[TH, BAY] Ä Bissel hab ich’s noch druff!

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  • EbsEls
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    • 23.07.2011
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    [TH, BAY] Ä Bissel hab ich’s noch druff!

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    1.7.2021
    Ich habe vier Tage Pflegeurlaub, ich starte endlich eine kleine Schleife durch Südthüringen. Ich fahre das Gute Rad … also nicht das Elektrische. Ich will mal wieder ins Grabfeld. Der Namensgeber der Straße, in der ich wohne, Victor von Scheffel hat in seinem Lied der Franken die Gegend so beschrieben:
    … und seh’ die Lande um den Main
    zu meinen Füßen liegen.
    Von Bamberg bis zum Grabfeldgau
    umrahmen Berg und Hügel
    die breite stromdurchglänzte Au …
    Er guckte von Süden auf die abwechslungsreiche Landschaft mit den Gleichbergen.
    Meine Tour führt vom Nordosten über das Rinnetal ins Ilmtal zur Überwindung des Thüringer Waldes. Zwei Mal kann ich mich aus Sagasser-Märkten in Königsee und Gehren an der reichen Auswahl fränkischer Biere erquicken. Als Aufstiegsweg zum Rennsteig wähle ich das Schobsetal. Das Schobsetal ist bei den Mineralogen für Schwer - und Flussspatvorkommen bekannt. Hier ist die Phönix Fluß- & Schwerspat - Bergwerk GmbH aktiv,
    „um aus der Lagerstätte Floßberggang zwischen Ilmenau und Möhrenbach Fluß- und Schwerspatroherz zu fördern. Alleiniger Eigentümer der Bergrechte ist die Fluorchemie Gruppe. Diese Mine macht die Flusssäureproduktion der Fluorchemiegruppe weitgehend unabhängig vom Weltmarkt.“
    (aus http://fluorchemie.eu/index.php/de/wir-ueber-uns) Heute ist ein Arbeitstag, es scheinen alle Minerul unter Tage zu sein, über Tage kann ich keinerlei Aktivitäten beobachten.
    Den Rennsteig erreiche am Dreiherrenstein. Hier funktioniert die einzige gastronomische Einrichtung im Laufe des heutigen Tages: Ein klassisches Ragout fin mit der Original-Dresdner Worcester-Sauce und zwei Raubritter Dunkel aus der Schwarzbacher Schlossbrauerei. Es mag gut sein, dass ich das auch vor vierzig Jahren gekriegt hätte.
    Ansonsten halte ich den Claim Thüringer Gastlichkeit für einen Witz. In Schönbrunn bedauerte man die Rückweisung meines Übernachtungswunsches noch mit Vollbelegung, in Waldau im Weidmannsruh kam ein klares „Nein!“ Der Herr verwies mich zum Zeltplatz Ratscher, „der ist groß“. Draußen regnete es bereits.

    2.7.2021 Links oder rechts einkehren - auf dem Weg ins Grabfeld
    Ich hatte das Brötchenangebot beim Einchecken angenommen und zwei Körnersemmeln aufschreiben lassen. Nun habe ich mein Zelt im Nieselregen zusammengebaut und warte auf die für 7.00 Uhr avisierte Herausgabe der frischen, warmen Körnerbrötchen. Nach Acht steckt mir ein blasser Junge nach langer Suchkramerei in der Rezeptionsbude eine Tüte mit zwei Brötchen von vorgestern zu. Ich werde auf der Suche nach einer Bäckerei in Schleusingen im Mega-Center fündig. Die zwei Mädels warten auf die Anlieferung aus der Großbäckerei, ich kriege aber erst mal einen Kaffee, draußen regnet es eh. Regen während des ganzen Vormittags, kein Vorankommen. In Kloster Veßra passiere ich das Gasthaus „Goldener Löwe“, es lädt mit FCK ANTIFA – Bannern ein. Das Haus wird von dem Organisator der berüchtigten RechtsRock-Konzerte von Themar betrieben. Ich rolle einige Meter weiter zum Refektorium. Hier ist Uwe der Wirt mit Vertrauen in seine Kochkunst erweckender Statur. Seinen Standpunkt erkennt man, wenn man einen Kaffee bestellt. Er wird in Emaille-Bechern mit der Aufschrift „Kein Ort für Nazis“ serviert. Ich wünsche mir eine Bratwurst und ein Raubritter Dunkel. Es regnet weiter und es ist auch recht kalt, so dass es ein paar Bier mehr werden auf meinem Platz gleich neben den warmen Mauern des Grill. Es ist wie im magazin mixt. Der Wirt ist Pastafari, also Mitglied der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland. Unter den Pastafari wird er als Bruder Fussili angesprochen. Später kommt noch einer der Stammgäste, der Förster. Ich frage nach den Problemen auf dem Holzmarkt. Er bestätigt, dass er Holz genug fällen lassen musste und im Wald liegen hat. Die Sägewerke seien die Nadelöhre, die würden das Rohholz bunkern, um auf höhere Preise zu spekulieren. „Das ist Eine von den Leuten von drüben!“ Uwe weist auf eine mächtige Mutter mit reich bebilderten Busen hin. Das „Htlr-Schnitzel“ im Goldenen Löwen scheint verbrannt zu sein, sie holt Essen für Zwei bei Uwe.
    Endlich kann ich aufbrechen auf dem Werra-Radweg nach Themar vorbei am Eingefallenen Berg, wo der Liebe Gott ein Dorf voller Sünder bestrafte. Nur ein Haus mit seinen tugendhaften Bewohnern blieb übrig. Das erläuterte mir ein pausierender Wandersmann. Natürlich guckte ich mal beim Schalke-Fan vorbei. Die Wirtin des Gasthauses Krone am Fenster informierte mich: „Der ist schon lange weg!“
    Im Werra-Tal sind die vielen Wehrkirchen sehenswert. Diesmal besuchte ich die Wehrkirche in Belrieth mit den vielen Fruchtkästen. Im Schutz der Kirchenmauern lagerten die Dorfbewohner ihre Vorräte für schlechte Zeiten. Am großen Eisenbahn-Dreieck Grimmenthal wende ich mich nach Süden um durch das Thüringer Tor ins fränkische Grabfeld zu gelangen.
    In Bibra entdecke ich im nordöstlichen Teil des Dorfes eine interessante Burg. Die kleine Wasserburg ist von den Herren von Bibra im 12. Jahrhundert erbaut worden. Erbaut im Stil eines Fränkischen Königshofes, bewohnt von ihrer Beurkundung (in einer Urkunde von Bischof Otto I. von Bamberg aus dem Jahre 1119 wurde „Rupertus de Bibra“ als Zeuge genannt) bis heute von der Familie gleichen Namens. Es ist alter fränkischer Uradel. Ich werde morgen weiteren Besitztum kennenlernen. Der heutige Burgherr ist Jörg von Bibra – Elektromeister. Die Burg beheimatet den Verein „Burg Bibra e.V.“.
    "Burg Bibra" ist ein gemeinnützig anerkannter Verein für Erwachsenenbildung auf christlicher Basis. Sein Ziel ist es, Menschen in ihren Lebensproblemen zu begegnen und ihnen Hilfe anzubieten, wie der Glaube an Gott sie ermöglicht
    (zitiert von der Webseite des Vereins).
    Seit Berkach nun auf dem Iron Curtain Trail (EV13). In Behrungen bewundere ich die frisch renovierte Kaserne der Grenzkompanie, heute eine Senioren-Residenz.
    Am Badesee Irmelhausen, bayrische Seite des Grabfelds, finde ich einen großartigen Campingplatz mit modernem Bistro und TV für das Spiel Spanien vs. Italien. Nach dem Zeltaufbau setze ich mich für ein paar Rother Bräu zu den Fußballfans. Ein schöner Abschluss dieser entdeckungsreichen Etappe.

    3.7.2021 Das Heldburger Land
    Gleich früh besuche ich das Wasserschloss Irmelshausen. Seit 1376 ist das Gebäude im Besitz des Adelsgeschlechts von Bibra, ab 1984 zur Hälfte im Besitz der Familie der Grafen Stauffenberg. Das Mobiliar des Schlosses ist eine der kostbarsten Sammlungen der Region. Da die Familie von Bibra ihre Hälfte der Burg bis heute bewohnt, kann sie nur von außen besichtigt werden. Seit 2014 bewohnt Karl Graf Stauffenberg mit seiner Familie seine Hälfte der Veste. Er betreibt dort eine Hochzeitplanungsagentur.
    Immer wieder durchradelt man entlang des Grünen Bandes großartige Naturinseln, oft Hügel mit Trockenrasen, immer wieder Laubwälder. Weiter auf dem Iron Curtain Trail (EV13) ins Heldburger Land, nun bin ich wieder in Thüringen. In der Torschenke komme ich beim Mittagsschnitzel (sehr gut!) mit einem Mann des Ballonsportclub Thüringen e. V. ins Gespräch. Er weist auf das große Ballonfestival in Heldburg im August 2022 hin: Die 25. Thüringer Montgolfiade mit offener Deutscher Meisterschaft im Heißluftballonfahren.
    Die spareribs, zu deutsch Rippchen in der Country Scheune in Einöd waren einzigartig!
    Im nächsten Ort in Lindenau findet sich „Ein Schatz der Natur“, hier befindet sich der Quellort des einst weltberühmten Friedrichshaller Bitterwassers (Video). Werbespruch:
    Steht Dir die Sch… bis zum Hals, nimm Friedrichshaller Bittersalz. Willst Du es lieber etwas nasser, trink Friedrichshaller Bitterwasser.
    Auf dem Weg ins schöne Fachwerkstädtchen Ummerstadt beginnen, die Pedale bedenklich zu knarzen. In Bad Colberg finde ich im Landgasthof zum Seysingshof ein Nachtquartier.

    4.7.2021 Bieriger Ausklang
    Mit dem bedenklichen Knarzen der Pedalen begründe ich, dass ich nur noch die Rodach abwärts Richtung Bad Staffelstein fahre, um dort mit der Heimfahrt per Bahn meine kleine Schleife abzuschließen. Frühschoppen in Sesslach mit Hausbräu in der Bierwirtschaft Reinwand seit 1640. Es klappert der Storch auf den Mauern der schönen alten fränkischen Kleinstadt.
    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: xPYNu0OzO0oKNpfLOu8VdLW76CCcMKltZFxaH8Iq065mlnbo0qH55x70fD7CsSiq1VnsPCo-tsm1wGSek_EdvFjyEIuMupgSRhV61ivagU_UXCpZ6uUNbPmaP7Lcs3zdr8Y-L27-gLRi91RKjbIQCh67x1pMON3vXvS2FWndVbx7Gxm1YqvBQ22eB3rn_02a86F66LcnH-3iaJJ1TesEg1nx2LCxhikFfyyz5RM0R0co4N92hU4JcNiwv4WMiTM Ansichten: 0 Größe: 233,5 KB ID: 3082575

    Du kannst gar nicht oft genug in Bierfranken radeln, ohne eine weitere Brauerei zu finden. Die Brauerei Schleicher in Kaltenbrunn kannte ich bereits. Ich finde es eine gute Idee, den Meistersud des Braumeisternachfolgers zu vermarkten. Es ist ein mild rauchiges, aber würziges traditionelles fränkisches Dunkel-Bier. In Wiesen bei Staffelstein entdeckte ich gleich zwei Brauereien: Die Brauerei Hellmuth mit großem Gastgarten und gastronomischen Angebot sowie um die Ecke die Brauerei Thomann. Das naturtrübe Bier von Thomann schmeckte mir bedeutend besser, mit mehr Würze und Aromen.
    Zuletzt geändert von EbsEls; 13.10.2021, 18:48.
    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
    Eberhard Elsner

  • November
    Freak

    Liebt das Forum
    • 17.11.2006
    • 11083
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    • Meine Reisen

    #2
    Wieder mal sehr fein, Ebs.
    Und ich hatte mich beim Lesen des Titels schon gefragt, welch exotisches Land denn mit TH abgekürzt wird ...
    Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.

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    • Bennsen
      Erfahren
      • 27.06.2021
      • 190
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      • Meine Reisen

      #3
      Na das ist ja mal ein kultureller Genuss gewesen, in Kloster Veßra einzukehren. Ich hab mal von Leuten gehört, dass sie im "Goldenen Löwen" einkehrten und dort eine mürrische Kellnerin gar nicht amused war, dass sie auch was essen wollten. Sie verschwand hinter der Theke und kam kurz darauf mit einem Smartphone am Ohr wieder: " Der Chef (Tommy Frenck) sei gerade im Großmarkt, was sie denn genau essenn wöllten. Er würde es gleich einkaufen ..." Kein Witz!

      Ansonsten Tipp, wenn du das nächste mal in/bei Bibra bist: Über die Forststraßen mit dem Fahrrad über Kätzerode (Wustung) mitten durch die Henneberger Höhen nach Bauerbach (Schillerhaus) und dann nach Henneberg auf die Burg. Danach kanns über Einödhausen - Unterharles - Schwickershausen zurück ins Grabfeld gehen.

      Ich hab mir schon mal überlegt, evtl. eine Wochenendtour im Winter zu Fuß von Meiningen über die Henneberger Höhen und den Bibraer Sattel auf die Gleichberge zu laufen. Ich muss nur noch rausfinden, wie ich von da hinten wieder weg käme :/.
      Zuletzt geändert von Bennsen; 29.07.2021, 21:32.

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      • Meer Berge
        Fuchs
        • 10.07.2008
        • 2381
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        Fein!
        Durch die Gegend (Werratal, Rodachtal) bin ich vor 3 Wochen auch gekommen. Allerdings habe ich weniger Sightseeing und Gourmet-Programm gehabt, sondern eher ein Fernziel.
        Daher ist es schön, jetzt von dir etwas Kultur nachgeliefert zu bekommen!

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        • EbsEls
          Erfahren
          • 23.07.2011
          • 434
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: PXL_20210812_124009596.jpg Ansichten: 0 Größe: 677,1 KB ID: 307363612.8.2021
          Ich habe wieder vier Tage Pflegeurlaub. Ich will den alten Plan einer Vogtlandtour zum Dreiländereck (Böhmen – Sachsen – Bayern) umsetzen. In Saalfeld gegen 13 Uhr gestartet. Über Könitz, Dobian nach Ranis. Dort eine erste Pause an der „Schmiede“. Der Herr Weise, der Wirt der “Schmiede”, hat vor seinem Physio-Termin mir noch schnell ein Bier (ein Dunkles aus Sonneberg “Alt Sunnebarcher”) raus gestellt. Einen Euro hat er dafür genommen.
          [Bildunterschrift] Er bietet jeden Sonntag Kloßessen, hier der Plan vom August.
          Dann hoch auf die Buchta-Höhe zur Hohen Straße, geschoben. In Knau an der Freien Tankstelle den Chef des Vereins zur Thüringer Oberlandbahn kennengelernt. Das ist quasi die Thüringer Semmeringbahn. Auf dem spannendsten Abschnitt im Ottergrund bei Ziegenrück bietet der Verein Draisinenfahrten an. Er “hat den Bahnhof in Krölpa”, das ist bei Auma. Gastronomische Überraschung im Gasthaus in Plothen: Das Knödltrio! Ich erreiche mein Ziel, den Camping Plothener Teiche. Nach dem Zeltaufbau gehe ich noch für das „Gute-Nacht-Bier“ zum Imbiss „Waldschänke“. Die Mutter der Wirtin hieß Elsner und stammte aus Breslau. Auf diese Verwandtschaft haben wir erst einmal einen Kümmerling getrunken.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: PXL_20210813_052236445.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,06 MB ID: 3073638




          13.8.2021
          An diesem Tag sollte es nur selten rollern. Besuch der Eremitage bei Schleiz. Das war ein fest eingeplanter Haltepunkt. Die Eremitage hatte ich schon vor einiger Zeit entdeckt und damals von der Wirtin die Geschichte erfahren. Hier hat der Fürst Reuß, jüngere Linie, sich eine kleine Zuflucht bauen lassen, die er auf dem Weg von Schloss Burgk zur Arbeit in die Residenz in Schleiz gerne besuchte, um Ruhe zu finden.
          Letzte Versorgung an einem Kiosk oben in Heinrichsruh am Kreisverkehr. Über Zollgrün nach Tanna. In Tanna traute ich mich nicht ohne Korb in den DISKA, kein Chip, kein Euro. Deshalb nur noch Wasser am Hoftor gefochten, in Mißlareuth und in Sachsgrün.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: PXL_20210813_121511240.jpg Ansichten: 0 Größe: 828,9 KB ID: 3073635


          Gelehrter Bauer „Küntzel“

          Die Dörfer dort oben an der alten Grenze haben überhaupt keine Logistik, keine Kneipe, kein Geschäft … nix. Den Fahrplänen in den Buswartehäuschen würde ich kein Vertrauen schenken. Gut, die Leute leben alle im Eigentum, könnten sicher eine Ladestation für E-Mobilität im Hof installieren. Aber ich bin sicher, dort wird noch dreißig Jahre der Diesel durch das Dorf nageln. In Sachsgrün gute Gespräche mit aufgewecktem 86-jährigen Ömchen geführt. Sie sah schon, dass das mit dem Wetter und dem Klima nicht mehr alles so stimmte, wie bisher in den 86 Jahren. Aber die vielen Windräder bei Sachsgrün auf bayrischer Seite hielt sie für Humbug. Die stehen so oft still, sie hätte Atomstrom aus Frankreich in der Steckdose. Sie sah die Bibel als Geschichtsbuch. Die Sintfluten und Wetterextreme gab es früher auch. Ich erzählte ihr, wie die Kaiserlichen im 30-jährigen Krieg bei Saalfeld von der Thüringer Sintflut weggespült wurden und die Schweden oben in der Schwedenschanze auf dem Roten Berg sich ins Fäustchen lachten. Nach Sachsgrün hat der dänische General Holk, Feldmarschall unter Wallenstein, die Pest gebracht. Der Friedhof an der Kirche reichte nicht mehr aus, der damals angelegte Ersatzfriedhof wird heute noch als Friedhof genutzt. Der General verstarb an der Pest in Troschenreuth, seit 1972 eine Wüstung mitten im 500m-Grenzstreifen bei Sachsgrün gleich hier um die Ecke. Das erzählte das Ömchen vom 30-jährigen Krieg aus ihrem Dorf. Das war ein toller Plausch auf der Bank vor ihrem Haus.
          Kurz vor dem Dreiländer-Eck bei Posseck abgebogen nach Oelsnitz, wollte ein Quartier haben. Bin fix&fertig von der schweren Etappe.

          14.8.2021
          Für die heutige Etappe habe ich mir eine leichtere Route gesucht. In der Karte gab es einen Radweg von Oelsnitz nach Falkenstein. Der schlägt große gleichmäßige Bogen durch das Vogtland. Ich dachte mir: So sieht eine alte Eisenbahnstrecke aus. Und in der Tat, es ist der zwischen 1951 (für den Berliner Außenring!) und 1978 abgebaute Teil der Voigtländischen Staatseisenbahn vom Abzweigbahnhof Herlasgrün ins böhmische Eger. Das ist ein sehr schöner und schattiger Weg, leider ohne Logistik. Das bestätigte auch ein Hundausführer, der wieder aus Franken in seine Heimat zurück gesiedelt ist. Der 21,8 Kilometer lange Weg verbindet den Elster-Radweg mit dem Göltzschtalradweg, den ich im weiteren folgte.
          Der Göltzschtal-Radweg führt anfangs auf dem Bergrücken links der Göltzsch. Dummerweise bauen sie aber dort auch für die Autofahrer die Ortsumgehung der B169, sodass der Radweg oft den Kürzeren zieht und der Radler den Weg verliert. Mein Phone und mapy.cz hat mich aber immer wieder zurückgeführt und ich habe auch die „Troll-Schänke“ gefunden, wo es wirklich leckeres Essen gibt. Bei Lengenfeld erreicht man den Talgrund. Höhepunkte dieses tollen Radwegs sind „Käppels Floßteiche“ und natürlich die berühmte Göltzschtalbrücke der Sächsisch-Bayerischen Eisenbahn, die größte Ziegelsteinbrücke der Welt. Bei Greiz mündet die Göltzsch in die Weiße Elster. Eingecheckt in das Parkschlösschen in Greiz.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: PXL_20210814_145044138.jpg Ansichten: 0 Größe: 1.012,9 KB ID: 3073639



          15.8.21
          Bis Neumühle bin ich dem Elster-Radweg gefolgt. Dann aber abgebogen (kannte ich ja schon) hoch nach Teichwolframsdorf und Langenbernsdorf. In Langenbernsdorf hatte ich Durst auf ein sonntägliches Frühschoppen-Bier. Die Tür zu Alexandros’ Taverne stand offen. Das ist an der zentralen Kreuzung im Dorf und offensichtlich eine altes Wirtshaus. Im Inneren fand ich dann folgende Inschrift:
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: PXL_20210815_084825853.jpg Ansichten: 0 Größe: 478,8 KB ID: 3073640


          „1417 Mittwoch nach Erhardt hat Wilhelm, Landgraf in Thüringen und Markgraf in Meiszen zwischen Bürgermeister, Rat und Gemeinde unser Stadt Werdau und Haniesz, der Zeit Kretschmar in Bernsdorf, Schied und Verteilung getun, wie der und sein Nachkommling Melzen, Brauen und Schenken sollen und mögen!“

          Alexandros hat entsprechend dem Schiedsspruch seinen Auftrag würdig fortgesetzt, er schänkte mir zwei Halbe Köstritzer.
          In Langenhessen erreichte ich das Pleiße-Tal.
          Ich bin schon etliche der sächsischen Flüsse talabwärts gefahren. Nicht nur die Hochwasser 2002 und 2013 in der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass es clever ist nur das Notwendigste für die Energiegewinnung in den Tälern zu bauen. Die Handelsstraßen führten auf den Landrücken lang. Die Kapitalisten des sächsischen Manchesters Crimmitschau und in den anderen Städten an den Flüssen gingen ob der günstigen Verwertungsbedingungen ihres Kapitals dann das Risiko ein, vertrauten der Ingenieurskunst und kanalisierten die Energiespender. Die Flussrouten sind noch heute verkehrsarm und für den Radler attraktiv, denn es gibt sehr viel aus der Geschichte Sachsens zu entdecken. In Ponitz fand ich aber erst eine coole Frühschoppenrunde in Leo’s Bierstube. Ich halte solche Frühschoppen als eine unterschätzte und leider absterbende soziale Einrichtung (social club) für einsame, alte, weiße Männer. Hier findet der Mann Hilfe für die Zufahrt eines Minibaggers oder Trost, wenn er nicht mit Geld umgehen kann. Der Platzhirsch war ein auf Kreuzfahrtschiffen weitgereister Eisenbahner. Der war sogar schon in Papua-Neuguinea. Der Eisenbahner hat die Deckel aller Frühschoppenteilnehmer bezahlt, 87 Euro, hat 100 gegeben. Dann zeigte er mir die Sehenswürdigkeiten von Ponitz. Die haben hier eine Silbermann-Orgel, das Werk #40. Des weiteren lebte hier der Herr Wolfgang Conrad von Thumbshirn, einer der maßgeblichen Diplomaten des Westfälischen Friedens.
          Gaststätte „Am Stausee“ in Fockendorf: Ü-70 Festival mit den Chemnitzer Lausbuben, ca. 200 Fans und fast genauso viel Rollatoren.
          Am Ende des Tages in Regis-Breitungen sah ich beim Rollern durchs Dorf aus den Augenwinkeln einen schönen Biergarten. Ich bog zum Gasthof & Pension „Zur Erholung“ ein. Auf meine Frage nach Übernachtung wollte mich die Wirtin schocken: „Mein Mann ist gestorben, sein Bett ist frei.“ Mir ist ein guter Konter eingefallen: “Ich schnarche nicht!” Hat gewirkt, das hat die noch Stunden später den neuen Gästen erzählt.

          Am nächsten Tag, Montag, noch eine kleine Schleife zu den Reichen am Leipziger Neuseenland. Heimfahrt mit der Bahn ab Knauthain.
          Zuletzt geändert von EbsEls; 27.08.2021, 20:43.
          Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
          Eberhard Elsner

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          • EbsEls
            Erfahren
            • 23.07.2011
            • 434
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
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            Zitat von Bennsen Beitrag anzeigen
            Ansonsten Tipp, wenn du das nächste mal in/bei Bibra bist: Über die Forststraßen mit dem Fahrrad über Kätzerode (Wustung) mitten durch die Henneberger Höhen nach Bauerbach (Schillerhaus) und dann nach Henneberg auf die Burg.
            Na, dann mach' ich das mal. Drei Tage (9. - 11.10.2021) kurze Radtour. Anreise mit Bahn nach Grimmenthal.
            Gemarkung Bibra im Herbst

            Gemarkung Bibra im Herbst
            Wüstung Kätzerode

            Wüstung Kätzerode
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            weiter nach Bauerbach und Henneberg

            Bin dann weiter über das Schillerdorf Bauerbach zur Burg Henneberg, der Stammsitz der Henneberger.
            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: urA2FEapuP25S9WAHsuOt50SDox0Af0ap6RKXO-HJ9IX7_E7eU9SRPp3Xp7GnJkZvk-pSwDcQGwHTz-Q7cVMEyNcTXTDVsZyE7Xvp8Q2SkhGyFfELMCaSCXgaD9QdRoM2vOhOIfjFvGV9dSiBqr1WIvA5o7vxZ0omFwgyVk8bf3sbpyMlH3P2oBn_VkHPgU1K-VJlN20U1Y1mt1aGZXDOF3uHfE87EakAOQWdWNZHbBz24tqtJLmJXqnLcVGA3b Ansichten: 0 Größe: 544,3 KB ID: 3082585


            Besuch der Kirchenburg in Ostheim vor der Rhön. Die Fränkische Saale aufwärts bis Bad Königshofen. Rennweg über die Hassberge bis Königsberg in Bayern. Das ist ein ca. 60 km uralter Kurier- und Handelsweg, wohl schon zur Zeit der Kelten - Salzhandel.
            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: tQfKrnVrPaaRbO7DAIR4RF32rhjeo3Me7HVdVuT9SvHp5wSZqOmUBrGaQSgY20hgQ5R4WPEAtGVo7lHQP2FNdL8d7oTztECm7E5OyiYfW-NwC7-Ru3utsjD22qcx_1PxAfMW0pzi3CYHlTyrD1YcTGS9Y1jdAPjrZJGzIsUDhMS30xkUwGGAEjw2SqJi7mcp6x3wKWTW9c0L5o7LA-ZdVXhPKa2K5ZHjKNIUuxZEkieJMeqJVvSOr4Dqgq7IzOe Ansichten: 0 Größe: 312,3 KB ID: 3082586

            Zeil am Main: Blick zum Zeiler Käppele
            Mainaufwärts bis Lichtenfels. Bahnfahrt nach Hause.
            Zuletzt geändert von EbsEls; 14.10.2021, 18:36.
            Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
            Eberhard Elsner

            Kommentar


            • Christian J.
              Lebt im Forum
              • 01.06.2002
              • 9245
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              Hallo EbsEls,

              ich mag Deine Art zu reisen und zu schreiben. Das Sagenbuch oder irgendeine regionalgeschichtliche Abhandlung als Reiseführer zu gebrauchen, das mache ich auch gern. Und außerdem kenne ich die Gegend ums schöne Saalfeld ganz gut aus meiner Kindheit. Ich freu' mich auf mehr!
              "Er hat die Finsternis der Latrinen ertragen, weil in der Scheiße nach Mitternacht sich manchmal die Sterne spiegelten"
              Durs Grünbein über den Menschen

              Kommentar


              • opa
                Lebt im Forum
                • 21.07.2004
                • 6732
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                #8
                superschöne berichte!

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                • blauloke

                  Lebt im Forum
                  • 22.08.2008
                  • 8357
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                  #9
                  Deine Erzählungen sind immer wieder interessant zu lesen, da du auch auf die Hintergründe der Landschaft eingehst durch die du kommst.
                  Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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