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"Es begab sich aber zu der Zeit, als die Menschen im Abentlande am Ofen saßen und Plaetzchen buken, dasz sich drei Weise aufmachten aus der Stadt Berlin, welche die größte und schönste im gantzen Lande ist, auf dasz sie endlich fänden jenen Ort, der da heißt Wolfswarthe und liegt im Gebirge Harz. Und so fuhren die drei Weisen Ixylon, Pfad-Finder und Pülür mit der Kutsche auf ehernen Geleisen nach Ilsenburck."
"Hier?" "Hier!" Der Wegweiser ließ keinen Zweifel offen. "Borkenkäferpfad" stand da. Nur versteckte sich der Weg, den er weisen wollte, unter einer 20 Zentimeter dicken Schneedecke. Lediglich die Konturen des Hangs ließen erahnen, wo sich der Weg hinaufserpentinieren könnte. 30 Meter nach dem Einstieg war die Unsicherheit verschwunden: Ein freundlicher Paarhufer hatte den Weg nach dem letzten Neuschnee vorgespurt. So konnten wir ohne Schneeschuhe und ohne weiteres Rätseln bis zur Baumgrenze vordringen. Hier hatte die Nationalparkverwaltung aus der Not mit dem Borkenkäfer eine Tugend gemacht und einen Lehrpfad angelegt. Wir folgten ihm natürlich nicht, sondern einem anderen Weg, den uns unsere Zauberkästen wiesen. Ixylon warf an dieser Stelle für den noch unvoreingenommenen Pülür ein, "Pfad-Finder" sei manchmal eher ein "Pfad-Erfinder". Ich weiß beim besten Willen nicht, worauf er hinauswollte. Im Sommer war hier doch ein Weg!
Ixylon liest Schneeschuh-Neuling Pülür seine Rechte vor: „Sie haben das Recht zu frieren und das Recht auf einen ordentlichen Muskelkater. Wenn Sie sich keinen Muskelkater leisten können, können wir darauf keine Rücksicht nehmen. Sie haben das Recht auf standesgemäßes Erschießen und Verscharren im Falle eines Schwächelns, und Sie haben das Recht, von der Tour zurückzutreten. Die Einspruchsfrist ist hiermit abgelaufen. Falls Sie noch Fragen haben: Die Fragen stellen WIR."
Ob die Abkürzung wirklich etwas verkürzte, sei dahingestellt: Ixylon legte eine Snowboard-, pardon, eine Schneebrett-Partie ein. Der letzte Neuschnee hatte sich auf eine vereiste Glattschneeschicht gelegt, am Steilhang eine unglückliche Kombination. Vor allem dann, wenn man nicht mit genügend Eigengewicht gesegnet ist, um die untere Schneeschicht zu durchbrechen.
Schließlich erreichten wir eine Lichtung mit einer Schutzhütte. Es war inzwischen 16 Uhr und die Sonne hatte sich schon hinter den Waldrand verzogen. Eigentlich wären es noch drei Kilometer Luftlinie bis zum Tagesziel gewesen. Ixylon, dieser unverbesserliche Rationalist, warf ein, dass wir dafür noch rund eine Stunde brauchen würden und damit erst im Dunkeln ankämen. Dagegen ließ sich wenig einwenden. So blieben wir auf der Lichtung und verließen Nationalpark-konform auch nicht den Weg. Zu Recht nahmen wir an, dass niemand diesen Weg einschlagen würde. Außer anderen bekloppten Forumsusern vielleicht. Auch aus der Gegenrichtung war nichts gespurt.
Magische Schneekreise sollen die Strahlung der Schneekristalle so bündeln, dass sie die Heringe in den Boden ziehen.
Als die Zelte standen und sich der Mond über die Wipfel erhob, als die Tiere des Waldes verstummten und die Hütte zum Esszimmer wurde, da geschah das Undenkbare. Etwas, was wir in unseren kühnsten Albträumen nicht erwogen hatten. Was einfach nicht hätte passieren dürfen.
"Ich glaube...", setzte Pülür an, nachdem er seinen Kopf aus dem Rucksack gezogen hatte, "ich glaube, ich habe meinen Benzinkocher zu Hause gelassen." Wir wurden blass. Es waren schon jetzt minus fünf Grad, und der klare Himmel ließ einen weiteren Temperatursturz erwarten. Sollten wir allein auf unsere zwei Pussygaskocher angewiesen sein? Bilder aus "The Day after Tomorrow" kamen uns in den Sinn. Würden die Wölfe mitbekommen, dass hier leichte Beute auf sie wartete? „Wir werden alle sterben!!“, rief jemand mit panischer Stimme.
Ixylon schlug vor, einige hundert Meter abzusteigen, vielleicht würde sich dann der Kocher ja im Rucksack wiederfinden lassen. Ich verwies darauf, dass diese Vorgehensweise bei Kocherversagen an den Zeterklippen schon einmal bei anderem Forumsuser fehlgeschlagen war und ihn in die Arme der Bergwacht getrieben hatte. Während sich Pülür virtuell mit seinem nun nicht nur ultraleichten, sondern auch ultraleisen Benzinkocher beschäftigte, brutzelten wir beiden anderen unser Abendessen. Bei dieser Gelegenheit weihte ich mein neues 0,75-Liter-Edelstahl-Topfset von einer Hausmarke des Herrn Merten sein Laden ein. Im Vergleich zum Snowpeak-Titanbecher gleicher Größe ging das Kochen nun ratz-fatz - die Wärmeleitfähigkeit von Stahl bringt klare Vorteile beim Gasverbrauch.
Um gefühlt 22 Uhr, aber tatsächlich 18:30 Uhr war uns so kalt, dass wir uns in unsere Zelte zurückzogen. Die Temperatur lag inzwischen bei etwa minus zehn Grad, und es war immer noch weitgehend klar.
Nach der Erfahrung mit dem kollabierten Schlafsack bei einer vorausgegangenen Wintertour stand bei mir diesmal ein Versuch mit VBL an. Dazu diente ein ME-Notbiwaksack (der mit 108 Gramm). Das Geraschel war zu ertragen. Unangenehmer war jedoch das Gefühl an den Füßen, das dem schrumpelnder Haut bei Extreme Bathtubbbing ähnelte. Nicht verwunderlich, denn mein Körper erledigt seit jeher einen beträchtlichen Teil seiner Flüssigkeitsauscheidung über die Füße.
Wenn auch nicht genug: Nach einer ersten Runde Schlaf wurde ich gegen Mitternacht wach. Minus 8,8 Grad im Zelt meldete meine Digitaluhr. Bei einem kleinen Nachtspaziergang ins nächste Fichtendickicht warf ich noch einen Blick auf das Außenthermometer: -13 Grad. Aber inzwischen war es schon bedeckt, ein weiterer Temperatursturz nicht zu erwarten. Ich beschloss, den Rest der Nacht ohne Plastiktüte zu verbringen - es war ja nur eine Übernachtung angesagt, und dann ist der Schlafsack-Kollaps zu verkraften. 260 Gramm Übergewicht meldete übrigens die Waage nach der Rückkehr.
Der Morgen begrüßte mich gegen 8:40 mit blauem Himmel. Ixylon und Pülür lagen offenbar noch in der Winterstarre. Ich kochte mir gemütlich mein Frühstück. Einer alten sibirischen Tradition gemäß gab es Boeuf Stroganoff aus der Trekkingmahlzeit-Tüte, diesmal gepimpt mit zusätzlichem Kuko-Reis. Tja, liebe Bewohner des fortgeschrittenen Abendlandes: Den KUrz-KOch-Reis gibt es nur östlich von Elbe und Saale.
Zehn Uhr. Immer noch keine Bewegung, keine Geräusche aus den Nachbarzelten. Nicht einmal Schnarchen.
Halb elf. Ich begann mir Sorgen zu machen und schlich zu den Zelten. Es dauerte eine Weile, bis meine vorsichtige Bitte nach Lebenszeichen eine Reaktion hervorrief. Dass es halb elf war, wollte mir irgendwie niemand glauben. Dabei wollten wir doch heute noch zur Wolfswarte. Für Ixylon und mich galt es schließlich, die Scharte zweier vorangegangener Wintertouren auszuwetzen, als unsere Vorstöße in Richtung dieses magischen Ortes gescheitert waren.
Beim Frühstück wurde mir bewusst, dass ich besser selbst etwas länger hätte schlafen sollen. Mit dem restlichen Inhalt eines Beutelchens aus einem MRE-Paket, dass die verlockende Aufschrift "Orange Beverage Powder" trug, bereitete ich eine Flasche frisch geschmolzenen Wassers zu. Ein isotonisches Getränk würde mir schließlich gut tun. Dass das Pulver weiß war, machte mich nicht weiter stutzig. Dass der Inhalt der Flasche allerdings auch nicht den gewohnten Orange-Ton annahm, schon eher. Beim ersten Ansetzen der Flasche wurde mir der Fehler sofort klar: Ich hatte mir ein hochisotonisches Konzentrat hergestellt, gegen das im Vergleich selbst Nordseewasser eine bessere Erfrischung geboten hätte. Und ich erinnerte mich dunkel an meine Schottlandtour im Juni, als ich einem Hostel aus einem "Free Food"-Salzkarton meine Salzvorräte durch Umfüllen in eben jenen Orangengetränk-Beutel augestockt hatte. Lesson learned: Fülle in beschriftete Beutel keine artfremden Lebensmittel!
Um halb eins brachen wir schließlich auf. Fröhlich knirschte der Schnee unter den Schneeschuhen. Leider hatte uns niemand den Weg gespurt, und so kamen wir nicht mehr wirklich zügig voran.
Leider noch nicht die Wolfswarte, sondern nur der Brocken
Am Kruzifix war es Zeit für eine ausgedehnte Kekspause – und für Mutmaßungen über Hermann01:
Wer steckt hinter dem rätselhaften und scheuen Künstler, der seine Besuche der Oberharzer Schutzhütten so penibel dokumentiert? In seiner Frühphase (2003) griff Hermann01 noch zur Schulkreide und krakelte mit ungelenken, raumgreifender Buchstaben auf den Brettern, die für ihn die Welt bedeuten.
Doch dem aufmerksamen Betrachter bleibt seine rasante handwerkliche Entwicklung nicht verborgen: 2004 verlegte er sich auf Lackstift und eine tabellarische Darstellung. Später – hier nicht abgebildet – ging er zu schwarzem Edding über.
Mit diesem nüchtern-kühlen Stil und dem Verzicht auf jegliche Sentimentalität setzt er sich von kleinlichen Neidern ab, die protzend verkünden „Saisonanfang 2009 - Wir waren vor Hermann da“ und dies auch noch mit einem lächerlichen Smilie glauben zu unterstreichen müssen. Nein, Hermann01 ist ein wahrer Ausnahmekünstler.
Nach diesem kulturellen Exkurs machten wir Zeitinventur: Falls der Tag nicht ausnahmsweise 36 Stunden haben sollte, würde es sehr eng werden mit der Wolfswarte. Um genau zu sein: Bei Annahme einer normalen Tagesdauer würde es sogar schon mit dem Scharfenstein eng werden.
Einmütig entschlossen wir uns zur Rückkehr nach Ilsenburg. In der Wintertour-Rekordliste wird diese Tour trotzdem einen prominenten Platz finden: Während wir uns beim ersten Anlauf der Wolfswarte bis auf 5,5 km Luftlinie und beim zweiten Mal sogar auf 1,16 km genährt hatten, waren es diesmal 9,6 km. So kommt es, dass heute mehr denn je der Wolf wartet. Traditionsgemäß feierten wir diesen Erfolg mit Kuchen und Würstchen beim Cafe am Markt in Ilsenburg.
„Und so zogen die drei Weisen, welche hatten gesucht den magischen Ort, heim in ihre Stadt, ein jeder in sein Viertel. Doch sie schworen einander, solange zu suchen, bis sie die Wolfswarte eines fernen Tages fänden.“
Pfad-Finder
"Hier?" "Hier!" Der Wegweiser ließ keinen Zweifel offen. "Borkenkäferpfad" stand da. Nur versteckte sich der Weg, den er weisen wollte, unter einer 20 Zentimeter dicken Schneedecke. Lediglich die Konturen des Hangs ließen erahnen, wo sich der Weg hinaufserpentinieren könnte. 30 Meter nach dem Einstieg war die Unsicherheit verschwunden: Ein freundlicher Paarhufer hatte den Weg nach dem letzten Neuschnee vorgespurt. So konnten wir ohne Schneeschuhe und ohne weiteres Rätseln bis zur Baumgrenze vordringen. Hier hatte die Nationalparkverwaltung aus der Not mit dem Borkenkäfer eine Tugend gemacht und einen Lehrpfad angelegt. Wir folgten ihm natürlich nicht, sondern einem anderen Weg, den uns unsere Zauberkästen wiesen. Ixylon warf an dieser Stelle für den noch unvoreingenommenen Pülür ein, "Pfad-Finder" sei manchmal eher ein "Pfad-Erfinder". Ich weiß beim besten Willen nicht, worauf er hinauswollte. Im Sommer war hier doch ein Weg!
Ixylon liest Schneeschuh-Neuling Pülür seine Rechte vor: „Sie haben das Recht zu frieren und das Recht auf einen ordentlichen Muskelkater. Wenn Sie sich keinen Muskelkater leisten können, können wir darauf keine Rücksicht nehmen. Sie haben das Recht auf standesgemäßes Erschießen und Verscharren im Falle eines Schwächelns, und Sie haben das Recht, von der Tour zurückzutreten. Die Einspruchsfrist ist hiermit abgelaufen. Falls Sie noch Fragen haben: Die Fragen stellen WIR."
Ob die Abkürzung wirklich etwas verkürzte, sei dahingestellt: Ixylon legte eine Snowboard-, pardon, eine Schneebrett-Partie ein. Der letzte Neuschnee hatte sich auf eine vereiste Glattschneeschicht gelegt, am Steilhang eine unglückliche Kombination. Vor allem dann, wenn man nicht mit genügend Eigengewicht gesegnet ist, um die untere Schneeschicht zu durchbrechen.
Schließlich erreichten wir eine Lichtung mit einer Schutzhütte. Es war inzwischen 16 Uhr und die Sonne hatte sich schon hinter den Waldrand verzogen. Eigentlich wären es noch drei Kilometer Luftlinie bis zum Tagesziel gewesen. Ixylon, dieser unverbesserliche Rationalist, warf ein, dass wir dafür noch rund eine Stunde brauchen würden und damit erst im Dunkeln ankämen. Dagegen ließ sich wenig einwenden. So blieben wir auf der Lichtung und verließen Nationalpark-konform auch nicht den Weg. Zu Recht nahmen wir an, dass niemand diesen Weg einschlagen würde. Außer anderen bekloppten Forumsusern vielleicht. Auch aus der Gegenrichtung war nichts gespurt.
Magische Schneekreise sollen die Strahlung der Schneekristalle so bündeln, dass sie die Heringe in den Boden ziehen.
Als die Zelte standen und sich der Mond über die Wipfel erhob, als die Tiere des Waldes verstummten und die Hütte zum Esszimmer wurde, da geschah das Undenkbare. Etwas, was wir in unseren kühnsten Albträumen nicht erwogen hatten. Was einfach nicht hätte passieren dürfen.
"Ich glaube...", setzte Pülür an, nachdem er seinen Kopf aus dem Rucksack gezogen hatte, "ich glaube, ich habe meinen Benzinkocher zu Hause gelassen." Wir wurden blass. Es waren schon jetzt minus fünf Grad, und der klare Himmel ließ einen weiteren Temperatursturz erwarten. Sollten wir allein auf unsere zwei Pussygaskocher angewiesen sein? Bilder aus "The Day after Tomorrow" kamen uns in den Sinn. Würden die Wölfe mitbekommen, dass hier leichte Beute auf sie wartete? „Wir werden alle sterben!!“, rief jemand mit panischer Stimme.
Ixylon schlug vor, einige hundert Meter abzusteigen, vielleicht würde sich dann der Kocher ja im Rucksack wiederfinden lassen. Ich verwies darauf, dass diese Vorgehensweise bei Kocherversagen an den Zeterklippen schon einmal bei anderem Forumsuser fehlgeschlagen war und ihn in die Arme der Bergwacht getrieben hatte. Während sich Pülür virtuell mit seinem nun nicht nur ultraleichten, sondern auch ultraleisen Benzinkocher beschäftigte, brutzelten wir beiden anderen unser Abendessen. Bei dieser Gelegenheit weihte ich mein neues 0,75-Liter-Edelstahl-Topfset von einer Hausmarke des Herrn Merten sein Laden ein. Im Vergleich zum Snowpeak-Titanbecher gleicher Größe ging das Kochen nun ratz-fatz - die Wärmeleitfähigkeit von Stahl bringt klare Vorteile beim Gasverbrauch.
Um gefühlt 22 Uhr, aber tatsächlich 18:30 Uhr war uns so kalt, dass wir uns in unsere Zelte zurückzogen. Die Temperatur lag inzwischen bei etwa minus zehn Grad, und es war immer noch weitgehend klar.
Nach der Erfahrung mit dem kollabierten Schlafsack bei einer vorausgegangenen Wintertour stand bei mir diesmal ein Versuch mit VBL an. Dazu diente ein ME-Notbiwaksack (der mit 108 Gramm). Das Geraschel war zu ertragen. Unangenehmer war jedoch das Gefühl an den Füßen, das dem schrumpelnder Haut bei Extreme Bathtubbbing ähnelte. Nicht verwunderlich, denn mein Körper erledigt seit jeher einen beträchtlichen Teil seiner Flüssigkeitsauscheidung über die Füße.
Wenn auch nicht genug: Nach einer ersten Runde Schlaf wurde ich gegen Mitternacht wach. Minus 8,8 Grad im Zelt meldete meine Digitaluhr. Bei einem kleinen Nachtspaziergang ins nächste Fichtendickicht warf ich noch einen Blick auf das Außenthermometer: -13 Grad. Aber inzwischen war es schon bedeckt, ein weiterer Temperatursturz nicht zu erwarten. Ich beschloss, den Rest der Nacht ohne Plastiktüte zu verbringen - es war ja nur eine Übernachtung angesagt, und dann ist der Schlafsack-Kollaps zu verkraften. 260 Gramm Übergewicht meldete übrigens die Waage nach der Rückkehr.
Der Morgen begrüßte mich gegen 8:40 mit blauem Himmel. Ixylon und Pülür lagen offenbar noch in der Winterstarre. Ich kochte mir gemütlich mein Frühstück. Einer alten sibirischen Tradition gemäß gab es Boeuf Stroganoff aus der Trekkingmahlzeit-Tüte, diesmal gepimpt mit zusätzlichem Kuko-Reis. Tja, liebe Bewohner des fortgeschrittenen Abendlandes: Den KUrz-KOch-Reis gibt es nur östlich von Elbe und Saale.
Zehn Uhr. Immer noch keine Bewegung, keine Geräusche aus den Nachbarzelten. Nicht einmal Schnarchen.
Halb elf. Ich begann mir Sorgen zu machen und schlich zu den Zelten. Es dauerte eine Weile, bis meine vorsichtige Bitte nach Lebenszeichen eine Reaktion hervorrief. Dass es halb elf war, wollte mir irgendwie niemand glauben. Dabei wollten wir doch heute noch zur Wolfswarte. Für Ixylon und mich galt es schließlich, die Scharte zweier vorangegangener Wintertouren auszuwetzen, als unsere Vorstöße in Richtung dieses magischen Ortes gescheitert waren.
Beim Frühstück wurde mir bewusst, dass ich besser selbst etwas länger hätte schlafen sollen. Mit dem restlichen Inhalt eines Beutelchens aus einem MRE-Paket, dass die verlockende Aufschrift "Orange Beverage Powder" trug, bereitete ich eine Flasche frisch geschmolzenen Wassers zu. Ein isotonisches Getränk würde mir schließlich gut tun. Dass das Pulver weiß war, machte mich nicht weiter stutzig. Dass der Inhalt der Flasche allerdings auch nicht den gewohnten Orange-Ton annahm, schon eher. Beim ersten Ansetzen der Flasche wurde mir der Fehler sofort klar: Ich hatte mir ein hochisotonisches Konzentrat hergestellt, gegen das im Vergleich selbst Nordseewasser eine bessere Erfrischung geboten hätte. Und ich erinnerte mich dunkel an meine Schottlandtour im Juni, als ich einem Hostel aus einem "Free Food"-Salzkarton meine Salzvorräte durch Umfüllen in eben jenen Orangengetränk-Beutel augestockt hatte. Lesson learned: Fülle in beschriftete Beutel keine artfremden Lebensmittel!
Um halb eins brachen wir schließlich auf. Fröhlich knirschte der Schnee unter den Schneeschuhen. Leider hatte uns niemand den Weg gespurt, und so kamen wir nicht mehr wirklich zügig voran.
Leider noch nicht die Wolfswarte, sondern nur der Brocken
Am Kruzifix war es Zeit für eine ausgedehnte Kekspause – und für Mutmaßungen über Hermann01:
Wer steckt hinter dem rätselhaften und scheuen Künstler, der seine Besuche der Oberharzer Schutzhütten so penibel dokumentiert? In seiner Frühphase (2003) griff Hermann01 noch zur Schulkreide und krakelte mit ungelenken, raumgreifender Buchstaben auf den Brettern, die für ihn die Welt bedeuten.
Doch dem aufmerksamen Betrachter bleibt seine rasante handwerkliche Entwicklung nicht verborgen: 2004 verlegte er sich auf Lackstift und eine tabellarische Darstellung. Später – hier nicht abgebildet – ging er zu schwarzem Edding über.
Mit diesem nüchtern-kühlen Stil und dem Verzicht auf jegliche Sentimentalität setzt er sich von kleinlichen Neidern ab, die protzend verkünden „Saisonanfang 2009 - Wir waren vor Hermann da“ und dies auch noch mit einem lächerlichen Smilie glauben zu unterstreichen müssen. Nein, Hermann01 ist ein wahrer Ausnahmekünstler.
Nach diesem kulturellen Exkurs machten wir Zeitinventur: Falls der Tag nicht ausnahmsweise 36 Stunden haben sollte, würde es sehr eng werden mit der Wolfswarte. Um genau zu sein: Bei Annahme einer normalen Tagesdauer würde es sogar schon mit dem Scharfenstein eng werden.
Einmütig entschlossen wir uns zur Rückkehr nach Ilsenburg. In der Wintertour-Rekordliste wird diese Tour trotzdem einen prominenten Platz finden: Während wir uns beim ersten Anlauf der Wolfswarte bis auf 5,5 km Luftlinie und beim zweiten Mal sogar auf 1,16 km genährt hatten, waren es diesmal 9,6 km. So kommt es, dass heute mehr denn je der Wolf wartet. Traditionsgemäß feierten wir diesen Erfolg mit Kuchen und Würstchen beim Cafe am Markt in Ilsenburg.
„Und so zogen die drei Weisen, welche hatten gesucht den magischen Ort, heim in ihre Stadt, ein jeder in sein Viertel. Doch sie schworen einander, solange zu suchen, bis sie die Wolfswarte eines fernen Tages fänden.“
Pfad-Finder
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