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Mitreisende | |
Region/Kontinent: Mitteleuropa
Land: Deutschland
Reiseart: Wanderung
Zu Fuß in zwei Tagen von der Nahe an die Mosel ...
... schaffe ich das in zwei Tagen? Immerhin 95 Kilometer. Der Sponheimer Weg ist beinahe ideal für so eine Tour. Am ersten Tag geht es nur langsam von 110 auf 600 Meter hoch. Trampelpfade die eine besondere Aufmerksamkeit abverlangen gibt es auch keine. Die Steigungen auf dem Hunsrück halten sich ebenfalls in Grenzen. Ausgerechnet auf den letzten Kilometern der Tour droht der K2, das Kap Hoorn, der Mont Ventoux dieser Strecke, der Aufstieg von Enkirch nach Starkenburg. Bekanntlich hilft das nahe Ziel dann nochmals. Oder eine Abkürzung .... Also ab in den Hunsrück.
Aus Gewichtsgründen verzichte ich auf das Zelt. Geschlafen wird irgendwo im Wald. Insgeheim habe ich mir aber schon einen Schlafplatz ausgesucht. Bis zu dem ist es leider weit, sehr weit. Biwaksack, Schlafsack, Isomatte, Regenklamotten und etwas Ersatzkleidung verschwinden in den Tiefen des 40 Liter Rucksacks. Knapp 8 Kilo zeigt die Waage mit Wasser und Essen.
Zwischen Nahe und Soonwald
Für alle die keine Lust auf einen langen Wanderbericht haben, gibt es hier die
Expressversion. Maximal sechs Zeilen pro Tag. Versprochen!
Erster Tag:
Mit dem Auto nach Bad Kreuznach/Nahe. Über die Nahebrücke mit den historischen Brückenhäusern raus aus der Stadt. Von Mandel, über Sponheim rauf in den Soonwald mit seinen Waldautobahnen und eine Denkmal für einen bekannten Reiter mit einem seltsamen Titel. An der Nunkirche endlich wieder freie Sicht übern Hunsrück. Zwischen Dill/Hs. und Sohren dann im Nachbau eines Römerturms gepennt.
Zweiter Tag:
Im Nebel auf der extrem langen Gerade nach Westen bis nach Horbruch. Hier in Richtung Mosel nach Norden abgebogen. Ab dem alten Kilometerstein an der Hunsrückhöhenstraße, auf teils zugewachsenen Wegen, durch den Wald hinunter bis beinahe an die Mosel. Vor Enkirch kurz runter vom Sponheimer Weg und direkt nach Starkenburg hinauf. Dann wieder mit dem Sponheimer Weg, zusammen mit dem Moselhöhenweg, immer an der Hangkante entlang, nach Traben-Trarbach.
Und nun die Langversion (ist länger geworden):
Erster Tag: Bad Kreuznach – Römerturm zwischen Sohren und Dill 60 km
Kloster Sponheim
5 Grad, zum Glück über Null, zeigt das Thermometer morgens um halb fünf an, als ich ins Auto steige. „Ob ich den richtigen Schlafsack eingepackt habe?“, so mein erster Gedanke. Noch kann ich tauschen. Ein wärmerer Schlafsack bedeutet 1,5 Kilo Mehrgewicht. Also nein. Nackt schlafen fällt jedoch mit Sicherheit aus.
Es dauert bis ich in Bad Kreuznach endlich einen kostenlosen Parkplatz gefunden habe. Und dann ab durch die Kuranlagen an der Nahe, zur Altstadt. Die wenigen Menschen die um die Uhrzeit (7.30 Uhr) an diesem Sonntagmorgen unterwegs sind, sind alle schlecht gelaunt. Niemand grüßt zurück oder grinst sich einen. Ganz anders die „Innenstadtoutdoorer“. Winkend grüßen die von ihrer Parkbank an der Kirche zurück. „Brüder im Geiste, jedenfalls für heute“, denke ich. Im Gegensatz zu mir, kennen die drei ihren Schlafplatz für die kommende Nacht schon.
Wie immer bei solchen Wegen – die Strecke durch die Vororte von zieht sich ins Unendliche. Zum Trost scheint die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Kalt ist es aber immer noch und wird es den ganzen Tag bleiben. Klasse! Kurz vor Mandel geht es endlich in die Weinberge, eher Weinhügel. Die Weinlese ist schon seit Tagen in vollem Gange. Während einige Parzellen sauber abgeerntet sind, sehen andere aus als wäre ein Orkan hindurch gefegt. Später nährt sich von hinten laut dröhnend der Verursacher: Eine mehr als drei Meter hohe Weinlesemaschine. Ob’s der Qualität dienlich ist? Dem Gewinn sicher.
Sponheim kann mit einem handlichen Kloster glänzen. Von der Rückseite wirkt es wie ein großer, alter Gutshof mit Kirchturm inmitten der Weinreben und Obstbäume. Von vorne es die Anlage ganz Kirche. Machtvoll thront die Anlage über dem Dorf. Die Kirchenbaumeister und Äbte wussten schon damals wie man die Gläubigen zur Demutshaltung bewegt.
Beim Einzug in Burgsponheim setzt das Geläute der Kirchenglocken ein. Als ich den Ort am anderen Ende wieder verlasse, ist Schluss. Ein Relikt aus dem Mittelalter? Fremder im Ort! Schließt eure Türen und Fenster! Wohl eher Zufall. Ein flotter Wanderer braucht für die Ortsdurchquerung die Zeit eines Kirchengeläuts, welches zur Sonntagsmesse ruft. Reisen bildet.
Meine Messe verlagert sich auf die Trasse einer ehemaligen Kleinbahn. Makellos geteert, ist die Strecke ein Eldorado für Radfahrer, stolze Kinderwagenbesitzer und die unvermeidlichen Nordic Walker. Weit voraus sehe ich zwei Damen, die wie es aussieht ein ordentliches Tempo vorlegen. Die meisten Frauen sind bei allem Gequatsche so langsam, dass sie keine ernsthaften Gegnerinnen sind. Die beiden vor mir sind großartige Zugpferde. Also Tempo verschärfen. Ich hab’s nicht geschafft. Wenn überhaupt, die Entfernung wollt’ sich nur ganz langsam verringern.
Am Winterburger Friedhof ist die erste Pause angesagt. Knapp 22 Kilometer sind geschafft. Ab hier wird es steiler. Nicht so richtig steil. Aber immerhin geht es den Berg hinauf in den Soonwald, zum Forsthaus am Entenpfuhl. Am Entenpfuhl steht das Denkmal für den „Reiter aus Kurpfalz“. Den kenn’ ich bis jetzt nur als Figur aus einem Lied, dessen vollständigen Wortlaut ich schon lange vergessen habe. „Dem Andenken des Churfürstlichen Churpfälsichen Erbförsters - Forstinspectors des vorderen Soons ... , verkündet die Tafel. Erbförster! Was es nicht alles mal gab. Ein Denkmal der damaligen Spaß- und Freizeitgesellschaft. Die heutige Spaßgesellschaft hat sich nur wenige Meter entfernt, ebenfalls ein Denkmal geschaffen. Die in Pilzform geschnitzten Baumstämme am Teich, erinnern nicht nur mich an etwas anderes. Ein älteres Ehepaar muss auch lachen.
Am stattlichen, staatlichen Forsthaus geht’s endlich in den Soonwald. Schon bei der Planung war klar, dass die folgende Strecke bis zum nördlichen Waldrand öde wird. Ich bin mir sicher das im Soonwald die Waldautobahnen erfunden wurden. Wie mit dem Lineal gezogen ziehen sich die breiten Wege im Schachbrettmuster dahin. Die Fahrer der Holztransporter freuen sich bestimmt. Mit etwas Mut ist Tempo 80 auf den festen und sehr breiten Waldwegen ohne weiteres möglich. Das Vergnügen kostet noch nicht mal Mautgebühr. In der Nähe der Ruine Wildburg ist fürs Erste die Luft raus. Willkomme Pause in der neuen Schutzhütte. Die Motivation ist unter Null. Die längere Pause tut gut. Oder ist es der halbe Liter Cola? Also weiter. Raus aus diesem Wald mit seinen langweiligen Wegen.
Die Nunkirche bei Sargenroth
In Sargenroth, schon wieder in freier Hunsrücklandschaft, ist die Hälfte des Weges geschafft. Zudem lockt die Jugendherberge. Zuerst mal hinauf zur Nunkirche, der ältesten Kirche im Hunsrück. Umgeben von uralten Linden und Kastanienbäumen liegt die Kirche am Ortsrand von Sargenroth auf freiem Feld. Viele Kirchen versuchen den Besucher durch schiere Größe zu beeindrucken. Diese kleine Kirche wirkt groß allein durch ihre Lage. Nicht nur in längst vergangenen Zeiten mag sie den Reisenden Zuflucht und Wegweiser gewesen sein, auch ich fühle mich hinter der alten Mauer die das Areal umgrenzt, wohl. Zeit für eine Zwischenbilanz. Wie weit soll es noch gehen? Wo kann ich an einem Sonntag einkaufen? Oder doch zur nahen Jugendherberge? Oder hier auf der Bank bleiben und im Schatten der Kirche pennen? Das gibt mit Sicherheit Ärger. Bis Kirchberg will ich noch gehen – mindestens.
Die Pause hat gut getan. Die Cola macht das was ein halber Liter Cola bei mir immer macht: er bringt den Kreislauf auf Touren. Nichts wie runter nach Ravengiersburg mit seiner großen Kirche. Nicht ohne Grund trägt sie die halboffizielle Bezeichnung „Hunsrückdom“. Bis in unsere Zeit drückt diese ehemalige Klosterkirche dem kleinen Dorf am Simmerbach ihren Stempel auf.
Wenig später bin ich in Kirchberg. Bis auf die Tankstellen ist die Stadt (4.000 Einw.) verrammelt. Zwei Flaschen Wasser, eine Flasche Limo und diverse Tüten mit den Produkten der Firma Haribo, sowie ein paar Kleinigkeiten mit Schokolade zwingen mich beinahe in die Knie. Bis zum Schlafplatz sind es zum Glück nur noch 6 Kilometer. Den Weg bis zum Römerturm habe ich noch von der Wanderung auf dem Ausoniusweg im Juni gut in Erinnerung.
Um 19:00 Uhr fällt der Rucksack. Feierabend! Der römische Wachturm wurde nicht ganz stilgerecht aus Beton und Sandstein nachgebaut. Bestimmt uneinnehmbar! Die obere Plattform ist der ideale Schlafplatz. Holzboden, Frischluft von allen Seiten und eine schöne Sicht übern Hunsrück. Unten ziehen noch zwei Frauen im offenen Nordic-Walking-Stil (quatschen, rauchen, Stöcke hinter sich herziehen) vorbei.
Bei Anbruch der Dämmerung wird es ungemütlich feucht. Schnell eine Katzenwäsche, Isomatte aufblasen, Schlafsack raus und hinein ins Bett zum Abendessen. Ein fettes Wurstbrot und ein Apfel bilden die Vorspeise. Als Hauptgang eine Trilogie aus Mars, Snickers, Ritter Sport an Erdnüssen aus der Dose. Zum Nachtisch eine endlose Folge Gummibärchen, Lakritzschnecken .... Eine Flasche Fanta sorgt für eine stilgerechte Abrundung des abendlichen Menüs.
Der Puls braucht noch eine ganze Weile bis er wieder auf Normalfrequenz runter ist. Zwischenzeitlich schlafe ich ein. Die nasse Kälte die sich mittlerweile über den Hunsrück gelegt hat, weckt mich nach zwei Stunden wieder. Bin ich froh, dass ich das Inlett mitgenommen habe. Hauptsächlich hält es den kalten Wind ab der um meinen Kopf weht (der Schlafsack hat keine Kapuze). Bis das Handy um 6:00 Uhr klingelt schlafe ich durch.
Zweiter Tag: Römerturm – Traben-Trarbach 30 km
Der römische Wachturm. Schlafplatz für eine Nacht.
Nebel, nichts als dichter Nebel. Bei dem Wetter brauche ich eine Stunde bis ich aus dem Schlafsack raus bin. Der Morgen beginnt mit einer Katzenwäsche. Weil kein Kocher dabei ist, gibt es auch keine Kaffee. Das braune Limonadengetränk ist ein schlechter Ersatz. Als ich Aufbrechen will kommen zwei Gemeindearbeiter vorbei. Die kommen jeden Montag, so erzählen sie mir, um die Mülleimer zu entleeren und die nahe gelegene Ausoniushütte zu reinigen. Überrascht über den nächtlichen Besucher auf dem Turm sind die nicht sonderlich. Ich bin nicht der erste Gast hier oben.
Die 10 Kilometer lange Gerade die hier oben stur nach Westen führt, hat mir schon bei der Tour auf dem Ausoniusweg kein Glück gebracht. Damals hatte ich Dauerregen. Heute ist es der dichte Nebel der auf die Stimmung drückt. Hochstimmung kam bestimmt bei den Kartografen auf. Lineal anlegen und ein langen geraden Strich machen. Ein „AU“ für den Ausoniusweg und ein „S“ für den Sponheimer Weg daneben. Fertig! Obwohl es ohne Kurve stur nach Westen geht, ist diese Gerade alles andere als langweilig. Mal geht es durch den Wald, dann wieder über die Wiesen oder an den Feldern vorbei. Mal über einen breiten, befestigten Weg, dann wieder durch das vor Nässe triefende hohe Gras. In Horbruch hat das ein Ende. Auch der Nebel ist verschwunden. Die Sonne hat wieder das Sagen.
Der Kurs ändert sich nach Norden, zur Mosel. Am alten Kilometerstein an der Hunsrückhöhenstraße beginnt der lange Weg hinunter nach Enkirch. Auf diesen 13 Kilometern muss die Membran in meinen Leichtwanderschuhen alles geben ... und verliert. Die Wege sind meist schlammig, rutschig und zum großen Teil mit hüfthohen Gras, Brennnesseln und Unkraut überwuchert. Zu allem Überfluss ist das Grünzeug klitschnass bis zur Spitze. Hier bekomme ich nicht nur eine nasse Hose, auch nasse Füße. Wann hat ich das schon mal? Ist sehr lange her. Nach gut 600 Kilometer sind die Leichtwanderschuhe reif für die Kleidersammlung. Es sind halt nur Freizeitschuhe, wenn auch mit Goretex und von Meindl.
Die lange Etappe des gestrigen Tages fordert ihren Tribut. Beim Sockenwechsel entscheide ich mich für eine kleine Abkürzung. Damit fällt der lange, steile Anstieg von Enkirch nach Starkenburg aus. Das Schild „Starkenburg“ am Wegrand war zu verführerisch. Den Berg muss ich immer noch hinauf, aber viel gemütlicher und ich erspare mir 5 Kilometer. Oben angekommen habe ich eine klasse Fernsicht ins Moseltal und bemerke verwundert, dass hier Hochbetrieb ist. Auf den mehr als 80 Kilometern bis hierhin habe ich keinen Wanderer getroffen. Hier, auf einem der schönsten Abschnitte des Sponheimer- und des Moselhöhenwegs geben sich die Leute die Klinke in die Hand. Egal aus welcher Richtung sie kommen, fertig sind sie alle. Ob von Traben-Trarbach oder von Enkirch, es geht nun mal steil hoch. Das die Fortbewegung zu Fuß für die meisten nicht alltäglich ist, kann ich unschwer erkennen. Das Lesen von Wanderkarten noch weniger. Mehrmals muss ich den Weg nach x oder y erklären. Die schon etwas älteren Mitglieder einer kleinen Wandergruppe wollen nicht begreifen, dass die Starkenburg keine Burg, sondern nur ein Ort ist. Enttäuscht wollen einige sofort umkehren. Das Ende der Diskussion warte ich nicht mehr ab. Vor etlichen Jahren war ich schon einmal auf der Strecke unterwegs (Moselhöhenweg) – getroffen habe ich damals keinen Menschen. Mal sehen wie lange das „Abenteuer“ Wandern noch in Mode ist. Mein Endspurt führt mich zur Ruine der Grevenburg, und in Serpentinen hinab nach Traben-Trarbach. Am Bahnhof steht abfahrtbereit der Triebwagen nach Bullay.
Dank regionaler Bummelzüge kenne nun alle Haltestellen der Deutschen Bahn zwischen Traben-Trarbach – Koblenz – Bingerbrück und Bad Kreuznach. Nach über drei Stunden Bahnfahrt trödelt der Zug im Kreuznacher Bahnhof ein.
Im Soonwald
Fazit:
Schön war’s – wenn auch anstrengend. Besonders der zweite Tag. Da hat die lange Etappe des ersten Tages voll durchgeschlagen. Mein Rucksack, den ich schon abgeschrieben hatte, hat sich doch noch bewährt. Ich habe nur das Innengestell anders gebogen. Die Schuhe haben ihr Leben ausgehaucht. Mein Schlafsack war an der Leistungsgrenze. Nicht nur der, ich auch.
Noch mal? Von Zeit zu Zeit juckt es mich gewaltig in den Füßen. Dann muss es einfach eine Tour mit langen Etappen sein. Nur so zwei, drei Tage. Mehr wäre unnötige Quälerei. Vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang nur gehen, gehen, gehen. Das Richtige um seinen Gedanken, Träumen und Erinnerungen nachzuhängen. Es muss nicht oft sein, aber manchmal ist es notwendig.
Die Zahlen und der Formalkram für den Sponheimer Weg gibt es im Outdoorwiki.
Land: Deutschland
Reiseart: Wanderung
Zu Fuß in zwei Tagen von der Nahe an die Mosel ...
... schaffe ich das in zwei Tagen? Immerhin 95 Kilometer. Der Sponheimer Weg ist beinahe ideal für so eine Tour. Am ersten Tag geht es nur langsam von 110 auf 600 Meter hoch. Trampelpfade die eine besondere Aufmerksamkeit abverlangen gibt es auch keine. Die Steigungen auf dem Hunsrück halten sich ebenfalls in Grenzen. Ausgerechnet auf den letzten Kilometern der Tour droht der K2, das Kap Hoorn, der Mont Ventoux dieser Strecke, der Aufstieg von Enkirch nach Starkenburg. Bekanntlich hilft das nahe Ziel dann nochmals. Oder eine Abkürzung .... Also ab in den Hunsrück.
Aus Gewichtsgründen verzichte ich auf das Zelt. Geschlafen wird irgendwo im Wald. Insgeheim habe ich mir aber schon einen Schlafplatz ausgesucht. Bis zu dem ist es leider weit, sehr weit. Biwaksack, Schlafsack, Isomatte, Regenklamotten und etwas Ersatzkleidung verschwinden in den Tiefen des 40 Liter Rucksacks. Knapp 8 Kilo zeigt die Waage mit Wasser und Essen.
Zwischen Nahe und Soonwald
Für alle die keine Lust auf einen langen Wanderbericht haben, gibt es hier die
Expressversion. Maximal sechs Zeilen pro Tag. Versprochen!
Erster Tag:
Mit dem Auto nach Bad Kreuznach/Nahe. Über die Nahebrücke mit den historischen Brückenhäusern raus aus der Stadt. Von Mandel, über Sponheim rauf in den Soonwald mit seinen Waldautobahnen und eine Denkmal für einen bekannten Reiter mit einem seltsamen Titel. An der Nunkirche endlich wieder freie Sicht übern Hunsrück. Zwischen Dill/Hs. und Sohren dann im Nachbau eines Römerturms gepennt.
Zweiter Tag:
Im Nebel auf der extrem langen Gerade nach Westen bis nach Horbruch. Hier in Richtung Mosel nach Norden abgebogen. Ab dem alten Kilometerstein an der Hunsrückhöhenstraße, auf teils zugewachsenen Wegen, durch den Wald hinunter bis beinahe an die Mosel. Vor Enkirch kurz runter vom Sponheimer Weg und direkt nach Starkenburg hinauf. Dann wieder mit dem Sponheimer Weg, zusammen mit dem Moselhöhenweg, immer an der Hangkante entlang, nach Traben-Trarbach.
Und nun die Langversion (ist länger geworden):
Erster Tag: Bad Kreuznach – Römerturm zwischen Sohren und Dill 60 km
Kloster Sponheim
5 Grad, zum Glück über Null, zeigt das Thermometer morgens um halb fünf an, als ich ins Auto steige. „Ob ich den richtigen Schlafsack eingepackt habe?“, so mein erster Gedanke. Noch kann ich tauschen. Ein wärmerer Schlafsack bedeutet 1,5 Kilo Mehrgewicht. Also nein. Nackt schlafen fällt jedoch mit Sicherheit aus.
Es dauert bis ich in Bad Kreuznach endlich einen kostenlosen Parkplatz gefunden habe. Und dann ab durch die Kuranlagen an der Nahe, zur Altstadt. Die wenigen Menschen die um die Uhrzeit (7.30 Uhr) an diesem Sonntagmorgen unterwegs sind, sind alle schlecht gelaunt. Niemand grüßt zurück oder grinst sich einen. Ganz anders die „Innenstadtoutdoorer“. Winkend grüßen die von ihrer Parkbank an der Kirche zurück. „Brüder im Geiste, jedenfalls für heute“, denke ich. Im Gegensatz zu mir, kennen die drei ihren Schlafplatz für die kommende Nacht schon.
Wie immer bei solchen Wegen – die Strecke durch die Vororte von zieht sich ins Unendliche. Zum Trost scheint die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Kalt ist es aber immer noch und wird es den ganzen Tag bleiben. Klasse! Kurz vor Mandel geht es endlich in die Weinberge, eher Weinhügel. Die Weinlese ist schon seit Tagen in vollem Gange. Während einige Parzellen sauber abgeerntet sind, sehen andere aus als wäre ein Orkan hindurch gefegt. Später nährt sich von hinten laut dröhnend der Verursacher: Eine mehr als drei Meter hohe Weinlesemaschine. Ob’s der Qualität dienlich ist? Dem Gewinn sicher.
Sponheim kann mit einem handlichen Kloster glänzen. Von der Rückseite wirkt es wie ein großer, alter Gutshof mit Kirchturm inmitten der Weinreben und Obstbäume. Von vorne es die Anlage ganz Kirche. Machtvoll thront die Anlage über dem Dorf. Die Kirchenbaumeister und Äbte wussten schon damals wie man die Gläubigen zur Demutshaltung bewegt.
Beim Einzug in Burgsponheim setzt das Geläute der Kirchenglocken ein. Als ich den Ort am anderen Ende wieder verlasse, ist Schluss. Ein Relikt aus dem Mittelalter? Fremder im Ort! Schließt eure Türen und Fenster! Wohl eher Zufall. Ein flotter Wanderer braucht für die Ortsdurchquerung die Zeit eines Kirchengeläuts, welches zur Sonntagsmesse ruft. Reisen bildet.
Meine Messe verlagert sich auf die Trasse einer ehemaligen Kleinbahn. Makellos geteert, ist die Strecke ein Eldorado für Radfahrer, stolze Kinderwagenbesitzer und die unvermeidlichen Nordic Walker. Weit voraus sehe ich zwei Damen, die wie es aussieht ein ordentliches Tempo vorlegen. Die meisten Frauen sind bei allem Gequatsche so langsam, dass sie keine ernsthaften Gegnerinnen sind. Die beiden vor mir sind großartige Zugpferde. Also Tempo verschärfen. Ich hab’s nicht geschafft. Wenn überhaupt, die Entfernung wollt’ sich nur ganz langsam verringern.
Am Winterburger Friedhof ist die erste Pause angesagt. Knapp 22 Kilometer sind geschafft. Ab hier wird es steiler. Nicht so richtig steil. Aber immerhin geht es den Berg hinauf in den Soonwald, zum Forsthaus am Entenpfuhl. Am Entenpfuhl steht das Denkmal für den „Reiter aus Kurpfalz“. Den kenn’ ich bis jetzt nur als Figur aus einem Lied, dessen vollständigen Wortlaut ich schon lange vergessen habe. „Dem Andenken des Churfürstlichen Churpfälsichen Erbförsters - Forstinspectors des vorderen Soons ... , verkündet die Tafel. Erbförster! Was es nicht alles mal gab. Ein Denkmal der damaligen Spaß- und Freizeitgesellschaft. Die heutige Spaßgesellschaft hat sich nur wenige Meter entfernt, ebenfalls ein Denkmal geschaffen. Die in Pilzform geschnitzten Baumstämme am Teich, erinnern nicht nur mich an etwas anderes. Ein älteres Ehepaar muss auch lachen.
Am stattlichen, staatlichen Forsthaus geht’s endlich in den Soonwald. Schon bei der Planung war klar, dass die folgende Strecke bis zum nördlichen Waldrand öde wird. Ich bin mir sicher das im Soonwald die Waldautobahnen erfunden wurden. Wie mit dem Lineal gezogen ziehen sich die breiten Wege im Schachbrettmuster dahin. Die Fahrer der Holztransporter freuen sich bestimmt. Mit etwas Mut ist Tempo 80 auf den festen und sehr breiten Waldwegen ohne weiteres möglich. Das Vergnügen kostet noch nicht mal Mautgebühr. In der Nähe der Ruine Wildburg ist fürs Erste die Luft raus. Willkomme Pause in der neuen Schutzhütte. Die Motivation ist unter Null. Die längere Pause tut gut. Oder ist es der halbe Liter Cola? Also weiter. Raus aus diesem Wald mit seinen langweiligen Wegen.
Die Nunkirche bei Sargenroth
In Sargenroth, schon wieder in freier Hunsrücklandschaft, ist die Hälfte des Weges geschafft. Zudem lockt die Jugendherberge. Zuerst mal hinauf zur Nunkirche, der ältesten Kirche im Hunsrück. Umgeben von uralten Linden und Kastanienbäumen liegt die Kirche am Ortsrand von Sargenroth auf freiem Feld. Viele Kirchen versuchen den Besucher durch schiere Größe zu beeindrucken. Diese kleine Kirche wirkt groß allein durch ihre Lage. Nicht nur in längst vergangenen Zeiten mag sie den Reisenden Zuflucht und Wegweiser gewesen sein, auch ich fühle mich hinter der alten Mauer die das Areal umgrenzt, wohl. Zeit für eine Zwischenbilanz. Wie weit soll es noch gehen? Wo kann ich an einem Sonntag einkaufen? Oder doch zur nahen Jugendherberge? Oder hier auf der Bank bleiben und im Schatten der Kirche pennen? Das gibt mit Sicherheit Ärger. Bis Kirchberg will ich noch gehen – mindestens.
Die Pause hat gut getan. Die Cola macht das was ein halber Liter Cola bei mir immer macht: er bringt den Kreislauf auf Touren. Nichts wie runter nach Ravengiersburg mit seiner großen Kirche. Nicht ohne Grund trägt sie die halboffizielle Bezeichnung „Hunsrückdom“. Bis in unsere Zeit drückt diese ehemalige Klosterkirche dem kleinen Dorf am Simmerbach ihren Stempel auf.
Wenig später bin ich in Kirchberg. Bis auf die Tankstellen ist die Stadt (4.000 Einw.) verrammelt. Zwei Flaschen Wasser, eine Flasche Limo und diverse Tüten mit den Produkten der Firma Haribo, sowie ein paar Kleinigkeiten mit Schokolade zwingen mich beinahe in die Knie. Bis zum Schlafplatz sind es zum Glück nur noch 6 Kilometer. Den Weg bis zum Römerturm habe ich noch von der Wanderung auf dem Ausoniusweg im Juni gut in Erinnerung.
Um 19:00 Uhr fällt der Rucksack. Feierabend! Der römische Wachturm wurde nicht ganz stilgerecht aus Beton und Sandstein nachgebaut. Bestimmt uneinnehmbar! Die obere Plattform ist der ideale Schlafplatz. Holzboden, Frischluft von allen Seiten und eine schöne Sicht übern Hunsrück. Unten ziehen noch zwei Frauen im offenen Nordic-Walking-Stil (quatschen, rauchen, Stöcke hinter sich herziehen) vorbei.
Bei Anbruch der Dämmerung wird es ungemütlich feucht. Schnell eine Katzenwäsche, Isomatte aufblasen, Schlafsack raus und hinein ins Bett zum Abendessen. Ein fettes Wurstbrot und ein Apfel bilden die Vorspeise. Als Hauptgang eine Trilogie aus Mars, Snickers, Ritter Sport an Erdnüssen aus der Dose. Zum Nachtisch eine endlose Folge Gummibärchen, Lakritzschnecken .... Eine Flasche Fanta sorgt für eine stilgerechte Abrundung des abendlichen Menüs.
Der Puls braucht noch eine ganze Weile bis er wieder auf Normalfrequenz runter ist. Zwischenzeitlich schlafe ich ein. Die nasse Kälte die sich mittlerweile über den Hunsrück gelegt hat, weckt mich nach zwei Stunden wieder. Bin ich froh, dass ich das Inlett mitgenommen habe. Hauptsächlich hält es den kalten Wind ab der um meinen Kopf weht (der Schlafsack hat keine Kapuze). Bis das Handy um 6:00 Uhr klingelt schlafe ich durch.
Zweiter Tag: Römerturm – Traben-Trarbach 30 km
Der römische Wachturm. Schlafplatz für eine Nacht.
Nebel, nichts als dichter Nebel. Bei dem Wetter brauche ich eine Stunde bis ich aus dem Schlafsack raus bin. Der Morgen beginnt mit einer Katzenwäsche. Weil kein Kocher dabei ist, gibt es auch keine Kaffee. Das braune Limonadengetränk ist ein schlechter Ersatz. Als ich Aufbrechen will kommen zwei Gemeindearbeiter vorbei. Die kommen jeden Montag, so erzählen sie mir, um die Mülleimer zu entleeren und die nahe gelegene Ausoniushütte zu reinigen. Überrascht über den nächtlichen Besucher auf dem Turm sind die nicht sonderlich. Ich bin nicht der erste Gast hier oben.
Die 10 Kilometer lange Gerade die hier oben stur nach Westen führt, hat mir schon bei der Tour auf dem Ausoniusweg kein Glück gebracht. Damals hatte ich Dauerregen. Heute ist es der dichte Nebel der auf die Stimmung drückt. Hochstimmung kam bestimmt bei den Kartografen auf. Lineal anlegen und ein langen geraden Strich machen. Ein „AU“ für den Ausoniusweg und ein „S“ für den Sponheimer Weg daneben. Fertig! Obwohl es ohne Kurve stur nach Westen geht, ist diese Gerade alles andere als langweilig. Mal geht es durch den Wald, dann wieder über die Wiesen oder an den Feldern vorbei. Mal über einen breiten, befestigten Weg, dann wieder durch das vor Nässe triefende hohe Gras. In Horbruch hat das ein Ende. Auch der Nebel ist verschwunden. Die Sonne hat wieder das Sagen.
Der Kurs ändert sich nach Norden, zur Mosel. Am alten Kilometerstein an der Hunsrückhöhenstraße beginnt der lange Weg hinunter nach Enkirch. Auf diesen 13 Kilometern muss die Membran in meinen Leichtwanderschuhen alles geben ... und verliert. Die Wege sind meist schlammig, rutschig und zum großen Teil mit hüfthohen Gras, Brennnesseln und Unkraut überwuchert. Zu allem Überfluss ist das Grünzeug klitschnass bis zur Spitze. Hier bekomme ich nicht nur eine nasse Hose, auch nasse Füße. Wann hat ich das schon mal? Ist sehr lange her. Nach gut 600 Kilometer sind die Leichtwanderschuhe reif für die Kleidersammlung. Es sind halt nur Freizeitschuhe, wenn auch mit Goretex und von Meindl.
Die lange Etappe des gestrigen Tages fordert ihren Tribut. Beim Sockenwechsel entscheide ich mich für eine kleine Abkürzung. Damit fällt der lange, steile Anstieg von Enkirch nach Starkenburg aus. Das Schild „Starkenburg“ am Wegrand war zu verführerisch. Den Berg muss ich immer noch hinauf, aber viel gemütlicher und ich erspare mir 5 Kilometer. Oben angekommen habe ich eine klasse Fernsicht ins Moseltal und bemerke verwundert, dass hier Hochbetrieb ist. Auf den mehr als 80 Kilometern bis hierhin habe ich keinen Wanderer getroffen. Hier, auf einem der schönsten Abschnitte des Sponheimer- und des Moselhöhenwegs geben sich die Leute die Klinke in die Hand. Egal aus welcher Richtung sie kommen, fertig sind sie alle. Ob von Traben-Trarbach oder von Enkirch, es geht nun mal steil hoch. Das die Fortbewegung zu Fuß für die meisten nicht alltäglich ist, kann ich unschwer erkennen. Das Lesen von Wanderkarten noch weniger. Mehrmals muss ich den Weg nach x oder y erklären. Die schon etwas älteren Mitglieder einer kleinen Wandergruppe wollen nicht begreifen, dass die Starkenburg keine Burg, sondern nur ein Ort ist. Enttäuscht wollen einige sofort umkehren. Das Ende der Diskussion warte ich nicht mehr ab. Vor etlichen Jahren war ich schon einmal auf der Strecke unterwegs (Moselhöhenweg) – getroffen habe ich damals keinen Menschen. Mal sehen wie lange das „Abenteuer“ Wandern noch in Mode ist. Mein Endspurt führt mich zur Ruine der Grevenburg, und in Serpentinen hinab nach Traben-Trarbach. Am Bahnhof steht abfahrtbereit der Triebwagen nach Bullay.
Dank regionaler Bummelzüge kenne nun alle Haltestellen der Deutschen Bahn zwischen Traben-Trarbach – Koblenz – Bingerbrück und Bad Kreuznach. Nach über drei Stunden Bahnfahrt trödelt der Zug im Kreuznacher Bahnhof ein.
Im Soonwald
Fazit:
Schön war’s – wenn auch anstrengend. Besonders der zweite Tag. Da hat die lange Etappe des ersten Tages voll durchgeschlagen. Mein Rucksack, den ich schon abgeschrieben hatte, hat sich doch noch bewährt. Ich habe nur das Innengestell anders gebogen. Die Schuhe haben ihr Leben ausgehaucht. Mein Schlafsack war an der Leistungsgrenze. Nicht nur der, ich auch.
Noch mal? Von Zeit zu Zeit juckt es mich gewaltig in den Füßen. Dann muss es einfach eine Tour mit langen Etappen sein. Nur so zwei, drei Tage. Mehr wäre unnötige Quälerei. Vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang nur gehen, gehen, gehen. Das Richtige um seinen Gedanken, Träumen und Erinnerungen nachzuhängen. Es muss nicht oft sein, aber manchmal ist es notwendig.
Die Zahlen und der Formalkram für den Sponheimer Weg gibt es im Outdoorwiki.
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