[DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

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    [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Grüße liebe ODS'ler,

    ich habe zunächst gezögert meine Tagestourenberichte hier ins Reiseberichte-Board auszulagern, da es ja im engeren Sinne keine richtigen Reisen sind. Ein kleiner, "grüner" Schubs zur Türe hinaus sorgte dann für die Befreiung aus dem Mein Outdoorerlebnis heute Thread. Wahrscheinlich eine dann doch logische Konsenquenz, für die ich sicher nicht undankbar bin


    Inhalt
    1. Granetalsperre | 31.10.2009 | 37km | gpx-Datei
    2. Auerhahn |07.11.2009 | 28km | gpx-Datei
    3. Ilsenburg | 14.11.09 - 15.11.09 | 58km | gpx-Datei
    4. Rund um Claustal-Zellerfeld | 21.11.09 | 36km | gpx-Datei
    (2 weitere Touren stehen hier nicht, da es dazu keinen Text gibt: Innerstestausee & Ilsenburg 2)

    Überblick verloren, weil der Thread so voll ist? Na dann einfach den "Namen" der Tour oben anklicken

    Nun, was erwartet euch?
    Zunächst einmal viele Tagestourenberichte aus meinem "Hausgebiet", dem Harz. Von Hannover in knapp einer Stunde zu erreichen bietet er mir die Basis für meine kleinen Alltagsfluchten.

    Na, so richtige Berichte sinds aber nicht, oder?
    Richtig, das stimmt. Es sind kleine Geschichten, angereichert mit meinen Gedanken, Inspirationen und Eindrücken von den Touren. Es wird nicht stoisch von A nach B geschrieben, nicht einfach nur beschrieben, wo lang ich gehe, denn das kann eine Karte oder ein GPX-File deutlich besser. Es ist mehr eine Erzählung, prosaisch-heiter-nachdenklich, beruht aber selbstverständlich auf der eigentlichen Tour.

    Da holt einer aber teilweise ganz weit aus!
    Stimmt auch. Ich schieße meist scharf, oft treff ich auch. Es gibt immer wieder Spitzen, Seitenhiebe und Übertreibungen in meinen Texten. Diese sind nicht persönlich zu sehen, sondern dienen der besseren und fröhlicheren Leseart. Ich hege keinen wirklichen Groll und würde mit jedem meiner "Ziele" abends zum Bier einkehren!

    Schon abgedreht, wie kommt man auf solche Gedanken? Oo
    Ich bin naturbetrunken! Ich bin ein Träumer, ein Spinner, ein Narr. Ich kann vom Banalen und Gewöhnlichen direkt ins Träumen und aus der Realität springen. Ich bin einfach so, anders kann und will ich nicht sein. Wer das einmal erleben möchte, nun, der sollte vielleicht mal mit mir wandern gehen
    Da bekommt man dann hautnah mit, wie es auf einmal "pling" macht und ich losschwafel oder etwas niederschreibe

    Wie entstehen die Geschichten?
    Zunächst einmal suche ich mir eine Strecke ohne irgendwelche Vorbehalte aus. Dann gehts raus und ich lasse die Natur wirken. Die Gedanken sprudeln und ich mache viele Fotos. 2/3 von den Bildern schaffen es nicht, sondern fallen vorn über. Aus den restlichen Bildern baue ich die Strecke nach. Am heimischen PC dann wandere ich die Strecke nach, bastle den Weg mit Bildern und Wortfetzen in eine Geschichte. Die steht dann hier

    Muss ich das lesen?
    Nein!

    Und sonst?
    Zu jeder Tour gibts ein GPX-File, falls ihr die Tour selbst gehen möchtet.
    Alle Bilder sind natürlich selbgeknipst und dürfen gerne privat verwendet werden. Größere Versionen -> Nachricht an mich
    Sämtliche Gedichte sind, wenn nicht explizit gekennzeichnet, von mir geschrieben und dürfen natürlich auch privat genutzt werden


    Und nun, viel Vergnügen beim lesen!

    die rote LED in meiner Stirnlampe ist also doch nützlich!
    Zuletzt geändert von November; 06.11.2011, 21:36.
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    #2
    Granetalsperre

    Einleitung
    Gestern - mal wieder - im Harz, trotz angeschlagenen Knies (ich Idiot!), eine kleine Runde gegangen. Das Knie hat halbwegs tapfer durchgehalten, zum Glück, aber ich glaube, nächstes WE muss ich pausieren, sonst wirds schlimmer und ich kann meinen Urlaub im Dez-Jan abhaken!

    Eigentlich wollte ich nur mit meiner neuen Kamera spielen!

    Die Tour, kurz und knapp
    Streckenlänge
    ca. 38 km
    Dauer
    ca. 9,5 Stunden
    Die Route
    Granetalsperre(Herzog Juliushütte) - Bärenhöhle - Magraretenklippe - Graneblockhaus - Bocksberg(liebesbank) - Hahnenklee - Kuttelbacher Teich - Grumbacher Teich - Maaßener Gaipel - Lautenthal -Altarklippe - Krähenberg - Frankenberg - Granetalsperre(Herzog Juliushütte)

    Prolog
    Traumhaftes Herbstwetter, ein Blättermeer aus goldenroten Farben, die in einem letzten Rascheln sanft zu Boden schneien. Die Wege der grauen Monotonie verwandeln sich in leuchtende Flüsse aus endlos-gelbem Glitzern unter einer weichwärmenden Sonne. Ich wandere nicht, bin schwerelos, schenke mir Flügel, schliesse die Augen nicht und bin doch längst entschwunden. Wohin die Reise geht? Frag nicht, komm mit, ein Stück. Unsere Flügel währen nicht ewig, doch so lange wie sie tragen, lass uns mit jedem ihrer Schläge die Welt neu entdecken!

    Die Tour
    Es ist 8 Uhr an einem frischen (-3 Grad), aber sonnigen Samstag. Der Parkplatz gähnt vor Leere, als ein roter Blechhaufen über die knarzenden Blätter rollt. Endlich Wochenende, endlich raus, endlich frei!


    Die ersten Sonnenstrahlen brechen über die bewaldeten Hügel, ihre lichternen Kegel brechen sich im Rauhreif des Morgens, wecken Wald und Flur und in mir die Lebensgeister!


    Über dem Stausee liegen diesige Überreste einer herben Herbstnacht. Langsam trollen sich die Nebelschwaden gen Himmel, geben Tal und Wasser die Bühne für das Tagesschauspiel frei.


    Die ersten beiden munteren Kerlchen haben sich auch sogleich zu einer frühen Probe eingefunden, ziehen eifrig ihre Bahnen und begrüßen ihren ersten Zuschauer mit einem kurzem Laut.


    Während der Rest der Welt noch unter weißen Dächern in warmen Stuben viele Wälder munter sägt und fällt. Herzog Juliushütte trägt noch die Schlafmütze auf seinem Haupte!


    Früher Frost pflegt meist innige Freundschaften, beißt sich kernig fest und den Kletten gleich möchte er Gesellschaft bis zum Frühling leisten. Ein Zuckerrand aus Eiskristallen ziert diese junge Eiche. Samtener Saum der späten Jahreszeit


    Oh Schreck, OhOh, die joviale Jägerschaft ist auf der Pirsch. Das gesamte Tal von Granestausee bis nach Hahnenklee ist gesperrt. Man betreibt Drückjagd aufs Schalenwild. Bald hör ich der spurlauten Hunde erstes Bellen, dann kracht der erste Schuß, noch in der Ferne. Ich denke nur, eine Schale trägst Du auch, zwar ist sie grün, doch ganz grün ist mir bei der Sache nicht. Ich eigne mich nicht als theatralischer Darsteller in einer Jagdtragödie und beschließe eine alternative Route zu gehen!


    Das Feuer des sonnigen Schmelzofens bricht durch den Wald, vertreibt Kühle, verbannt Nebel, wärmt Herzen und zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich bin im Glück, der Umweg, der mit auferzwungen wurde, stellt sich als bessrer Weg heraus, als meine geplante Route:


    Sieh an, auch ich bin an den Rändern meiner Mütze von Rauhreif verziert. Wahrlich, ein treuer, anhänglicher, flinker Geselle. Leider musste er merken, dass die Wärme meines Körpers ihm kein gutes Heim bot und so verflüchtigte er sich recht schnell und hinterließ nur ein paar wässrige Tränen des Abschiedes. Ich hingegen, fröhlich und begeistert von der Tour:


    Schon wieder diese Jäger! Der halbe Wald scheint hermetisch abgesperrt zu sein und das Gellen ihrer Büchsen ist nun deutlich näher, drastisch drohend. Wieder gehe ich einen Umweg....und was für einen! Ein Hoch auf die Jagdgesellschaft, mein Dank!


    Wohin die Wege leiten, mag auch das Licht vergehn, so wächst in mir die Neugier, das Unbekannte zu erspähn. Ich komme an diesem Höhlen/Bergstollenzugang vorbei. Das Wasser steht ca. Knöchelhoch am Eingang, keine Absperrung, kein Gitter. Welch Versuchung, Teufel! Doch da ich weder passende Ausrüstung, noch einen Kameraden, noch jemandem über meine Rückkehr Bescheid gab, entsage ich und stapfe ein wenig grummelig weiter bergan. Kaum 2 Meter bin ich gegangen, als ein Funkeln meine Augen beinahe blendet. Das weiße Feuer brennt sich vom Boden steigend direkt durch mich hindurch, laut schreie ich: "MITHRIL"! Das muss echtes Mithril sein. Verstohlen blicke ich mich um, schnell packe ich den Erzbrocken in die Seitentasche meines Rucksackes und flüchte. Hoffentlich hats keiner bemerkt, denn dies hier ist MEIN Mithrilbrocken, meiner, meiner allein und ich musste dafür nicht einmal tief schürfen!


    Gut Beraten, wer robustes Schuhwerk trägt und wessen Hose auch in der herbstlichen Trendfarbe "schlamm" eine gute Figur abgibt. Die Vollernter waren hier in vollem Einsatz, scheinen neben Fällarbeiten auch für die nächste Aussaat den Wald gepflügt haben. Oder ein fleissiger Waldarbeiter wollte einmal im Leben Bauer spielen. Und auch hier überall Verbotschilder. "Nicht betreten, Lebensgefahr, Waldarbeiten". Ich reife zur Ansicht, man könne ein Flatterband um den gesamten Harz spannen, auf dem geschrieben steht "DU KANNST NICHT VORBEI!"


    Seltsame Mountainbiker. Da begegnet man dreien von Ihnen, dreckbespritzt in ihren hautengen Klamotten unterm gepanzerten Helm, die nur eine Frage stellen, bevor sie gen Tal flitzen: "Gaaanz alleine hier? Wo ist denn die Freundin?" Meine Antwort verhallt ungehört im Walde, während ich verdutzt und verdattert kurz innehalte. Nun, knapp 2 Kilometer später kenne ich den Grund der Frage, als ich bemerke, dass ich auf einen ganz bestimmten Pfad abgebogen bin (Schuld schon wieder, die Jäger!) Kaum erblicke ich sie, denke ich: Ach Mist, allein. Da sollte ich vielleicht doch einmal ändern *seufz*! Schnell ziehe ich weiter, vor allem wegen der akuten Staugefahr auf diesem Wege, denn vom Parkplatz in Hahnenklee ists nur kurz, das Wetter ist gut und mittlerweile ist auch der Rest der Welt auf den Beinen und poltert durchs Gelände, starrt mich in meinen verdreckten Hosen seltsam an.


    Ich kämpfe mich tapfer durch die Zivilisation, umgehe einen riesigen Parkplatz, versuche drei Autos auszuweichen, die mich von links flankieren wollen, wage den Sprung über eine breite Strasse, robbe vorbei an einer Gaststätte, gefüllt mit abgefüllten Wanderern, die lautstark vom Westerwald singen (siehts mans wieder...der gemeine Knickebocker-Karohemd-Wanderer weiß nicht mal, wohin er sich gekarrt hat!). Endlich, ich erspähe einen Waldrand...ein letzter Spurt....und dann....Ruhe. Schon werde ich für meine Mühen fürstlich entlohnt, denn ich erblicke einen der merkwürdig-geformtesten Bäume meines Lebens. Ich fühle Seelenverwandtschaft mit ihm, mag ihm die Hand reichen, auf die Schultern klopfen. Er geht auch seinen Weg, pfeift drauf was die anderen Tannen von ihm denken. Wächst, wie er meint. Einer wie ich, nicht rund, damit man nicht aneckt. Sondern kantig, schroff, mit Ecken, an denen man hängenbleiben kann, Verbindungen schafft, sich reiben kann, damits spannend bleibt!
    Ich möchte sein Gefängnis einreißen, seine wurzelnen Ketten sprengen, damit er ein Stück mit mir wandert, Flügel bekommt und denke dann doch: Ab und an sind Wurzeln, fester Halt, besser als Flügel.


    Nach einem kurzen Gedankenaustausch ziehe ich meiner Wege, lasse mich treiben, male Kreise in die Luft, federleicht. Stille legt sich über den Wald, über mein Haupt, in mein Herz. Hier und da ruft ein Vogel und merkt doch, dies ist jetzt der falsche Augenblick. Selbst die Blätter stellen ihr Rascheln ein, lauschen andächtig der Stille. Nein, kein toter Raum, sondern endlose Ewigkeit, ein Orchester der Sinne, gespielt ohne Ton. Ein Traum. Ich setze mich auf eine Wurzel, direkt an seinem Ufer, schweige auch. Innerlich aber breche ich auf, zu einem Höhenflug.


    Ist ein Steinbruch in der Nähe? Die arbeiten Samstagnachmittags? Ich bin entsetzt! Halt nein, keine falsche Schuldzuweisung. Da eiern zwei Gestalten mit Stöcken übern Steinweg und hämmern mit ihren Karbidspitzen die Felsbrocken zu Sand und Staub. Ich beschließe dies als Signal zum Aufbruch zu werten, warte die Entscheidung der Beiden an der Weggabelung ab und nehme erleichtert den anderen Pfad. Bald schon kehrt die Ruhe zurück und der Herbst tanzt noch einmal mit dem Sommer den prächtigen Abschlußtanz auf dem Abschiedball der vergangenen Jahreszeit. Ich reihe mich ein, tanze leichtfüßig mit, lasse mich gleichsam mitreißen.

    Farbneige
    Wenn kühlend, nasser Regenschauer
    des Herzens schwere Trauer
    zu neuer Blüte treibt
    Dann ist es an der Zeit
    sich im bunten Blätterreigen
    des Herbstes zu verneigen
    und leise zu sich selbst zu sagen
    Danke, für die warmen Farben


    Ein wenig traurig sitzt der Winter alleine an seinem reservierten Tisch. Seine noble Kühle, sein erhabenes Haupt wirken anziehend, doch seine frostige Art wirkt auf die meisten Anwesenden eher abweisend. Ich werfe ihm ein Lächeln zu, er zwinkert mir zu...wir werden uns bald wiedersehen, auf einem anderen Fest. Wenn des Winters heilend Balsam auf der Welt ruht, werde ich auf dem weißen Tanzparkett meine Runden mit Eisprinzessinnen drehen, lautlos.
    Einen kleinen Vorgeschmack auf kommende Zeiten regt diese Hütte in mir. Sie liegt verlassen eingebettet am Wegesrand, wartend der Wanderer, die ihres Schutzes bedürfen oder nur kurz Rasten möchten. Ein besinnlicher Ort, an dem ich gerne auf den ersten Schnee warten möchte, der sich mit eisiger Hand die Hütte krallt, in der ein flackerndes Feuer kracht.


    Leider versank der Rest meiner Tour in Sanftmut und Schwärze der Dämmerung, daher keine weiteren Bilder. Ein wenig von meinem Knie geplagt und leicht erschöpft folgte ich durch die verblassende Herbstflut meinem Wege. Plötzlich hörte ich in der Ferne das blecherne Gebrüll einer erfolgreichen Jagd. Der Jagdführer gab Signal mit seinem Horn und leise dachte ich nur: "Waidmanns heil, mag die Beute reich sein und das Schüsseltreiben für die Treiber ebenso".

    Kaum gedacht, vielleicht war eine halbe Stunde ins Land gezogen, die nun das mondlichtaufgeweichte Schwarz gänzlich verteilt hatte, rasten an mir drei Geländewagen vorbei, ein jeder freundlich die Hand zum Gruße, da ich - freiwillig - am Wegesrand platzendmachend auf ihre Vorbeifahrt wartete. Die Jagdgesellschaft schien sich irgendwo zu sammeln. Zeit ein wenig Licht ins Dunkel zu tragen, sanft mit der Hand über den Kristall im geschnitzten Kopfe meines Stabes zu streichen, leise vor mich hinzuflüstern "Lasst mich ein wenig mehr Licht riskieren". Ich drüctke auf den gummierten Einschalter meiner Stirnlampe...grelles, weißes Licht *seufz*.

    Entlang des Granestausees Richtung Parkplatz laufend, ließ ich den erlebten Tag noch einmal durch meinen Gedankengarten wandern und wieder einmal blieb mir keine andere Wahl als aus vollem Herzen und den Tiefen meines Seins heraus zu Lächeln. Ich muss an eine uralte "Diebels-Alt" Werbung denken....Ein schöner Tag, die Welt steht still, ein schöner Tag. Komm Welt, lass dich umarmen, welch ein Tag.

    Epilog
    Bis demnächst, zur nächsten Tour und bald endlich auch wieder zu längeren Abenteuern, der Urlaub steht ja schon quasi klingelnd vor der Haustüre und begehrt Einlaß


    Gruß
    Mats
    Zuletzt geändert von Firilion; 08.11.2009, 17:37.
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      #3
      Auerhahn

      Einleitung
      ...dies ist nun die Fortsetzung meiner Harz-Expeditionen und ich fürchte, es wird erst enden, wenn ich mich dort auskenne wie in meiner eigenen Wohnung. Denn mein Haus- und Hofrevier hat mich infiziert, umkammert mich, krallt sich fest wie eine Katze in einem Wollpullover und wird mich nicht gehen lassen, zum Glück!

      Die Tour, kurz und knapp
      Streckenlänge
      ca. 29 km
      Dauer
      ca. 7,5 Stunden
      Die Route
      Auerhahn - Schalker Turm - Fastweg - Dicker Kopf - Sidecum - Eichweg - Steile Bramke - Große Bramke - Okerstausee - Schulenberg - Köte - Silberbach - Hubertusplatz - Goslarer Stadtweg - Schalker Teich - Festenburg - Oberer Schalker Graben - Kellerhalsteiche - Alte Harzstraße - Auerhahn


      Prolog
      Nein, den Wecker stelle ich bewußt nicht. Dieses Wochenende muss verschlafen werden, sonst wird es nie enden. Ruhe und Schonen ist angesagt, Dr. Szoltan Krümpli im Gedächtnis tobend zur Mahnung. Sonst kann ich mein Knie bald einsargen. Der Plan ist gewieft wie ausgereift. Ich habe vorsorglich am Freitagabend eine halbe Flasche Wein getrunken (Ich vertrage nur wenig Alkohol) - ein 2005er Buitenverwachting Cabernet-Merlot - um trickreich meinen Körper schachmatt zu setzen. Die Taktik sah vor, ihm durch einen mittelprächtigen Kater den Wunsch und Wille nach Wanderung zu nehmen.


      Dieser Wein, dieser edle Tropfen Erdenblut, ich muss ihm ein paar Zeilen widmen. Auch Weine können Reisen sein, lassen Träume neu erblühen, Fernweh fremder Ziele erklingen, geben Kunde über Land und Leute. So auch dieser. In der Nähe von Constantia in Südafrika werden die Reben an Südhängen zur Reife gelassen. Man spürt im Klang des Weines die Kühle, in der seine Trauben reiften, diesen Tanz der Temperaturen einer südlichen Welt. Er ist durchaus fruchtig, doch tragend und gehaltvoll. In ihm verstecken sich die Gerbstoffe nicht, sie haben es auch nicht nötig, unterstreichen in ihrer Herbheit die tiefe Farbe. Klar strukturiert, komplex dabei, aber nicht überladend. Ein kleiner, erster Schluck, ich schließe meine Augen und gehe auf eine Reise, stehe Sekunden später in den Weinhängen, rieche die klare Luft und das Feuer Südafrikas, während die Luft meine Beine lind umspült. In dieser Cuveé eint sich die Zerissenheit und wechselhafte Geschichte eines Landes zu einem Blick in die Zukunft.
      Ein Fehler, denn nun denke ich an den Otter Trail im Tsitsikamma National Park. Statt mich auf meiner Couch liegend abzuschießen, beginne ich nach freien Terminen auf der offiziellen Website zu googeln und ob ich die mit meinen geplanten Urlaubsterminen 2010 koppeln kann. Ein Kampf zwischen Geist und Körper entbrennt. Der eine mag mehr Wein, der andere lieber fit für morgen sein. Es scheint ein Sieg des Geistes zu werden, doch dann überlistet mich der Körper hinterücks mit....Müdigkeit. Ich schlafe ein, viel zu früh.

      Die Tour
      Samstag morgen, kein Wecker. Ich wache auf, alles dunkel; erschreckend. Der Blick auf die Uhr verheißt nichts Gutes. In der Tat, es ist grad einmal 6:30 Uhr. Ich drehe mich griesgrämig um, ziehe die Decke über den Kopf, fluche, schimpfe, grummle und schlafe doch nicht wieder ein. Um 7 Uhr stehe ich auf, koche Kaffee, packe den Rucksack (fluche noch mehr) und ehe ich mich versehe sitze ich im Auto. Ich erreiche die A7 Richtung Natur. Freudig begrüßt mich der schlaftrunkene Mond in einem rasch aufziehenden Morgenhimmel. Alle Zeichen stehen auf "Raus", was ein Himmel.


      Die Farbe des Weines scheint in den Wolken des Morgens nachzuhallen, die Natur berauscht sich an sich selbst. Es wirkt, als hätte sie wenige Tropfen des holden Getränks als Tupfer in den Himmel verteilt. Unwirklich ziehen die Kilometer an mir vorbei. Ich habe nicht das Gefühl zu fahren, nein, ich stehe und die Welt bewegt sich fort, zieht mich zu sich in ihren Garten, möchte mir ein weiteres Meisterwerk auf einer endlosen Bühne vorführen. Ich möchte "Zugabe, Zugabe" schreien, doch verharre in Stille und Bewunderung.


      Kurze Zeit später erreiche ich via B82 und B241 Auerhahn (nahe Hahnenklee). Ich parke meinen roten Rasenmäher auf dem durchweichten Wanderparkplatz, der mehr einem forstwirtschaftlichen Sammelplatz für Holz gleicht, zerfahren und zerfurcht von unzähligen Vollerntern und Transportfahrzeugen. Obgleich das Wetter zunächst einen Samstag aus dem Bilderbuch verspricht, bin ich der einzige dort. Stört mich nicht, gut so. Rein in die Trekkingschuhe, Rucksack - jetzt mit ODS Aufnäher! - auf den Rücken und ab durch die Mitte.


      Hauptwanderweg 1, sie hättens nicht auf das Schild pinseln müssen. Man siehts auch so sofort, diese asphaltiere Wanderautobahn durch den Wald. Hier könnten Kolonnen von Wanderern in Reih und Glied durchstampfen, Massenabfertigung mit "Naturfeeling" ohne gleich sämtlichen Kontakt zur Zivilisation zu verlieren. Dann gleiten die von der aufsteigenden Sonne entsandten Perlenstränge durch das Blätterdach, brechen sich in des Nebels früher Frische, gefiltert von tausend kleinen Laubsieben in den Baumkronen. Mein anfänglicher Zorn, über mich und die Autobahn hier, wird mir förmlich ausgebrannt, hinterlässt keine Leere, sondern füllt sich mit Frohmut. Mein Blick wandert magisch entlang der Perlenketten, lässt sich bereitwillig blenden.


      Die Schalker Höhe, ein metallenes Monster in lieblicher Landschaft. Andere würden sagen, ein Aussichtstürmchen. Sicher, solche Konstruktionen waren einmal sehr beliebt und man findet sich fast überall in deutschen Wäldern, Wiesen und Auen. So mag ich der Tradition vergangener Tage Tribut zollen und wage den Aufstieg. Der Wind pfeift mir um die Ohren, die schwere Last auf meinem Rücken lässt meinen Körper wanken, die engen Stufen quäle ich mich hinauf auf den Olymp! Was eine Aussicht, alle Pein ist vergeben.


      Neben dem Metallmonster eine Holzhütte, darinnen leuchten Farben, schallen Stimmen. Zwei Wanderer haben Nachtquartier bezogen, scheinen soeben aufgewacht zu sein, die Schlafsäcke noch auf dem Boden liegend. Ich überlege kurz, doch finde keine Zeit für ein längeres Gespräch, denn ich bin sprachlos. Ich blicke gen weiterem Weg, verharre regungslos und staune



      Ende Teil 1|3
      Zuletzt geändert von Firilion; 08.11.2009, 17:08.
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        #4
        Auerhahn

        Es keimt in mir der Gedanke der Undankbarkeit. Wenn dies zu sehen bereits zu Beginn mir möglich war, was mag da noch alles kommen? So ziehe ich weiter, nehme Kurs Richtung Dicker Kopf und Sidecum. Die Lichtspielereien begleiten mich noch eine ganze Weile, die ich entlang einer Tannenbaumreihe schreite. Ein kürender Abschluß des Herbstes, Sonne satt. Den Regen des Nachmittages zu erahnen, welch Tor hätts hier gewagt.


        Allmählich hat sich auch der Weg gewandelt. Ich wate durch Schlamm, quitsche mich durch feuchtes Gras, platsche hier und da durch kleine Pfützen. Vergnügt einem kleinen Kind gleich, welches damit vortrefflich seine Eltern ärgert. Eine Balanceakt, eine Gradwanderung zwischen nassen Füßen und feucht-fröhlichem Spass. Ich muss an ein Lied denken, dass ich vor längerer Zeit gehört habe. Später habe ich herausgefunden, es war von Reinhard Mey. Sonst nicht wirklich in meiner Musiksammlung und in meinem Geschmack diesbezüglich vorhanden, gefiel es mir ob seines Textes gut. Es heißt einfach nur "Frei!". Wie frei kann man sein? Wie viele Ketten, Zwänge, enge Welten abwerfen. Über wie viele Tellerränder blicken, schweben, treiben, ohne Grenzen. Und welche Lasten doch noch tragen, welche Regeln, Normen, Hürden niemals überwinden? Gewohnheit, Gleichgültigkeit, gedrillt bis zur Akzeptanz des nicht akzeptierbaren. In mir kämpft das Chaos mit der Ordnung. Bildlich, ich bin ein Kind der Gegenwart, prügelt hier ein grüner Ork auf einen ritterrüstungtragenden Menschen ein und umgekehrt. Ein ewiger Kampf ohne Sieger. Ich schreite nicht ein, lasse beide ihren Kampf austragen.


        Das Schwertgeklirr in meinem Kopf verstummt, mein Blick wird scharf, giert entlang des Weges Richtung Zukunft. Ich bin in der Gegenwart angekommen, habe diesen schwerelosen Zustand erreicht, von dem ich bereits im "Allein auf Tour..." Thread schrieb. Ich habe versucht diesen einmal einzufangen, doch glaube nicht, dass ein Bild mich wiedergeben kann, nicht in diesem Moment


        ...bis sich die Natur einen weiteren Jünger suchte. Sie drang dem Geschöpf Firilion in den Verstand, den es tief in das Nebelgebirge zog. Dort verfiel er der Natur. "Sie ist zu mir gekommen, mein eigen, mein liebes, mein eigen...mein Schatz." Die Natur verlieh Firilion ein natürlich-fröhliches Leben. Seit vielen Jahren veredelt sie seinen Verstand. Doch wartete sie nicht, sondern sucht sich stets neue Anhänger....ähm ja, sorry. Wir sehen hier in der Entfernung den nebelumspülten Brocken. Eifrig schrubbt er seinen Gipfel, sodass es über alle Maßen schäumt. Versucht verzweifelt die Horden an Menschenmassen hinfortzufegen, die beständig auf seinem Kopf rumturnen. Durchhalten, kleiner Berg, Hilfe naht in Form von Regen.


        Ich erreiche die Hütte am Sidecum. Von hier sind es nur wenige Schritte bis zu einer phänomenalen Aussicht. Leicht diesig eingehüllt ist dieser Tag, doch die Fernsicht ist immer noch schön:


        Da in der Hütte bereits hoher Andrang herrscht, beschließe ich, weiterzuziehen. Ich möchte noch Wasser sehen, also heißt die Richtung "Okerstausee". Das Wetter beginnt sich zu wandeln. Sonne weicht Wolken. Doch die Wolken trüben nur den Himmel, nicht mich. Ich nehme den Eichweg, abseits der gängigen Routen. Ein Pfad, bepflanzt mit Geröll und Gestein, durch urige Baumlandschaften fließend, teils vom Sturm gezeichnet.


        Der Himmelsmaler läutet zur Pause, indem er ein samtweiches Kissen zaubert. Kaum habe ich gen oben gespäht, möchte ich ein wenig rasten, meinen Kopf ablegen, eintauchen in eine sanfte Traumwelt. Ich lasse mich in dieses Federbett fallen und verweile ein wenig. Brotzeit!

        Bewölkt
        Wolken reiten übers Land
        in geschwindem Trabe
        blaue Leinwandfarbe
        nun grauschattierte Wand
        Dazwischen lichtgetupfte
        Perlen, endloser Gestalt
        Sie wirken wir zerrupfte
        Opfer himmlischer Gewalt


        Da mich mein Wunsch nach Wasser ein wenig Zeit kosten wird, breche ich alsbald wieder auf, stolpere die steile Bramke herunter Richtung Okerstausee. Am Fuße erreiche ich die große Bramke und eine - leider - asphaltierte Straße. Die Landschaft wirkt fremd, entleert, traurig. Vielleicht liegt es auch am Regen, der eingesetzt hat.
        Versteht mich nicht falsch. Ich liebe den Regen. Ich stürme aus dem Haus, wenn die Fäden zu Boden plätschern. Und denke immer an eine Zeile aus einem Song. Es ist 1992, ich bin 13 und Soul Asylum werfen Runaway Train auf den Markt. 1992, ich könnte ein Buch über dieses Jahr und die 5 Jahre davor schreiben, doch dann kam dieses Lied und fasst alles zusammen. "Bought a ticket for a runaway train, like a madman laughin' at the rain." Ja, auch ich kann lachen, wenn es regnet!
        Aber hier, nein, hier drückt sich mir ein anderes Bild in meinen Film. Ich habe vor längerer Zeit eine Dokumentation über Tschernobyl gesehen, wie es heute dort ist. Diese verseuchte Tristesse. Unsichtbare Gewalt, die das Land im Würgegriff hält. Doch die Landschaft so schön, friedlich, aber entfremdet und leer. Eben jene Bilder entstehen bei diesem Anblick. Es könnte dort sein, es ist hier. Es könnte überall auf der Welt sein. Das macht es so "normal", so einprägsam, so real. Das macht Angst. Blendet man dies Wissen aus, so wird das Auge verführt und besänftigt.


        Ein Seitenarm des Okerstausees entspringt am Horizont. Neben meinem Weg reist die große Bramke, ein Zulauf der geschwätzigen Art. Munter springt sie über Steine und altes Holz, erzählt von ihrem Ursprung, einer Quelle weit entfernt. Ich lausche ihrem Monolog, der im Tal widerhallt. Im Hintergrund untermalt der Regen ihre Rede mit einer leicht tragenden Symphonie.


        Der Stausee führt wenig Wasser, sein Seitenarm ist schlapp, hängt trocken im Winde und verlockt zu einem Abstieg in das freiliegende Grün. Verflogen die Gedanken von eben, vergangen der Schrecken. Die Vergänglichkeit der Szenerie erhebt sie zu etwas besonderem. Ein Teil des Ganzen, doch scheinbar nicht von hier. Ein zugereister Gast der Jahreszeit, der bald schon neue Gefilde aufsuchen wird.


        Ein Stück muss ich der B498 folgen, gräßlich, doch lieblich den Anblick auf der anderen Seite der Seite. Ein weiterer Zufluß des Stausees. Die Entschädigung für das kleine Teilstück entlang der Bundesstraße.



        Ende Teil 2|3
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          #5
          Auerhahn

          Ich steige Richtung ökologischem Overkill auf. Der Weg täuscht über das bald Kommende hinweg. Noch windet er sich melancholisch entlang des Berges. Ein letztes Mal durchatmen, Kraft tanken.


          Dann öffnet sich die Pforte zur Hölle. Schulenberg im Oberharz! Des Teufels Seelenschlitten stehen fauchend, knurrend, sprungbereit, hier in der Manifestation von Reisebussen auf einem Großparkplatz. Meine Route bedeutet mir, dass ich ein gutes Stück diese Insel des Grauens in einem Meer aus Hoffnung kreuzen muss. Hier geben sich Gaststätten, Pensionen und Ferienhäuser die Klinke in die Hand, reihen sich zu einem dunkeldrohenden Spalier des Massentourismus und ich beginne meinen Spießrutenlauf. Ich versuche mich durchzuschleichen, gehe leise, tänzelnd, verstecke mich ab und an hinter Häuserecken. Keine Aufmerksamkeit ziehen, dies hier ist Feindesland. Leider habe ich meine Tarnmittel vergessen, die mich als einem der Ihren kennzeichnen würde. Ich werde entdeckt, die Sirenen pfeifen los. Aus Schleichen wird Sprint, ich renne um mein Leben. Die "Frei" Schilder der Häuser peitschen auf mich ein, die Straße verwandelt sich in glühend-gellende Magma, während die plakativen Speisekarten auf mich einbrüllen. Ich ziehe die Schnüre meiner Regenjacke ein wenig enger, damit mich ihre Kapuze besser schützt. Nicht zurückblicken, weiter, bloß weiter! Die Touristeninformationsbehörde entsendet all ihre Truppen. Sie durchkämmen den Ort, die Wanderstöcke Waffen gleich im Anschlag. Die Pranken ihrer Jacken verheißen Pein, gehüllt sind sie alle in die gleiche Uniform. Welch Preis mag ihnen nur für meinen Kopf versprochen worden sein? In höchster Not, verzweifelt dem Scheitern nahe, erspähe ich den Waldesrand. In voller Fahrt, gepaart mit dem unbändigen Willen überleben zu wollen durchbreche ich eine Ortsausgangssperre, werfe Dreckklumpenmatschgranaten von meinem Schuhen auf die Häscher...und entkomme. (In meinem Kopf spielt dabei die ganze Zeit Edvard Griegs Peer Gynt Suite Nr.1 , Satz 3 "In der Halle des Bergkönigs". klick und dann bildlich vorstellen, wie der Firi durchs Dorfs schleicht und flitzt, verfolgt von einer Horde Touris! Alles weitere überlasse ich eurer Phantasie. Das Bild ist direkt von "oben" in Schulenberg richtung Staumauer geknipst)


          Völlig erschöpft suche ich nach einem Ort, an dem ich ein wenig Kraft tanken kann. Wohl dem, der die Natur zum Freunde hat. Ein Stück des Weges stöhne ich mich bis zu diesem lauschigen Plätzchen. Ich erreiche den Schalker Teich von Norden her, dessen türkisfarbenes Wasser meiner Seele Linderung verspricht. Es wird des Teufels trübe Gedanken filtern, sie mild entfernen und mich förmlich wiederbeleben.


          Ich gehe zur Staumauer dieses kleinen Teiches. Die Farbe weicht, die Anmut bleibt. Regenperlen tanzen auf dem Wasserparkett, Fische schnappen danach und maulen doch ins Leere. Jeder Tropfen fügt sich zu Fläche, Tiefe, Urgewalt. Ein rotrostiger Baum taucht seine Paddel in das Nass, plant eine Runde über den See zu fahren, lässt sich treiben und bleibt doch an Ort und Stelle verhaftet.


          Es zieht mich weiter in Richtung Festenburg. Ein beinahe von der Natur genommer Fleck. Zwar auch hier in abgeschwächter Form die Szenerie von Schulenberg, doch auf verlorenem Posten. Ich habe keine Schwierigkeiten die Siedlung zu kreuzen und entschwinde unbemerkt auf der anderen Seite, um meinen Weg fortzusetzen.


          Der obere Schalker Graben schlängelt sich bissig durch den Wald, frisst sich derb seinen Weg. Langsam beginnt das Licht seinen Heimweg anzutreten, geht in Dämmerung, Zwielicht über. So trägt sich die Stimmung des Weges wunderbar in mein Gemüt. Eine herrliche, wenngleich durchs nahe Wasser ziemlich durchweichte, Strecke. Ich erblickte den Lochstein, eine alte Begrenzung eines Bergwerkes und kann hier nur noch mit Blitzlicht fotografieren. Ich merke, viel Zeit für Aufnahmen bleibt nun nicht mehr. (Inschrift des Steines: Alhier wenden die König Carler 6 Maassen aufn Haubtgang heir runter wars Joachim Christian Behr VOBM Georg Fritrich Glesner. UBM Georg Niclaus Mersmann Ge. W. 25, Juli 1752.)


          Der obere Schalker Graben geht in ein besonderes Schutzgebiet über, welches dem Wanderer versperrt ist. Das grämt mich nicht, erscheint vernünftig und ich weiche auf eine andere Strecke aus, die mich direkt zu den Kellerhals Teichen führt. Jene werden nicht vom Graben gespeist, sondern sind eigenständig. Eine 15 Meter hohe Erdwand schützt die darunterliegende Straße. Über den Damm geht es auf das letzte Stück meiner heutigen Wanderung.


          Entlang der alten Harzstraße, mittlerweile ist es fast dunkel, wandere ich zurück nach Auerhahn, das Brummen der Bundesstraße 241 stets im Ohr. Erst ein gutes Stück weiter verblassen diese Geräusche und eine letzte Ruhe vor dem Ende des Ausflugs legt ihren Schleier auf mein Haupt. Kurz vor dem Parkplatz gibt der Wald den Blick frei, auf Straße, Dämmerung und mein Ziel. Zeit für die Heimfahrt...


          Epilog
          Müde, zufrieden und ein wenig unaufmerksam fahre ich wieder zurück nach Hannover. Irgendwo bin ich dann auf eine andere Bundesstraße, statt über die B82 zu fahren. Die B6 bringt mich zwar auch zur Autobahn, aber eigentlich
          wollt ich hier nicht lang. Gedankenverloren rolle ich über den Asphalt, als mich ein grelles, rotes Licht aus den Träumen reißt. Sche****, geblitzt worden möchte ich am Liebsten in die dunkle Nacht schreien. Doch ändern würde es nichts mehr, daher halte ich inne, schlucke die Wut herunter. Wut auf mich, der nicht achtsam gefahren ist, weil er müde war. Der erste Blitzer seit über 6 Jahren und das obwohl ich im Aussendienst arbeite und eigentlich täglich unterwegs bin.
          Und dann gleich richtig...mit Pech wirds ein Punkt und knapp 100 EUR kosten...gnagnagna...ausgerechnet mir. Fazit davon: Nie mehr müde fahren, sondern genug Kaffee mitnehmen
          Somit bleibe ich das letzte Bild der Tour noch eine Weile schuldig, bis es mir postalisch zugestellt wird!


          Grüße
          Euer Mats

          Ende Teil 3|3
          Zuletzt geändert von Firilion; 08.11.2009, 17:15.
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          • SlaX
            Erfahren
            • 22.01.2008
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            #6
            AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

            Nett geschrieben ^^ Auch schön mal einen Bericht über die Talsperre meiner Stadt zu lesen . Fahre da oft (fast jedes WE) mit dem Fahrrad rum.... Auch mal nach Hahnenklee ;)

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            • Firilion
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              • 09.10.2009
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              • Meine Reisen

              #7
              AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

              Einleitung
              Die geplante Harz-Tour, siehe hier. Wer kommt, wer geht, wer mit wem und wie viel Wein passt ins Gepäck! Leider hatte mein Job ein Problem mit dem Start am Freitag, weshalb ich Samstag morgens quasi im Sprint versuchen wollte, die andere Leute zu finden.

              Die Tour, kurz und knapp

              Streckenlänge
              ca. 18 km
              Dauer
              4 Stunden
              Die Route
              Ilsenburg - Ilsetal - Westernklippe - Ernstburg - großes Maitzental - Spörenwagen - Eckerstaumauer - Pionierweg - Eckersprung

              Prolog
              "Vor 9 uhr ziehen wir bestimmt nicht los". Damit hatte ich fest gerechnet. Von der Schutzhütte am Eckerstausee war mein Kenntnisstand. Bis dahin sind ca. 10 Kilometer von Ilsenburg. Das ist machbar. Man muss nur rechtzeitig in Ilsenburg sein. Das ist auch machbar. Es sei denn man verpasst den Zug. Natürlich hab ich den Zug in Hannover verpasst. Denn mein Körper hatte die tolle Idee lieber länger zu schlafen.
              Als ich dann endlich gegen 8 Uhr in Hannover losfuhr, allerdings mit dem Auto, hatte ich jede Chance bereits abgeschrieben, die Anderen einholen zu können. Dafür begrüßte mich ein unglaublich schöner Himmel. Es schien mir einer dieser Herbsttage zu werden, dessen güldener Schimmer einen für immer in seinen Bann zieht.
              Auf Wolken gleitend zog es mich immer dichter in diesen reißenden Maelstrom aus getupftem Licht. Klirrend vibrierten die Strahlen durch den blau-weiß marmorierten Himmel, dessen milde Luft sanft gen Jahresende zu trödeln schien. Kein Anzeichen des nächtlichen Sturms.

              Die Tour
              Es ist kurz nach zu spät. Verdammt! Ich parke wenige Minuten nach 9 im Ilsetal. 10 Kilometer und keine Zeit, meine Rechnung geht nicht ganz auf. Aus dem Frühspurt wird schnell das Wissen, dass nur beamen hilft. Nachdem ich mehrfach laut brüllend (Jeder Hirsch wäre neidisch!) um Hilfe gerufen hatte, musste ich einsehen, es ist kein Scottie in der Nähe. Ein paar Wanderer sind verdutzt stehengeblieben und starren mich an. Ich lächle, brabbele irgendwas von "mein Hund" vor mich hin und beginne die Aufholjagd.

              Okay, alles klar. Ich liege wieder im Zeitplan. "Allein durch meinen Willen setzt sich mein Geist in Bewegung und Sapho-Saft verleiht den Gedanken Geschwindigkeit. Zur Warnung entstehen auf den Lippen Flecken. Durch meinen Willen setzt sich mein Geist in Bewegung." Ich denke an Dune, der Wüstenplant von Frank Herbert (Sehr zu empfehlen, im Übrigen! Ich meine die Bücher) So einfach kann das sein.
              Ich öffne die Augen...scheisse, aber die ersten 500 Meter hab ich schon!


              Dann kommt der erste Abzweig, es geht hoch zur Westernklippe. Zwar ist mittlerweile die erste Sonne der Frühe hinter dem wolkigen Schleier des Tages verborgen, doch die milde Luft ist geblieben. Beissende Kälte wäre mir lieber, dann wäre ich ein wenig schneller. Dennoch spielt der Herbst seine Trumpfkarten aus. Kahl und stumpf wirken die Bäume, doch ihrer Blätter letzter Lebenswille mündet in einem endlosen rotrostigen Rascheln. Ich streife durch ein weiches Meer aus trockenen Resten der vergangenen Jahreszeit.


              Auf dem Weg nach Ernstburg weicht der Wald dem Himmelszelt. Ich erblicke Lichtspiele über den Wipfeln. Wallend weben die Wolken wogende Muster auf eine pastellgetünchte Leinwand, beleuchtet durch ein entferntes Feuer.


              Dann der krasse Schnitt, vorbei das Idyll. Ich erblicke den Brocken und obenauf diesen menschengemachten Eiterpickel in der Haut der Natur. Der Brockenwirt und die Wetterwarte stören den harmonischen Fluß des Berges. Seine Silhoutte wird jäh unterbrochen. Ich bin ja niemand, der die Harmonie der Natur überbewertet und irgendwelche obskuren Personen durch seine Wohnung führt auf der Suche nach Wasseradern, Flußmustern oder der optimalen Ausrichtung der Staubkörner in den Ecken nach Feng Shui, aber hier fühle ich mich von diesem Monster auf dem Berge bedroht.
              Ich wünsche mir eine gigantisch große Hand zu sein, die mit einem leichten Schnippen den Gipfel freifegt vom Frevel der einstigen Erbauer. Danach mit den Fingernägeln das Schandmal komplett und endgültig auszudrücken, wie einen Mitesser im Gesicht. Bald würde dann heilendes Balsam niederrieseln und die Wunder kurieren...


              Gut das mich mein Weg von diesem Anblick fortführt und meine Gedanken nicht zu Dynamit oder ähnlichem abschweifen. Ich kenn mich, ab und an bin ich ziemlich extrem. Es geht ins große Maitzental. Ein verträumter Ort, ein wenig enthoben, entschädigend für das Übel von vorhin.
              Ich bin ja niemand, der sich zur UL-Fraktion zählt. Aber Ultraleicht kann ich auch, zusammen mit ultraschnell. Kein Thema. Dafür brauch ich mir nicht die Zahnbürste absägen oder die Haare besonders kurz schneiden (Aerodynamik und Gewicht! Vor allem Gewicht!). Ich bin auch so verdammt fix unterwegs, zumindest bergab. Manchmal auch schneller als mir lieb ist. Der Boden ist dank der vielen kleinen Bäche sehr glatt...und schon gehts abwärts.
              Zunächst zürne ich dem Wasser, doch dann übermannt mich seine plätschernde Schönheit.


              Ich nähere mich der Landesgrenze, heute nur noch symbolisch zwischen den Bundesländern, doch vor 20 Jahre noch zwischen zwei Systemen, zwischen Freiheit und Fesseln. Mir wird ein wenig mulmig. Hier also hätten wir uns inmitten einer friedlichen Welt abgeschlachtet. Für nichts, für Ideologien, für Scheuklappendenken...für alte Männer, die ihre Streitigkeiten und Meinungsunterschiede nicht bei einem Bier ausdiskutieren können. Für Menschen die den Plastiksoldaten ihrer Kindheit Leben eingehaucht haben und noch immer im Sandkasten spielen wollen. Welch eine Perversion...mir fällt eine Zeile aus "Borderline" von Chris de Burgh ein: "But these are only boys, and I will never know - how man can see the wisdom in a war"...
              Dennoch bereue ich es nicht, selbst einmal Soldat gewesen zu sein, wenngleich auch nur als Wehrpflichtiger bei den Panzerpionieren - apropos Pioniere, da kommt ja noch was. Irgendwie in der Überzeugung auf der "richtigen Seite zu stehen. Richtig, Falsch...kann man davon sprechen? Nein, ich mag jetzt nicht diskutieren. Meine Legitimation war (und ist!) stets ein interessanter Satz gewesen, den ich anführte, wenn man mich für meine Uniform kritisierte "Für die Freiheit, dass du mich einen Mörder, Schlächter oder kriegsgeilen Deppen nennen darfst, bin ich bereit mein Leben zu geben". Krieg war glücklicherweise zu meiner Wehrdienstzeit kein Thema mehr oder besser noch nicht wieder.



              Ich entdecke einige Relikte der damaligen Zeit, unter anderem diese Dose, die wohl zu Kommunikationzwecken hier angebracht wurde. Ich betrachte das Ding genauer und muss grinsen, als ich mir die Handhabung vorstelle.
              Wir schreiben das Jahr 1978, der kalte Krieg tobt in Europa. Im Harz stehen sich NVA und Bundeswehr gegenüber. Wir befinden uns live auf der Seite der NVA und folgen einer Streife durch den Wald. Egon und Hans-Werner (genannt Käsefuß) patroullieren an der Grenze. Regelmäßig müssen sie sich bei ihrem Kommando melden. Egon stolpert durchs Gebüsch, die Steckkabel und den Bakelithörer in der Hand. Käsefuß gibt Deckung. Ein paar Mäuse flüchten vorm Geruch ins Unterholz. Egon beginnt die Kabel in die Verbindungen zu stecken, bekommt aber kein Amt. Er steckt hin und her, flucht dabei ein wenig hin und her. Egon spielt mit den Buchsen Memory und hofft auf einen Treffer. Käsefuß wird nervös, fühlt sich vom Westen beobachtet (Was natürlich auch stimmt, denn auf der anderen Seite sind Andreas und Peter, nein eigentlich nur Andreas auf Horchposten. Peter klemmt seit den frühen Morgenstunden mehr hinter einer Tanne als in seinem Unterstand. Er hat Dünnpfiff der üblen Sorte, die Erbsensuppe ist nichts für seinen zarten Magen)
              Auf einmal wird Egon laut, flucht in tiefstem sächsischen Dialekt los (was Käsefuß, der eigentlich aus Berlin kommt, ziemlich nervt): "So ein Mist hier, kann ja wohl nicht sein. Jedes Jahr erfüllen wir das Plansoll um 140% in uns'rem Land, aber ich bekomm nicht mal die Kabel in die Buchsen. Wer hat sich das nur ausgedacht? So eine vermaledeite Käsekacke! Das nimmt ihm Käsefuß persönlich, er kontert in seiner rotzigen Berlinerart: "Sowas kann nur ausm VEB FuddelFunk Zwickau kommen. Sowas stellen nur die Sachsen her. Und nun beruhig dich, ist doch kein Krieg hier!"....Egon, nun auf 180, gerät in Rage: "Das ist mir doch egal. Und wenn eben Krieg ist. Dann muss der halt warten. Jetzt werd ich hier erstmal kabeln! Und wenns das Letzte ist, was ich tu. Mir doch Hupe. Krieg ist Krieg und Kabel ist Kabel! Und wenn der Russe gleich hier steht!" "Egon", wirft Käsefuß ein, "der Russe ist unser Freund, den musste nicht fürchten wenn er hier steht" Egons Gesicht glüht rot vor Wut!
              Zwischenzeitlich ists ihm durch Zufall gelungen die richtigen Buchsen zu treffen...im Kommandoposten kommen bröckchenweise Fetzen seiner Brüllerei an. Allerdings versteht man ihn nicht sauber, zumal ein störendes, dumpfes Geräusch dazwischenfährt. Sofort denkt man sich, es ist Krieg, da gehen Granaten nieder, alles gerät in Panik. Vor Ort ist die Lage entspannter. Zwar gehen Granaten nieder, doch die landen - nicht explodierend, da ziemlich flüssig - hinter einer westdeutschen Tanne. Peters Hintern rotiert und verursacht ziemlich laute Geräusche.
              Nach kurzem Gespräch kann Egon die Lage entschärfen, ein Tag im Harz neigt sich dem Ende und jeder zieht Richtung Feldküche ab. Da die Wege ja mit Betonsteinen ausgelegt sind, kommt man zügig voran, denn der Kohldampf fordert seinen Tribut - ausser bei Peter, der braucht ne neue Rolle Klopapier!
              (Okay, ich bin nun wegen dieses einen Kastens ziemlich abgedriftet...ähm, ja, so kanns gehen)


              Ich ziehe weiter Richtung Schutzhütte am Eckerstausee. Hoffnung habe ich keine hier noch wen anzutreffen. Es sei denn, es war genug Wein dabei.
              Nun ja, ich treffe dann doch jemanden. Eine Familie die mich ansieht, als wäre ich ein Alien. Grüner Mann, großer Rucksack, schnell unterwegs - Das ist suspekt! Ich ziehe meinen Hut ein wenig weiter ins Gesicht und gehe weiter.


              Ich überlege derweil meine beiden Optionen. Entweder sie sind Richtung Brocken aufgebrochen oder übern Pionierweg, evtl Richtung Eckersprung und von dort zum Brocken.
              Weil mir der Stausee gefällt entscheide ich mich meinen Weg Richtung Pionierweg fortzusetzen.


              Der Pionierweg! Hier ging 1895 eine Pionierkompanie lang. Warum? Weiß ich nicht, vielleicht wollten sie ein wenig die Natur genießen oder ein paar Baumstämme holen.


              Auf jeden Fall ist es ein klasse Trail, auch wenn er kurz ist. Landschaftlich wunderschön gelegen, romantisch verträumt (suche weibliche Begleitung für kommenden Herbst :P) und musikalisch von der Ecker untermalt. Ich kann es nur jedem ans Herz legen, dort einmal zu wandern oder mit dem Bike langzufahren. Ich empfehle jedoch den Weg zu Fußs zu gehen.




              Am Ende des Pionierweges wartet die Eckerquerung. Hier gehts über die in der Ecker liegenden Steine - viel harmloser als es nun klingt, leider - auf die andere Seite und von dort weiter. Ich beschließe den Aufstieg zum Eckersprung durch das Hochmoor zu gehen. Hochmoor im Herbst, eine brilliante Idee. Der Weg wird schnell zu einem Bach, aber hier hält die Imprägnierung meiner Stiefel noch tapfer und wehrt sich gegen das Wasser. Der Trail ist auch hier richtig schön, nicht überlaufen. Klar, kein Wunder. Die typische Turnschuhfraktion meidet solche Pfade. Ab und an sackt man ein wenig in den Boden, aber nie mehr als 3-5 cm. So gehts immer weiter und ich komme gut durchs Moor. Wie schnell es dann doch anders kommt, zeigt der nächste Schritt...mein rechtes Bein verschwindet mit halbem Unterschenkel im Moor. Auch wenn ich es sofort rausziehe, mein Schuh und die Hose haben aufgegeben. Ich bin bis auf die Haut nass. Nur gut das ich die Hose übern Schuh gezogen habe. So ist der Matsch wenigstens nicht im Schuh. Was nützt all das Jammern, ich gehe einfach weiter und beschliesse am Ende beim Eckersprung zum Rückweg anzusetzen.



              Epilog
              Ich klettere die letzten Höhenmeter des Trails und erblicke die Hütte an der Brockenautobahn, direkt am Eckersprung. Ziemlich voll hier. Eigentlich will ich sofort nach Rechts abbiegen, als ich jemanden rufen höre. Ich blicke in die Richtung, sehe 4 Leute an einem Tisch sitzen, Kocher auf selbigem und munter rasten. Einer hat eine leuchtend orange Mütze auf...
              Es ist kurz nach 13 Uhr und ich habe es tatsächlich geschafft. Trotz mehrerer Wegoptionen und meinem späten Start hab ich die anderen Jungs der Wanderung eingeholt. Ich eile rüber zum Tisch, völlig abgehetzt und durchgeschwitzt. Grüße in die Runde und Marek (M aus B) fragt mich, ob ich ein wenig Erbensuppe mit Wurst und Bauchfleisch haben möchte...

              Alles weitere von der Tour dann im offiziellen Bericht von uns allen
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              31.12.1995, the last Calvin & Hobbes Strip by Bill Watterson

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              • Firilion
                Erfahren
                • 09.10.2009
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                • Meine Reisen

                #8
                Rund um Clausthal-Zellerfeld

                Einleitung
                Beruflich habe ich derzeit recht viel in Harznähe zu tun (Stichwort: EU-DLR in Niedersachsen und ein passendes Fachverfahren, welches ich entwickelt habe) und so kommt man den Städten dort auch recht nahe und vor allem den Leuten in den Verwaltungen.
                An dieser Stelle: Gruß an den Landkreis Osterode! War wirklich nett bei euch! Und bitte nicht vergessen, wir brauchen die Stoffaufnäher mit der Harzer Hexe wirklich!
                So reifte dann auch die Idee einmal eine Runde um eine typische Stadt zu gehen und die Wahl fiel auf Clausthal-Zellerfeld, schon alleine wegen der unglaublich vielen Teiche drumherum.

                Die Tour, kurz und knapp
                Streckenlänge
                ca. 36 km
                Dauer
                ca. 8 Stunden
                Die Route
                Taternplatz - Schweinebraten - Wildemann - Augusthöhe - Spiegelthaler Zechenhaus - Spiegelthaler Teiche - Zankwieser Teich - Kiefhölzer Teich - Pfauenteiche - Nassenwieser Teich - Buntenbock - Prinzenteich - Hahnbalzer Teiche - Kaysereiche - Taternplatz

                Prolog
                Wie oft wird mir das eigentlich noch passieren? Wahrscheinlich bis ans Ende meiner Tage. Was ich meine? Verschlafen und Zug verpassen. Mittlerweile schon Gewohnheit. Beim Kaffee morgens die Tour umplanen und auf "im Kreis laufen irgendwie" trimmen. Fluchen. Was passendes finden. Dennoch fluchen. Sich am Kaffee verschlucken wegen des Fluchens. Fluchen.
                Ich glaube, ich brauche einen Tourenpartner oder eine Tourenpartnerin, die mich pünktlich ausm Bett wirft, bestenfalls durch Sturmklingeln!
                Losfahren und dann doch eine tolle Tour genießen.
                Ich quäle mich über die A7 Richtung Harz. Das ganze Ding ist mehr Baustelle als Autobahn und natürlich stehen sie überall mit den Blitzern. Ist ja auch verlockend die abzukassieren, die nicht 40 fahren. Doch ich bin auf der Hut, heute nicht meine Freunde, heute nicht!
                Doch sie kriegen mich, anders, aber sich kriegen mich. Vollsperrung bei Salzgitter und alles muss runter von der Bahn, der U-schlagmichtot folgen. Bald schon enden die Umleitungsschilder. Na prima, denk ich...wohl wissend, dass ich kein Navi besitze. Durcheiern auf eigene Faust, irgendwie passts schon. Und irgendwie finde ich auch auf die A7 zurück, erleichtert und froh. Dann folgen noch etliche Bundesstrassenkilometer, das Revier der roten Staren. Sie lauern überall, hinter Bäumen, um Ecken herum, in Tonnen, Pfeilern, Kästen und Schildern. Wieder brülle ich laut aus dem offenen Fenster: Heute nicht, Kameraden, heute nicht!

                Die Tour
                Ich erreiche den Taternplatz, letztlich doch nur einer der typischen Harzer Wanderparkplätze. Diesen hier allerdings schon seit mehreren hundert Jahren, vermute ich. Früher haben hier die Zigeuner (die Tatern) ihre Karossen geparkt, heute eben ich.

                Der Start gestaltet sich ein wenig diesig, doch einfach. Es führt nur ein Weg hinfort in die Natur. Ich folge diesem Pfad und siehe da, gleich hinterm Parkplatz fängt die Wildnis an.


                Der Weg wird bewacht. Ein skurriles Wesen lugt an dessen linker Seite aus dem Dickicht, bereit all jene zu zerhäckseln, die nicht würdig sind. Schwer zu sagen woran es mich erinnert, aber es wirkt ein wenig arachnoid. Ein Waldarachnoide eben mit pelzigem Moosbesatz. Seine Größe ist beeindruckend, ich ducke mich ins Gras. Hoffentlich hat es mich noch nicht erspäht. Leise pirsche ich mich an, schleiche, krieche, robbe mich millimeter für millimeter vor. Ich bin alleine unterwegs, meine Gefährten habe ich in der sicheren Stadt zurückgelassen. Solo spielen bringt mehr EP (Erfahrungspunkte). Aber keiner hat was davon gesagt, dass hier Elite-Gegner rumschleichen. Der da vorn ist sicher 30 oder 50 Stufen höher als ich. Ich bin 30, der vielleicht sogar weit über 100! Keine falsche Scheu, so weit ists bestimmt nicht bis zum nächsten Friedhof. Ich wittere die Chance auf fette Beute. Mit tapferem Geschrei stürme ich aus meiner Deckung hervor, schleudere Feuerbälle (Taschenlampe schwenken) und schwinge meine Axt (Trekkingstock kreisen lassen, nur als Info, falls ihr auch mal in so eine brenzlige Lage geratet).
                Ein zufällig vorbeigehender Wanderer hält mich für total bescheuert, pfeift seinen Hund zu sich und sucht das Weite!


                Im Harz gehts meist bergauf, denke ich so bei mir. Selten bergab. Man geht irgendwie immer nach oben. Ich glaube, der Harz verschiebt sich. Immer mit mir mit. Dieser Theorie muss ich jedenfalls noch nachgehen. Der Harz ist also eine Art Kugel, an der ich stets gen Gipfel steige. Darum kann man auch so oft Bilder nach unten knipsen. Wie dieses hier, weiß nur nicht mehr, was es zeigt.


                Ich erreiche Schweinebraten und meine Vermutung ist richtig. Es ist eine Schutzhütte im Harzer Köhlerstil. Das bedeutet vor allem 2 Dinge. Erstens es stinkt darin nach Rauch und es ist dunkel. Zweitens sind diese Hütten nicht zum pennen geeignet, wohl aber für gesellige Runden. Aber dafür gibts bessere als den Schweinebraten. Warum der Ort so heißt, steht auf dem Schild. Geht um Wildsauen, Feuer, Spieße und Fressgelage. In mir reifen Ideen für ein ODS-Treffen im Wald mit Feuer, Wildsauen, Spießen und Fressgelage...

                Die kleine Hütte links daneben fand ich dann doch viel interessanter. Da könnte man durchaus eine Nacht verbringen!

                Mein Weg führt über kleine Trails in Richtung Wildemann. Ich mag diese kleinen Waldwege, es gibt schon genug Autobahnen im Harz. Wildemann selbst liegt noch halb schlaftrunken in den Federn, als ich den Ortsrand passiere. Zwei emsige Arbeiter sägen und hacken Holz unten im Tal klein, ihr Lärm dringt durch das Tal, übertönt die friedliche Stimmung, den Vogelgesang und das Plätschern der Innerste. Ab und an halten die Beiden inne, rasten ein wenig auf Baumstummeln, beissen herzhaft in die geschmierten Stullen (toll, was so ein 12x Zoom alles zeigt) und lachen amüsiert. Wahrscheinlich über den Deppen mit der Digitalkamera am Hang gegenüber.


                Wildemann, dieses kleine Bergbaustädtchen mit knapp über 1000 Einwohner. Wie der Wilde Mann, der dem Ort seinen Namen gab, komme ich mir vor, als ich den Weg herab zur Hauptstrasse stolpere. Wild ist hier hingegen nichts mehr, eher sanft und ruhig. Ich erreiche den 19-Lachter-Stollen. Im Wind baumelt träge das Schild "heute geschlossen". Ein besinnlicher Ort ohne Hektik, doch fürchte ich, wird sich dies mit Beginn des Schneefalls ändern, wenn die Langläufer einfallen. Wildemann ist gesäumt von Loipen.


                Mich zieht es Richtung Augusthöhe, den steilen Talhang hinauf, raus aus dem Örtchen. Hätte ich einen Bäcker entdeckt, wäre ich wohlmöglich schwach geworden, auf einen Kaffee und ein Teilchen eingekehrt. Doch so genau wollte ich Wildemann nicht durchwandern. Verpflegung hatte ich ohnehin genug dabei. Entlang der Serpentinen schlängele ich mich langsam hinauf auf die Höhe, einen wunderbaren Blick ins Tal. Ich träume mir Schnee hinzu, der diese grau-braunen Flecken überdeckt. Eine Leinwand für meine Seele, ich beginne gleich alles bunt zu streichen. Zunächst male ich mir Schneeschuhe unter die Füße, dann den Rauch auf die Kamine...es wird Zeit, Winter, es wird Zeit!


                Ich erreiche die Augusthöhe, erneut mit einer Köhlerschutzhütte. Ein Ort, wie geschaffen für eine kleine Gruppe. Es gibt einen Feuerplatz und sogart einen großen Grill. Ich finde Hinweise in der Hütte, dass man gesellige Runden hier droben beantragen kann, mit Feuer, Grill und Übernachten. Klingt interessant, hier passen locker etliche Zelte hin. Man könnte sich treffen....


                Meine Spur gleitet sanftmütige Waldwege entlang, weiche Mooskissen dämpfen den Schritt, fangen jedes Geräusch ab. Schweigen reist durch den Wald.



                Eine kleine Spinne hält auf einem Pilz inne, flüstert mir zu:
                "Höre, Trampel. Deiner Ankunft weiß ich bereits seit vielen Kilometern, ich warte schon länger. Zunächst war mir, als wären die Harzer Bären zurück, doch selbst diese haben nie so laut durchs Gehölz gepoltert wie Du." Mahnend hob sie ihr rechtes, vorderes Bein und fuhr fort: "Sei Dir des Geschenkes gewahr, welches Dir zuteil wird heute. Siehe, dies ist keine Selbstverständlichkeit, selbst für mich nicht. Die Milde des Tages, die Güte des Winters das Schicksal des Herbstes nicht jetzt schon zu besiegeln. Horche dem besänftigenden Klang der Vögel, der uns noch zwei südlichere Tage gönnt."

                Sein Blick wird weich, In ihren vielen Augen schimmern Traurigkeit, Hoffnung und Klarheit zugleich. Mir ist, als würde ich all jene Facetten einer vollkommenen Natur in diesen Pupillen widerhallen. Der alte, siebenbeinige Weberknecht, vom Leben gezeichnet ist für mich in diesem Moment mehr Universum als jeder menschliche Mikrokosmos einer Stadt. Er gönnt mir diesen Moment des Innehaltens, bevor er weiterspricht: "Ich sehe Dir deine Veruzweiflung an, die dich herausgetrieben hat. Du bist des Windes gleich, der niemals Ruhe finden mag und weißt ja doch nicht, wonach Dir verlangt. Wie sehr hoffe ich für Dich, eines Tages die Leere deiner Gedanken, deines Herzens zu füllen. Gib uns eine Chance, gib Dir eine Chance, dieser Welt. Sei nicht so ablehnend. Öffne Dich und den Stein, der einst warmherzig war. Den ersten Schritt hast Du bereits getan, lass weitere folgen. Werde das Universum, nicht das leere Raum. Werde die Flamme, nicht die erlischende Glut. Sei nicht die Asche, die man verwahrt und begräbt, sondern das Feuer, welches weiterspringt und lebt." Der Alte kletterte von seinem Pilz und verschwand nahezu unbemerkt über den reich gedeckten Waldboden.
                Er ließ mich sprachlos zurück, den Blick abwesend in die Ferne gerichtet, ohne Fokus, in Gedanken.

                Es dauerte eine Weile mich zu sammeln, währenddessen sich der Wald in meine Seele grub, sie schwemmte und mit dem neugewonnenen Wasser den Stein, der einst Herz war zu erneuern. Ich bin mir unsicher, was diesem Ort inne war, als ich meinen Weg fortsetzte, doch lag ein verzauberter Schleier über der Welt, der mir durchs Gesicht strich.


                Feuchtbiotope! Sicher eines der Schlagwörter der 80er Jahre. Feuchtbiotope, Atomkraft nein Danke, SonnenblumenstrickpulloverGrüne und ziemlich seltsame Frisuren.
                Was ist nur aus den Feuchtbiotopen geworden? Was aus den endlosen Froschüberführungszäunen an deutschen Bundesstraßen? Gone with the wind...Nicht ganz, hier haben einige Feuchtbiotope überlebt. Ich lese mir die Infotafel durch, der letzte Absatz gefällt mir. Sollten sich viele mal zu Herzen nehmen.


                Auch dieser Trail durchs Feuchtbiotop ist einfach nur schön zu gehen. Keine ausgetrampelten Wege, nur ein paar abgeknickte Gräser. Zwischenzeitlich könnte man sogar den Weg verlieren, denn links und rechts gehen etliche Abzweigungen ins Nirgendwo. Verlockend ist es schon, nur ein paar Meter, schauen was kommt. Ich biege ab, mal links, mal rechts. Und als ich mein Ziel vollständig aus den Augen verloren hatte, verdoppelte ich meine Anstrengungen. Dies änderte freilich nichts daran, dass ich sonstwo in der Harzer Pampa stand, aber es gab mir ein gutes Gefühl. Stur lief ich weiter. Ich finde den Weg schon wieder, nein aufs gps schaue ich nicht! Ich bin ein Mann, ich habe Feuer gemacht, die Frau gezähmt, die Welt erobert und bügle meinen Hemden selbst. Ich brauche keine Hilfe!
                Einen kurzen Blick der Erleuchtung auf einer digitalen Karte später war ich wieder auf Kurs. Ich folgte einem Bachlauf in Richtung Untermühle, vorbei an den Spiegelthaler Teichen.


                Wasser, fließendes Wasser, Gewässer. Es hat immer eine sehr intensive Wirkung auf mich. Es beruhigt mich und ist dennoch spannend. Es stellt die innere Frage, ob man in Bewegung ist, jedes mal erneut. Ein Sinnspruch sagt, dass man in den denselben Fluss niemals ein zweites Mal steigen kann, da er fließt. Wie unstet muss dieses Dasein auf den Lauf seines Lebens wirken. Oder ist eben diese Veränderung das Stete, die Säule und Basis seiner Existenz? Gleiche ich nicht jenem Fluß wie all den anderen? Bin ich ruhender Pol, geschliffener Stein inmitten der Bewegung? Bin ich schwirrende Welle, schäumende Krone als Speerspitze der Bewegung? Und selbst dann, ruhe ich nicht im Fluß der vergehenden Zeit? Und ich, wer bin ich mir diese Fragen zu stellen, was erhebt mich in den Stand solcher Bedeutung? Welches Recht nehme ich mir, mich zu erhöhen über meine Umgebung? Ich möchte nicht der bunte Paradiesvogel sein, auf den Jagd betrieben wird. Ich möchte den dunklen Gräsern gleichen und einmütig darin versinken.

                Ich spüre, ich bin nur ein Narr mit schrägen Gedanken. Ich lebe mein Paradiesvogeldasein in jeder Sekunde auf dieser Welt, koste von der Verrückheit des Lebens und verlange stets noch einen Nachschlag. Ich schere mich nicht über die spottende Unverständnis, die mir oftmals entgegenschlägt, sondern quittiere sie lächelnd. Ich bin wer ich und bin und wie ich bin, anders kann und vor allem will ich gar nicht sein. Mir summen dutzend Lieder durch den Kopf, alle mit dem Thema artverwandt. Erschreckend, ich bin nicht alleine, wahrscheinlich sind die Narren, die Träumer und Spinner in der Mehrzahl auf diesem Planeten. Ich bin also doch nur dunkles Gras auf einer Wiese. Oder wir sind alle bunte Paradiesvögel in einer wundervollen Welt, die wir uns selbst erschaffen. Letzteres gefällt mir besser. Ich pflücke meine Flügel von der Wiese und stecke sie an meinen Hut
                (nein, ich weißt nicht wie diese Pflanze heißt, aber ich finde sie wahrlich wunderschön)


                Flügel und Wurzel, zentrale Motive. Ich werde später darauf eingehen, nicht in dieser Harzer Runde. Flügel, ich filtere das Liedermeer in meinem Kopf. Manchmal ist es gut, nicht nur eingeschränkt zu hören. Das weite Spektrum öffnet die Aussage in viele Richtungen. Darum stehen in meiner CD-Sammlung (ja, ich kaufe sie noch, die silbernen Scheiben. Ich finde irgendwie, ich bins den Künstlern schuldig und gute Booklets etc. erfreuen mich) neben sehr sehr vielen Metal-Alben aller Art auch eine Menge Klassik-CDs, Liedermacher wie ein Reinhard Mey oder ein Wecker, diverse Jazz-Alben und Dinge die man unter "Worldmusic" zusammenfast. Wahrscheinlich noch viel mehr, aber das hier ist kein Exkurs in meine Wohnung, sondern in meine Seele! Ich summe "Frei" von "Reinhard Mey"...."du wirst dein Valparaiso nicht finden, doch jeder Flügelschlag dahin wars wert"...

                Kurze Zeit später, welch Anblick. Ein Wasserfall mitten im Harz. Ich weiß nicht so recht, was ich denken soll. Er wirkt fehl und fremd, doch für sich gesehen schön. Wäre Sommer, ich stünde unter ihm, die Augen auf Wanderschaft hinter geschlossenen Lidern. Würde seiner ganzen Wildheit Kraft aufsaugen, ohne ihn zu berauben. Aus meinen Händen wärmendes Licht, der Sonne entliehen. Geduld, ein wenig, Geduld. "Du liebst auch alle anderen Jahrzeiten, eigentlich noch mehr als den Sommer", spreche ich mir leise ohne Lüge vor.


                Der Teich selbst hingegen ist recht unspektakulär, eigentlich wie jeder Teich im Harz. Irgendwie hab ich das mit dem fotografieren noch nicht so ganz raus. Entweder verpasse ich den magischen Moment oder kann ich nur in Worten statt Bildern bannen.


                Ich erreiche Untermühle, ein Gasthaus bei Clausthal-Zellerfeld. Es hat bessere Zeiten gesehen, aber ist dennoch gut besucht. Über die Strasse stolziert ein Hahn mit seinem Gefolge. Ich bekomme Hunger, der Hahn flieht. Er weiß warum!


                Das Blumenkind unterwegs. Ich weiß immer noch nicht, was ich mir da an den Hut gesteckt habe. Aber es flattert im Wind und macht lustige Geräusche. Ab und an trennt sich eines der Blätter, stiebt wirbelnd gen Himmel, entschwindet meiner Sicht. Gute Heimkehr, mag ich nachrufen...


                Betreten verboten. Betreten strengstens verboten. Ich laufe an etlichen Schildern dieser Art vorbei. Wieso sollte ein frei zugänglicher Weg solche Schilder als Saum tragen? Ich gehe weiter, ignoriere das einfach. Keine Sperren, keine Zäune, nur verwitterte Schilder. Ein wenig mulmig ist mir schon. Schließlich bin ich ein Deutscher und der achtet peinlichst genau auf Ge- und Verbote! Wir halten uns an die Regeln, dafür sind sie ja nunmal da. Der morbide Reiz der Gegend hält mich aber in seinem atemraubenden Würgegriff. Mir dämmert, es muss ein altes Militärgelände sein. Dafür spricht auch der Stahlbeton der Gebäude, die Lage und Konstruktion. Jetzt find ichs spannend und laufe weiter. Nein, keine Sorge, grad fährt kein Film vor meiner inneren Linse, der uns zurück in die Vergangenheit trägt. Ich erreiche dann doch einen Zaun, hüpfe rüber und gehe weiter.


                Mittlerweile habe ich Clausthal-Zellerfeld halb umrundet. Vielleicht auch ein wenig mehr, ich bin auf der Höhe des Hirschler Teichs angekommen und muss die B242 kreuzen, um weiter gen Süden zu gelangen. Kaum auf der anderen Seite der Bundesstrasse empfängt mich ein netter Waldweg.


                ...der kurz darauf von einer asphaltierten Strasse abgelöst wird. Ich reg mich auf, meine Schuhe wollen in einen Sitzstreik treten. Ich trete die Schuhe über den harten Boden. Alles flucht! Die Pferde auf der Weide ergreifen die Flucht!
                Ein kleines Stück laufe ich nun auf dem Harzer Hexenstieg der hier tatsächlich über die Strasse verläuft. Von hier ist es nicht mehr weit bis Osterode, dem Anfang oder Ende, je nach Betrachtungswinkel, des Top Trails (of Germany). Er steht noch auf meiner Liste für den 24 Stunden Versuch. Viele dieser Top Trails stehen noch auf meiner Liste. Ich mag sie alle einmal gehen, oder mehrmals. Mal sehen.


                Ja, es ist die Teichrunde. Und hier ist schon der nächste, nachdem ich bereits einige gar nicht erwähnt habe. Das hier ist der Ziegenberger Teich. Man merkt sehr deutlich, wie wichtig der Bergbau einst hier für die Stadt war. Die rote Schwedenhütte gefällt mir, ich denke an den nächsten Urlaub dort oben. Mal sehen, wann es mir möglich ist und wer mich begleitet. Ein Notizbuch oder ein Mensch.


                Ich komme an einem großen Betonklotz vorbei. Was macht der hier? Was ist das? Ich entziffere Buchstaben auf einem Schild....Gerontopsychatrische...ich weiß nicht genau was es ist. Man sagt mir nach, eine hohe Allgemein(ein)bildung zu haben und Antwort auf fast jede Frage. (Komisch, merke ich bei meinen mir selbst gestellten Fragen nie), aber hier muss ich passen.
                Die Stimmung ist merkwürdig, ich fühle mich unwohl. Das Wort Psychatrie weckt dies in mir. Können "die" riechen oder spüren, wie irre ich bin? Stürmen da gleich ein paar Krankenpfleger raus, fangen mich, schnüren mich und jagen mir Strom druch den Körper? Ich senke das Haupt, werde sehr ruhig, nur die Schritte immer schneller. Ich erinnere mich an "Einer flog über das Kuckucksnest" mit Jack Nicholson. Das ist meine Vorstellung von solchen Anstalten. Ich weiß, dass ich damit wahrscheinlich modernen Einrichtungen dieser Art nicht gerecht werde, aber dieses Bild hat sich eingebrannt. Plötzlich höre ich Schreie, es klingt nicht nach Irrsinn, sondern nach Schmerz. Ich weiß es nicht, will nicht werten, nur weg. (Mittlerweile weiß ich zwar, dass ich noch deutlich zu jung für diesen Ort bin, aber dennoch)
                Der Himmel und das schwindende Tageslicht wirken drohend, düster. An anderem Ort lieblich und leicht.


                Nicht weit entfernt, eine andere Stimmung, ein anderer Ort. Ich erreiche den vorletzten Teich für heute, den Prinzenteich. Sicherlich der mit Abstand schönste Teich der Runde. Hier würde ich gerne mein Zelt aufschlagen. Ich folge direkt dem Ufer, treffe auf eine Gruppe Hannoveraner, die dort grad ihren Grill aufbauen (faul mit dem Geländewagen vorgefahren). Kurze Zeit später begegne ich Anglern, die mir auch danach aussehen, als würden sie vor Ort nächtigen. So nah an der Stadt scheint sich hier niemand daran zu stören, dass mancher Mensch seinem natürlichen Trieb nachgeht und draussen bleibt. Ich lasse einfach mal die Bilder im Raume stehen von diesem Ort, die doch seine Magie nicht wiederzugeben wissen.



                Am Hahnebalzer Teich halte ich inne. Die Nacht senkt ihren Schleier, der Mond schimmert seiden durch ihr Gewebe. Sanftmut treibt in der Luft, steigt empor aus sich bettendem Wiesenboden, küsst die Bäume in den Schlaf. In meinem Ohr klingt die Melodie des Liedes Watermark von Enya.
                "Das Leben ist das schönste Abenteuer", es stimmt. "Danke" springt leise über meine Lippen. Ein Dank, nicht gerichtet, sondern gestreut. Geschuldet? Nein, geschenkt. Geschenkt allen und allem, die mein Leben bereichtert haben, bereichern und noch bereichern werden und in deren Leben ich Gleiches bewirke. Das innere Lächeln kann ich euch nicht auf eine Speicherkarte legen. Erfahren, erleben, erträumen kann man es, den Moment genießen, erinnern. Höhen und Tiefen werden nicht eins, nicht flach. Sie sind die Kontur, das Profil, die pendelnde Waage unserer Reise. Klar und scharf, nicht neblig, kein Brei. Facetten des Glückes, des Schmerzes. Ein Bündel Erinnerungen, Träume, Wünsche, Enttäuschungen, Hoffnungen, Gedanken. Ein lebender Mensch in Bewegung!

                Dialog mit dem Leben
                Mit dem Leben bin ich durch!
                Wir haben uns ausgesprochen
                und festgestellt:
                Wir passen nicht zu einander.
                Wir dulden uns,
                wie ein ewiges Ehepaar,
                das eine junge Liebe
                gegen alte Vertrautheit getauscht hat.
                Mich hat das Leben "dünne Fassade" beschimpft!
                Ich habe es Abrissbirne genannt!
                Ich weiß mittlerweile:
                Dies war der Beginn
                einer wunderbaren Freundschaft!


                Epilog
                Weit ist es nicht mehr bis zum Taternplatz, doch zu dunkel für Bilder. Ich erreiche noch die Kaysereiche, entdecke aber keine Eiche. Wohl schon schlafen gegangen oder im Urlaub. Munter stolpere ich weiter, verlaufe mich noch einmal kurz auf der Suche nach dem richtigen Weg. Zwar merke ich 200 Meter vor dem Parkplatz, dass beide Wege von vor ca. 30 Minuten hier zusammenlaufen und ich umsonst zurückgelaufen bin, um den anderen zu nehmen. Doch dies stört nicht, der Himmel sternenstrahlend klar, die Temperaturen immer noch mild für diese Zeit. Eine interessante Runde, viele Eindrücke, viele Gedanken. Nächstes mal bleibe ich im Hotel der tausend Sterne und lasse mir vom Mond ein Schlaflied leuchten.

                (viel erkennt man leider nicht, muss wohl länger belichten)
                Zuletzt geändert von Firilion; 01.12.2009, 21:33.
                It's a magical world, Hobbes, ol' Buddy....let's go exploring!
                31.12.1995, the last Calvin & Hobbes Strip by Bill Watterson

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                  #9
                  AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

                  Moin,
                  immer wieder interessant zu lesen, welche Gedanken dir beim wandern durch den Kopf gehen. Leider senkt es meine Produktivität am Arbeitsplatz

                  Also schön weiter schreiben, und vor allem das Foto mit dir am Steuer veröffentlichen...
                  LG
                  Oli
                  .

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                    #10
                    AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

                    Wieder ein sehr schöner Bericht von unserem Harz-Literaten. Die neue Kamera scheint sich auch gut zu machen.

                    OT: Lasse mich dazu anstacheln, nächstes Wochenende auch wieder zu starten, sofern mich der Wintereinbruch nicht abschreckt. Es wird aber nicht der Harz werden, sondern der Teutoburger Wald.

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                    • lina
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                      #11
                      AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

                      Mit tapferem Geschrei stürme ich aus meiner Deckung hervor, schleudere Feuerbälle (Taschenlampe schwenken) und schwinge meine Axt (Trekkingstock kreisen lassen, nur als Info, falls ihr auch mal in so eine brenzlige Lage geratet).
                      Ein zufällig vorbeigehender Wanderer hält mich für total bescheuert, pfeift seinen Hund zu sich und sucht das Weite!

                      Ah, so geht das. Danke!
                      Wenn mir das nächste Mal ein finsterer leinenloser Der-will-nur-spielen mit zugehörigem, sehr fernen Zweibeiner begegnet, wird das mal ausprobiert

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                      • Firilion
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                        #12
                        AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

                        So, für euch die letzte Tour nun zu Ende geschrieben. Viel Spass beim Lesen und bis zum nächsten Ausflug.

                        Es freut mich, wenn es euch gefällt, auch wenn es kein "richtiger" Reisebericht ist. Die kommen dann diesen Winter erstmals, wenn ich noch vor Weihnachten wohl den Rothaarsteig gehe, sofern das alles mit dem Urlaub klappt. 19. - 24. und dann mit dem Zug heim zwecks Heiligabend
                        It's a magical world, Hobbes, ol' Buddy....let's go exploring!
                        31.12.1995, the last Calvin & Hobbes Strip by Bill Watterson

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                        • casper

                          Alter Hase
                          • 17.09.2006
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                          #13
                          AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

                          Hi Firi!
                          Schöne Berichte!
                          Haste schon zwischenzeitlich Post mit deinem einen letzten "Tagesabschlußfoto" bekommen? Wir warten doch alle noch drauf
                          @lina:
                          Sowas kann auch fürchterlich in die Hose gehen mit dem ganzen Gefuchtel und dem "ich-will-doch-bloß-spielen"-Kumpel !

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                          • lina
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                            #14
                            AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

                            OT:
                            Zitat von casper Beitrag anzeigen
                            @lina:
                            Sowas kann auch fürchterlich in die Hose gehen mit dem ganzen Gefuchtel und dem "ich-will-doch-bloß-spielen"-Kumpel !

                            Seufz ... naja, bisher habe ich ja vorwiegend gutgelaunte Vierbeiner getroffen, hoffe mal, dass das so bleibt.
                            Oder meinst Du, das Problem wäre eigentlich der Zweibein-Kumpel?



                            Ah, fein, mehr zu lesen
                            *erwartungsfroh nach oben scroll*

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                            • Firilion
                              Erfahren
                              • 09.10.2009
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                              #15
                              AW: [DE] Harzgeschichten - Eine lose Sammlung meiner Touren

                              Zitat von casper Beitrag anzeigen
                              Hi Firi!
                              Schöne Berichte!
                              Haste schon zwischenzeitlich Post mit deinem einen letzten "Tagesabschlußfoto" bekommen? Wir warten doch alle noch drauf
                              Bisher ist noch nichts in meinem Briefkasten gelandet, aber das kann ja auch - so sagte man mir bei der letzten Projektierung im OWI Bereich - bis zu 6 Wochen dauern. Ja, in meinem Job richte ich auch Archivierungen im Ordnungswidrigkeitenbereich bei Städten und Landkreisen ein...so mancher Kollege hat sich schon selbst im System finden dürfen (natürlich nur anschauen, nicht löschen, bevor Gerüchte aufkommen)
                              Keine Sorge, sobald ich (ich hoffe immer noch das nichts kommt) das Bildchen hab, jag ichs durch den scanner und direkt in den Bericht.
                              It's a magical world, Hobbes, ol' Buddy....let's go exploring!
                              31.12.1995, the last Calvin & Hobbes Strip by Bill Watterson

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