Wenn dies dein erster Besuch hier ist, lies bitte zuerst die Nutzungsbedingungen
durch. Du musst dich registrieren,
bevor du Beiträge verfassen kannst. Klicke dazu oben auf 'Registrieren', um den Registrierungsprozess zu
starten. Du kannst auch jetzt schon Beiträge lesen.
Ist vielleicht irgendwo die Möglichkeit, sich mal temporär weniger wie eine Arbeitsmaschine sondern mehr wie ein Mensch zu fühlen. Auch wenn ersteres durchaus interessant ist (sein kann) und abends als Sofakartoffel angenehm - unterwegs in der Natur empfinde ich deutlich mehr als menschlichen, natürlichen Zustand.
Wobei man das ganze auch so betreiben kann, daß man dann eben zur kilometerfressenden Wandermaschine wird. Vielleicht geht´s ja auch eigentlich darum im Thread-Titel ?
Wenn man allein sein will ist es gut, wenn man jemand hat,
mit dem man allein sein kann, sonst ist man einsam.
Outdoor lernen wir uns besser kennen, kommen
besser miteinander klar...
Weshalb schleppt man über Tage, vielleicht auch Wochen einen Rucksack durchs Land, läuft stundenlang im Regen, kriecht morgens mit schmerzenden Knochen aus einem nassen Zelt, "gönnt" sich Tütenfraß, Kaffee aus einem Alutütchen?
Den "Standard-Urlaub" hatte ich über Jahrzehnte. Outdoor ist für mich Unabhängigkeit, denn ich kann jederzeit entscheiden was ich machen möchte. Dazu weg vom Alltag, weg von dem Üblichen, einfach was anderes als Luxus mit Bett, Dusche, Kaffeemaschine etc.
Dazu noch Ruhe und Abgeschiedenheit vom Berufsleben und der Stadt.
Wenn ich dann wieder Zuhause, weiß ich, welchen Luxus ich im normalen Leben habe und wie gut es mir geht.
Der Sinn des Reisens ist, an ein Ziel zu kommen, der Sinn des Wanderns, unterwegs zu sein.
Ach ja,
die Steigerung des "Outdoor-Scheiß" besteht darin, sich in Ecken herumzudrücken, wo man wirklich alleine ist. Meine Lieblingsecke: Val Frisal, Val Gliems und Val Russein. Da sitzt man zumindest einige Stunden entfernt von der Zivilisation, ohne Wege, Wanderer und Haandyempfang. Was für tolle Ecken, ich kann nur empfehlen, dort mal durchzuwandern.
After much research, consideration, and experimentation, I have decided that adulthood is nothing for me. Thank you for the opportunity.
Wenn ich dann wieder Zuhause, weiß ich, welchen Luxus ich im normalen Leben habe
In dem Zusammenhang fällt mir immer eine der Endszenen ein, in denden Tom Hanks völlig fasziniert ein Feuerzeug bedient. Feuer auf Knopfdruck...
So ging es mir auch schon nach einigen längeren Ausflügen beim Anblick eines Wasserhanhs: Wasser, und auch noch heißes dazu, was aus der Wand kommt und nicht aus Schnee gewonnen werden muß.
After much research, consideration, and experimentation, I have decided that adulthood is nothing for me. Thank you for the opportunity.
6:00: Das Weckerradio versorgt mich mit den neuesten fantastischen Meldungen. Ich erhebe mich aus dem temperierten Wasserbett in die klimatisierte Wohnung und schalte das elektrische Kunstlicht ein.
6:10: Ich öffne den Kühlschrank und hole abgepackte "Lebensmittel" heraus für das Frühstück und decke den Tisch.
6:20: Ich stehe unter der warmen Dusche
7:00: Ich steige ins klimatisierte Auto und lasse mich durch Druck aufs Gaspedal in den Stau schieben.
7:30: Ich steige vom klimatisierten Auto in die klimatisierte S-Bahn um.
7:50: Über die Rolltreppe und 5 min (!) Gehzeit (zu Fuß!) gelange ich ins Bürogebäude und mit dem Aufzug ins klimatisierte Büro.
7:55: Nun sitze ich acht Stunden in einem gepolsterten Stuhl vor Monitoren und mache mir die Probleme anderer Leute zu eigen.
16:30: Umgekehrter Weg mit "Verkehrsmitteln" zurück in die Tiefgarage, währenddessen noch Besorgung von abgepackten "Lebensmitteln" im klimatisierten Supermarkt.
18:30: Der Thermomax wird angeworfen und bereitet das Abendessen.
19:30: Das Fernsehprogramm zeigt mir nun das wahre, fantastische Leben. Wichtige Fragen tauchen auf. Sollte ich die Finanzierung der Eigentumswohnung nicht doch einmal umstellen und das Aktienportfolio ändern?
22:30: Zufrieden über einen gelungenen Tag schalte ich das Fernsehgerät ab und lege mich aufs temperierte Wasserbett.
Und damit stellt sich mir die Frage: Welcher Outdoor-Scheiß?
Ich denke es gibt viele Gründe. Der eine Sucht die Einsamkeit; einmal nicht erreichbar zu sein ist unbezahlbar. Man kann sich nur auf sich und die Landschaft konzentrieren oder auch einfach nur wie in Meditation vor sich hinlaufen. Einmal keine anderen Menschen um sich zu haben, keine Werbung, keine Handys, keine Geschäfte, keine Autos, keinen Lärm, das ist unbezahlbar.
Wohl ist es die Einfachheit, die viele (und besonders mich) immer wieder hinaustreibt. Da draußen ist das Leben simpel: Aufwachen, essen, wandern oder paddeln, schlafen und genießen. Mehr ist nicht wichtig. Diese Ursprünglichkeit hat seinen Reiz. Man konzentriert sich auf die wichtigen Dinge im Leben - und das ist eben nicht das neueste Handy oder die größte WOhnung. In der Wildnis erhält alles seinen wahren Wert zurück: Der Schokoriegel ist auf einmal von unschätzbarem Wert, wenn man abseits der Zivilisation unterwegs ist und keine Möglichkeit hat, Nachschub zu kaufen. Doch ist man wieder in der Stadt, dann geht man eben einfach in den nächsten Supermarkt und kann alles kaufen, was man möchte. Die Gesundheit steht an erster Stelle und die Freiheit. Man hat keine Zwänge, man kann selbst bestimmen, wohin oder wie weit man geht. Niemand stellt Erwartungen an einen (au0er man selbst), das Leben ist einfach.
Dann mag noch die Herausforderung ein Grund sein. An seine Grenzen zu gehen, auf dem Gipfel zu stehen und zu jubeln, unter einem die Berglandschaft. Etwas geschafft zu haben, das ist viel Wert.
Unterwegs kann man noch interessante Menschen und Kulturen kennenlernen, von denen man sehr viel lernen kann. Ob es nun andere Skifahrer oder Paddler sind, ein kurzes, nettes Gespräch oder auch eine gemeinsame Strecke ist viel Wert nach der Einsamkeit. Menschliche Kontakte erhalten wieder ihren wahren Wert. Und dabei handelt es sich um wirkliche menschliche Kontakte - nicht per SMS, WhatsApp oder Chat.
Ich muss sagen, ich habe draußen noch nie gedacht, "warum tue ich mir das an". Ich habe mich immer auf den nächsten Tag gefreut und war gespannt auf das, was geschehen wird. Selbst wenn ich hinterm Busch hing, weil ich etwas nicht vertragen habe. Ein klein wenig Abenteuer, ungeplante Sachen können passieren. Und das ist wichtig in einer so geregelten und durchgetakteten Welt.
Klingt alles einleuchtend, Fliegender Reiter, aber einiges davon ist so oft behauptet worden, dass man nochmal drüber nachdenken muss.
Einfachheit und Reduktion aufs Wesentliche zum Beispiel. Ich finde Essen und Schlafen zuhause einfacher als unterwegs. Das Brimborium, das hier im Forum um Kochersysteme gemacht wird, weist auch nicht gerade auf Einfachheit hin, sondern eher darauf, dass die Herstellung einer Mahlzeit auf dem gewünschten Niveau eine enorme Schwierigkeit darstellt. Wenn das die Reduktion aufs Wesentliche ist, was ist dann das Wesentliche?
»Man hat keine Zwänge, man kann selbst bestimmen, wohin und wie weit man geht.« Das stimmt, aber die Planungspraxis mit ihrer Fixierung auf ›waymarked trails‹, Etappenplanung und GPS-Selbststeuerung weist auch hier empirisch in eine andere Richtung. Viel ungeplantes Abenteuer sehe ich da nicht, eher ›geplantes Abenteuer‹ und ›konfektionierte Herausforderung‹. In Deutschland zum Beispiel ist das öffentliche Wegenetz quasi unerschöpflich, aber ein Wanderer im Schwarzwald wird immer erst mal ›den Westweg angehen‹, weil andere das auch so machen und der Weg deshalb auf einer ›To-do-Liste‹ steht. Oder ist es dies, was mit ›Einfachheit und Reduktion aufs Wesentliche‹ gemeint ist?
Ich hab mich selber manchmal im Verdacht, dass ich nur noch raußgehe, um:
A Kocher zu testen.
B Tarps und Zelte zu testen.
C Fotos fürs Forum zu machen.
Immerhin bin ich noch nicht auf markierte Wege, exotische Ziele oder GPS-Navigation fixiert. Da brauche ich mal keine messbaren Leistungen zu erbringen.
"Einfachheit und Reduktion aufs Wesentliche"
Wenn ich mir mitten im Blockfeld Gedanken über die Steuererklärung, das Geburtstagsgeschenk für meine Mutter und die Begründung für die nächste Lohnerhöhung mache, falle ich auf die Nase.
Also reduziere ich einfach auf das Wesentliche: Wie fotografiere ich das Blockfeld so, dass es hinterher im Internet möglichst dramatisch aussieht? Und wenn ich dabei auf die Nase falle, ergibt das wenigstens einen ausschlachtbaren 'actionpoint' im Reisebericht.
Nur die Kamera sollte dabei möglichst nicht zu Bruch gehen, außer ich kann auch halbwegs brauchbare Bilder mit dem Handy machen. Sonst taugt der Reisebericht nichts und die ganze Tour war umsonst.
Caelum crebris imbribus ac nebulis foedum - Das Klima ist durch die häufigen Regenfälle und Nebel widerlich
Tacitus (über das Wetter in Britannien)
Das Wesentliche muss man ja nicht so kompliziert sehen
Laufen oder radeln, essen, schlafen (Bewegung, Nahrung, Ruhe, Schutz und Wärme). Dazu ein paar Bilder und Wörter für’s Tourtagebuch, für später als Erinnerungs-Anhaltspunkte, weil sich das Erinnerte mit der Zeit verändert – schon nach erstaunlich kurzer Zeit.
Kommentar