Ausrüstung 1900?

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  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
    • 4754
    • Privat

    • Meine Reisen

    #21
    AW: Ausrüstung 1900?

    Meine Oma war bei den Wandervögeln aktiv. So um die Zeit rum und natürlich auch später noch.

    Wichtig war das Mitführen einer Laute mit bunten Bändern dran für die passenden Gesänge. Die Laute hängt jetzt bei mir an der Wand. Das Zelt gibt es noch. Leinen mit Schnur und Holzschiebern, Bambusgestänge. Ein Faltboot dazu. In auch etwas archaischer und nicht mehr wassertauglicher Ausführung, ansonsten den heutigen recht ähnlich.

    Ich kann sie aber nicht mehr fragen. Sie ist seit über 30 Jahren tot.

    Daneben gab es noch den Quickborn:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Quickborn-Arbeitskreis

    "Wandern als Bildungsquelle"

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    • Torres
      Freak

      Liebt das Forum
      • 16.08.2008
      • 30789
      • Privat

      • Meine Reisen

      #22
      AW: Ausrüstung 1900?

      Wer das hier gerade liest, sollte mal eben BR im Fernsehen einschalten: Da geht es um Filme von Himalaya-Expeditionen Anfang der 30er Jahre. Ist zwar nicht 1900, aber dennoch interessant, was die dort anhatten. Zweiter Teil am 30.7. 22.45 Uhr
      Oha.
      (Norddeutsche Panikattacke)

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      • Philipp
        Alter Hase
        • 12.04.2002
        • 2753
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        AW: Ausrüstung 1900?

        Zitat von Torres Beitrag anzeigen
        Da geht es um Filme von Himalaya-Expeditionen Anfang der 30er Jahre. Ist zwar nicht 1900, aber dennoch interessant, was die dort anhatten.
        In Expeditionsberichten alter Zeit ist sehr gut nachzulesen, was die so dabeihatten (denn die alten Recken waren nicht minder ausrüstungsgeil als wir! ).
        Aber sie waren härter: bei Knud Rasmussen liest man, nachdem die Expedition schon Monate unterwegs ist und nahe am Kälte- und vor allem Hungertod ist, ganz lapidar und nebenbei "for vi havde jo ikke soveposer." . Aus Gründen der Einfachheit und Gepäckreduktion blieben die zu Hause und man schlief über Monate in den Kleidungsstücken, die man am Körper trug.

        Ansonsten war hier dabei: Baumwollzelt, Petroleumkocher ("Primus") und oftmals reichlich wissenschaftliches Gerödel.
        "Oft vereint sind im Gemüte Dämlichkeit und Herzensgüte." - W. Busch

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        • DTL
          Erfahren
          • 11.04.2011
          • 156
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          AW: Ausrüstung 1900?

          Zitat von Philipp Beitrag anzeigen
          In Expeditionsberichten alter Zeit ist sehr gut nachzulesen, was die so dabeihatten (denn die alten Recken waren nicht minder ausrüstungsgeil als wir! ).
          An der Stelle könnte ich z.B. "635 Tage im Eis" als Lektüre empfehlen. Das aktuellste Buch, dass die Geschehnisse der Endurance-Expedition Ernest Shackletons zusammenfasst. Dort wird immer wieder über Ausrüstung und insb. Kleidung geschrieben.

          Aus dem Kopf heraus fallen mir da ein:
          - Rentierschlafsäcke
          - sog. Burberry-Helme und Parkas
          - Primus-Kocher
          - Baumwollzelte in Giebel-, Tunnel- und (damals neuartiger) Kuppelform

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          • Lilo12
            Anfänger im Forum
            • 23.07.2012
            • 11
            • Privat

            • Meine Reisen

            #25
            AW: Ausrüstung 1900?

            Hallo PWD,

            Ganz interessant, aber wer will schon mit Lendenschurz rum rennen?

            Der sieht aber ganz Normal aus. Myron Avery, Appalachian Trail, ca. 1930

            Gruß Lilo12

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            • Immo
              Anfänger im Forum
              • 17.07.2012
              • 12
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              AW: Ausrüstung 1900?

              Ich habe aus ähnlichem Interesse einmal ein Bündel geschnürt, das aus einem "Affen", zwei Zeltplanen und zwei Wolldecken, zwei Stäben für die Planen, einem Bundeswehrfressnapf, und einer Wasserflasche, einem Klappspaten (alles aus altem Armeebestand) plus ein bisschen Kleidung und Extras (Besteck, Verpflegung) bestand. Ich habe mir von verschiedenen Leuten erklären lassen, wie man den Rucksack üblicherweise packte und das dann versucht umzusetzen. Der ganze Spaß war für ein Live-Rollenspiel, bei dem ich einen Waldläufer spielte und ich wollte eben zu Fuß anreisen, um überzeugend zu sein (nicht wie alle anderen mit Autos voller Zeug). Ich bin einen halben Tag damit gewandert, und habe vor Ort mein eigenes Lager eingerichtet. Mangels Isomatte benutzte ich Stroh und zum Schlafen hatte ich ja die Decken. Das hat gut geklappt, war aber tonnenschwer und extrem unbequem. Das ganze Gewicht lag auf den Schultern. Außerdem wurde ich beim Schlafen von Wanzen zerstochen, die im Stroh unterwegs waren. Längerfristig wäre das eine Strapaze gewesen. Man müsste schon ein harter Knochen sein.
              Mein Großvater, der im zweiten Weltkrieg kämpfte und viel im Feld unterwegs war, meinte einmal, er könne das nicht verstehen, dass ich so scharf drauf wäre im Freien zu schlafen. Er war damals froh, wenn er ein anständiges Bett hatte. In seinen Erzählungen erwähnte er auch öfters, dass es scheißunbequem war. Man hat ständig gefroren, war Wind und Wetter ausgesetzt, hatte immer Hunger, weil die Rationen ausgingen (man versuchte immer irgendwo vor Ort was zu kaufen, klauen, wenn man Glück hatte wurde man bescheiden bewirtet), litt an Schlafmangel, hatte Blasen, wunde Stellen, Schmerzen und war generell erschöpft. Es war natürlich Krieg, was nicht unbedingt entspannend gewirkt haben dürfte. Als einfacher Wanderer wäre es sicher nicht ganz so strapaziös.
              Verpflegungstechnisch würde ich sagen müsstest Du auf getrocknetes Fleisch/Fisch, Gepökeltes und Eingemachtes zurückgreifen, was auch alles sehr schwer ist. Ewig könntest Du damit nicht unterwegs sein, das heißt Du müsstest irgendwo nachkaufen können, oder Dein Essen selbst jagen. Dafür bräuchtest Du auch wieder entsprechende Ausrüstung.
              Unterm Strich, bekommst Du sämtliche Ausrüstungsgegenstände, die damals verwendet wurden in ähnlicher Form heutzutage relativ unkompliziert. Die Materialien waren ja klassisch: Wolle, Baumwolle, Filz, Leder. Alte Armeeausrüstung bekommt man in Hülle und Fülle, das eine oder andere dürfte sich zwischen 1900 und 1960 kaum verändert haben (Wolldecken, Zelte). Du könntest Dir also wahrscheinlich eine gute Imitation der Ausrüstungen, die damals verwendet wurden preisgünstig zusammenstellen und mal loslaufen.
              Mark Twain hat in seinem Buch "A Tramp Abroad" ebenfalls eine kurze Beschreibung seiner Wanderausrüstung:
              "...Meantime the knapsacks, the rough walking-suits and the stout walking-shoes which we had ordered, were finished and brought to us. [...] We were all dressed alike: broad slouch hats, to keep the sun off; gray knapsacks; blue army shirts; blue overalls; leathern gaiters buttoned tight from knee down to ankle; high-quarter coarse shoes snugly laced. Each man had an opera-glass, a canteen, and a guide-book case slung over his shoulder, and carried an alpenstock in one hand and a sun-umbrella in the other. Around our hats were wound many folds of soft white muslin, with the ends hanging and flapping down our backs—an idea brought from the Orient and used by tourists all over Europe. Harris carried the little watch-like machine called a "pedometer," whose office is to keep count of a man's steps and tell how far he has walked. Everybody stopped to admire our costumes and give us a hearty "Pleasant march to you!""
              Allerdings steigen sie dann als allererstes in den Zug, weil sie zufällig entdecken, dass er ziemlich genau dorthin fährt, wo sie hinwollen (Heilbronn) und man den Neckar ja auch auf dem Rückweg entlangwandern kann (was sie nie tun). Zusätzlich werden sie immer gefragt, wozu sie denn die Alpenstöcke hätten, es gäbe ja hier schließlich keine Berge. Sehr lustiges Buch.

              Ausrüstungstechnisch gab es 1900 natürlich auch Unterschiede, je nachdem, was man vorhatte. Einfaches Wandern in Deutschland war unkomplizierter als Alpinismus. Zu vielen Expeditionen gibt es auch eine Menge Literatur.
              Wenn Du bei der Google Bildersuche "Bergsteigen historisch" suchst, findest Du viele interessante Fotos. Allerdings waren ambitionierte Projekte wie etwa im Himalaya immer durch immensen logistischen Aufwand gestützt (Pferde, Maultiere, Träger). Die Liste der Erstbesteigungen auf Wikipedia ist auch ein ganz guter Ausgangspunkt, um weiter zu recherchieren, da wurde vieles um 1900 rum zum ersten mal erklommen. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Erstbesteigungen
              Auf http://www.civilwarphotos.net/ findest Du ebenfalls tonnenweise Fotos aus ungefähr dieser Zeit. Die Soldatenausrüstung war ja auch auf lange Märsche und Survival ausgelegt.
              Viel Spaß, und berichte, falls Du es durchziehst!
              "Aber Madame Mim, wir haben doch gesagt: Keine Drachen!"

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              • iwoasnix
                Erfahren
                • 02.06.2011
                • 465
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: Ausrüstung 1900?

                Danke für die ganzen Antworten,
                jetzt muss ich nur noch Zeit finden, alles zu lesen und zu besorgen

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                • Torres
                  Freak

                  Liebt das Forum
                  • 16.08.2008
                  • 30789
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: Ausrüstung 1900?

                  Heute sieht die Walz dann auch mal so aus. Traditionelle Kleidung und Straßengrillen auf St. Pauli. Der Grill ist leider schlecht zu erkennen, da ich vorbeigeradelt bin...




                  Mein Großvater, der im zweiten Weltkrieg kämpfte und viel im Feld unterwegs war, meinte einmal, er könne das nicht verstehen, dass ich so scharf drauf wäre im Freien zu schlafen. Er war damals froh, wenn er ein anständiges Bett hatte. In seinen Erzählungen erwähnte er auch öfters, dass es scheißunbequem war. Man hat ständig gefroren, war Wind und Wetter ausgesetzt, ..... litt an Schlafmangel, hatte Blasen, wunde Stellen, Schmerzen und war generell erschöpft.
                  Die Erzählungen kenne ich auch noch. Und sie decken mit meinen ersten Outdoorerlebnissen, bei denen ich weder Zelt noch Isomatte hatte. Damals habe ich mir geschworen, nie wieder "draußen" zu schlafen
                  Oha.
                  (Norddeutsche Panikattacke)

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                  • Philipp
                    Alter Hase
                    • 12.04.2002
                    • 2753
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: Ausrüstung 1900?

                    Was ich auf alten Bildern und teilweise in alten Reise- und Expeditionsbeschreibungen frappierend finde, ist, daß die Herren oft sehr korrekt gekleidet losgingen. Ein Sakko und durchaus auch Krawatte wurden anscheinend nicht als Widerspruch zu Eispickel und Maultier gesehen. Das dürfte wohl auch daher kommen, daß diejenigen, die den Alpinismus und das zweckfreie Wandern und Entdecken begründeten, oftmals aus der "besseren" (englischen) Gesellschaft kamen und sich ihre Eskapaden überhaupt leisten konnten. Da verzichtete man nicht mal eben auf standesgemäße Kleidung.

                    Das ausrüstungsetchnisch rein zweckmäßige Denken der Herren Nansen, Amundsen, Rasmussen, Shackleton etc. war nicht unbedingt der Standard.

                    Gruß, Philipp (wo krieg ich jetzt nur auf die Schnell einen ordentlichen Wanderanzug aus feinstem Tweed her? )
                    "Oft vereint sind im Gemüte Dämlichkeit und Herzensgüte." - W. Busch

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                    • Chouchen
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                      • 07.04.2008
                      • 20009
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      AW: Ausrüstung 1900?

                      In diesem Zusammenhang möchte ich noch Mary Kingsley erwähnen, die in standesgemäßer viktorianischer Trauerbekleidung kurz vor 1900 im Alleingang Expeditionen in Afrika durchführte.

                      " '(...) man hat nicht das Recht, in Afrika in Sachen herumzulaufen, für die man sich zu Hause schämen würde'. Deshalb trug sie einen bodenlangen, stabil gefütterten Wollrock, ergänzt durch ein steifes, enges und hochgeschlossenes Mieder, so wie es sich eben für viktorianische Trauerkleidung schickte (wegen des Todes Ihrer Eltern). Quelle
                      "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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                      • LihofDirk
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                        • 15.02.2011
                        • 13729
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #31
                        AW: Ausrüstung 1900?

                        Zitat von Philipp Beitrag anzeigen
                        Gruß, Philipp (wo krieg ich jetzt nur auf die Schnell einen ordentlichen Wanderanzug aus feinstem Tweed her? )
                        Engelhorn in Mannheim hat normalerweise (wobei jetzt im Hochsommer?) Harris Tweed Sakkos, nur ob das den Spaß wert ist ...

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                        • Philipp
                          Alter Hase
                          • 12.04.2002
                          • 2753
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #32
                          AW: Ausrüstung 1900?

                          Zitat von LihofDirk Beitrag anzeigen
                          Engelhorn in Mannheim hat normalerweise (wobei jetzt im Hochsommer?) Harris Tweed Sakkos, nur ob das den Spaß wert ist ...
                          Wenn schon, dann (konfektions)maßgeschneidert von Kuhn oder Dolzer Wie die dort wohl gucken würden, wenn ich dort einen klassischen Gehrock in Auftrag geben würde ("aber bitte mit etwas Übermaß in der Taille, damit er beim Wandern und Pilgern nicht all zu sehr zwicken möge." )?

                          Gruß über'n Rhein, Philipp
                          "Oft vereint sind im Gemüte Dämlichkeit und Herzensgüte." - W. Busch

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                          • iwoasnix
                            Erfahren
                            • 02.06.2011
                            • 465
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #33
                            AW: Ausrüstung 1900?

                            Gestern kam aufm dritten was interessantes "zum dritten Pol

                            http://www.tvinfo.de/fernsehprogramm...ten+pol/detail

                            Die Dokumentation schildert das wechselvolle Leben von Prof. Dr. Günter Dyhrenfurth und seiner Frau Hettie: Professur in Breslau, Auswanderung der Familie in die Schweiz, Niederlegung der Professur nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, Austritt aus dem gleich geschalteten Deutschen und Österreichischen Alpenverein, Verlust des Vermögens - und trotzdem zwei Expeditionen, die zu den bedeutendsten der frühen Himalaya-Erkundung gehören.

                            Norman Dyhrenfurth, jüngster Sohn von Günter und Hetti, tritt in die Fußstapfen seiner Eltern und nimmt zwischen 1952 und 1986 an sieben großen Himalaya-Expeditionen teil, meist als deren Leiter, immer aber als Kameramann oder Filmproduzent. Den Höhepunkt seiner Karriere als Leiter von Himalaya-Expeditionen erreicht Norman Dyhrenfurth 1963: Die erste Everest-Besteigung durch die Amerikaner, noch dazu auf einer neuen Route - über das Hornbein-Couloir. Präsident J. F. Kennedy ehrt die Teilnehmer im Rosengarten des Weißen Hauses. Reinhold Messner: "Norman Dyhrenfurth greift 1963 eine Idee auf, die völlig revolutionär war und versucht, den Berg zu überschreiten. Die Überschreitungen sind dann über Jahrzehnte nicht mehr gemacht worden. Und erst viel später, in einer modernen Zeit aufgegriffen worden".
                            Die Ausrüstung in den 60er war ja noch ziemlich

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                              • 02.09.2008
                              • 19413
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #34
                              AW: Ausrüstung 1900?

                              Engelhorn in Mannheim hat normalerweise (wobei jetzt im Hochsommer?) Harris Tweed Sakkos, nur ob das den Spaß wert ist ...
                              wenn schon dann so etwas.

                              http://www.cabourn.com/

                              http://www.cabourn.com/classics-tenzing.html

                              etwas moderner in der Anmutung.

                              http://www.cabourn.com/classics-antarticparka.html

                              über Preise zu reden schickt sich nicht für einen Gentleman.
                              "adventure is a sign of incompetence"

                              Vilhjalmur Stefansson

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                              • Gast-Avatar

                                #35
                                AW: Ausrüstung 1900?

                                Ich würd mich mit dem modernen Plastikzeug mal nicht so überlegen wähnen. Hatten wir alles schon.

                                Und, siehe da, angeblich leichter!
                                Zuletzt geändert von ; 31.07.2012, 11:25.

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                                • Mus
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                                  • 13.08.2011
                                  • 13116
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  AW: Ausrüstung 1900?

                                  Ich beschäftige mich mit der Frage auch immer wieder und kann zur Beantwortung ein paar Erfahrungen aus der eigenen Familie beitragen. Die waren auch überwiegend "Outdoor" unterwegs, allerdings überwiegend "beruflich" und nicht freizeitmäßig.
                                  Was dabei allerdings mal so nebenher gelaufen wurde ist bemerkenswert. So gingen die Frauen aus der Familie jede Woche auf einen ca. 14 km entfernten Marktort um ihre Ware anzubieten. Die befand sich im Weidenkorb auf dem Kopf - also nix mit UL. Im Ort wurden auch noch Stammkunden beliefert. Ums also in Zahlen auszudrücken:
                                  30 km, z.T. bergiges Gelände, die Hälfte der Strecke mit mind. 15-20 kg Gepäck auf dem Kopf. Dazu musste noch irgendwie das z.Z. gestillte Kind (also bis zum Alter von etwa 3 Jahren) mit getragen werden oder einen Teil selber laufen.
                                  Die Ausrüstung: Lederstiefel, Leinenen oder wollne Unterwäsche (die mit den geschlitzten Unterhosen zum Pipimachen im Stehen), lange Wollstrümpfe, Leinen oder Wollbluse und Wollrock und Kopftuch. Sommers wie winters. Zitat Uroma: "Was warm hält, hält auch kalt!" Im Winter gab's dann aber doch auch Handschuhe, Jacke oder Tuch aus Wolle, handgestrickt. Fahrrad: Ein sackschweres Herrenfahrrad pro Familie, überlieferte Schlafplätze beim Überrascht werden von Nacht, Wetter, unfreundlichen Förstern: Küchenbank beim Bekannten von Bekannten von Bekannten, Rübenfurche, Scheune oder einfach die Nacht durch weiter gelaufen
                                  Wie haben sie das geschafft?? Ich denke:
                                  1. Training von Kleinauf: alle Wege zu Fuß, jeden Tag von Morgens bis Abends körperlich anstrengende Arbeit.
                                  2. Training für den Wärmehaushalt auch von Kleinauf. Der Körper kann viel mehr ausgleichen als wir denken. Das führt mit im Moment auch mein Großer vor.
                                  3. Das Wollzeug war besser als wir denken.
                                  4. (und das ist das entscheidende Argument): Die waren einfach härter im Nehmen. Oder um es neudeutsch auszudrücken: Die Komfortzone war deutlich weiter gespreizt.
                                  Viele unserer scheinbar unumgänglichen Bedürfnisse haben damals offensichtlich nicht existiert:
                                  Meine Uroma hat sich nicht eineinziges mal im Leben die Haare gewaschen. Gewaschen wurde alle vier Wochen. Unterwäsche gab's am Sonntag frisch. Mein Opa hat für die täglich Körperpflege (Waschen, rasieren, Zähne putzen) einen dreiviertel Liter Wasser verwendet. Badezimmer, Telefon, Fernseher,.......alles Fehlanzeige. Ich könnte die Liste noch lange weiterführen. Aber die eigentliche Aussage ist ja: was für uns heute extrem erscheint, worüber wir diskutieren, ob das nun geht vielleicht mal und wenn man sich ganz in der Pampa befindet oder auf keinen Fall, das war früher Alltag von den meisten Menschen, denn meine Familie war in all diesen Gewohnheiten ganz normal und nicht etwa extrem, Aussteiger, Chaoten, o.ä.
                                  Und bevor jetzt jemand sagt: "Jaja, aber die Lebenserwartung...." Meine Urgroßmutter und ihre Mutter sind beide bei diesem Lebenswandel beide um die 90 Jahre alt geworden und es gibt keinen Bericht, dass sie jemals an Kreuzschmerzen gelitten hätten.
                                  Genaue Details habe ich über die Ausrüstungsliste eines typischen Outdoorers in der Nachkriegszeit: kurze(!) Cord- oder Lederhose und Baumwollflanellhemd, Wollsocken und Lederstiefel oder Sandalen, wenn's kalt war Wollpulli, handgestrickt. Dazu eine Zeltbahn zum Knöpfen aus Armeebeständen, später als Gipfel des Luxus ein Rucksack auch daher, Wolldecke vom Bett daheim, Streichhölzer, Schnur, Brot, Salami, Haferflocken, Zucker, Kakao (alles von daheim gemopst), Feldflasche und, der große Stolz, ein Pfadfindermesser, das bis heute gehegt und gepflegt wird. Das war die vollständige Liste. Nur wenn sie in einer Gruppe unterwegs waren kam ein großer Alutopf und ein Klappspaten und eine Axt dazu.
                                  Geschlafen wurde im Wald und an Waldrändern. Die Zeltbahn wurde an Bäumen oder mit Ästen abgespannt, das Bett aus Tannenreisig und trockenen Blättern gebaut. Der Speisezettel wurde unterwegs durch Sammeln, mopsen und betteln ergänzt. Es muss eine tolle Zeit gewesen sein aber wohl wirklich etwas unkonfortabel. Jedenfalls hält mich mein Papa für ein bisschen bekloppt, dass ich FREIWILLIG UND GERNE im Zelt schlafe. ("Aber es gibt doch auch ganz günstige Pensionen oder Bauernhöfe die Zimmer anbieten!!!")

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                                  • Lookas
                                    Erfahren
                                    • 01.11.2011
                                    • 129
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                                    #37
                                    AW: Ausrüstung 1900?

                                    Moin!
                                    Interessant ist auch die Packliste von Heine Stupp für seine Weltumwanderung aus dem Jahr 1895:

                                    "1 Paar russische Gurtenlederschuhe zum Schnüren
                                    1 Paar wollene Socken
                                    1 Paar Gamaschen (bis zum Knie reichend)
                                    1 Paar wollene Wadenstutzen
                                    1 Paar wollene Unterbeinkleider
                                    1 dünnes normales Hemd
                                    1 Sweater
                                    1 grüne doppelreihige Jacke mit Stehkragen
                                    1 grüne Kniehose
                                    1 Gummitaillengurt
                                    1 weicher Lodenhut
                                    1 wasserdichte Pellerine mit Kapuze
                                    1 Wanderstab
                                    1 Uhr
                                    1 Kompass
                                    1 Thermometer
                                    1 Signalpfeife (die letzten 4 Objekte wurden an einem Band um den Hals getragen)"

                                    Herausragendes Stück war der aus "bestem Schafwoll-Loden gefertigte Touristen-Wettermantel" (die Pellerine) der Fa. Braun/München, der als einziges Kleidungsstück die 492 Tage dauernde Fußreise um den Globus überstanden hat und die Heine Stupp nach seiner Rückkehr stolz im Geschäft der Firma präsentierte.

                                    Weiter schreibt Heine Stupp:
                                    "Mein Gepäck bestand aus 2 Umhängetaschen:
                                    Die Tasche A enthielt:
                                    a) Chinin
                                    b) Jod
                                    c) Opiumtropfen
                                    d) Opiumpillen
                                    e) Karbolöl
                                    f) engl. Pflaster
                                    g) Jodiform
                                    h) Verbandleinen
                                    i) Verbandwatte
                                    j) Wundsalbe
                                    k) Essenz gegen den Biss eines giftigen Tiers
                                    l) Buch 'Hülfe bei Unglücksfällen'

                                    Die Tasche B enthielt:
                                    a) ein Paar Sandalen
                                    b) 1 Autogrammbuch
                                    c) Wörterbücher in den verschiedenen Sprachen der zu passierenden Ländern
                                    d) Strümpfe
                                    e) Taschentücher
                                    f) Münzensammlungen
                                    g) Stein- und Amphibiensammlung
                                    h) Seife & Handtuch
                                    i) Handschuhe
                                    j) Brieftasche & Photographien
                                    k) Landkarten
                                    l) Zirkel, Radiergummi und Maßstab
                                    m) MAGGIS Suppen-Extrakte ...
                                    Letztere wurden uns von Herrn Maggi in der Schweiz in liberalster Weise um die ganze Erde franco und frei zugesandt. [...]

                                    In den Taschen meines Anzugs befanden sich
                                    a) ein Autogramm- und Kontrollbuch
                                    b) ein Kassabuch
                                    c) ein Tagebuch
                                    d) ein Adressbuch
                                    e) ein Distanzbuch (zum Eintragen der Tagesmärsche, Kilometerzahl und Marschstunden)
                                    f) ein Abreißblock
                                    g) eine Brieftasche mit Pass & Empfehlungsschreiben
                                    h) eine Geldtasche
                                    i) Wasserkantine (-flasche) zum Umhängen
                                    j) Taschenmesser, Bleistifte, Blaustifte, Taschenkamm & Bürste
                                    k) Visitenkarten-Etui

                                    Auf dem Marsch durch das Innere Asiens kamen hierzu noch
                                    a) eine wollene Decke
                                    b) ein kupferner Kessel
                                    c) ein Glas
                                    d) Löffel
                                    e) Streichhölzer
                                    f) Kerzen usw.

                                    Meine Bewaffnung bestand aus einem russischen Kosaken-Karabiner nebst 24 Kugewln, einem Faschinenmesser und einem Stilettmesser."
                                    Heine Stupp: Zu Fuß um die Welt in 492 Tagen. 1895/96. Hrsg. von Birgit Stupp.München 2003, S. 15-17.

                                    Man beachte besonders die Tatsache, dass der damals Zwanzigjährige(!) so einfach einen Karabiner mitführte - ohne damit irgendwelche nennenswerten Schwierigkeiten an den Grenzen gehabt zu haben. Auch finde ich bemerkenswert, dass die Hygiene zwar einen gewissen Stellenwert besaß, aber schlicht anders wahrgenommen wurde. Tägliches Waschen beschränkte sich häufig genug auf "Katzenwäsche" und Kämmen (der Kamm wird explizit erwähnt), die Kleidung trug man halt solange, bis sie wortwörtlich nicht mehr tragbar war und gereinigt werden musste - was bei den wollenen Sachen ohnehin selten genug auch im Alltag geschah. Stinken - nach unserer definition - dürfte völlig normal gewesen sein, außer, man gehörte den etwas privilegierteren Schichten an. Aber das wäre sicherlich eine kleine Abhandlung für sich wert.
                                    Tja, und das alles in zwei Umhängetaschen über den Schultern getragen. Auf den Fotos, die es gibt, wirkt das auch gar nicht so viel, eher wie zwei überdimensionierte Patronentaschen, in die das alles hineingepasst hat. Ach so: auf der Liste steht zwar kein Rasierzeug, aber auf den Fotos ist er trotzdem stets tadellos glatt. Da die aber alle gestellt sind, also keine Schnappschüsse, wird er sich vorher wohl beim Barbier hingesetzt haben.

                                    Beste Grüße
                                    Lookas
                                    Das muss das Boot abkönnen!

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