[DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

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  • jola5
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    • 18.03.2011
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    • Meine Reisen

    [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Die eigene Grenzen kennen

    Nicht zuletzt weil ich schon lange nicht mehr "richtig lang" auf Tour war, sondern auch angeregt durch die Anfragen/Kommentare aus dem Forum zu Tageskilometerleistung in diversen Reisevorbereitungen und Reiseberichten, wollte ich einfach mal wissen was geht: Wie weit können mich meine Füße (1) tragen?

    Leider keine Fotos, die Spiegelreflex war mir dafür einfach viel zu schwer.

    (1) Füße für diesen Artikel ist schwäbisch und bezeichnet in diesem Sprachgebrauch gemeinhin die zwei Körperanhängsel von der Leiste abwärts bis zu den großen Zehen. Ob Bein, Fuß, Oberschenkel, alles das gleiche: Fuß.

    Da ich keinen Urlaub habe muss das ganze aber zeitlich stark befristet sein. Ich entscheide mich für einen Tag. Wie weit komme ich an einem Tag wenn ich es drauf anlege?




    Kurzer Hintergrund
    Ich bin ein ziemlich fitter Mensch. Sehr gerne an der frischen Luft, dazu noch eine abartig extreme Antipathie all den Dingen gegenüber die uns Menschen davor bewahren sollen unsere eigenen Füße zu benutzen wenns doch auch so gehen würde (Rolltreppen, Fahrstühle, Rollbänder, Autos um Brötchen vom Bäcker drei Straßen weiter zu holen...).

    Ich bin (Berg-)Läufer, aber eher für mich, mit Menschen hab ichs nicht so, also meide ich seit ein paar anfänglichen Versuchen die Laufevents und bin lieber für mich draußen an der frischen Luft, zu Fuß, wandernd oder laufend, oder mit dem Fahrrad. Ganz ohne Wettbewerb, im Fall der Fälle nur in Hader und Zank mit mir selbst, was meist schon ausreicht.

    Lieber Barfuß als mit Schuhen. Lieber Schotter, Gras o.ä als Asphalt. Gerne mit Steigung, flach ist eher langweilig, schön lang meistens. Manche würden das Außmaß schon als Extrem, gar als Ultra bezeichnen, davon bin ich persönlich noch weit entfernt.

    Ich war schon mal nach einer Wanderung oder einem Berglauf so richtig platt, die Füße schmerzen, man will nicht mehr. Ausgelaugt. Aber ist das alles, oder könnte ich noch mehr wenn ichs wirklich drauf anlegen würde? Natürlich, mehr geht immer, irgendwie...

    Was ist wenn ich in den Bergen unterwegs bin und ich die Hütte durch einen blöden drei-Stündigen Umweg vor Einbruch der Nacht erreichen will?! Schaff ich das noch, oder ist es besser an Ort und Stelle zu biwakieren. Außer den ganzen anderen Randbedingungen wie Wetter und Umwelt etc. hängen solche Fragen doch auch vor allem davon ab ob ich dazu körperlich überhaupt in der Lage bin, oder ob ich mich durch einen einzigen Gewaltmarsch die restlichen zehn Tage quasi außer Gefecht setze. Die eigenen Grenzen kennen.

    Irgendwo habe ich diesem Zusammenhang von der Belastungsgrenze gehört. Wikipedia sagt:

    "Dauerfestigkeit ist ein Begriff aus dem Gebiet der Festigkeit und bezeichnet die Belastungsgrenze, die ein dynamisch (z. B. schwingend) belasteter Werkstoff ohne nennenswerte Ermüdungserscheinungen bzw. Ausfallerscheinungen ertragen kann.
    [...] Bei Spannungsausschlägen oberhalb der Dauerfestigkeit treten deutliche Ermüdungserscheinungen und Schädigungen auf, es wird nur eine bestimmte Anzahl von Lastwechseln bis zum Bruch (Bruchschwingzahl) ertragen"
    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Dauerfestigkeit

    Das ist ja alles sehr technsich, physikalisch. Aber plötzlich klingelts in den Ohren, oha Ermüdungsbruch, das ist in der Laufszene nichts unbekanntes:

    "Ermüdungsfraktur

    (Synonyme: Ermüdungsbruch, Stressfraktur) Fraktur durch ständige zyklische Belastung eines Knochens. Am Mittelfußknochen auch Marschfraktur genannt."
    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Knochen...BCdungsfraktur

    Bleibende Schädigungen sind unter allen Umständen zu vermeiden. Das wäre zu viel des Guten.

    Ein oder zwei Tage zu wissen und daran erinnert zu werden, dass man körperlich etwas geleistet hat, das ist in Ordnung. Muskelkater an untrainierten Stellen kann auch mal länger spürbar sein. Alles was aber darüber hinaus geht würde ich dann vielleicht wirklich als "Belastungsgrenzfall" einstufen.


    Also los gehts. Meine heutige Tour steht also unter dem Motto:
    "Soweit die Füße tragen - ohne es zu übertreiben."
    Zuletzt geändert von Sandmanfive; 07.11.2011, 19:54. Grund: Reisecharakter eingestellt

  • jola5
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    #2
    AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

    Vorbereitung
    Einer der wenigen Sonntage an denen ich komplett frei habe. Oder ich sollte besser sagen, an dem ich mir bewusst komplett frei nehme. Wie auch immer, um 0600h raus aus den Federn . Rucksack packen. Mein Laufrucksack reicht, es wird super Wetter. Eigentlich brauch ich nur Verpflegung. Genug zu essen und zu trinken!

    Ich fülle meine Platypus-Trinkblase... Was ist das denn? Da tropft doch was. Nochmals außen abwischen und tatsächlich, irgendwo ist sie undicht... Mist. Aber für heute muss es gehen, so viel Wasser scheint das ja nicht zu sein. Was brauch ich noch? Krankenversichertenkarte. Notgroschen. Fahrkarte. Mobiltelefon. Eine Karte für den Notfall.

    Welche Karte denn? Den Umfang der Tour habe ich festgelegt, oder eben nicht festgelegt, wie auch immer. Was fehlt ist ein Ziel, oder ist ein Ziel überhaupt richtig, wenn ich noch nicht weiß wie weit es gehen wird?

    Die Tour sollte halbwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein, so, dass ich den Rückweg ggf. mit Bus oder Bahn zurücklegen kann. ... grübel grübel... Hmm. Der Feldberg und Umgebung wäre mal wieder toll. Wiesental, Münstertal, Belchen, Hochblauen. Sehr, sehr Schöne Ecke. Die Einheimischen gehen am Wochenende allerdings nicht auf den Feldberg, daran sollte ich mich wohl auch halten, habe als Schwabe hier schon ein Handycap, da muss ich es ja nicht gleich übertreiben.

    Also kommt mir spontan in den Sinn: "Die andere Richtung. Ich geh Richtung Furtwangen, los gehts in Hinterzarten". So schnell kanns gehen.

    Orientierungssinn und Ortskenntniss sind vorhanden, und so sind mindestens die ersten fünf Kilometer klar wie Klosbrühe. Nur noch die passende Karte für den Notfall raussuchen. Mist... Furtwangen ist auf meinen Schwarzwaldvereins-Wanderkarten nicht auf dem passenden Blatt, also muss die Freizeitkarte Südschwarzwald (1:75000) genügen, das ist zwar sehr klein, aber als Notfallkarte für den groben Überblick (hoffentlich) ausreichend.

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    • jola5
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      #3
      AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

      Aufbruch: Hinterzarten - Fahrenberger Höhe
      Zur Türe raus kurz in die Sonne... Temperatur prüfen. Schon viel zu warm, also Fleece ausziehen und hier lassen, das werde ich nicht brauchen. 0730h gehts endlich los im Hinterzartener Moor. Ich habe mir vorgenommen bis zur ersten Pause meine Karte nicht zu Hilfe zu nehmen und so halte ich mich an die fast schon hervorragende Ausschilderung des Schwarwaldvereins die mir nur sagt, was ich eh schon weiß: Vorbei am Hotel Lafette Richtung Bernau.

      Nach dem kurzen, schattigen Stück durchs Hinterzartener Moor grüßt mich erneut die Sonne von Osten und ich leg nochmal einen Zahn zu. Die kleine Steigung zum Lafette fliege ich förmlich nach oben und bin damit ruckizucki warmgelaufen. Ich fühle mich prächtig, bin ich ausgesprochen guter Verfassung. Alle Vorzeichen stehen auf Erfolg könnte man sagen (was auch immer Erfolg bei dieser Tour heißen mag).

      Am Lafette vorbei muss ich mich mir meine Euphorie schon etwas einschränken. Ich kenne den Weg und frage mich warum ich diese Tour mit einer langen Asphalt Strecke starten lasse. In meiner ganz persönlichen Welt sind Wanderwege per Definition niemals asphaltiert. Die Realität sieht leider anders aus. Aber heute soll mir das gleich sein.

      Ein Blick zurück.

      Auf den Feldbergnordflanken halten sich immer noch einige kleine Schneefelder. "Tja Kumpel, heute gehörst du den Touristen, ein anderes mal wieder mir".

      Ich passiere Schwarzwaldhof um Schwarzwaldhof und der Weg steigt nach Heiligenbrunnen an. Ich merke wie mein Rucksack und mein Rücken leider auch langsam feucht und kühl wird. Mist, die Trinkblase ist echt undicht... Grrrr. Das kann ja heiter werden.

      Es geht in den Wald und schon der zweite Rennradler zischt an mir vorbei, ich habs nicht so mit asphaltierten Wegen. Rechts zweigt ein beschrankter Waldweg ab, dem ich sehnsuchtsvoll nachblicke: Schotter und Laub... herrlich. Aber leider ist der Weg unbeschildert und führt auch in die falsche Richtung. Also weiter Asphalt beißen.

      Nach einige Minuten sehe ich Heiligenbrunnen durch die Bäume schimmern. Zwei pelzige Berner-Sennenhunde-Kälber vergnügen sich auf der Straße vor dem Haus. Ich bin noch gefühlte 500m entfernt und im Wald. Sobald ich den Wald verlassen habe erblicken mich die Tölen und rasen wenig vertrauend-erweckend und laut bellend auf mich zu. Auf dem Absatz kehrt und zurück in den Wald, nicht umdrehen langsam und gleichmäßig einfach dort hin zurück wo ich hergekommen bin. "Hunde die bellen beißen nicht." Bla bla blubb... ich werde auch nicht gern zum Spielen genötigt.

      Während sich der eine Teile meines Denkens ernsthaft überlegt ob Asphaltweg, leckende Trinkblase und ungewollte tierische Begegnung tatsächlich schon ausreichend sind um an einer Stimmung zu kratzen, sucht ein andere Teil nach einem weiträumigen Umgehungsweg. Ganz in Gedanken rückt heimlich still und leise der beschrankte Waldweg wieder in meinen Blick. Da muss ich nicht lange überlegen. Unter der Schranke durch, meine Füße jubeln. Keine zehn Meter weiter geht ein alter Pfad ab und die Richtung passt damit auch wieder ganz gut.

      Kurz aus dem Wald raus über eine kleine Wiese lasse ich rechter Hand die Ski- und Wanderhütte Berghäusle hinter mir. Ich passiere nochmals eine Fahrstraße und es grüßt mich ein Wanderwegschild, darauf der Westweg... so jetzt bin ich quasi auf dem richtigen Weg. Der Westweg führt in seiner westlichen Variante unter anderem von Hinterzarten über die Kalte Herberge an Furtwangen vorbei. Um den weiteren Wegverlauf mache ich mir keinerlei Gedanken mehr. Auf dem Schild ist ein Aussichtpunkt "Brend" ca. 28km genannt. "Ob Furtwangen näher oder weiter weg ist?"

      Auf Waldpfaden geht es unterm sonnendruchbrochenen Blätterdach weiter. Ja, genau so liebe ich meinen Schwarzwald.

      Die neumodisch "Waldbauern" genannten Forstarbeiter waren fleißig und es duftet nach Nadelholz. Auf einem sonnenbeschienen Baumstumpf entledige ich mich endlich meiner Schuhe. Ah, da geht einem das Herz auf. Mittlerweile merke ich die gewonnene Höhe auch an der Temperatur und am Wind. Hm... warum habe ich das Fleece zu Hause gelassen?

      Ich passiere die Weißtannenhöhe (1190m), einige Minuten später lasse ich mich gegen 0930h auf der Fahrenberger Höhe auf einer Designer-Bank nieder (http://www.hochschwarzwald.de/Entdec...nau2/Land-Sitz), die mir eine Tafel als den sogenannten Land-Sitz beschreibt, aha. Eine Idee des Tourismus-Verbandes die tolle Landschaft des Schwarzwaldes mit Kultur und Design zu verbinden. Mir würde auch Schwarzwald Solo reichen, aber egal, die Bank ist bequem und nicht hässlich. Vom am Rücken wirklich durchnässten T-Shirt befreit, bin ich dem Wind beinahe schutzlos ausgesetzt (zum Glück habe ich ein langes Unterhemd drunter). Es war ein Fehler das Fleece zu Hause zu lassen... das war ja klar.

      Während ich meinem Rucksack und dem T-Shirt etwas Sonne zum trocknen gönnen labe ich mich an meinem ersten Wandervesper, studiere die Karte und fasse den Entschluss hier auf jeden Fall nochmals im Winter vorbei zu kommen. Die Aussicht ist eine Augenweide, vor mir trohnt der Feldberg und unter mir liegt das kleine Gehöft Fahrenberg und das beschauliche Bernau. Mit diesem Blick sehe ich über die Windräder zu meiner Rechten hinweg.

      Die Wanderkarte beschert mir nur mäßige Vorfreude, verläuft der Westweg auf diesem Teil doch sehr nahe an der B500. Wenigstens weiß ich jetzt, dass der Brend nord-westlich von Furtwangen liegt. In Gedanken spiele ich mit Wegzeiten, Streckenlängen und Lauf-Geschwindigkeiten und muss mir eingestehen, dass die Tour zum Brend über Furtwangen und zurück wohl doch die Belastungsgrenze übersteigt. Runde 60km, das wäre ja total gaga. Eins ist klar, ich werde versuchen in Furtwangen einen Bus nach irgendwo zu bekommen.

      Der Wind zieht an. Ja, es war wirklich ein Fehler das Fleece zu Hause zu lassen, ich weiß. Brrrr... Schnell warmlaufen.

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      • jola5
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        #4
        AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

        Im Verkehrs-Fluss: Fahrenberger Höhe - Kalte Herberge
        Nach 15 Minuten mentaler Selbstgeißelung kommt mein Oberkörper wieder auf Betriebstemperatur. Mein Kopf kann sich jetzt also wieder um anderes kümmern und schickt meinen Geist zum Zwecke einer psychisch-physischen Symbiose auf Mit-Wanderschaft. Ich bin ganz bei mir, ruhig und gelassen und finde meine innere Mitte. Ommm.

        Einziges Manko: Die Schuhe sind mittlerweile wieder an den Füßen... gemeine Schotterpiste und so.

        Diese Strecke ist etwas belebter schon die dritten Wanderer begegnen mir und grüßen freundlich. In einiger Entfernung geht mir ein Rentnerpaar voraus. Sie scheinen das herrliche Wetter und die Aussicht ebenso zu genießen wie ich. Aus irgendeinem Grund scheint dennoch der Läuferinstinkt, der schlicht und ergreifend einfach alles überholen will was vor einem ist, in mir zu erwachen (obwohl ich als Nicht-Sportwettbewerbler davon ja eigentlich verschont sein sollte). Die beiden haben einen ganz schönen Zacken drauf. Verglichen mit der maximal Geschwindikeit der watschelnden Geher bewegen sich diese beiden bei gefühlten 70, 80 oder 90%. Also lege ich einen Zahn zu und ziehe natürlich souverän und grüßend an ihnen vorbei. Deswegen lege ich jetzt auch ziemlich flottes Tempo vor. Das liegt auch daran, dass die Schuhe wieder dran sind, damit bin ich dann doch je nach Untergrund etwas, oder einiges schneller unterwegs.

        Zufälle gibt es nicht und so komme ich kurz hinter einer wirklich sehr einladenden Bank an einem Bildstock vorbei. Oft sind diese mit einer Unterschrift, einer Widmung versehen, bei diesem jedoch springt mir der besonders markante Reim ins Auge, aus der Erinnerung:
        "Oh Wandrer hemme deine Hast
        und mach bei mir ein bisschen Rast.
        Für irdisch Ding sorgst du zu viel,
        zu wenig für dein ewig Ziel."
        Alleine schon zwei dieser alten, kläglicherweise stets weniger benutzten Worte im ersten Satz. Hemme und Hast. Ja, mit Sicherheit hat er Recht. Also Dank ich für den Wink und zieh die Schuhe wieder aus, da läufts sich gleich von allein langsamer. Dafür werde ich mit einer saftigen Wiese belohnt, das weiche Gras bezierzt meine Wanderfüße.

        So schön der erste Teil dieses Abschnitts auch ist, so schnell nähere ich mich der Bundesstraße und dem schon beim ersten Studieren der Karte entdeckten Abschnitt des Westweges der an dieser mehr oder weniger Nah entlangführt.

        Je nach Untergrund hab ich die Schuhe mal an, mal nicht. Die vereinzelt stehenden Bänke können mich nicht zu einer Pause einladen. Mittag wollte ich frühestens nach 1200h machen. Ich passiere Tannenwälder am Rande zu offenen Kuhweiden und mein Blick schweift umher. Wenn nur der blöde Autokrach nicht wär.

        Mein Weg führt geradewegs aus dem Wald auf offenes Geläden unterhalb eines Hofes vorbei als meine Alarmglocken schrill aufheulen. Hundegebell, und ich keine zwanzig Meter vom Hof entfernt. Ich fasse mich und gehe stur meinen Weg entlang (umdrehen wäre jetzt eh zu spät). Nichts passiert. Ich danke dem Hofbesitzer und seinem Hund, dass sie beide wohl das richtige tun. Der eine in Erziehung und Haltung und der andere weil er Wanderer von Spielzeug und unbedarften Dritten von zwielichter Gestalt unterscheiden kann.

        Ich passiere das letzte Stück des Weges zur Kalten Herberge (1030m). Eine furchtbare Fehlplanung der Wegführung. Gefühlte 50m direkt an der Straße ohne Fußweg. Ich kann ja die Interessen der Wanderer nach Unterkunft am Wegesrand und die des Wirtes nach guter Anbindung an die Wander- und Verkehrswege der potenziellen Kundschaft verstehen, aber ein bisschen mehr als 10-20cm Gras-Split neben dem Seitenstreifen hätte es für die Wanderer schon sein können.

        Ohne mit der Wimper zu zucken überlasse ich die Kalte Herberge den Motorad- und Autotouristen. Die Westwegwanderer scheinen schon lange aufgebrochen, oder noch nicht angekommen zu sein. Habe ich doch mit meinem bisherigen Weg Hinterzarten - Kalte Herberge schon die ganze Etappe neun des Westweges hinter mich gebracht. (Zu diesem Zeitpunkt wusste ich das aber noch nicht, sonst hätte ich es vielleicht hier schon gut sein lassen und den Rückweg angetreten).

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        • jola5
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          #5
          AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

          Einbruch: Kalte Herberge - Brend
          Für mich steht jedenfalls fest, für den Mittag muss eine Bank her, abseits der Straße, schöne Aussicht und alleine. Anspruchsvoll, aber ich habe Zeit und lass alles es auf mich zukommen. Mein Weg führt weiter und weiter, immer in hörweite der Straße. Aber ich habe mich damit abgefunden. Ist halt nicht Alaska hier.

          Zwischendrin glaube ich einen Hauch vom Mann mit dem Hammer zu erhaschen (so sagen es die Marathonis (http://de.wikipedia.org/wiki/Mann_mit_dem_Hammer). Ich fühle mich irgendwie fertig, es läuft nicht mehr so rund, wahrscheinlich ein Hungerast. Aber nicht so schlimm. "Der Geist ist willig und das Fleisch ist schwach" stimmt für mich läufertechnisch schon eine Weile nicht mehr, ich bin mittlerweile auf der anderen Seite, und die ist meiner Meinung nach weit schlimmer. Wenn der Kopf noch voll dabei ist und die psychische Belastung ein gesundes Maß erreicht man aber merkt wie langsam die körperlichen Reserven aufgebraucht sind.

          Du weißt genau, dein Wille kann dich noch fünf, zehn, fünfzehn Kilometer vorwärts peitschen ... aber die Angst vorm Ermüdungsbruch sitzt dir im Nacken. Aber soweit ist es noch nicht. Etwas über den Hunger gelaufen bin ich schon öfter.

          Unterwegs ein Rastplatz mit Bank der mich aus meinen getrübten Gedanken reist, aber direkt an der Straße. Es ist jetzt schon nach 1200h, aber nein, hier nicht und wenn ich noch eine Stunde unterwegs bin. Die Wanderkarte der Gemeinde Neukirch die hier angebracht ist zeigt mir in nicht allzu weiter Entfernung einen Aussichtspunkt an, der zumindest einige Zehn Meter zwischen Wanderer und Autostraße bringen sollte. Das scheint doch vielversprechender zu sein.

          Zwischen drin wieder mal eine der unliebsamen Begegnungen mit den MTB-Fahrradraudis die meinen alleine auf der Welt zu sein. Kein Bremsen, kein Ausweichen, nicht mal ansatzweise Rücksichtsvolles fahren. Frei nach dem Motto der Schwächere gibt nach, freiwillig, oder unfreiwillig... Zum Glück ist der Weg an dieser Stelle breit genug für "die" und mich, ein paar Meter weiter vorne hätten sie mich glatt vom Weg gefegt.

          Die: So schnell weg, wie sie da waren.
          Ich: Ehrlich verständnislos für so viel Gedanken- und Rücksichtslosigkeit.


          1230h, ich erreiche den besagten Aussichtspunkt. Leider wieder eine Kombination mit Autoparkplatz, aber 50 Meter den Weg seicht bergauf scheint es annehmbar zu sein. Außerdem hab ich Kohldampf, mein T-Shirt und Rucksack sind wirklich nass und was besseres wird mir nicht so schnell in die Quere kommen. Ich tausche die geforderte Bank gegen einen Platz am Rande einer Kuhweide voller Löwenzahn und Butterblume. Grün-Gelbe-Oase für einen Wanderer.

          Ich setze mich aufs Gras zwischen Licht und Schatten, halb unter eine Kiefer. Mein zweites Vesper lacht mir entgegen und meine Füße jubeln, als ich mit ihnen die schöne Aussicht teile und meine Schuhe zum Lüften beiseite stelle. Noch schnell den Oberkörper freigemacht, ich bin ja alleine, und den Weidezaun als Wäscheleine missbraucht.

          Der Westwind reist die ersten Samen der Bettscheißer aus der Wiese und bläst so, dann und wann eine weiß-graue Wolke gen Osten.

          Ein letztes Mal grüble ich über meiner Karte. Hier teilt sich der Weg. Zur Wilhelmshöhe bei Schonach führt der Westweg am Brend vorbei westlich von Furtwangen gen Norden. Die Alternative führt als Teil des Mittelwegs direkt nach Furtwangen. Geistig habe ich mich sowieso schon auf eine Heimreise mit dem ÖPNV eingestellt, also spricht nichts dagegen den Brend noch mit zu nehmen und dann zu sehen wie ich wieder Heim komme.

          Nach ausgiebiger Pause mache ich mich gegen 1300h wieder auf den Weg.

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          • jola5
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            #6
            AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

            Heimweg: Brend - Furtwangen
            Der Weg zum Brend folgt erstmal weiter dem Westweg. Das merke ich, kommen mir doch jetzt am frühen Nachmittag, nach Rucksackgröße und Leidensmiene zu schließen, die ersten Westwegwanderer auf einer weiteren ihrer Etappen entgegen. Aber daneben gibt es auch die fröhlich-quasselnden Nordic-Walkerinnen und die gedankenverlorenen ortsansässigen Rentner auf ihrem Sonntagnachmittag-Spaziergang. Teilweise muss ich mich wieder mit Asphalt rumschlagen, dazu kommt noch das zunehmende Verkehrsaufkommen Richtung Brend das noch unerträglicher wirkt, wenn sich Wanderer, Fahrrad- und Autofahrer ein und den selben Weg teilen.

            Der Brend, ich habe keine Ahnung was das ist, wohl ein Gipfel, zumindest nach der Ausschilderung ein Aussichtspunkt mit Turm. Der Weg zieht sich und im Letzten Stück geht es für meinen Belastungsgrad nochmal kurz aber knackig bergan. Ich spüre einen weiteren Hieb vom Mann mit dem Hammer. Aber um mich ernsthaft zu behindern bin ich zu kurz vor dem Ziel.

            "Der Brend ist ein 1.149 m (N.N.) hoher Berg im Hochschwarzwald in der Nähe von Furtwangen."
            Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Brend_%28Berg%29

            Ein Waldspielplatz, Sonntagnachmittag, das bedeutet quasi Volksfest.
            Auto reiht sich an Auto. Menschen in Badelatschen, Flip-Flops, Barfuß. Kinder mit Windeln, alte Mütterchen mit Kopftüchern. Männer mit Brusthaar meiner Liga und Goldkettchen. Aber, eines kann ich euch sagen. Die Grüßen freundlich und feiern hier ein nettes Familienfest, zugegeben eine sehr große Familie, aber dort ist niemand der mich vollgepanzert auf zwei Rädern in die ewigen Wandergründe katapultieren will, niemand der mir seinen vierbeinigen Freund zum Spielen entgegenschickt. Weitaus angenehmere Gesellen, jawoll.

            Und was sehen meine Augen noch? Autos mit VS Kennzeichen. Man merkt es; hier und da gibt es sie, die Schwaben aus Schwenningen. Alleine schon der Wandergruß verrät sie: Entfleucht dem Allemannen ganz unpersönlich ein "Guten Tag" aus dem Munde, so kommt das "Grüß Gott" des Schwaben doch noch meistens aus dem Herzen.

            Direkt am Brend gibt es noch ein Hotel und so trifft man auch noch die Pfennigabsatz-tragenden Hotelbesucher denen ich, keuchend, stinkend und schnaufend entgegen wandere... "seid froh, dass ich meine Schuhe noch/schon wieder anhabe."

            Oben auf dem Aussichtsturm des Brend werde ich einer klasse Aussicht zu teil; es ist etwas diesig, aber hart erkämpft ist doppelt schön. Einige Richtungsschilder nennen die Gipfel der Alpen: Tittlis, Säntis, Jungfrau, Eiger, Finsterahorn. Darunter mischen sich die Schwarzwald "Hügel" Kandel, Feldberggipfel, Herzogenhorn, ... Definitiv muss ich im Winter mal wieder, bei bester Sicht, unbedingt mal die Schwarzwaldhöhen erklimmen. Das ist schon viel zu lange her.

            Aber verweilen will ich hier nicht wirklich. Also gehts auch gleich wieder runter vom Turm und ein Stück zurück des Weges, dann abzweigen nach Furtwangen und ab in den Bus, oder komme was da wolle. So der Plan von heute morgen. Aber jetzt wo es quasi an den Rückweg geht, da spür ich meine Lebensgeister. Ich fühle mich wie ein Neuwagen der die ersten 1000km eingefahren wurde und jetzt sitzt alles richtig, alles ist geschmiert und auf Betriebstemperatur. Jetzt kann man auch mal das Gas voll durchdrücken.

            Also lass ich mich dazu hinreißen und nehme die paar Hundert Meter vom Brend herunter in bester antrainierter Bergläufer Manier in gestrecktem Galopp (2). So weit so gut, läuft eigentlich wunderbar. Und langsam aber sicher manifestiert sich die Ahnung die ich schon von Anfang an hegte zu konkreten Gedanken: "Wenn ich es bis hierher geschafft, habe, dann schaff ich es auch wieder zurück."

            (2) Das ist natürlich nur bildlich zu verstehen, nicht das jetzt einer kommt von wegen Lauftechnik usw.

            Im Hader mit der Vernunft und dem Streben nach Größerem, oder in diesem Fall weiteren Strecken folge ich dem Weg Richtung Furtwangen.

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              #7
              AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

              Ende Gelände: Furtwangen - Waldau
              Furtwangen, von seinen Studenten (zumindest von denen, die ich kenne) einfach nur als A*schkalt, Tod, Provinz, "nix los" verschrien, kenne ich nicht wirklich. Ich glaube ich war schon zwei Mal dort. Wirklich gesehen habe ich davon aber nicht wirklich etwas, das wird sich heute nicht groß ändern. Die Lage aber gefällt mir gut, das Verkehrsaufkommen hält sich, zumindest an einem Sonntagnachmittag wirklich in Grenzen. Und trotzdem scheint es für ländliche Verhältnisse eine Metropole zu sein.

              An der ersten Bushaltestelle inspiziere ich den Fahrplan. Es gibt hier nur eine Verbindung Richtung Waldkirch. Ernüchterung einerseits, denn auf den nächsten Bus zu warten, mit diesem nach Waldkirch zu fahren, von dort mit der Bahn nach Freiburg und schließlich von dort mit der Höllentalbahn zurück nach Hinterzarten zu gurken wäre schon eine kleine Weltreise, Dauer 0230h.

              Dafür ist mir meine Zeit zu schade, also denk ich an den Wald und hör mich leise rufen: "Lauf, Forrest, lauf".

              Ich folge der Wanderausschilderung Richtung Titisee-Neustadt, an einigen Häusern vorbei komme ich schließlich auf der Rückseite des Betriebsgeländes der Firma SSS Siedle wieder in Flora und Fauna. Der Wanderpfad (herrlich) beginnt mich schon wieder auf die Natur einzustimmen. Leider muss ich dann doch nochmal "runter" und 100 Meter ein letztes Wohngebiet von Furtwangen "queren". Aber dann gehts wirklich wieder in den Wald und ein schon ziemlich verwilderter Weg, eine Mischung aus altem Forstweg und echtem Wanderpfad erfreut Auge und Gemüt.

              Trotzdem setzt mir der Weg zu. Es geht bergauf und meine Beine melden ganz deutlich, dass sie bis hierhin weit mehr benutzt wurden als üblich. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Auch mein eingebauter Motivationsspender signalisiert mir, dass er über die Maßen ausgelutscht ist und er dann auch irgendwann mal keine Lust mehr hat immer für gute Laune zu sorgen, außerdem ist Sonntag, Ruhetag und so... ja, ja ich weiß: "Beweg dich".

              Aus dem letzten Loch pfeifend erkämpfe ich mir barfuß Höhenmeter um Höhenmeter; Schritt um Schritt führt mich weg von der Menschensiedlung.

              Die Metropole vergessend, komme ich auf meinem Weg vom physischen übers psychische wieder knallhart zum physischen. Meine Blase gibt nun deutlichst zu verstehen, dass es Zeit ist mal kurz inne zu halten und alle Anspannung von mir fahren zu lassen. Mangels auch nur der kleinsten Ausrede gebe ich mich bereitwillig dem biologischen Bedürfnis hin lege mein Gepäck an der kommenden sehnlichst herbeigewünschten Bank ab. Ein kurzer Abstecher in den Wald und dann endlich Ruhe, Entspannung für Seele und Geist... nicht so ganz, aber immerhin Pause für die Füße (natürlich ohne Schuhe) und konsequenzenlose Entspannung für die Blase. Ich genieße mein drittes und letztes Wandervesper. Ich scheue mich aus Angst vor dem Entsetzen davor meine Trinkblase auf den verbleibenden Inhalt zu kontrollieren.

              Ein Blick auf die Karte zeigt mir was noch vor mir liegt. Ich werde auf Höhe meiner Mittagsrast an der Kuhweide für einige Zeit wieder dem Westweg Richtung Kalte Herberge folgen. Nachdem ich der Autostraße am Randstreifen folge, verlasse ich den Weg und es geht auf gelb-markierten lokalen Wanderwegen Richtung Neustadt. Spätestens in Neustadt hätte ich eine annehmbare ÖPNV Verbindung nach Hinterzarten, also auf gehts. Ein letztes mal. Leider melden auch meine Fußballen, dass ihr Belastungslimit ziemlich erreicht ist und so muss ich meine Schuhe für den Rest des Tages dort lassen, wo sie originär hingehören.

              Ich komme kaum wieder in Gang. Alles ist schwer und mühsam. Aber es muss, es muss. Ich greife zu meinen letzten Reserven, ich öffnen meine Tüte getrocknete Apfelringe und schiebe mir einen in den Mund. Steinhart, das muss ein richtig alter, also guter Jahrgang sein. Aber das intensive kauen lenkt mich ab, ich entwickle wieder einen Blick für meine Umgebung und nachdem ich gefühlte 100 mal auf dem Apfelring herumgekaut und eine dicke nach apfelschmeckende Masse im Mund habe schlucke ich sie mit einem guten Schuss aus meiner Trinkblasse hinunter.

              Ich habe keine Ahnung was, außer Fruchtzucker natürlich, in diesen getrockneten Apfelringen drin steckt aber meine Lebensgeister schießen von Gaumen über Magen in meine Beine. Holla, Belastungslimit, was ist das denn? Ich bin wieder unterwegs wie der Blitz. Ein Apfelring nach dem anderen wird vernichtet, so lange von diesem Treibstoff noch da ist, könnte ich laufen ohne Pause.

              Ich treffe auf die besagte Stelle vom Mittag und folge dem bekannten Weg Richtung Kalte Herberge. Ich überquere die Straße bevor zwei MTB Fahrer an mir vorbei zuckeln. Etwas unentschlossen stehen sie vor dem Wanderwegweiser der mir den Weg nach Neustadt zeigen wird.

              Asphalt, wer hat sich so einen Schwachsinn einfallen lassen. Ich nehme wie es kommt, ändern kann ich es nicht mehr und die Schuhe sind an den Füßen, also werde ich auch mit Asphalt klarkommen. Nach einigen Momenten der Ruhe quälen sich die zwei MTBs an mir vorbei. Schön in weitem Abstand, ganz rücksichtsvoll. Ich will es ihnen zutrauen, dass sich diese Zwei bergab genauso vorbildlich verhalten.

              Kaum sehe ich die Pneus von hinten fackelt etwas in mir auf. War es nicht bisher so, dass ich die MTBs bergauf überholte und nicht andersrum? Bergab können die machen was sie wollen aber bergauf? Meine Bergläuferehre setzt alle Hebel in Bewegung und mobilisiert von irgendwoher nochmals ein paar Reserven (vielleicht ein letzter Rest Apfelring irgendwo in der hintersten Ecke einer Backentasche). Ich lege einen Zahn zu und setze zumindest die Geschwindigkeit ihres Vorsprunggewinns deutlich herunter. Zu meinen Gunsten muss ich mir anrechnen, dass das auch eine Asphaltstraße ist und kein Wald- oder Bergweg auf denen ich die MTBs sonst alt aussehen lasse.

              Außerdem bin ich wandernd unterwegs, wäre ich hier als waschechter Bergläufer, ich würde denen zeigen wo der Hammer hängt. Aber heute nicht mehr.

              Ich erklimme die Steigung, sehe die Radler auf der Ebene davon Richtung Tal rauschen, und mache mich daran die Zweite Notversorung, getrockene Mango, zu öffnen. Wie lange diese Packung wohl reicht?

              Als es wieder bergab geht sind die Radler längst weg. Ein Fahrrad, das wär jetzt was... Die Wanderwegweiser sind gemein: Links nach Neustadt, rechts nach Neustadt. Dinstanzunterschied 500m. Was mach ich jetzt, anhalten und Wanderkarte befragen? Nein, ich entscheide mich gegen den Weg den auch die Fahrradbeschilderung ausweist und hoffe so auf einen "wilderen" Weg.

              Pustekuchen. Es folgen unendliche weiten auf Teer durch Gehöfte und an Weiden vorbei. An jedem Hof an dem ich heute vorbei komme oder durch den mich mein Wanderweg sogar hindurchführt wandelt sich mein immernoch zügiges Wandertempo in ein gemütliches Seniorenkreis-Nachmittags-Spaziergang-Geschlendere. Denn hinter jeder Hausecke vermute ich eine Horde Berner-Sennenhunde, Bernhardiner, Beagels, Dackel, Schäferhunde, ... die nur darauf warten sich spielend auf harmlose Wanderer zu stürzen. Aber nichts dergleichen, die erste, unangenehme soll auch die einzige Begegnung mit Vierbeinern an diesem Tag bleiben. Mir solls recht sein.

              Weil der Tag sich zwischenzeitlich merklich vom Nachmittag gen Abend wandelt lege ich die ein oder andere Wanderpause ein, sprich ich beginne Wegabschnitte zu laufen, schließlich will ich heute noch Heim.

              Unter mir liegt der Weiler Waldau, heute zu Titisse-Neustadt gehörend (900m), sieht schön schnuckelig aus. Aber ich muss weiter und mittlerweile bin ich für die Schönheit meiner Umgebung etwas abgestumpft, schade eigentlich. Ich wandere wieder und in Luftlinie höchstens zwanzig Meter entfernt fährt ein Bus die Straße unter mir entlang. Aufschrift: "Neustadt".

              "Mist", denke ich und werfe im Vorbeigehen einen Blick auf den Busfahrplan. Sonntags gibt es ganze zwei Busverbindungen von Waldau nach Neustadt. Irgendwann Vormittags und um 1703h, ich bin 1710h an der Bushaltestelle. . Aber mich schockt heute nichts mehr, selbst wenn ich jetzt noch von Neustadt nach Hinterzarten laufen müsste.

              Der Weg führt mich weiter aus Waldau heraus, ich sehe Familien beim gemütlichen "Sommer-Sonne-Genießen" und denke an Feierabend, gemütliches Abendessen auf dem Balkon in der goldenen Abendsonne. Zur Besänftigung gibts noch eine getrocknete Mango. .

              Etwas außerhalb von Waldau erblicke ich eine niegel-nagelneue Kneipp-Anlage. Der Rasen ist sogar noch mit Baustellenband abgesperrt. Aber das Becken ist in Betrieb und ich entdecke kein Anzeichen, kein Hinweisschild, dass ein Betreten untersagt. Mein ganzes Sein macht einen Hüpfer. Das hab ich ja schon ewig nicht mehr gemacht. Alle verbleibenden Kilometer vergessend, nehme ich mir nochmal eine ungeplante Auszeit und drehe meine Runden im Kneipp-Becken. Schön im Storchengang versteht sich. Währenddessen formuliere ich in Gedanken die schönsten Dankes-E-Mais and die Gemeinde Waldau in denen ich mich für diese unglaubliche Wohltat auf meiner Tour bedanke.

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              • jola5
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                • 18.03.2011
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                #8
                AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                Geistige Dominanz: Waldau - Hinterzarten

                Alles hat ein Ende. Und damit ich mit meiner Wanderung auch mal ein Ende finde, muss ich weiter. Also, raus aus dem Wasser, wieder rein in die Schuhe, aua. Und weiter gehts.

                Ich gehe wieder bergan, wer hätte es gedacht, und tausche etwas widerwillig die schöne Abendsonne mit der merklich an Helligkeit verlierenden Waldbeleuchtung. Die Zeit vergeht und der folgende Wanderwegweiser lässt mich kurz grübeln. Nach Neustadt 10km, nach Hinterzarten 11,5km. Das muss ich mir nicht zweimal überlegen. Also wähle ich den direkten Weg nach Hinterzarten. Während ich auf der einen Seite die Landschaft in mich aufnehme, die in warmes grün getauchten Wiesen, die goldene Abendsonne, jongliere ich auf der anderen Seite wieder mit den Zahlen. Was ist machbar in 11,5km, wie lange brauche ich? Wie schnell wandere ich? Sollte ich wieder laufen?

                Und wieder bergan. Auf einer Wiese, das ist herrlich, ich mag Asphalt nicht mehr sehn. Aber die Steigung hat es in sich. Oben biegt der Weg ab in den Wald. Die Forstarbeiter scheinen hier richtiggehend gewütet zu haben. Überall bis zu Unterarm Dicke Äste auf dem Boden. Teils mehrere Lagen. Normalerweise würde ich mich hier wohlfühlen. Schuhe aus und genüßlich von Ast zu Ast. Aber Schuhe aus ist nicht mehr, mittlerweile scheine ich mir tatsächlich mal wieder eine Blase gelaufen zu haben. Das ist mir wirklich schon lange nicht mehr passiert. Die Äste sorgen dafür, dass ich wirklich langsam voran komme. Ich habe das Gefühl die Zeit läuft mir davon.

                Es ist gut 1745h. Ich melde mich mal per Handy um Bescheid zu geben, dass ich noch lebe und lasse mich doch tatsächlich zu einem "um 1900h bin ich in Hinterzarten, das schaff ich schon" hinreißen nur damit ich das Angebot abgeholt zu werden aus trifftigem Grund ablehnen kann. Auflegen, Handy wieder wegstecken, die Uhrzeit prüfen. Verflixt nochmal, es dürften noch gute 9km sein und ich habe noch knapp über eine Stunde Zeit. Idiot, das schaff ich wandernd niemals.

                Also lege ich, gebunden an mein eigenes leichtsinnig gesprochenes Wort den Berglaufgang ein. Ich komme voran, ich weiß nicht wie, aber irgendwie komme ich voran. Mal wandernd, mal laufend. So wie ich es eben schaffe.

                Der folgende Wegweiser ist wie ein Leuchtfeuer in stürmischer Nacht, verkündet er doch die Weißtannenhöhe in 600 Meter. Die Weißtannenhöhe, das klingt so bekannt und scheint doch schon eine Ewigkeit her zu sein. Vor lauter Euphorie lege ich nochmal einen Zahn zu, aber nur für vielleicht 200, 300 Meter, dann muss ich mich weiter wandernd fortbewegen.

                Die Weißtannenhöhe. Ich nehme mir keine Zeit kurz inne zu halten und mich auf den letzten Abschnitt zu freuen. Jetzt gehts abwärts. Also nehme ich den Gang raus und fliege den Berg hinab. Verblüffenderweise zeigt mir die Uhr, das noch alles möglich ist, wenn ich nur laufend durchhalte. Sobald sich dieser wunderschöne bergab-Waldweg aber in eine ebene, gar leicht steigende sich windende Asphalt-Schlange wandelt ists wieder aus mit der Lauferei. Mühsam, wirklich mühsam und total erledigt quäle ich mich in der Abendsonne gen Hinterzarten.

                Ich schleppe mich weiter und weiter durch Höfe und an einer Ferienwohnung vorbei. Plötzlich blicke ich auf und meine Augen bleiben am Namensschild eines Gasthofes kleben: "Heiligenbrunnen". Nee, egal wie müde, darauf hab ich keine Lust. Also nochmals das selbe Spiel wie heute morgen. Auf dem Absatz kehrt und zurück woher ich gekommen bin, die erste Möglichkeit zum Umweg nehmend umgehe ich Heiligenbrunnen so gut ich kann. Das mag panisch sein und im besten Fall hätte ich nur eine Hundeschlabber-Spiel-Attacke kraft- und wehrlos über mich ergehen lassen müssen. Aber weder auf das, noch auf Schlimmeres habe ich Lust.

                Ich nehme die Wiese die mich heute morgen empor geführt hat bergab, zurück auf den beschrankten Waldweg und wieder Asphalt. Egal, alles egal, ich will heim.

                Ich vernichte die letzten reste meiner Mango, brauche meine gesamten Wasservorräte auf (die Trinkblase hat länger gehalten als ich dachte), sprinte durch das Hinterzartener Moor und schaffe es trotzdem nicht ganz. 1905h bin ich wieder am Start angelangt. Aber nun ist es vorbei.

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                • jola5
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                  • 18.03.2011
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                  #9
                  AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                  Abendessen, Dusche, Couch, Bett
                  Abendessen ist natürlich schon längst fertig und ich spüre wie mein Magen, jetzt nachdem die Belastung aufgehört hat, rebelliert. Essen, nein bitte nicht, aber ich muss. Also esse ich etwas und dann ab unter die Dusche. Ich bin kraftlos, müde, erschöpft. Ich zittere ab und an und mir ist kalt. Müde kreisen meine Gedanken um den heutigen Tag. Ich verschnaufe etwas auf der Couch und penne natürlich sofort weg.

                  War das also mein Belastungslimit, oder hab ich es gar überschritten? Ist das alles was geht, oder geht noch mehr? Warum wollte ich das und was habe ich nun davon?

                  Ich weiß nicht ob ich körperlich wirklich an der Belastungsgrenze war. Ich denke nicht, sonst hätte ich eher auf das Einhalten meiner Zeitzusage gepfiffen, das Abholangebot angenommen und die letzte Strecke nicht rennend, sondern höchstens wandernd oder per Bus zurückgelegt.

                  Mein primärer Motivationsmotor war definitv am Ende seiner Kräfte. Einzig und alleine das "es schaffen wollen" hat noch irgendwie gezogen.

                  Warum macht man sowas?

                  Aus demselben Grund warum manche einen Marathon rennen, andere in unter 3 Stunden die Eiger-Nordwand erklimmen und wieder andere 24 Stunden durch den Bayrischen Wald wandern. Abenteuer (zumindest ein bisschen), Selbsterfahrung, weil wir mit der Freiheit gesegnet sind manchmal Dinge tun zu können, die wir einfach nur wollen.

                  In diesem Sinne noch ein Wort der hart erwanderten und erlaufenen Weisheit:
                  "Lieber rennend durch den Wald, als wandernd auf Asphalt.", oder andersrum.


                  Zahlensalat, Streckenverlauf
                  Länge: 60km
                  Höhenmeter: +1800m/-1800m
                  Maximale Steigung: +23,3%/-28,5%

                  Start: 0730h
                  Ende: 1905h
                  Pausen: 0110h

                  v-Durchschnitt: 5,7km/h

                  Hier sollte eine GPX-Karte erscheinen! Wenn diese nicht nach wenigen Sekunden nachgeladen wird bitte die Seite aktualisieren.
                  Angehängte Dateien
                  Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:48.

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                  • Solasimon
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                    • 09.12.2009
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                    Zitat von jola5 Beitrag anzeigen
                    Nicht zuletzt weil ich schon lange nicht mehr "richtig lang" auf Tour war, sondern auch angeregt durch die Anfragen/Kommentare aus dem Forum zu Tageskilometerleistung in diversen Reisevorbereitungen und Reiseberichten, wollte ich einfach mal wissen was geht: Wie weit können mich meine Füße tragen?
                    Interessanter Bericht, aber was stand am Ende auf dem Kilometerzähler?

                    Simon
                    Nur der wird Gottes Anerkennung finden und leben, der ihm vertraut.
                    Die Bibel - Römer 1,17

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                    • Cattlechaser
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                      #11
                      AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                      Gratulation zur tollen Laufleistung. Das mit dem Kilometerstand interessiert mich auch.
                      Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                        #12
                        AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                        Zitat von jola5 Beitrag anzeigen
                        Nicht zuletzt weil ich schon lange nicht mehr "richtig lang" auf Tour war, sondern auch angeregt durch die Anfragen/Kommentare aus dem Forum zu Tageskilometerleistung in diversen Reisevorbereitungen und Reiseberichten, wollte ich einfach mal wissen was geht: Wie weit können mich meine Füße (1) tragen?
                        Zitat von Solasimon Beitrag anzeigen
                        Interessanter Bericht, aber was stand am Ende auf dem Kilometerzähler?
                        Und wieviele Kilometer hättest Du am nächsten Tag geschafft? Eine "Tageskilometerleistung" ist meiner Meinung nur bei Mehrtagestouren interessant.

                        Zitat von jola5 Beitrag anzeigen
                        Leider keine Fotos, die Spiegelreflex war mir dafür einfach viel zu schwer.
                        Das ist Schade. Bei einer Tagestour hättest Du das auch noch geschafft.

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                        • jola5
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                          • 18.03.2011
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                          #13
                          AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                          Vielleicht fahre ich die Tour mal mit dem Fahrrad nach (natürlich rücksichtsvoll) und dann kann ich auch Bilder machen.

                          Wegen Kilometerlänge und so weiter werde ich mal schauen wann ich das hinbekomme. Den Weg den ich bisher nachgezeichnet habe stimmt an einigen Stellen noch nicht. Über den Daumen stimmen die abgeschätzten 60km aber ungefähr.

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                          • jola5
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                            • 18.03.2011
                            • 86
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                            #14
                            AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                            Zitat von chrischian Beitrag anzeigen
                            Und wieviele Kilometer hättest Du am nächsten Tag geschafft? Eine "Tageskilometerleistung" ist meiner Meinung nur bei Mehrtagestouren interessant.
                            Das ist natürlich ein berechtigter Einwand. Aber bei einem Experiment a la "Belastungsgrenze über mehrere Tage austesten" würde es kaum Sinn machen am ersten Tag quasi bis zum umfallen zu laufen . Da hätte ich das ganze eher auf zwei Teile aufgeteilt.

                            Erstmal morgens eine richtige Strecke, dann lange Pause, wahrscheinlich Erholungsschlaf (1-2h) und dann nochmal gegen Nachmittag in den Abend einen Zweiten Teil. Da schätze ich mal so 1x25km und 1x15km als realistisch, beim Folgetag dann allerdings weniger.

                            Um deine Frage auch zu beantworten, ich schätze dass 10km am Stück am Montag drin gewesen wären. Über den ganzen Tag verteilt, also auch wirklich so im Bereich 3-4km/h mit Pausen über 10-12h könnte ich mir insgesamt 15-20km vorstellen.

                            Aber da ich das in der Form noch nie gemacht habe ist das ja alles nur wilder Spekulatius

                            Ich habe im ersten Beitrag des Berichts mal die Strecke als gpx ergänzt. Die nachgemalte (und korrigierte) Strecke beläuft ziemlich genau auf 60km. Alles andere weiter oben.

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                            • Gast-Avatar

                              #15
                              AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                              Zitat von jola5 Beitrag anzeigen
                              Das ist natürlich ein berechtigter Einwand. Aber bei einem Experiment a la "Belastungsgrenze über mehrere Tage austesten" würde es kaum Sinn machen am ersten Tag quasi bis zum umfallen zu laufen .
                              Darauf wollte ich hinaus. Das war mehr ein Test, was schafft man in einem Stück. Die Hexenstiegtour innerhalb von 24h wäre dann der nächste Schritt.

                              Zitat von jola5 Beitrag anzeigen
                              Ich habe im ersten Beitrag des Berichts mal die Strecke als gpx ergänzt. Die nachgemalte (und korrigierte) Strecke beläuft ziemlich genau auf 60km. Alles andere weiter oben.
                              Schade, scheint nicht geklappt zu haben.

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                                • 18.03.2011
                                • 86
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                                Zitat von chrischian Beitrag anzeigen
                                Schade, scheint nicht geklappt zu haben.
                                Du bist zu schnell, ich fand im letzte Beitrag des Berichts passt es doch besser

                                Funktioniert jetzt die Streckenazeige mit den gpx Dateien eigentlich? Bei mir klappt es weder mit firefox, chrome noch mit opera.

                                ---

                                Jetzt geht es irgendwie doch, gestern hab ich ewig lang rumprobiert und das gpx Test-Thema studiert...
                                Zuletzt geändert von jola5; 12.05.2011, 18:38. Grund: gpx geht doch!

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                                • Solasimon
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                                  • 09.12.2009
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                                  #17
                                  AW: [DE] Westweg, Etappe 9, Brend, Etappe 9

                                  Geht erst nach einer Aktualisierung des Threads, daran könnte es gelegen haben.

                                  Simon
                                  Nur der wird Gottes Anerkennung finden und leben, der ihm vertraut.
                                  Die Bibel - Römer 1,17

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