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Zu Fuß von Euskirchen nach Bitburg
Dauer/Etappen: 5 Tage
Länge: ca. 150 Kilometer
Datum: Frühherbst 2012
Die Etappenübersicht:
Stotzheim (Euskirchen) - Blankenheim
Blankenheim - Kronenburger See
Kronenburger See - Prüm
Prüm - Waxweiler
Waxweiler - Rittersdorf (Bitburg)
Die Wegeübersicht (in Klammern die Wegnummern des Eifelvereins):
Erste Etappe: Erft-Lieser-Mosel-Weg (3), Jugendherbergs-Verbindungsweg (neu)/E8/Ahr-Venn-Weg (11), Landstraße, Jugendherbergs-Verbindungsweg (alt)
Zweite Etappe: Josef-Schramm-Weg (4)/Eifelsteig, Kylltal-Radweg
Dritte Etappe: Willibrordusweg (5)
Vierte Etappe: Willibrordusweg (5)
Fünfte Etappe: Willibrordusweg (5), Landstraße, Radweg
Selbstverständlich sind das nur Teilstrecken der Hauptwanderwege.

Erste Etappe: Oberhalb Hohn
Von oben nach unten durch die Eifel wandern, also von Norden nach Süden, ist einfach. Den Eifelsteig nehmen, die eine dafür erforderliche aktuelle Karte bestellen, im Netz nach GPS-Daten suchen, zur Erbauung vielleicht noch ein nettes Wanderbuch besorgen und fertig ist das sorgenfreie Wandern in der Eifel. Sorgenfrei wollte ich nicht, denn eigene Wege zusammenstellen ist spannender. Damit war der Eifelsteig raus. Es blieben die Haupt- und Weitwanderwege des Eifelvereins. Die gibt es schon immer, und ich hege die stille Hoffnung, dass der Eifelverein die erhalten wird, obwohl auf denen dem Anschein nach niemand außer mir unterwegs war. Noch eins sprach für die alten Wege: die Karten für einmal drüber über die Eifel standen bei mir im Regal. Es würde sogar für mehr als eine Route reichen.

Maximal sechs Tage hatte man mir gegeben, danach forderte die Familie ihre Rechte ein. Die ganz langen Nord-Südwege des Eifelvereins fielen damit unter den Tisch. Mir hätte der Matthiasweg gefallen. Der macht Aachen - Trier auf 240 Kilometer möglich. Zu viele Kilometer für stressfreies Wandern. Es würde eine selbst gebastelte Strecke werden müssen. Euskirchen am Nordrand der Eifel passte und war mit der Bahn einfach zu erreichen. Bliebe noch das Ziel im Süden. Irgendwo an der Mosel? Nein, zu kurz und auch schon zu oft dort angekommen. Trier? Oh nein! Viel zu oft da gelandet. Echternach? Schon in Luxemburg, hm, das nur wenn es gut läuft. Höchstwahrscheinlich würde es Bitburg werden. Da konnte ich problemlos mit Bus und Bahn verschwinden. Ein in der Eifel nicht zu unterschätzender Punkt, der für das Städtchen mit der großen Brauerei sprach.


Flüchtig hatte ich die betagten, vielfach geklebten Karten sortiert, aus dem Augenwinkel ein Sammelsurium aus möglichen Hauptwanderwegen des Eifelvereins zusammengeschustert, aus einem zwanzig Jahre alten Eifelführer die Kilometer zusammengewürfelt und oh Wunder, es hatte gepasst. Von Euskirchen nach Bitburg passte sogar wunderbar. 150 Kilometer standen auf der Endabrechnung. Ein kurzer Blick auf die Website des Eifelvereins, wegen des Jugendherbergs-Verbindungswegs. Ja, den gab es immer noch. Der hat zwar noch nicht den Sprung zum Hauptwanderweg geschafft, fristet sein Dasein seit eh und je als Regionalwanderweg, aber was soll’s. Nicht übersehen hatte ich den Hinweis auf die Wegänderung zwischen Bad Münstereifel und Blankenheim. Die kannte ich, war ich vor schon Monaten gelaufen. Muss ich mich nicht mit befassen. Damals war ich mit meiner Frau auf dem Europäischen Fernwanderweg E8 unterwegs. Den hatte die Leute von Eifelverein ebenfalls verlegt, gemeinsam mit noch ein paar anderen Wegen. Der Jugendherbergs-Verbindungsweg war auch darunter. Genauer hätte ich hinsehen müssen, auf der wirklich informativen Seite des Eifelvereins, dann wäre mir aufgefallen, dass es mehr als eine kleine Wegänderungen gegeben hatte. Vorteilhaft wäre es gewesen, den GPS-Track aufs Tablet zu laden. Das sollte mit, wegen des Tagebuchs. Das wollte ich endlich einmal versuchen. Schon während der Wanderung Tagebuch schreiben, erschien mir die Lösung fürs faule Aufschieben bis alles vergessen ist.


Das Tablet musste dort bleiben, wo es hingehört, im Wohnzimmer. Die Etappe abends mit gesenktem Blick über dem Display ausklingen zu lassen, wollte mir aller anfänglichen Begeisterung zum Trotz, später nicht mehr gefallen. Warum geht man nochmal raus? Ach ja, Naturerlebnis, Unterwegssein, Gehen um des Gehens willen. Überbordende Technik steht dem entgegen. Die Wanderkarten und die Kamera sollten reichen, die hatten immer gereicht. Sollte ich die Kamera ebenfalls weglassen? Früher ging es auch ohne. Nach Fotomotiven Ausschau halten schärft sicherlich den Blick für die Landschaft, für pittoreske Winkel, andererseits hält das vom Dösen, von Kopfwelten ab. Sollte ich ohne los? So weit war ich noch nicht wieder.


Mit Absagen fing die Wanderung an. Nein, wir müssen arbeiten. Musst halt sehen, wie du zum Bahnhof in Bad Breisig kommst. Das waren dann noch 11 Kilometer zusätzlich für den ersten Tag. Sogar ein kurzes Stück über den Westerwald-Steig und zweihundertvierundachtzig Meter auf dem Rheinsteig, und bis auf die Rheinquerung alles durch den Wald. Den ersten Zug nach Euskirchen hatte ich auf dem Bahnsteig vor mich hindösend verpasst. Einfach durchfahren lassen, ohne zu merken, dass es meiner gewesen wäre. Die Sonne war schuld. Euskirchen selber wollte ich mir nicht antun. Rein in den Zug Richtung Bad Münstereifel. Im Zug war ich froh, Schüler zu sehen, sonst wäre ich mit Mitte Fuffzisch der Jüngste gewesen. Rentner auf dem Weg zu Heinos Torte. Der nächste Halt hinter der Zuckerfabrik war meiner. Stotzheim … ja, am Gleis entlang und dann vergessen. An der Schule hatte ich zwei Reiterinnen auf großen Gäulen getroffen. Mir rutschte der Brauereigaul raus. Oh-je, wie gut, dass in Nordrhein-Westfalen die Pferde Nummernschilder tragen. Bei denen hing am Zaumzeug ein kleines gelbes Schild, das die Frauen bestimmt davon abgehalten hatte, mir die Meinung in kräftigeren Schimpfworten zu geigen. Das Rheinland, wozu ich großzügig die Zülpicher Börde rechne, hat jede Menge davon. Schimpfworte und Frauen, die aus dem Stand zu spotttriefenden Büttenreden vom Pferderücken hinab fähig sind. Den Kopf einziehen, bis der hinter dem Rucksack verschwunden war, und weg.


Zweite Etappe: Zwischen Ahrmühle und Waldorf auf dem Karl-Schramm-Weg
Mittag war es schon, als ich am Wassergraben, oder ist es ein See?, der Hardtburg stand. Das schönste an der Hardtburg war der Hardtwald. Hohe Buchen und Schatten und an den glatten Stämmen der Buchen frisch gemalte Markierungszeichen. Viel schöner als der Hardtwald, war das Herauskommen aus diesem. Weit ging der Blick über die sanften Ausläufer der Nordeifel. Ganz weit rechts hinten konnte ich auf einer Wiese die hellbraune Nadel der Bruder-Klaus-Feldkapelle erkennen, die der Schweizer Architekt Peter Zumthor für einen Großbauern auf die Wiese gestellt hatte. Von da, wo ich grade war, musste man wissen, wo und wonach zu suchen ist, so dünn war im schwammigen Mittagslicht die braune Nadel, die tatsächlich aus grauem Beton ist.
Die ersten Menschen seit Stotzheim hatte ich im Friedwald vor Bad Münstereifel getroffen. Spazieren und sich dabei umsehen, ob man unter diesem oder jenem Baum bestattet werden will, hatte für mich schon etwas Gruseliges.
Bad Münstereifel war wie Bad Münstereifel immer ist. Sicher sehenswert, doch nach unzähligen Besuchen war nur Aldi mein Ziel. Danach war mein Rucksack vier Kilo schwerer. Bis in den Wald oberhalb der Stadt sollte das zu schaffen sein. Oben hatte ich gegrübelt, was ich so früh im Wald, alleine im Zelt anstellen soll, damit die Zeit mich nicht erschlägt. Weiter auf dem Weg bleiben, anderes fiel mir dazu nicht ein. Mal sehen, wie weit ich komme.

Wie angekündigt, war der Jugendherbergs-Verbindungsweg neu markiert und verlegt worden. Die Markierung war so frisch, dass noch keine Fliege auf den weißen Spiegel geschissen hatte. Hinterher. Eine andere Möglichkeit, als der neuen Markierung zu folgen hatte ich nach einer halben Stunde dann auch nicht mehr. Der Eifelverein hatte den Weg so gründlich überarbeitet, dass meine alte Karte nutzlos geworden war. Spätestens am römischen Matronenheiligtum „Heidentempel“ kam mir die neue Wegführung spanisch vor. Wohin sollte die Reise noch gehen? Logisch und für meine Begriffe vernünftig wäre ab dem Tempel eine Wegführung direkt nach Süden. Danach sah an der Straße nach Pesch nicht aus. Wieder sollte ich in ein Seitental abbiegen. Ohne mich. Straßenwandern, darin bin ich Fachmann, ist auch schön, und wenn die Straße, wie die K 34 hoch nach Roderath frisch gefräst ist, hatte man überdies das Gefühl auf steinigem Weg unterwegs zu sein. Eigentlich, nach meinem uralten Eifelführer ist die Etappe von Bad Münstereifel nach Blankenheim nur 19 Kilometer lang. Tage später konnte ich auf auf der Website des Eifelvereins lesen, dass diese nun 32 Kilometer lang geworden ist. Es wird der Tag kommen, an dem ich das Internet ernst nehmen werde.

Oben in Roderath war eine Frau mit dem Wässern ihres Gartens beschäftigt. Ein letztes Mal war es Sommer geworden. Die Frau war eine Matthias-Pilgerin, Mitglied einer Matthiasbruderschaft, die jedes Jahr quer über die Eifel nach Trier zum Grab des Heiligen pilgern. Sie macht das immer noch traditionell: zu Fuß hin, zu Fuß zurück. Ein klein wenig sollte das Pilgern schon noch weh tun. Das Wasser aus ihrem Gartenschlauch war leider ungenießbar. Zu viel Gummi.
Als letzter Gast kam ich in der Jugendherberge Blankenheim an. Platt wie schon lange nicht mehr, war es mir egal, dass ich mein Dachzimmer mit jungen Holländern teilen musste. Entgegen aller Planung, war der Tag trotz Start am Mittag noch 50 Kilometer lang geworden.

Wanderkarten haben wir nicht. Damit zerstob meine Hoffnung, mich an einem Sonntag in Blankenheim mit neuen Karten einzudecken. Da sind sie gelandet, die Jugendherbergen, die aus der Wanderbewegung kommen. Cola-Automat im Keller, aber keine Wanderkarten. Nur noch Ausflugsziele für Familien, Vereine und Schulgruppen. Im Zuge des „neuen Wanderns“ hatte der Eifelverein viele seine Wege überarbeitet. Die alten Karten, mit denen ich so lange unterwegs gewesen bin, die meterweise mit dem breiten, klaren Paketband von Tesa geflickt wurden, hatten nur noch Erinnerungswert. Dass neue Karten her mussten, war nach dem gestrigen in die Irre wandern sonnenklar. Für diesen Tag würde ich noch klar kommen, für die Etappe nach Prüm höchstwahrscheinlich ebenso. Danach war endgültig Schluss.


Dritte Etappe: Beinhaus in Gondenbrett
Über ein Stückchen Eifelsteig in den Sonntag gelaufen. In einer Stunde traf ich mehr Wanderer als auf den 50 Kilometern des Vortags. Die Stille des letzten Tages war dahin. Bei was für ein toller Morgen, wie im Sommer ins Tal hinab, die erste Gruppe überholt und mit oben kommt laut Karte eine Hütte an der anderen Seite wieder hoch und dabei die zweite Gruppe überholt. Schwatzende Naturerlebnisse!
Viel später traf ich auf eine Wanderhorde mitten in der Eifel, am Rand eines weiten, ansteigenden Wiesentals. Im Gänsemarsch hintereinander ins Tal hinab. Stöcke schwangen alle. Ein Pilger! Ein Pilger! Da war er, dieser mit Begeisterung heraus gepresste Zweiwörtersatz. Ich könnt' mal wieder kotzen, und ich tat's dann auch gleich an Ort und Stelle. Verbal kann ich das ziemlich gut, wenn es sein muss, auf Zuruf. Pilger! Pilger! Wie lange noch muss man sich als Wanderer erklären? Jetzt? Ja, jetzt! Ich kotz' dann mal los. Wanderer und so. Eifelwanderwege und so. 100 und mehr Jahre Eifelverein und so. Verdutzt schaute die Nachhut. Jetzt war es deutlich: Das ist auf alle Fälle ein Wanderer! Pilger sind so unfreundlich nicht.

Schon vor Blankenheim hatte das angefangen.Pilgern sie? oder Sind sie auf dem Jakobsweg?, viel zu oft hatte ich das hören müssen. Ob ich den Eifelsteig wandere, nur einmal. Hinter Blankenstein war das gewesen, dort wo es vorbei an den letzten Häusern den Berg hinauf geht. Ein Zimmervermieterin war das, die in mir einen Eifelsteigwanderer zu erkennen glaubte. Nach den anderen Wegen fragt eh kein Mensch. Aber ja, das hatte ich vergessen: in der Nähe meiner gewählten Route führte einer der Jakobswege nach Trier; oft genug auf den Hauptwanderwegen des Eifelverein. Begeisterte Ausrufe ein Wanderer, ein Wanderer hatte ich nie gehört. Sollte ich mir einen Heiligenschein zulegen? Soll ich mir eine Muschel an den Rucksack hängen? Soll ich den Kerkeling verfluchen?


Der Tag endete auf dem Campingplatz am Kronenberger See. Auf der großen Zeltwiese verlor sich mein kleines grünes Zelt. Keiner mehr da, der zelten wollte. Herbst halt. Der Platzbesitzer hatte mir einen neumodischen Magnetchip für die Duschen unter die Nase gehalten. Damit würde haargenau mein Wasserverbrauch berechnet, damit ich nur das zahlen muss, was ich tatsächlich verbrauche. Seine Tonlage ließ mich befürchten, sollte es zu viel Wasser gewesen sein, würde am Morgen danach eine Predigt folgen. Wie würde die Strafe ausfallen? Müsste ich bei der nächsten Wahl ein Kreuz bei den "Grünen" machen? Die Nacht war kalt. Bis zum ersten Herbstfrost würde es nicht mehr lange hin sein.


Die Angst war unbegründet. Am nächsten Morgen stand eine Frau an der Kasse. Wasser hatte ich für 48 Cent verbraucht. Bitte aufrunden hatte ich mir verkniffen. Ereignislos war der Morgen. Viel Wald, viel zu viel. Ich hasse Wald, noch mehr den Fichtenwald. Schon wieder wollte eine neue Markierung dahin leiten, wohin meine Karte nicht wollte. Kurzer Prozess: Straße, die K 108 bis zum „Schwarzen Mann“. Trampelpfad zwei Meter neben der Straße. Tannennadeln, weicher Boden und über die Straße fährt kein Auto. Ich bin genügsam. Mir reichte das. Eins von zwei Häusern an der gottverlassenen Kreuzung „Schwarzer Mann“ stand zum Verkauf. Wer zieht hierhin? Menschenfeinde, Einsamkeitssucher? Die alte Wanderkarte zeigte hier oben Loipen und einen Schlepplift für Rodel. Schneifel, ja sicher, hier muss es ja schneien. Dass die Namensgebung nichts mit Schnee zu tun hat, wissen oft nicht einmal die Einheimischen.


Campingplatz oder Jugendherberge? Jugendherberge! Die Jugendherberge in Prüm war und ist von außen sehr weit weg von der in Blankenheim. Dort rustikale Burg mit ebensolchen Zimmern, hier Neubau mit großzügigen, eher an Hotelkomfort angelehnte helle Zimmer. Der Unterschied war schon gewaltig. In Blankenheim holte man sein Frühstück noch wie seit den Neuanfängen der Nachkriegszeit an der Durchreiche ab, in Prüm reiht man sich wie im Hotel in die Schlange am langen Frühstücksbuffet ein. Eins ist geblieben, und das ist gut so, in beiden Häusern ist es lauter als in jedem Hotel. In Prüm war es lauter als in Blankenheim. Hier wie dort wurden Türen geknallt, dass das Wasser in meiner Plastikflasche Wellen schlug, hier wie dort waren Familien mit Kindern anzutreffen, die ihren unstillbaren Bewegungsdrang keine Bremse zumuten wollten, die vom normalen Gehen für den Augenblick nichts wissen wollten. Der große Unterschied zwischen den beiden Häusern war die Architektur. Das alte Haus hatte Mauern, die alles schluckten, hatte Winkel und enge Gänge, die dem Schall keinen Raum gaben. Das neue Haus in Prüm macht jedem Akustiker Freude. Hier kann er anschaulich demonstrieren, was ein Resonanzkörper ist. Punkt 22 Uhr war es mucksmäuschenstill.


Vierte Etappe: Rommersheim bei Prüm
Im Regen hatte ich gestanden. Geschlagene fünfzehn Minuten in Regenjacke und Regenhose. Der Rucksack stand zu meinen Füßen, eingehüllt in die Regenhülle. Am Morgen war ich den steilen Pfad gemeinsam mit der Muschel des Jakobswegs aus Prüm hinaus gewandert. Der Pilgerweg würde mich den ganzen Tag begleiten. Prüm war eine ergiebige Quelle für neue Wanderkarten des Eifelvereins gewesen, deshalb wusste ich das. In meinen uralten Karten hatte kein Jakobsweg Einzug gehalten. Bei deren Drucklegung hatte sich bestimmt kein Mensch vorstellen könnnen, dass sie in naher Zukunft Muscheln in die Karten des Eifelvereins drucken würden. Verlaufen würde ich mich nun nicht mehr.

Beim Frühstück schon hatte es nach Regen ausgesehen. Oben, nach steilem Anstieg am Waldrand angekommen hatte der Regen eingesetzt. Dicke Bindfäden hatte es ohne Unterlass geregnet. Grade, dass ich die Regenhose noch über den Hintern bekommen hatte, stand ich im Regen und schaute fünfzehn Minuten auf die Straßenunterführung in 20 Meter Entfernung, unter der mein Wanderweg verschwand. Mich dort unterzustellen, auf die Idee war ich nicht gekommen. Fünfzehn Minuten bewegungslos wie ein Ölgötze mit dem Rücken gegen den Wind. Mein Denkvermögen in dieser Viertelstunde entsprach dem eines solchen.


Nach Durchzug des Regens war der Tag dunkel und windig. Das sollte so bleiben. Der Wind war schön, um ein Klischee zu bemühen, damit man ihn sich um die Nase wehen zu lassen. Das Dunkle war weniger schön. Grübelwetter. Die Schönecker Schweiz … darüber möchte ich nichts schreiben. An einem dunklen Tag, durch ein nasses und dunkles Tal wandern, wo an jedem dreißigstem Baum eine Lehr- auch Belehrungstafel hing, an so einem Tag, würde diese Schweiz nicht gut dabei wegkommen. Schönecken … siehe die Schweiz. Noch unterwegs hatte ich mir vorgenommen, diesen Morgen schnell wieder zu vergessen. Wenn die Sonne nicht scheint, der Himmel nicht blau ist, der Wind nur graue Wolken von einem Ende des Himmels zum anderen schiebt, ist eben alles Scheiße.


Vor Waxweiler hatte ich den offiziellen Wanderweg verlassen. Früher wurde der Wanderer geradeaus über eine abfallende Anhöhe bis zur Mariensäule hoch über dem Ort geführt, weite Sicht über die Eifel inklusive, das zum Preis des Straßenwanderns. Alte Markierungschilder hingen noch immer an den Strommasten aus Holz neben der Straße. Straße, hui, gefährlich. Man hatte den Weg geändert. Hinab in ein dunkles mit Fichten verseuchtes Tal und zum Schluss doch wieder hoch, sollte ich. Ohne mich. Die Straße war einsam und schön.
Auf dem Campingplatz in Waxweiler war ich der einzige Gast mit Zelt. Einige Wohnwagen, zwei Wohnmobile hinter Hecken. Was ist so toll am dunklen deutschen Herbst, dass man nicht auf der Stelle das Vorzelt in den Stauraum schmeißt und 1.000 Kilometer nach Süden fährt? Verstehen werde ich das nie. Der Engländer, den ich das fragte, war derselben Meinung. Mit seiner Frau war er auf dem Rückweg aus Sizilien. Seine Frau wollte auf der Stelle wieder zurück auf die Insel. Die Winter in England sollen noch schwermütiger sein, als dieser dunkle Tag in Waxweiler. Ist das überhaupt möglich? So graue Tage in der Schneifel, wo die Westwinde die Regenwolken hintreiben, damit sie sich ausregnen, vorher den Himmel grau, erdrückend niedrig machen, dass man meint, der zieht durchs Gemüt, nimmt die Freude mit, so soll der englische Winter sein? So ist er, bekräftigte mein Gegenüber.
Abends war ich einer der wenigen Gäste in der einzigen Gastwirtschaft, die warmes Essen anbot. Die Standardkarte. Kurzgebratenes und Schnitzel rauf und runter. Pommes oder Bratkartoffeln. Bunter Salatteller. Bitburger Pils. Der Gast am Tisch hinter meinem Rücken wurde sehr freundlich aufgefordert, an einem anderen Tisch Platz zu nehmen. An diesem würde immer das Ehepaar sitzen, jenes das schon seit Jahrzehnten immer hier Urlaub macht. Dem Dialekt nach kamen die beiden aus Köln. Von "Kölle Alaaf" waren die so weit weg, wie die Schneifel von Andalusien.

Fünfte Etappe: Im Prümtal
Echternach war zeitlich nun nicht mehr machbar. Wenn, würde ich mit dem letzten Bus nach Luxemburg Stadt kommen, von da weiter mit dem letzten Zug nach Trier. Terminwandern, danach stand mir nicht der Sinn. Nach Bitburg also. Vom Pilgerweg war ich nun runter. Getroffen hatte ich bis Waxweiler keinen einzigen. Es soll welche geben, bestätigten alle, die ich gestern gefragt hatte. Sicherlich mehr als durchziehende Wanderer auf den Wegen des Eifelvereins.

Der letzte Tag schaute auf der Wanderkarte nach Langweile aus. War er auch. Immer die Prüm entlang. Wald und Tal, Tal und Wald. Klitschnasse Füße nach wenigen Minuten im nassen Gras. Was Menschen dazu bewegt, den Urlaub im Hotel am Stausee Bitburg zu verbringen, wird mir auf ewig unergründlich bleiben. Über einen Radweg hinüber Richtung Bitburg. Auf der Wiese kalbte eine Kuh. Der Bauer war der Meinung, dass meine Anwesenheit seine Kuh zu sehr aufrege. Schade, aber es stimmte wahrscheinlich. Wenn es ein Rindvieh geworden wäre, hätte er es Werner nennen können.
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