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Hallo Zusammen,
dies ist mein erster Reisebericht in diesem Forum: Er ist sehr sehr lang geworden, da das Abenteuer, dass wir erlebt haben, nicht in wenigen Worten erzählt werden kann. Und trotzdem es nur 12 Tage sind, über die ich schreibe, habe ich viele Details ausgelassen. Wer dazu Fragen hat, kann sie gerne stellen.
Ich tue mich ein wenig schwer, von dieser Reise zu berichten, da viele Gefühle damit verbunden sind und vielleicht auch einige blöde Fehler unsererseits dabei sind, die zuzugeben mir schwerfällt. Alaska für uns zu einem Abenteuer geworden ist, das ich wohl nur einmal im Leben erleben werden – so hoffe ich. Unsere Reise in die Brooks Range verlief nicht wie geplant – 6 Tage, 5 Nächte. Sondern es wurde ein Abenteuer von 12 Tagen, 6 ungeplante, an denen wir nicht wussten, ob und wie wir da wieder raus kommen.
Doch ich berichte von Anfang an.
Wir, das sind mein Freund (39) und ich (34), seit 2012 ein Paar, und jedes Jahr im Sommerurlaub geht es drei Wochen irgendwo in die Wildnis. 2013 nach Island: Laugar Vegur, Fimmvörðuháls und Hornstrandir sowie 2014 Norwegen / Schweden (9 Tage Pandjelanta - Sarek Durchquerung) Wir glaubten uns fit genug für Alaska und hatten Bock auf die totale Wildnis. Ich bin bereits seit 2003 nur noch Wanderurlauberin; und mein Freund steht mir in nichts nach.
Unseren Einstieg in Alaska fanden wir im Denali Nationalpark. Ich dachte, es sei eine gute Idee, erstmal einen Eindruck von der Landschaft zu bekommen, außerdem zum Wandern im Bärengebiet, und zwar „in sicheren Verhältnissen“, in einem Park, aus dem man schnell und einfach wieder rauskommt. Letztlich war das sehr schlau, denn wir durften feststellen, dass es wesentlich schwieriger war, gute Stellen zum Zelten zu finden (weiter Blick, nah am Wasser), man aufgrund der Vegetation erheblich schlechter vorankommt (von Kniehoch bis Wald, wir schafften kaum fünf Meilen am Tag) und die Karten, die man bekommen kann, deutlich älter und ungenauer sind als Wanderkarten in Skandinavien (z.B. Bachläufe fehlen, die Baumgrenze ist nur ungefähr). Kurz gesagt verbrachten wir drei Tage im Park, merkten, dass wir die geplante Route nicht schafften, verliefen uns einmal und wurden vom Schnee überrascht. Ich hatte meine Schwester angewiesen, dass sie, sollte ich mich zu einen gewissen Datum nicht zurück gemeldet haben, die Ranger alamieren sollte. Leider wurde es absehbar, dass die Tour länger dauern würde. Und so brachen wir ab, liefen zur Straße zurück und fuhren zurück zum Pine Ridge CampGround, wo es auch erstmal zwei Tage weiterregnete. Da ich mich darüber ärgerte, nahm ich diese Sicherheitsmaßnahme bei der 2. Tour nicht vor, obwohl es hier eh keine Verlängerungsoption gegeben hätte. Dumm gelaufen!

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Übrigens: In den Gebieten, wo wir waren, gibt es keine Wege. Man läuft querfeldein nach Karte.
Also, der Eindruck war gewonnen. Zurück in Fairbanks planten wir zusammen mit dem Besitzer unserer Unterkunft (Svens Basecamp – große Empfehlung!), eben jenem Sven, eine Tour in den Gates of the Arctic Park. Sven empfahl uns eine Wanderung zu den Arrigetch Peaks. Landung am Circle Lake, Wanderung, Abholung durch das Wasserflugzeug am Takahula Lake.
Ich hatte die leise Hoffnung, in den Ranger Stations in Alaska vielleicht irgendwo einen Funksender leihen zu können - so kannte ich es von Neuseeland. Fehlanzeige: Wir bekamen für Notfälle von der Rangerin in Bettles nur zwei etwa spültuchgroße orangerote Tücher, die wir in Notfällen in eine Linie legen sollten. Es kämen genug Flugzeuge über und man würde uns so entdecken, so die Auskunft. Ein Spiegel wäre auch noch gut, um Lichtsignale zu geben. Nun gut.
In Bettles änderten wir noch kurzerhand den Plan auf Ankunft und Abholung Takahula Lake. So kämen wir zwar nicht ganz rauf zu den Peaks, aufgrund der Erfahrung im Denali war uns das aber sicherer, den Rückweg findet man gewiß. Eine weise Entscheidung.
Der Plan: So, 14.6. Abflug von Fairbanks nach Bettles, dann von Bettles zum Takahula Lake.
Am Fr. 19.6. Abholung vom Takahula Lake, morgens um 10 Uhr. Sollten wir nicht da sein, würden sie abends nochmal kommen. Sollten wir dann noch nicht da sein, dann am nächsten Morgen um 10.00 Uhr. Und dann würden sie die Hubschrauber losschicken, uns suchen... so war es mit Brooks Range Aviation ausgemacht.

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Wir landeten abends um 17:00 am Takahula Lake. Es war wunderschön, sehr heiß, und als das Flugzeug wieder abhob und davonflog, überkam mich kurz so ein Gefühl, dass ich ihm hinterher laufen wollte, dass es uns doch bitte wieder mitnimmt. Und dann umhüllte uns die Stille der Wildnis.

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Da hier alles bewaldet war und als Zeltplatz in Bärengebiet schlecht geeignet, wollten wir noch am selben Abend zu versuchen, aus der Baumzone rauszukommen. Nach einer Stunde am Strand, in der ich Bären- und mein Freund Wolfspuren entdeckte, zogen wir los.

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Es war sauanstrengend! Mal konnte man in dem Hang-Fichtenwald ganz gut laufen, dann ging es supersteile Hänge hoch und runter, der Wald war so dicht, dass man kaum durchkam und wenn man mal Pause machen wollte, fraßen einen die Mücken auf.
An diesem Tag ist einiges so richtig schief gelaufen. Dazu sei gesagt: ich bin Diabetikerin und habe seit einem Jahr eine Insulinpumpe. Die pumpt über Katheter Insulin in meinen Körper. Alle drei Tage muss ich den Katheter wechseln. Insgesamt drei Wechselkatheter hatte ich dabei, Insulin für drei Wochen, sowie zwei Einmalspritzen für Notfälle. An diesem ersten Tag verlor ich aus Versehen zwei Katheter, die ich mir gesetzt hatte. Katheter, die einmal gesetzt sind, kann man nicht wiederverwenden. Also blieb mir nur noch der, den ich gelegt hatte (und den ich wirklich gut festklebte mit Zusatzpflastern) und ein Katheter zum Wechseln. Außerdem ging mitten im Wald auf einmal das Bärspray von meinem Freund los. Die Schutzkappe hatte sich wie auch immer gelöst. Damit hatte er die halbe linke Bauch- und Hüftseite voll mit Pfefferspray, und da kein Wasser in der Nähe war, konnten wir es auch nicht wegwaschen.
Wir zelteten schließlich abends um 11 Uhr im Sumpf. Ich hatte einen Sonnenstich.
All das sprach uns ehrlich gesagt nicht sonderlich zu. Durch Wald zu laufen, wo man nichts sieht. Ich hatte in dieser undurchsichtigen Wildnis Angst vor Bären. Und da wir vor lauter Bäumen keine Übersicht gewannen, konnten wir auch kein Ende des Waldes ausmachen. Ich hatte Angst, auch noch den nächsten Katheter zu verlieren. Mein Freund hatte ziemliche Schmerzen aufgrund des Pfeffersprays, ich aufgrund des Sonnenstichs.
Dennoch wäre er weitergelaufen. Ich nicht. Ich weigerte mich schlichtweg, meine Grenze war erreicht, ich traute mich nicht weiter. Ich bestand darauf, zum Takahula Lake zurück zu laufen, dort das Zelt aufzuschlagen und Tagestouren zu machen. Nach einer Stunde harten Verhandlungen setzte ich mich durch. Dazu sei gesagt: Ich kann mich nicht erinnern, je so starrsinnig gewesen zu sein. Ich habe schon viel erlebt, aber diese Grenze habe ich zum ersten Mal in meinem Leben erreicht. Im Nachhinein bin ich mir sicher, es lag einfach daran, dass kein Kontakt zur Außenwelt möglich war. Ich hatte einfach unterschätzt, wie sehr mir das zusetzt. In Schweden war das kein Problem: Im Sarek gibt es ja ein Telefon in der Parkmitte. Und in Hornstrandir fanden wir hier und da Ferienhäuser, die besucht waren. In diesem Wald hätte man nicht einmal unsere orangeroten Spültücher entdeckt.
Wir fanden eine offene Stelle, schlugen unser Zelt auf und verbrachten nun die Tage Montag bis Freitag am See, um dem See... mit vielen kleinen Wanderungen, die hier nicht viel hergeben. Toll waren auf jeden Fall die Begegnung mit einem neugierigen Elch, heulende Wölfe und eine Eule, die des Nachts rief, außerdem ein Ohrentaucher und zwei arktische Taucher und ihr Gesang.
Einen Tag liefen wir zu einer Hütte, die wir am anderen Ende des Sees durch mein Fernglas entdeckt hatten. Die Hütte war verriegelt und das Gelände von einem Stromzaun umgeben und ziemlich viele Schilder wiesen darauf hin, dass Fremde nicht erwünscht waren. Kanus und mehrere dauerhaft aufgestellte Zelte waren vor Ort, ordentlich vertäut und abgeriegelt.

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Am Freitag packten wir dann unsere Sachen und warteten auf das Flugzeug. Und warteten. Und warteten. Kurz gesagt (und hier beginnt das Abenteuer): es kam nicht. Um 18 Uhr abends zog ein Gewitter auf, wir bauten das Zelt wieder auf und gingen (ohne Abendessen) ins Zelt. Wir hatten etwa noch Essen für zwei Tage. Ich dachte stundenlang drüber nach, was der Grund für das Ausbleiben des Flugzeugs sein könnte. Ich fand keinen, außer dass vielleicht das Flugzeug kaputt wäre... Wir machten uns große Sorgen und schmiedeten Pläne, falls das Flugzeug auch am kommenden Tag nicht käme.
Das war der Fall. Um 11 Uhr begannen wir, am Strand aus Steinen ein großes HELP zu bauen. Ich machte aus allen roten Sachen, die wir hatten: Isomatte, Schlafsack etc. eine lange rote Linie. Mit einer Rettungsdecke versuchten wir einem überfliegenden Flugzeug Lichtsignale zu geben. No Chance. So viel zu der Aussage der Rangerin.
Um 14 Uhr machte sich mein Freund alleine auf den Weg zur Hütte. Ich beobachtete ihn mit dem Fernglas, aufgrund der Entfernung sah ich aber nicht viel. Letztlich organisierte er ein Kanu, wir schafften unsere Habe hinüber zur Hütte und brachen in die Hütte ein. Was wirklich toll war!! Denn es gab Massen zu Essen in der Hütte. Da wir fast nichts gegessen hatten, um Vorräte zu sparen, war das wirklich erleichternd! Für mich jedoch rückte hier ein anderes Problem in den Vordergrund, nämlich meine schwindenden Insulinvorräte. So entschloss ich mich, keine Kohlenhydrate mehr zu essen, um Insulin zu sparen. Was nicht leicht ist, da fast überall Kohlenhydrate drin sind. Kurz gesagt meine Diät in den nächsten Tagen bestand aus Tomatensauce (der Besitzer der Hütte war Italiener), Bohnen, ekeligen abgelaufenen Würstchenkonserven, Salami, Nüssen, Olivenöl und ein bisschen Erdnussbutter.
Ehrlich gesagt hatte ich Angst, Angst sitzt im Bauch und entsprechend auch kaum Appetit. Ich aß sehr wenig.

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(Hier endet leider die Fotodokumentation - in den folgenden Tagen haben wir (leider) keine Fotos geschossen)
Dennoch: wir hatten ein richtiges Bett, es gab Wände zwischen mir und den Bären, vor denen ich Angst hatte, einen funktionierenden Gasherd, und eine Hütte voller Sachen, die helfen könnten. Wir durchsuchten alles, um irgendwas zu finden, ein Satellitentelefon... Signalpistolen usw. Wir fanden ein Funkgerät und Angler-Rauchsignale, davon insgesamt drei Stück. Wir versuchten zu funken, es waren sogar Frequenzen auf den Gerät verzeichnet, erreichten aber niemanden und bezweifelten beide die Fähigkeit des Geräts, um das 45 Flugminuten entfernte Bettles zu erreichen. An diesem Tag wäre unser Rückflug von Bettles nach Fairbank gegangen. Unser Nicht-Erscheinen schien keine Rettungsaktion auf den Plan gerufen zu haben. Offenbar blieben oft deutsche Touris oft einfach so in der Wildnis und kamen nicht zu ihrem Flug....kein Grund zur Sorge....
Am nächsten Tag, Sonntag, bastelten wir aus weißen und braunen Planen zwei riesige HELP Schilder, die wir am Strand mit Steinen beschwert gen Himmel ausrichteten. Ich kam mir vor wie in Cast away.
Abends machten wir uns mit einem Kanu auf den Weg, den Ausfluss vom Takahula Lake zu erkunden. Warten auf Hilfe war aufgrund meiner schwindenden Insulin-Vorräte keine Option; der Plan für den nächsten Tag stand. Ich hatte zum Glück eine Übersichtskarte vom Gates Park dabei. 1:250.000. Höhenlinien waren im Abstand 100m eingezeichnet. Im Nachbarcanyon zum Alatna war flussabwärts eine Lodge an einem See namens Iniakuk Lage verzeichnet, am Fuß des Mount Hal Weight. Der Weg war klar: Vom Takahula Lake in den Takahula River, von da in den Alatna, dann flußabwärts – anlegen und Boot verstauen und dann über einen Pass zu Fuß ins benachbarte Tal. Eine entsprechende Information über unsere Pläne hatten wir bei den Help Schildern und in der Hütte platziert.Wir packten, und ich präparierte meine Insulinpumpe mit Panzertape, um sie möglichst wasserdicht zu machen.
Einige Unsicherheiten blieben: Die Karte war von 2007. Wurde die Lodge noch betrieben? Außerdem war Mückenzeit: War überhaupt schon jemand da? Wir beide hatten die Lodge auf dem Hinflug gesehen. Würden wir es zurückschaffen, wenn nötig? Doch sitzen und warten war unerträglich. Also los.
Ich muss zugeben, das Paddeln war cool, hat mich herausgefordert und Spaß gemacht. Die Landschaft war vom See und Fluss aus war der Hammer. An allen Sandbänken, wo wir anlegten, waren Tierspuren zu sehen, die ich nur zu gern bestimmt hätte (unter anderen Voraussetzungen).
Ich saß hinten und hab gesteuert, da ich in so etwas erfahrener bin als mein Freund. Die Kurven vom Takahula River waren eng, aber alles ging gut. Wir wussten nicht, was uns mit dem Alatna erwartet. Und so paddelten wir vorsichtig hinein: Der Alatna ist etwas breiter als der Main, sandig und undurchsichtig mit einer sehr ruhigen Strömung. Oftmals gab es Sandbänke an den Innenkanten der Mäander, die wir aber gut sahen und geschickt umfuhren. Es war einzigartig, auf so einem unberührten breiten Fluss zu fahren und zu erfahren, wie ein Fluss verläuft, wenn er weder begradigt noch ausgebaggert noch mit Buhnen befestigt ist.
Wir kamen gut voran und waren etwa um 17 Uhr an einer Stelle, die wir für geeignet für den Übergang zum Nachbarflußtal hielten. Dennoch hatte ich die ganze Zeit den Gedanken im Kopf, dass dies ein „One way ticket“ ist, und dass der Weg zur Hütte zurück unmöglich zu schaffen ist. Und sagt man nicht immer, man soll – ist man in Not – da bleiben, wo man ist und auf Hilfe warten? Und was machten wir da? So ungefähr genau das Gegenteil. Doch: Wir hatten auch den ganzen Tag kein einziges Flugzeug gesehen... an der Hütte bleiben hätte uns also auch nicht gerettet.
Schließlich bestimmten wir eine gute Stelle für die Passüberquerung. Im Nachhinein – nach gründlichem Studium der Karte, wäre ein Mäander weiter vermutlich schlauer gewesen – vielleicht hätten wir es dann sogar geschafft...
Es war heiß wie jeden Tag als wir den Aufstieg begannen. Wir hatten unser gesamtes Gepäck dabei, und ich dabei einen Haufen kohlenhydratfreier Konserven (nicht leicht!) und der Hang war sehr sehr steil. Gefühlt bin ich an dem Abend fünf Schritte geklettert und musste dann zwei Minuten wieder zu Atem kommen. Zu meiner Verteidung sei gesagt, dass ich ja kaum noch aß, um Insulin zu sparen. Was mir übrigens gut gelang – ich war auf 1/3 der normalen Verbrauchsmenge zurückgegangen. Ca. um 19 Uhr kamen wir oben an. Vor mir in erreichbarer Ferne sah ich den Berg, wo wir hinwollten: Mount Hal Weight. Wir setzen uns eine Weile und ich startete eine Zwei Punkt-Peilung, um unsere Position zu bestimmen. Mein Freund schaute dabei kritisch auf die Berge und verglich sie mit der Karte. An dieser Stelle sei zugegeben, dass ich ein ziemlicher Orientierungslegasteniker bin und gerne mal mein Wunschdenken mit der Realität verwechsle. Deswegen reise ich nur mit Menschen, denen ich vorbehaltlos die Führung anvertrauen kann. Kurz gesagt: Der Mount Hal Weight war nicht der Berg vor uns, sondern der Berg vor uns war auf der Karte der, der direkt neben uns liegen sollte und vor uns war ein riesiges Sacktal, bewachsen mit Fichten und ohne den geringsten Tropfen Wasser (laut Karte und laut Sicht). Der ersehnte Mount Hal Weight war in der Ferne nur schemenhaft zu sehen. Ich war total fertig, hatte einen Sonnenstich und wir hatten noch ca. ¾ Liter Wasser dabei.
Und so saßen wir erstmal da und dachten nach. Einmal wollte ich weiter und BearGrylls Style halt einfach in die Flasche pinkeln um unser Wasserproblem zu lösen, ein andernmal bildete ich mir ein, Wasser zu hören und machte mich vorsichtig auf die Suche nach der vermeintlichen Quelle, um nichts zu finden. Wir wägten ab, hin und her... wie wahrscheinlich das wäre, im Tal Wasser zu finden... Letztlich, nach längerer Beratung siegte die Vernunft und wir beschlossen, zur Hütte zurückzukehren. Erstens war die Not nicht so groß, unser Leben durch Verdursten zu riskieren, zweitens hatten wir keine Behälter dabei, genug Wasser zu transportieren (und ich konnte auch kräftetechnisch nicht – ich war eh schon dabei, jeden Tag den Gürtel enger zu schnallen) und drittens wäre ich nie alleine am Strand zurückgeblieben, während mein Freund es alleine versucht. Wir hatten nur uns, uns zu verlieren, wäre einfach nur dumm und leichtsinnig gewesen. Alleine wäre niemand von uns zurück Hütte gelangt.
Wir paddelten an dem Abend noch eine Stunde flußaufwärts und stellten fest, dass wir durchaus vorankamen, wenn auch wesentlich mühseliger als auf der Hinfahrt. Meine Angst, die ich auf der Hinfahrt hatte, dass eine Rückkehr unmöglich sei, legte sich. Ich schätzte zu dem Zeitpunkt, dass wir mindestens zwei Tage zurück brauchen würden. Auch an diesem Abend ging ich mit Sonnenstich ins Zelt, wachte aber zum Glück am nächsten Tag schmerzfrei auf.
Tatsächlich schafften wir an diesem Tag die komplette Rückfahrt, 13 Stunden paddeln stromaufwärts, klitzekleine Pausen mit ein paar Nüssen – ich unterzuckerte sogar trotz reduzierter Insulinzufuhr. Meist paddelten wir, mal treidelten wir das Kanu an Sandbänken entlang, weil es anders nicht ging. Um 22 Uhr abends brachen wir erneut in unsere Hütte ein und schliefen erschöpft bis 11 Uhr am folgenden Tag. Ich brauchte an diesem Tag bis etwa um 15 Uhr, um wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen. Der Tag vorher hatte seinen Tribut gefordert. Und Tomatensauce stellt die Kräfte nicht so schnell wieder her, wie Nudelgerichte das vermögen. Mein Freund studierte, während ich halb vor mich hin döste, in allen Einzelheiten die Gebrauchsanleitung für das Funkgerät und versuchte weiter, über Funk jemanden zu erreichen. Unsere Hoffnung war, überfliegende Flugzeuge anfunken zu können. Doch unter der Woche schien leider kaum jemand hier langzufliegen. Zum Funken gingen wir immer auf Hügel hinter der Hütte, von wo wir uns besseren Empfang versprachen.
Nach weiterem Durchwühlen persönlicher Dokumente des Hüttenbesitzers Francesco fand ich einen Bericht über zwei Alaskaner und deren Abenteuer in der Brooks-Range Ende der 80ger Jahre. Deren Geschichte war unglaublich; unser Abenteuer schien mir wie ein Sonntagsausflug dagegen. (Sie waren mehrere Wochen in der BrooksRange unterwegs, verloren ihr Raft, bastelten sich ein Floß, fielen damit Stromschnellen und Wasserfälle runter usw. und wurden getrennt und fanden sich wieder und wurden schließlich von einem zufällig vorbeikommenden Hubschrauber gerettet). Doch ich las den Text nicht nur aus Faszination: ich fand auch die wichtige Information, dass Alakaket – ein Ort am Alatna, der auf unserer Übersichtskarte nur mit Namen und Flugplatz angegeben war, bewohnt war. Die von euch, die sich dort auskennen, werden jetzt vielleicht den Kopf schütteln, weil man auf dem Hinweg nach Bettles ja sogar in Alakaket zwischenlandet. Aber wir hatten nicht mitbekommen, dass es sich um Alakaket handelt. Und unsere Vorabinfos über den Park waren zugegebenermaßen dürftig. Und mit dem Kanu 150 km zum südlichen Rand unserer einzigen Karte flußabwärts zu paddeln ohne die tatsächliche Gewissheit, dort jemanden zu finden – und dann nicht zurückzukönnen, schien uns keine gute Idee. Aber hier war nun Hoffnung: Alakaket lag etwa 150 km stromabwärts vom Takahula Lake, der Alatna war gut befahrbar, und mein Insulin reichte bei gleichbleibender Diät noch für drei Wochen oder länger. Ein bisschen kribbelte es mich in den Fingern...das würde sicher eine aufregende Tour.
Es war Mittwoch, und am Samstag ging unser Flug heim nach Frankfurt. Wir könnten warten, bis vielleicht unsere Eltern und unsere Arbeitgeber sich wunderten, warum wir uns nicht melden und nicht zur Arbeit kämen. Ich hatte eine Angel dabei konnte versuchen, Fisch für mich zu bekommen. Außerdem kamen am Wochenende tatsächlich täglich bis zu zwei Flugzeuge über, und wir hatten noch zwei Rauchsignale über. An diesem Mittwoch kehrte zwar langsam das drückende Angstgefühl im Bauch wieder zurück, die durch die körperliche Erschöpfung und die Erleichterung, wieder in der Hütte zu sein, zurückgegangen war. Dennoch schienen mir die Wahrscheinlichkeit, hier bald rauszukommen, immer höher. Und so verbrachte ich den Mittwoch und den Donnerstag morgen zwischen Karten, Funkgerät, einem Buch über Wunderheilung (in der Hütte gab es alles und eine funktionierende Bauchspeicheldrüse würde viele Probleme lösen..) und Tomatensauce und Erdnussbutter.
Und dann hörten wir, Donnerstag Mittag, wie schon oft in den vorigen Tagen, die entfernten Geräusche eines Flugzeugs. Doch diesmal sollte es nicht an uns vorbeifliegen. Brooks Range Aviation brachte zwei neue Passagiere zum Takahula Lake. Außerdem waren wir ihnen wohl wieder eingefallen. Ich frage mich noch heute, was wohl diese beiden Touris gedacht haben, als sie unsere HELP Schilder von oben sahen.
Mein Freund und ich sahen das Flugzeug landen, starteten sofort ein Rauchsignal, schrien so laut wir konnten, sprangen ins Kanu und paddelten so schnell wir konnten auf das Flugzeug zu. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Wir packten mit dem Piloten alles zusammen und verriegelten die Hütte. BRA empfing uns mit einer Pizza und vielen Entschuldigungen. Ich heulte vor Wut und erklärte deutlich, dass das wirklich eine Scheiss-Aktion war. Jenny, die Verantwortliche, entschuldigte sich tausendmal und erklärte mir, dass ihr das in 25 Jahren noch nie passiert war; Es war schlicht und einfach ein Verfahrensfehler im Büro gewesen. BRA zahlte uns das Geld zurück und organsierte uns ins nächste Flugzeug zurück nach Fairbanks. In Svens Basecamp hatten sich die Angestellten schon gewundert, hatten sie uns doch schon vor einer Woche zurückerwartet. Unsere Geschichte erregte im Camp einiges an Aufsehen.
Es bleibt zu berichten, dass ich noch mindestens eine Woche lang in meinen Träumen auf die Hütte zurückkehrte, orientierungslos morgens aufwachte und es eine Weile und viele Gespräche dauerte, dieses Abenteuer zu verarbeiten. Dennoch bin ich nicht undankbar, es erlebt zu haben. Nun weiß ich, was es heisst, in Sicherheit zu sein. Und ich weiß, wie es sich anfühlt, ein Abenteuer zu erleben, was ich mir heimlich vielleicht immer mal gewünscht hatte. Dennoch werde ich mir wohl für weitere Touren ein Satellitentelefon anschaffen und nie mehr nur mit Insulinpumpe verreisen, sondern immer Spritzen und Insulinvorräte für Monate mitnehmen.
Einen Monat später ging meine Pumpe kaputt. Einfach so. Ohne Insulin bleiben mir etwa 3-5 Tage.
Da ich nicht weiß, wie es hier im Forum zugeht, hoffe ich, dass euch bewusst ist, dass sechs Tage in der Wildnis genug Zeit ist darüber nachzudenken, wie sinnvoll ein Satellitentelefon gewesen wäre und was man auch sonst noch hätte besser vorbereiten können. Davon abgesehen bin ich mit dem Großteil der Entscheidungen, die wir in unserer Not trafen, zufrieden.
Die Tour den Alatna runter vom Takahula Lake nach Alakaket steht sogar in meinem Reiseführer, den ich aus dummen Gewichtsersparnisgründen in Deutschland gelassen hatte... ich kann sie jedem empfehlen, ich denke, sie ist wunderschön. Wir überlegen, sie vielleicht irgendwann mal zu machen. So als Konfrontations-Therapie. Vielleicht lerne ich vorher schießen, da ich die Angst, hinter jedem Baum sitzt ein Bär, trotz vieler eingängiger und logischer Argumente einfach nicht in Griff bekommen habe. (kleiner Scherz)
dies ist mein erster Reisebericht in diesem Forum: Er ist sehr sehr lang geworden, da das Abenteuer, dass wir erlebt haben, nicht in wenigen Worten erzählt werden kann. Und trotzdem es nur 12 Tage sind, über die ich schreibe, habe ich viele Details ausgelassen. Wer dazu Fragen hat, kann sie gerne stellen.
Ich tue mich ein wenig schwer, von dieser Reise zu berichten, da viele Gefühle damit verbunden sind und vielleicht auch einige blöde Fehler unsererseits dabei sind, die zuzugeben mir schwerfällt. Alaska für uns zu einem Abenteuer geworden ist, das ich wohl nur einmal im Leben erleben werden – so hoffe ich. Unsere Reise in die Brooks Range verlief nicht wie geplant – 6 Tage, 5 Nächte. Sondern es wurde ein Abenteuer von 12 Tagen, 6 ungeplante, an denen wir nicht wussten, ob und wie wir da wieder raus kommen.
Doch ich berichte von Anfang an.
Wir, das sind mein Freund (39) und ich (34), seit 2012 ein Paar, und jedes Jahr im Sommerurlaub geht es drei Wochen irgendwo in die Wildnis. 2013 nach Island: Laugar Vegur, Fimmvörðuháls und Hornstrandir sowie 2014 Norwegen / Schweden (9 Tage Pandjelanta - Sarek Durchquerung) Wir glaubten uns fit genug für Alaska und hatten Bock auf die totale Wildnis. Ich bin bereits seit 2003 nur noch Wanderurlauberin; und mein Freund steht mir in nichts nach.
Unseren Einstieg in Alaska fanden wir im Denali Nationalpark. Ich dachte, es sei eine gute Idee, erstmal einen Eindruck von der Landschaft zu bekommen, außerdem zum Wandern im Bärengebiet, und zwar „in sicheren Verhältnissen“, in einem Park, aus dem man schnell und einfach wieder rauskommt. Letztlich war das sehr schlau, denn wir durften feststellen, dass es wesentlich schwieriger war, gute Stellen zum Zelten zu finden (weiter Blick, nah am Wasser), man aufgrund der Vegetation erheblich schlechter vorankommt (von Kniehoch bis Wald, wir schafften kaum fünf Meilen am Tag) und die Karten, die man bekommen kann, deutlich älter und ungenauer sind als Wanderkarten in Skandinavien (z.B. Bachläufe fehlen, die Baumgrenze ist nur ungefähr). Kurz gesagt verbrachten wir drei Tage im Park, merkten, dass wir die geplante Route nicht schafften, verliefen uns einmal und wurden vom Schnee überrascht. Ich hatte meine Schwester angewiesen, dass sie, sollte ich mich zu einen gewissen Datum nicht zurück gemeldet haben, die Ranger alamieren sollte. Leider wurde es absehbar, dass die Tour länger dauern würde. Und so brachen wir ab, liefen zur Straße zurück und fuhren zurück zum Pine Ridge CampGround, wo es auch erstmal zwei Tage weiterregnete. Da ich mich darüber ärgerte, nahm ich diese Sicherheitsmaßnahme bei der 2. Tour nicht vor, obwohl es hier eh keine Verlängerungsoption gegeben hätte. Dumm gelaufen!
Übrigens: In den Gebieten, wo wir waren, gibt es keine Wege. Man läuft querfeldein nach Karte.
Also, der Eindruck war gewonnen. Zurück in Fairbanks planten wir zusammen mit dem Besitzer unserer Unterkunft (Svens Basecamp – große Empfehlung!), eben jenem Sven, eine Tour in den Gates of the Arctic Park. Sven empfahl uns eine Wanderung zu den Arrigetch Peaks. Landung am Circle Lake, Wanderung, Abholung durch das Wasserflugzeug am Takahula Lake.
Ich hatte die leise Hoffnung, in den Ranger Stations in Alaska vielleicht irgendwo einen Funksender leihen zu können - so kannte ich es von Neuseeland. Fehlanzeige: Wir bekamen für Notfälle von der Rangerin in Bettles nur zwei etwa spültuchgroße orangerote Tücher, die wir in Notfällen in eine Linie legen sollten. Es kämen genug Flugzeuge über und man würde uns so entdecken, so die Auskunft. Ein Spiegel wäre auch noch gut, um Lichtsignale zu geben. Nun gut.
In Bettles änderten wir noch kurzerhand den Plan auf Ankunft und Abholung Takahula Lake. So kämen wir zwar nicht ganz rauf zu den Peaks, aufgrund der Erfahrung im Denali war uns das aber sicherer, den Rückweg findet man gewiß. Eine weise Entscheidung.
Der Plan: So, 14.6. Abflug von Fairbanks nach Bettles, dann von Bettles zum Takahula Lake.
Am Fr. 19.6. Abholung vom Takahula Lake, morgens um 10 Uhr. Sollten wir nicht da sein, würden sie abends nochmal kommen. Sollten wir dann noch nicht da sein, dann am nächsten Morgen um 10.00 Uhr. Und dann würden sie die Hubschrauber losschicken, uns suchen... so war es mit Brooks Range Aviation ausgemacht.
Wir landeten abends um 17:00 am Takahula Lake. Es war wunderschön, sehr heiß, und als das Flugzeug wieder abhob und davonflog, überkam mich kurz so ein Gefühl, dass ich ihm hinterher laufen wollte, dass es uns doch bitte wieder mitnimmt. Und dann umhüllte uns die Stille der Wildnis.
Da hier alles bewaldet war und als Zeltplatz in Bärengebiet schlecht geeignet, wollten wir noch am selben Abend zu versuchen, aus der Baumzone rauszukommen. Nach einer Stunde am Strand, in der ich Bären- und mein Freund Wolfspuren entdeckte, zogen wir los.
Es war sauanstrengend! Mal konnte man in dem Hang-Fichtenwald ganz gut laufen, dann ging es supersteile Hänge hoch und runter, der Wald war so dicht, dass man kaum durchkam und wenn man mal Pause machen wollte, fraßen einen die Mücken auf.
An diesem Tag ist einiges so richtig schief gelaufen. Dazu sei gesagt: ich bin Diabetikerin und habe seit einem Jahr eine Insulinpumpe. Die pumpt über Katheter Insulin in meinen Körper. Alle drei Tage muss ich den Katheter wechseln. Insgesamt drei Wechselkatheter hatte ich dabei, Insulin für drei Wochen, sowie zwei Einmalspritzen für Notfälle. An diesem ersten Tag verlor ich aus Versehen zwei Katheter, die ich mir gesetzt hatte. Katheter, die einmal gesetzt sind, kann man nicht wiederverwenden. Also blieb mir nur noch der, den ich gelegt hatte (und den ich wirklich gut festklebte mit Zusatzpflastern) und ein Katheter zum Wechseln. Außerdem ging mitten im Wald auf einmal das Bärspray von meinem Freund los. Die Schutzkappe hatte sich wie auch immer gelöst. Damit hatte er die halbe linke Bauch- und Hüftseite voll mit Pfefferspray, und da kein Wasser in der Nähe war, konnten wir es auch nicht wegwaschen.
Wir zelteten schließlich abends um 11 Uhr im Sumpf. Ich hatte einen Sonnenstich.
All das sprach uns ehrlich gesagt nicht sonderlich zu. Durch Wald zu laufen, wo man nichts sieht. Ich hatte in dieser undurchsichtigen Wildnis Angst vor Bären. Und da wir vor lauter Bäumen keine Übersicht gewannen, konnten wir auch kein Ende des Waldes ausmachen. Ich hatte Angst, auch noch den nächsten Katheter zu verlieren. Mein Freund hatte ziemliche Schmerzen aufgrund des Pfeffersprays, ich aufgrund des Sonnenstichs.
Dennoch wäre er weitergelaufen. Ich nicht. Ich weigerte mich schlichtweg, meine Grenze war erreicht, ich traute mich nicht weiter. Ich bestand darauf, zum Takahula Lake zurück zu laufen, dort das Zelt aufzuschlagen und Tagestouren zu machen. Nach einer Stunde harten Verhandlungen setzte ich mich durch. Dazu sei gesagt: Ich kann mich nicht erinnern, je so starrsinnig gewesen zu sein. Ich habe schon viel erlebt, aber diese Grenze habe ich zum ersten Mal in meinem Leben erreicht. Im Nachhinein bin ich mir sicher, es lag einfach daran, dass kein Kontakt zur Außenwelt möglich war. Ich hatte einfach unterschätzt, wie sehr mir das zusetzt. In Schweden war das kein Problem: Im Sarek gibt es ja ein Telefon in der Parkmitte. Und in Hornstrandir fanden wir hier und da Ferienhäuser, die besucht waren. In diesem Wald hätte man nicht einmal unsere orangeroten Spültücher entdeckt.
Wir fanden eine offene Stelle, schlugen unser Zelt auf und verbrachten nun die Tage Montag bis Freitag am See, um dem See... mit vielen kleinen Wanderungen, die hier nicht viel hergeben. Toll waren auf jeden Fall die Begegnung mit einem neugierigen Elch, heulende Wölfe und eine Eule, die des Nachts rief, außerdem ein Ohrentaucher und zwei arktische Taucher und ihr Gesang.
Einen Tag liefen wir zu einer Hütte, die wir am anderen Ende des Sees durch mein Fernglas entdeckt hatten. Die Hütte war verriegelt und das Gelände von einem Stromzaun umgeben und ziemlich viele Schilder wiesen darauf hin, dass Fremde nicht erwünscht waren. Kanus und mehrere dauerhaft aufgestellte Zelte waren vor Ort, ordentlich vertäut und abgeriegelt.
Am Freitag packten wir dann unsere Sachen und warteten auf das Flugzeug. Und warteten. Und warteten. Kurz gesagt (und hier beginnt das Abenteuer): es kam nicht. Um 18 Uhr abends zog ein Gewitter auf, wir bauten das Zelt wieder auf und gingen (ohne Abendessen) ins Zelt. Wir hatten etwa noch Essen für zwei Tage. Ich dachte stundenlang drüber nach, was der Grund für das Ausbleiben des Flugzeugs sein könnte. Ich fand keinen, außer dass vielleicht das Flugzeug kaputt wäre... Wir machten uns große Sorgen und schmiedeten Pläne, falls das Flugzeug auch am kommenden Tag nicht käme.
Das war der Fall. Um 11 Uhr begannen wir, am Strand aus Steinen ein großes HELP zu bauen. Ich machte aus allen roten Sachen, die wir hatten: Isomatte, Schlafsack etc. eine lange rote Linie. Mit einer Rettungsdecke versuchten wir einem überfliegenden Flugzeug Lichtsignale zu geben. No Chance. So viel zu der Aussage der Rangerin.
Um 14 Uhr machte sich mein Freund alleine auf den Weg zur Hütte. Ich beobachtete ihn mit dem Fernglas, aufgrund der Entfernung sah ich aber nicht viel. Letztlich organisierte er ein Kanu, wir schafften unsere Habe hinüber zur Hütte und brachen in die Hütte ein. Was wirklich toll war!! Denn es gab Massen zu Essen in der Hütte. Da wir fast nichts gegessen hatten, um Vorräte zu sparen, war das wirklich erleichternd! Für mich jedoch rückte hier ein anderes Problem in den Vordergrund, nämlich meine schwindenden Insulinvorräte. So entschloss ich mich, keine Kohlenhydrate mehr zu essen, um Insulin zu sparen. Was nicht leicht ist, da fast überall Kohlenhydrate drin sind. Kurz gesagt meine Diät in den nächsten Tagen bestand aus Tomatensauce (der Besitzer der Hütte war Italiener), Bohnen, ekeligen abgelaufenen Würstchenkonserven, Salami, Nüssen, Olivenöl und ein bisschen Erdnussbutter.
Ehrlich gesagt hatte ich Angst, Angst sitzt im Bauch und entsprechend auch kaum Appetit. Ich aß sehr wenig.
(Hier endet leider die Fotodokumentation - in den folgenden Tagen haben wir (leider) keine Fotos geschossen)
Dennoch: wir hatten ein richtiges Bett, es gab Wände zwischen mir und den Bären, vor denen ich Angst hatte, einen funktionierenden Gasherd, und eine Hütte voller Sachen, die helfen könnten. Wir durchsuchten alles, um irgendwas zu finden, ein Satellitentelefon... Signalpistolen usw. Wir fanden ein Funkgerät und Angler-Rauchsignale, davon insgesamt drei Stück. Wir versuchten zu funken, es waren sogar Frequenzen auf den Gerät verzeichnet, erreichten aber niemanden und bezweifelten beide die Fähigkeit des Geräts, um das 45 Flugminuten entfernte Bettles zu erreichen. An diesem Tag wäre unser Rückflug von Bettles nach Fairbank gegangen. Unser Nicht-Erscheinen schien keine Rettungsaktion auf den Plan gerufen zu haben. Offenbar blieben oft deutsche Touris oft einfach so in der Wildnis und kamen nicht zu ihrem Flug....kein Grund zur Sorge....
Am nächsten Tag, Sonntag, bastelten wir aus weißen und braunen Planen zwei riesige HELP Schilder, die wir am Strand mit Steinen beschwert gen Himmel ausrichteten. Ich kam mir vor wie in Cast away.
Abends machten wir uns mit einem Kanu auf den Weg, den Ausfluss vom Takahula Lake zu erkunden. Warten auf Hilfe war aufgrund meiner schwindenden Insulin-Vorräte keine Option; der Plan für den nächsten Tag stand. Ich hatte zum Glück eine Übersichtskarte vom Gates Park dabei. 1:250.000. Höhenlinien waren im Abstand 100m eingezeichnet. Im Nachbarcanyon zum Alatna war flussabwärts eine Lodge an einem See namens Iniakuk Lage verzeichnet, am Fuß des Mount Hal Weight. Der Weg war klar: Vom Takahula Lake in den Takahula River, von da in den Alatna, dann flußabwärts – anlegen und Boot verstauen und dann über einen Pass zu Fuß ins benachbarte Tal. Eine entsprechende Information über unsere Pläne hatten wir bei den Help Schildern und in der Hütte platziert.Wir packten, und ich präparierte meine Insulinpumpe mit Panzertape, um sie möglichst wasserdicht zu machen.
Einige Unsicherheiten blieben: Die Karte war von 2007. Wurde die Lodge noch betrieben? Außerdem war Mückenzeit: War überhaupt schon jemand da? Wir beide hatten die Lodge auf dem Hinflug gesehen. Würden wir es zurückschaffen, wenn nötig? Doch sitzen und warten war unerträglich. Also los.
Ich muss zugeben, das Paddeln war cool, hat mich herausgefordert und Spaß gemacht. Die Landschaft war vom See und Fluss aus war der Hammer. An allen Sandbänken, wo wir anlegten, waren Tierspuren zu sehen, die ich nur zu gern bestimmt hätte (unter anderen Voraussetzungen).
Ich saß hinten und hab gesteuert, da ich in so etwas erfahrener bin als mein Freund. Die Kurven vom Takahula River waren eng, aber alles ging gut. Wir wussten nicht, was uns mit dem Alatna erwartet. Und so paddelten wir vorsichtig hinein: Der Alatna ist etwas breiter als der Main, sandig und undurchsichtig mit einer sehr ruhigen Strömung. Oftmals gab es Sandbänke an den Innenkanten der Mäander, die wir aber gut sahen und geschickt umfuhren. Es war einzigartig, auf so einem unberührten breiten Fluss zu fahren und zu erfahren, wie ein Fluss verläuft, wenn er weder begradigt noch ausgebaggert noch mit Buhnen befestigt ist.
Wir kamen gut voran und waren etwa um 17 Uhr an einer Stelle, die wir für geeignet für den Übergang zum Nachbarflußtal hielten. Dennoch hatte ich die ganze Zeit den Gedanken im Kopf, dass dies ein „One way ticket“ ist, und dass der Weg zur Hütte zurück unmöglich zu schaffen ist. Und sagt man nicht immer, man soll – ist man in Not – da bleiben, wo man ist und auf Hilfe warten? Und was machten wir da? So ungefähr genau das Gegenteil. Doch: Wir hatten auch den ganzen Tag kein einziges Flugzeug gesehen... an der Hütte bleiben hätte uns also auch nicht gerettet.
Schließlich bestimmten wir eine gute Stelle für die Passüberquerung. Im Nachhinein – nach gründlichem Studium der Karte, wäre ein Mäander weiter vermutlich schlauer gewesen – vielleicht hätten wir es dann sogar geschafft...
Es war heiß wie jeden Tag als wir den Aufstieg begannen. Wir hatten unser gesamtes Gepäck dabei, und ich dabei einen Haufen kohlenhydratfreier Konserven (nicht leicht!) und der Hang war sehr sehr steil. Gefühlt bin ich an dem Abend fünf Schritte geklettert und musste dann zwei Minuten wieder zu Atem kommen. Zu meiner Verteidung sei gesagt, dass ich ja kaum noch aß, um Insulin zu sparen. Was mir übrigens gut gelang – ich war auf 1/3 der normalen Verbrauchsmenge zurückgegangen. Ca. um 19 Uhr kamen wir oben an. Vor mir in erreichbarer Ferne sah ich den Berg, wo wir hinwollten: Mount Hal Weight. Wir setzen uns eine Weile und ich startete eine Zwei Punkt-Peilung, um unsere Position zu bestimmen. Mein Freund schaute dabei kritisch auf die Berge und verglich sie mit der Karte. An dieser Stelle sei zugegeben, dass ich ein ziemlicher Orientierungslegasteniker bin und gerne mal mein Wunschdenken mit der Realität verwechsle. Deswegen reise ich nur mit Menschen, denen ich vorbehaltlos die Führung anvertrauen kann. Kurz gesagt: Der Mount Hal Weight war nicht der Berg vor uns, sondern der Berg vor uns war auf der Karte der, der direkt neben uns liegen sollte und vor uns war ein riesiges Sacktal, bewachsen mit Fichten und ohne den geringsten Tropfen Wasser (laut Karte und laut Sicht). Der ersehnte Mount Hal Weight war in der Ferne nur schemenhaft zu sehen. Ich war total fertig, hatte einen Sonnenstich und wir hatten noch ca. ¾ Liter Wasser dabei.
Und so saßen wir erstmal da und dachten nach. Einmal wollte ich weiter und BearGrylls Style halt einfach in die Flasche pinkeln um unser Wasserproblem zu lösen, ein andernmal bildete ich mir ein, Wasser zu hören und machte mich vorsichtig auf die Suche nach der vermeintlichen Quelle, um nichts zu finden. Wir wägten ab, hin und her... wie wahrscheinlich das wäre, im Tal Wasser zu finden... Letztlich, nach längerer Beratung siegte die Vernunft und wir beschlossen, zur Hütte zurückzukehren. Erstens war die Not nicht so groß, unser Leben durch Verdursten zu riskieren, zweitens hatten wir keine Behälter dabei, genug Wasser zu transportieren (und ich konnte auch kräftetechnisch nicht – ich war eh schon dabei, jeden Tag den Gürtel enger zu schnallen) und drittens wäre ich nie alleine am Strand zurückgeblieben, während mein Freund es alleine versucht. Wir hatten nur uns, uns zu verlieren, wäre einfach nur dumm und leichtsinnig gewesen. Alleine wäre niemand von uns zurück Hütte gelangt.
Wir paddelten an dem Abend noch eine Stunde flußaufwärts und stellten fest, dass wir durchaus vorankamen, wenn auch wesentlich mühseliger als auf der Hinfahrt. Meine Angst, die ich auf der Hinfahrt hatte, dass eine Rückkehr unmöglich sei, legte sich. Ich schätzte zu dem Zeitpunkt, dass wir mindestens zwei Tage zurück brauchen würden. Auch an diesem Abend ging ich mit Sonnenstich ins Zelt, wachte aber zum Glück am nächsten Tag schmerzfrei auf.
Tatsächlich schafften wir an diesem Tag die komplette Rückfahrt, 13 Stunden paddeln stromaufwärts, klitzekleine Pausen mit ein paar Nüssen – ich unterzuckerte sogar trotz reduzierter Insulinzufuhr. Meist paddelten wir, mal treidelten wir das Kanu an Sandbänken entlang, weil es anders nicht ging. Um 22 Uhr abends brachen wir erneut in unsere Hütte ein und schliefen erschöpft bis 11 Uhr am folgenden Tag. Ich brauchte an diesem Tag bis etwa um 15 Uhr, um wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen. Der Tag vorher hatte seinen Tribut gefordert. Und Tomatensauce stellt die Kräfte nicht so schnell wieder her, wie Nudelgerichte das vermögen. Mein Freund studierte, während ich halb vor mich hin döste, in allen Einzelheiten die Gebrauchsanleitung für das Funkgerät und versuchte weiter, über Funk jemanden zu erreichen. Unsere Hoffnung war, überfliegende Flugzeuge anfunken zu können. Doch unter der Woche schien leider kaum jemand hier langzufliegen. Zum Funken gingen wir immer auf Hügel hinter der Hütte, von wo wir uns besseren Empfang versprachen.
Nach weiterem Durchwühlen persönlicher Dokumente des Hüttenbesitzers Francesco fand ich einen Bericht über zwei Alaskaner und deren Abenteuer in der Brooks-Range Ende der 80ger Jahre. Deren Geschichte war unglaublich; unser Abenteuer schien mir wie ein Sonntagsausflug dagegen. (Sie waren mehrere Wochen in der BrooksRange unterwegs, verloren ihr Raft, bastelten sich ein Floß, fielen damit Stromschnellen und Wasserfälle runter usw. und wurden getrennt und fanden sich wieder und wurden schließlich von einem zufällig vorbeikommenden Hubschrauber gerettet). Doch ich las den Text nicht nur aus Faszination: ich fand auch die wichtige Information, dass Alakaket – ein Ort am Alatna, der auf unserer Übersichtskarte nur mit Namen und Flugplatz angegeben war, bewohnt war. Die von euch, die sich dort auskennen, werden jetzt vielleicht den Kopf schütteln, weil man auf dem Hinweg nach Bettles ja sogar in Alakaket zwischenlandet. Aber wir hatten nicht mitbekommen, dass es sich um Alakaket handelt. Und unsere Vorabinfos über den Park waren zugegebenermaßen dürftig. Und mit dem Kanu 150 km zum südlichen Rand unserer einzigen Karte flußabwärts zu paddeln ohne die tatsächliche Gewissheit, dort jemanden zu finden – und dann nicht zurückzukönnen, schien uns keine gute Idee. Aber hier war nun Hoffnung: Alakaket lag etwa 150 km stromabwärts vom Takahula Lake, der Alatna war gut befahrbar, und mein Insulin reichte bei gleichbleibender Diät noch für drei Wochen oder länger. Ein bisschen kribbelte es mich in den Fingern...das würde sicher eine aufregende Tour.
Es war Mittwoch, und am Samstag ging unser Flug heim nach Frankfurt. Wir könnten warten, bis vielleicht unsere Eltern und unsere Arbeitgeber sich wunderten, warum wir uns nicht melden und nicht zur Arbeit kämen. Ich hatte eine Angel dabei konnte versuchen, Fisch für mich zu bekommen. Außerdem kamen am Wochenende tatsächlich täglich bis zu zwei Flugzeuge über, und wir hatten noch zwei Rauchsignale über. An diesem Mittwoch kehrte zwar langsam das drückende Angstgefühl im Bauch wieder zurück, die durch die körperliche Erschöpfung und die Erleichterung, wieder in der Hütte zu sein, zurückgegangen war. Dennoch schienen mir die Wahrscheinlichkeit, hier bald rauszukommen, immer höher. Und so verbrachte ich den Mittwoch und den Donnerstag morgen zwischen Karten, Funkgerät, einem Buch über Wunderheilung (in der Hütte gab es alles und eine funktionierende Bauchspeicheldrüse würde viele Probleme lösen..) und Tomatensauce und Erdnussbutter.
Und dann hörten wir, Donnerstag Mittag, wie schon oft in den vorigen Tagen, die entfernten Geräusche eines Flugzeugs. Doch diesmal sollte es nicht an uns vorbeifliegen. Brooks Range Aviation brachte zwei neue Passagiere zum Takahula Lake. Außerdem waren wir ihnen wohl wieder eingefallen. Ich frage mich noch heute, was wohl diese beiden Touris gedacht haben, als sie unsere HELP Schilder von oben sahen.
Mein Freund und ich sahen das Flugzeug landen, starteten sofort ein Rauchsignal, schrien so laut wir konnten, sprangen ins Kanu und paddelten so schnell wir konnten auf das Flugzeug zu. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Wir packten mit dem Piloten alles zusammen und verriegelten die Hütte. BRA empfing uns mit einer Pizza und vielen Entschuldigungen. Ich heulte vor Wut und erklärte deutlich, dass das wirklich eine Scheiss-Aktion war. Jenny, die Verantwortliche, entschuldigte sich tausendmal und erklärte mir, dass ihr das in 25 Jahren noch nie passiert war; Es war schlicht und einfach ein Verfahrensfehler im Büro gewesen. BRA zahlte uns das Geld zurück und organsierte uns ins nächste Flugzeug zurück nach Fairbanks. In Svens Basecamp hatten sich die Angestellten schon gewundert, hatten sie uns doch schon vor einer Woche zurückerwartet. Unsere Geschichte erregte im Camp einiges an Aufsehen.
Es bleibt zu berichten, dass ich noch mindestens eine Woche lang in meinen Träumen auf die Hütte zurückkehrte, orientierungslos morgens aufwachte und es eine Weile und viele Gespräche dauerte, dieses Abenteuer zu verarbeiten. Dennoch bin ich nicht undankbar, es erlebt zu haben. Nun weiß ich, was es heisst, in Sicherheit zu sein. Und ich weiß, wie es sich anfühlt, ein Abenteuer zu erleben, was ich mir heimlich vielleicht immer mal gewünscht hatte. Dennoch werde ich mir wohl für weitere Touren ein Satellitentelefon anschaffen und nie mehr nur mit Insulinpumpe verreisen, sondern immer Spritzen und Insulinvorräte für Monate mitnehmen.
Einen Monat später ging meine Pumpe kaputt. Einfach so. Ohne Insulin bleiben mir etwa 3-5 Tage.
Da ich nicht weiß, wie es hier im Forum zugeht, hoffe ich, dass euch bewusst ist, dass sechs Tage in der Wildnis genug Zeit ist darüber nachzudenken, wie sinnvoll ein Satellitentelefon gewesen wäre und was man auch sonst noch hätte besser vorbereiten können. Davon abgesehen bin ich mit dem Großteil der Entscheidungen, die wir in unserer Not trafen, zufrieden.
Die Tour den Alatna runter vom Takahula Lake nach Alakaket steht sogar in meinem Reiseführer, den ich aus dummen Gewichtsersparnisgründen in Deutschland gelassen hatte... ich kann sie jedem empfehlen, ich denke, sie ist wunderschön. Wir überlegen, sie vielleicht irgendwann mal zu machen. So als Konfrontations-Therapie. Vielleicht lerne ich vorher schießen, da ich die Angst, hinter jedem Baum sitzt ein Bär, trotz vieler eingängiger und logischer Argumente einfach nicht in Griff bekommen habe. (kleiner Scherz)
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