige Höhlen und Einbuchtungen im Fels, in einer davon wurde gerade ein Zelt zusammengepackt. Immer mal wieder klatschten dicke Tropfen von weit über mir über den Fels schießenden Mini-Wasserfällen auf den Sonnenhut, den ich mir inzwischen aufgesetzt hatte. Das war jetzt Genusswandern pur
!
Die erste Schlüsselstelle kam an einer imposanten Felsnadel, le Doight genannt. Hier muss man auf der franzöischen Seite vorbei, die im Schatten lag und völlig vereist war. Einen steilen Abhang unter mir, balancierte ich konzentriert über die Passage . Nun ging es auch schon wieder etwas steiler hoch, über einen technisch kinderleichten, gut sichtbaren Weg im Schutt stieg ich weiter auf. Inzwischen war ich ganz schön platt, der Rucksack fühlte sich an, als ob ein Anker dran befestigt wäre. Sechs Schritte hoch, drei Sekunden Pause. Bis ich schließlich auf dem flachen Gipfel des Taillon stand. Mein erster 3000er!

Mit einem Deutschen und seinem französischen Kumpel, die ich oben getroffen hatte, stiegen wir zusammen ab. Gemeinsam meisterten wir wieder die vereiste Stelle an der Felsnadel. Die beiden gingen zurück zum Col de Tentes, ich verabschiedete mich. Eigentlich sollte mein Weg hinunter jetzt auch hier irgendwo beginnen - aber unter mir nur steile Schuttfelder, kein Weg weit und breit. Ich lief immer weiter richtung der Brèche, aber da war nichts
!
Ich warf nochmal einen Blick auf den kleinen See, dessen Ufer ich als mein Nachtlager erkoren hatte, dann einen weiteren Blick nach unten, damit da auch ja niemand steht und begann, im Schutt abzufahren. War das ein Spaß
! Meine Schuhe sahen danach zwar aus, wie durch den Wolf gedreht, aber das müssen die abkönnen, dafür hab ich sie ja! Weiter ging es durch verblocktes wegloses Gelände, durch das ich mich durcharbeitete, auch hier war ich einfach total in meinem Element! Ich verließ die Felshalde und eine Kuppe später stand ich auch schon vor dem See.
Da ich das Zelt erst um 19.00Uhr aufbauen durfte, schnappte ich mir den Sawyer und ging zum Zulauf des Sees, um Wasser zu filtern. Ich lernte schnell, dass wasserdichte Goretex-Handschuhe ein echtes Gottesgeschenk sind, wenn man eiskaltes Gebirgswasser mit einem Squeeze-Filter filtern will!
Erst hörte ich ihn nur - dann sah ich ihn, den Polizei-Hubschrauber, der am Morgen in Gavarnie noch auf seinem Helipad gestanden hatte. Er drehte in relativ niedriger Höhe eine Runde über den ganzen Gebirgszug, irgendwann hörte ich ihn nur noch von weitem. Plötzlich kam er wieder und landete auf dem Gipfel des Taillon - dann verschwand er. Was er da wohl gemacht hatte? Jedenfalls wartete ich nach dieser unerwarteten Beobachtung brav bis Punkt 19.00 Uhr, bis ich mein Zelt aufstellte.
Zumal ich auch Stimmen aus Richtung der Brèche hörte, was aber bestimmt nur der Wind war. Glaubte ich zumindest, bis ich tatsächlich mit zusammengekniffenen Augen Gestalten in Schwarz erkennen konnte, die in einer der zuvor erwähnten Felseinbuchtungen rumturnten. Zelt aufstellen, kochen, Schlafsack, Aussicht genießen - und gute Nacht. Was für ein Tag
!

Scheißwetter am Col de Tentes

Das letzte Stück zur Brèche Roland

Eisige Aussichten

Endlich gutes Wetter. Ja, das bin ich
und nein, das ist kein Selfie-Stick, sondern ich balanciere die Kamera auf dem Trekkingstock 

Der Weg zu meinem Schlafplatz

Nicht der schlechteste Platz zum zelten
Tag 3, Brèche Roland - Ordesa Canyon - Refugio de Góritz
Im Morgengrauen stand ich auf - zu dieser Zeit in so einer Landschaft zu stehen und zu wissen: "Noch für ein paar Stunden gehört das hier alles mir!", das ist schon etwas ganz besonderes
!
Ich packte zusammen und machte den Schlachtplan für den Tag: Tags zuvor war ich nicht so weit gekommen, wie ich eigentlich hatte kommen wollen - da hatte ich mich beim Planen etwas übernommen. Heute wollte ich mir den Ordesa Canyon anschauen und ein Blick auf die Karte zeigte: Ich müsste nicht am Ende einsteigen, sondern könnte das auch an einer Stelle in der Mitte, dem Circo de la Cotatuero. Diesen könnte ich erreichen, wenn ich von meiner Position aus zum Weg richtung Humedal de Millaris queren würde.
Den Aufstieg zur Brèche, wo dieser Weg eigentlich beginnen sollte, wollte ich mir mal schön sparen. Das Gelände sah danach aus, als ob man da auch ohne Weg vorwärts kommen könnte - aber das war ein ganz schönes Stück! Zwei Sorgen hatte ich: 1. Niemand würde wissen, dass ich da unterwegs bin und niemand würde da zufällig vorbeikommen. Wenn was passieren würde, säße ich in der Patsche. 2. Wenn ich irgendwann vor einer Felsstufe stehen würde, die nicht kletterbar ist, müsste ich alles wieder zurück.
Nach etwas hin- und herüberlegen, machte ich mich auf den Weg ins Felsenlabyrinth. Aber ich kam ganz gut voran, immer Ausschau haltend nach dem besten Weg. Immer mal wieder musste ich auch etwas balancieren oder klettern, aber nichts Wildes. Irgendwann konnte ich den Weg schon sehen, in dessen Richtung ich mich vorarbeitete. Nur noch rund 200m Luftlinie davon entfernt passierte es: Eine Felsstufe abwärts, ungefähr 20m hoch. Nirgendwo ein Weg, diese zu umgehen und mir war klar: Entweder, ich kletter da jetzt mitsamt meinem schweren Rucksack runter oder ich muss umdrehen
.
Letztendlich packte ich die Stöcke weg, drehte mich mit dem Gesicht zum Fels und begann hochkonzentriert mit der Kletterei. Immer wieder zu einfacheren Stellen querend kam ich langsam voran, die Schlüsselstelle war dann nur noch 5m über dem Boden. Hier machte sich meine Erfahrung als Sportkletterer und die Climbing-Zone meines Schuhwerks voll bezahlt. Sehr erleichtert und einigermaßen unschlüssig, ob ich nicht gerade eine riesengroße Leichtsinns-Eselei begangen hatte, stand ich schließlich unten. Von nun an sollte es einfacher werden - dachte ich.
Statt dessen führten mich die Steinmännchen hinein in ein Gelände, das sich am besten als riesengroßes Reibeisen beschreiben lässt: Massiver Fels, in den das Wasser so viele kleine Kanäle geschnitten hat, dass einem der verbleibende Fels wie Rasierklingen entgegen steht. Jeder Sturz hier wäre gar nicht gut ausgegangen! Teilweise wurde das so vogelwild, dass ich daran zweifelte, ob ich überhaupt noch auf dem Weg bin - aber Steinmännchen und GPS ließen da keinen Zweifel.
Konzentriert arbeitete ich mich abwärts, erreichte schließlich das Humedal de Millaris und überquerte es. Der auf der Karte mit "T4" ausgeschriebene Weg auf das nächste Plateau weiter unten stellte sich als Kletterei durch annähernd senkrechten Fels heraus - ich verzichtete dankend, nahm die Umgehung westwärts und stand bald darauf auf einer beeindruckenden Ebene inmitten der Berge. Nach einer kleinen Mittagspause (inzwischen brannte die Sonne vom Himmel), ging ich über die nächste Felsstufe und stand mitten drin im beeindruckenden Panorama des Ordesa Canyons, genauer gesagt des Circo de la Cotatuero
.
Nun galt es, nach Osten zu queren, um auf das Massiv um den Tobacor zu kommen. Laut Karte hätte ich ein ganzes Stück ab- und dann wieder aufsteigen müssen. Ich folgte statt dessen einem nirgends eingezeichneten Trampelpfad, der innerhalb des Kessels fast auf gleicher Höhe blieb und um diesen herumführt. Länger, aber trotzdem angenehmer. Der Anstieg in Richtung des Weges, der schließlich oben am Canyon-Rand entlang führen sollte, war dann nochmal eine richtige Plackerei durch instabiles Gestein. Aber dann war ich endlich oben. Hier führte erst ein milde ansteigender, ausgelatschter Weg, später schmale Pfade um den Tobacor herum, zur rechten Seite stets das atemberaubende Panorama in den gewaltigen Canyon. Ein Genuss, bei wolkenlosem Himmel und Sonnenschein
!
Dann eine kuriose Passage: Auf der Karte im Handy sollte dieser Weg ungefähr 3km vom Refugio de Góritz entfernt einfach in einer Sackgasse enden, meine Papierkarte zeigte hingegen einen durchgehenden Weg. Da das Gelände laut Karte nicht besonders steil sein sollte, vertraute ich darauf, dass das schon klappen würde. Schließlich kam ich an die Stelle, wo der Weg enden sollte. Kein Problem, der ging weiter, verlor sich aber später im weglosen Gelände, in dem man ihn höchstens noch als Schatten im Gras oder Spur im Schutt erahnen konnte.
Als ich weit genug um den Berg herum gelaufen war, konnte ich schließlich die Hütte sehen - und noch etwas: Ein zerklüftetes, wegloses Gelände, ein Labyrinth voller Felsstufen, gekrönt von einer tiefen, engen Schlucht zwischen mir und dem Refugio de Góritz - alles nicht auf meinen Karten eingezeichnet. Naaaaaa super
! Nach viel hin und her und zurück und mal da lang und mal dort lang, hatte ich mich weit genug vorgearbeitet, dass ich einen Übergang über die Schlucht erspähen und überschreiten konnte. Diese ganze Episode bei dem Nebel vom Vortag? Keine Chance - GPS hin, Karte her! Wenig später war ich bei der Hütte.
Die war aber leider voll belegt, aber ich hatte ja mein Zelt dabei. Ausgestattet mit reichlich gekühlten Dosen, die ich drinnen gekauft hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem Zeltplatz, legte mich in die Sonne und schlürfte genüsslich meine Getränke. An der Hütte selbst war High-Life, ich hatte nicht damit gerechnet, dass im September da noch so viel Betrieb ist - aber gut, es ist eben eine GR11-Hütte, nur rund 300hm von einem Parkplatz entfernt.
Als die Sonne schließlich unterging, wurde es draußen ruhiger und ich beschloss, die außenliegenden Sanitäranlagen aufzusuchen. Die waren aber so eng, dreckig und eklig, mit Leuten überfüllt und dabei nicht mal abschließbar, dass ich die "Außentoilette" vom Vortag liebend gerne vorgezogen hätte.

Egal, trotzdem ein Super-Tag
!

Meine Abkürzung durch wegloses Gelände - da gehts runter!
Die Ebene unterhalb des Humedal de Millaris.

Blick in den Ordesa Canyon, Circo de la Cotatuero.

Der Weg den Tobacor umrundend. Was für eine Aussicht!

Endlich am Refugio de Góritz, hinter der Hütte das labyrintartige, weglose Gelände.
Tag 4, Refugio de Góritz - Col de Tentes
Noch vor dem Morgengrauen stand ich auf und war beim ersten Licht des Tages bereit zum Loslaufen. Eine ganze Menge anderer Leute hatte die selbe Idee gehabt, aber zum Glück gabelt sich der Weg direkt bei der Hütte schon in unterschiedliche Touren. Ich hatte die Wahl: A) Erst die Höhenmeter machen, dann auf immer ungefähr gleicher Höhe und anspruchsvollem Weg richtung Brèche Roland oder B) auf einem einfacheren Weg in die selbe Richtung mit einem knackigen Anstieg zur Brèche. Da ich eine recht weite Wegstrecke vor mir hatte, noch zu Öffnungszeiten des Campings wieder in Gavarnie sein wollte und vom Vortag wusste, wie langsam ich unter Umständen in dem schwierigen Gelände vorankommen würde, wählte ich Variante B.
Mit einem kleinen Grüppchen, das ich schnell überholt hatte, gings los. Bald kraxelte ich in abschüssigem Gelände am Fuße einer Felswand entlang, mal in der Wand selbst. Hier hatten mich die Steinmännchen anfangs hingeführt, bevor es keine mehr gegeben hatte
. Zum Glück konnte ich dank bestem Wetter sehen, wo der Ausstieg aus dem Kessel war und dass ich dort hingelangen würde, wenn ich einfach meinen Weg weiter an der Felswand entlang laufen würde.
Nervös machte mich nur, dass selbst auf dem Kilometer, den ich auf meinen zurückgelegten Weg schauen konnte, keine Menschenseele zu sehen war
. Als ich den Ausstieg letztlich erreichte, sah ich aber dann doch die Gruppe von vorher. Die hatten wohl einfach eine sehr ausgedehnte Pause gemacht.
Nun folgte ein langer, sanft ansteigender Weg, an dessen Ende man die Brèche schon in der Entfernung sehen konnte. Ab hier wurde es wieder sehr kraxelig, teilweise auch ein bisschen ausgesetzt. An dieser Stelle wurde ich von einem dynamischen Pärchen mit Tagesgepäck überholt, das an mit vorbei zog. Das Gelände wurde zusehends unübersichtlicher, wieder mal ein verblocktes Felsenlabyrinth, aber gut mit Steinmännchen markiert.
Und dann kam - von jetzt auf gleich - der Nebel
. Innerhalb von zehn Minuten sank die Sichtweite auf unter 50m. Zum Glück waren die Steinmännchen hier in wirklich engen Abständen und man konnte meistens das nächste genau dann im Dunst erspähen, wenn man das vorherige erreicht hatte. Schließlich kam ich aber zu einer Stelle, an der Steinmännchen in zwei verschiedene Richtungen abgingen. Ich konsultiuerte das GPS und entschied mich.
Von nun an musste ich die Markierungen richtig suchen, mehrmals musste ich zurück zum vorigen und einen anderen Weg probieren. Ein paar mal zweifelte ich, auf dem richtigen Weg zu sein, nur um dann erleichtert wieder einen Steinhaufen zu finden. Schließlich stand ich am Fuße einer Felswand, es ging über ein paar Felsen nach unten in ein sausteiles Geröllfeld. Und da stand auch wieder das Pärchen, das vorher meilenweit vor mir gewesen sein musste und sich wohl im Nebel total verlaufen hatte
.
Ein Blick ins Gesicht des Mannes ließen da nicht mehr viel Interpretationsspielraum, der hatte schon was panisches in den Augen. Da die beiden kein Englisch sprachen, erklärte ich ihm mit Händen und Füßen, dass wir jetzt wohl tatsächlich da runter in das Geröllfeld müssten. Er dachte, dass er zurück und nach oben über die Felswand muss, worauf ich ihm versuchte begreiflich zu machen, dass da in der Papierkarte eine mit Ketten gesicherte und deshalb bei dem Wetter wohl gefährliche Stelle eingezeichnet sei.
Wir gingen dann ins Geröllfeld. Ein Schritt vorwärts bedeutete ein halben Meter runter rutschen. Aber wir arbeiteten uns voran. Nun begann es auch aufzuklaren - ein Weg wurde sichtbar, den wir nahmen. Weit vor uns tauchte die Brèche im Nebel auf, hinter uns wurde die Passage über der Felsstufe sichtbar - abschüssiger, rutschig glänzender Fels und eine schlapp dahängende rostige Kette. Ich war froh, dass wir untenrum gegangen waren
. Der Weg bis zur Brèche war dann ein Klacks. Da das Wetter nicht schön war und ich das ja alles schon gesehen hatte, hielt ich mich nicht lange auf, sondern stieg auf der französischen Seite ab.
Mal wieder Nebel auf der französischen Seite, durchziehende Wolken, die immer wieder aufklarten und zuzogen. Schnell war ich wieder beim Refuge de la Brèche Roland, diesmal geschäftiges Treiben auf der Baustelle. Bald kam ich auch wieder an den Gebirgsbach. Dicke rote Pfeile zeigten mitten in dessen Schlucht, dicke rote "Durchgang verboten!"-Markierungen überall außenherum. Na gut, dachte ich mir, dann mach ich das halt diesmal.
Erst konnte man sich noch durch die Schlucht quetschen, ohne mitten im Bach zu stehen, aber plötzlich fand ich mich inmitten des Wasserlaufs wieder, der rund um mich herum toste, während ich zunehmend halsbrecherisch auf glitschigen, nassen Felsen herumturne
. "So ein blöder Mist hier", dachte ich, während ich Visionen davon hatte, wie ich ausrutschen, mir den Kopf anschlagen und im knietiefen Wasser ertrinken würde
. Einigermaßen nassgespritzt kam ich aus der Schlucht heraus und auf der anderen Seite des Baches an. Der Rest des Abstiegs zog sich wie Kaugummi - bei Nebel, Kälte und einsetzendem Nieselregen. Es gibt den Col den Tentes wohl nur so
.
Irgendwann tauchte der Parkplatz dann im Nebel auf, mein Auto war noch da. Ich schmiss alles in den Kofferraum, drehte die Heizung voll auf und fuhr nach Gavarnie auf den Campingplatz, wo ich erst mal eine schöne, lange, heiße Dusche nahm und dann im Ort essen ging
.

Ist hier der Weg? Ich glaub schon
... was meinst Du, Gemse?

Am Ende des einfachen Weges, gleich wirds kraxelig.

Kurz vor der Brèche ein Blick zurück, als das Wetter aufklart. Im dichten Nebel war der Weg hier hoch gar nicht so leicht zu finden.

Das Refugio de la Brèche Roland kurz bevor alles wieder von Wolken eingenebelt wurde.
Hier nun die Fortsetzung - Tour 2
Weiterreise:
Am nächsten Tag schlief ich schön aus, machte mich gemütlich fertig und fuhr dann über Toulouse und Luchon zum Hospice de France, einer Mischung aus Ausflugsrestaurant, Hotel und Hütte. Für 20€ bekam ich ein Platz in einem Vierbettzimmer, das ich mir mit drei Belgiern teilte, mit denen ich auch für weitere 21€ zu Abend aß - Salat gefolgt von einer Mini-Portion mittelmäßigen Kartoffelgratins gefolgt von einer mittelmäßigen Käseplatte gefolgt von Banane mit Schlagsahne. Für 21€
!!
Naja, das wichtige war: Auch dieser Parkplatz war wieder kostenlos. Blöd war allerdings, dass zu zwei vollbelegten Vier-Bett-Zimmern ein einziges Badezimmer gehörte, um das sich am nächsten Morgen also acht Leute schlagen würden. Grimmig entschlossen stellte ich den Wecker auf 05:45 Uhr.

Der Schankraum des Hospice de France - der Esel hat seinen Arsch natürlich mitten in meiner Aussicht geparkt
Tag 1, Hospice de France - Refugio de La Renclusa - Humedal de la Valleta de la Escaleta:
Nachdem mein Plan mit dem Bad voll aufgegangen war, stand ich also wieder einmal beim ersten Licht des Tages parat. Der Blick auf die sich vor mir auftürmenden Berge war schon einschüchternd, zumal ich aus der Karte wusste, dass hinter der Kante dort weit, weit oben weitere Anstiege auf mich warten würden. Also los.
Passend zu dem Ausflugslokal war das erste Stück Weg auch eher ein Spaziergang, bevor er in Serpentinen überging und langsam zum Bergpfad wurde. Keine Ahnung, ob es der Trainingseffekt der vergangenen Tour war, der Ruhetag, die Serpentinen oder ob der Koch was ins Kartoffelgratin gemischt hatte, aber ich flog die Höhenmeter ohne jede Anstrengung nur so hoch
. Schnell war ich oben und endlich auch in der Sonne, die den dort liegenden Schnee glitzern ließ.
Weiter ging es durch eine beeindruckende Berglandschaft dem Puerto de Benasque genannten Durchgang zwischen den Gipfeln entgegen. Als ich oben ankam und meinen Blick auf die spanische Seite warf, stockte mir fast der Atem, so unwirklich schön war die Aussicht, die ich während einer ausgedehnten Pause weiter genoss
.
Dann stieg ich ab, erst durch Gebirgspfade im Schnee, später bei sommerlichen Temperaturen durch zunehmend spazierweghafte Serpentinen. Unten befindet sich ein großer, stark frequentierter Parkplatz und beim Aufstieg richtung Refugio de La Renclusa war ich mitten drin in der Spazier-Touri-Meute
. Die Uhr zeigte erst 13:30 und eigentlich hatte ich mein Tagesziel schon erreicht.
Aber ich fühlte mich noch topfit und wusste, dass am nächsten Tag mit der Überschreitung des Tuc de Molières ein echter Brocken auf mich wartete, also konsultierte ich die Karte und fand tatsächlich einen guten Zeltplatz auf dem Weg, den ich eigentlich erst am nächsten Tag gehen sollte. Der lag auch über 2000m, was laut der Rangerin, die auf dem Parkplatz Plätze zugewiesen hatte, Voraussetzung sei, um zelten zu dürfen. Also nahm ich eine Abzweigung richtung Osten, ließ die Hütte links liegen und lief weiter.
Wenig später stand ich auf einer riesigen Ebene, der Plan d'Aigualluts, auf der sich ca. 100 Spaziergänger verteilten. Nachdem ich diese überquert hatte und es jetzt dann doch wieder etwas in die Felsen hinein ging, traf ich auf mehrere große Bergwanderergruppen, die wohl in Richtung der Hütte unterwegs waren. So ging das eine ganze Weile, die Leute wurden immer weniger, bis mir ziemlich weit draußen noch ein einzelner, verwirrt wirkender Wanderer entgegen kam - dann hatte ich die Berge für mich alleine
. Schließlich kam ich am Humedal de la Valleta de la Escaleta an, wo ich mein Zelt aufschlagen wollte.
Ich legte den Rucksack ab und suchte einen guten Zeltplatz, möglichst geschützt vor dem scharfen Wind, der inzwischen wehte. War das Wetter zuvor noch sommerlich gewesen, war es nun bewölkt und wurde kühler. Nirgends ein für die Windrichtung guter Platz, aber schließlich fand ich doch eine Mulde recht nah an einem Wasserlauf. Ich schaute auf die Uhr - viel zu früh, um jetzt schon das Zelt aufzubauen, wenn man nach der 19.00-Uhr-Regel ginge.
Aber eine innere Stimme sagte mir "Bau das Zelt auf, JETZT!" - und das tat ich dann auch. Das Innenzelt stand gerade, als es von jetzt auf gleich ohne jede Vorankündigung anfing zu graupeln - und wie
! Während rings um mich herum die Graupelkörner niedergingenn, grabschte ich mir den Rucksack, schmiss ihn ins Innenzelt, sah zu, dass ich das Außenzelt schnell drüber bekam und flüchtete mich dann ins Zelt. Schnell schloss ich den Reißverschluss, wischte die eingedrungenen Graupelkörner aus dem Innenzelt und setzte mich hinein. Am Rand des Außenzeltes begannen die Körner, Haufen zu bilden.
Als der Niederschlag schwächer wurde, schlüpfte ich schnell nach draußen, um ein paar Fotos zu schießen und musste fast lachen, wie komisch das aussah: Die grüne Wiese von den Graupelkörnern ganz unbeeindruckt und mittendrin mein Zelt mit einem seltsamen Drogenproblem
. Aber schnell wieder rein, denn schon ging es wieder los.
Ich richtete mich also im Zelt ein, Matte aufblasen, rein in den Schlafsack und so weiter. Zur Feier des Tages gabs Real Turmat Bolognese, was aber entäuschenderweise nur eine überwürzte Pampe war. Naaaja ... Frisch gestärkt und mit dem Geräusch des auf die Zeltplane prasselnden Graupels im Ohr schlief ich ein.
Zwei Stunden später, gegen 18:30 Uhr, wachte ich wieder auf und das Zelt war zwischenzeitlich irgendwie kleiner geworden
- weil eine dicke Schicht nassen, pappigen Schnees auf das Außenzelt drückte, wie ich erstaunt feststellte! Ein Blick durch die Lüftungsöffnung offenbarte, dass es inzwischen in dicken Flocken schneite und jetzt auch die Landschaft ringsherum weiß war.
Das erste mal zelten im Schnee für mich
- also nochmal schnell nach draußen, um diese Premiere fotografisch festzuhalten. Wieder drin im Zelt klopfte ich den Schnee von diesem herunter, was gar nicht so leicht war, so klebte der! Schließlich war es vollbracht, das Zelt außen klatschnass und schon pappte es wieder an, aber was soll man machen? Licht aus, gute Nacht.
Sagte ich eben "Gute Nacht"
? Einige Stunden später wachte ich wieder auf, weil von draußen aus der Finsternis ein seltsames Schnauben und Schaben zu hören war. Das konnte natürlich nur eins bedeuten: Meilenweit draußen, allein in der Nacht und im Schneegestöber wollte mir ein Berg-Untier ans Leder
! Recht beunruhigt grabschte ich mir die Stirnlampe und leuchtete in die Richtung des Geräuschs.
Erleichtert stellte ich fest, dass in kurzen Abständen pappige Schneebrocken an der Außenzeltplane herunter rutschten und dabei untier-artige Geräusche machten. Puh - nochmal mit dem Leben davon gekommen
! Dafür merkte ich, dass meine Nase dabei war, abzufrieren! Zum Glück hatte ich eine selbstgenähte Mini-Daunendecke von 40x60cm dabei, die eigentlich zum Füße-Aufheizen oder als Kissen gedacht war - jetzt legte ich mir diese einfach aufs Gesicht. Viiiel besser
! Also schlief ich wieder ein.
Um ein paar Stunden später wieder aufzuwachen
, weil meine Füße ganz kalt waren. Erschreckt stellte ich fest, dass der Solid-Inner-Teil meines Zeltes klatschnass von Kondens war - und das Fußteil meines Daunenschlafsacks schon feucht. Verdammt! Also rein in den Biwaksack und weiterschlafen. Diesmal aber wirklich.

Da gehts hoch - und noch höher! Allein dieser Anstieg waren schon mal 1000hm, weitere sollten folgen.

Ein Blick zurück, unten das Hospice de France.

Puerto de Benasque und dahinter:

Gigantisch
! Bestimmt eine der Top-5-Aussichten meines Lebens! Man beachte die Wolken, die links über den Berg kommen.

Plan d'Aigualluts, ein Spaziergängegebiet nicht weit entfernt vom Refugio de La Renclusa.

Endlich ging es von spazieren wieder leicht ins wandern über. Diese Stelle war übrigens von den vielen Leuten speckig und glatt geschliffen - Rutschgefahr!

Graupel auf 2200m.

Gefolgt von pappigem, nassen Schnee. Mein erstes Mal zelten unter solchen Bedingungen.

Zelt-Life ...
Tag 2, Humedal de la Valleta de la Escaleta - Tja
...:
Wie gerädert wachte ich auf. Zudem bekam ich fast keine Luft mehr, was aber mitnichten an der Daunendecke auf meinem Gesicht lag, die dieses die ganze Nacht schön warm gehalten hatte - nein - im Zelt war es verdammt stickig! Schnell war klar, was passiert war: Der am Außenzelt herabrutschende Schnee hatte dieses zum Boden hin hermetisch abgedichtet, die einzige Öffnung nach draußen war meine DIY-Lüftung, die ich meinem Luxe Firefly SL verpasst hatte und die ungefähr drei mal so groß ist, wie das Original - aber eben auch nur eine einzelne Lüftung.
Folgerichtig war jeder nicht-Mesh-Quadratzentimeter des Innenzeltes dick mit Kondens belegt. Am Außenzelt war der Kondens gefroren und brach in großen Schollen ab, als ich mich aus dem Zelt arbeitete. Der Schlafsack hatte zum Glück nichts abbekommen, auch das Fußteil fühlte sich wieder gut an.
Ich packte unter strahlend blauem Himmel aber im Schatten der Berge zusammen und las mit dem Handy das Bluetooth-Thermometer aus, das im Innenzelt gehangen hatte. Tiefstwert in der Nacht -2°C, also gar nicht mal so kalt. Als alles zusammengepackt war, stiefelte ich los. Zum Glück war der Schnee auf dem Weg nicht richtig liegen geblieben, man konnte den Weg gut erkennen.
Schon nach wenigen Minuten kamen mit zwei Australier entgegen und wir beäugten uns verdutzt, bis sich herausstellte, dass die beiden zwar außer Sichtweite, aber keine 300m von mir entfernt ebenfalls gecampt hatten
. Später sah ich auch das schneefreie Grün, wo ihr Zelt gestanden hatte. War ich also doch nicht so allein gewesen, wie ich gedacht hatte
!
Schließlich kam ich an eine Stelle, für die auf der Karte kurz ein erhöhter Schwierigkeitsgrad eingezeichnet war. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Kletterei über rund 20hm felsiges Gelände handelte, das von unten schlecht einsehbar war. Also frisch ans Werk, hoch da!
Und dann sah ich es: Eis
!
Der ganze Felsen war mit einer wenige Millimeter dicken, spiegelglatten Eisschicht bedeckt. Mir war sofort klar: Das ist gar nicht gut! Beunruhigt suchte ich den Felsen ab, aber wirklich fast überall war Eis, teilweise sogar so gut wie unsichtbar. Gerade die ersten Meter, die eine glatte Platte mit ein paar wenigen Features im Fels war, war spiegelglatt. Darüber das Steinmännchen.
Ich lief vorwärts, rückwärts, seitwärts an dem Fels entlang, überall sonst steiler, glatter Fels, der schon im trockenen Zustand nicht einfach zu klettern gewesen wäre. Unter meinen Füßen der schmale Weg, jenseits davon ging es wohl so 6, 7m runter in die Felsbrocken - stürzen verboten
! Ich entschied mich, zumindest mal einen Blick weiter hoch in die Wand zu wagen, also zumindest die ersten Meter mal zu versuchen.
Also zurück zu der vereisten Platte. Mit zwei, drei Zügen, die eher in eine Boulderhalle gehört hätten, gewaltete ich mich an den vom Eis verschonten Features nach oben. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass es so weiter gehen würde - vereister Fels, den ich in trockenem Zustand wahrscheinlich mit einer Hand auf dem Rücken hätte klettern können, der aber spiegelglatt vom Eis war. Die innere Stimme, die am Vortag prophetische Fähigkeiten bewiesen hatte, meldete sich wieder: "Mach es nicht!". So jemandem widerspricht man nicht ...
Enttäuscht und unter wildem Gefluche stieg ich die paar Meter wieder ab, wobei ich eher runterrutschte als kletterte
. Kurz durchzuckte mich die Idee, meine Steigeisen auszupacken und es damit zu versuchen, aber das verwarf ich schnell wieder. Allererste Erfahrungen mit Steigeisen unter Einsatz meines Lebens zu sammeln, dazu alleine und in so einem steilen Gelände? Auf keinen Fall! Nein, mir war klar: Tour vorbei. Scheiße
!
Traurig machte ich mich auf den Rückweg. Kurz darauf kam mir eine 3er-Gruppe drahtiger Herren mittleren Alters entgegen, die mich ansprachen. Ich erklärte ihnen, dass ich umgekehrt sei und warnte sie schon mal vor. Ich konnte die Stelle noch eine ganze Weile lang einsehen - der Anführer der drei hatte die erste Kletterstelle, die ich auch hochgestiegen war, schnell gemeistert und versuchte den anderen beiden zu helfen, die sich bestimmt 10min abmühten, aber nicht hoch kamen. Dann konnte ich den Fels nicht mehr sehen. Ich weiß nicht, was die drei gemacht haben, hoffentlich ist da nichts passiert.
Ich jedenfalls stieg weiter ab, an meinem Zeltplatz vorbei, schließlich über die Ebene, schließlich zum Parkplatz - dann wieder hinauf richtung Puerto de Benasque.
Beim Aufstieg konnte ich den Tuc de Molières sehen, den ich an dem Tag eigentlich hätte überschreiten sollen. Beziehungsweise: Ich konnte ihn nicht sehen. In der Kette der Gipfel war exakt dieser in dicke Wolken gehüllt und blieb es auch während meines gesamten Aufstiegs. Es war, wie wenn die Berggötter für genau diesen Gipfel ein "Betreten verboten!"-Schild aufgehängt hätten
. Schon fühlte ich mich besser mit meiner Entscheidung, dass ich umgekehrt war
.
Die Schwierigkeit dort oben am Tuc de Molières war auf der Karte ebenfalls als erhöht ausgewiesen gewesen, ich hätte einen Grat überschreiten sollen. Der Nebelsuppe und eventuell dem Eis entkommen zu sein, erzeugte ein laues Glücksgefühl, während ich im strahlenden Sonnenschein dahinwanderte.
Der Abstieg vom Puerto de Benasque war dann wieder etwas kniffelig, da das steile Wegstück dahinter dick mit sulzigem Schnee belegt war, in dem die Kanten meiner Bergschuhe und meine Stöcke mir gute Dienste leisteten. Aber schon war ich wider auf den Serpentinen und spazierte dem Hospice de France entgegen. Am Auto angekommen entledigte ich mich dem Gepäck und freute mich über die Flasche Limo, die ich im Auto gelassen hatte
.

Die vereiste Kletterstelle, die mir die Tour gekillt hat - aber immerhin nicht mich
. Wenn man vergrößert, kann man unten links den von mir erwähnten Wanderer erkennen, der versucht, seinen Kollegen hoch zu helfen.

Der Tuc de Molières in den Wolken. "Du kummscht hier net rauf!"

Zurück am Hospice de France.
Epilog
Von vorherigen Trekking-Urlauben hatte ich gelernt, dass ein bisschen Entspannung nach solchen Touren bestimmt ganz schön wäre. Also hatte ich schon von Anfang an geplant, noch ein paar Tage am Strand zu verbringen - nun würden es nach dem Tour-Abbruch eben ein paar mehr werden
. Da ich keine Lust auf Mehrbettzimmer im Hospice de France hatte, fuhr ich nach Luchon und mietete mich dort in ein uriges, günstiges Hotel ein, das La Villa d'Alti, ein ehemaliges Kloster.
Nachdem klar war, dass das Wetter am Mittelmeer besser sein würde als am Atlantik, buchte ich noch am selben Abend über AirBnB eine kleine Ferienwohnung in Torreilles und verbrachte fünf schöne Tage am Strand, bevor es zurück nach Toulouse ging und von dort zurück nach Hause, wo ich gut erholt, gebräunt und um viele schöne Erfahrungen und Fotos reicher ankam.
Insgesamt bin ich mit dem Urlaub hochzufrieden - auch mit meiner Entscheidung, umzudrehen. Es war das Risiko einfach nicht wert. Vielleicht werde ich irgendwann mal genug Erfahrung haben, dass ich in so einer Situation dann - ja, was eigentlich, liebe Bergsteigerprofis - mache, und das dann meistere.

Auf dem Weg zum Strand.

Der gemütliche, ruhige Strand von Torreilles
.

Urlaub vorbei.
Als nächstes werde ich vielleicht noch meine Packliste posten und ein paar Kommentare zu dieser oder jener Ausrüstung beisteuern.
Tour 1, Gavarnie:
Col de Tentes - Breche Roland - Refugio de Góritz - Col de Tentes
Tour 2, Maladeta:
Hospice de France - Refugio de La Renclusa - Refugi Conangles - Refugio de Corones - Camping Los Banes - Hospice de France
Anreise
Einige Wochen später: Ab in den Zug - Frankfurt Flughafen - Ryanair - Toulouse - Mietwagen.
Gemütlich cruiste ich auf der Autobahn richtung Gavarnie, später im Dunkelwerden auf den gewundenen Gebirgsstraßen bis zu meinem Ziel.
Im Ort angekommen, steuerte ich den Campingplatz an, der aber schon geschlossen hatte. Dramatische Verbotsschilder an dessen Tor ließen mich von meinem ursprünglichen Plan Abstand nehmen, einfach mein Zelt aufzustellen und erst am nächsten Morgen zu bezahlen, weil ich befürchtete, sonst im Morgengrauen mit vorgehaltener Schrotflinte aus dem Zelt geholt zu werden

Also fuhr ich zurück in den Ort, fand einen Parkplatz für Wohnmobile und bezahlte einen Parkschein für 5€/24h. Ich richtete mich in meinem Kleinwagen ein und verbrachte eine unruhige Nacht auf dem nach hinten geklappten Beifahrersitz

Tag 1, Gavarnie
Als der Wecker um 07.00 Uhr klingelte, war es noch vollkommen dunkel draußen und ich blieb noch etwas liegen. Als es schließlich hell wurde, hatte ich aus dem Autofenster einen spektakulären Ausblick auf den Cirque de Gavarnie, der aber wenig später in der Nebelsuppe verschwand, die der Wetterbericht für den Tag vorausgesagt hat.
Ich schälte mich aus dem Schlafsack und lief zur öffentlichen Toilette unter dem nahegelegenen Office de Tourisme, danach ab in den Ort. Gleich beim ersten Gemischtwarenladen erspähte ich eine einzelne 440g Schraubkartusche hinter der Kasse, die ich erleichtert sofort kaufte - Futter für den Soto Windmaster. Hätten wir das schon mal geregelt! Später fand ich in einem gerade öffnenden Touri-Bergsportladen noch Kartuschen in allen Größen und Varianten, erstand dort eine 100g-Kartusche und ärgerte mich, dass ich vorher so schnell zugegriffen hatte

Nachdem ich mich also für die Tour eingedeckt und alles ins Auto gepackt hatte, fuhr ich die Serpentinen zum Col de Tentes hoch, der der Ausgangspunkt für meine Tour sein sollte. War es im Tal noch einfach nur ein bisschen bewölkt, kam ich nun mit zunehmender Höhe in eine immer dichter werdende Nebelsuppe. Weiter oben setzte auch noch dichter Nieselregen ein und mir wurde klar - das wird heute nix mehr

Oben angekommen standen ein paar Autos, eine Gruppe Hartgesottener stapfte gerade in den Nebel. Ich stieg aus. Das Wetter war wirklich eklig, kalt und nass und soll es laut Wetterbericht auch den ganzen Tag bleiben. Für die kommenden Tage war dagegen gutes Wetter angesagt. Die Entscheidung stand: Die Tour wird um einen Tag verschoben, dafür abgekürzt. Immerhin wusste ich jetzt, dass man oben am Parkplatz nicht bezahlen muss, das Auto also problemlos ein paar Tage stehen lassen kann.
Ich schlängelte mich die Straße wieder hinunter, fuhr teilweise Slalom zwischen Kühen und Schafen. Nach dem Mistwetter oben war es in Gavarnie angenehm warm und trocken. Ich fuhr zum Campingplatz, richtete mich ein und spazierte einfach mal drauf los, richtung Cirque de Gavarnie. Nach einem schönen Spaziergang kam ich schließlich am Aussichtspunkt Hôtel du Cirque an, von wo aus man die gewaltigen Felswände des Cirque sehen kann, die aber oben im Nebel verschwanden

Nun klarte das Wetter auf, nach und nach schälte sich das großartige Panorama aus den Wolken und ich konnte die 3000er bewundern


Zurück auf dem Camping lernte ich ein paar Deutsche kennen, darunter einen jungen Ultraleicht-Wanderer, dessen Cuben-Tarp nicht weit von meinem Zelt stand. Wir kamen ins Gespräch, mampften unsere Nudeln und ließen den Tag so ausklingen. Die Nacht im Zelt war eine Wohltat nach dem unbequemen Autositz.

Alle Bilder durch zweifaches Klicken vergrößerbar!

Cirque de Gavarnie
Tag 2, Col de Tentes - Taillon - Brèche Roland
Nachdem auf dem Camping alles zusammengepackt war, fuhr ich wieder hinauf zum Col de Tentes. Wieder hinein in den Nebel, die Kälte und den Nieselregen, wie ich einigermaßen genervt feststellte

Ich hängte mich an eine Gruppe junger Franzosen, erst einmal ging es endlos über eine flache asphaltierte Straße. Schilder mit Karten und Bildern führten uns vor Augen, was für ein Spitzenpanorama wir verpassten, während wir in den Nebel starrten

Wir stiegen auf einem einfachen, ausgelatschten Gebigspfad immer höher, es wurde kälter, der Nieselregen wurde immer dichter. Die Franzosen zogen vorbei, als ich mir meine Regenhose anzog, um nicht völlig durchnässt zu werden.
Eine Stunde später. Dick eingepackt stapfte ich allein durch Nebel, Kälte und den Regen. Spaß ist anders. Immer mal wieder checkte ich das GPS. Als es galt, einen Gebirgsbach zu überqueren, sah ich auf der anderen Seite ein Pärchen, das wohl gerade Pause machte und mir wild gestikulierte, dass ich mitten in der kleinen Schlucht aufsteigen soll, die der Bach in den Fels gefressen hat, wo auch große rote Pfeile aufgemalt waren. Gleichzeitig war aber direkt auf der anderen Seite des Baches ein Steinmännchen. Ein Vorgeschmack auf die verwirrenden Wegmarkierungen, die mich auf dieser Tour noch des öfteren irritieren sollten.
Ich entschied mich, direkt durch den Bach zum Steinmännchen zu balancieren und zu klettern - etwas anspruchsvoll, aber kurz und direkt. Als ich drüben war, erntete ich dafür einen Daumen hoch. Das Pärchen hatte nur Tagesgepäck dabei, legte Tempo vor und war schnell wieder im Nebel verschwunden. Ich stapfte weiter.
Schließlich tauchten die Konturen des sich im Umbau befindlichen, geschlossenen Refuge de la Brèche Roland im Dunst auf. Bei so einem Wetter im Gebirge an einer menschenleeren, mit Zäunen abgeschirmten Baustelle vorbeizukommen, hat etwas surreales. War das Gelände bis hierher ein gut zu erkennender Weg, mündete dieser nun in weglosen Fels und einen Schutthang. Das Wetter klarte nun etwas auf, die Sicht wurde besser.
Etwas weiter vor mir erkannte ich das Pärchen von vorher, aus dem Fels rechts stieg die Gruppe der Franzosen ab, die sich wohl total verfranzt hatte

Wir kamen fast gleichzeitig oben an, an einer flachen, großflächigen Felsformation. Nun ging es wieder etwas nach unten, wo ein topfebenes Schneefeld auf uns wartete, danach Kraxelei im Fels. Schließlich tauchten die Umrisse der Brèche vor uns auf. Während der letzten Schritte setzte ein kalter Wind ein, der durch die Felslücke pfiff und dort bizarre Eisformationen geformt hatte. Aber endlich waren wir oben!

Der erste Blick auf die spanische Seite - tatsächlich besseres Wetter, wenn auch noch etwas bewölkt. Aber schon wurden die Wolken immer dünner, verzogen sich schnell ganz und die Sonne zeigte sich! Endlich, was für eine Wohltat


Ich suchte mir einen besseren Platz und konnte endlich Pause machen, mich dank Sonnenschein der Schlechtwetter-Klamotten entledigen und mich darüber freuen, den ersten Teil der Tour geschafft zu haben.
Aber da kam ja noch was - der Taillon, der mein erster 3000er werden sollte. Also los! Dicht an der Felswand arbeitete ich mich vorwärts. Hier sind auch einige Höhlen und Einbuchtungen im Fels, in einer davon wurde gerade ein Zelt zusammengepackt. Immer mal wieder klatschten dicke Tropfen von weit über mir über den Fels schießenden Mini-Wasserfällen auf den Sonnenhut, den ich mir inzwischen aufgesetzt hatte. Das war jetzt Genusswandern pur

Die erste Schlüsselstelle kam an einer imposanten Felsnadel, le Doight genannt. Hier muss man auf der franzöischen Seite vorbei, die im Schatten lag und völlig vereist war. Einen steilen Abhang unter mir, balancierte ich konzentriert über die Passage . Nun ging es auch schon wieder etwas steiler hoch, über einen technisch kinderleichten, gut sichtbaren Weg im Schutt stieg ich weiter auf. Inzwischen war ich ganz schön platt, der Rucksack fühlte sich an, als ob ein Anker dran befestigt wäre. Sechs Schritte hoch, drei Sekunden Pause. Bis ich schließlich auf dem flachen Gipfel des Taillon stand. Mein erster 3000er!

Mit einem Deutschen und seinem französischen Kumpel, die ich oben getroffen hatte, stiegen wir zusammen ab. Gemeinsam meisterten wir wieder die vereiste Stelle an der Felsnadel. Die beiden gingen zurück zum Col de Tentes, ich verabschiedete mich. Eigentlich sollte mein Weg hinunter jetzt auch hier irgendwo beginnen - aber unter mir nur steile Schuttfelder, kein Weg weit und breit. Ich lief immer weiter richtung der Brèche, aber da war nichts

Ich warf nochmal einen Blick auf den kleinen See, dessen Ufer ich als mein Nachtlager erkoren hatte, dann einen weiteren Blick nach unten, damit da auch ja niemand steht und begann, im Schutt abzufahren. War das ein Spaß

Da ich das Zelt erst um 19.00Uhr aufbauen durfte, schnappte ich mir den Sawyer und ging zum Zulauf des Sees, um Wasser zu filtern. Ich lernte schnell, dass wasserdichte Goretex-Handschuhe ein echtes Gottesgeschenk sind, wenn man eiskaltes Gebirgswasser mit einem Squeeze-Filter filtern will!
Erst hörte ich ihn nur - dann sah ich ihn, den Polizei-Hubschrauber, der am Morgen in Gavarnie noch auf seinem Helipad gestanden hatte. Er drehte in relativ niedriger Höhe eine Runde über den ganzen Gebirgszug, irgendwann hörte ich ihn nur noch von weitem. Plötzlich kam er wieder und landete auf dem Gipfel des Taillon - dann verschwand er. Was er da wohl gemacht hatte? Jedenfalls wartete ich nach dieser unerwarteten Beobachtung brav bis Punkt 19.00 Uhr, bis ich mein Zelt aufstellte.
Zumal ich auch Stimmen aus Richtung der Brèche hörte, was aber bestimmt nur der Wind war. Glaubte ich zumindest, bis ich tatsächlich mit zusammengekniffenen Augen Gestalten in Schwarz erkennen konnte, die in einer der zuvor erwähnten Felseinbuchtungen rumturnten. Zelt aufstellen, kochen, Schlafsack, Aussicht genießen - und gute Nacht. Was für ein Tag


Scheißwetter am Col de Tentes

Das letzte Stück zur Brèche Roland

Eisige Aussichten

Endlich gutes Wetter. Ja, das bin ich



Der Weg zu meinem Schlafplatz

Nicht der schlechteste Platz zum zelten
Tag 3, Brèche Roland - Ordesa Canyon - Refugio de Góritz
Im Morgengrauen stand ich auf - zu dieser Zeit in so einer Landschaft zu stehen und zu wissen: "Noch für ein paar Stunden gehört das hier alles mir!", das ist schon etwas ganz besonderes

Ich packte zusammen und machte den Schlachtplan für den Tag: Tags zuvor war ich nicht so weit gekommen, wie ich eigentlich hatte kommen wollen - da hatte ich mich beim Planen etwas übernommen. Heute wollte ich mir den Ordesa Canyon anschauen und ein Blick auf die Karte zeigte: Ich müsste nicht am Ende einsteigen, sondern könnte das auch an einer Stelle in der Mitte, dem Circo de la Cotatuero. Diesen könnte ich erreichen, wenn ich von meiner Position aus zum Weg richtung Humedal de Millaris queren würde.
Den Aufstieg zur Brèche, wo dieser Weg eigentlich beginnen sollte, wollte ich mir mal schön sparen. Das Gelände sah danach aus, als ob man da auch ohne Weg vorwärts kommen könnte - aber das war ein ganz schönes Stück! Zwei Sorgen hatte ich: 1. Niemand würde wissen, dass ich da unterwegs bin und niemand würde da zufällig vorbeikommen. Wenn was passieren würde, säße ich in der Patsche. 2. Wenn ich irgendwann vor einer Felsstufe stehen würde, die nicht kletterbar ist, müsste ich alles wieder zurück.
Nach etwas hin- und herüberlegen, machte ich mich auf den Weg ins Felsenlabyrinth. Aber ich kam ganz gut voran, immer Ausschau haltend nach dem besten Weg. Immer mal wieder musste ich auch etwas balancieren oder klettern, aber nichts Wildes. Irgendwann konnte ich den Weg schon sehen, in dessen Richtung ich mich vorarbeitete. Nur noch rund 200m Luftlinie davon entfernt passierte es: Eine Felsstufe abwärts, ungefähr 20m hoch. Nirgendwo ein Weg, diese zu umgehen und mir war klar: Entweder, ich kletter da jetzt mitsamt meinem schweren Rucksack runter oder ich muss umdrehen

Letztendlich packte ich die Stöcke weg, drehte mich mit dem Gesicht zum Fels und begann hochkonzentriert mit der Kletterei. Immer wieder zu einfacheren Stellen querend kam ich langsam voran, die Schlüsselstelle war dann nur noch 5m über dem Boden. Hier machte sich meine Erfahrung als Sportkletterer und die Climbing-Zone meines Schuhwerks voll bezahlt. Sehr erleichtert und einigermaßen unschlüssig, ob ich nicht gerade eine riesengroße Leichtsinns-Eselei begangen hatte, stand ich schließlich unten. Von nun an sollte es einfacher werden - dachte ich.
Statt dessen führten mich die Steinmännchen hinein in ein Gelände, das sich am besten als riesengroßes Reibeisen beschreiben lässt: Massiver Fels, in den das Wasser so viele kleine Kanäle geschnitten hat, dass einem der verbleibende Fels wie Rasierklingen entgegen steht. Jeder Sturz hier wäre gar nicht gut ausgegangen! Teilweise wurde das so vogelwild, dass ich daran zweifelte, ob ich überhaupt noch auf dem Weg bin - aber Steinmännchen und GPS ließen da keinen Zweifel.
Konzentriert arbeitete ich mich abwärts, erreichte schließlich das Humedal de Millaris und überquerte es. Der auf der Karte mit "T4" ausgeschriebene Weg auf das nächste Plateau weiter unten stellte sich als Kletterei durch annähernd senkrechten Fels heraus - ich verzichtete dankend, nahm die Umgehung westwärts und stand bald darauf auf einer beeindruckenden Ebene inmitten der Berge. Nach einer kleinen Mittagspause (inzwischen brannte die Sonne vom Himmel), ging ich über die nächste Felsstufe und stand mitten drin im beeindruckenden Panorama des Ordesa Canyons, genauer gesagt des Circo de la Cotatuero

Nun galt es, nach Osten zu queren, um auf das Massiv um den Tobacor zu kommen. Laut Karte hätte ich ein ganzes Stück ab- und dann wieder aufsteigen müssen. Ich folgte statt dessen einem nirgends eingezeichneten Trampelpfad, der innerhalb des Kessels fast auf gleicher Höhe blieb und um diesen herumführt. Länger, aber trotzdem angenehmer. Der Anstieg in Richtung des Weges, der schließlich oben am Canyon-Rand entlang führen sollte, war dann nochmal eine richtige Plackerei durch instabiles Gestein. Aber dann war ich endlich oben. Hier führte erst ein milde ansteigender, ausgelatschter Weg, später schmale Pfade um den Tobacor herum, zur rechten Seite stets das atemberaubende Panorama in den gewaltigen Canyon. Ein Genuss, bei wolkenlosem Himmel und Sonnenschein

Dann eine kuriose Passage: Auf der Karte im Handy sollte dieser Weg ungefähr 3km vom Refugio de Góritz entfernt einfach in einer Sackgasse enden, meine Papierkarte zeigte hingegen einen durchgehenden Weg. Da das Gelände laut Karte nicht besonders steil sein sollte, vertraute ich darauf, dass das schon klappen würde. Schließlich kam ich an die Stelle, wo der Weg enden sollte. Kein Problem, der ging weiter, verlor sich aber später im weglosen Gelände, in dem man ihn höchstens noch als Schatten im Gras oder Spur im Schutt erahnen konnte.
Als ich weit genug um den Berg herum gelaufen war, konnte ich schließlich die Hütte sehen - und noch etwas: Ein zerklüftetes, wegloses Gelände, ein Labyrinth voller Felsstufen, gekrönt von einer tiefen, engen Schlucht zwischen mir und dem Refugio de Góritz - alles nicht auf meinen Karten eingezeichnet. Naaaaaa super

Die war aber leider voll belegt, aber ich hatte ja mein Zelt dabei. Ausgestattet mit reichlich gekühlten Dosen, die ich drinnen gekauft hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem Zeltplatz, legte mich in die Sonne und schlürfte genüsslich meine Getränke. An der Hütte selbst war High-Life, ich hatte nicht damit gerechnet, dass im September da noch so viel Betrieb ist - aber gut, es ist eben eine GR11-Hütte, nur rund 300hm von einem Parkplatz entfernt.
Als die Sonne schließlich unterging, wurde es draußen ruhiger und ich beschloss, die außenliegenden Sanitäranlagen aufzusuchen. Die waren aber so eng, dreckig und eklig, mit Leuten überfüllt und dabei nicht mal abschließbar, dass ich die "Außentoilette" vom Vortag liebend gerne vorgezogen hätte.

Egal, trotzdem ein Super-Tag


Meine Abkürzung durch wegloses Gelände - da gehts runter!

Die Ebene unterhalb des Humedal de Millaris.

Blick in den Ordesa Canyon, Circo de la Cotatuero.

Der Weg den Tobacor umrundend. Was für eine Aussicht!

Endlich am Refugio de Góritz, hinter der Hütte das labyrintartige, weglose Gelände.
Tag 4, Refugio de Góritz - Col de Tentes
Noch vor dem Morgengrauen stand ich auf und war beim ersten Licht des Tages bereit zum Loslaufen. Eine ganze Menge anderer Leute hatte die selbe Idee gehabt, aber zum Glück gabelt sich der Weg direkt bei der Hütte schon in unterschiedliche Touren. Ich hatte die Wahl: A) Erst die Höhenmeter machen, dann auf immer ungefähr gleicher Höhe und anspruchsvollem Weg richtung Brèche Roland oder B) auf einem einfacheren Weg in die selbe Richtung mit einem knackigen Anstieg zur Brèche. Da ich eine recht weite Wegstrecke vor mir hatte, noch zu Öffnungszeiten des Campings wieder in Gavarnie sein wollte und vom Vortag wusste, wie langsam ich unter Umständen in dem schwierigen Gelände vorankommen würde, wählte ich Variante B.
Mit einem kleinen Grüppchen, das ich schnell überholt hatte, gings los. Bald kraxelte ich in abschüssigem Gelände am Fuße einer Felswand entlang, mal in der Wand selbst. Hier hatten mich die Steinmännchen anfangs hingeführt, bevor es keine mehr gegeben hatte

Nervös machte mich nur, dass selbst auf dem Kilometer, den ich auf meinen zurückgelegten Weg schauen konnte, keine Menschenseele zu sehen war

Nun folgte ein langer, sanft ansteigender Weg, an dessen Ende man die Brèche schon in der Entfernung sehen konnte. Ab hier wurde es wieder sehr kraxelig, teilweise auch ein bisschen ausgesetzt. An dieser Stelle wurde ich von einem dynamischen Pärchen mit Tagesgepäck überholt, das an mit vorbei zog. Das Gelände wurde zusehends unübersichtlicher, wieder mal ein verblocktes Felsenlabyrinth, aber gut mit Steinmännchen markiert.
Und dann kam - von jetzt auf gleich - der Nebel

Von nun an musste ich die Markierungen richtig suchen, mehrmals musste ich zurück zum vorigen und einen anderen Weg probieren. Ein paar mal zweifelte ich, auf dem richtigen Weg zu sein, nur um dann erleichtert wieder einen Steinhaufen zu finden. Schließlich stand ich am Fuße einer Felswand, es ging über ein paar Felsen nach unten in ein sausteiles Geröllfeld. Und da stand auch wieder das Pärchen, das vorher meilenweit vor mir gewesen sein musste und sich wohl im Nebel total verlaufen hatte

Ein Blick ins Gesicht des Mannes ließen da nicht mehr viel Interpretationsspielraum, der hatte schon was panisches in den Augen. Da die beiden kein Englisch sprachen, erklärte ich ihm mit Händen und Füßen, dass wir jetzt wohl tatsächlich da runter in das Geröllfeld müssten. Er dachte, dass er zurück und nach oben über die Felswand muss, worauf ich ihm versuchte begreiflich zu machen, dass da in der Papierkarte eine mit Ketten gesicherte und deshalb bei dem Wetter wohl gefährliche Stelle eingezeichnet sei.
Wir gingen dann ins Geröllfeld. Ein Schritt vorwärts bedeutete ein halben Meter runter rutschen. Aber wir arbeiteten uns voran. Nun begann es auch aufzuklaren - ein Weg wurde sichtbar, den wir nahmen. Weit vor uns tauchte die Brèche im Nebel auf, hinter uns wurde die Passage über der Felsstufe sichtbar - abschüssiger, rutschig glänzender Fels und eine schlapp dahängende rostige Kette. Ich war froh, dass wir untenrum gegangen waren

Mal wieder Nebel auf der französischen Seite, durchziehende Wolken, die immer wieder aufklarten und zuzogen. Schnell war ich wieder beim Refuge de la Brèche Roland, diesmal geschäftiges Treiben auf der Baustelle. Bald kam ich auch wieder an den Gebirgsbach. Dicke rote Pfeile zeigten mitten in dessen Schlucht, dicke rote "Durchgang verboten!"-Markierungen überall außenherum. Na gut, dachte ich mir, dann mach ich das halt diesmal.
Erst konnte man sich noch durch die Schlucht quetschen, ohne mitten im Bach zu stehen, aber plötzlich fand ich mich inmitten des Wasserlaufs wieder, der rund um mich herum toste, während ich zunehmend halsbrecherisch auf glitschigen, nassen Felsen herumturne



Irgendwann tauchte der Parkplatz dann im Nebel auf, mein Auto war noch da. Ich schmiss alles in den Kofferraum, drehte die Heizung voll auf und fuhr nach Gavarnie auf den Campingplatz, wo ich erst mal eine schöne, lange, heiße Dusche nahm und dann im Ort essen ging


Ist hier der Weg? Ich glaub schon


Am Ende des einfachen Weges, gleich wirds kraxelig.

Kurz vor der Brèche ein Blick zurück, als das Wetter aufklart. Im dichten Nebel war der Weg hier hoch gar nicht so leicht zu finden.

Das Refugio de la Brèche Roland kurz bevor alles wieder von Wolken eingenebelt wurde.
Hier nun die Fortsetzung - Tour 2
Weiterreise:
Am nächsten Tag schlief ich schön aus, machte mich gemütlich fertig und fuhr dann über Toulouse und Luchon zum Hospice de France, einer Mischung aus Ausflugsrestaurant, Hotel und Hütte. Für 20€ bekam ich ein Platz in einem Vierbettzimmer, das ich mir mit drei Belgiern teilte, mit denen ich auch für weitere 21€ zu Abend aß - Salat gefolgt von einer Mini-Portion mittelmäßigen Kartoffelgratins gefolgt von einer mittelmäßigen Käseplatte gefolgt von Banane mit Schlagsahne. Für 21€

Naja, das wichtige war: Auch dieser Parkplatz war wieder kostenlos. Blöd war allerdings, dass zu zwei vollbelegten Vier-Bett-Zimmern ein einziges Badezimmer gehörte, um das sich am nächsten Morgen also acht Leute schlagen würden. Grimmig entschlossen stellte ich den Wecker auf 05:45 Uhr.

Der Schankraum des Hospice de France - der Esel hat seinen Arsch natürlich mitten in meiner Aussicht geparkt

Tag 1, Hospice de France - Refugio de La Renclusa - Humedal de la Valleta de la Escaleta:
Nachdem mein Plan mit dem Bad voll aufgegangen war, stand ich also wieder einmal beim ersten Licht des Tages parat. Der Blick auf die sich vor mir auftürmenden Berge war schon einschüchternd, zumal ich aus der Karte wusste, dass hinter der Kante dort weit, weit oben weitere Anstiege auf mich warten würden. Also los.
Passend zu dem Ausflugslokal war das erste Stück Weg auch eher ein Spaziergang, bevor er in Serpentinen überging und langsam zum Bergpfad wurde. Keine Ahnung, ob es der Trainingseffekt der vergangenen Tour war, der Ruhetag, die Serpentinen oder ob der Koch was ins Kartoffelgratin gemischt hatte, aber ich flog die Höhenmeter ohne jede Anstrengung nur so hoch

Weiter ging es durch eine beeindruckende Berglandschaft dem Puerto de Benasque genannten Durchgang zwischen den Gipfeln entgegen. Als ich oben ankam und meinen Blick auf die spanische Seite warf, stockte mir fast der Atem, so unwirklich schön war die Aussicht, die ich während einer ausgedehnten Pause weiter genoss

Dann stieg ich ab, erst durch Gebirgspfade im Schnee, später bei sommerlichen Temperaturen durch zunehmend spazierweghafte Serpentinen. Unten befindet sich ein großer, stark frequentierter Parkplatz und beim Aufstieg richtung Refugio de La Renclusa war ich mitten drin in der Spazier-Touri-Meute

Aber ich fühlte mich noch topfit und wusste, dass am nächsten Tag mit der Überschreitung des Tuc de Molières ein echter Brocken auf mich wartete, also konsultierte ich die Karte und fand tatsächlich einen guten Zeltplatz auf dem Weg, den ich eigentlich erst am nächsten Tag gehen sollte. Der lag auch über 2000m, was laut der Rangerin, die auf dem Parkplatz Plätze zugewiesen hatte, Voraussetzung sei, um zelten zu dürfen. Also nahm ich eine Abzweigung richtung Osten, ließ die Hütte links liegen und lief weiter.
Wenig später stand ich auf einer riesigen Ebene, der Plan d'Aigualluts, auf der sich ca. 100 Spaziergänger verteilten. Nachdem ich diese überquert hatte und es jetzt dann doch wieder etwas in die Felsen hinein ging, traf ich auf mehrere große Bergwanderergruppen, die wohl in Richtung der Hütte unterwegs waren. So ging das eine ganze Weile, die Leute wurden immer weniger, bis mir ziemlich weit draußen noch ein einzelner, verwirrt wirkender Wanderer entgegen kam - dann hatte ich die Berge für mich alleine

Ich legte den Rucksack ab und suchte einen guten Zeltplatz, möglichst geschützt vor dem scharfen Wind, der inzwischen wehte. War das Wetter zuvor noch sommerlich gewesen, war es nun bewölkt und wurde kühler. Nirgends ein für die Windrichtung guter Platz, aber schließlich fand ich doch eine Mulde recht nah an einem Wasserlauf. Ich schaute auf die Uhr - viel zu früh, um jetzt schon das Zelt aufzubauen, wenn man nach der 19.00-Uhr-Regel ginge.
Aber eine innere Stimme sagte mir "Bau das Zelt auf, JETZT!" - und das tat ich dann auch. Das Innenzelt stand gerade, als es von jetzt auf gleich ohne jede Vorankündigung anfing zu graupeln - und wie

Als der Niederschlag schwächer wurde, schlüpfte ich schnell nach draußen, um ein paar Fotos zu schießen und musste fast lachen, wie komisch das aussah: Die grüne Wiese von den Graupelkörnern ganz unbeeindruckt und mittendrin mein Zelt mit einem seltsamen Drogenproblem

Ich richtete mich also im Zelt ein, Matte aufblasen, rein in den Schlafsack und so weiter. Zur Feier des Tages gabs Real Turmat Bolognese, was aber entäuschenderweise nur eine überwürzte Pampe war. Naaaja ... Frisch gestärkt und mit dem Geräusch des auf die Zeltplane prasselnden Graupels im Ohr schlief ich ein.
Zwei Stunden später, gegen 18:30 Uhr, wachte ich wieder auf und das Zelt war zwischenzeitlich irgendwie kleiner geworden

Das erste mal zelten im Schnee für mich

Sagte ich eben "Gute Nacht"


Erleichtert stellte ich fest, dass in kurzen Abständen pappige Schneebrocken an der Außenzeltplane herunter rutschten und dabei untier-artige Geräusche machten. Puh - nochmal mit dem Leben davon gekommen


Um ein paar Stunden später wieder aufzuwachen


Da gehts hoch - und noch höher! Allein dieser Anstieg waren schon mal 1000hm, weitere sollten folgen.

Ein Blick zurück, unten das Hospice de France.

Puerto de Benasque und dahinter:

Gigantisch


Plan d'Aigualluts, ein Spaziergängegebiet nicht weit entfernt vom Refugio de La Renclusa.

Endlich ging es von spazieren wieder leicht ins wandern über. Diese Stelle war übrigens von den vielen Leuten speckig und glatt geschliffen - Rutschgefahr!

Graupel auf 2200m.

Gefolgt von pappigem, nassen Schnee. Mein erstes Mal zelten unter solchen Bedingungen.

Zelt-Life ...
Tag 2, Humedal de la Valleta de la Escaleta - Tja

Wie gerädert wachte ich auf. Zudem bekam ich fast keine Luft mehr, was aber mitnichten an der Daunendecke auf meinem Gesicht lag, die dieses die ganze Nacht schön warm gehalten hatte - nein - im Zelt war es verdammt stickig! Schnell war klar, was passiert war: Der am Außenzelt herabrutschende Schnee hatte dieses zum Boden hin hermetisch abgedichtet, die einzige Öffnung nach draußen war meine DIY-Lüftung, die ich meinem Luxe Firefly SL verpasst hatte und die ungefähr drei mal so groß ist, wie das Original - aber eben auch nur eine einzelne Lüftung.
Folgerichtig war jeder nicht-Mesh-Quadratzentimeter des Innenzeltes dick mit Kondens belegt. Am Außenzelt war der Kondens gefroren und brach in großen Schollen ab, als ich mich aus dem Zelt arbeitete. Der Schlafsack hatte zum Glück nichts abbekommen, auch das Fußteil fühlte sich wieder gut an.
Ich packte unter strahlend blauem Himmel aber im Schatten der Berge zusammen und las mit dem Handy das Bluetooth-Thermometer aus, das im Innenzelt gehangen hatte. Tiefstwert in der Nacht -2°C, also gar nicht mal so kalt. Als alles zusammengepackt war, stiefelte ich los. Zum Glück war der Schnee auf dem Weg nicht richtig liegen geblieben, man konnte den Weg gut erkennen.
Schon nach wenigen Minuten kamen mit zwei Australier entgegen und wir beäugten uns verdutzt, bis sich herausstellte, dass die beiden zwar außer Sichtweite, aber keine 300m von mir entfernt ebenfalls gecampt hatten


Schließlich kam ich an eine Stelle, für die auf der Karte kurz ein erhöhter Schwierigkeitsgrad eingezeichnet war. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Kletterei über rund 20hm felsiges Gelände handelte, das von unten schlecht einsehbar war. Also frisch ans Werk, hoch da!
Und dann sah ich es: Eis

Der ganze Felsen war mit einer wenige Millimeter dicken, spiegelglatten Eisschicht bedeckt. Mir war sofort klar: Das ist gar nicht gut! Beunruhigt suchte ich den Felsen ab, aber wirklich fast überall war Eis, teilweise sogar so gut wie unsichtbar. Gerade die ersten Meter, die eine glatte Platte mit ein paar wenigen Features im Fels war, war spiegelglatt. Darüber das Steinmännchen.
Ich lief vorwärts, rückwärts, seitwärts an dem Fels entlang, überall sonst steiler, glatter Fels, der schon im trockenen Zustand nicht einfach zu klettern gewesen wäre. Unter meinen Füßen der schmale Weg, jenseits davon ging es wohl so 6, 7m runter in die Felsbrocken - stürzen verboten

Also zurück zu der vereisten Platte. Mit zwei, drei Zügen, die eher in eine Boulderhalle gehört hätten, gewaltete ich mich an den vom Eis verschonten Features nach oben. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass es so weiter gehen würde - vereister Fels, den ich in trockenem Zustand wahrscheinlich mit einer Hand auf dem Rücken hätte klettern können, der aber spiegelglatt vom Eis war. Die innere Stimme, die am Vortag prophetische Fähigkeiten bewiesen hatte, meldete sich wieder: "Mach es nicht!". So jemandem widerspricht man nicht ...
Enttäuscht und unter wildem Gefluche stieg ich die paar Meter wieder ab, wobei ich eher runterrutschte als kletterte


Traurig machte ich mich auf den Rückweg. Kurz darauf kam mir eine 3er-Gruppe drahtiger Herren mittleren Alters entgegen, die mich ansprachen. Ich erklärte ihnen, dass ich umgekehrt sei und warnte sie schon mal vor. Ich konnte die Stelle noch eine ganze Weile lang einsehen - der Anführer der drei hatte die erste Kletterstelle, die ich auch hochgestiegen war, schnell gemeistert und versuchte den anderen beiden zu helfen, die sich bestimmt 10min abmühten, aber nicht hoch kamen. Dann konnte ich den Fels nicht mehr sehen. Ich weiß nicht, was die drei gemacht haben, hoffentlich ist da nichts passiert.
Ich jedenfalls stieg weiter ab, an meinem Zeltplatz vorbei, schließlich über die Ebene, schließlich zum Parkplatz - dann wieder hinauf richtung Puerto de Benasque.
Beim Aufstieg konnte ich den Tuc de Molières sehen, den ich an dem Tag eigentlich hätte überschreiten sollen. Beziehungsweise: Ich konnte ihn nicht sehen. In der Kette der Gipfel war exakt dieser in dicke Wolken gehüllt und blieb es auch während meines gesamten Aufstiegs. Es war, wie wenn die Berggötter für genau diesen Gipfel ein "Betreten verboten!"-Schild aufgehängt hätten


Die Schwierigkeit dort oben am Tuc de Molières war auf der Karte ebenfalls als erhöht ausgewiesen gewesen, ich hätte einen Grat überschreiten sollen. Der Nebelsuppe und eventuell dem Eis entkommen zu sein, erzeugte ein laues Glücksgefühl, während ich im strahlenden Sonnenschein dahinwanderte.
Der Abstieg vom Puerto de Benasque war dann wieder etwas kniffelig, da das steile Wegstück dahinter dick mit sulzigem Schnee belegt war, in dem die Kanten meiner Bergschuhe und meine Stöcke mir gute Dienste leisteten. Aber schon war ich wider auf den Serpentinen und spazierte dem Hospice de France entgegen. Am Auto angekommen entledigte ich mich dem Gepäck und freute mich über die Flasche Limo, die ich im Auto gelassen hatte


Die vereiste Kletterstelle, die mir die Tour gekillt hat - aber immerhin nicht mich


Der Tuc de Molières in den Wolken. "Du kummscht hier net rauf!"

Zurück am Hospice de France.
Epilog
Von vorherigen Trekking-Urlauben hatte ich gelernt, dass ein bisschen Entspannung nach solchen Touren bestimmt ganz schön wäre. Also hatte ich schon von Anfang an geplant, noch ein paar Tage am Strand zu verbringen - nun würden es nach dem Tour-Abbruch eben ein paar mehr werden

Nachdem klar war, dass das Wetter am Mittelmeer besser sein würde als am Atlantik, buchte ich noch am selben Abend über AirBnB eine kleine Ferienwohnung in Torreilles und verbrachte fünf schöne Tage am Strand, bevor es zurück nach Toulouse ging und von dort zurück nach Hause, wo ich gut erholt, gebräunt und um viele schöne Erfahrungen und Fotos reicher ankam.
Insgesamt bin ich mit dem Urlaub hochzufrieden - auch mit meiner Entscheidung, umzudrehen. Es war das Risiko einfach nicht wert. Vielleicht werde ich irgendwann mal genug Erfahrung haben, dass ich in so einer Situation dann - ja, was eigentlich, liebe Bergsteigerprofis - mache, und das dann meistere.

Auf dem Weg zum Strand.

Der gemütliche, ruhige Strand von Torreilles



Urlaub vorbei.
Als nächstes werde ich vielleicht noch meine Packliste posten und ein paar Kommentare zu dieser oder jener Ausrüstung beisteuern.
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