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„Ist genehmigt. Es gibt eine geografische Explorationsidee und einen pragmatischen Algorithmus.“
Freiherr von Igelstroem, 2017
Mit diesen zwei dürren Sätzen bekam ich nachträglich das OK für mein Vorhaben, mit dem ich das Format „Feierabendradtour“ in den langen Sommerabenden des Jahres 2017 füllen wollte. Der Plan: Die äußersten Bahnhalte der Tarifzone C in einer Rundtour abklappern. Dafür zur Verfügung stehende Zeit: Unbegrenzt. Es sollte übrigens bis Sommer 2018 dauern. Witz am Rande: Vier Jahre später stellte sich heraus, dass das „C“ gar nicht für den dritten Buchstaben im Alphabet stehen könnte, sondern für „Corona-15-Kilometer-Zone“, sofern Berlin die 200er 7-Tage-Inzidenz knackt. Tut es aber nicht.
Am 27. Juli startete ich in Erkner. Aufgrund persönlicher Verzögerungen im Betriebsablauf hatte ich denjenigen Takt des RE1 Richtung Frankfurt/Oder verpasst, der in Fangschleuse hält. Also musste ich von Erkner aus erst einmal in die Pedale treten. Zwecks Vereinfachung hielt ich mich an den 66-Seen-Weg, der hier einen seiner trostlosesten Abschnitte auf Forstautobahnen absolviert. Nach einem symbolischen Anschlagen am Bahnhof Fangschleuse ging es zurück Richtung Norden.
"Entweder die Schranken sind zu oder es regnet!"
Im Wald nördlich von Grünheide ging es dann recht beschaulich zu. Zwei Rehe unternehmen ihren Abendspaziergang. Um etwas Landschaftskonturen zu erkunden, querte ich die A10 Richtung Westen und fand mich unerwartet auf einem Aussichtspunkt wieder, der etwas Überblick über den märkischen Regenwald bot. Wir erinnern uns: 2017 war ein Sommer mit "wechselhaftem Wetter", wo der ergiebige Schauer am Nachmittag oder frühen Abend fast zum Ritual wurde.
Kein Streichelzoo. Die Zaunhöhe ist auf Wölfe ausgelegt.
Ein wiederbegrünter Hang des Kalksteinbruchs Rüdersdorf.
Die damals noch verhältnismäßig neue B1-Ortsumfahrung von Herzfelde ersparte mir den Herzinfarkt im dichten Feierabendverkehr nach Herzfelde. Über Hennickendorf und Torfhaus gelangte ich im letzten Licht nach Strausberg.
Max Maulwurf hat bestimmt nicht viele Freunde.
3. August 2017
Das Timing für den Start zur nächsten Etappe in Strausberg war denkbar knapp. Mit den ersten Tropfen des nachfolgenden Platzregens erreichte ich den McDonalds, den ich viele Jahre zuvor aus nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen im Garmin abgespeichert hatte. Manchmal ist das Glück mit den Schlampigen, die ihre Waypoint-Listen nie aufräumen. 30 Minuten und ein McMenü später konnte ich meine Tour fortsetzen.
Erster Anlaufpunkt war die Straßenbahn-Endhaltestelle "Lustgarten". Eigentlich fielen Schienenbahnen nach BOStrab nicht unter die Pflicht-Anlaufpunkte meines Explorations-Algorithmus, aber weil diese Straßenbahn bis heute "Strausberger Eisenbahn" heißt, wollte ich mir nicht den Vorwurf machen lassen, ich hätte irgendetwas ausgelassen.
Schon einige Tage zuvor hatte ein "Starkregenereignis" nicht nur das Dorf Leegebruch bei Oranienburg im Wasser versinken lassen, sondern in Strausberg auch einen Orca-Wal auf den Bürgersteig gespült.
Nach einem ordnungsgemäßen Anschlagen am Bahnhof Strausberg-Nord (Explorations-Algorithmus einhalten!) ....
...fuhr ich auf fast gerader Linie nach Wesendahl, nicht ohne unterwegs einigen Waldgeistern zu begegnen.
In Werneuchen begutachtete ich die Sukzessionslandschaft auf dem ehemaligen Militärflugplatz. Die Bausubstanz der Wehrmacht ist offensichtlich längerlebiger als die der Roten Armee, aber für tausend Jahre hätte es auch nicht gereicht.
Der Bahnhof Werneuchen war dann auch der Endpunkt dieser Etappe.
8. August
Ich vertiefte die Besichtigung des Flughafens Werneuchen noch einmal. Mein Versuch, die Polizei über die 110 zu einem vermutlich geklauten Motorrad auf dem Gelände zu lotsen, scheiterte zunächst daran, dass die Ordnungshüter eine Hausnummer wissen wollten. Über eine Stunde später meldete sich ein Polizist aus dem zuständigen Revier und fragte mich allen Ernstes, ob ich noch auf dem Gelände sei - er sei jetzt auch dort.
Da war ich jedoch schon in Börnicke, wo ein schlafendes Schloss darauf wartet, vom Frosch wachgeküsst zu werden. Oder so ähnlich.
"Bopp-bopp - boppbopp" machte es auf dem Weg von Werneuchen nach Börnicke. Aber immer noch besser als ein Sandweg. (Foto aus dem Juni 2020)
Schloss Börnicke. (Foto aus dem Juni 2020)
"Gehen Sie auch den Muschelweg?" (Foto aus dem Juni 2020)
Anschließend verpasste ich Albertshof, das 1912 mit seiner Abdeckerei der Grund dafür war, dass überhaupt eine Bahnstation in Rüdnitz eingerichtet wurde, dem Endpunkt dieser Etappe.
Hätte ich meine C-Ring-Tour erst 2020 gemacht, wäre ich zwischen Werneuchen und Börnicke übrigens durch die Baustelle für den größten deutschen Solarpark gefahren.
14. August
Von Rüdnitz aus ging es zunächst nach Lobetal. Im Postleitzahlenbereich 1XXXX ist Lobetal wegen der dort produzierten Bio-Milchprodukte bekannt, in großen weiten Welt sind es eher die Hoffnungstaler Anstalten für Behinderte und Kranke.
Glückliche Kühe bei Lobetal.
In Ützdorf erreichte ich den Auslauf des Liepnitzsees, dessen Ufer ich nun folgte. Ich war diesen Weg zwar schon einmal gelaufen, aber erst wenn man tatsächlich auf dem Fahrrad sitzt, merkt man, wie ungeeignet er dafür ist. Ich gesellte mich daher auf halber Strecke zu drei Enten, die auf einem Steg in der Abendsonne chillten.
In Wandlitzsee stieg ich in die Heidekrautbahn.
17. August
Weil die hellen Abende nun schon merklich kürzer worden, erhöhte ich die Frequenz meiner Feierabendradtouren. Schließlich wollte ich 2017 noch die Nordhalbkugel des C-Rings abschließen. Südlich um den Wandlitzsee herum ging es nach Wensickendorf. Dabei begegnete ich zwei Störchen beim Abendspaziergang.
Erstmals kam ich am Agrarmuseum vorbei, in dem außen und auch innen eine ansehnliche Auswahl alter Landmaschinen bewundert werden kann. Der Lokotraktor passte wohl nicht mehr in die Halle.
Der Eicher-Traktor, der mir kurz danach begegnete, sollte aber nicht die Sammlung ergänzen - "der ist doch noch gut", hätten mir die beiden Insassen - oder besser "Aufsassen"? - bestimmt entgegnet.
Weil ich mir nicht sicher war, ob sich mein Explorations-Algorithmus auf die täglich bedienten Bahnstationen bezog oder auch die nur am Wochenende bedienten Stationen einschloss, steuerte ich den Bahnhof Wensickendorf an. Dort endet der Westast der Heidekrautbahn von Montag bis Freitag. Am Wochenende fahren die Züge weiter nach Schmachtenhagen zum Oberhavel-Bauernmarkt.
Auf dem Weg dorthin hatte ich Spaß mit einer Herde Kühe - oder sie mit mir? Jedenfalls guckten sie mich neugierig an, als ich die Weide erreichte, und setzten sich dann parallel zu mir in Bewegung. Als ich dann kräftiger in die Pedale trat, wollten sie nicht lumpen lassen, und aus dem lockeren Trab wurde eine wilde Jagd, die sie erst kurz vor dem Zaun am Ende der Weide abbrachen.
Falls übrigens jemand der Ortsname Schmachtenhagen vertraut vorkommt: Ja, es ist jenes Schmachtenhagen, wo das Outdoor Service Team sein Werkstatt hat. Die liegt allerdings am Dorfanger, ich aber wollte nördlich vorbei, um noch einen Blick auf die verfallende Lungenheilanstalt Grabowsee zu werfen. Das ist eine traurige Geschichte: Die zuletzt von der Roten Armee genutzte Anlage hatte nach deren Abzug wechselnde Eigentümer, die nach meinem Eindruck allesamt überfordert waren. Aktuell wurschtelt da ein Jugend- und Kunstprojekt vor sich hin.
Über die Havel-Oder-Wasserstraße ging es dann weiter nach zur Bahnstation Sachsenhausen, vorbei am KZ-Gelände. Weil ich natürlich zur falschen Zeit da war (Regionalbahn im Schienenersatzverkehr), durfte ich dann noch bis nach Oranienburg weiterradeln.
22. August
Mit Erleichterung stellte ich fest, dass das Bedienungshandbuch zu meinem Explorations-Algorithmus keine Vorgaben enthielt, in welcher Richtung die einzelnen Etappen zu absolvieren sind. Die Platzverhältnisse in den Bahen Richtung Oranienburg sind im Berufsverkehr nämlich notorisch prekär.
Ich durfte also in Brieselang starten und diese Etappe im Uhrzeigersinn absolvieren. Kaum vier Kilometer nach dem Start tauchte das erste Problem auf: Ich kam nicht wie geplant bei Alt-Brieselang über den Havelkanal. Ersatzneubau im Stadium "Alte Brücke schon weg und neue Brücke noch nicht da".
Ok, versuche ich also, mich am Südufer weiter bis zur Schleuse Schönwalde vorzuarbeiten. Doch irgendwie war an diesem Tag im Thema "Brücken" der Wurm drin: Die kleine Brücke über den noch kleineren Nieder-Neuendorfer Kanal lag in Trümmern.
Auf noch mehr Umweg hatte ich keine Lust, nach einer Vorerkundung zerrte ich das Rad über das eingestürzte Segment - und landete auf einem schon ziemlich zugewachsenen Betriebsweg am Kanal, wo mich das Buschwerk für meine Unverfrorenheit auspeitschte.
An der Schleuse Schönwalde querte ich den Havelkanal nach Norden, durcheilte Wansdorf, genoss intensive Naturbegegnung - bis ins Gesicht! - auf zugewachsenen Waldwegen in der Marwitzer Heide und erreichte schließlich Vehlefanz.
Der aus dem Slawischen stammende Ortsname hat nichts mit "Firlefanz" zu tun. Das ist nämlich ein spätmittelhochdeutsches Wort für einen Springtanz. So richtig scheint das aber niemand glauben zu wollen, bei Stichworteingabe in die Gugel-Suche wird ziemlich weit oben die Anfrage "firlefanz ort" angeboten. Man landet dann trotzdem bei Vehlefanz, das nebenbei auch die äußerste C-Station an der Kremmener Bahn ist.
Beim letzten Licht überquerte ich die B96n und erreichte schließlich Oranienburg, wo mich ein freundlicher Regionalexpress aufnahm und in nur 20 Minuten fast bis vor die Haustür brachte.
23. August
Schon am nächsten Tag fuhr ich wieder nach Brieselang.
Die freundliche Markierung des 66-Seen-Wegs leitete mich entlang des Havelkanals bis zum Bahnhof Wustermark, dem letzten C-Bahnhof in Richtung Stendal. Unterwegs traf ich das Hertha-Schiff (Baujahr 1886), das wenige Wochen zuvor von der Kyritzer Seenkette in die Berliner Gewässer überführt worden war. Wer mir jetzt ein Fußball-Fachgespräch aufzwingen will, ist aber an der falschen Adresse.
Wustermark. Nur wenige Ortsnamen haben so viel Berechtigung wie dieser.
Der Havelkanal führte mich weiter nach Süden, bevor ich in Paaren auf die Hauptstraße nach Marquardt einbog.
Inklusion jetzt auch in der Baumschule?
Bei Nattwerder hatte ich mit zwei Pferden ein ähnliches Erlebnis wie mit den Kühen von Schmachtenhagen ein paar Tage zuvor. Die Pferde zeigten aber deutlich weniger sportlichen Ehrgeiz.
Zwischen fast urwaldähnlicher Vegetation und dem Großen Zernsee eilte ich schließlich nach Werder, wo auch der Äquator des C-Rings verläuft.
Schön war's. Fortsetzung auf der Südhalbkugel folgt.
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