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Ich möchte mir einige wüst gewordenen Kirchen in der Uckermark ansehen.
Damit klar wird was ich damit meine, muss ich kurz ausholen. Die Zeit des 14./15. Jh. war recht einschneidend für ganz Europa. Pest, Ernteausfälle aufgrund des Klimawandels und Kriege führten zu einer enormen Dezimierung der Europäischen Bevölkerung.
Auch in der Uckermark waren die Konsequenzen beachtlich. In vielen Dörfern starb die gesamte Einwohnerschaft und das Dorf zerfiel. Manchmal wurden diese Dörfer, ein paar hundert Jahre später wieder neu gegründet, meist etwas entfernt vom ursprünglichen Ortskern. Aufgrund der stabilen Bauweise "überlebten" die Kirchen diesen Prozess manchmal. Wie gut oder schlecht sie das taten, will ich mir mal ansehen.
So viel zur Theorie.
1. Tag
Die Tour beginnt Anfang Oktober in Angermünde, da ich mir auch den Grumsin ansehen möchte. Dieser, seit kurzem zum Weltnaturerbe gehörendem Buchenwald, reizt mich wegen seiner Unberührtheit sehr.
Zeitig geht es los mit dem Zug von Berlin nach Angermünde. Im Fahrradabteil regt sich eine korpulente Frau auf weil ein älterer Herr sie bittet einen Platz weiter zu rutschen damit er sein Fahrrad abstellen und sich hinsetzen kann. Mhm. Da bin ich doch gleich für mehr gesellschaftliche Akzeptanz fürs Frustfressen. Angekommen halte ich mich nicht lange in der Stadt auf und fahre zügig gen Osten.
In Zuchenberg ein kleiner Stopp an der Bushaltestelle. Ein Kätzchen giert nach Streicheleinheiten, die es von mir auch bekommt. Dafür bekomme ich sie aber während meiner 15 minütigen Pause nicht von meinem Schoss runter.

Kurz darauf radle ich schon mitten durch den Wald und freue mich darüber wie ein Schneekönig.
Drei Dinge gefallen mir besonders an der Uckermark. Die Feldsteinbauten, die Sümpfe in den Buchenwäldern und die, mit alten Obstbäumen bepflanzten, Kopfsteinpflaster-Alleen. Von all dem werde ich reichlich zu sehen bekommen.




Bei Luisenfelde war ich mir unsicher ob ich den Weg quer durch den Wald nehmen darf. Im Internet habe ich nix von einem Verbot finden können und auch vor der Abzweigung finde ich nur ein Hinweis auf das Verbot von Kraftfahrzeugen. Frohen Mutes radle ich also mitten durch. Die Schönheit und Unberührtheit der Natur dort begeistert mich sehr und ich freue mich dass ich so etwas in Deutschland auch mal vor die Nase bekomme.





Als ich dann aber an die nächste Straßenkreuzung komme und mich umdrehe, bemerke ich ein Schild dass eindeutig darauf hinweist dass ich mich in einem Irrtum befand. "Menschen verboten", tja jetzt weis ich auch wieso es da drin so schön war. Böser Fehler; hätte ich nicht gemacht wenn ich gewusst hätte dass man die Kernzone nicht ohne weiteres betreten darf.
Ich verlasse den gesperrten Bereich nicht zu früh, den als ich das Fahrrad den nächsten sandigen Berg hochschiebe, tuckert mir ein älterer Jägersmann, bewaffnet und in voller Tarnmontur, auf seiner Simson entgegen. Entgeistert schaut er auf Zelt und Isomatte auf meinem Fahrrad. Ich weis schon was für ein Film bei ihm im Kopf abläuft: Koma saufende Jugendliche, die nachts im Wald randalierend Baum und Tier belästigen. Mein freundlicher Gruß reißt ihn aus seinen Altherrenphantasien.
Das vorherige schieben möchte ich ausgleichen und bretter ziemlich wild den Berg hinab. Dabei mache ich mir dann doch Sorgen ob meine Fahrradtaschen aus der Tschibo-forschung, durch das gerüttelt nicht links und rechts in den Wald fliegen.
Kurz darauf, komme ich an zwei geführten Wandergruppen vorbei. Wenn die gesehen hätten wie ich aus dem gesperrten Bereich raus gefahren wäre, hätten die mich sicher angeschaut als hätte ich persönlich zehntausende Meeresvögel in Rohöl getaucht. Was der bewaffnete Großwildjäger gemacht hätte will ich mir gar nicht erst ausdenken.
Ich fahre durch das beschauliche Altkünkendorf und mache dort vor der Kirche Pause für ein 2. Frühstück.


Am Heiligen See nehme ich Wasser auf, hoffe der Name ist Programm. Kurz darauf merke ich wie ich Luft im Vorderrad verliere, aufpumpen hilft nicht und ich entdecke die Reißzwecke im Reifen. Ärgerlich, aber immerhin nur der Vorderreifen. Also Taschen ab und den Schlauch mit einem weiteren Flicken dekoriert.
Weiter geht’s mit Aussicht auf den See, auf dessen Oberfläche das Sonnenlicht wunderschön spiegelt. Durch Wolletz fahre ich nach Norden und dann Richtung Autobahn. Auf den vielen Waldwegen verfranse ich mich kurz, komme aber doch durch eine Unterführung auf die andere Seite.



Hinter Neuhaus folge ich dem Waldweg durch ein sehr schönes Naturschutzgebiet und komme in Hessenhagen an der Landesstrasse heraus. Ab hier wird es schwierig, die Strasse verläuft auf offenem Gelände und ich habe starken Gegenwind. Ich fahre Nordwärts, durch diverse Kleckerdörfer und hinter Berklatten finde ich, direkt an der Strasse die erste Kirchenruine.


Wo ich gerade da bin, schaue ich mir in Gerswalde auch gleich noch die Wasserburg an.


Westlich von Gerswalde lag einmal das Dorf Langenhagen. Davon ist nichts weiter übrig geblieben als ein paar Reste der Kirche, die ich gut versteckt, im Gebüsch finde. Wann und warum das Dorf verlassen wurde ist nicht bekannt. Aber vermutlich waren es die üblichen Verdächtigen.


Über einen Feldweg geht es weiter nach Norden. Unterwegs, wie auch während der gesamten Tour, sammele ich Obst von den Bäumen neben der Strasse. Es ist Anfang Oktober, alles hängt überreif in den Zweigen und ich bekomme die Gelegenheit Äpfel, Birnen und Pflaumen in diversen Sorten probieren zu können.
Vor Blankensee entdecke ich die wüste Kirche des ehemaligen Ortes. Auch von ihr ist nicht viel übrig geblieben.


Mittlerweile bin ich recht erschöpft und es ist auch Zeit ein Plätzchen für die Nacht zu finden. Am nächsten Pflaumenbaum halte ich aber dennoch und probiere vorsichtig. Sie schmecken unanständig süß.
Irgendwo im Wald in der nähe der Rauhberge finde ich einen sicht- und regengeschützten Platz für mein Zelt. Mit der Dunkelheit beginnt es zu regnen und starker Wind rauscht durch die Bäume. Ich höre Äste auf den Boden fallen und sicher tappt auch das eine oder andere Tier um das Zelt. Was ich nicht weis macht mich nicht heiß, denk ich mir, stopf mir Ohropax in die Ohren und schlafe ein.
2. Tag
Am nächsten Morgen stehe ich zu spät auf aber immerhin ist das Zelt wieder getrocknet. Schnell packe ich zusammen weil ich schon die ersten Pilzsammler/Förster/Waldmenschen durch den Wald fahren sehe. Natürlich vergewissere ich mich dass ich alles so hinterlasse wie angefunden. Da ich erst einmal keine Lust auf sandigen Waldweg habe steuere ich die Strasse an. Zwischendurch gibt es Frühstück an einer Rastbank.


Als ich die Strasse Richtung Beenz verlasse, geht es durch ein hübsches Waldstück und ich durchfahre eine alte, stillgelegte Eisenbahnbrücke. Im Ort begehe ich abermals Mundraub an wehrlosen Pflaumenbäumen und fahre weiter am Eisenbahngleis entlang. Diese "Strasse" nach Groß Sperrenwalde, besteht aus aneinander gelegte Betonplatten wie man sie häufiger in der Region antrifft.




Im Ort Groß Sperrenwalde befindet sich, genau neben der Bushaltestelle, eine weitere Kirchenruine. Die ist relativ gut erhalten und macht einiges her.


Vor Klein Sperrenwalde will ich hinten Luft nachpumpen und zerrupfe mir dabei irgendwie das Dunlop-Ventil. Naja, das ganze wird irgendwie semiprofessionell "repariert", aber dann im Ort merke ich dass ich doch noch Luft verliere. Vermutlich bin ich beim Luft aufpumpen zu rabiat, denn bei der Folgereparatur zerpflücke ich ein zweites Ventil. Ich habe die Nase voll und ich zieh den Ersatzschlauch rein. Der hat ein Auto-Ventil und hält was er verspricht.
Kurz vor Kröchlendorff liegt die gut erhaltene wüste Kirche des ursprünglichen Dorfes.




Im heutigen Dorf Kröchlendorff geht es an der modernen Schlosskirche vorbei in ein Waldstück gen Boitzenburg. Die sehr schöne, aber sandige Strecke führt mich an der Rummelspforter Mühle vorbei ins NSG Boitzenburg. Neben sehr hügeliger Radwanderstrecke gibt es hier auch einige sehr schöne, uralte Bäume.


An der Klosterruine vorbei fahre ich erschöpft schnaufend in die Stadt hinein und gönne mir eine Pause im nächsten Eiscafe. Nach einem dickem Eisbecher (mit Kürbis-Ingwer-Eis o_O) lass ich mir noch eine Wasserflasche auffüllen und fahre weiter nach Krewitz.
Die letzte Kirchenruine für heute finde ich abermals kurz vor dem Ortseingang im Gestrüpp. Auch hier hat der Zahn der Zeit ordentliche Arbeit geleistet.

Der Feldweg nach Mellenau ist mit Bäumen verbarrikadiert. Es macht den Anschein ein paar Hinterwäldler möchten die Gringos davon abhalten über ihre Ranch zu galoppieren. Ich lasse mich aber davon nicht abschrecken und werde mit einer landschaftlich wunderschönen Strecke belohnt.


Es geht weiter auf offener Strasse auf der mich der Gegenwind wieder einmal fast vom Sattel zieht. Sogar Bergab muss ich treten damit ich vorwärts komme. Vorbei an Funkenhagen, wo es übelst nach Natur stinkt, komme ich endlich in Thomsdorf an. Ab hier sind es nur noch ein paar Kilometer auf angenehmer Strecke nach Carwitz, meinem Ziel. Ich verschmähe den dekadenten Luxus eines Campingplatzes und lasse ihn rechts liegen.
Ohne Augen für das hübsche Örtchen, fahre ich direkt zur Bohnenwerderinsel und finde auch gleich einen guten Platz für das Zelt. Da noch genügend Tageslicht übrig ist und auch noch ein Naturgeniesser in meiner Nähe herumlungert, baue ich das Zelt noch nicht auf, sondern schaue mir die Umgebung an. Ungünstigerweise beginnt es plötzlich zu regnen wie aus Kübeln und Kopflos beginne ich das Zelt auf zu bauen. Das führt zu dem letztendlichem Ergebnis das sowohl ich, als auch das Zelt völlig nass sind. Ich kippe den kleinen See aus dem Zelt und wisch es innen trocken. Erstmal Kleidungswechsel und dann zünde ich eine Kerze in einer flachen Dose und mit sehr dickem Docht an, dadurch wird es warm im Zelt und das Kondenswasser verdunstet. Auf diesen Stress belohne ich mich dann auch mal mit warmem Kakao und Pfirsich-Creme-Marzipan-Kuchen. Als ich im Kerzenlicht mein Reisetagebuch schreibe wird es dann auch richtig gemütlich.
3. Tag
Heute möchte ich mich erholen und nur wenig fahren. So stehe ich spät auf, lasse Hose, Jacke und Zelt in Sonne und Wind trocknen und stromere über die Insel.


Auf dem Berg treffe ich ein Urlauber-Pärchen die meinten vor etwa 10 Jahren mussten sie eine erhebliche Strafe fürs wild campen hier zahlen. Im Sommer werden hier wohl von berittenen Schergen des Ordnungsamts regelmäßig Treibjagden veranstaltet. Da ich ziemlich außer der Saison bin, mache ich mir da keine Sorgen.
Nach einem Kaffee. mache mach ich mich mit nun getrockneten Sachen vom Acker und fahre auf schöner Strecke in Richtung Hullerbusch. Dort besichtige ich den Hühnenwall, welcher nach modernsten Forschungsergebnissen ein Produkt der letzten Eiszeit ist und nicht, wie der Name suggerieren könnte, eine Garteneinfriedung ortsansässiger Riesenmenschen.


Danach fahre ich zurück nach Thomsdorf und weiter durch Wald und Wiese nach Rosenow.

Hier wird der Friedhof begutachtet und ich mache mir Gedanken über ein Grab aus dem 19. Jh. ohne Todesdatum. Aber vermutlich gibt es auch hierfür eine simple, rationale Erklärung (Vampir, Zombie).

Weiter nach Osten finde ich mich auf einem Feldweg auf dem ich mein Fahrrad eigentlich nur von Pflaumenbaum zu Pflaumenbaum schiebe. Eine Menge zu naschen gibt es hier, aber ich bremse mich irgendwann damit mein Körper nicht den Notstand ausruft und auf Schubumkehr schaltet. Später entdecke ich auf einer Karte dass der Feldweg tatsächlich Pflaumenallee heißt.
In Brüsenwalde mache ich die gut erhaltene Kirchenruine neben dem Friedhof ausfindig. Aus der Ferne werde ich neugierig von einem betagtem Einwohner beobachtet. Aber wenn ich mir die Abgeschiedenheit dieses Dorfes betrachte, wundert es mich nicht das Reisende ehr die Ausnahme sind.



Quer durch den Wald mache ich mich auf den Rückweg. Das Wetter ist super, meist scheint die Sonne und die Jacke wird erst abends ausgepackt. Zurück in Carwitz mache ich Snack-Pause auf einer Bank mit Blick auf den Schmalen Luzin (das ist ein See, kein Mensch oder so). Direkt hinter mir verreckt einem Pärchen die Karre mitten auf der Strasse und wird auch nicht mehr anspringen. Stolz streichle ich meinem Drahtesel der Marke "Baumarkt" die Nüstern, schiebe ihn zur Hans Fallada Gedenkstätte, ehm. Friedhof und schreibe Postkarten.
Als es Zeit ist zu gehen schlendere ich durch das Dorf.
Vor dem Ferienhaus, in dem ich als Kind jedes Jahr mit meiner Familie Urlaub gemacht habe, bleibe ich kurz stehen und schaue was sich verändert hat. Natürlich war das ganze Dorf vor mehr als 20 Jahren viel ursprünglicher, obwohl es schon damals ein Ferienort war. Zurück auf der Bohnenwerder campiere ich auf derselben Stelle wie vorige Nacht. Abends gibt es wie immer Tütennudel und Tee. Ein verspäteter Urlauber spaziert mit seinem Sohnemann grüssend am Zelt vorbei, während ich mit einer Zigarillo versuche die Mücken fern zu halten. Später sitze ich wieder in Kerzenschein im Zelt, schreibe Reisetagebuch und lausche einem Hörbuch.
4. Tag
Am nächsten Tag möchte ich nach Hause fahren. Ich stehe mit der Sonne auf und kann so, für meine Begriffe zeitig vom Hof reiten. Zwar ist es sonnig, aber auch merklich kühler geworden.




Ich wähle den Weg über Mechow, weil ich den noch nicht kenne. Es ist eine angenehme Waldstrecke und ich komme schnell voran. Kurz bevor es auf der Landstrasse weiter geht, mache ich auf einer Lichtung Frühstückspause. Es ist sehr friedlich hier, die Sonne glitzert im Tau und bis auf das rauschen der Bäume und den Specht der neben mir einen Strommast bearbeitet, ist es wunderbar ruhig. Skeptische beäugen wir uns gegenseitig während der Nahrungsaufnahme.

Als ich mein restliches Obst vertilgt habe, geht es weiter über die Kobatzer Mühle, wo asiatische Touristen ein paar Indianische Tipis besichtigen
. Auf der langweiligen Landstrasse fahre ich dann durch die Stadt Lychen, die eine ansehnliche Stadtmauer hat.

Weiter nach Fürstenberg mache ich einen Abstecher durch den Ort Sähle. Dort finde ich nach kurzem Suchen die letzte Station meiner kleinen Studienreise. Von der wüsten Kirche Castavel sind nur ein paar Haufen Feldsteine und das Eingangsportal übrig geblieben. Bis ins 19. Jh. wurden dort die Pfarrer einer Nachbargemeinde beerdigt, daher stammen die Gräber.


Durch den Wald fahre ich weiter und bin in Abschiedsstimmung. Das ist der letzte Waldweg den ich fahre, danach kommt nur noch Landstrasse.

Und so fahre ich dann auch die letzten unspektakulären Strassenkilometer bis nach Fürstenberg. Bevor es endgültig nach Hause geht, darf ich erstmal etwa 40 Minuten auf den Zug warten und die deprimierende Aussicht auf die Brachfläche vor dem Bahnhof genießen.
Rückblickend betrachtet habe ich den Fehler gemacht den Wind nicht ein zu planen. Ich hatte die ganze Zeit starken Gegenwind, im Grunde hätte ich die Tour in die andere Richtung machen sollen. Viel Strecke habe ich nicht geschafft, war aber auch nicht geplant. Für einen untrainierten Schreibtischtäter und unter Berücksichtigung dass die Wege hauptsächlich aus Sand, Kopfsteinpflaster und Betonplatten bestanden, bin ich zufrieden.
Damit klar wird was ich damit meine, muss ich kurz ausholen. Die Zeit des 14./15. Jh. war recht einschneidend für ganz Europa. Pest, Ernteausfälle aufgrund des Klimawandels und Kriege führten zu einer enormen Dezimierung der Europäischen Bevölkerung.
Auch in der Uckermark waren die Konsequenzen beachtlich. In vielen Dörfern starb die gesamte Einwohnerschaft und das Dorf zerfiel. Manchmal wurden diese Dörfer, ein paar hundert Jahre später wieder neu gegründet, meist etwas entfernt vom ursprünglichen Ortskern. Aufgrund der stabilen Bauweise "überlebten" die Kirchen diesen Prozess manchmal. Wie gut oder schlecht sie das taten, will ich mir mal ansehen.
So viel zur Theorie.
1. Tag
Die Tour beginnt Anfang Oktober in Angermünde, da ich mir auch den Grumsin ansehen möchte. Dieser, seit kurzem zum Weltnaturerbe gehörendem Buchenwald, reizt mich wegen seiner Unberührtheit sehr.
Zeitig geht es los mit dem Zug von Berlin nach Angermünde. Im Fahrradabteil regt sich eine korpulente Frau auf weil ein älterer Herr sie bittet einen Platz weiter zu rutschen damit er sein Fahrrad abstellen und sich hinsetzen kann. Mhm. Da bin ich doch gleich für mehr gesellschaftliche Akzeptanz fürs Frustfressen. Angekommen halte ich mich nicht lange in der Stadt auf und fahre zügig gen Osten.
In Zuchenberg ein kleiner Stopp an der Bushaltestelle. Ein Kätzchen giert nach Streicheleinheiten, die es von mir auch bekommt. Dafür bekomme ich sie aber während meiner 15 minütigen Pause nicht von meinem Schoss runter.

Kurz darauf radle ich schon mitten durch den Wald und freue mich darüber wie ein Schneekönig.
Drei Dinge gefallen mir besonders an der Uckermark. Die Feldsteinbauten, die Sümpfe in den Buchenwäldern und die, mit alten Obstbäumen bepflanzten, Kopfsteinpflaster-Alleen. Von all dem werde ich reichlich zu sehen bekommen.




Bei Luisenfelde war ich mir unsicher ob ich den Weg quer durch den Wald nehmen darf. Im Internet habe ich nix von einem Verbot finden können und auch vor der Abzweigung finde ich nur ein Hinweis auf das Verbot von Kraftfahrzeugen. Frohen Mutes radle ich also mitten durch. Die Schönheit und Unberührtheit der Natur dort begeistert mich sehr und ich freue mich dass ich so etwas in Deutschland auch mal vor die Nase bekomme.





Als ich dann aber an die nächste Straßenkreuzung komme und mich umdrehe, bemerke ich ein Schild dass eindeutig darauf hinweist dass ich mich in einem Irrtum befand. "Menschen verboten", tja jetzt weis ich auch wieso es da drin so schön war. Böser Fehler; hätte ich nicht gemacht wenn ich gewusst hätte dass man die Kernzone nicht ohne weiteres betreten darf.
Ich verlasse den gesperrten Bereich nicht zu früh, den als ich das Fahrrad den nächsten sandigen Berg hochschiebe, tuckert mir ein älterer Jägersmann, bewaffnet und in voller Tarnmontur, auf seiner Simson entgegen. Entgeistert schaut er auf Zelt und Isomatte auf meinem Fahrrad. Ich weis schon was für ein Film bei ihm im Kopf abläuft: Koma saufende Jugendliche, die nachts im Wald randalierend Baum und Tier belästigen. Mein freundlicher Gruß reißt ihn aus seinen Altherrenphantasien.
Das vorherige schieben möchte ich ausgleichen und bretter ziemlich wild den Berg hinab. Dabei mache ich mir dann doch Sorgen ob meine Fahrradtaschen aus der Tschibo-forschung, durch das gerüttelt nicht links und rechts in den Wald fliegen.
Kurz darauf, komme ich an zwei geführten Wandergruppen vorbei. Wenn die gesehen hätten wie ich aus dem gesperrten Bereich raus gefahren wäre, hätten die mich sicher angeschaut als hätte ich persönlich zehntausende Meeresvögel in Rohöl getaucht. Was der bewaffnete Großwildjäger gemacht hätte will ich mir gar nicht erst ausdenken.
Ich fahre durch das beschauliche Altkünkendorf und mache dort vor der Kirche Pause für ein 2. Frühstück.


Am Heiligen See nehme ich Wasser auf, hoffe der Name ist Programm. Kurz darauf merke ich wie ich Luft im Vorderrad verliere, aufpumpen hilft nicht und ich entdecke die Reißzwecke im Reifen. Ärgerlich, aber immerhin nur der Vorderreifen. Also Taschen ab und den Schlauch mit einem weiteren Flicken dekoriert.
Weiter geht’s mit Aussicht auf den See, auf dessen Oberfläche das Sonnenlicht wunderschön spiegelt. Durch Wolletz fahre ich nach Norden und dann Richtung Autobahn. Auf den vielen Waldwegen verfranse ich mich kurz, komme aber doch durch eine Unterführung auf die andere Seite.



Hinter Neuhaus folge ich dem Waldweg durch ein sehr schönes Naturschutzgebiet und komme in Hessenhagen an der Landesstrasse heraus. Ab hier wird es schwierig, die Strasse verläuft auf offenem Gelände und ich habe starken Gegenwind. Ich fahre Nordwärts, durch diverse Kleckerdörfer und hinter Berklatten finde ich, direkt an der Strasse die erste Kirchenruine.


Wo ich gerade da bin, schaue ich mir in Gerswalde auch gleich noch die Wasserburg an.


Westlich von Gerswalde lag einmal das Dorf Langenhagen. Davon ist nichts weiter übrig geblieben als ein paar Reste der Kirche, die ich gut versteckt, im Gebüsch finde. Wann und warum das Dorf verlassen wurde ist nicht bekannt. Aber vermutlich waren es die üblichen Verdächtigen.


Über einen Feldweg geht es weiter nach Norden. Unterwegs, wie auch während der gesamten Tour, sammele ich Obst von den Bäumen neben der Strasse. Es ist Anfang Oktober, alles hängt überreif in den Zweigen und ich bekomme die Gelegenheit Äpfel, Birnen und Pflaumen in diversen Sorten probieren zu können.
Vor Blankensee entdecke ich die wüste Kirche des ehemaligen Ortes. Auch von ihr ist nicht viel übrig geblieben.


Mittlerweile bin ich recht erschöpft und es ist auch Zeit ein Plätzchen für die Nacht zu finden. Am nächsten Pflaumenbaum halte ich aber dennoch und probiere vorsichtig. Sie schmecken unanständig süß.
Irgendwo im Wald in der nähe der Rauhberge finde ich einen sicht- und regengeschützten Platz für mein Zelt. Mit der Dunkelheit beginnt es zu regnen und starker Wind rauscht durch die Bäume. Ich höre Äste auf den Boden fallen und sicher tappt auch das eine oder andere Tier um das Zelt. Was ich nicht weis macht mich nicht heiß, denk ich mir, stopf mir Ohropax in die Ohren und schlafe ein.
2. Tag
Am nächsten Morgen stehe ich zu spät auf aber immerhin ist das Zelt wieder getrocknet. Schnell packe ich zusammen weil ich schon die ersten Pilzsammler/Förster/Waldmenschen durch den Wald fahren sehe. Natürlich vergewissere ich mich dass ich alles so hinterlasse wie angefunden. Da ich erst einmal keine Lust auf sandigen Waldweg habe steuere ich die Strasse an. Zwischendurch gibt es Frühstück an einer Rastbank.


Als ich die Strasse Richtung Beenz verlasse, geht es durch ein hübsches Waldstück und ich durchfahre eine alte, stillgelegte Eisenbahnbrücke. Im Ort begehe ich abermals Mundraub an wehrlosen Pflaumenbäumen und fahre weiter am Eisenbahngleis entlang. Diese "Strasse" nach Groß Sperrenwalde, besteht aus aneinander gelegte Betonplatten wie man sie häufiger in der Region antrifft.




Im Ort Groß Sperrenwalde befindet sich, genau neben der Bushaltestelle, eine weitere Kirchenruine. Die ist relativ gut erhalten und macht einiges her.


Vor Klein Sperrenwalde will ich hinten Luft nachpumpen und zerrupfe mir dabei irgendwie das Dunlop-Ventil. Naja, das ganze wird irgendwie semiprofessionell "repariert", aber dann im Ort merke ich dass ich doch noch Luft verliere. Vermutlich bin ich beim Luft aufpumpen zu rabiat, denn bei der Folgereparatur zerpflücke ich ein zweites Ventil. Ich habe die Nase voll und ich zieh den Ersatzschlauch rein. Der hat ein Auto-Ventil und hält was er verspricht.
Kurz vor Kröchlendorff liegt die gut erhaltene wüste Kirche des ursprünglichen Dorfes.




Im heutigen Dorf Kröchlendorff geht es an der modernen Schlosskirche vorbei in ein Waldstück gen Boitzenburg. Die sehr schöne, aber sandige Strecke führt mich an der Rummelspforter Mühle vorbei ins NSG Boitzenburg. Neben sehr hügeliger Radwanderstrecke gibt es hier auch einige sehr schöne, uralte Bäume.


An der Klosterruine vorbei fahre ich erschöpft schnaufend in die Stadt hinein und gönne mir eine Pause im nächsten Eiscafe. Nach einem dickem Eisbecher (mit Kürbis-Ingwer-Eis o_O) lass ich mir noch eine Wasserflasche auffüllen und fahre weiter nach Krewitz.
Die letzte Kirchenruine für heute finde ich abermals kurz vor dem Ortseingang im Gestrüpp. Auch hier hat der Zahn der Zeit ordentliche Arbeit geleistet.

Der Feldweg nach Mellenau ist mit Bäumen verbarrikadiert. Es macht den Anschein ein paar Hinterwäldler möchten die Gringos davon abhalten über ihre Ranch zu galoppieren. Ich lasse mich aber davon nicht abschrecken und werde mit einer landschaftlich wunderschönen Strecke belohnt.


Es geht weiter auf offener Strasse auf der mich der Gegenwind wieder einmal fast vom Sattel zieht. Sogar Bergab muss ich treten damit ich vorwärts komme. Vorbei an Funkenhagen, wo es übelst nach Natur stinkt, komme ich endlich in Thomsdorf an. Ab hier sind es nur noch ein paar Kilometer auf angenehmer Strecke nach Carwitz, meinem Ziel. Ich verschmähe den dekadenten Luxus eines Campingplatzes und lasse ihn rechts liegen.
Ohne Augen für das hübsche Örtchen, fahre ich direkt zur Bohnenwerderinsel und finde auch gleich einen guten Platz für das Zelt. Da noch genügend Tageslicht übrig ist und auch noch ein Naturgeniesser in meiner Nähe herumlungert, baue ich das Zelt noch nicht auf, sondern schaue mir die Umgebung an. Ungünstigerweise beginnt es plötzlich zu regnen wie aus Kübeln und Kopflos beginne ich das Zelt auf zu bauen. Das führt zu dem letztendlichem Ergebnis das sowohl ich, als auch das Zelt völlig nass sind. Ich kippe den kleinen See aus dem Zelt und wisch es innen trocken. Erstmal Kleidungswechsel und dann zünde ich eine Kerze in einer flachen Dose und mit sehr dickem Docht an, dadurch wird es warm im Zelt und das Kondenswasser verdunstet. Auf diesen Stress belohne ich mich dann auch mal mit warmem Kakao und Pfirsich-Creme-Marzipan-Kuchen. Als ich im Kerzenlicht mein Reisetagebuch schreibe wird es dann auch richtig gemütlich.
3. Tag
Heute möchte ich mich erholen und nur wenig fahren. So stehe ich spät auf, lasse Hose, Jacke und Zelt in Sonne und Wind trocknen und stromere über die Insel.


Auf dem Berg treffe ich ein Urlauber-Pärchen die meinten vor etwa 10 Jahren mussten sie eine erhebliche Strafe fürs wild campen hier zahlen. Im Sommer werden hier wohl von berittenen Schergen des Ordnungsamts regelmäßig Treibjagden veranstaltet. Da ich ziemlich außer der Saison bin, mache ich mir da keine Sorgen.
Nach einem Kaffee. mache mach ich mich mit nun getrockneten Sachen vom Acker und fahre auf schöner Strecke in Richtung Hullerbusch. Dort besichtige ich den Hühnenwall, welcher nach modernsten Forschungsergebnissen ein Produkt der letzten Eiszeit ist und nicht, wie der Name suggerieren könnte, eine Garteneinfriedung ortsansässiger Riesenmenschen.


Danach fahre ich zurück nach Thomsdorf und weiter durch Wald und Wiese nach Rosenow.

Hier wird der Friedhof begutachtet und ich mache mir Gedanken über ein Grab aus dem 19. Jh. ohne Todesdatum. Aber vermutlich gibt es auch hierfür eine simple, rationale Erklärung (Vampir, Zombie).

Weiter nach Osten finde ich mich auf einem Feldweg auf dem ich mein Fahrrad eigentlich nur von Pflaumenbaum zu Pflaumenbaum schiebe. Eine Menge zu naschen gibt es hier, aber ich bremse mich irgendwann damit mein Körper nicht den Notstand ausruft und auf Schubumkehr schaltet. Später entdecke ich auf einer Karte dass der Feldweg tatsächlich Pflaumenallee heißt.
In Brüsenwalde mache ich die gut erhaltene Kirchenruine neben dem Friedhof ausfindig. Aus der Ferne werde ich neugierig von einem betagtem Einwohner beobachtet. Aber wenn ich mir die Abgeschiedenheit dieses Dorfes betrachte, wundert es mich nicht das Reisende ehr die Ausnahme sind.



Quer durch den Wald mache ich mich auf den Rückweg. Das Wetter ist super, meist scheint die Sonne und die Jacke wird erst abends ausgepackt. Zurück in Carwitz mache ich Snack-Pause auf einer Bank mit Blick auf den Schmalen Luzin (das ist ein See, kein Mensch oder so). Direkt hinter mir verreckt einem Pärchen die Karre mitten auf der Strasse und wird auch nicht mehr anspringen. Stolz streichle ich meinem Drahtesel der Marke "Baumarkt" die Nüstern, schiebe ihn zur Hans Fallada Gedenkstätte, ehm. Friedhof und schreibe Postkarten.
Als es Zeit ist zu gehen schlendere ich durch das Dorf.
Vor dem Ferienhaus, in dem ich als Kind jedes Jahr mit meiner Familie Urlaub gemacht habe, bleibe ich kurz stehen und schaue was sich verändert hat. Natürlich war das ganze Dorf vor mehr als 20 Jahren viel ursprünglicher, obwohl es schon damals ein Ferienort war. Zurück auf der Bohnenwerder campiere ich auf derselben Stelle wie vorige Nacht. Abends gibt es wie immer Tütennudel und Tee. Ein verspäteter Urlauber spaziert mit seinem Sohnemann grüssend am Zelt vorbei, während ich mit einer Zigarillo versuche die Mücken fern zu halten. Später sitze ich wieder in Kerzenschein im Zelt, schreibe Reisetagebuch und lausche einem Hörbuch.
4. Tag
Am nächsten Tag möchte ich nach Hause fahren. Ich stehe mit der Sonne auf und kann so, für meine Begriffe zeitig vom Hof reiten. Zwar ist es sonnig, aber auch merklich kühler geworden.




Ich wähle den Weg über Mechow, weil ich den noch nicht kenne. Es ist eine angenehme Waldstrecke und ich komme schnell voran. Kurz bevor es auf der Landstrasse weiter geht, mache ich auf einer Lichtung Frühstückspause. Es ist sehr friedlich hier, die Sonne glitzert im Tau und bis auf das rauschen der Bäume und den Specht der neben mir einen Strommast bearbeitet, ist es wunderbar ruhig. Skeptische beäugen wir uns gegenseitig während der Nahrungsaufnahme.

Als ich mein restliches Obst vertilgt habe, geht es weiter über die Kobatzer Mühle, wo asiatische Touristen ein paar Indianische Tipis besichtigen


Weiter nach Fürstenberg mache ich einen Abstecher durch den Ort Sähle. Dort finde ich nach kurzem Suchen die letzte Station meiner kleinen Studienreise. Von der wüsten Kirche Castavel sind nur ein paar Haufen Feldsteine und das Eingangsportal übrig geblieben. Bis ins 19. Jh. wurden dort die Pfarrer einer Nachbargemeinde beerdigt, daher stammen die Gräber.


Durch den Wald fahre ich weiter und bin in Abschiedsstimmung. Das ist der letzte Waldweg den ich fahre, danach kommt nur noch Landstrasse.

Und so fahre ich dann auch die letzten unspektakulären Strassenkilometer bis nach Fürstenberg. Bevor es endgültig nach Hause geht, darf ich erstmal etwa 40 Minuten auf den Zug warten und die deprimierende Aussicht auf die Brachfläche vor dem Bahnhof genießen.
Rückblickend betrachtet habe ich den Fehler gemacht den Wind nicht ein zu planen. Ich hatte die ganze Zeit starken Gegenwind, im Grunde hätte ich die Tour in die andere Richtung machen sollen. Viel Strecke habe ich nicht geschafft, war aber auch nicht geplant. Für einen untrainierten Schreibtischtäter und unter Berücksichtigung dass die Wege hauptsächlich aus Sand, Kopfsteinpflaster und Betonplatten bestanden, bin ich zufrieden.
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