[DE] Westweg im Winter: Dobel - Belchen in vier Tagen.

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Rando
    Anfänger im Forum
    • 11.03.2015
    • 45
    • Privat

    • Meine Reisen

    [DE] Westweg im Winter: Dobel - Belchen in vier Tagen.

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Dobel – Brandmatt

    Brandmatt – Brandenkopf

    Brandenkopf – Schonach

    Schonach – Belchen


    Seit einigen Jahren will ich dieses Projekt realisieren: eine Skiwanderung auf dem Westweg des Schwarzwaldes.
    Günstig für eine erfolgreiche Tour sind ausreichend Schnee auch in tieferen Lagen, schönes Wetter, einige freie Tage, eine gute körperliche Verfassung und das richtige Material. Im Februar 2015 sind die Verhältnisse endlich passend.

    Dobel - Brandmatt
    Eigentlich will ich in Pforzheim am Kupferhammer die Ski anschnallen. Leider ist der Schnee hier schon geschmolzen. Ich fahre mit dem Bus nach Dobel. Die richtige Entscheidung. Heute Morgen ist hier oben alles traumhaft schön. Eisiger weißer Schnee, weiße Bäume, blauer Himmel, milde Luft. Meine Backcountry Ski sind etwas schwerer und breiter als normale Langlaufski. Sie haben Stahlkanten. Auch die Stiefel sind robust und relativ schwer. Die Sohlen sind profiliert und eignen sich zum Gehen. Teilweise nutze ich Loipen, wenn diese vorhanden und auch breit genug sind. Die schmalen Tourenski spielen ihre Vorteile im Tiefschnee aus. Denn ab dem Hohlohturm ist der Westweg nicht gespurt oder geräumt. Die steile Abfahrt nach Forbach ist auf den engen Wegen an den sehr steilen bewaldeten Hängen technisch schwierig und erfordert alpines Können. Zumal die Ski mehr als 2 Meter lang sind und die Fersen nicht arretiert werden können. Einige Male muß ich unfreiwillig in den Schnee fassen.
    Nach der kurzen Mittagspause in Forbach wühle ich mich durch den dicken Schnee steil bergauf zur Badener Höhe. Dass ich nur Steigzonen unter den Brettern habe und keine Felle wie sonst bei Tourenski üblich, ist hier ein echter Nachteil. Nach Stunden anstrengender Einsamkeit treffe ich am Hundseck endlich wieder Menschen. Es ist schon dunkel. Ohne GPS-Navigation und Stirnlampe wäre die Orientierung sehr schwierig. Ab Unterstmatt gehts auf einer mir noch unbekannten Abfahrt durch den Wald nach Brandmatt. Ich sehe keinen Weg, keine Spuren. Nur Bruchharsch, der dicht mit schwarzen Nadeln bedeckt ist. Am Waldrand stürze ich über einen Weidezaun aus Draht. Ich überschlage mich. Bin unverletzt. Schüttle mich, fluche wohl auch, mache die Stirnlampe heller und fahre über die Wiesen ab in großen Kurvenradien bis zum Hotel.


    Nachtessen am Kamin

    Brandmatt – Brandenkopf
    Beim Aufstieg sehe ich meine Abfahrtsspuren vom Abend. Zurück auf dem Westweg genieße ich die präparierten Wege bis Ruhestein. Dort nehme ich ein schnelles, kaltes Bier im Stehen. Und weiter bei schönstem Wetter bergauf zum Schliffkopf. Viele Langläufer sind hier unterwegs. Zuflucht, Alexanderschanze. Hier muss ich mich entscheiden. Der Sommerweg ist kaum zu erkennen und hat tiefen weichen Altschnee. Ich komme nur sehr langsam voran. Mein Tagesziel ist der Brandenkopf. Ich entscheide mich für einen größeren Umweg auf präparierten Wegen, um dann wieder auf den Westweg zu stoßen. Aber auch die gespurten Wege sind bald zuende. Zähe Stunden der Einsamkeit. Ursprünglich wollte ich Zelt, Isomatte, Schlafsack und Kocher mitnehmen. Zum Glück bin ich davon abgekommen. Die Bedingungen sind insgesamt recht gut. Es ist nicht zu kalt, es hat keinen Nebel, keinen Sturm. Meine Stirnlampe funktioniert, das Navi auch. Auf der Hark überlege ich, ob ich hier übernachten sollte. Nein, ich will zum Brandenkopf, auf diesen magischen Berg, der mich in seinen Bann zieht. Ich folge alten Trittspuren. Der klare Sternenhimmel glitzert. Irgendwann höre ich ein unsichtbares Windrad rauschen. Oben angekommen, habe ich Glück. Die netten Wirtsleute sind noch da. Sie haben auf mich gewartet und versorgen mich bestens.


    Brandenkopf

    Brandenkopf – Schonach
    Die eisig harte Abfahrt vom Brandenkopf am Morgen ist mit den Stahlkanten gut machbar, heute leider nicht ganz sturzfrei. Auf gefühlt endlosen Umwegen schlängelt sich der Westweg nach Hausach. Ich muss die ganze Zeit spuren. Die Abfahrt zur Kinzig dann wird zum Desaster. Die Schneedecke ist in den tieferen Lagen so dünn, dass ich das Abbremsen bzw. Aufkanten der Ski vermeide. Ich werde immer schneller. Als die Ski schließlich über den groben Schotter kratzen, legt’s mich unsanft hin. Aus dem Tal tönt Guggemusik herüber. Danke. Sehr passend. Trage- und Abfahrpassagen wechseln sich ab. In Hausach sind fröhlich bunte Massen beim Großen Närrischen Umzug unterwegs. Eine Bratwurst im Stehen, dazu ein Becher Glühwein. Und weiter zu Fuß über eisige Altschneereste hoch zur Burg, von dort weiter hinauf zum Farrenberg. Der Westweg ist hier schwierig, die Zeit verrinnt, ich komme nur langsam voran. Die Abfahrten sind heikel, die Schneedecke oft dünn und weich. Es geht von Gipfel zu Gipfel. Felsige, geröllige Wege, oft in dichtem Unterholz oder unter dicken Bäumen auf schwarzem Schnee, der dicht mit Nadeln und Zweigen bedeckt ist. Es wird dunkel. Seit Stunden keinen Menschen mehr gesehen. Der Wald ist schwarz und still. Wenn jetzt meine Stirnlampe versagt. Empfang habe ich keinen. Hier scheint seit Wochen keiner gewesen zu sein. Ich folge den krummen Tierspuren. Verlaufe mich. Kehre um. Irgendwann entdecke ich ein Schild mit dem Zielnamen Schonach. Endlich. Hoffnung keimt. Ich muss keine Schneehöhle graben. Nebel und Kälte machen mir zu schaffen. Nach einer weiteren Stunde eine kleine geräumte Straße. Jetzt kein unnötiges Risiko. Ich schnalle ab und gehe die letzten Kilometer zu Fuß nach Schonach. Dort wird kräftig Fasnet gefeiert. Ein lustig schwankendes Pärchen lobt mein irgendwie originelles Kostüm.

    Schonach - Belchen
    Es sind noch 100 km bis zum Ziel. Fünf Tage vor meinem Start in Dobel bin ich diese Strecke im Rahmen des Rucksacklaufs um den Wäldercup gelaufen. Eigentlich habe ich mir vorgenommen, am vierten Tag zumindest die Hälfte davon noch einmal zu bewältigen. Ohne Hektik oder gar Rennfieber. Andererseits könnte ich sagen, dass ich mein Westwegprojekt Dobel – Belchen innerhalb einer Woche realisiert habe. Statt wie geplant in fünf oder sechs Tagen sind es jetzt nur vier, wenn ich den Renntag dazunehme. An diesem war ich auch mit einem Vier-Kilo-Rucksack unterwegs, an den Füßen freilich deutlich leichtere Ski und Schuhe.


    vierte Tagesetappe

    Fazit: Der Westweg war im diesjährigen schneereichen Winter für mich eine großartige Herausforderung. Die Umstände waren günstig. Es macht Spaß, im Schwarzwald mal eine etwas längere, teilweise durchaus anspruchsvolle Skiwanderung zu unternehmen. Statt mit Backcountry Ski könnte man die Tour auch mit Langlaufski und Schneeschuhen angehen. Bei schlechtem Winterwetter (Sturm, Neuschnee, Nebel, Kälte) wird die Tour möglicherweise deutlich anstrengender. Kürzere Tagesetappen sind empfehlenswert. In der Dunkelheit sollte man auf den Schwarzwaldhöhen im Winter nicht allein bzw. ohne Erfahrung und Ortskenntnisse unterwegs sein.
    Zuletzt geändert von Rando; 19.07.2015, 12:56.
Lädt...
X