Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

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  • BlaesFevrier
    Dauerbesucher
    • 11.05.2007
    • 557

    • Meine Reisen

    #21
    AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

    Ich würde mal behaupten, daß das bei mir nicht anders ist als bei Dir oder jedem anderen: Man wird auf etwas aufmerksam, entscheidet, daß man das gerne zeigen würde, hält drauf und drückt ab. Im Zuge dessen macht man sich halt mehr oder weniger viele Gedanken über die Gestaltung und in diese - und auch worauf man überhaupt aufmerksam wird - spielt dann eben auch die Erfahrung mit rein und alles Wissen und das, was Roene so schön mit dem Adams-Zitat angesprochen hat. Auch das Capa-Zitat vom Nah-genug-dran-sein paßt, wenn man es metaphorisch nimmt: Wenn das Bild nicht gut ist, d.h. nicht das zeigt, was die Essenz Deines Motivs ist, dann warst Du nicht nah genug am Thema, vulgo: wußtest nicht genug über das Motiv.
    Ein Beispiel wie ich es mache, mal sehen: Vielleicht erinnerst Du Dich, daß ich dieses Bild zum Drehpunkt eines meiner Wo-bin-ich-Rätsel gemacht habe? Ich hatte es ausgewählt, weil es etwas über das Wesen dieser Fähre zeigt, nämlich daß sie eine Chain Ferry ist (womit man im Rätsel meinen Standpunkt hätte ergoogeln sollen ). Wenn man das zeigen will, muß man so etwas aber erst mal wissen und dann auswählen, welche Elemente man mit auf das Bild nimmt, um daraus ein Motiv zu kombinieren, das eben genau das zeigt. Also in diesem Fall: Ich sehe eine Fähre, weiß, aha, es ist eine Kabelfähre, suche eine Perspektive, aus der man sieht, daß es eine Kabelfähre ist und mache dann noch das Bild. So ungefähr. Schlechtes Beispiel, nächstes Beispiel:
    Ich hatte dieses Bild im S/W-Foto-Thread schon gezeigt. Abgebildet ist die Baustelle in der Prager Str. in Dresden (Fußgängerzone), wo kurz zuvor das Centrum-Kaufhaus abgerissen wurde, das dort nun neu entsteht. Dessen Fassade hatte Dresden nun schon lange ver(un)ziert, und als der Neubau beschlossen wurde, hieß es, daß die Wabenelemente der alten Fassade auch das bestimmende Stilelement der Neuen sein sollen. Das Neue wird also auch ein Denkmal für das Alte sein. Ich habe dann in meinem Bild von der Baustelle Dinge zu einem Motiv verknüpft, deren Form an abendländische Symbole für Tod und dann Wiederauferstehung erinnern: Kreuze, Himmel, das Nach-oben-streben von irgendwas, Dynamik, strahlendes Licht (Hell/Dunkel-Kontrast)... und das Bild dann „Auferstehung aus Ruinen“ genannt
    So ungefähr sind jeweils meine Gedankengänge.
    Wahrheit und Objektivität stecken genau so wenig in meinen Bildern wie in meinen Sätzen.
    Zuletzt geändert von BlaesFevrier; 23.03.2009, 00:22.

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    • Andreas L
      Alter Hase
      • 14.07.2006
      • 4351

      • Meine Reisen

      #22
      AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

      Zitat von Roene Beitrag anzeigen
      Huiii...was passiert denn da auf der anderen Seite des Atlantiks. Ich will hier jetzt niemanden verteidigen, aber:

      Mich regen diese Diskussionen um das "wahre" Foto auf!!!

      Ist Fotografie nicht schon beim Auslösen Manipulation?
      Schließlich beeinflusse ich das Bild doch schon mit der Wahl des Films (bzw. Sensor/Speicherformat/interne Verarbeitung), des Objektives, des Ausschnitts, der Belichtungszeit und der Blende. Kann ich da überhaupt noch den Anspruch an Wahrheit haben?

      Was ist Wahrheit überhaupt! Wenn ich davon ausgehe, dass das was ich sehe die Wahrheit ist, dann ist das falsch, denn es ist meine subjektive Wahrnehmung. Eine andere Person nimmt diesen Augenblick mit großer Sicherheit ganz anders wahr. Kann Fotografie überhaupt der Wahrnehmung aller und somit der Wahrheit gerecht werden?
      Diese Diskussion habe ich schon zu oft geführt (führen müssen). Deshalb vielleicht nur ein paar Zitate:

      "Mit der Wahrheit ist es wie mit einer stadtbekannten Hure. Jeder kennt sie, aber es ist peinlich, ihr auf der Strasse zu begegnen." (Borchert)

      "Wahrheit ist subjektiv. Jeder hat seine Eigene, jeder kennt sie. Wenn er nicht auf sie hören will, behauptet er, es gäbe sie nicht. Und nur weil einer von ihr nichts wissen will, heisst das noch lange nicht, dass es sie nicht gibt."

      Wenn ich (ich bin weiß Gott nur ein kleiner Hobbyfotograf) draußen in der Natur bin, dann versuche ich den Moment mit der Kamera festzuhalten. Aber nicht nur das was ich sehe, sondern auch das was ich fühle, denke, höre – quasi alle Sinneseindrücke möchte ich festhalten.
      Da rund 75 % deiner Sinneseindrücke visueller Art sind, hast du schon viel geleistet, wenn du diese rüberbringst. In dem Moment, wo du anfängst, sie zu verfälschen, reduzierst du die Qualität deiner Wahrnehmung. Erst dann geht es an die Weitergabe deiner Wahrnehmung.

      Welche Hilfsmittel sind denn nun erlaubt, den Moment festzuhalten? Diese Frage sollte meiner Meinung nach jeder Fotograf für sich selbst beantworten. Andere Fotografen sollten dies aber dann auch akzeptieren.
      Es gibt eigentlich nur zwei Arten der Fotografie - leider mit einem gossen Feld des Übergangs dazwischen:
      Einmal die Dokumentarfotografie. Die HAT wahr zu sein, so wahr wie möglich, aber sie ist, wenn sie gut ist, auch immer so etwas wie ein Kommentar. Weil der Mensch, der sie anfertigt, nur über seine subjektive Wahrnehmung verfügt. Wenn der anfängt zu lügen, oder behauptet, so etwas wie Wahrheit gäbe es gar nicht, taugt seine Fotografie nichts mehr - auch wenn sie sich gut verkauft.
      Die zweite Art von Fotografie wird nicht von Fotografen ausgeübt, sondern von Künstlern, die sich der Fotografie bedienen. Die dürfen fast alles.
      Es gibt genug Beispiele dafür, was passiert, wenn ein Fotograf anfängt, "künstlerisch" zu arbeiten - oder ein Künstler "dokumentarisch". Fast immer wird die Wahrnehmung gestört oder ausser Kraft gesetzt.
      Per se ist die Fotografie keine Kunst. Ein Künstler signiert sein Bild und will damit sagen: Das habe ich gemacht. Ein Fotograf, der sein Bild signiert sagt: Das habe ich gesehen. DAS ist der wesentliche Unterschied.
      Deshalb kann der Konsument schon erwarten, dass ersichtlich ist und bleibt, ob das Bild, das er sich ansieht von einem Künstler oder einem Fotografen gemacht wurde.

      Was ist am heimischen Rechner erlaubt.
      Nach einer Übereinkunft verantwortungsbewusster Dokumentar-Fotografen all das, was früher in der Dunkelkammer möglich war - aussgenommen Montagen. Also: Schneiden, Kontrastbeeinflussung, Abwedeln, Nachbelichten, Ausflecken (NICHT: Retuschieren). Alles was über dieses Mass hinaus manipuliert wurde, wird mit einem M in eckigen Klammern gekennzeichnet ([M]).

      Ich finde (siehe Hilfsmittel), dass darüber nicht gestritten werden sollte. Fotografie ist in den meisten Fällen eine Kunstform.
      Absolut NEIN. Wenn wir das akzeptieren, verlieren Millionen von wichtigen Bildern ihre Berechtigung und Wirkung. In zwei Generationen sind dann zum Beispiel die Bilder von Lee Miller von der Befreiung von Bergen Belsen "künstlerisch, wahrscheinlich manipuliert". Und "Hat das Ganze eigentlich wirklich stattgefunden - oder war das Hollywood?"

      Warum sollte man daher einem Künstler vorschreiben, welche Möglichkeiten er nutzen darf und welche nicht. Ich bin z.B. kein Freund von Entfernen von Bildgegenständen – aber haben das Maler früherer Epochen nicht auch schon gemacht?
      Weil ein Fotograf KEIN Künstler ist und Fotografie ein autografisches Medium, und damit etwas völlig anderes als Malerei.


      Eine Frage stellt sich mir immer wieder. Wurde früher, als es nur Schwarzweißfotografie gab, auch so erregt über den Wahrheitsanspruch der Fotografie diskutiert. Zeigen die SW-Fotografien eines Ansel Adams oder eines Vittorio Sella mit ihren starken Kontrasten die Wahrheit, obwohl unsere Welt doch eigentlich bunt ist? Ja, denn sie zeigen den Moment wie ihn der Fotograf wahrgenommen hat.
      Das zu beantworten - und es kann eindeutig beantwortet werden - sprengt den Rahmen dieser Veranstaltung hier. So ein Thema im Rahmen der Ausbildung von Fotografenm nimmt eine Projektwoche in Anspruch - eben weil dies die "Grauzone" zwischen Fotografie und Kunst darstellt, von der ich oben schon gesprochen habe.


      “We don`t make a photograph just with a camera; we bring to the act of photography all the books we have read, the movies we have seen, the music we have heard, the people we have loved.”

      Ansel Adams
      Was er damit sagen will ist, dass ein Fotograf ein Autor ist, der sein Bild nicht machen kann (oder der sein Buch nicht schreiben kann) ohne dass die Erfahrungen seines Lebens dabei eine tragende Rolle spielen. Aber dieser Autor darf uns bitte schon mitteilen, was das ist, das er da schreibt: Roman oder Dokumentation.
      Zuletzt geändert von Andreas L; 23.03.2009, 08:40.
      "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

      BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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      • Andreas L
        Alter Hase
        • 14.07.2006
        • 4351

        • Meine Reisen

        #23
        AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

        Zitat von paddel Beitrag anzeigen
        Achtung jetzt kommt ein absoluter Laie.

        Kann es sein, daß die Art der Gestaltung der Bilder von Marc ... gerade auch irgendwie modern ist? Die Bilder erinnern mich irgendwie an die Motive die es bei Ikea zu kaufen gibt (das soll keine Beleidigung sein, nur wie ich das als Laie so sehe).

        Und wenn man als Fotograph von seine Arbeit leben will, muß man vielleicht einfach auch der Nachfrage gerecht werden?
        Zweimal, aus vollem Herzen: JA! Deine erste Annahme beschreibt das Elend der Fotografie, deine zweite das Elend der Fotografen, in dem wir uns seit der "digitalen Revolution" befinden.

        Zitat von Nicht übertreiben Beitrag anzeigen
        Worauf es ankommt ist in meinen Augen Ehrlichkeit. Wenn ich dokumentarisch fotografiere, dann versuche ich eine nüchterne Darstellung zu gewährleisten, wenn ich künstlerisch fotografiere, dann eine emotionale dann lege ich Wert darauf auch die Stimmung durch eine entsprechende EBV rüber zu bringen.
        Genau. Im ersten Fall bist du Fotograf, im zweiten Künsteler, der mit der Fotografie arbeitet.

        Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
        Hier kommt noch ein Laie. Meine Frage passt vielleicht nicht ganz zum Wahrheitsanspruch, aber wie gehen ambitionierte Laien ans Bild ran? Haben die bei der Motivauswahl und Bildgestaltung ihre "Wahrheit" im Kopf oder, wenn meist auch unbewusst, den im Augenblick aktuellen Trend, oder die "Wahrheit" des Vorbilds?

        Werner
        Wie ein Autor, der überlegt, was er sagen (schreiben) will - unter der Prämisse und in den Bewusstsein, dass er nicht lügen darf und seiner Phantasie Zügel anlegen muss.

        BlasFevrier: Wahrheit und Objektivität stecken genau so wenig in meinen Bildern wie in meinen Sätzen.
        Schön gesagt, ich kann dem, was du schreibst voll zustimmen - bis auf den zitierten letzten Satz:
        Dazu kann ich dir ein kleines Essay schicken, wenn du mir per PN eine Mail-Adresse schickst. In den Rahmen hier würde das nicht passen.

        Andreas
        Zuletzt geändert von Andreas L; 23.03.2009, 07:55.
        "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

        BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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        • Roene
          Fuchs
          • 24.05.2004
          • 1479
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

          Zitat von Andreas L Beitrag anzeigen
          Zitat von paddel
          Achtung jetzt kommt ein absoluter Laie.

          Kann es sein, daß die Art der Gestaltung der Bilder von Marc ... gerade auch irgendwie modern ist? Die Bilder erinnern mich irgendwie an die Motive die es bei Ikea zu kaufen gibt (das soll keine Beleidigung sein, nur wie ich das als Laie so sehe).

          Und wenn man als Fotograph von seine Arbeit leben will, muß man vielleicht einfach auch der Nachfrage gerecht werden?
          Zweimal, aus vollem Herzen: JA! Deine erste Annahme beschreibt das Elend der Fotografie, deine zweite das Elend der Fotografen, in dem wir uns seit der "digitalen Revolution" befinden.

          Ich finde es sehr schade, dass gerade DU (du scheinst ja einiges an Erfahrung auf dem Gebiet der Fotografie zu haben) diesen aktuellen Trend als "Elend der Fotografie" beschreibst. Diese "kitschigen" Langzeitbelichtungen sind eben nun mal gerade gerne gesehen. Auch die Maler der Romantik haben ähnlich "kitschige" Bilder gemalt - mit ähnlichen Motiven. Dieser Trend wird auch wieder vorübergehen.

          Und wenn ein Fotograf mit seinen Bildern seine Familie ernähren muss, dann ist es doch verständlich, dass er dem Kundenwunsch folgt.

          Indem du beides als "Elend" beschreibst, beleidigst du leider sehr viele Fotografen und begibst dich auf ein Niveau von www.marcadamuslies.com. Schade.

          Aber vllt habe ich deine Worte ja auch falsch interpretiert?

          Nochmal: Akzeptiere den Stil eines Fotografen, du musst ihn ja nicht mögen.

          Amen!!!
          Nøisomhed Gård - Ökologische Landwirtschaft auf den Vesterålen

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          • Andreas L
            Alter Hase
            • 14.07.2006
            • 4351

            • Meine Reisen

            #25
            AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

            Du verstehst mich völlig falsch, das Problem ist, dass DU nicht differenzieren willst zwischen KÜNSTLERN und FOTOGRAFEN. Das "Elend der Fotografie" ist, dass diese Grenzen immer mehr verschwimmen, dass Fotografen, die derart wilde Manipulationen ablehnen, immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden - oder alle Hemmungen fahren lassen und sich umstellen. Da die Nachfrage das Angebot bestimmt, werden unspektakulärere Bilder, ob sie nun wichtig sind oder nicht, immer weniger wahrgenommen. Das erfährt man, wenn Bildredakteure einem sagen: "Tolles Bild! Sag mir aber blos nicht, wie du das gemacht hast, sonst kann ich es nicht mehr veröffentlichen".

            Fotos sind, das hat ein anderer grosser Fotograf gesagt, was unser kollektives kulturelles Bewusstsein angeht, nicht zu ersetzen. Mit der Kunst ist das genauso. Schlimm wird es, wenn man es nicht mehr schafft, diese Bereiche auseinander zu halten. DA beginnt das "Elend der Fotografie", das dann leicht zum Elend des kollektiven, kulturellen Bewusstseins werden kann.

            Andreas
            "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

            BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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            • Roene
              Fuchs
              • 24.05.2004
              • 1479
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

              Zitat von Andreas L Beitrag anzeigen
              Du verstehst mich völlig falsch, das Problem ist, dass DU nicht differenzieren willst zwischen KÜNSTLERN und FOTOGRAFEN. Das "Elend der Fotografie" ist, dass diese Grenzen immer mehr verschwimmen, dass Fotografen, die derart wilde Manipulationen ablehnen, immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden - oder alle Hemmungen fahren lassen und sich umstellen. Da die Nachfrage das Angebot bestimmt, werden unspektakulärere Bilder, ob sie nun wichtig sind oder nicht, immer weniger wahrgenommen. Das erfährt man, wenn Bildredakteure einem sagen: "Tolles Bild! Sag mir aber blos nicht, wie du das gemacht hast, sonst kann ich es nicht mehr veröffentlichen".

              Fotos sind, das hat ein anderer grosser Fotograf gesagt, was unser kollektives kulturelles Bewusstsein angeht, nicht zu ersetzen. Mit der Kunst ist das genauso. Schlimm wird es, wenn man es nicht mehr schafft, diese Bereiche auseinander zu halten. DA beginnt das "Elend der Fotografie", das dann leicht zum Elend des kollektiven, kulturellen Bewusstseins werden kann.

              Andreas
              Okay, womöglich habe dich etwas falsch verstanden. Ich sehe auch, dass wir unterschiedliche Herangehensweisen an die Fotografie haben - du bist Fotograf ich Geograph .
              Muss jetzt allerdings zur Arbeit - schreibe heute Abend/Nacht vielleicht noch etwas.

              Roene
              Zuletzt geändert von Roene; 23.03.2009, 09:13.
              Nøisomhed Gård - Ökologische Landwirtschaft auf den Vesterålen

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              • Andreas L
                Alter Hase
                • 14.07.2006
                • 4351

                • Meine Reisen

                #27
                AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                Gut, dann sind wir ja nahe beisammen. Vom Wortstamm her meine ich - griechisch: graphein, svw: ritzen, zeichnen, schreiben. Oder, in der ursprünglichsten Bedeutung: gravieren.

                Andreas
                "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

                BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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                • Gast-Avatar

                  #28
                  AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                  Wo ist denn die Grenze? Wo fängt Manipulation an?

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                  • Andreas L
                    Alter Hase
                    • 14.07.2006
                    • 4351

                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                    Zitat von weiter oben:

                    Was ist erlaubt:
                    Nach einer Übereinkunft verantwortungsbewusster Dokumentar-Fotografen all das, was früher in der Dunkelkammer möglich war - aussgenommen Montagen. Also: Schneiden, Kontrastbeeinflussung, Abwedeln, Nachbelichten, Ausflecken (NICHT: Retuschieren). Alles was über dieses Mass hinaus manipuliert wurde, wird mit einem M in eckigen Klammern gekennzeichnet ([M]). Zitat Ende

                    Es gibt noch ein paar Weiterungen - zB, dass die Montage von Panorama-Bildern iO gehe, solange es keine 360 Grad-Panoramen sind. Denn Panoramaansichten bis 200 Grad entsprechen in einem hohen Mass dem menschlichen Sehen.

                    Ich kann auch mal einen Grenzfall schildern: Ein recht gutes SW-Bild einer Lichterkette, aus den 1990ern. Da waren rechts 4 eindrucksvoll abgebildete Kinder mit Kerzen, links verlief das Bild ins Schwarz. Der Bildredakteuer kam mit der Frage, ab man dieses Schwarz nach links nicht noch verlängern könnte, er hätte gerne ein grosses, vom Format her flaches Bild und dieses Schwarz stünde doch für "das Böse", gegen das protestiert würde, das würde er gerne noch verstärken. Das war dann meiner Meinung nach in Ordnung, weil ich es unter "Ausschnitt wählen" gesehen habe. Aber natürlich fügt man beim "Ausschneiden" normalerweise nichts hinzu. In diesem Fall wurde aber nur ein schwarzer Streifen hinzugefügt - also kein eigentliches Bildelement.

                    So wurde noch vor ein paar Jahren mit diesen Problemen umgegangen. Heute würde diese Diskussion nicht mehr stattfinden - alleine schon, weil der Bildredakteur den Fotografen gar nicht mehr braucht, um so eine Änderung durchzuführen.

                    Das sind oder waren die Grenzen in der Fotografie. Bei der Kunst: gibt es keine.

                    Andreas
                    "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

                    BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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                    • derMac
                      Freak
                      Liebt das Forum
                      • 08.12.2004
                      • 11888
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                      Ich würde die Grenze nicht zwischen Fotograf und Künstler ziehen, sondern zwischen Journalist und Künstler (wobei Künstler eigentlich auch ein sehr schwammiger Begriff ist). Beide benutzten das Handwerk Fotografie für ihren Zweck, aber mit unterschiedlicher Zielstellung. Aber auch diese beiden Bezeichnungen decken nur die Extreme ab, die Grenzen sind fließend. Letztendlich ist die Frage aber immer, "Was will uns der Künstler damit sagen?".
                      So etwas wie das objektive Foto gibt es nicht, weil die Realität über den Bildrand hinausgeht und sich auch zeitlich über den Moment der Aufnahme erstreckt. Ein Gemälde oder eine sprachliche Beschreibung der Szene scheinen zwar erst mal weniger "echt", können aber unter Umständen die "Wahrheit" besser darstellen als ein Foto, egal wie sehr sich der Fotograf anstrengt. Eine Fotografie kann, wie alles andere vom Menschen geschaffene auch, eigentlich nur daran gemessen werden, wie gut sie ihr Ziel erfüllt. Andere objektive Maßstäbe gibt es nicht.

                      Mac

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                      • Andreas L
                        Alter Hase
                        • 14.07.2006
                        • 4351

                        • Meine Reisen

                        #31
                        AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                        Da kann ich mit einverstanden sein - mit ein, zwei Anmerkungen:
                        Das "objektive Foto" gibt es ganz sicher nicht - aber auch keine objektive Realität. Weil sie immer von subjektiver Wahrnehmung und Beurteilung abhängig ist. Insofern gibt es auch eigentlich überhaupt keine "Ojektivität" - ausser vielleicht als "Hilfwort", mit dem ein allgemeiner Konsenz bezeichnet werden soll.
                        Und deshalb gibt es auch keine "ojektiven Massstäbe". Aber etwas, was "Objektiv" genannt wird und als ein Werkzeug zur Herstellung von autografischen Bildern dient.

                        Und: Bei einem Foto habe (oder hatte) ich das "Recht" auf die Vermutung, dass es nicht allzweit von einer realen (subjektiven) Wahrnehmung eines gleichgearteten Wesens wie mir entfernt ist. Bei einem Gemälde weiss ich das nie - und kann es in der Regel auch nicht feststellen.

                        Andreas
                        "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

                        BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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                        • derMac
                          Freak
                          Liebt das Forum
                          • 08.12.2004
                          • 11888
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                          • Meine Reisen

                          #32
                          AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                          Zitat von Andreas L Beitrag anzeigen
                          Das "objektive Foto" gibt es ganz sicher nicht - aber auch keine objektive Realität. Weil sie immer von subjektiver Wahrnehmung und Beurteilung abhängig ist. Insofern gibt es auch eigentlich überhaupt keine "Ojektivität" - ausser vielleicht als "Hilfwort", mit dem ein allgemeiner Konsenz bezeichnet werden soll.
                          Und deshalb gibt es auch keine "ojektiven Massstäbe".
                          Stimmt, das "objektive" vor Maßstäbe war da aus Versehen reingerutscht. Bitte den Satz ohne dieses Wort lesen. Die Grabbelchen bei "Wahrheit" waren ja auch nicht zufällig.

                          Und: Bei einem Foto habe (oder hatte) ich das "Recht" auf die Vermutung, dass es nicht allzweit von einer realen (subjektiven) Wahrnehmung eines gleichgearteten Wesens wie mir entfernt ist.
                          Wenn du genau im gleichen Augenblick mit der gleichen Kamera und den gleichen Einstellungen in die gleiche Richtung fotografierst und dir hinterher das Ergebnis anschaust: ja. Sonst ist es nicht übermäßig schwer, allein durch geringe "traditionelle" Einstellungen an der Kamera oder die Wahl des Ausschnittes ein Bild zu erzeugen, welches die "Stimmung" der Szene völlig anders wiedergibt. Und 2 Betrachter können auch ohne weitere Hilfsmittel je nach Stimmung und Veranlagung von der gleichen realen Szene völlig unterschiedliche Eindrücke haben. Ich bleibe dabei: Ein Fotograf will immer eine "Aussage" machen und wenn die beim Puplikum rüberkommt ist das Bild gelungen.

                          Mac

                          Nachtrag: Eine Ausnahme ist die Reproduktion, allerdings werden auch da die Randbedingungen vorher festgelegt, ohne diese würde es nicht funktionieren. Das Ergebnis ist also nur innerhalb dieser Randbedingungen "realistisch".
                          Zuletzt geändert von derMac; 23.03.2009, 11:43.

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                          • Andreas L
                            Alter Hase
                            • 14.07.2006
                            • 4351

                            • Meine Reisen

                            #33
                            AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                            Auch einverstanden. Ein Fotograf ist aufgrund seiner Subjektivität ein Autor seines Bildes. Aber ein Betrachter kann, wenn er ein Mensch ist, Augen hat und ähnlicher Erfahrungen, diese "subjektive Botschaft" des Fotografen meistens oder doch oft sehr gut trennen vom Bild, vom rein visuellen. Er weiss, dass da ein Rand ist und dass da etwas liegen kann, was er auf dem Bild nicht sieht. Dieses Verhältnis ist seit 1840 (oder wenn man so will: 544) eingeübt worden. NEU sind die Manipulationsmöglichkeiten, von denen der "normale" Mensch nur wenig Ahnung hat.

                            Andreas
                            "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

                            BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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                            • Christian J.
                              Lebt im Forum
                              • 01.06.2002
                              • 9246
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #34
                              AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                              Zitat von Andreas L Beitrag anzeigen
                              Nach einer Übereinkunft verantwortungsbewusster Dokumentar-Fotografen all das, was früher in der Dunkelkammer möglich war - aussgenommen Montagen. Also: Schneiden, Kontrastbeeinflussung, Abwedeln, Nachbelichten, Ausflecken (NICHT: Retuschieren). Alles was über dieses Mass hinaus manipuliert wurde, wird mit einem M in eckigen Klammern gekennzeichnet ([M]).
                              Ist das irgendwo noch genauer festgelegt? Ich bin leider kein Dunkelkammerexperte und kann in selbiger immer nur die "Basissachen" (selbst dabei habe ich einen unnötig hohen Materialverschleiß), aber was ist ist mit allen digitalen Bearbeitungsschritten, die nicht das gesamte Bild betreffen: selektives Nachbelichten (ok, das geht in der Dunkelkammer problemlos) und selektives Schärfen?

                              Was ist überhaupt mit dem Nachschärfen? Das geht ja in er Dunkelkammer nur sehr begrenzt durch die Wahl von Papier und Chemikalien.

                              Fritz Pölking hatte sich doch mal zu manipulierten Bildern in der Tierfotografie geäußert. Meiner Erinnerung nach ging es dabei aber nur um die Situation während der Aufnahme (sind es zahme Tiere? Zoo oder Wildnis? ...)

                              Christian
                              "Er hat die Finsternis der Latrinen ertragen, weil in der Scheiße nach Mitternacht sich manchmal die Sterne spiegelten"
                              Durs Grünbein über den Menschen

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                              • Andreas L
                                Alter Hase
                                • 14.07.2006
                                • 4351

                                • Meine Reisen

                                #35
                                AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                                Nach dem Aufkommen der digitalen Technik in Zeitungsredaktionen - es wurde noch nicht digital fotografiert, aber die Fotografen lieferten gescannte Bilder ein - kam es zu den unsinnigsten "Pannen", was die Nachbearbeitung durch Redakteure und Techniker anging. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine Initiative, die durch den Hamburger Fotografen Günter Zint angestossen wurde, diese Nachbehandlung zu regeln. Dabei wurden die genannten Regeln aufgestellt, die Einführung des [M] für manipulierte Bilder verlangt usw. Die Gewerkschaft der Journalisten übernahm diese Forderungen und machte sie sich zueigen.

                                Das alles spielt heute kaum noch eine Rolle. Vor der Mitte der 90er Jahre war der Beruf "Fotograf" noch "hermetisch" - weil echt aussehende Manipulationen nur von Leuten ausgeführt werden konnten, die sich extrem gut in der Duka-Technik auskannten. Deshalb glaubte man auch, den Deckel auf dem Topf halten zu können. Auch noch ein paar Jahre danach, in der Aera der frühen Photoshop-Versionen ging das - wegen der Komplexität der Anwendungen und den Preisen für die Hardware. Heute kannst du das vergessen. Alles ist möglich, alles wird gemacht. Wenn einer erwischt wird, gibt es ein Riesen Trara - wenn die Fälschung wichtig genug war. Aber sonst ...

                                Ok, was diese überholten Regeln angeht - ich nehm mal mein Bearbeitungs Makro von Photoshop und schreib zu jedem Bearbeitungsschritt einen Satz. Aber nicht jetzt, das muss bis heute nachmittig warten. Bis dann:

                                Andreas
                                "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

                                BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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                                • Christian J.
                                  Lebt im Forum
                                  • 01.06.2002
                                  • 9246
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                                  Danke Dir! Stress Dich bitte nicht zu sehr deswegen: Bestimmt hast Du ja auch anderes zu tun als Bearbeitungsschritte einzeln zu beschreiben.

                                  Christian

                                  (der lieber mal wieder Zeit zum Fotografieren hätte als immer nur Zeit, theoretisch über das Fotografieren nachzudenken)
                                  "Er hat die Finsternis der Latrinen ertragen, weil in der Scheiße nach Mitternacht sich manchmal die Sterne spiegelten"
                                  Durs Grünbein über den Menschen

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                                  • derMac
                                    Freak
                                    Liebt das Forum
                                    • 08.12.2004
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                                    #37
                                    AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                                    Zitat von Andreas L Beitrag anzeigen
                                    Ein Fotograf ist aufgrund seiner Subjektivität ein Autor seines Bildes. Aber ein Betrachter kann, wenn er ein Mensch ist, Augen hat und ähnlicher Erfahrungen, diese "subjektive Botschaft" des Fotografen meistens oder doch oft sehr gut trennen vom Bild, vom rein visuellen. Er weiss, dass da ein Rand ist und dass da etwas liegen kann, was er auf dem Bild nicht sieht. Dieses Verhältnis ist seit 1840 (oder wenn man so will: 544) eingeübt worden. NEU sind die Manipulationsmöglichkeiten, von denen der "normale" Mensch nur wenig Ahnung hat.
                                    Mir scheint es eher so, als könne der Großteil der Betrachter eben genau das nicht. Das sowohl die Auschnittswahl als auch überhaupt die Bildauswahl sehr manipulativ sein können und durchaus auch so eingesetzt werden, hat der Mensch trotz der langen Übungsphase mit vielen Negativbeispielen noch immer nicht wirklich gelernt. Natürlich ist die Manipulation des dann wirklich gezeigten Bildes noch mal eine neue Stufe, aber das Grundproblem ist älter und umfassender und wenn man aufkären will sollte man dort ansetzen: Vertraue einer Aussage nicht einfach nur deshalb, weil sie scheinbar durch ein Bild gestützt wird, auch wenn da kein [M] dransteht.

                                    Mac

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                                    • Andreas L
                                      Alter Hase
                                      • 14.07.2006
                                      • 4351

                                      • Meine Reisen

                                      #38
                                      AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                                      Also für mich geht es dabei um "Erfahrungen", weniger um Theorien. Schon die Menschen im 6. Jahrhundert haben sehr eindrucksvoll bewiesen, wie gross ihre Erfahrungen mit Bildern waren, wenn sie dem "Bild von Edessa", dem von der Kirche hochtrabend als "Acheiropoieton" vorgestellten Bild sofort den volkstümlichen Namen "Vera Ikon" gaben. Und damit legendenbildend wirkten - denn der Name der späteren, angeblichen Heiligen "Veronika" ist nichts anderes als ein Umsetzung aus dem Begriff "Vera-Ikon", vorher gab es diesen Frauennamen gar nicht. Durch ihre Namensgebung haben sie also bewiesen, dass sie viel Erfahrung mit der Malerei hatten und dieses neue Bild sofort anders ansprachen und einordnen.
                                      Letztlich kommt das auch im sprichwörtlichen zum Vorschein: Es gibt sowohl das "habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen" als auch das "ich wollte meinen Augen nicht trauen".

                                      Die Menschen wissen, dass die Welt grösser ist, als der Ausschnitt, den ein Bild zeigt. Wenn man aber Wasser in Blut verwandelt, wie bei der Hatschepsut-Tempel-Fälschung - dann sind sie überfordert.

                                      Wobei ich dir auch rechtgebe: Wenn die Leute etwas sehen wollen - was eigentlich gar nicht sein kann, ihnen aber reinlaufen würde - dann vergessen sie sofort alle kritische Distanz samt ihrer ganzen Erfahrung.

                                      Andreas
                                      "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau

                                      BTW: "Hit the road, Jack" (Wolfskin)!

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                                      • derMac
                                        Freak
                                        Liebt das Forum
                                        • 08.12.2004
                                        • 11888
                                        • Privat

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                                        #39
                                        AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                                        Zitat von Andreas L Beitrag anzeigen
                                        Die Menschen wissen, dass die Welt grösser ist, als der Ausschnitt, den ein Bild zeigt.
                                        Genau das bezweifel ich.

                                        Wobei ich dir auch rechtgebe: Wenn die Leute etwas sehen wollen - was eigentlich gar nicht sein kann, ihnen aber reinlaufen würde - dann vergessen sie sofort alle kritische Distanz samt ihrer ganzen Erfahrung.
                                        Es geht dabei nicht nur ums wollen. Es gibt haufenweise Bsp. wo das mit dem "kann eigentlich gar nicht sein" nicht zutrifft, sondern eher ein "wird schon so stimmen, klingt plausibel, sagen ja alle".

                                        Mac

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                                        • Roene
                                          Fuchs
                                          • 24.05.2004
                                          • 1479
                                          • Privat

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                                          #40
                                          AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie

                                          Eigentlich wurde ja nahezu alles zum Thema geschrieben, aber ich versuche dennoch ein paar Auswüchse meiner Hirnaktivität hinzuzufügen.

                                          Andreas L schreibt, dass ich nicht zwischen Künstlern und Fotografen differenzieren will.

                                          Zitat von Andreas L
                                          das Problem ist, dass DU nicht differenzieren willst zwischen KÜNSTLERN und FOTOGRAFEN
                                          In meinem ersten Beitrag zu dieser Diskussion schrieb ich, dass für mich Fotografie in den meisten Fällen eine Kunstform ist. Bei der Meinung bleibe ich auch. Einen Bereich, den ich nicht der Kunst zuschreibe ist die journalistische Fotografie (ein bisschen differenzieren kann ich doch ). Hier sollte der Fotograf sachlich sein und seine persönlichen Emotionen nicht in das Bild einfließen lassen - nur dann ist meiner Meinung nach die größtmögliche Objektivität (dass es Objektivität eigentlich nicht geben kann, sehe ich wie Andreas L) gewährleistet.
                                          Sobald ein Fotograf seinen Bildern aber eine persönliche Note verleiht, befinden wir uns auf dem Weg zur Kunst.
                                          Daher kann ich nur schwer zwischen "Kunst" und "Fotografie" unterscheiden. So befinden sich meiner Meinung nach die meisten Fotografen irgendwo zwischen beiden Extremen. Je mehr sich ein Fotograf nun künstlerischer Mittel bedient, desto mehr spiegelt sein Bild seine persönliche Wahrnehmung wieder.

                                          Ich finde es schwierig darüber zu diskutieren, welche "künstlerischen Mittel" denn nun gestattet sind oder eher der Manupulation zuzuschreiben sind. Die Darstellung der von Andreas L erlaubten Mittel finde ich auch nicht zufriedenstellend, da sie in meinen Augen schon enorm viel "künstlerische Kreativität oder Manupulation" zu lassen.

                                          Ein Beispiel:

                                          Das Bild "Soft Stones" ist so wie es ist am Strand von Ahrenshoop entstanden. Während der RAW-Entwicklung (Adobe Lightroom 1.4 als digitale Dunkelkammer) wurde lediglich der Kontrast angepasst und der Horizont gerade gerückt (hatte an dem Tag meine kleine Wasserwaage vergessen). Die Farbtemperatur von 6000K ist auch relativ "normal". Um länger belichten zu können, wurde ein starker Graufilter eingesetzt (9 Blenden... ich hätte genau so gut eine Lochkamera mit Blende f/250 nehmen können). Ein Grauverlauffilter half ausgefressene Lichter im Himmel zu vermeiden.

                                          Zitat von Andreas L
                                          Was ist erlaubt:
                                          Nach einer Übereinkunft verantwortungsbewusster Dokumentar-Fotografen all das, was früher in der Dunkelkammer möglich war - aussgenommen Montagen. Also: Schneiden, Kontrastbeeinflussung, Abwedeln, Nachbelichten, Ausflecken (NICHT: Retuschieren). Alles was über dieses Mass hinaus manipuliert wurde, wird mit einem M in eckigen Klammern gekennzeichnet ([M]). Zitat Ende
                                          Somit war ich bei diesem Bild ein "verantwortungsbewusster Dokumentarfotograf". Ich finde aber, dass dieses Bild in keinster Weise einen allgemeinen Wahrheitsanspruch hat. Denn ich habe durch die Wahl der Blende (wenn ich mich jetzt nicht verrechnet habe, müsste es rein theoretisch ungefähr f/256 gewesen sein) 102 Sekunden der Wirklichkeit in einem Bild festgehalten. Natürlich habe ich das Bild so nicht gesehen, aber ich habe die Situation annähernd so empfunden.

                                          Sind die Blendenwahl und Veschlusszeit bei Dokumentar/Reportagefotografen geregelt. Wenn nein, warum nicht?

                                          Zitat von Andreas L
                                          Das erfährt man, wenn Bildredakteure einem sagen: "Tolles Bild! Sag mir aber blos nicht, wie du das gemacht hast, sonst kann ich es nicht mehr veröffentlichen"
                                          Diese Erfahrung habe ich so ähnlich leider auch schon gemacht. Allerdings kommen solche Sätze eigentlich nur von Leuten, die sich mit den Grundsätzen der Fotografie noch nicht auskennen (das Zusammenspiel von Brennweite, Verschlusszeit, Blende, Licht und Film/Sensor). Sie können sich dann oft nicht erklären, wie dieses Foto entstanden ist und meinen daher das Photoshop im Spiel gewesen sein muss.

                                          O-Ton: "Toller Himmel, wie hast du die Wolken in Photoshop so schön verwischt?"

                                          Zu guter Letzt:

                                          @Andras L: Eigentlich sind unsere Ansichten doch sehr ähnlich (auch wenn wir andere Hintergründe haben). Ich persönlich begrüße solche Übereinkünfte, wie du sie anführst auch. Dennoch lassen sie genug Spielraum (für manchen sogar zuviel). Das ist ja einer der Hauptgründe, warum ich schwer zwischen Fotografie und Kunst unterscheiden kann. Ich persönlich denke beim Fotografieren eher analog (schließlich habe ich so angefangen) - versuche also das Bild vor Ort entstehen zu lassen und arbeite eigentlich mit der D200 wie mit der alten FM. Aber warum ist nahezu alles "erlaubt" was analog möglich war und digitale Weiterverarbeitung ist verpönt? So könnte die Kritik lauten. Ist sie berechtigt? Das Thema ist wirklich schwierig. Was ist die Lösung?
                                          Möchte man mit seiner Fotografie einen Wahrheitsanspruch haben, so müssten die EXIF-Daten zugänglich sein. Oder benötigt die Fotografie eine Kennzeichnungspflicht wie bei Eiern :-)!? Wer unser Auge allerdings betrügen möchte, wird dies wohl auch weiterhin tun. Wahrscheinlich ist die einzige Möglichkeit diesem drohenden (oder langsam schon stattfindenden) Dilemma zu entgehen, auf die Ehrlichkeit des Fotografens zu setzen. Gute Fotografie gibt es auch ohne "Blut-Doping" und ich hoffe, die Fotogafie erwartet nicht das gleiche Schicksal wie dir Tour de France.


                                          Interessant zu lesen zum Thema "Bildbearbeitung und Wahrheitsanspruch" ist der Blog-Artikel von Olaf Bathke: Wir nennen es Bildbearbeitung – Die digitale Bohème
                                          Er führt z.B. den Leitfaden der GDT (Gesellschaft deutscher Tierfotografen) auf, in dem versucht wird, die digitale Bildverarbeitung zu regeln:

                                          Verboten sind:
                                          • Entfernen von Objekten n.a. Entfernen von störenden Ästen von Tieren oder Teilen von Tieren,
                                          • Hinzufügen von Objekten n.a. Hinzufügen von z.B. Flügelspitzen bei Vögeln, Hinzufügen von Tieren oder Gruppen von Tieren,
                                          • Digitale Farb- und Kunstfilter n.a. Farbveränderungen durch vorgefertigte Fotofilter in Adobe
                                          • Photoshop oder Zusatzfilter
                                          • Schärfentiefenerweiterung

                                          Erlaubt sind:
                                          • Chromatische Abberation
                                          • DNG- Dateien als RAW Dateien: Erlaubt, wenn die Kamera zur Aufzeichnung von Rohdaten ausschließlich DNG erlaubt
                                          • Mehrfachbelichtungen: Aufnahmen, die am gleichen Ort und zu annähernd gleichen Zeit zum Zweck der Doppelbelichtung entstanden sind, Aufnahmen, die „In- Kamera„ als Doppelbelichtungen gemacht wurden
                                          • Entrauschen: Selektives Entrauschen des Hintergrundes (in Maßen)
                                          • Farbsättigung
                                          • HDR: Auf dem Stativ wurde ein Belichtungsreihe erstellt, bei der auf den Himmel und auf den Vordergrund belichtet wurde und diese Aufnahmen wurden zur Bewältigung des Kontrastumfangs zu einer Aufnahme zusammengesetzt
                                          • Kontrast, Tonwerte und Gradation
                                          • Panoramen und zusammengesetzte Bilder
                                          • Schärfen
                                          • Schwarzweiß
                                          • Selektives Schärfen
                                          • Stempeln
                                          • Tiefen / Lichter
                                          • Verzeichnungskorrektur
                                          • Vignettierungen entfernen
                                          • Weißabgleich und Farbbalance

                                          Ist da nicht schon zu viel erlaubt?

                                          So, jetzt aber genug geschwafelt, draußen ist schönes Wetter, wir sind hier in einem Outdoorforum - also Knipse packen, ehrliche Bilder machen und glücklich sein !

                                          Grüße, Roene.
                                          Nøisomhed Gård - Ökologische Landwirtschaft auf den Vesterålen

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