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Reisezeit: 15.–17. Juli 2013
Erster Tag: Von Fürstenberg zur Diemitzer Schleuse (24,8 km)
Zweiter Tag: Von der Diemitzer Schleuse über Rheinsberg zum Kalksee (28,8 km)
Dritter Tag: Vom Kalksee nach Neuruppin (17,1 km)
Gesamtstrecke: 70,7 km
Erster Tag: Von Fürstenberg zur Diemitzer Schleuse
Gegen elf Uhr steige ich in Fürstenberg aus dem Zug, kaufe am Bahnhofskiosk noch einen halben Liter Apfelschorle zum baldigen Verzehr und laufe los: links herum, unter der Bahn durch und dann entlang der Straße Richtung Steinförde. Das ist eigentlich unvernünftig. Vernünftig wäre es, dem E10 folgend die Route über den Stechlinsee zu wählen, die sicher angenehmer ist. Aber der Stechlinsee gähnt, wenn er mich sieht, und außerdem will ich unbedingt den Campingplatz an der Diemitzer Schleuse (www.biberferienhof.de) zu späterem Gebrauche testen. Ich muss ihn also heute erreichen, die diesmal getragenen Wanderschuhe sind wieder einmal nicht zuverlässig eingelaufen und die gewählte Route ist die kürzeste.
Der weitere Plan zu diesem Zeitpunkt ist im Übrigen der, dass ich beide Nächte auf dem Zeltplatz bleibe, am zweiten Tag eine Tagestour Richtung Wesenberg unternehme und am dritten Tag von Rheinsberg aus nach Berlin zurückfahre. Diese Planung wird später aus verschiedenen uninteressanten Gründen im obigen Sinne modifiziert, das heißt ich spare mir die Tagestour am zweiten Tag und verlängere stattdessen die Strecke über Rheinsberg nach Neuruppin.
Die Straße von Fürstenberg nach Steinförde ist Teil des Radweges Berlin-Kopenhagen, der hier neulich erst Gegenstand eines anderen Reiseberichts war. Ich kenne den Weg auf diesem Abschnitt, muss mir aber auf dem Asphalt des Radweges bald eingestehen, dass ich hier seinerzeit wohl auch mit dem Rad unterwegs war – zu Fuß ist es etwas öde für den Anfang.
Immerhin erscheinen erste Tiere am Wegesrand:
Der Kiefernwald ist frenetisch ausgeleuchtet:
Ich durchquere die kleine Ortschaft Steinhavelmühle, wo eine über dem Zaun auslüftende Bettdecke im Tigerstreifen-Tarnmuster vor lauter Diskretion unfotografiert bleibt. Stattdessen etwas Sommer am Straßenrand:
Später verlasse ich die Straße und laufe parallel über eine große, kürzlich gemähte Wiese.
In Steinförde (Kilometer 4,5) ist die Gaststätte wegen Ruhetags geschlossen, also gibt es keine Kaffeepausenversuchung.
Der Radfernweg führt weiter nach Großmenow, auf einer Asphaltstraße mit wenig Autoverkehr. Wanderer trifft man hier nicht, dafür einige Radfahrer mit unterschiedlicher Gepäcklast. Meist grüßen sie freundlich.
Hinter Großmenow (Kilometer 7,9) werfe ich einen kurzen Blick auf den Campingplatz am Ellbogensee, der jetzt ziemlich belebt ist. Dann weiter Richtung Strasen.
Mit dem hier aus dem Wald auftauchenden Fernwanderweg E10 kann man nun vom Radfernweg nach rechts abweichen und einen kleinen Umweg laufen. Forststraße statt Asphaltstraße. Es lohnt sich nicht wirklich – habe schon die schönste Stelle fotografiert:
Kurz bevor ich bei Strasen wieder auf die Straße stoße, lasse ich mich in der Sonne an einem schattenlosen Rastplatz zum Mittagessen nieder. Knäckebrot, Salami. Kurz nach 14 Uhr, wie ich der Datierung des Bildes entnehme.
Hier hole ich meine korallenrote Zaubermütze (86 g) hervor. Sie schützt ihren Träger vor dem Sonnenstich, ruft aber, sofern vorschriftsmäßig aufgesetzt, im Gehirn des Beobachters eine geheimnisvolle Wirrnis hervor.
Klick und klack: Setzt man sie ab, ist man wieder Wanderer.
Strasen ist nicht groß; da aber die Freizeitkarte des Landesvermessungsamtes die Straßenführung im Ort wieder einmal mit bunten Markierungen verkleistert, stehe ich dumm herum und frage schließlich den nächstbesten einfahrenden Radtouristen, woher er denn jetzt wohl komme. Daraus hoffe ich folgern zu können, welchen Weg ich selbst nehmen muss. Die Frage scheint ihn zu irritieren – er guckt, als ob ich ihn gefragt hätte: Hey Wessi, wo kommst Du denn jetzt her? Ich bekomme aber trotzdem eine Antwort und ziehe den richtigen Schluss.
Kirche in Strasen
Hinter Strasen laufe ich Richtung Wustrow an der nunmehr mäßig befahrenen Straße entlang.
Nach einer Weile weicht der Rad- und Wanderweg auf einen Parallelweg aus, bevor er nach links ins Feld abknickt und, den Buchsee und den Trünnsee berührend, auf Canow zuläuft. Wustrow lasse ich also rechts liegen und sehe den Ort nur aus der Ferne:
Ebenfalls nur aus der Ferne höre ich das Röhren der Motorräder auf der ›Deutschen Alleenstraße‹, die man als Wanderer wohl lieber meidet. In Canow berühre ich sie noch einmal kurz.
Der E10 verläuft hier anders als auf meiner Karte eingezeichnet.Wie sich später herausstellen wird, ist die Rad- und Wanderkarte des Klemmer-Verlags, die ja ebenfalls sehr touristisch daherkommt, genauer und aktueller. Sie lässt zudem die Hierarchie der Straßen und Wege (mithin deren Ausbauzustand) und den Straßenverlauf in den Ortschaften besser erkennen, weil sie die touristischen Symbole geschickter positioniert. Topographische Karten in einem anspruchsvollen Sinne sind allerdings beide Karten nicht, weder die des Klemmer-Verlags noch die Freizeitkarte des Landesvermessungsamtes.
Am Ufer des Buchsees (Kilometer 17,1) mache ich eine meiner zahlreichen Pausen. Auf dem Tisch des Rastplatzes hat ein Thruhiker sein Glück und seine Sehnsucht verewigt:
Hier begegnet mir auch zum ersten Mal eine Wanderin mit Gepäck.
[Die] Wörter Wandererin, Zaubererin und Fördererin sind nicht gerade leicht zu sprechen; wenn man nicht ganz langsam und deutlich artikuliert, geht die vorletzte Silbe in einem knurrenden Gurgeln unter. Da kann man sie ebenso gut weglassen. Und so hat man’s dann auch getan.
(Quelle: Zwiebelfisch)
Noch in Unkenntnis dieser Regelung und jedenfalls in der Absicht, das knurrende Gurgeln zu vermeiden, sage ich zu ihr: »Sie sind ja der erste Fernwanderer, den ich treffe.«
Sie erzählt mir, dass sie am Vortag in Mirow gestartet ist und wohl irgendwo am Vilzsee ›abseits von Campingplätzen‹ genächtigt hat. Also gar nicht weit von meinem heutigen Etappenziel. Sie erzählt mir auch von Versorgungsmöglichkeiten in Canow. Ich bin inzwischen etwas knülle; das Wasser geht zu Ende und ein Kaffee wäre auch nicht schlecht.
Nächster Rastplatz
Landschaftsausblick kurz vor Canow
Canow (Kilometer 21,3) erreiche ich gegen halb sechs und begebe mich zunächst eingedenk von Pfad-Finders Informationen über die landestypische Begräbniskultur auf den Friedhof, um meine Wasserflasche aufzufüllen. Ein Stoßgebet verwandelt das auslaufende Wasser in Trinkwasser.
Anschließend gehe ich zum Kiosk, lege meine Wanderkarte an der Kasse ab, requiriere im Tausch gegen geprägte Metallstücke einen Kaffee und einen halben Liter Buttermilch und verfüge mich dann auf den schön gelegenen Rastplatz mit Blick auf den Canower See. Die Schaukel auf dem benachbarten Spielplatz hängt leider für Erwachsene etwas zu tief.
Als ich beim Loslaufen die Wanderkarte wieder hervorholen will, ist sie weg. Mir fällt der Kiosk ein. Dort liegt sie tatsächlich noch an der Kasse, bisher unbemerkt. Eigentlich hat ja alles seinen Platz: Hätte man keine Beintaschen an der Hose, würde man den Kopf verlieren.
Blick auf den Labussee (zwischen Canow und Diemitzer Schleuse)
Den restlichen Weg entlang einer Asphaltstraße bis zum Campingplatz an der Diemitzer Schleuse hätte man freilich auch ohne Karte gefunden. Kurz nach halb sieben treffe ich am Campingplatz ein. Ich habe wenig Erfahrung mit Campingplätzen. Dieser gilt als sehr schön, die Zeltwiese ist in der Tat weitläufig, allerdings legt man zwischen der Rezeption (mit Outdoor-Laden), der Zeltwiese und dem Sanitärgebäude weite Wege zurück. Bevor ich mein winziges ›Zelt‹ im hinteren Bereich der Zeltwiese errichte – etwas erhöht und nicht allzu weit von einer Feuerstelle, weil es dort schön trocken ist –, gehe ich ins Restaurant und esse einen Salat.
Sehr nettes Personal und gutes Essen. Eine Assoziation gebietet es, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dass ich heute Mittag schon bei Großmenow die Landesgrenze von Brandenburg zu Mecklenburg-Vorpommern überschritten habe. Fontane ist damit einstweilen außer Gefecht gesetzt. Eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit Gästen macht sich bemerkbar. Aus dieser Erfahrung können nunmehr neue Stereotype abgeleitet werden: Die historisch verbürgte Sturheit der Mecklenburgerin und des mit ihr verwandten Mecklenburgers wandelt sich, wo sie dem Gast Aug in Aug gegenüberstehen, in eine fast ironische Toleranz. Es ist, als wollten sie (im Gedenken an Bismarck) sagen: »Dass Du hier bist, verstehen wir, denn wenn die Welt untergeht, musst Du hier sein, wo alles hundert Jahre später geschieht.«
Als es dunkel wird, gehe ich schlafen oder versuche es. An der nahen Feuerstelle hat sich eine Familie niedergelassen, und der Sohn erprobt an der Schwelle vom Kindischen zum Jugendlichen, wie weit seine Stimme trägt. Das nervt.
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