[DE] Nachts im Winterwald

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  • AndiB
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    • 29.01.2019
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    • Meine Reisen

    [DE] Nachts im Winterwald

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    Mitreisende
    Als ich im Jugendalter war, machte meine Pfadfindergruppe eine Winterwanderung mit Übernachtung im verschneiten Wald, zu der ich nicht mitdurfte (es waren deutliche Minusgrade angesagt und das war meiner Mutter wohl nicht ganz geheuer). Rund 24 Jahre später habe ich das nun endlich, wenn auch erstmal im kleinen Umfang, nachgeholt.

    Am Freitagabend führt mich der Weg von zu Hause in Richtung des nahen Mittelgebirgskamms. Ich wohne so, dass ich ihn von der Haustür aus mit nur minimalen Straßenabschnitten erreichen kann. Im ersten Abschnitt durch den Park sind noch einige Spaziergänger neben (friedlichen) Konsumenten berauschender Rauchmittel unterwegs, danach sind die einzigen Menschen, die ich an diesem Tag noch antreffe, die Jugendlichen, die in einer noch siedlungsnahen Schutzhütte den Temperaturen knapp über 0 trotzen und den Coronafrust mit Kerzenlicht und Bluetoothbox bekämpfen.

    Nach der letzten Straßenquerung geht es dann richtig in den Wald, stetig bergan und mit zunehmender Schneedecke. Es ist erstaunlich, wie hell es ist, auch lange nach Sonnen- und Monduntergang - die Wolkendecke reflektiert das Licht der nahen Großstadt, die Schneedecke streut es dann in alle Richtungen, so dass alle wichtigen Konturen sichtbar sind und die Stirnlampe zum Gehen überflüssig ist. Manchmal bin ich fest überzeugt, von hinten nähere sich eine Lichtquelle - wieder und wieder ist es nur das Streulicht der Zivilisation, das ich in diesem Moment einfach nur in einem anderen Blickwinkel als kurz vorher wahrgenommen habe.

    Schnell lerne ich, die Wegoberfläche zu lesen: Schwarz heißt schneefrei, weißer Schnee ist meist noch locker genug ist, um sicheren Halt zu bieten. Irgendwo dazwischen liegt die Farbe von vereisten Flächen, die nur dann genug Tritt bieten, wenn sie uneben genug sind, dass das Schuhprofil Kanten zum Abstützen findet. Alte Fußspuren sind ein Indiz, aber keine Garantie dafür, dass eine Spur bequem zu gehen ist. In weiser Voraussicht bin ich, entgegen meiner sonstigen Wandergewohnheit, mit Stöcken unterwegs.

    Meinen Übernachtungsplatz, eine Schutzhütte auf ca. 450 Meter Höhe, erreiche ich nach knapp 3 Stunden. Die Stille im Wald ist atemberaubend - schon bei kleinsten Bewegungen kommt mir das Rascheln der Jacke wie ein Donnerwetter vor. Während meine letzten Outdoorübernachtungen von einem realen Klangteppich aus Autobahnrauschen, Fluglärm oder (im besseren Fall) dem Rauschen eines Wasserlaufs untermalt waren, ist hier das einzige Dauergeräusch das Rauschen des Bluts in meinen Ohren. Nach viel Staunen über diese Eindrücke und einer deftigen Abendmahlzeit (Instantpürre mit Bio-Bifi) lege ich mich zum wohlverdienten, aber leider viel zu leichten Schlaf.

    Leicht ist der Schlaf, weil ich leider seit einiger Zeit eine Art psychische Blockade beim draußen schlafen habe und kaum zur Ruhe komme (vielleicht ist aber auch die anregende Wirkung des Ingwertees zumindest mit schuld?) Die seelische Erholung, die das morgendliche Erwachen in der Natur bringt, wiegt den Schlafmangel aber für einen Großteil des Tages auf.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20210116_080109.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,63 MB ID: 3013202

    Für das Frühstück nehme ich noch den Weg zu einem Ort mit besserer Aussicht auf mich, bevor mich der Überlandbus zurück zur Familie bringt. Erst im näheren Umfeld der Haltestelle, gegen 10:30, sehe ich zum ersten Mal seit dem Vorabend wieder andere Menschen.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image_13774.jpg Ansichten: 157 Größe: 3,29 MB ID: 3013203 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image_13773.jpg Ansichten: 155 Größe: 2,45 MB ID: 3013204

    Zu guter letzt eine Erkenntnis, die ich bei dieser Tour gewonnen habe: Beim Aufenthalt in Schutzhütten bei Dunkelheit lohnt es sich, Kerze oder Teelicht dabei zu haben. Macht stimmungsvolles Licht und der grelle Schein der Stirnlampe bleibt den Momenten vorbehalten, in denen man wirklich gut sehen muss.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20210115_225823.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,96 MB ID: 3013207

  • Freedom33333
    Dauerbesucher
    • 09.09.2017
    • 899
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    • Meine Reisen

    #2
    Danke für den Bericht.
    Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen - es ist die Stille die das draußen Übernachten auszeichnet. Letztlich lebt man eben immer mit anderen Menschen zusammen - völlig egal ob Familie, WG oder eigene Wohnung - die Nachbarn hört man ja doch immer. Wirkliche Stille ist Mangelware, auch wenn man am schönen Sonntag raus in die Natur fährt.

    Das mit dem leichten Schlaf geht mir nicht anders, vielleicht liegt es auch einfach daran dass man sich ungeschützt vorkommt. Im Zelt schlafe ich inzwischen eigentlich immer recht gut - man hat einen geschlossenen Raum um sich. Im Bivaksack - oft habe ich darin noch nicht geschlafen - war mein Schlaf dagegen immer recht leicht mit ständigem Aufwachen. Was ja auch evolutionär Sinn macht, weil es eine völlig ungewohnte Situation ist (und ja ein Mammut kommen könnte ;)).

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    • TanteElfriede
      Moderator
      Lebt im Forum
      • 15.11.2010
      • 6483
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      Danke für den Bericht. Tja, in einer Hütte schlafe ich auch unruhig. Im Zelt ein wenig besser. Im Biwaksack perfekt. Warum? Nun einen Hütte ist ein Ort wo Menschen sein können. Jugendliche die nochmal einen saufen wollen oder so. Ein Zelt etwas abseits ist auffällig, aber eben da wo man nicht bewusst hingeht sondern zufällig drauf stoßen müsste. Ein Biwaksack ist winzig. Wenn ich da 20Meter vom Weg weg liege und nicht gerade Schnarche wie ein Ochse, dann bin ich unsichtbar. Klar ein Hund könnte mich finden, aber ansonsten findet mich das einzige Raubtier vor dem ich Angst habe (der Mensch) da nicht. So unterschiedlich können die Empfindungen sein. Ich fühle mich sicher wenn andere Zweibeiner mich nicht finden können.

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      • Igelstroem
        Fuchs
        • 30.01.2013
        • 1888
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        Zitat von TanteElfriede Beitrag anzeigen
        Nun einen Hütte ist ein Ort wo Menschen sein können. Jugendliche die nochmal einen saufen wollen oder so.
        Wenn ich mal sonst nichts mehr zu tun habe, werde ich einen Anekdoten-Thread zu diesem Themenkomplex eröffnen. Denn leider habe ich bei meinen sehr häufigen Übernachtungen in Schutzhütten (fast) noch nie Jugendliche bzw. die sogenannte Dorfjugend getroffen. Das muss ja eigentlich interessant sein, und im Forum wird es so oft erwähnt, dass es darüber bestimmt viel zu berichten gibt.
        Lebe Deine Albträume und irre umher

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        • TanteElfriede
          Moderator
          Lebt im Forum
          • 15.11.2010
          • 6483
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          ... wir hatten zumindest einmal schon "Besuch", lief aber soweit OK ab, bis auf den Umstand, dass der Schlaf deutliche 3 Stunden später begann als geplant. Ansonsten ist die Dorfjugend "Gefahr" immer indirekt über die Hinterlassenschaften zu erkennen gewesen. Bierpullen, Jägermeister Flaschen, Kippen etc. Mein Gefühl sagt mir, dass sind keine anderen Wanderer gewesen. Nun mag es sein, dass diese Eskapaden sich in einem anderen zeitlichen Fenster bewegen und so meine Sorge unbegründet ist, aber ich bin deswegen ungern in diesen Hütten.

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          • AndiB
            Erfahren
            • 29.01.2019
            • 145
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            Also zum Problem "unerwünschter Besuch": In diesem Fall ist die Hütte zu weit von der nächsten Siedlung, als dass Partypublikum wahrscheinlich ist. Vielleicht im Sommer, aber nicht bei Frost und vereisten Zuwegen. Woanders in der Region hatte ich mal die Situation, dass zwei Jugendliche in der Nähe meines Übernachtungsplatzes sitzen gehabt und ich wegen der Musikbeschallung lange nicht schlafen konnte. Das ist m.E. das größte Risiko, gefährdet fühle ich mich von dieser Nutzergruppe nicht.

            Wenn ich eine reale Befürchtung habe, dann am ehesten, mit einem Förster oder Jäger in Diskussionen zu geraten, was ich nachts im Wald zu suchen habe. Aber wahrscheinlich ist meine Unruhe zum größten Teil irrational begründet. Probleme mit draußen schlafen hatte ich aber nicht immer: Mit um die 20 konnte ich auch auf freier Fläche ohne Dach über dem Schlafsack schlafen, inzwischen brauche ich irgendeine Wand (Hütte oder Zelt) um mich herum. Das halte ich auch für ein natürliches Bedürfnis, man es z.B. immer wieder bei Kindern beobachten, dass sie eine räumliche Begrenzung suchen (z.B. Verkriechen im Zelt oder Fahrradanhänger).

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            • AndiB
              Erfahren
              • 29.01.2019
              • 145
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
              Danke für den Bericht.
              Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen - es ist die Stille die das draußen Übernachten auszeichnet.
              Spannend fände ich es, dazu noch wirkliche Dunkelheit zu haben. Das könnte im positiven Sinne beeindruckend, vielleicht aber auch eine echte Grenzerfahrung sein. Aber in der Nähe von Ballungsräume ist Dunkelheit noch schwieriger zu finden als Stille.

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              • TanteElfriede
                Moderator
                Lebt im Forum
                • 15.11.2010
                • 6483
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                • Meine Reisen

                #8
                voila... zum suchen der Dunkelheit kuckst Du hier und berücksichtigst die Mondsache... https://www.lightpollutionmap.info/#...FFFTFFFFFFFFFF

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                • AndiB
                  Erfahren
                  • 29.01.2019
                  • 145
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  Zitat von TanteElfriede Beitrag anzeigen
                  voila... zum suchen der Dunkelheit kuckst Du hier und berücksichtigst die Mondsache... https://www.lightpollutionmap.info/#...FFFTFFFFFFFFFF
                  Wow, so was wünsche ich mir schon lang (hab aber bislang vergessen, aktiv danach zu suchen). Danke für den Tipp!

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