Jeder sollte so ein Ding laut Lehrbuch dabei haben, aber kaum einer redet drüber und nicht einmal in der Fachpresse findet sich wirklich etwas über: Notfall- bzw. Einwegbiwaksäcke.
Möchte man der Lehrmeinung folgen, und schaut sich nun hoffnungsvoll in den Outdoorläden um, so stolpert man im Bereich Biwaksäcke über ein unüberschaubares buntes Durcheinander von Gegenständen. Unzählige Anbieter, sei es Mountain Equipment, Pieps, SOL, Bramble, Ortovox sowie gefühlt noch ein paar hundert chinesische Firmen bieten hier die unterschiedlichsten Lösungen und Ideen an. Alles bunt, jeder hat etwas eigenes - und nun?
Ich habe mich jetzt mal eine Weile durch das Produktdickicht gekämpft und versucht, das Angebot in gewisse Untergruppen einzusortieren und Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus zu finden. Dabei lag das Augenmerk vorrangig auf den Einweg-Biwaksäcken und nicht den wieder verwendbaren Teilen bzw. Minizelten. Diese wiegen mehr, sind teurer, nehmen mehr Platz in Anspruch und sind daher eher nicht als Notfallmaterial dauernd dabei.
Wirkungsweise:
Biwaksäcke besitzen keine Isolation, wie sie z.B. Schlafsäcke besitzen (Daunen- oder Kunstfaserfüllung). Die Wirkung beruht auf Schutz gegen Luftaustausch durch die Folie und somit Schutz gegen Wind, sowie Reflektion der IR-Strahlung des Körpers. Die silbrigfarbige Seite reflektiert hierbei bis zu 99%, die goldfarbige Seite 97% der Wärmestrahlung. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass beide Farben sich lediglich in der Anordnung Folie/Aludampf unterscheiden (siehe Materialien/Aufbau). Somit ist es eigentlich unerheblich, ob nun gold oder silbern nach aussen gewendet wird. Sitzt man also im Schnee, ist es sicherlich besser, die etwaig vorhandene goldige Seite nach aussen zu drehen, um besser erkannt zu werden - Kühlung hin, Wärmeerhalt her.
Einzig zu beachten ist ist: Damit ein Biwaksack die maximale Wirkung entfaltet, darf die Folie nicht direkt auf der Haut aufliegen, sondern es muss z.B. mit Hilfe von Kleidung ein Luftpolster dazwischen geschaffen werden (Vermeidung von Kältebrücken).
Verwendete Materialien, Aufbauweise:
Biwaksäcke bestehen aus einer oder mehreren Schichten Kunststofffolie, welche zur Erhöhung der Wärmeleistung mit Alu bedampft wird. Die Aluschicht dient dazu, IR-Strahlung (Wärmestrahlung des Körpers) zu reflektieren und so die Auskühlung zu verringern. Anhand der Farbe des Biwaksacks kann hierbei erkannt werden, wie dieser grundlegend aufgebaut ist.
Beidseitig silbrige Folien bestehen aus einer Kunststofffolie in der Mitte, welche auf beiden Seiten mit Alu bedampft wurde. Bei goldfarbigen Folien wird dagegen nur eine Seite bedampft. Diese erscheint silbrig, während die Kunstoffseite selber goldig erglänzt. Andere Farbkombinationen (rot, orange etc.) enstehen durch Verwendung von gefärbten Kunstsstoffen, die einseitig mit Alu bedampft werden.
Neben der Farbgenbung ist vor allem die verwendete Kunststoffsorte interessant, da diese unterschiedliche Stabilitäten aufweisen. Als Materialien kommen bei den Einwegmodellen entweder PET (bzw. Mylar als Handelsname einer Firma) oder PE zum Einsatz, wobei die höherpreisigen Varianten in der Regel PE und nicht PET aufweisen. Diese wiegen zudem etwas mehr, was jedoch maximal UL-Fetischisten interessieren könnte, die sich hier durch Wechsel von PE auf PET sagenhafte 20g Gewichtsersparnis aus dem Rucksack sägen können (und dabei sogar noch Geld sparen).
PET (Polyethylenterephthalat) ist ein zäher Kunststoff, welcher aufgrund seine Eigenschaften z.B. als Material für Einwegflaschen Verwendung findet. Biwaksäcke (und auch Tragetaschen oder Pralinenverpackungen) aus PET kann man sehr einfach daran erkennen, dass sie rascheln bzw. knistern, wenn man sie drückt/faltet/verformt. Auch die typischen Rettungsdecken bestehen aus PET. Die Folien fühlen sich in der Hand eher hart und etwas steif an.
PE (Polyethylen) ist weicher und verformbarer als PET, raschelt bzw. knistert nicht, und fühlt sich eher weich in der Hand an (wie sich z.B. Mülltüten halt so anfühlen).
Aufbau, Design, Form:
Das Notfallequipment kann man in drei Kategorien einteilen: (Rettungs)decken, einfache Biwaksäcke (aka Müllsäcke) sowie Biwaksäcke in Mumienform.
Rettungsdecken sind simple Kunststoffplanen, in die man sich oder andere einwickeln oder zudecken kann. Der Vorteil insb. bei Verletzten ist, dass diese dazu nicht oder nur kaum bewegt werden müssen. Der Hauptnachteil besteht zum Ausgleich darin, dass kein wirklich rundherum luftdicht abgeschlossenes System entsteht und so immer mal wieder Wärme durch Luftaustausch mit der Umgebung verloren geht. Für eine ungeplante Nacht sind Decken daher weniger geeignet.
Einfache Biwaksäcke sind nichts anderes als grosse Müllsäcke. Man steigt hinein und der Kopf bleibt entweder draussen oder man muss die Tüte sich etwas umständlich über den Kopf ziehen und soweit verschliessen, dass nur noch das Gesicht frei bleibt. So kann man sich zwar eine Nacht über gut beschäftigen und den Biwaksack festhalten, aber so richtig das Gelbe vom Ei ist dies dann doch auch nicht.
Mumienformbiwaksäcke sind wie reguläre Schlafsäcke aufgebaut. Der Kopf kommt somit in den Biwaksack mit rein und die Einstiegsöffnung wird per Kordel bis auf ein kleines Loch verengt. Der Nachteil dieser Säcke ist der konstruktionsbedingte Mehraufwand an Materialien und somit ein höheres Gewicht, Packmass und Preis.
Für alle drei Sorten gilt das gleiche: Die Biwaksäcke/Decken sind nicht atmungsaktiv. Man sitzt somit automatisch früher oder später im eigenen Saft und das Wasser läuft an der Innenseite der Hülle herunter. Bei entsprechender Kälte bildet sich dann sogar dichter Nebel im Inneren. Entsprechend negative Bewertungskommentare diesbezüglich z.B. auf Amazon kann man daher geflissentlich ignorieren. Die Teile sind nicht auf Komfort sondern auf Überleben getrimmt.
Die Produktpalette
Genug der Vorworte (die ich so auf noch keiner Bergsteigerseite gefunden habe), Vorhang hoch, Bühne frei für den Schaulauf der Anbieter. Ich habe (fast) keine Kosten und Mühen gescheut, und mal wieder quer eingekauft und zudem nachgesehen, was hier schon so herum liegt.
AOTU Emergency Sleeping Bag AT9039

Für 3.78 USD beim Ali des Ostens erhält man einen PET Biwaksack (Format Müllbeutel) in der Farbe silber im Format 2mx1m im ausgefalteten Zustand. Gewicht inkl. Verkaufsverpackung: 88g (ohne Verpackung 80g).
No Name All weather emergency bag

80g schwer in einem Mini Ziplockbeutel, beidseitig silbern und aus PET gefertigt, Typ Müllbeutel. Stammt ebenfalls vom A des Ostens zum Preis von 2.72 USD und besitzt die Grösse 79x39 inches (2m x 1m)
Semptec Emergency Sleeping Bag

Erhältlich beim hiesigen Spezialanbieter für sicherheitsrelevante Gegenstände Pearl. Silbrig, 106g schwer, Format 84x36 inches (2.13m x 91 cm), Material PE, Preis derzeitig 5.51 Euro (von 9.99 Euro reduziert laut Webpage). Ich habe meinen damals für 3.90 Euro beim gleichen Laden gekauft. Interessante Preisentwicklung.
Bonuspunkte für die Beschreibung auf der Rückseite. Wer noch eine Idee für eine Gender Reveal Party sucht, hier ist eine Idee:

(Bitte in Originalgrösse ansehen)
AOTU Emergency Sleeping Bag AT9040

Ebenfalls Ali, erworben für 5.62 USD. PE Müllsack, 213x91cm, orange/silber, 112g schwer.
Bramble Emergency Sleeping Bag

9 Euro bei Amazon, ein aus PE bestehender Müllsack, 213x91cm gross, Farbkombi orange/silbrig und 120g schwer.
Ortovox Bivy Ultralight
Nicht gekauft, gibt es für etwa 20 Euro im Bergsportgeschäft. Dafür erhält man zum PE Biwaksack (Typ Müllsack) im Format 213x91cm und den Farben orange/silbern noch einen hübschen Packsack und das Ganze gerollt und nicht gefaltet. Wiegt laut Hersteller 150g.
Rab - Ark Emergency Bivi
20 Euro im Bergsportladen, 105g schwer, Abmessungen 215x90 cm, PE Müllsack in den Farben orange/silber.
Mountain Equipment Ultralight Bivy
17 Euro teuer, 110g schwere PE Mülltüte in orange/silber, Format 213x91cm, gerollt und im Nylonsäckchen.
Zusammenfassung der Produkte
Spätestens nach dieser Auflistung fällt auf, dass die Wunderwelt der Notbiwaksäcke gar nicht so gross ist, wie sie einem nach einem Blick auf die Zahl der Anbieter so vorkommen könnte.
Lässt man mal das Marketing für die Packsäcke aussen vor, so findet man neben ganz wenigen Sonderformen (Aotu PET 1m x 2m) immer das gleiche Folienformat (213 cm x 91 cm), entweder in silbriger PET-Folie oder orange/silbriger PE-Folie.
Man kann nun solch eine Tüte für 4-5 Euro nun bei Aliexpress ordern, legt 9 Euro bei Amazon hin oder man zahlt 20 Euro im Bergsportladen und bekommt dann neben dem PE-Sack eine hübsche Nylontasche (die übrigens auch kaputt geht) als Bonus oben drauf.
Tests
Stabilität:
Man sollte sich hier nichts vormachen. Egal ob PE oder PET, die Folien sind allesamt nicht sehr besonders stabil und weit weg von den Materialien, die Hilleberg in den Zelten verwendet. Allerdings unterscheiden sich beide Folientypen dann doch deutlich im Verhalten.
PET-Folien sind extrem reissfest und zäh. Eine unbeschädigte PET-Folie kann man mit bloser Hand kaum bzw. nur mit sehr viel Mühe zerreissen. PE-Biwaksäcke dagegen dehnen sich schon bei recht geringer Zugbelastung und können ohne grossen Aufwand zerrissen werden.
Die Situation dagegen verkehrt sich, sobald die Folie beschädigt ist (z.B. durch felsigen Untergrund). Während PE hier unverändert mehr oder weniger stabil bleibt, breitet sich ein Riss in einer PET-Folie quasi widerstandslos aus.

PET-Folie nach einem Test. Ich war zwar in der Lage, die Aluschicht abzureiben (deswegen ist die Folie auch an einigen Stellen durchsichtig), aber im unbeschädigten Zustand konnte ich diese nicht einfach so zerreissen.

Sobald die Folie jedoch irgendwo einen kleinen Schnitt oder ein Loch aufwies, riss diese ungebremst bei der kleinsten Belastung durch, was man anhand der scharfen und geraden Kanten auch hier im Bild erahnen kann.

PE kann generell mit etwas Aufwand zerrissen werden. Allerdings (man beachte die ausgefransten Ränder im Riss) reisst das Material bei einer Beschädigung nicht einfach widerstandslos durch.
Fazit daher:
Wer abends mit Steigeisen an den Füssen in einen PET-Biwaksack einsteigt, oder das Ding auf felsigem Untergrund nutzt, hat schnell nur noch Fetzen in der Hand, vor allem wenn auch noch etwas Wind an der Konstruktion zerrt oder man sich bewegt. PE-Säcke sind hier zwar ebenfalls nicht pflegeleicht, aber Risse und Löcher führen nicht sofort zum Totalverlust der Schutzhülle. Somit spricht dies ziemlich deutlich für die Nutzung von PE-Einwegbiwaksäcken.
Länge und Format:
Ich habe mich probeweise mal in den Aotu PE-Sack gehüllt. Ohne Bergstiefel oder sonstigem Gedöns und mit 1.81m Grösse reicht die Länge von 213cm laut Datenblatt gerade so aus, dass ich auf einem Stuhl und im Biwaksack sitzend mir den oberen Rand bis zur Stirn herunter ziehen kann. Also aufgepasst, wer grösser ist, darf sich gut drin falten oder muss den Kopf ungeschützt draussen lassen.
Komfort:
Schnell geklärt, es wird in beiden feucht. Allerdings war es einfacher, den PE-Sack zu entfalten als die beiden PET-Tüten, die ich ausgepackt habe. PET-Folie scheint da stärker und schneller zu verkleben. In einen PE-Sack kommt man somit etwas bequemer rein als in einen aus PET.
Und demnächst hier im gleichen Thread: Mumienbiwaksäcke sowie wenn mir sie einfallen: weitere Tests/Vergleiche
Möchte man der Lehrmeinung folgen, und schaut sich nun hoffnungsvoll in den Outdoorläden um, so stolpert man im Bereich Biwaksäcke über ein unüberschaubares buntes Durcheinander von Gegenständen. Unzählige Anbieter, sei es Mountain Equipment, Pieps, SOL, Bramble, Ortovox sowie gefühlt noch ein paar hundert chinesische Firmen bieten hier die unterschiedlichsten Lösungen und Ideen an. Alles bunt, jeder hat etwas eigenes - und nun?
Ich habe mich jetzt mal eine Weile durch das Produktdickicht gekämpft und versucht, das Angebot in gewisse Untergruppen einzusortieren und Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus zu finden. Dabei lag das Augenmerk vorrangig auf den Einweg-Biwaksäcken und nicht den wieder verwendbaren Teilen bzw. Minizelten. Diese wiegen mehr, sind teurer, nehmen mehr Platz in Anspruch und sind daher eher nicht als Notfallmaterial dauernd dabei.
Wirkungsweise:
Biwaksäcke besitzen keine Isolation, wie sie z.B. Schlafsäcke besitzen (Daunen- oder Kunstfaserfüllung). Die Wirkung beruht auf Schutz gegen Luftaustausch durch die Folie und somit Schutz gegen Wind, sowie Reflektion der IR-Strahlung des Körpers. Die silbrigfarbige Seite reflektiert hierbei bis zu 99%, die goldfarbige Seite 97% der Wärmestrahlung. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass beide Farben sich lediglich in der Anordnung Folie/Aludampf unterscheiden (siehe Materialien/Aufbau). Somit ist es eigentlich unerheblich, ob nun gold oder silbern nach aussen gewendet wird. Sitzt man also im Schnee, ist es sicherlich besser, die etwaig vorhandene goldige Seite nach aussen zu drehen, um besser erkannt zu werden - Kühlung hin, Wärmeerhalt her.
Einzig zu beachten ist ist: Damit ein Biwaksack die maximale Wirkung entfaltet, darf die Folie nicht direkt auf der Haut aufliegen, sondern es muss z.B. mit Hilfe von Kleidung ein Luftpolster dazwischen geschaffen werden (Vermeidung von Kältebrücken).
Verwendete Materialien, Aufbauweise:
Biwaksäcke bestehen aus einer oder mehreren Schichten Kunststofffolie, welche zur Erhöhung der Wärmeleistung mit Alu bedampft wird. Die Aluschicht dient dazu, IR-Strahlung (Wärmestrahlung des Körpers) zu reflektieren und so die Auskühlung zu verringern. Anhand der Farbe des Biwaksacks kann hierbei erkannt werden, wie dieser grundlegend aufgebaut ist.
Beidseitig silbrige Folien bestehen aus einer Kunststofffolie in der Mitte, welche auf beiden Seiten mit Alu bedampft wurde. Bei goldfarbigen Folien wird dagegen nur eine Seite bedampft. Diese erscheint silbrig, während die Kunstoffseite selber goldig erglänzt. Andere Farbkombinationen (rot, orange etc.) enstehen durch Verwendung von gefärbten Kunstsstoffen, die einseitig mit Alu bedampft werden.
Neben der Farbgenbung ist vor allem die verwendete Kunststoffsorte interessant, da diese unterschiedliche Stabilitäten aufweisen. Als Materialien kommen bei den Einwegmodellen entweder PET (bzw. Mylar als Handelsname einer Firma) oder PE zum Einsatz, wobei die höherpreisigen Varianten in der Regel PE und nicht PET aufweisen. Diese wiegen zudem etwas mehr, was jedoch maximal UL-Fetischisten interessieren könnte, die sich hier durch Wechsel von PE auf PET sagenhafte 20g Gewichtsersparnis aus dem Rucksack sägen können (und dabei sogar noch Geld sparen).
PET (Polyethylenterephthalat) ist ein zäher Kunststoff, welcher aufgrund seine Eigenschaften z.B. als Material für Einwegflaschen Verwendung findet. Biwaksäcke (und auch Tragetaschen oder Pralinenverpackungen) aus PET kann man sehr einfach daran erkennen, dass sie rascheln bzw. knistern, wenn man sie drückt/faltet/verformt. Auch die typischen Rettungsdecken bestehen aus PET. Die Folien fühlen sich in der Hand eher hart und etwas steif an.
PE (Polyethylen) ist weicher und verformbarer als PET, raschelt bzw. knistert nicht, und fühlt sich eher weich in der Hand an (wie sich z.B. Mülltüten halt so anfühlen).
Aufbau, Design, Form:
Das Notfallequipment kann man in drei Kategorien einteilen: (Rettungs)decken, einfache Biwaksäcke (aka Müllsäcke) sowie Biwaksäcke in Mumienform.
Rettungsdecken sind simple Kunststoffplanen, in die man sich oder andere einwickeln oder zudecken kann. Der Vorteil insb. bei Verletzten ist, dass diese dazu nicht oder nur kaum bewegt werden müssen. Der Hauptnachteil besteht zum Ausgleich darin, dass kein wirklich rundherum luftdicht abgeschlossenes System entsteht und so immer mal wieder Wärme durch Luftaustausch mit der Umgebung verloren geht. Für eine ungeplante Nacht sind Decken daher weniger geeignet.
Einfache Biwaksäcke sind nichts anderes als grosse Müllsäcke. Man steigt hinein und der Kopf bleibt entweder draussen oder man muss die Tüte sich etwas umständlich über den Kopf ziehen und soweit verschliessen, dass nur noch das Gesicht frei bleibt. So kann man sich zwar eine Nacht über gut beschäftigen und den Biwaksack festhalten, aber so richtig das Gelbe vom Ei ist dies dann doch auch nicht.
Mumienformbiwaksäcke sind wie reguläre Schlafsäcke aufgebaut. Der Kopf kommt somit in den Biwaksack mit rein und die Einstiegsöffnung wird per Kordel bis auf ein kleines Loch verengt. Der Nachteil dieser Säcke ist der konstruktionsbedingte Mehraufwand an Materialien und somit ein höheres Gewicht, Packmass und Preis.
Für alle drei Sorten gilt das gleiche: Die Biwaksäcke/Decken sind nicht atmungsaktiv. Man sitzt somit automatisch früher oder später im eigenen Saft und das Wasser läuft an der Innenseite der Hülle herunter. Bei entsprechender Kälte bildet sich dann sogar dichter Nebel im Inneren. Entsprechend negative Bewertungskommentare diesbezüglich z.B. auf Amazon kann man daher geflissentlich ignorieren. Die Teile sind nicht auf Komfort sondern auf Überleben getrimmt.
Die Produktpalette
Genug der Vorworte (die ich so auf noch keiner Bergsteigerseite gefunden habe), Vorhang hoch, Bühne frei für den Schaulauf der Anbieter. Ich habe (fast) keine Kosten und Mühen gescheut, und mal wieder quer eingekauft und zudem nachgesehen, was hier schon so herum liegt.
AOTU Emergency Sleeping Bag AT9039

Für 3.78 USD beim Ali des Ostens erhält man einen PET Biwaksack (Format Müllbeutel) in der Farbe silber im Format 2mx1m im ausgefalteten Zustand. Gewicht inkl. Verkaufsverpackung: 88g (ohne Verpackung 80g).
No Name All weather emergency bag

80g schwer in einem Mini Ziplockbeutel, beidseitig silbern und aus PET gefertigt, Typ Müllbeutel. Stammt ebenfalls vom A des Ostens zum Preis von 2.72 USD und besitzt die Grösse 79x39 inches (2m x 1m)
Semptec Emergency Sleeping Bag

Erhältlich beim hiesigen Spezialanbieter für sicherheitsrelevante Gegenstände Pearl. Silbrig, 106g schwer, Format 84x36 inches (2.13m x 91 cm), Material PE, Preis derzeitig 5.51 Euro (von 9.99 Euro reduziert laut Webpage). Ich habe meinen damals für 3.90 Euro beim gleichen Laden gekauft. Interessante Preisentwicklung.
Bonuspunkte für die Beschreibung auf der Rückseite. Wer noch eine Idee für eine Gender Reveal Party sucht, hier ist eine Idee:

(Bitte in Originalgrösse ansehen)
AOTU Emergency Sleeping Bag AT9040

Ebenfalls Ali, erworben für 5.62 USD. PE Müllsack, 213x91cm, orange/silber, 112g schwer.
Bramble Emergency Sleeping Bag

9 Euro bei Amazon, ein aus PE bestehender Müllsack, 213x91cm gross, Farbkombi orange/silbrig und 120g schwer.
Ortovox Bivy Ultralight
Nicht gekauft, gibt es für etwa 20 Euro im Bergsportgeschäft. Dafür erhält man zum PE Biwaksack (Typ Müllsack) im Format 213x91cm und den Farben orange/silbern noch einen hübschen Packsack und das Ganze gerollt und nicht gefaltet. Wiegt laut Hersteller 150g.
Rab - Ark Emergency Bivi
20 Euro im Bergsportladen, 105g schwer, Abmessungen 215x90 cm, PE Müllsack in den Farben orange/silber.
Mountain Equipment Ultralight Bivy
17 Euro teuer, 110g schwere PE Mülltüte in orange/silber, Format 213x91cm, gerollt und im Nylonsäckchen.
Zusammenfassung der Produkte
Spätestens nach dieser Auflistung fällt auf, dass die Wunderwelt der Notbiwaksäcke gar nicht so gross ist, wie sie einem nach einem Blick auf die Zahl der Anbieter so vorkommen könnte.
Lässt man mal das Marketing für die Packsäcke aussen vor, so findet man neben ganz wenigen Sonderformen (Aotu PET 1m x 2m) immer das gleiche Folienformat (213 cm x 91 cm), entweder in silbriger PET-Folie oder orange/silbriger PE-Folie.
Man kann nun solch eine Tüte für 4-5 Euro nun bei Aliexpress ordern, legt 9 Euro bei Amazon hin oder man zahlt 20 Euro im Bergsportladen und bekommt dann neben dem PE-Sack eine hübsche Nylontasche (die übrigens auch kaputt geht) als Bonus oben drauf.
Tests
Stabilität:
Man sollte sich hier nichts vormachen. Egal ob PE oder PET, die Folien sind allesamt nicht sehr besonders stabil und weit weg von den Materialien, die Hilleberg in den Zelten verwendet. Allerdings unterscheiden sich beide Folientypen dann doch deutlich im Verhalten.
PET-Folien sind extrem reissfest und zäh. Eine unbeschädigte PET-Folie kann man mit bloser Hand kaum bzw. nur mit sehr viel Mühe zerreissen. PE-Biwaksäcke dagegen dehnen sich schon bei recht geringer Zugbelastung und können ohne grossen Aufwand zerrissen werden.
Die Situation dagegen verkehrt sich, sobald die Folie beschädigt ist (z.B. durch felsigen Untergrund). Während PE hier unverändert mehr oder weniger stabil bleibt, breitet sich ein Riss in einer PET-Folie quasi widerstandslos aus.

PET-Folie nach einem Test. Ich war zwar in der Lage, die Aluschicht abzureiben (deswegen ist die Folie auch an einigen Stellen durchsichtig), aber im unbeschädigten Zustand konnte ich diese nicht einfach so zerreissen.

Sobald die Folie jedoch irgendwo einen kleinen Schnitt oder ein Loch aufwies, riss diese ungebremst bei der kleinsten Belastung durch, was man anhand der scharfen und geraden Kanten auch hier im Bild erahnen kann.

PE kann generell mit etwas Aufwand zerrissen werden. Allerdings (man beachte die ausgefransten Ränder im Riss) reisst das Material bei einer Beschädigung nicht einfach widerstandslos durch.
Fazit daher:
Wer abends mit Steigeisen an den Füssen in einen PET-Biwaksack einsteigt, oder das Ding auf felsigem Untergrund nutzt, hat schnell nur noch Fetzen in der Hand, vor allem wenn auch noch etwas Wind an der Konstruktion zerrt oder man sich bewegt. PE-Säcke sind hier zwar ebenfalls nicht pflegeleicht, aber Risse und Löcher führen nicht sofort zum Totalverlust der Schutzhülle. Somit spricht dies ziemlich deutlich für die Nutzung von PE-Einwegbiwaksäcken.
Länge und Format:
Ich habe mich probeweise mal in den Aotu PE-Sack gehüllt. Ohne Bergstiefel oder sonstigem Gedöns und mit 1.81m Grösse reicht die Länge von 213cm laut Datenblatt gerade so aus, dass ich auf einem Stuhl und im Biwaksack sitzend mir den oberen Rand bis zur Stirn herunter ziehen kann. Also aufgepasst, wer grösser ist, darf sich gut drin falten oder muss den Kopf ungeschützt draussen lassen.
Komfort:
Schnell geklärt, es wird in beiden feucht. Allerdings war es einfacher, den PE-Sack zu entfalten als die beiden PET-Tüten, die ich ausgepackt habe. PET-Folie scheint da stärker und schneller zu verkleben. In einen PE-Sack kommt man somit etwas bequemer rein als in einen aus PET.
Und demnächst hier im gleichen Thread: Mumienbiwaksäcke sowie wenn mir sie einfallen: weitere Tests/Vergleiche
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