[DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

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  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
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    [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

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    Wochenlang vorher habe ich Karte, Pilgerführer und Pilgerausweis bestellt. Es gab keine Reaktion. Also mache ich mich ohne auf den Weg. November. Die Sonne strahlt nur so vom Himmel. Ich nehme den Zug nach Mainz. Auf dem Frankfurter Hauptbahnhof wird immer wieder durchgesagt, dass der RE nach Mainz wegen einer Baustelle unterwegs einen anderen Weg nehmen muss. Wird das klappen? Doch, ja. Der Zug fährt den Main entlang und setzt mich am Mainzer Hauptbahnhof ab. Der Weg zum Dom ist nicht zu verfehlen.

    Der Bonifatius-Weg, der Bonifatius-Route heißt (der Weg ist der, über den Bonifatius nach Fulda überführt wurde, die Route ist ein neues Konstrukt) beginnt am Leichhof zwischen Dom und Johannis-Kirche. Hier treffe ich auf die erste Info-Tafel, finde aber keinerlei Hinweise, wie es weitergeht und gehe weiter zum Markt. Der Markt ist, weil November, ein Weihnachtsmarkt. Bonifatius, der vor dem Dom steht, übersehe ich also erst einmal, weil völlig umbaut. Ich gehe in den Dom, der mir vertraut ist, den ich mir aber nun einmal unter neuem Vorzeichen ansehe. Ich suche und finde die Grabplatte, unter der vor langer, langer Zeit Bonifatius' Eingeweide ruhten.

    Danach suche ich den Domladen auf. Problemlos erwerbe ich Karte, Pilgerführer und Pilgerpass. Gleich mit dem ersten Stempel. Auf der HP findet sich eine Liste von Stempelstellen. Es gibt auch eine Liste der Unterkünfte. Durchwegs normale Hotels oder Ferienwohnungen mit normalen Preisen. Um diese Jahreszeit hat sowieso praktisch alles geschlossen.

    Abmarsch. Es geht hinunter an den Rhein. Von hier ab benutzte der Leichenzug ein Boot bis Hochheim. Da da heutzutage keines mehr fährt, geht es ein Stück rheinabwärts bis an die Brücke, hinüber und dann an Rhein und Main entlang bis Hochheim. Zunächst einmal sehe ich bis Mainz Kastel keinen einzigen Wegweiser. Das ist nicht schlimm. Ich kenne den Weg. Vermutlich gibt es auch welche, die ich nur übersehe. Das Logo mit seinem rot-weißen-Schachbrettmuster, Kreuz und diagonalem Bischofsstab ist sowohl hübsch als auch leicht zu erkennen. Man sieht aber, dass der Pfad relativ neu ist. Die Schildchen hängen eher nicht dort, wo die anderen Wegweiser hängen. Sondern dezent irgendwo separat. Es gibt einen "geradeaus" und einen "Abbiegen"- Pfeil. Da sich in der Natur nicht alle Kreuzungen angemessen orthogonal verhalten, ist die Interpretation der Hinweise durchaus gewöhnungsbedürftig. Laut Führer findet man nur an Abzweigungen Hinweise. Keines heißt also: geradeaus. Nur weiß man nie, ob wirklich keines da ist. Oder das Schild vielleicht entwendet. Oder über-plakatiert. Wenn man weiß, wo sie sind, findet man sie leicht. Jedenfalls bin ich froh über Karte und Beschreibung.

    Im strahlenden Sonnenschein geht es den Rhein entlang. Die Silhouette von Mainz ist absolut eindrucksvoll. Beim Einbiegen in den Main-Uferweg wird es ländlicher. Der Weg ist nett zu laufen. Es geht auch mal ein Gewerbegebiet entlang. Ich kenne den Weg eher sommerlich. Jetzt ist er verlassen. Die Gaststätten und Biergärten sind geschlossen. Natürlich sind Kirchen und Museen auch geschlossen.

    In Hochheim geht es steil aufwärts zur dortigen Kirche mit ihren eindrucksvollen Decken-Gemälden. Auch diese Kirche ist geschlossen. Macht nichts. Ich kenne sie schon. Vor der Kirche müsste ich irgendwie abbiegen. Klar, aber der Weg bildet hier einen regelrechten Stern. Es gibt diverse Möglichkeiten. Der Wegweiser ist zu Boden gegangen. Ich versuche mir vorzustellen, wohin er zeigen würde, wenn er noch stünde. Keine Chance. Laut Karte irgendwie parallel zum Main. Da gibt es noch drei Alternativen. Ich nehme eine davon. Falsch. Keinerlei Bonifatiuszeichen mehr. Ein Spaziergänger mit Hund führt mich auf den richtigen Weg zurück. Was Sinn macht. Am "richtigen" Weg passiert man immer wieder Kapellen, Wegkreuze, Aussichtspunkte. Die Aussicht von hier oben im strahlenden Sonnenschein ist fantastisch. Drüber brummen die Flugzeuge vom Rhein-Main-Flughafen.

    Der Weg führt durch die Weinberge. In denen wird fleißig gearbeitet. Die Weinstöcke werden zurückgeschnitten. Ein mühsames Werk, das anscheinend allerhand Sachkunde fordert. Die Arbeitenden reden polnisch.

    Nun geht es durch den Regionalpark. Eine Rekultivierungsmaßnahme im Bereich der Deponie Wicker. Die Wege sind angenehm zu gehen. Die Landschaft ist mit reichlich bis überreichlich Kunstwerken gestaltet. Es geht durch die Flörsheimer Schweiz. Auf und ab. Sozusagen ein Landschaftspark. An der Flörsheimer Warte mache ich meine Mittagspause. Hier, kurz vor Wicker gibt es reichlich Sonntagsspaziergänger. Sie beäugen mich in meinen Wanderschuhen mit meinem Rucksack hochinteressiert. Die Aussicht ist schön. Das Wetter auch. Der Fluglärm unerträglich. Man meint, man könnte die unablässig über einem fliegenden Flugzeuge am Fahrwerk anfassen. Das wird jetzt lange so bleiben. Freiwillig werde ich diese Strecke bestimmt nicht noch einmal laufen.

    In Wicker passiere ich das "Tor zum Rheingau". Verkehrt herum. Ich verlasse den Rheingau. Wicker ist noch ein richtiges Winzerdorf. Aber ab hier ist definitiv Schluss mit Weinbau. Weiter geht es durch den Regionalpark. Über den Panoramaweg nach Bad Weilbach. Die Dichte der Kunstwerke erhöht sich noch einmal merklich. Es geht durch ein Wäldchen und schon bin ich mitten in Bad Weilbach an der dortigen stark nach Schwefel riechenden Quelle. Ich raste kurz. Mir tun die Füße weh. Die Flugzeuge donnern. Ein eigenartiger Kurort. Nicht ohne Reiz. Ich gehe weiter. Über einen Acker. Über die Autobahn. Nach Weilbach. Mein Tagesziel.

    Nun gibt es einige Bonus-Kilometer, die Straße entlang, nach Eddersheim an den Bahnhof. Ende der ersten Etappe.

  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
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    #2
    AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

    Also die nächste Etappe. Der Vorteil, am Stückchen-Pilgern ist, dass man sich das Wetter aussuchen kann. Etappe zwei ist laut Führer dadurch charakterisiert, dass man zur Rechten die Frankfurter Skyline hat. Links die bewaldeten Hänge des Taunus, bzw. Feldberg und Altkönig. Ich habe mir also einen Tag ausgesucht, der laut Wetterbericht "sonnig" sein sollte.

    Beim Start gibt es erst einmal überhaupt keine Sicht. Dafür Glatteis. Und es schneit. So hatten wir nicht gewettet. Aber gut. Es ist noch früh. Es wird aufklaren. Ich glaube einfach mal fest dran, als ich dick eingemummelt zum Bahnhof stapfe. Auf den Anzeigentafeln werden massive Verspätungen angekündigt. Es liegt im Taunus ein ganzer Zentimeter Schnee, weshalb die Bahnen aus der Richtung nicht durchkommen. Eigentlich möchte ich nur ein Stück den Main entlang. Aber gut. Es ist egal, ob die S-Bahn, in die ich steige, fahrplanmäßig fährt oder schon vor drei Stunden hätte sollen. Man nimmt, was kommt. Es ist Samstag. Der Vollständigkeit halber. Die Bahn, die um 7 Uhr einfährt, ist rappelvoll. Zu meinem Erstaunen. Aber nicht lange. Es gibt eine Durchsage, dass sie "am Industriepark" nicht halten wird, woraufhin fast alle aussteigen. Offensichtlich wollen all diese Menschen zur Arbeit. Bis nach Eddersheim rollen wir jedenfalls problemlos und zügig.

    Nun gibt es wieder Bonus-Kilometer nach Weilbach. Die Straße entlang. Es ist elend glatt. Ich schliddere auf meinen Wanderschuhen dahin und sehe den Autos zu, die auf der Straße gleiches tun. Es liegt kein Schnee, aber alles ist weiß überfroren. In Weilbach kommt mir der Bonifatiusweg schon entgegen und ich schließe mich ihm wieder an. Gleich vor dem Ort rechts ab und hinaus in die weiße Welt mit einigen wenigen Metern Sichtweite. Es ist ruhig. Nebel auf dem Flughafen.

    Es geht durch die rekultivierte Weilbacher Kiesgrubenlandschaft. Die auch zum Regionapark gehört. Ich passiere einige Jogger, Walker und auch Radfahrer, die man lange hört, bevor sie aus dem Nebel auftauchen, in dem sie zügig wieder verschwinden. Noch bin ich im Großstadtbereich. Da grüßt man nicht. Am Ende des Regionalparks geht es rechtwinklig nach links (inzwischen mache ich die Schildchen mit traumwandlerischer Sicherheit aus, solange welche da sind). Ich überquere die A 66 (der Trauerzug nahm diese Strecke, aber auf der heutigen Autobahn sind Fußpilger nicht zugelassen). Richtung Kriftel geht es über Hügel, die von der Art her eine verblüffende Ähnlichkeit mit den bisherigen Weinbergen haben. Jetzt sind es aber Apfelberge. Die Apfelbäume sind genauso zurückgeschnitten wie die Weinstöcke. Faszinierend.

    Irgendwo soll ich hier einer Bonifatiuskapelle begegnen. Ich passiere schon mal eine Straße mit dem Namen "An der Kapelle", sehe aber kein passendes Bauwerk. Es geht rasant bergab Richtung Ort. Die Hauptverkehrsstraße muss gequert werden. Am Kreisel fehlt der Wegweiser. Macht nichts. Es wird wohl über die Fußgängerbrücke gehen und dann in den Ort. Auf der anderen Seite der stark befahrenen Autostraße steht eines der großen rosa Info-Schilder. Ich lese: Hier musste 1955 die Bonifatius-Kapelle dem Straßenbau weichen. Die Kapelle war 17xx erbaut und es stand wohl seit 7xx eine Vorgängerkapelle dort. Na gut. Das nennt man Sachzwänge. Schließlich kann man die Straße nicht ein paar Meter zur Seite verlegen. Dann muss eben die Kapelle weg. Das kennt man ja. Ich lese hier auch, dass an den Stellen, wo der Leichenzug übernachtete jeweils Kapellen errichtet wurden, an den Raststellen Kreuze. Der Weg passiert meist die alten Ortskerne und führt an den jeweiligen Kirchen vorbei. Als ich keine weiteren Wegweiser mehr finde, laufe ich also Richtung Kirche.

    Wie an allen Kirchen treffe ich auch hier auf einen Weihnachtsmarkt. Nett irgendwie. Die Kirche ist offen. Wie schön. Auch hier hat man die romanische Kirche im 19. Jahrhundert abgebrochen und eine neoromanische errichtet. Kriftel ist eine reiche Gemeinde. Auch die neoromanische Kirche ist offensichtlich alle paar Jahre gnadenlos modernisiert worden. Vor der Kirche weiß ich nicht mehr weiter. Kein Schild zu sehen. Laut Karte geht es am Bahnhof vorbei. Der ist ausgeschildert. Und da passiert es. Mir begegnet ein Pilger. Einer wie aus dem Bilderbuch. Langer weißer Bart. Klobige Stiefel. Großer Rucksack. Pilgerkärtchen baumelt um den Hals. Und: ein großer hölzerner Pilgerstab. Klasse. Ich will freudig auf ihn zu. Aber bis ich über die Straße komme, ist er weg. Der Bonifatiusweg wird in beiden Richtungen begangen.......

    Auf meinem Weg zum Bahnhof komme ich an einen Platz, an dem wieder eine Tafel steht. Der Lindenplatz mit seinem Bonifatiuskreuz. Nun ist es nicht mehr weit bis zum Bahnhof. Glatt ist es auch nicht mehr. Ich schreite fröhlich aus. Die Bahn entlang unter der Autobahn durch geht es Richtung Zeilsheim. Hier bin ich schon sehr oft durchgefahren. Aber nun sehe ich den Ort aus einer anderen Perspektive. Ich komme an der Kirche aus dem 19. Jahrhundert vorbei, in der es eine "Pestmadonna" gibt. Ich fasse auf den Türgriff. Offen. Wie schön. Und im Vorraum finde ich einen Willkommensgruß an die vorbeikommenden Pilger und einen angeketteten Stempel. Klasse. Ich hatte unter den für diese Etappe angegebenen Stempelstellen keine gefunden, die heute zugänglich gewesen wäre. Aber das ist doch mal eine pragmatische Lösung. Nach einem kurzen Gebet an der Pestmadonna durchquere ich Zeilsheim bis zum Ende. Die Straße, der ich folge biegt ab. Geradeaus führt der Fußweg unter der nächsten Autobahn durch.

    Dahinter geht es bergan und - die Sonne bricht durch. Die Skyline bleibt im Nebel. Der Taunus wird für einen Moment sichtbar. Ganz in weiß. Super. Der Tag kann noch was werden. Allerdings hält dieser Moment nur bis zum nächsten Ort. Da ist alles schon wieder grau verhangen. Oberliederbach. Ein Ort, der für mich bisher aus endlosen Reihenhäusern mit angegliedertem Gewerbegebiet bestand. Aber jetzt geht es direkt aus dem Grünen in einen alten Ortskern, von dessen Existenz ich bisher nichts ahnte. Gerne hätte ich auch hier die Kirche besucht, die eine interessante Geschichte hat. Aber: zu.

    Am Ortsausgang steht eine imposante Villa in einem eigenen Park. Hier haben wir schon öfter gerastet. Ich beschließe, das diesmal auch so zu halten. Ich setze mich auf eine Bank und packe mein Picknick aus. Uiiii ist das kalt. Obwohl ich schnell esse, kühle ich rasant aus und muss bald weiter. Die Villa ist kein Gespensterschloss mehr wie früher, sondern nun ein chinesisches Konsulat.

    Nach Sulzbach geht es über kahlen Acker (schwierig hier die Kreuzungen, wegen fehlender Befestigungsmöglichkeiten fehlen verständlicherweise Richtungsschilder. Und hier landet man schnell in Sackgassen. Am Ende der Ackerflächen sieht man die Fußgängerampel, die mir über die Hauptverkehrsstraße ins Sulzbacher Gewerbegebiet hilft. Das kenne ich auch. Aber nun geht es seitlich in ein hübsch begrüntes Tal (den Sulzbach entlang), in dem Kinderspielplätze, eine Schule und ähnliche Gebäude liegen. Hübsch. Danach geht es in den alten Ortskern. Vor der schönen alten und offenen Kirche ein lebendiger Weihnachtsmarkt (es ist inzwischen früher Nachmittag), der die Wegweiser so effizient verdeckt, dass ich ein Weilchen suche, bis ich das Tor finde, durch das es weitergeht.

    Meine Füße sind jetzt müde. Wieder geht es aufwärts. Am Ortsrand entlang. Weiter aufwärts zum Arboretum. In Eschborn gäbe es mehrere Stempelstellen. Die haben aber geschlossen. Ich nehme den direkten Weg zum Bahnhof. Es ist nicht weit nach Hause. Allerdings muss ich zunächst zum Hauptbahnhof und dort umsteigen. Hin- und Rückweg werden nun jedesmal umständlicher werden. Mal gucken, wie sich das entwickelt.

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    • Karliene
      Feldherrin
      Alter Hase
      • 08.03.2009
      • 3215
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

      Hi. Haste noch paar Bilder dazu?
      "Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist." Walter Kempowski - Schriftsteller (1929 - 2007)

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      • walkingalone
        Dauerbesucher
        • 05.01.2010
        • 592
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        • Meine Reisen

        #4
        AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

        Hallo Enja,

        dein knapper Schreibstil gefällt mir gut! Ich bin gespannt, wann und wie es weitergeht.

        Auch ich fände ein paar Bilder schön, wenn du welche hast und dir die Mühe machen willst.

        Vielen Dank für den Bericht!

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        • Enja
          Alter Hase
          • 18.08.2006
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          #5
          AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

          Tut mir leid. Ich hatte keinen Fotoapparat mit....

          Zur Erklärung: Mein Konzept für die Zukunft heißt: "weniger Arbeiten, mehr draußen". Ich möchte nicht bis 67 bis zum Umfallen arbeiten und das dann von heute auf morgen komplett einstellen, sondern suche einen gleitenden Übergang. Start war letztes Jahr der Jakobsweg von zu Hause bis Santiago mit dem Fahrrad, um mal einen Cut zu haben. Jetzt soll jedes Jahr mindestens eine Tour diesen Umfangs stattfinden. Und dazu kürzere, so dass ich etwa die Hälfte des Monats unterwegs bin.

          Dazwischen bleibt aber immer noch Alltag. Und um ein Stück "Pilgern" in diesen Alltag hinüberzuretten, bin ich den Bonifatiusweg gelaufen. Neben diversen anderen Wandertouren. (Rheinsteig, Uplandsteig, Eifelsteig) Der Bonifatiusweg führt mich durch relativ bekanntes Gelände. Und ich laufe ihn eher meditativ, kontemplativ. Dazu passt das Fotografieren nicht. Ich nehme aber auch sonst meist keinen Fotoapparat mit. Ich fotografiere beruflich so viel, dass ich froh bin, wenn ich Pause habe.
          Zuletzt geändert von Enja; 21.03.2013, 09:40.

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          • Enja
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            • 18.08.2006
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            #6
            AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

            Dezember. Es hat nun massiv geschneit. Jedenfalls für Frankfurter Verhältnisse. Ich mache mich im Dunkeln auf die Socken. Dazu muss man um diese Jahreszeit nicht besonders früh aufstehen. Es ist kalt. Auf dem Frankfurter Hauptbahnhof herrscht Panik. 10 cm Schnee. Der Eisenbahnverkehr bricht zusammen. Meine S-Bahn nach Eschborn bricht fahrplanmäßig auf. Besonders weit ist das nicht. Auf den letzten Metern geht die Sonne auf. Die bewaldeten Taunushöhen erglühen in kitschigstem Rosa. Alles ist schneebedeckt.

            Der Eschborner Bahnhof liegt fast direkt am Bonifatiusweg. Ohne großartige Zusatzwege geht es los. Wie erwartet, ist im Ortsbereich der Schnee auf den Bürgersteigen völlig vereist. Attraktiver als vor einer Woche erscheint mir der Ort nicht. Geduldig geht es - immer geradeaus - die Hauptstraße entlang. Ich bin erleichtert, als es in die Felder hinausgeht. Eine Zauberwelt. Der Taunus ist immer noch rosa. Die Luft ist klar. Nicht einmal die Frankfurter Skyline hüllt sich in Nebel. Die Felder und Wiesen bilden hier eine einheitliche weiße Fläche. Die Wege sind auch weiß. Es geht über einen weißen Hügel. Ich stelle fest, dass das Laufen im Schnee durchaus anstrengender ist als sonst. Und wenn man mal neben den Weg tritt - der Rand ist nicht wirklich erkennbar, kann man im Graben landen. Und mitten auf dem Weg tritt man auch manchmal durch die Schneedecke in eine wassergefüllte Senke. Ich unterquere die Autobahn. Die A 5. Eine interessante Perspektive. Die ist mir vom Autofahren auch sehr geläufig.

            Auf der anderen Seite geht es auf Niederursel zu. Weiter rechts sehe ich die Betonberge der Nordweststadt liegen. Der Bonifatiusweg kreuzt den Elisabethweg (war da was? den will ich auch mal gehen). Dass Niederursel einen so reizenden alten Ortskern hat, wusste ich auch noch nicht. Ich komme sozusagen von oben rein und schliddere hangabwärts. Sobald man im Ort ist, ist der Weg wieder völlig vereist. Die achteckige evangelische Kirche von Martin Elsaesser, 1928 erbaut, ein wichtiges Werk der Moderne liegt am Wegesrand. Zu. Schade. Auch sonst liegt der Ort verlassen und still. Es ist noch früh. Ich schliddere durch die Gassen mit all ihrer Fachwerk-Pracht. Ich überquere eine Straße und daneben die Schienen der U3.

            Und wechsele sozusagen die Welten. Ich erreiche den Niederurseler Hand. Den neuen Uni-Campus Riedberg. Nun geht es zwischen glitzernden Glasfassaden entlang. Auch alles verlassen, jetzt am Wochenende. Eine Art Ausstellung moderner Architektur. Mehr oder weniger gelungen. Und sehr unübersichtlich. Was habe ich mich hier schon mit dem Auto verfahren. Auf der Karte sind diese Komplexe alle noch gar nicht eingezeichnet. Wo es geradeaus über eine Wiese gehen müsste, steht ein Bauzaun, dahinter eine Großbaustelle. Ein Wegweiser zeigt nach rechts. Noch einmal einer nach links. Dann nichts mehr. Ich bin in einem Park gelandet. Dem Bonifatiuspark, wie mich eine Info-Tafel aufklärt. Ich laufe durch. Jetzt sind überall Familien mit Schlitten unterwegs. Den Bonifatiusweg kennen sie nicht. Können mir also nicht sagen, wo es weitergeht.

            Am Ende des Parks guckt man über die übliche weiße Fläche, unter der sich Äcker verstecken, hinüber auf mehrere Ortschaften. Wo muss ich hin? Wegweiser Fehlanzeige. Ein Damm mit Schienen drauf. Daran versuche ich mich zu orientieren. Zur Karte passt das alles gar nicht mehr. Welcher der Orte ist Kalbach? Da muss ich hin. Die Bonifatiusquelle besuchen. Ich mache eine Umfrage unter den Passanten. Schließlich treffe ich Kenner. Die Bahnlinie ist neu. Nicht auf der Karte eingezeichnet. Ich muss weit zurück, um drunter durch zu kommen. Am Durchgang finde ich auch wieder einen Wegweiser. Nach Kalbach ist es nicht mehr weit. Eine Straße entlang. Durch einen Park. Über eine Brücke. Und schon liegt Kalbach hinter mir. Wo ist die Quelle? Niemand den ich fragen könnte. Langsam bin ich schlecht gelaunt. Man enthält mir die Sehenswürdigkeiten vor. Die Kirchen sind abgeschlossen. Ich werde in die Irre geführt. *grummel*

            Nach Bonames ist es nicht mehr weit. Ich kenne den alten Flughafen dort. Ein schönes Ausflugsziel. Jetzt geht es aber direkt in den alten Ortskern. Laut Führer gibt es hier Reste einer alten Burg. Es geht durch mäßig attraktive Straßen. Mal links mal rechts. An der Kirche vorbei. Mit interessantem Innenleben - aber: zu. Am Ortsausgang eine Info-Tafel vor einer Villa. Ein Sichtschutzzaun, der jeden Blick drauf verhindert. An einem Kiosk gibt es eine Stempelstelle. Die Betreiberin freut sich über mein Auftauchen. Ich kaufe eine Packung Kekse. Und nun: vorbei am Sportplatz. Dahinter sieht man Harheim liegen. Links führt die Straße drauf zu. Der Bonifatiusweg zickzackt durch die Äcker. Eine gleichmäßig weiße Fläche. Kreuzungen ohne jeden Hinweis. Sackgassen. Ich gebe auf. Gehe Richtung Straße und an ihr entlang nach Harheim.

            Vor dem Bach rechts ab. Am Bach entlang in den Ort. Irgendwann über die Brücke und auf der anderen Seite wieder zurück. Sagt die Karte. Wegweiser gibt es auch. Am Umkehrpunkt gibt es eine Kapelle. Und auf der Wiese davor hat man allerhand gefundene entbehrliche Grenzsteine aufgestellt. Eine Art Friedhof. Aber nun den Bach entlang wieder aus dem Ort heraus. Am Ende rechts ab, aufwärts in die weiße Unendlichkeit. Erst gibt es einen Weg. Dann nicht mehr. Man kann es nicht wirklich genauer erkennen, aber es scheint direkt über Äcker zu gehen. Was so genau unter dem Schnee liegt, kann ich nicht erkennen. Aber an jedem Busch, den ich passiere, prangt das Bonifatius-Logo. Ein Stück weiter rechts verläuft die Straße. Vor dem nächsten Ort gibt es eine Querverbindung.

            Hier kann es doch nicht wirklich lang gehen? Die Abgründe unter dem Schnee werden immer tiefer. Es ist jetzt Mittag. Der Schnee wird matschig. Ich breche in Pfützen ein. Stolpere über Grate. Versuche irgendwie meinen Weg zu finden. Irgendwann geht es in der Richtung nicht mehr weiter. Ich arbeite mich auf die Straße zu und finde einen Radweg, der sich gut benutzen lässt. Nun ist Nieder-Erlenbach schnell erreicht. Und schon wieder eine andere Welt. Das Land. Es gibt einen Markt. Und den unentbehrlichen Weihnachtsmarkt. Menschen auf der Straße. Eine Fachwerkidylle. Man grüßt sich. Es weiß allerdings niemand, wo ich den Bonifatiusweg wiederfinden kann. ich schlage vor, mir zu zeigen, wo ich die Kirche finde. Das ist leicht. Man zeigt mir die Richtung. Alles grüßt. Die Menschen lächeln freundlich und gucken interessiert. Von der Kirche aus (zu) soll ich in Richtung Obsthof gehen. Es geht aufwärts. Und aufwärts. Und aufwärts. Ich kaue im Gehen an meinen Keksen. Für ein Picknick auf einer Bank ist es zu kalt. Alle Gaststätten haben geschlossen. Auch an Läden, Bäckereien, Cafes bin ich bisher noch nicht vorbeigekommen.

            Ich erreiche das Tagesziel Dortelweil von oben. Auch dieser Ort verdient den Namen "Reihenhausen". Durch endlose Reihenhaus-Reihen geht es auf unübersichtlichen aber gut ausgeschilderten Wohnwegen abwärts und über die Durchgangsstraße. Hier treffe ich mal wieder Artgenossen. Ein Ehepaar mittleren Alters. Mit Rucksäcken und Wanderstöcken ausgestattet. Zügig unterwegs. Und vor jedem Bonifatiuslogo stoppend. Ich hole sie letztendlich nicht ein und sehe sie in der Bahnunterführung verschwinden. Selber biege ich vor dem Bahndamm ab, um an ihm entlanggehend den Bahnhof zu finden.

            Den Fahrplan kenne ich. Gleich kommt der Zug in Richtung Heimat. Der Automat will aber meinen Geldschein nicht. Muss ich nun zu Fuß gehen? Andere Wartende tauschen mir den Schein um. Nun klappt es. Wir setzen uns gemeinsam in ein Abteil. Sie bestaunen meine kleine Jakobsmuschel, die ich um den Hals trage. Die Frau mir gegenüber zieht eine ähnliche Kette unter dem Pullover hervor. Von der Heilig-Rock-Wallfahrt. Nun haben wir uns viel zu erzählen. Die Fahrt vergeht im Nu.

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            • blauloke

              Lebt im Forum
              • 22.08.2008
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              #7
              AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

              Schöner Bericht.

              Seltsam, dass die meisten Kirchen geschlossen sind. Oder waren das evangelische Kirchen? Katholische Kirchen sind in der Regel offen, zumindest hier in Bayern.
              Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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              • Enja
                Alter Hase
                • 18.08.2006
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                • Meine Reisen

                #8
                AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                Auf dieser Etappe waren viele evangelische Kirchen dabei. Da stand auch gleich dran "geöffnet während der Gottesdienste". Da ich selber evangelisch bin, kenne ich das. Weiß auch, warum das so ist. Ich finde es dann nur eigenartig, wenn man so einen Pilgerweg einrichtet (das war eine Gemeinschaftsaktion der beiden Konfessionen), den Weg an diesen Kirchen vorbeilegt (was teilweise zu weiten Umwegen führt), im zugehörigen Pilgerführer ausführlich beschreibt, warum man die sich unbedingt ansehen sollte und sie dann abschließt.

                Hier im Rhein-Main-Gebiet sind die meisten katholischen Kirchen auch gut verschlossen.

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                • Enja
                  Alter Hase
                  • 18.08.2006
                  • 4898
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                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                  Auf nach Dortelweil. Weihnachten ist nahe. Der Schnee ist geschmolzen. Es regnet oft. Ich picke mir einen Tag raus, an dem es trocken bleiben soll. Auf dem Hauptbahnhof herrscht Hektik. Mein Zug steht eine volle Stunde regungslos am Bahnsteig. Was natürlich heißt, dass da auch sonst keiner durch kann. Ich sitze gut, höre Musik, es ist geheizt. Ich werde noch genug laufen. Endlich geht es los. Vom Bahnhof aus laufe ich zurück die Schienen entlang, bis ich zur Unterführung komme, in der ich eine Woche eher den Bonifatiusweg verlassen habe. Es geht nicht gleich ins Grüne, sondern erst einmal in den Ort. Und auch in Dortelweil lerne ich nun die alte Dorfkirche (zu) und hübsche Fachwerkgassen kennen.

                  Die Strecke durch die Wiesen auf die Nidda zu kenne ich vom Radfahren. Hier kann man einen Niddabogen abschneiden, wenn man über den Golfplatz in Richtung Karbener Gewerbegebiet fährt. Am Rande des Gewerbegebiets entlang komme ich auf die Nidda zu und überquere sie gleich. Drüben liegt das eigentliche Karben. Fachwerkhäuser. Eine Kirche. Kein Bäcker. Geschlossene Gaststätten. Es geht steil nach oben. Die Kirche liegt auf halber Höhe. Von der Straße aus führt eine steile Treppe dorthin. Lohnt sich das? Die ist doch bestimmt gut verschlossen? Ich nehme das mal an und erspare mir die Treppe. Aber nun ist der Weg verschwunden. Er ging wohl doch über das Kirchengelände, obwohl dort kein Schildchen hing. Oberhalb der Kirche muss ich ein bißchen suchen, bis ich wieder in der richtigen Spur bin. Es geht weiter nach oben. Nun durch ein Neubaugebiet. Auch nach Verlassen des Dorfgebiets geht es weiter aufwärts. Auf der Karte ist hier ein Aussichtszeichen eingemalt. Dazu ist es allerdings recht neblig. Aber man sieht noch einmal auf den Feldberg. Ein letztes Mal. Nun geht es durch die Hügel der Wetterau. Oben auf dem Hügel gibt es einen Friedhof - und einen Waldkindergarten. Ein Bauwagen. Die Erzieherinnen sitzen auf Baumstämmen und trinken Kaffee. Die Kinder wühlen im Matsch.

                  Ich betrete den Wald. Den ersten auf dieser Wanderung. Der Asphalt endet. Der Weg wird schmaler. Es wird still. Ich bin rundum von Bäumen umgeben und völlig allein. Bis auf das rot-weiß-karierte Bonifatius-Logo, das von diversen Bäumen leuchtet. Sehr netter Kontrast. Im Wald kommen mir mehrere Radfahrer entgegen. Die von der Langstreckensorte. Schwer beladen. Sie grüßen freundlich während sie über die vielen Baumwurzeln hoppeln. Der Wald ist nicht allzu groß. Der Weg knickt in etwas, das auf dem Plan als "Römerstraße" bezeichnet ist und führt ab hier am Waldrand entlang. Römerstraßen kenne ich bisher gepflastert. Diese ist als Weg nicht erkennbar. Es geht einfach über eine matschige Wiese. Ich hüpfe von trockenem Fleckchen zu trockenem Fleckchen. Da wo der Wald endet, biege ich in einen befestigten Wirtschaftsweg ein. Die Römerstraße zieht unsichtbar geradeaus weiter durch die Landschaft.

                  Von hier aus, also von ziemlich oben, habe ich einen weiten Blick. Hügel um Hügel wellt sich auf den Vogelsberg zu. Vor mir liegt Büdesheim. Dorthin geht es über eine Wiesenlandschaft bergab. Laut Karte geht es links wieder aus dem Ort heraus. Aber erst einmal durch bis zur Hauptstraße und auf ihr nach rechts. Während ich bisher den Eindruck hatte, Bäcker seien nicht mehr zeitgemäß und vermisste, unterwegs mal einkehren zu können, reiht sich nun Bäcker an Bäcker. Dazwischen noch mehrere Cafes. Und auch sonst allerhand Läden. Vor lauter Überraschung vergesse ich, irgendwo einzukehren. Das wollte ich doch eigentlich so gern. Irgendwann wendet der Weg. An der Nidder entlang, die ordentlich Hochwasser führt geht es aus dem Ort heraus. Ich überquere eine Straße, die direkt nach Heldenbergen führt und steige wieder hoch in die grasigen Hügel. Ich habe schließlich Verpflichtungen. Es gilt, einen weiten Bogen zu schlagen, um ein weiteres Bonifatiuskreuz zu besehen.

                  Zunächst ist der Weg recht gut begehbar und führt auf ein Gehöft zu Dahinter sieht man eine Autostraße. Ich biege aber davor in einen Weg ein, der praktisch unter Wasser steht und arbeite mich an dessen Rand vorsichtig vorwärts. An den Kreuzungen der Wiesenwege war es leider nicht möglich, irgendwo Schildchen anzubringen, so dass ich versuche, mich nach der Karte zu richten. Da sehe ich es an der Straße stehen. Das Kreuz. Groß und imposant. Links und rechts eine große Eiche. Weswegen man das Kreuz im Vorbeifahren nicht sieht. Es ist von 1909. Ich laufe über die Wiesen direkt drauf zu und erreiche schließlich fast trockenen Fußes die Straße. Neben dem Kreuz steht eine Bank. Vor dem Kreuz verläuft ein Graben. Ich springe drüber. Soweit bin ich schon gekommen. Jetzt will ich auch hin. Jetzt geht es ein Stück die Straße entlang. Die ist sehr schmal und heftig in beiden Richtungen befahren. Ich versuche erst einmal vergeblich, mich auf dem Rübenacker jenseits des Grabens fortzubewegen. Klappt aber nicht. Die Straße ist wirklich kein Vergnügen. Die Autofahrer hupen und fahren auf Tuchfühlung an mir vorbei. Trotzdem laufe ich schließlich bis Heldenbergen die Straße entlang. Die Äcker seitlich stehen so gut wie unter Wasser.

                  Heldenbergens Kirche steht eindrucksvoll auf dem "heyligen Berg" mitten im Ort. Der Weg führt dran vorbei. Kirche und Gemeindebüro (Stempelstelle) haben geschlossen. Schräg gegenüber geht es ab in Richtung Windecken. Von Windecken aus kann man über die "Hohe Straße" Frankfurt erreichen. Das war mal die Verbindung der Messestädte Frankfurt und Leipzig. Heute ist es ein schön ausgebauter Fuß- und Radweg. Sowohl "hoch" wie auch "Windecken" muss man dabei wörtlich verstehen. Die Steigungen da rauf sind erheblich. Und es bläst so gut wie immer. Man nähert sich mit imposantem Ausblick in alle Richtungen, sowohl auf den Vogelsberg wie auch auf die Rhein-Main-Ebene der Stadt von oben. Dort ist es relativ eben und man spaziert unter Windrädern.

                  Diesmal nähere ich mich Windecken an der Nidder entlang. Die Bäume stehen am Ufer im Wasser. Die Flussaue teilweise auch. Der Weg liegt hoch genug. Rechts liegt, etliche Meter höher, die Oberburg. Burgen und Schlösser muss man sich in dieser Gegend als etwas üppigere Fachwerkgehöfte vorstellen. Die Oberburg hatte immerhin dort oben einen Barockgarten, der jetzt verwildert ist und verkürzt wurde, um hier die unvermeidlichen Reihenhäuser unterzubringen. Im Anschluss passiere ich eine große Schule und das Freibad. Es ist warm. Die Sonne scheint. Ich setze mich zum Picknick auf eine Bank und strecke die Beine aus. Notiz: nächstes Mal eine Plastiktüte zum Draufsetzen mitnehmen. Die Bank ist klatschnass.

                  Am Ortseingang von Windecken führt mich die Markierung erst einmal in die falsche Richtung. Ich merke das aber schnell und wende in Richtung Kirche. An Kirchtürmen kann man sich leicht orientieren. Und der Bonifatiusweg lässt keine aus. Auch diese ist verschlossen. Aber der Marktplatz ist ganz besonders bezaubernd. Das Rathaus hat einen Stufengiebel, im Erdgeschoss eine Bibliothek, die als Stempelstelle fungiert. Aber nur sehr selten geöffnet ist. Jetzt jedenfalls nicht. Der Marktplatz steigt leicht an, die Straße dahinter steil. Es geht durch eine Art Tor. Es wird steiler. Ich muss nun doch noch nach oben. So kenne ich doch mein Windecken.....

                  Ich will mich in Eichen abholen lassen und halte, um mich telefonisch zu melden. In der Zeit holen zwei Wanderer auf. Wieder mal Pilgerkollegen. Wir lächeln uns freundlich zu. Ab jetzt gehen sie etwa 100 m vor mir und übernehmen die Suche nach den rot-weißen Schildchen. Kaum oben geht es wieder abwärts. Man sieht auf eine Wiesenebene an deren Ende Eichen liegt. Normalerweise. Jetzt ist es eine Seenplatte. Aus der Wasserfläche ragt der Bahndamm. In Eichen gibt es einen Bahnhof, von dem aus ich problemlos nach Hause fahren könnte. Den haben wir als Treffpunkt vereinbart. Der Weg durchquert erst einmal das Tal, oberhalb der Wasserfläche, eine Straße und führt parallel zur Straße durch den Wald zum Bahnhof. Das zieht sich noch etwas, ist aber bequem zu laufen. Meine beiden Vorwanderer gehen Richtung Dorf, um sich einen Gasthof zu suchen. Nach dem Essen wollen sie auch den Zug nehmen. Eichen hat nicht viel Infrastruktur.

                  Der Bahnhof sieht aus, als wäre er einem Gruselfilm entsprungen. Eine Villa mit allem was dazugehört. Ausgebrannt. Die Fensteröffnungen mit Brettern vernagelt. Dahinter versteckt sich eine moderne S-Bahn-Haltestelle samt riesigem Pendler-Parkplatz. Aber wenn man so aus dem Wald kommt - klasse.

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                  • Enja
                    Alter Hase
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                    #10
                    AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                    Zwischen den Jahren. Das Wetter ist immer noch frühlingshaft. Mit Umstiegen am Frankfurter Hauptbahnhof und in Bad Vilbel bringt mich die Bahn nach Eichen. Ein Ende dieser Pilgerform ist absehbar. An- und Abfahrten werden immer länger. Die Tickets immer teurer. Bald wird es Übernachtungsmöglichkeiten geben, die da mithalten können. Der Zug fährt bei Sonnenaufgang durch die Wetterau. Ich halte Ausschau nach den von mir bereits begangenen Orten und Wegen. Die Perspektive aus dem Zugfenster zeigt weniger Fachwerkidylle als Reihenhäuser von hinten. Mit direktem Einblick in die zugehörigen Wohnzimmer. Das letzte Stück geht dann aber durch Wald und Feld. Besonders interessant die noch stark gewachsenen Seenplatten. Ich bin gespannt, wie sich das läuft. Auf Eichen zu fährt man auf einem Damm durch eine Wasserlandschaft. Der Bahnhof sieht immer noch interessant aus.

                    Im Ort interessieren mich Kirche und Rathaus weniger als sonst. Ich entdecke, dass Eichen praktisch von Wasser umgeben ist. Laut Karte muss ich die Nidder mit zugehörigen Sumpfgebieten mehrfach kreuzen. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Um Eichen wieder zu verlassen, durchwandere ich das übliche Neubaugebiet. Es herrscht knisternde Spannung. Die Menschen stehen auf der Straße und gucken in Richtung Nidder. In den Hauseingängen werden Sandsäcke gestapelt. Eichen ist in nicht allzuferner Vergangenheit mal zerstört und wiederaufgebaut worden. Der Einfachheit halber nicht mehr auf dem Hügel, sondern im Tal. Nun haben sie den Salat.

                    Für mich geht es aufwärts. Der Weg ist gut begehbar. Das erste Ziel ist Kloster Engelthal. Das einzige Kloster in Betrieb auf dem Bonifatiusweg. Dort leben Benediktinerinnen. Ich war schon einmal zu einem Wochenendseminar dort und habe das in guter Erinnerung. Als ich anfänglich überlegte, wie ich unterwegs Station machen könnte, hatte ich natürlich sofort an das Kloster gedacht. Aber es wegen der gesalzenen Preise wieder verworfen. Jedenfalls liegt es in den bewaldeten Hügeln, nicht weit von Eichen entfernt. Aber der Weg schlägt einen langen Bogen.

                    Die Sonne geht auf. Es ist fast schon 11 Uhr aber bisher war es grau und dunkel. Nun färbt die Sonne den Himmel in bunten Farben. Eigentlich ist strahlender Sonnenschein vorhergesagt. Aber das kann man natürlich nie so genau wissen. Ich erreiche den Waldrand und sofort verlässt der Bonifatiusweg den geplasterten Wirtschaftsweg und biegt in einen Waldweg ein. Da ist nun von befestigt nicht mehr die Rede. Anscheinend gibt es hier Reiter. Der Weg ist im Original so schmal, dass Fußgänger hintereinander gehen müssten. Der ist zu einer gut umgegrabenen tiefen matschigen Rinne geworden. Unbegehbar. Die Reiter sind zu dritt nebeneinander unterwegs gewesen. Der Rand ist also auch unbegehbar. Ich hüpfe und wate mal wieder so gut es geht. Im Zickzack durch den Wald. Die Abzweigungen sind gut beschildert. Waldarbeiter sind am Werk. Überall dröhnen die Kettensägen. Es wird gesägt, gespalten, gestapelt. Die zugehörigen Maschinen haben den Wegen an vielen Stellen absolut den Rest gegeben. Trotzdem ist es schön im Wald. Es tropft aus den Bäumen. Die Sonne kommt in Streifen herein. Die Winterfarben sind sehr schön anzusehen. Es geht auf und ab, rechts und links, so dass ich ein wenig den Überblick verliere. Offensichtlich bin ich ganz flott unterwegs, denn ich hole die drei Reiter ein. Gemächlich waten die Pferde durch den Matsch.

                    Schließlich erreiche ich den Waldrand und komme auf das Kloster zu. Von oben hinten. Eine ungewohnte Perspektive. Aber sehr schön. Hinten unten liegt Altenstadt im Sonnenlicht. Das Kloster und seine Kirche im Vordergrund. Natürlich gehe ich am Kloster nicht nur einfach vorbei. Hier soll eine Stempelstelle sein. Der Klosterladen ist laut Internet heute am Samstag geöffnet. Und deshalb nehme ich an, dass ich auch in die Kirche darf. Zwei Nonnen erklären mir im Laden erst einmal gleich entschieden, dass sie mit der Stempelei nichts zu tun haben. Sie sind so abweisend und so beschäftigt, dass ich davon ausgehe, dass sie auch keine Kunden wollen und den Laden gleich wieder verlasse. Freundlicherweise haben sie mich drauf hingewiesen, dass draußen vor dem Tor sozusagen in 7/24 - Bereitschaft eine Selbstbedienungsstempelstation sei. Ein kleiner Metallkasten, der ein eingeschweißtes Stempelkissen ohne Deckel und einen angeketteten Stempel enthält. Natürlich jetzt völlig wassergetränkt. Die Kette ist so kurz, dass ich erheblich fummeln muss, um meinen Pilgerpass irgendwo in Reichweite so aufzulegen, dass ich stempeln kann. Der Stempel sieht ziemlich wässrig aus. Sehr passend.

                    Zwischen Klostergebäuden und "Gästegarten" gehe ich in die Kirche. Sie ist tatsächlich offen. Man darf nur einen Seitenflügel betreten. Das kenne ich schon. Eine Nonne wischt Staub. Sie fragt mich, wo ich denn mit meinem Rucksack und den Wanderschuhen hin will, so mitten im Winter. Vom Bonifatiusweg hat sie schon gehört, kann sich aber nicht vorstellen, dass jemand so weit laufen kann. Und eine Frau allein natürlich schon gar nicht. Viel zu gefährlich. Ich genieße den kleinen Schwatz. Meist komme ich mir bei meinem Unternehmen recht einsam vor. So vor all den verschlossenen Türen.

                    Aber nun geht es weiter nach Altenstadt. Als ich damals mit dem Zug zum Seminar kam, hatte ich im Kloster angerufen und gefragt, ob es vom Bahnhof aus einen Fußweg gebe. Nein, nur die Bundesstraße entlang. Ängstliche Naturen im Graben daneben. Bonifatius kennt natürlich eine andere Möglichkeit. Ein Stück die Zufahrtsstraße entlang, auf einem Fußweg durch den Wald. Am Waldrand bei schöner Aussicht auf den Ort an vielen Bänken vorbei, durch die Wiesen in den Ort und auf diesem Weg gleich bis an die Kirche (zu). Sie hat einen alten Wehrturm mit Schießscharten. Sehr hübsch anzusehen und mir völlig neu obwohl ich beruflich oft in diesem Ort bin. An einem Info-Schild gibt es wieder einen Selbstbedienungsstempel. Die Kette ist erfreulicherweise etwas länger.

                    Durch den belebten Ort wandere ich bis zum Bahnhof, überquere die Gleise und mache mich auf den Weg nach Oberau. Zumindest versuche ich es. Der Weg, den ich da einschlage, ist eine Straße und es gibt keine Sperre. Man könnte also vermuten, dass man sie ohne Schwimmsachen benutzen könnte, obwohl es nicht so aussieht. Weiter vorne liegen große Wasserflächen. Ich sehe ein Auto Richtung Oberau fahren, weit vorne, es scheint durchzukommen, aber man sieht, dass es durch Wasser fährt. Eine Hundebesitzerin kommt mir entgegen. Sie meint, das Wasser sei knietief. Also zurück nach Altenstadt, durch den Ort und eine höhergelegene Straße nehmen. Sie wird von einem Radweg begleitet, so dass mich keiner umfährt, schön ist trotzdem anders. Ein langes Stück Asphalt. Viel Verkehr. Gewerbegebiet. Bis zu einer Straßenkreuzung, an der ich wieder auf den Bonifatiusweg treffe und in den Wald abbiege. Der Wald führt den Limes entlang. Einen Augenblick glaube ich, dass er auf dem Limes entlangläuft. Aber tatsächlich gibt es neben dem Wall, der den Weg trägt, noch einen. Das ist der Limes. Schließlich laufe ich zügig auf Limeshain zu.

                    Aufwärts durch den Wald erreiche ich Rommelhausen und damit die nächste Stempelstelle. Es ist wieder ein Selbstbedienungskasten. Das Stempelkissen gibt aber nichts mehr her. Ich durchquere den Ort in voller Länge. Hier gibt es laut Führer den Barbarossabrunnen aus dem Barbarossa mal getrunken hat. Danach halte ich angestrengt Ausschau. Finde aber nichts. Auch keinerlei Hinweis. Der Kalbach-Effekt. Erst Sehenswürdigkeiten ankündigen. Und dann nicht verraten, wo man sie findet. Der Ort zieht sich. Auswärts wird es auch nicht schöner. Zwischen Tankstellen durch über die Autobahn. Nach Himbach. Himbach hat fachwerkmäßig deutlich mehr zu bieten. Zieht sich aber auch. Am Ortsausgang stelle ich fest, dass ich irgendwo einen Abzweig übersehen habe. Die Sonne scheint inzwischen wie im August. Weshalb es vor Spaziergängern nur so wimmelt. Ich versuche also zu erfragen, wo ich den Weg wiederfinden kann. Was schließlich auch klappt. Der Weg ist jetzt die reine Freude. Weite Ausblicke in allen Richtungen, als es sachte aufwärts geht. Wunderbares Wetter. Was will man mehr.

                    Ich biege wieder in ein Waldstück ein und nun geht es abwärts und abwärts und abwärts auf Düdelsheim zu. So richtig erholsam für die Knie ist das auch nicht. Zumal es so steile Stücke gibt, dass ich mich da vorsichtig hinunterarbeiten muss. Von ganz oben hatte man einen schönen Ausblick auf die nächste Bergkette, die überquert werden muss. Von oben sehen sie immer besonders hoch aus. Na gut, dahinter liegt Glauberg, mein Tagesziel. Das ist zu schaffen.

                    In Düdelsheim fühle ich mich eigentlich angekommen. Nur gibt es hier leider keinen Bahnhof. Ich mache mich also an die Ortsdurchquerung. Neubaugebiet, gesichtslose Irgendwie-Bauten, alter Ortskern und alles in umgekehrter Reihenfolge noch mal. Zu Fuß ist das ganz schön mühsam. Der Seemen unten im Tal ist wenigstens nicht nennenswert über die Ufer getreten. Auf der anderen Seite geht es eine lange Straße aufwärts, aufwärts, aufwärts. Die Bebauung reicht bis ganz oben auf die Hügelkette. Ich habe wieder schöne Ausblicke. Und entdecke, dass Glauberg keineswegs im nächsten Tal liegt. Da ist noch eins dazwischen. Also setze ich mich erst einmal auf eine Bank, genieße die Aussicht und esse und trinke meine letzten Vorräte.

                    Hier oben gibt es Steinformationen zu sehen, die aus vulkanischen Basaltsäulen bestehen. Da führt mich der Weg hin. Danach zu einem Aussichtsturm. Pflichtbewusst klettere ich hinauf. Danach endet der üppige Wegausbau. Über matschige Wiese rutsche ich talwärts, immer den rotkarierten Logos hinterher. Unten angekommen geht es gleich wieder aufwärts. Nun mit Blick auf die "Keltenwelt". Das neue Museum sieht man von sehr weit. Den doch sehr zierlichen Grabhügel davor bald auch. Die Aussenanlagen drum herum hat man nun auch sehr nett angelegt. Eigentlich wollte ich mir das Museum ansehen, aber dazu reicht die Zeit nicht mehr. Ich hole mir an der Kasse einen Stempel und lasse mir zeigen, wo es weiter Richtung Glauberg geht. Das Museum gucke ich mir später mal an.

                    Über den Parkplatz und dann steil die Wiesen abwärts geht es weiter auf Glauberg zu, dass man nun schon friedlich dort liegen sieht. Als ich über den Glauberg komme, ist es schon etwas dämmerig. Links meine ich den Frankfurter Fernsehturm zu sehen, kann mir das aber nicht vorstellen. Da kommt die Sonne noch einmal durch die Wolken und es eröffnet sich ein Blick auf den Taunus und das Rhein-Main-Gebiet. Ein magischer Moment. Und ich verstehe, wie es kam, dass die Kelten diesen Ort für ihr Heiligtum wählten. Ein ganz besonderer Ort. Freundlicherweise liegt der Bahnhof am Ortseingang. Ich lasse mich am Bahnhof auf eine Bank fallen und beschließe, mich hier nicht mehr wegzurühren, bis der Zug kommt. Die Sonne geht pünktlich unter. Der Himmel ein wildes Farbenmeer und kurz darauf völlige Dunkelheit.

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                    • Enja
                      Alter Hase
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                      #11
                      AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                      Inzwischen ist es Januar geworden. Das Wetter ist relativ unverändert. Nicht kalt und nicht warm. Aufheiterungen eher selten. Trockene Tage muss man mit der Lupe suchen. Die nächste Etappe wird weit hinter der letzten Bahnstation enden. Auch weitab der wichtigeren Straßenverbindungen. Es gibt zwar einen Bus zum Bahnhof. Der aber sehr selten fährt. Erst recht am Wochenende. Was tun?

                      Ich versuche es mal anders. Fahrrad auf das Auto. Mit dem Auto ans Etappenziel. Und los geht es mit dem Fahrrad Richtung Etappenstart in Glauberg. Geradeaus hinab ins Tal nach Hirzenhain. Unten biege ich auf den gut ausgebauten Vulkanradweg ein. 20 km auf dem Rad sind keine große Sache. Es geht rasant bergab. Eine einzige kleine Steigung vor Stockheim. Und schon bin ich am Glauberger Bahnhof. Etwas skeptisch kette ich mein Rad an einen der Metallbügel hier. Wird das Rad da abends noch auf mich warten?

                      Aber ich wandere entschieden los. Der Bonifatiusweg führt nicht durch das Tal, sondern oben auf den Bergkämmen entlang. So war das mit den Römerstraßen. Im Tal war man zu leicht angreifbar. Also ging es oben voran. An einer Mühle vorbei geht es also bergauf. Oben wartet der Wald. Heute werde ich nur wenige Orte durchqueren. Es gibt auch nur wenige Stempelstellen. Ich rechne nicht damit, eine geöffnet anzutreffen. Ich erreiche den Waldrand und bald darauf bin ich oben. Nun geht es, relativ geradeaus parallel zum untenliegenden Tal. Immer entlang der "Historischen rechten Nidderstraße". Teilweise ist die alte Pflasterung noch sichtbar. Allerdings haben auch hier die Fahrzeuge der Forstwirtschaft den Weg knietief umgepflügt, so dass ich mir aufmerksam einen begehbaren Weg suchen muss. Wieder sind viele Arbeiter damit beschäftigt, Bäume zu fällen und abzutransportieren. Die Orientierung ist nicht immer ganz einfach. Ab und zu kreuzt der Weg Straßen und Lichtungen, die mir helfen, meinen Standort auf der Karte zu finden.

                      Da die Bäume jetzt im Winter nicht belaubt sind, kann man die Orte unten im Tal liegen sehen. Nach einer Weile führt der Weg am Waldrand entlang und man hat einen weiten Ausblick. Unter mir liegt Effolderbach. Hier gibt es Bänke und ausgebaute Rastplätze. Und man sieht auch noch den Keltenberg mit seiner speziellen Form liegen. Wieder im Wald passiere ich den Abzweig zur Klosterruine Konradsdorf. 6,5 km einfach sind mir zu weit ab vom Weg. Ich gehe weiter.

                      Nun wird es einsamer. Keine Waldarbeiter mehr. Keine Spaziergänger. Auch keine Wegbefestigung mehr. Der Weg wird schmaler und feuchter. Ab und zu hat schon Wild meinen Weg gekreuzt. Jetzt halte ich den Atem an. Eine Rotte Wildschweine. Eine Weile habe ich schon ihre Spuren gesehen, die durchaus mit denen der Waldarbeiter mithalten können. Nun stehen sie vor mir auf dem Weg. Ein sehr eindrucksvoller Keiler guckt in meine Richtung. Dann machen sie alle gleichzeitig kehrt und laufen mit hoch erhobenen Schwänzchen in den Wald. Ein langes Stück ist der Weg jetzt von den Wildschweinen durchwühlt und umgegraben. In der Form habe ich sowas noch nicht gesehen.

                      Auf Eckartsborn zu endet der Wald. Es geht hinaus in die Wiesen. Hier ist es nun viel feuchter. Teilweise kann man das auch kaum einen Weg nennen. Endlos suche ich mir eine möglichst trockene Route durch Gras und Matsch. Eckartsborn wird weitläufig umgangen. Nun geht es ein Wäldchen entlang. Der Weg wird nicht besser. Es tauchen aber trotzdem wieder Spaziergänger auf. Und die "Schafskirche" von Lißberg. Eine kleine Ruine an einem hübschen Ort. Man hielt sie für eine Bonifatiuskapelle. Das stellte sich dann zwar als Irrtum heraus. Aber es ist trotzdem ein netter Ort für eine Rast.

                      Im Bogen um das Wäldchen erreicht man die ersten Häuser von Lißberg. Wohnstraßen entlang durch ein Neubaugebiet geht es so steil den Berg hinab, dass es wirklich erstaunlich ist, dass hier auch Autos hochfahren. Da die steile Schräge zusätzlich vereist ist, brauche ich eine ganze Weile bis ich mich nach unten gearbeitet habe. Es geht über die Nidder. Eine Runde durch den Ort. An einer Selbstbedienungsstempelstelle vorbei und wieder über die Nidder. Und steil nach oben über eine Wohnstraße. Von dort aus hat man noch einmal einen hübschen Blick auf Kirche und Burg von Lißberg.

                      Der nächste Ort ist Hirzenhain, das wie Lißberg im Tal an der Nidder liegt. Der Weg führt aber auch hier nicht im Tal entlang, sondern oben auf dem Hügel durch den Wald. Besondere Ereignisse kann ich von dieser Strecke nicht berichten. Ich setze Fuß vor Fuß. Links Bäume, rechts Bäume. Nach Hirzenhain hinunter geht es über Kehren, also weniger steil und besser begehbar. Und schon stehe ich wieder an der Nidder. Hier überquere ich sie an einem Stauwehr. Sehr hübsch anzusehen. Auch die Lage des Ortes um den kleinen Stausee. Ich nutze noch einmal einen sehr nett ausgebauten Rastplatz, um meine letzten Vorräte zu verzehren. Es sind nur noch 4 km bis Glashütten. Ein älterer Mann setzt sich zu mir und erzählt mir, wie er 1000 km durch Rußland gewandert ist. Bei sehr viel schlechterem Wetter. Und nicht mit so schönen Wanderschuhen wie ich sie habe.

                      Hirzenhain ist der ursprüngliche Standort von Buderus. Drum herum gibt es interessante Ruinen aus der Frühzeit der industriellen Revolution zu sehen. Ihre Funktion kann ich überwiegend nicht so richtig zuordnen. Ein Buderus-Kinderheim steht an der Straße. Und natürlich gibt es auch eine Zwangsarbeiter-Gedenkstätte im Wald.

                      Während die Straße jetzt dem Tal eines Nidder-Zuflusses nach Glashütten folgt, nimmt der Bonifatiusweg noch zwei weitere Gipfel mit. Der Weg ist immer schlechter begehbar. Aussicht gibt es auch - auf die Straße. Als der Weg die Straße kreuzt, biege ich also Richtung Ort aus.

                      So ein Autositz hat was. Noch das Fahrrad aufsammeln und nach Hause.

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                      • blauloke

                        Lebt im Forum
                        • 22.08.2008
                        • 9103
                        • Privat

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                        #12
                        AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                        Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                        Auf dieser Etappe waren viele evangelische Kirchen dabei. Da stand auch gleich dran "geöffnet während der Gottesdienste". Da ich selber evangelisch bin, kenne ich das. Weiß auch, warum das so ist.
                        Warum sind die evangelischen Kirchen in der Regel geschlossen? Ich frage mich das schon lange. Kannst du mir den Grund nennen?

                        Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                        Hier im Rhein-Main-Gebiet sind die meisten katholischen Kirchen auch gut verschlossen.
                        Manchmal sind bei uns katholiche Kirchen auch zu gesperrt, wenn sie schon schlechte Erfahrungen mit Diebstählen gemacht haben. Oft kann man nur den Eingangsbereich betreten und ein Gitter sperrt den Kirchenraum ab, aber man kann zumindest das Innere Ansehen.

                        Franken ist ja auch überwiegend evangelisch. Dort gibt es aber immer mehr evangelische Kirchen die unter dem Motto "offene Kirche" auch ausserhalb des Gottesdienstes offen sind.
                        Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                        • Enja
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                          • 18.08.2006
                          • 4898
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                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                          So im Groben: Eine katholische Kirche ist das Haus Gottes. Der wohnt dort. Du kannst ihn jederzeit besuchen. Eine evangelische Kirche ist ein Haus, in dem sich die Gemeinde trifft. Wenn die Gemeinde sich dort nicht trifft, ist es einfach nur ein Haus. Was sollte man dann dort wollen? Wenn du evangelisch bist, wohnt Gott überall. Du musst nicht in die Kirche.

                          Hier bei uns ist es tatsächlich unmöglich, eine Kirche unbewacht offen stehen zu lassen. Scheixx-Haufen sind noch das Geringste. Da wird alles zerstört und alles mitgenommen, was nicht angeschraubt ist. Bzw. das natürlich auch.

                          Auf den Dörfern ist das anders. Da stehen die katholischen Kirchen meist offen. Und die evangelischen sind verschlossen.

                          Dann kommst du da mit dem Pilgerführer angelaufen. Darin sind die Kirchen beschrieben. Häufig haben sie auch Bezug zum Bonifatius-Weg. Du liest das, denkst, "muss ich sehen" und stehst dann vor verschlossener Tür. Das macht nicht unbedingt Freude.

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                          • Enja
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                            • 18.08.2006
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                            #14
                            AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                            Die letzten drei Etappen laufen wir zu zweit. Am Stück. Tägliche An- und Abreise ist hier nicht mehr machbar. Die Unterkunft liegt ein Stück abseits vom Weg. Besser gelegeneres habe ich nicht auftreiben können. Auto und Räder kommen also mit. Die Fahrradstrecken in Gegenrichtung sind jetzt nicht mehr so praktisch abwärts. Die nächste Etappe überquert den „Vogelsberg-Hauptkamm“. Dahin geht es aus beiden Richtungen bergauf. Das Wetter sollte eigentlich gut sein. Satt über null Grad. Sonnenschein. Kein Regen. Aber es kommt anders. Es schneit und schneit. Kein Gedanke daran, mit dem Fahrrad auf dem Vulkanradweg über Hartmannshain zu fahren. Ich suche eine Busverbindung raus. Wenn es irgendwie klappen soll, müssen wir den Bus um 8.00 Uhr in Ilbeshausen erwischen.
                            Während bei uns kein Schnee liegt, finden wir im Vogelsberg eine Winter-Wunder-Landschaft vor. In Ilbeshausen türmen sich die Schneehaufen so hoch, dass wir kaum ein Plätzchen für das Auto finden. An der Bushaltestelle warten die Schulkinder. Der Bus plant die 20 km in guten zwei Stunden zurückzulegen. Wir können also noch ein Nickerchen halten.
                            Glashütten kennen wir schon. Es liegt immer noch scheinbar menschenleer da. Wir laufen durch den Ort und biegen in den Bonifatiusweg ein. Es liegt Schnee. Der Weg ist aber bequem begehbar. Wir folgen ein Stück der Hiller bis sich der Weg aufwärts Richtung Wald wendet. Davor überqueren wir eine Wiese auf der der Wind starke Wehen aufgetürmt hat. Im Wald wird das besser und wir sind auch etwas vor dem starken eisigen Wind geschützt. Weiter geht es im Tal der Nidder. Der Schnee liegt etwa 30 cm hoch und wir merken, dass wir sehr viel langsamer voran kommen als gedacht.
                            Der Wanderweg kreuzt eine Straßenkreuzung. Theoretisch. Praktisch ist keinerlei Markierung vorhanden und der Weg geradeaus führt ins Tal während wir laut Karte und Bonifatius-Prinzip oben auf den Kamm entlang laufen sollen. Immer noch auf der Historischen Rechten Nidderstraße. Unten im Tal entlang läuft eine Straße. Dahin könnten wir ausweichen, falls der Weg nicht mehr begehbar ist. Orte gibt es heute nur an Start und Ziel. Wir brauchen einige Versuche bis wir den Weg wiederfinden. Er liegt wirklich "sehr oben" auf dem Kamm. Der Wind pfeift drüber. Immer mehr und immer höhere Schneewehen liegen quer. Und da es stetig in Richtung Hoherodskopf bergauf geht, liegt auch zwischen den Wehen der Schnee immer höher. Mir reicht er jetzt etwa bis zu den Knien. Fußspuren sind hier keine zu erkennen.
                            Gefühlte Stunden geht es jetzt immer so weiter. Die Wolken hängen tief. Die Hänge vor uns sind vernebelt. Der Wind wird immer stärker. Man sieht gerade bis auf die Orte im Tal. Die Berge sind verborgen. Uns bleibt ein grau-weißer Tunnel. Kein Wald, der uns mal Windschutz bieten könnte in Sicht. Während wir überlegen, doch lieber ins Tal abzusteigen, kommen wir auf einen geräumten Weg und sind bald wieder tatendurstig, folgen also weiter dem Kammweg und biegen willig in die Schneewehen ab, als die rot-weißen-Schildchen uns dazu auffordern.
                            Irgendwann queren wir die Straße zwischen Hartmannshain und Schotten. Auf dem Vulkanradweg ginge es jetzt abwärts. Auf dem Fußweg zunächst auch. Wir erreichen eine Art Kuhstall und machen es uns auf den Heuballen bequem. Endlich mal aus dem Wind. Kurze Zeit drauf erscheint der Bauer und heißt uns herzlich willkommen. Als wir ihm erzählen, wo wir hinwollen, guckt er besorgt. „Das ist aber noch weit. Das geht noch ordentlich bergauf. Da habt ihr das meiste an Schnee erst noch vor euch.“ Oh. Wir dachten eigentlich, wir wären über den Kamm. Ich packe also mal den Wanderführer aus. Und tatsächlich. Wir sind an der Wüstung Sichenhain. Durchqueren danach das Nidderquellgebiet und umrunden dann auf stetig steigendem Weg den Rehberg in Richtung Hoherodskopf. Der Rehberg ist ein ehemaliger Vulkan und kreisrund. Am Hand liegen riesige ebenfalls abgerundete Felsbrocken. Da alles überschneit ist, kann man nur ahnen, wie das im Sommer aussieht. Hier im Wald liegt der Schnee weniger hoch als auf freiem Feld. Und man kann in Fahrspuren laufen. Manche davon sind allerdings so schmal, dass man sich wie auf dem Laufsteg fortbewegen muss. Weiter auf den Hoherodskopf zu sind die Wege sogar geräumt. Es gibt viele Rastplätze und Informationstafeln.
                            Es wird glatt und glatter. Je mehr geräumt worden ist, desto blankeres Eis ist zurückgeblieben. Wir überqueren an einer Kreuzung den höchsten Punkt der Wanderung an einem Hinweisschild und gleich geht es wieder aufwärts. Solche Tafeln darf man wohl nicht so wörtlich nehmen. Aber nun geht es ernsthaft bergab. Es sind immer noch annähernd 6 km bis Ilbeshausen. Und die Weggestaltung entwickelt sich wieder rückwärts. Erst rutschen wir noch auf perfekt geräumter Eisfläche abwärts. Dann schliddern wir in Fahrspuren, so dass ich mich entscheide, lieber durch den tiefen Schnee dazwischen zu pflügen. Und bald stapfen wir auch wieder durch tiefen Schnee.
                            Obwohl der Weg uns immer noch durch den Wald führt, pfeift der Wind. Gemeinsam mit der relativ hohen Temperatur so um die 0 Grad führt das dazu, dass immer wieder Eiszapfen aus den Bäumen schießen. Der Weg zieht sich. Tapfer setzen wir einen Fuß vor den anderen. Wir können nicht mehr weit vom Ziel entfernt sein, als wir auf eine Hütte treffen. Perfekt. Eine nagelneue Hütte mit Tür, Fenstern, Bänken, Tisch mit Kerzen drauf. Endlich mal aus dem Wind. Wir setzen uns an den Tisch zum Picknick.
                            Erfrischt legen wir die letzten Kilometer zurück. Bald werden die ersten Häuser zwischen den Bäumen sichtbar. Noch durch den langen Ort zur Bushaltestelle, in deren Nähe das Auto wartet.

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                            • Enja
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                              • 18.08.2006
                              • 4898
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                              #15
                              AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                              Der nächste Tag. Das Wetter unverändert. Über Nacht hat es heftig gefroren, so dass die Wege eine einzige Eisbahn sind. Trotzdem müssen wir heute Rad fahren. Zwischen Ziel und Start gibt es keine Busverbindung. Die Straßen sind geräumt. Die Radwege natürlich nicht. Irgendwie wird es gehen. Wir stellen das Auto an der Kirche in Hainzell ab und laden die Fahrräder ab. Dick eingewickelt machen wir uns auf den Weg. Es geht. Die Straße ist nicht sehr befahren. Uns wird schnell warm. Kein Wunder. Es geht gleich erst einmal eine 14 %-Steigung hinauf. Die Beine sind noch müde von gestern. Es geht über Blankenau, Stockhausen, Schlechtenwegen und Altenschlirf nach Ilbeshausen. Zwischen zwei Orten geht es jeweils über einen Berg. Wir sind ziemlich verfroren, als wir die Räder in Ilbeshausen an der Kirche in einen Schneehaufen heben, um sie an einer Laterne anzuketten.
                              Beim Laufen wird uns wieder warm. Der Weg biegt bald seitlich ab und führt einen vermutlich grasigen Hügel hinaus. Gestern war der Schnee angetaut, wurde kräftig zerfahren und ist nun zu einer rilligen Angelegenheit gefroren. Teils schliddert man über blankes Eis, meist turnt man über die Rillen. Hat was von Fuß-Reflexzonen-Massage.
                              Heute geht es wieder durch Dörfer, so dass wir auf Bäckereien hoffen. Oben auf dem Hügel angekommen, sieht man unten schon das erste liegen. Nösbert-Weidmoos. Im Ort ist Salz gestreut. Statt über eisige Rillen zu turnen, watet man hier durch braunen Matsch. Wir erreichen eine interessante Kreuzung. Es gibt Wegweiser in zwei verschiedene Richtungen. Wir glauben der Karte und biegen ab. Auf der anderen Seite der Durchgangsstraße findet sich eine Infotafel mit Selbstbedienungs-Stempelstelle.
                              Dahinter geht es über eine tief verschneite Wiese. Scheinbar ohne Weg, obwohl man das nicht so erkennen kann. Es gibt keinerlei Fußspuren. Wir passieren eine Scheune und wollen schon umkehren, als wir an der anderen Seite der Wiese eine Bank sehen. Tatsächlich gibt es dort einen Weg. Schilder hat man hier eingespart. Es ist aber möglich, der Karte zu folgen. Nachdem wir noch eine Autostraße überquert haben, biegen wir in einen tief verschneiten Pfad ein und pflügen uns erleichtert durch den Tiefschnee. Ist zwar anstrengend, aber besser als Eis. Bald haben wir Steinfurt erreicht. Aber auch hier gibt es keinen Bäcker. Es ist totenstill. Kein Mensch. Kein Hund bellt. Kein Auto ist zu sehen. Wir laufen zügig durch.
                              Nun liegt die bewaldete Hügelkette vor uns, die wir über Stockhausen umfahren haben. Drüben auf der anderen Seite des Tals liegt Schlechtenwegen. Hügelaufwärts kommen wir in einen Wald. Auch hier wird wieder gearbeitet. Ein riesiges Fahrzeug mit Rädern, deutlich größer als wir, und Schneeketten kommt uns entgegen. Wir müssen vom Weg weg über den Graben klettern, um es durchzulassen. Im Wald treffen wir auf seine Spuren. Da haben wir ordentlich zu klettern.
                              Im Wald geht es stetig bergauf. Mangels Bäcker setzen wir uns auf einen Stapel Holzstämme und frühstücken. Es ist nicht so kalt, wie man denken könnte. Eher so um die null Grad. Es tropft aus den Bäumen. Im Wald liegt weniger Schnee als auf den Feldern. Hier geht es sich recht angenehm. Wir haben keine Eile, da die heutige Etappe deutlich kürzer ist als die gestrige.
                              Schließlich erreichen wir das Ende des Höhenzugs und steigen hinab in das Tal der Lüder, in die bald darauf die Schwarza mündet, der wir bislang gefolgt sind. Den Lüder entlang geht es auf Blankenau zu. Schon von weitem sieht man den Dachreiter des Zisterzienserklosters. Wir folgen in aller Gemütlichkeit den rot-weißen Schildern, die uns einmal um das Dorf herum und dann von hinten wieder herein bis zum Kloster führen. In der Kirche ist es angenehm warm und wir setzen uns eine Weile in die Kirchenbänke. An einem Seitenaltar ist ein Stempel angekettet. Bonifatius grüßt aus dem Deckengemälde.
                              Weiter geht es durch die Flussaue nach Hainzell. Um uns herrscht jetzt Tauwetter. Der Weg ist zu einer matschigen Angelegenheit geworden.

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                              • Enja
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                                • 18.08.2006
                                • 4898
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                                #16
                                AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                                Heute freuen wir uns auf die Ankunft in Fulda. Wir parken unser Auto am Dom und starten die morgendliche Radtour auf schneefreien Radwegen. Über Neuenberg, Maberzell und Oberbimbach erreichen wir Großenlüder. Hierbei merken wir bald, dass die Radwege dort, wo noch Schnee liegt, nicht befahrbar sind. Die Straße ist hier eine Schnellstraße. Also auch nichts für uns. Wir sind also froh, als wir Großenlüder erreicht haben, finden einen Fahrradwegweiser nach Kleinlüder, das neben Hainzell liegt und folgen ihm. Allerdings nicht lange. Dann geht es in hohem Schnee aufwärts in den Wald. Wir kehren um, überqueren den Bach auf einer Art Behelfsbrücke und erreichen so die Straße. Nun sind wir bald in Hainzell und ketten unsere Räder wie gewohnt an der Kirche an.
                                Da wir nun schon mal hier sind, sehen wir uns die erfreulicherweise geöffnete Kirche an. Sie ist Simplizius, Faustinus und deren Schwester Beatrix geweiht, die man hier auf einem Mosaik, dass die Pfarrei Generosa in Magliana in Rom gestiftet hat. Der Weg führt an der Kirche entlang in Richtung Ortsrand, wo wir auf eine leibhaftige geöffnete Bäckerei treffen, der wir natürlich einen Besuch abstatten müssen. Gestärkt machen wir uns an den heutigen langen Aufstieg. Bald pflügen wir wieder durch knietiefen Schnee. Ein Stück weiter geht es in den Wald und immer weiter aufwärts. Wir sehen häufig Wild. An einem Baum hängt ein Schild, wohin man sich wenden soll, wenn man die hier geschossenen Bambis käuflich erwerben möchte. Wir folgen dem Historischen Ortesweg. Nach einer Weile geht es abwärts ins Tal von Kleinheiligkreuz. Hier gibt es ein riesiges Feriendorf und auch sonst noch allerhand Gastronomie. Für ein gepflegtes Mittagessen ist es aber zu früh. Das rot-weiße Logo schickt uns aufwärts in Richtung Wallfahrtskirche. Wir sehen sie uns an und überlegen dann, wie es wohl weiter geht. Keine Wegweiser. „An der Kirche vorbei“ wirft Fragen auf. Am Backhaus vorbei. Steil über die Wiese aufwärts. Ja, da führen ein paar Spuren hoch. Kurz drauf finden wir, wie im Führer beschrieben, die 14. Station eines Kreuzwegs, dem wir jetzt bis zur Schnepfenkapelle folgen werden.
                                Der Kreuzweg ist nicht geradlinig. Es muss immer wieder abgebogen werden. Dabei geht es bergauf durch den Wald. Der Schnee ist hier wieder überwiegend knietief. Dazu gibt es Wehen. Die Wegweisung ist relativ vollständig. Ab und zu kreuzt Wild unseren Weg. Wir genießen das. Ab Schnepfenkapelle gibt es keinen Wald mehr.
                                Schließlich erreichen wir den Waldrand und sehen die Kapelle. Niedlich. Eine Kleinst-Kirche wie aus dem Bilderbuch. Sie wurde neben einem Bauernhof errichtet, nachdem der Bauer am Wegesrand eine Pieta fand. Eine verbreitete Gründungslegende. Gleich am Turm stehen links und rechts zwei sehr große Bäume, deren Kronen oben über dem Dach zusammenstoßen. Ein hübsches Bild. Neben der Kapelle gibt es eine urgemütliche Gaststätte. Und auch einen Parkplatz und damit Menschen. Bisher haben wir heute noch keine getroffen. Wir verweilen einen Moment in der Kirche, die vorbildlicherweise geöffnet ist.
                                Um die Kirche herum biegen wir ab vom historischen Ortesweg und ein in die Altsanvia. Am Horizont sehen wir Fulda liegen und dazwischen hügelt die Landschaft abwärts auf das Fuldatal zu. Der neue Weg ist nicht weniger beschneit als der bisherige, aber wir stapfen munter abwärts auf Malkes zu. Der Ort ist nicht besonders groß, hat einen hübschen Fachwerk-Ortskern und war mal Bundessieger bei „Unser Dorf soll schöner werden“, wie man überall lesen kann. In der Ortsmitte steht die alte Dorfkirche, die eine St. Jakobus-Kirche ist. Auf dem Altar bewundern wir die Holzfigur des Jakobus mit Stock, Hut, Pelerine und Muscheln.
                                Nach ausführlicher Besichtigung der Kirche überqueren wir die Durchgangsstraße und verlassen den Ort. Der Karte nach führt der Weg auf das Gewerbegebiet von Rodges zu und biegt, direkt davor ab. Tatsächlich ist aber das Gewerbegebiet offensichtlich erheblich gewachsen. Ein endloses Stück laufen wir jetzt an Werkshalle auf Werkshalle vorbei. LKW-Parkplätze. Recycling-Höfe. Es gibt wirklich sehr schöne Wege auf Fulda zu. Dieser gehört jedenfalls nicht dazu.
                                Der Schulzenberg kommt in Sicht und ragt hinter den Werkshallen auf. Fulda wollte im Mittelalter nach römischem Vorbild 7 kirchengekrönte Hügel haben. Dies war einer davon. Die Kirche existiert nicht mehr, aber die Kapelle, die sie ersetzt, ist auch sehr dekorativ. Auf den Hängen sichten wir allerhand Wild. Wir erreichen den Ort Rodges, der neben seinem riesigen Gewerbegebiet winzig erscheint und durchwandern ihn. Am Ortsausgang es noch einmal links ab von der Straße ein Stückchen den Schulzenberg hinauf.
                                Haimbach, der letzte Ort vor Fulda ist schon in Sicht. An einem Wegkreuz hat sich die Mofa-Jugend versammelt. Schließlich biegen wir in eine Straße ein. Zurück ein wunderschöner Blick auf den Schulzenberg und schon schliddern wir auf einem maximal vereisten Bürgersteig abwärts in den Ort und auf der anderen Seite wieder hinaus. Parallel zur Hauptverkehrsstraße geht es Richtung Dom. Neben uns eine maximal verdreckte Böschung.
                                Am Dom angekommen, läuten die Glocken und der Papst tritt zurück. Allerdings ist der Dom verschlossen. Keine Chance, das Bonifatius-Grab in der Krypta zu besuchen. Etwas verloren stehen wir auf dem Vorplatz. Also gut. Da müssen wir wohl nochmal nach Fulda. Vielleicht im Sommer. Ich kenne zwar den Dom wie meine Westentasche, da ich „an ihm“ mal gearbeitet habe. Aber der andere Blick mit der Bonifatius-Brille…..
                                Wir suchen den Domladen auf. Wäre nett, so ein Stempel zum Abschluss. Eine Urkunde gibt es sowieso nicht. Im Domladen kennt man den Bonifatiusweg nicht. Nichts zu machen. Sie raten uns, die Touri-Info aufzusuchen. Eigentlich haben wir keine Lust, aber gut. Es ist nicht weit. Dort auch: Blankes Erstaunen. Vom Bonifatius-Weg hat die nette, junge Frau noch nie was gehört. Sie geht die Chefin suchen. Zusammen graben sie einen Stempel aus. Und Überraschung: Es ist der offizielle Bonifatius-Routen-Stempel. Anscheinend hat noch nie jemand nachgefragt.
                                Eigenartiges Ende eines Pilgerwegs. Wir gehen essen. Das haben wir uns verdient. Aber nicht in Fulda.
                                Zuletzt geändert von Enja; 27.03.2013, 08:34.

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                                • Gast-Avatar

                                  #17
                                  AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                                  Sehr schön, wer kennt schon all die plötzlich sprießenden historischen Pilgerwege … man folge dem Leichenzug.

                                  Immerhin, eine Pilgerin, die nicht jedes Quadrat um den Acker gehen muss. Ich treff manchmal welche, die wissen wollen, wo es lang geht - wo geht hier der Jakobsweg? Und sie halten das für eine völlig naheliegende Frage, die doch leicht zu beantworten sein muss, wenn man hier wohnt (ich weiß das gewöhnlich nicht, man erinnert sich dann, da hinten am Baum entlang der Sonntagsspaziergang-Joggingstrecke, da leuchtet wohl so ein Zeichen, achso, ich bin also öfters auf einem Jakobsweg unterwegs anscheinend). Man sagt ihnen, sie könnten gleich weiter auf dem Weg da vorne geradeaus, aber nein, die Karte sagt, man muss erst noch um den Acker, um dann wieder auf den Weg einzubiegen – und das machen sie dann.

                                  Was hat es eigentlich mit dieser Stempelei auf sich?

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                                  • Enja
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                                    • 18.08.2006
                                    • 4898
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                                    #18
                                    AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                                    Wenn du Pilgerunterkünfte nutzen willst, brauchst du einen Pilgerpass und musst den regelmäßig stempeln lassen, um nachzuweisen, dass du tatsächlich zu Fuß, mit dem Rad oder zu Pferde dem Pilgerweg folgst. Aus diesem Grund hatte ich mir für den Jakobsweg einen bestellt und den zunächst ab und zu, später regelmäßig stempeln lassen. In Santiago bekommt man dann dafür die Compostela. Also eine Urkunde, die besagt, dass man dort hin gepilgert ist. Und der Pilgerpass ist natürlich eine nette Reise-Erinnerung. Je nach Pilgerweg gibt es auf den Pilgerpass weitere Nachlässe.

                                    Auf dem Bonifatiusweg gibt es weder preiswerte Pilgerunterkünfte noch am Ende eine Urkunde. Der Pilgerpass ist also reine Privatsache.

                                    Warum so einem Weg folgen? Zunächst mal, weil man sich dann einfacher orientieren kann und solche Wege meist nach irgendwelchen Gesichtspunkten angelegt werden. Jeder hat seine eigene "Handschrift". Man kommt dann an entsprechenden Sehenswürdigkeiten vorbei, an Aussichtspunkten und speziell angelegten Rastplätzen.

                                    Wenn es mir einfach nur drum ginge, nach Fulda zu wandern (welchen Grund sollte ich dafür eigentlich haben?) könnte ich natürlich direkt drauf zu marschieren. Benutze ich verschiedene Themen-Wege, lerne ich Varianten kennen und die Touren unterscheiden sich. Nach Fulda kenne ich also schon den zugehörigen Fern-Radweg, die Via Regia, den Jakobsweg, die Märchenstraße, den Vulkan-Radweg, den Fulda-Radweg usw.

                                    Ich bin zum Beispiel von berufswegen und auch privat historisch/kunsthistorisch interessiert. Da sind die Pilgerwege meist interessant.

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                                    • Enja
                                      Alter Hase
                                      • 18.08.2006
                                      • 4898
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                                      #19
                                      AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                                      Zum Schluss noch ein paar Infos.

                                      Das hier ist die offizielle HP:

                                      http://www.bonifatius-route.de/index.html

                                      Für die Etappenplanung habe ich mich am Wanderkompass orientiert:

                                      http://www.wanderkompass.de/Rheinlan...ius-route.html

                                      Bis Glashütten bin ich in Meindl-Wanderhalbschuhen gelaufen. Bis dahin lag der Schnee maximal knöcheltief. Für die drei letzten Etappen durch knie- bis hinterntiefen Schnee dann Meindl-Winderwanderstiefel. Beide Varianten haben sich gut bewährt.

                                      Meine Sommer-Radhose mit einer warmen Jogginghose drunter. Die eine wärmte, die andere war hinreichend wasserabstoßend und leicht trocknend. T-Shirt, Baumwollbluse, Nickyjacke und oben drüber meine 30 Jahre alte rein-baumwollene Stalljacke.

                                      Einen Tagesrucksack. Auf der Etappe über den Hoherodskopf hatten wir einen Satz Wanderstöcke dabei, die besonders bergab auf Eis sehr hilfreich waren. Auf den folgenden Etappen haben wir sie trotzdem nicht mehr mitgenommen, da wir keine Lust hatten, sie auf dem Rad zu transportieren.

                                      Handschuhe. Keine Kopfbedeckung.

                                      Die "Erfahrenen" hatten Schneeschuhe empfohlen. Das wäre sicher eine Option gewesen. Da wir aber keine besitzen, ging es auch ohne. Ob es "mit" besser gegangen wäre, kann ich mangels Erfahrung nicht einschätzen. Irgendwann probiere ich das mal aus.

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                                        Liebt das Forum
                                        • 16.08.2008
                                        • 32306
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                                        #20
                                        AW: [DE] Auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda

                                        Ein schöner Bericht und sehr anschaulich geschrieben. Die Bilder konnten im Kopf entstehen. Einen Teil der Region habe ich vor Jahren zu Fuß erkundet. Hat Spaß gemacht, sich einmal wieder daran zu erinnern.
                                        Oha.
                                        (Norddeutsche Panikattacke)

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