• Hunter9000
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    [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 57.005882427
    Längengrad -5.510246276
    Knoydart im Frühjahr 2012
    Glenfinnan - Glen Dessary - Sourlies - Inverie - Barrisdale - Kinloch Hourn - Shiel Bridge

    Hallo!

    Nachdem ich dieses Forum ausgiebigst dazu benutzt habe mich auf diese Reise vorzubereiten (vielen Dank hierbei an all jene, welche hier eine unglaubliche Fülle an Informationen zum Thema Trekking und Schottland zusammengetragen haben), dachte ich, ich könnte auch etwas zurück geben und einen kleinen Reisebericht verfassen.

    Ich habe in einer siebentägigen Wanderung die Gegend rund um Knoydart in Schottland unsicher gemacht. Warum ausgerechnet Knoydart? - Nachdem ich im Jahr 2010 den Great Glen Way und 2011 den West Highland Way gewandert bin, war es für mich an der Zeit Schottland Light einmal hinter mir zu lassen und richtig in die Wildnis abzutauchen. Aufgrund der ausgezeichneten Reiseberichte zu der Region rund um Knoydart und auch den wunderbaren Photos, habe ich mich also für diese Ecke von Schottland entschieden.

    Unterwegs war ich alleine von Ende April bis Anfang Mai. Insgesamt bin ich sieben Tage gewandert.
    Zuletzt geändert von Hunter9000; 10.01.2020, 08:47.

  • Hunter9000
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    #2
    AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

    1. Tag, Samstag 28. April – Anreise
    Von der Zivilisation in die Wildnis

    Für die Anreise habe ich mich dazu entschlossen etwas Luxus walten zu lassen und anstatt mit einer Billigfluglinie, mit Lufthansa zu fliegen. Das bedeut: echte Tickets mit Sitzplatzzuweisung, Startplatz von einem echten Flughafen und nicht vom Ende der Welt und 23 kg Freigepäck. Das Startgewicht meines Rucksacks lag zwar nur bei 17.9 kg, aber trotzdem.

    Problemlos kann ich einchecken, auch wenn sich das Bodenpersonal wie üblich über meinen Packsack beschwert. Dennoch kommt er - mit meinem Rucksack darin - schließlich mit an Bord. Ich verabschiede mich von meiner Freundin, die mich zum Flughafen gebracht hat und dann geht’s los ins große Abenteuer.

    Wir starten erst mal mit 10 Minuten Verspätung. Man kann ja über Ryanair, mit der ich normalerweise fliege, schimpfen was man will, aber zumindest sind sie immer pünktlich. Als kleine Versöhnung gibt’s bei Lufthansa dafür gratis Essen und Trinken. Kurz vor dem Landeanflug entschuldigt sich die Stewardess dann auch noch, dass der Pilot alles getan hätte, damit wir Edinburgh pünktlich erreichen, wir aber trotzdem 12 Minuten zu früh da wären. Also haben wir auf einem Flug, der eineinhalb Stunden dauern sollte, mehr als zwanzig Minuten eingespart. Das ist auch eine Leistung.

    Mein Rucksack kommt mit mir in Edinburgh an und der Shuttlebus bringt mich dann innerhalb von 30 Minuten ins Zentrum der schottischen Hauptstadt. Hier wird – neben den ganzen Frühjahrsbaustellen – wieder einmal versucht eine Straßenbahnlinie zu bauen, weshalb die gesamte New Town ein einziges Chaos ist. Zum Glück weiß ich wo ich hin muss. Im Tisco kaufe ich mir Gas für meinen Kocher und unterhalte mich mit dem Besitzer über meine anstehende Tour. Ein letztes Mal gehe ich dann im Kopf durch, ob ich auch wirklich alles mithabe. Mir fällt nichts ein, was ich vergessen haben könnte.

    Also decke ich mich noch mit einem ungesundem Sandwich ein, setze mich in den Princes Street Garden, genieße bei windigem Wetter mein Mittagessen und schlichte meinen Rucksack von Flugmodus auf Tragemodus um. Ich habe ja Zeit. Ich bin um 12:45h in Edinburgh gelandet und mein Zug weiter nach Fort William startet erst um 17:15h. Diesen Zeitpuffer wollte ich auf jeden Fall haben, für den Fall, dass der Flug Verspätung bekommt. Wer konnte denn schon damit rechnen, dass wir zu früh landen?



    Schließlich geht’s aber endlich weiter. Zuerst mit dem Pendlerzug nach Glasgow, wo ich dann in die West Highland Rail einsteige. Entlang der Strecke des West Highland Ways, den ich im Herbst gewandert bin, geht es nun nach Norden. Zufällig erfahre ich, dass der Zug heute gar nicht in Fort William endet, sondern bis nach Malaig, ganz im Westen, weiter fährt. Eigentlich habe ich geplant in Fort William zu übernachten und erst am nächsten Tag Richtung Malaig weiter zu fahren, um dann in Glenfinnan zu starten. Aber so… Ich erkläre der Schaffnerin meine Lage und zeige ihr auch das Ticket, was ich für den nächsten Tag schon habe. Sie zuckt nur mit den Schultern: Klar, kein Problem, ich darf weiter mitfahren. Also komme ich heute noch an meinen Startpunkt!

    Je näher wir den Highlands kommen, desto schlechter wird das Wetter. Es regnet und auf den Bergen – sofern sie nicht in den Wolken hängen – liegt bis tief herab der Schnee. Keine guten Aussichten. Als wir in Fort William ankommen wird es schon dunkel und bald kann man gar nichts mehr sehen. Ich muss zugeben, dass mich das etwas beunruhigt, da der Zug nur dort stoppt, wo Leute aussteigen werden (der Schaffner muss sich das anscheinend merken). Irgendwie vertraue ich dem System nicht ganz, zumal die Stationen auch nicht angesagt werden. Etwas nervös, sitze ich daher am Fenster und starre in die Dunkelheit. Schließlich stoppen wir irgendwo in der Pampa: Glenfinnan.

    Ich steige aus, der Zug verschwindet und ich stehe in der stockdunklen, eiskalten Nacht (aber immerhin regnet es nicht; im Gegenteil, es ist Sternenklar). Da bin ich also: Müde, hungrig und frierend an einem gottverlassenen Bahnhof. Also Stirnlampe aufgesetzt, Rucksack geschultert und los getrabt. Ich muss ein Stück zurück gehen, passiere dabei die schöne alte Kirche von Gllenfinnan und finde in der Dunkelheit schließlich die Abzweigung zu dem Parkplatz beim Glenfinnan Viadukt. Hier ist mein offizieller Startplatz. Direkt hinter dem Parkplatz finde ich eine ebene Stelle am Ufer des River Finnan. Hier baue ich mein Zelt auf (immerhin schon zum 2. Mal), koche mir eine Portion Kartoffelpüree mit Gemüse und Kräutern (fertig gemischt in der Packung), werfe mein Zeug ins Zelt und versuche für mich auch noch einen Platz darin zu finden. Es ist nach Ortszeit fast Mitternacht, ich bin erschöpft, aber auch aufgeregt, da es nun los geht.

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    • Hunter9000
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      #3
      AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

      2. Tag, Sonntag 29. April – Von Glenfinnan nach Stratham
      Wenn die Magie von Harry Potter hinter einem liegt

      Nachts friere ich mir meinen Hintern ab. Wortwörtlich. Eingekleidet in Hose, langem Shirt und Fleecejacke, eingemummt in meinen neuen Schlafsack zittere ich vor Sonnenaufgang in meinem Zelt. Mein Hinterteil ist eiskalt (warum auch immer), ebenso meine Nase, die als einzige aus dem Schlafsack schaut. Ich verfluche den Hersteller des Schlafsacks und mich, weil ich keinen wärmeren gekauft habe. Außerdem freue ich mich schon wahnsinnig auf die Nächte im Hochland, wenn es hier schon so kalt ist.

      Endlich geht sie Sonne auf. Mein Zelt ist innen mit Kondenswasser beschlagen (es sollte das einzige Mal bleiben) und mein Schlafsack ist klamm. Als ich das Zelt öffne höre ich ein seltsames, schabendes Geräusch. Und dann wird mir auch klar, warum ich in der Nacht so gefroren habe: Es muss wirklich kalt gewesen sein. Mein ganzes Zelt ist mit einer Eisschicht überzogen, ebenso wie alle Pflanzen rund um mich. Mein Wasser in der Aluflasche ist knapp über dem Gefrierpunkt und mein Hartkäse ist ein Eisblock. Ich nehme mir also die Zeit, meine Sachen in der aufgehenden Sonne trocknen und auftauen zu lassen. Währenddessen besuche ich das Glenfinnan Monument, welches zur Erinnerung an Bonnie Prince Charly gebaut wurde, und probiere meinen neuen Wasserfilter in der Praxis aus: Nach mehreren Minuten wandert das Teil in die hintersten Tiefen meines Rucksacks. Funktioniert nicht wirklich und Nerven habe ich für das langsame Pumpen auch nicht. Ich nehme das Wasser so aus dem Fluss. Daran wird sich in der nächsten Woche auch nichts ändern.


      Lagerplatz am Finnan

      Dann aber geht’s los! Auf einer Asphaltstraße wandere ich nach Norden unter dem berühmten Glenfinnan Viadukt hindurch, welches in den letzten Jahren als „Harry Potter Brücke“ bekannt geworden ist. Das Teil ist zwar beeindruckend, aber hässlich wie die Nacht. Das haben sie für die Filme ordentlich nachbearbeitet. An der Brücke treffe ich auch meine erste Herde Hirsche, die mich zwar misstrauisch mustern, aber nicht Reißaus nehmen.


      Glenfinnan Viadukt

      Ich genieße diesen recht einfachen Anfang der Tour, das schöne Wetter, den Anblick der mich umgebenden Berge und übe mich etwas im Karten lesen. Rasch stelle ich fest, dass meine Karte für Details nicht brauchbar ist; zumindest nicht in diesem Tal. Es gab im letzten Winter beträchtliche Schäden an den Baumbeständen und wie es scheint wurden auch die Straßen und Brücken hier im Tal stark in Mitleidenschaft genommen oder schlichtweg weg gespült. Jedenfalls finde ich überall dort Brücken wo auf meiner Karte keine eingezeichnet sind und dort wo meine Karte welche aufweist, gibt es nur die Überreste von zerstörten Bauten. Naja, der River Finnan führt augenblicklich so wenig Wasser, dass ich ihn praktisch überall trockenen Fußes queren kann.


      Blick entlang der Straße

      Die Glenfinnan Lodge, welche ich nach einer Stunde erreiche, markiert das Ende der modernen Zivilisation hier im Tal. Ich werfe noch einen kurzen Blick in die Corryhully Bothy – der einzigen Schutzhütte Schottlands mit Strom, bevor ich mich an den Aufstieg auf den 471 Meter hohen Pass mache, der mich rüber nach Stratham bringen soll.


      Pass nach Stratham

      Nach der Lodge führt nur mehr ein Forstweg weiter, der sich nach und nach zu einem Fußweg verschmälert. Ich wundere mich etwas. In den Reisebereichten, die ich vorab gelesen habe, haben einige Leute geschrieben, dass sie hier Probleme gehabt hätten. Kann ich nicht verstehen. Sicherlich habe ich ausgezeichnetes Wetter, aber auch bei Regen wäre dieser Pfad kaum zu übersehen. Je weiter es hinauf geht desto schlechter wird der Weg jedoch, an einigen Stellen wurde er vom Fluss weggeschwemmt und einige hundert Meter vom höchsten Punkt des Passes entfernt, verschwindet der Weg dann schließlich ganz. Hier beginnt also meine erste Kraxeltour über Felsen, Bäche und Sumpf.


      Schottischer Weg

      Schließlich bin ich aber auf dem Plateau angekommen, welches sich am Pass oben befindet. Ein kalter Wind pfeift hier, aber nach dem anstrengenden Aufstieg tut die Abkühlung ganz gut. Immer noch ist nicht eine Wolke am Himmel zu sehen. Das Plateau besteht aus Sumpflandschaft. Diese ist zwar augenblicklich ziemlich ausgetrocknet, aber ich kann mir vorstellen, dass das hier bei Regen zu einer spaßigen Schlammschlacht ausarten kann. So komme ich aber flott voran und zu Mittag erreiche ich den Cairn, der den höchsten Punkt des Passes markiert. Kurz mache ich einige Fotos und dann suche ich mir eine windgeschützte Stelle, an der ich Mittagessen kann.


      Blick über das Plateau


      Das bin ich

      Nach einer Pause von einer halben Stunde überquere ich den Rest des Plateaus und beginne dann mit dem Abstieg. Dieser gestaltet sich ganz anders als der Aufstieg: Beinahe Senkrecht geht es die ersten zwanzig, dreißig Meter über schlüpfriges Sumpfgras hinab. Bei Regen ist das sicherlich kein Spaß und ich verstehe nun, wie auf dieser Strecke bereits mehrere Wanderer aus dem Forum ihre Trekkingstöcke oder Knöchel geschrottet haben. Langsam, ganz langsam suche ich mir einen Weg nach unten, während mir einige schottische Wanderer schwer atmend entgegen kommen. Es sollten die einzigen Menschen sein, die ich in den nächsten 36 Stunden sehen würde.


      Abstieg

      Nach den ersten extrem steilen Metern wird der Weg besser. Das bedeutet, dass es wieder einen schmalen Trampfelpfad gibt, auch wenn er hin und wieder im Nichts verschwindet, nur um dann hundert Meter weiter wieder unvermittelt aufzutauchen. Über Stunden hinweg führt der Pfad recht eintönig und geradlinig durch das Tal Gleann a Chaorainn, immer dem mäandernden Fluss Allt a Chaorainn folgend. Auch dieser Fluss führt wenig Wasser und die notwendigen Durchquerungen sind alle möglich, ohne dass ich meine dampfenden Wanderschuhe ausziehen muss. Gegen Ende des Tales biegt der Weg auf dem ich wandere noch einmal steil nach oben ab, um einer Schlucht auszuweichen. Kurzer Blick auf die Karte: Das steht hier aber nicht so! Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt mir aber, dass ich hier keine andere Wahl habe. Also nochmal ein paar Höhenmeter machen.


      Vielfotografierter Felsen

      Einige hundert Meter weiter, mittlerweile schon im Glean Pean, kehrt der Pfad an den Fluss zurück. Hier suche ich mir, unweit der Stelle, an welcher der Allt a Chaorainn in den River Pean mündet, einen ebenen, windgeschützten Lagerplatz. Nachdem das Zelt steht und eingerichtet ist, genieße ich noch die warmen Sonnenstrahlen, erkunde etwas die Umgebung und begutachte meinen geschundenen Körper: Am Schluss habe ich meinen Rucksack doch stark gespürt; nicht nur an den Schultern, sondern auch an der Hüfte, wo er recht hart auf meiner kleinen Speckschicht aufgesessen ist. Ein Zeichen, dass ich in letzter Zeit zu gut gegessen und zu wenig Sport gemacht habe. Auch mein linker Ellbogen, der schon seit Weihnachten auf mich beleidigt ist, meldet sich wieder leise zu Wort. Dafür sind meine Knie ok. Man muss immer das positive sehen!


      Ferner Blick auf Loch Arkaig


      Lagerplatz

      Tagesleistung laut Navi: 16.9 km
      Gehzeit: 5 Stunden, 35 Minuten
      Höhenunterschied: 534 m
      Maximales Gefälle: 19 %
      Minimales Gefälle: -25 %

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      • weserwolf
        Erfahren
        • 02.09.2008
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        #4
        AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

        Und weiter! Hau rein!

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        • Hunter9000
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          • 02.06.2012
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          #5
          AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

          3. Tag, Montag 30. April – Von Strathan nach Sourlies
          Vom Regen in die Traufe

          Diesen Tag muss man in zwei Teilen betrachten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Daher werde ich den Tag in 2 Teile splitten.

          3. Tag, 1.Akt – Von Strathan nach Glendessary Lodge

          Ich wache auf und höre das schwache Trommeln von Regen auf mein Zelt. Willkommen in Schottland. Nun, zumindest kann ich nun die Erkenntnis gewinnen, dass man im Inneren eines Jack Wolfskin Gossamer Zeltes seinen Rucksack packen kann; macht aber keinen Spaß. Als ich gegen acht dann mein Zelt verlasse, hat der Regen beinahe aufgehört und der Himmel scheint mir auch etwas heller zu sein. Dementsprechend verzichte ich auf Vollschutzkleidung und ziehe nur die Regenjacke und die Gamaschen an – ich nehme an, dass die Highlands nach einer halben Nacht Regen recht nass sein werden.


          Brücke über den Pean

          Ich überquere die Brücke über den River Pean und suche mir dann einen Weg durch das versumpfte Marschland, welches am Waldrand entlang führt. Irgendwann gibt es aber kein weiterkommen mehr und ich muss in den Wald hinein. Ich weiß aufgrund meiner Karte, dass sich darin ein Landrovertrack befindet. Dahin zu kommen ist aufgrund der dicht stehenden Bäume jedoch nicht ganz einfach. Der Track führt mich die wenigen hundert Meter, die ich ansonsten durch den Sumpf hätte zurücklegen müssen rasch an den River Dessary, den ich hier über eine weitere Brücke quere.

          Hier, bei den Ruinen von Strathan beginnt es dann auch wirklich zu regnen. Ach was, Regen. Eine Sintflut stürzt herab und durchnässt mich binnen Sekunden auf die Knochen. Zusätzlich setzt ein Sturm ein, dessen Windböen mich regelmäßig fast von der Straße wehen und aus den Regentropfen schmerzhafte Stiche im Gesicht werden lassen. Es ist klar, dass ich so nicht weiter komme. So suche ich Zuflucht in einer Scheune in der Glendessary Lodge. Diese ist zwar auf einer Seite offen, aber diese ist dem Wind abgewandt. Hier werden normalerweise Hirsche ausgeweidet, aber zum trocknen ist es auch ok. Ich wechsle in warme Kleidung, koche Tee und beobachte beunruhigt wie auf den Bergen der Schnee immer tiefer herab fällt.


          Meine Kameraden in der Hütte


          Ausblick aus der Hütte

          Ich bin zwar einerseits froh einen Unterstand gefunden zu haben, aber so komme ich heute nicht mehr nach Sourlies. Gedanklich stelle ich mich schon darauf ein hier zwischen Hirschgeweihen und Sägespäne meine Nacht zu verbringen. Doch so plötzlich wie der ganze Spuk begonnen hat, endet er auch wieder. Nach drei Stunden kann ich, diesmal dick in Regensachen verpackt, meine Reise fortsetzen.

          3. Tag, 2.Akt – Von der Glendessary Lodge nach Sourlies

          Es windet zwar immer noch ein bisschen, aber immerhin ist es im Prinzip trocken. Zumindest von oben. Als ich bei der Jagdhütte Upper Glendessary vom Forsweg in die Highlands abbiege zeigt sich recht rasch, dass die trockenen Highlandsümpfe den Regen wie ein Schwamm aufgesogen haben; wie ein recht tiefer und schlammiger Schwamm. Über Stock und Stein, durch Sumpf und Bach geht es an der Nordseite des Glen Dessary entlang nach Westen. Lange habe ich den falschen Pass im Visier, von dem ich denke, dass er mich zur Bucht von Sourlies bringen wird. Aber natürlich ist mein Pass noch weiter entfernt und auch etwas höher.


          Ist es ein Bach, oder ein Weg?


          Ist es ein Sumpf, oder ein Weg?

          Der Weg dort hinauf zieht sich, ist aber recht schön. Zu beiden Seiten hängen die Berge in den Wolken und zwischendurch sieht man die schneebedeckten Spitzen hervor blitzen. Der Pfad selbst ist gut erkennbar, auch wenn er sich teilweise in einen Bach oder einen Sumpf verwandelt hat. Konzentration ist hier gefragt, wenn man die Schuhe halbwegs trocken behalten will. Kurz vor dem Pass fasse ich noch mein Mittagessen aus; heute bleibt die Mittagspause aber kurz. Zu kalt ist es im Wind und zu viel Zeit habe ich heute Vormittag bereits verloren.


          Schnee auf den Bergen

          Endlich ist der Pass erreicht und ich befinde ich auf der Hochebene zwischen den beiden Tälern. Hier weht der übliche eisiger Wind, wodurch ich alle Pausen trotz des traumhaften Panoramas ausfallen lasse. Vorbei an den beiden Seen Lochan a Mhaim stapfe ich durch das nun größtenteils weglose Hochland, bis ich den Abfluss der beiden Seen erreiche: Den River Finiskaig, der bei meinem heutigen Tagesziel – der Bucht von Sourlies – in den Loch Nevis mündet. Ich folge also dem Fluss bergab, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite.


          Lochan a Mhaim

          Ich bin so darauf konzentriert nicht im Sumpf zu versinken und dem Flusslauf zu folgen, dass ich plötzlich vor einer unpassierbaren Schlucht stehe, in welcher der Fluss verschwindet. Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass das auch so sein soll.


          Schlucht am Firniskaig River - hier geht's nicht weiter

          Ich muss wieder ein Stück zurück und weiter bergauf, um die Schlucht zu umgehen. Dieser Weg ist wieder etwas mehr für Alpinisten, dafür kommt endlich Sourlies ins Blickfeld kommt. Natürlich wird es noch einige Zeit dauern, bis ich dort unten angekommen bin.


          Sourlies und Loch Nevis

          Während ich weiter absteige überlege ich bereits, wo ich mein Lager aufschlagen will: An der Bothy von Sourlies oder doch lieber auf der anderen Seite der Bucht? Ich bin gerade recht glücklich mit meiner Einsamkeit und nicht in der Stimmung mit jemandem zu reden und ich brauche außerdem Frischwasser, welches bei der Bothy nicht vorhanden ist. Andererseits möchte ich am Meer zelten und wenn ich bei der Bothy übernachte, muss ich am nächsten Tag nicht so früh aufstehen um bei Ebbe das Wat zu durchqueren. Fragen mit denen man sich beschäftigt, wenn man alleine unterwegs ist und die ich gerne auch mal laut mit mir ausdiskutiere.

          Mittlerweile bin ich durch wieder klar erkennbare Pfade bis in die Bucht abgestiegen und passiere die Ruinen des Dorfes von Finiskaig, sowie die darin grasende Schafherde. Trotz der wieder scheinenden Sonne verbreiten die Ruinen des Dorfes eine recht bedrückte Stimmung. Wer hat hier früher wohl gelebt? Sind die Leute freiwillig gegangen – in ein anderes Land, in die wachsenden Städte von Glasgow und Edinburgh – oder wurden sie im Rahmen des Highland Clearings auf Schiffe deportiert und nach Übersee verfrachtet um Platz für die nun hier weidenden Schafe zu machen?


          Ruinen von Finiskaig

          Von der Bucht aus kann ich sehen, dass die Tür zur Bothy trotz strahlenden Sonnenscheins geschlossen ist. Wahrscheinlich befindet sich also niemand darin. Ich fülle also meine Wasserreserven noch am River Finiskaig auf, wandere kurz durchs Wat und erreiche die Bothy. Die hier grasenden Schafe sind über meine Ankunft nicht sehr erfreut und nehmen reiß aus. Direkt vor der Bothy, an einer Stelle, die nicht komplett mit Schafsdung übersät ist, baue ich mein Zelt auf.

          Ich bin fast fertig, als ein Rettungshelikopter über den Pass von Stratham in die Bucht einfliegt, kurz kreist und dann neben mir zur Landung ansetzt. Mein erster Gedanke: Meine Freundin hat gestern Abend meine SMS nicht erhalten. Der Copilot steigt aus und kommt auch zielstrebig auf mich zu. Wie’s mir geht und ob alles in Ordnung ist? – Äh, danke gut, nein, alles ok. Sie suchen einen alten Mann, der heute Morgen ebenfalls in Strathan aufgebrochen ist. Ich erkläre, dass ich niemanden gesehen habe, beschreibe meine Route und wann ich in etwa wo gewesen bin. Mit dieser zusätzlichen Information hebt der Heli wieder ab und beginnt langsam, suchend seinen Rückflug über den Pass.

          Ich beschließe mich sofort telefonisch bei meiner Freundin zu melden und rufe sie mit dem Sat-Handy an. Der Empfang ist jedoch schlecht, sie versteht mich kaum und die Erwähnung eines Rettungshelikopters trägt bei ihr nicht gerade zur Beruhigung bei. Morgen werde ich wohl wieder nur eine SMS schicken, ist besser. Aber ich bin auch etwas enttäuscht von der Empfangsqualität des Sat-Handys. Wie soll man so im Notfall klare Hinweise an Rettungstrupps ausgeben?

          Nach dem Aufbau des Lagers und einem leckeren Abendessen aus der Tüte genieße ich den Sonnenuntergang über Loch Nevis. Der aufkommende Wind vertreibt mich aber recht bald wieder ins Zelt. Kaum bin ich drinnen kommen auch die Schafe wieder zurück und weiden direkt vor meinem Lagerplatz. Auch eine Herde Hirsche spaziert seelenruhig direkt an meinem Zelt vorbei. Doch noch ein schöner Abschluss eines Tages, der so schlecht gestartet ist.


          Schttenspiele in der untergehenden Sonne

          Tagesleistung laut Navi: 19.4 km
          Gehzeit: 6 Stunden, 53 Minuten
          Höhenunterschied: 421 m
          Maximales Gefälle: 10 %
          Minimales Gefälle: -22 %

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          • weserwolf
            Erfahren
            • 02.09.2008
            • 107
            • Privat


            #6
            AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

            Fein! Gut geschrieben! Freue mich auf Fortsetzung!

            Schicken Sonntag noch

            Lutze

            Kommentar


            • Mario294
              Erfahren
              • 11.12.2011
              • 270
              • Privat


              #7
              AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

              Schottland ist so schön wann da nicht der viele Regne währe würde ich da gern mal hin aber so muss ich mir das doch zwei mal überlegen Hattest du öfters Probleme mit Kondenswasser in deinem Gosammer ich habe das selbe und hatte noch keine probleme damit, schöne bilder hast du gemacht freu mich auf fortsetzung
              gruß mario

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              • Borderli
                Fuchs
                • 08.02.2009
                • 1737
                • Privat


                #8
                AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                Mittlerweile bin ich durch wieder klar erkennbare Pfade bis in die Bucht abgestiegen und passiere die Ruinen des Dorfes von Finiskaig, sowie die darin grasende Schafherde. Trotz der wieder scheinenden Sonne verbreiten die Ruinen des Dorfes eine recht bedrückte Stimmung. Wer hat hier früher wohl gelebt? Sind die Leute freiwillig gegangen – in ein anderes Land, in die wachsenden Städte von Glasgow und Edinburgh – oder wurden sie im Rahmen des Highland Clearings auf Schiffe deportiert und nach Übersee verfrachtet um Platz für die nun hier weidenden Schafe zu machen?
                Von "freiwillig" kann hier nicht die Rede sein. Die "Räumung" von Strathan und der Siedlungen am Loch Nevis wird im Buch "The Highland Clearances" beschrieben. Das war definitiv kein netter Ausflug für die Bewohner.

                Aber schreibe bitte an deinem Bericht weiter! Ich mag es, über eine mir bekannte Gegend zu lesen.

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                • Ruckie
                  Anfänger im Forum
                  • 23.10.2011
                  • 21
                  • Privat


                  #9
                  AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                  Danke für deinen tollen Bericht. Ich war ungefähr zwei Wochen vor dir dort. Bei der Schlucht hab ich mich auch ein wenig verstiegen, mußte ein Stückchen zurück, und die Flußseite wechseln. Na wenigstens bin ich nicht der einzige, der da nicht aufgepasst hat .

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                  • Hunter9000
                    Dauerbesucher
                    • 02.06.2012
                    • 678
                    • Privat


                    #10
                    AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                    @ Mario: So viel Regen hatte ich nicht. Genau genommen war der zweite Wandertag der einzige, an dem ich wirklich viel Regen hatte. Die Sonne sollte ein viel gröberes Problem werden. Und Kondenswasserprobleme hatte ich wirklich nur in der ersten Nacht, vielleicht war da das Zelt auch nicht gut aufgebaut (war doch schon sehr müde und es war ja auch stockdunkel).

                    @ Borderli: Interessantes Buch, werde ich mir definitv mal zulegen. War übrigens dein Reisebericht zu Knoydart, der mein Interesse für die Gegend geweckt hat.

                    @ Ruckie: Ich fand den Abstecher zur Schlucht gar nicht so schlecht. Ist ein sehr schönes Plätzchen da unten, nur der Aufstieg um wieder auf den Weg zu kommen ist etwas mühselig.

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                    • Borderli
                      Fuchs
                      • 08.02.2009
                      • 1737
                      • Privat


                      #11
                      AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                      Ich hatte in Schottland schon lange kein Problem mehr mit der Sonne. Hätte ich aber gerne wieder mal, nur um zu wissen, wie das ist.
                      Dann freue ich mich schon auf Schönwetter-Fotos!

                      Das Buch liest sich übrigens sehr, sehr zäh. Wenn mich das Thema nicht so interessiert hätte, hätte ich mich nicht bis zum Ende durchgekämpft.

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                      • Hunter9000
                        Dauerbesucher
                        • 02.06.2012
                        • 678
                        • Privat


                        #12
                        AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                        4. Tag, Dienstag 1. Mai – Von Sourlies nach Inverie
                        Einmal österreichischen Wanderer bitte. Gut durchgebraten, wenn möglich!

                        Eigentlich hatte ich ja keinen Weckdienst bestellt. Ich habe aber doch einen bekommen. Ich erwache recht unsanft, als ein Schaf über eine Abspannleine des Zeltes stolpert, sich verheddert, halb in mein Zelt stürzt und dann hektisch die Flucht ergreift. Ich kann fühlen wie mein Herz einen Satz macht, kurz aussetzt und dann panisch weiter schlägt. Na zumindest bin ich wach. Ich klettere aus dem Zelt und bewundere den traumhaften Sonnenaufgang über Sourlies. Keine Wolke am Himmel!


                        Loch Nevis von Sourlies aus. Man beachte den Himmel!

                        Rasch also Lager abbauen, Rucksack gemütlich neu packen, aufschultern und ab geht es. Da es Ebbe ist kann ich durch das Wat gehen und so eine erste kleine Kletterpartie auf einer Landzunge einfach umgehen. Außerdem schaffe ich so einige schöne Schnappschüsse vom Loch Nevis. So komme ich ins Glen Carnoch, welches der Bucht von Sourlies sehr ähnlich sieht. Jedoch scheinen die Berge hier etwas höher zu sein.


                        Glen Carnoch


                        Pass nach Inverie

                        Langsam aber sicher wird es auch ziemlich warm und ich komme gut ins schwitzen, während ich das Schwemmland des River Carnoch flussaufwärts durchquere. Da auch dieser Fluss kaum Wasser führt quere ich ihn an der erstbesten Stelle. Weiter oben gibt es zwar eine Brücke, aber egal. Als ich an dieser dann ankomme, zeigen deutliche Warnschilder, dass man sie besser nicht benützen sollte. Also war’s sogar eine gute Entscheidung zu furten.


                        Baufällige Brücke über den Carnoch


                        Warnschild an der Brücke inklusive Totenkopf (vom Schaf)

                        An den Ruinen von Carnoch geht es dann schließlich wieder bergauf. Der heutige Pass soll mich nach Inverie bringen, der einzigen größeren Siedlung auf meinem Trip (das bedeutet, die "Stadt" hat 100 Einwohner). Zugleich ist dieser Pass auch der steilste auf meinem Urlaub und mittlerweile knallt die Sonne richtig heiß vom wolkenlosen Himmel. Gestartet bin ich am Morgen im Fleece, Haube und mit Gamaschen. Es dauert während des Aufstiegs nicht lange, bis ich auf kurze Hose, Sonnenhut und T-Shirt umgestellt habe. Nun werde ich zwar nicht in meinen warmen Sachen gebacken, dafür in der Sonne gegrillt. Natürlich habe ich keine Sonnencreme eingepackt (wer denkt auch schon daran, wenn er zwei Wochen Schottland im Frühjahr bucht). Zum Glück geht der Weg schön im Zickzack nach oben, wodurch ich gleichmäßig von allen Seiten gebraten werde. Ich trinke während der fünfhundert Höhenmeter fast eineinhalb Liter Wasser und am Scheitelpunkt des Passes bin ich schließlich völlig erledigt. Zumindest entstanden in den zahllosen Rast- und Trinpausen einige nette Bilder (Positiv denken!).


                        Ruinen von Carnoch


                        Blick hinab auf Loch Nevis und die Halbinsel, welche Sourlies von Carnoch trennt

                        Natürlich war der Pass auch um einiges höher, als man ursprünglich von unten gesehen hat. Hier hilft die Karte einfach nicht, die zeigt, dass es noch weiter nach oben geht! Man sieht den scheinbaren Gipfel ja von unten (den man als Scheitelpunkt ja auch anpeilt); nur um dann festzustellen, dass es nach einem kleinen Plateau doch noch weiter rauf geht. Scheiß Psychologie! Im Ganzen brauche ich mit vielen Pausen eineinhalb Stunden nach oben, wobei ich am Ende schon im roten Bereich laufe.

                        Aber schließlich ist es doch geschafft und ab jetzt geht es für heute wenigstens nur mehr bergab. Schon bald erhasche ich einen ersten Blick auf die Bucht von Inverie. Aber dahin wird es – so wie gestern nach Sourlies – leider noch etwas dauern.


                        Blick hinab auf die Inverie Bay

                        An dieser Stelle bemerke ich auch zum ersten Mal, dass das alleine wandern zwar allgemein recht schön ist, aber ich denke auch, dass es erst dann wirklich viele erinnerungswürdige Momente gibt, wenn eine Person dabei ist, mit der man diese Teilen kann. Auch einfache Bergtouren zu Hause bleiben mir eigentlich immer dann besonders in Erinnerung, wenn ich sie mit Freunden gemacht habe.

                        Der Weg hinab in das Tal von Inverie folgt dem Fluss Allt Gleann Meadail und zieht sich mal wieder ziemlich in die Länge. Ich bin aber auch vom Aufstieg am Morgen immer noch erledigt und lege dementsprechend bald an einem schattigen Plätzchen eine frühe und verlängerte Mittagspause ein. Hier treffe ich auch das erste Mal auf andere Wanderer aus Inverie, die gerade auf dem Weg nach Sourlies sind (ich werde sie aber am Abend in der Bar in Inverie wieder treffen). Sie tragen keine Kopfbedeckung und der eine hat auch keine Haare, wodurch sein Kopf bereits eine gefährliche rote Farbe angenommen hat. Scheint ihn aber nicht zu stören.

                        Kurz bevor ich in das Tal von Inverie einbiege komme ich zu einer Engstelle des Allt Gleann Meadail und da es mittlerweile immer heißer geworden ist, beschließe ich kurzerhand eine kurze Kneipkur zu machen und eine Katzenwäsche durchzuführen. Das eiskalte Gebirgswasser bringt herrliche Abkühlung und aktiviert meine tot gegelaubten Lebensgeister.

                        Dermaßen gestärkt marschiere ich weiter zum River Inverie, überquere ihn und marschiere über eine breite Forststraße Richtung Meer, Pub und Dusche. Rasch brennt die Sonne die Kühle wieder aus meinem Körper und der Wunsch nach einem kalten Bad, einem Eis und einem eiskalten Cider wird wieder größer. Auch der dichte Wald von Inverie, durch den mich mein Weg führt, kann kaum Abkühlung bringen. Die Luft steht und es ist drückend heiß. Wo ist der schottische Wind, wenn man ihn mal braucht?

                        Nach dem Wald von Inverie erreiche ich eine asphaltierte Straße und ich sehe sogar Autos! Schock! Nun dauert es nicht mehr lange bis ich den Long Beach – den Campingplatz im Süden der Bucht von Inverie – erreiche. Es stehen bereits einige andere Zelte hier an diesem traumhaften Strand mit Ausblick über Loch Nevis und die Isle of Sky.


                        Long Beach mit Blick auf das Meer

                        Ich baue mein kleines Zelt neben den relativ großen Anlagen meiner Wanderkollegen auf (neben einem Gossamer sind aber auch alle Zelte groß) und suche das Bunkhouse auf, das sich unweit des Long Beach befindet. Angeblich darf man hier als Besucher des Long Beach duschen. Leider findet sich niemand an der Rezeption (das ist anscheinend normal). Ich gehe trotzdem erst mal duschen. Im Bad kann ich auch meinen traumhaften Sonnenbrand auf den Beinen und im Gesicht bewundern. Ich denke, ich bin knapp an einem Sonnenstich vorbei geschrammt, so rot wie ich bin. Auch als ich wieder zur Rezeption komme ist noch keiner da, also lege ich einfach die drei Pfund, die man normal dafür bezahlen soll, auf den Tresen.

                        Zum Abendessen wandere ich an der Uferstraße entlang in das „Zentrum“ von Inverie, in das Pub The Old Forge. Das Pub ist ganz nett, aber nichts besonderes, wenn man davon absieht, dass es sich um das „remotest pub on the british mainland“ handelt. Hier komme ich auch mit meinen Zeltnachbarn ins reden: Woher kommen wir, wohin gehen wir, wie lange brauchen wir dafür… Schließlich fragt einer der beiden älteren Herren, was ich den beruflich mache. Die Antwort darauf, könnte der Anfang eines Witzes sein: Treffen sich ein Astronom, ein Physiker und ein Chemiker in einer Bar! Wir reden also über das, worüber Wissenschaftler so reden: Die aktuelle Wirtschaftslage, Schulsysteme und Wanderrouten in Großbritannien und dem Festland.

                        Nach einem leckeren Abendessen und zwei Cider kehre ich an meinen Zeltplatz zurück. Angesäuselt wie ich bin sehne ich mich nach Gesellschaft. Zumal der Sonnenuntergang über der Bucht auch einfach traumhaft ist. Sowas muss man mit jemandem teilen.


                        Sonnenuntergang über der Inverie Bay

                        Dementsprechend ist auch der letzte Eintrag in meinem Tour-Tagebuch:
                        Einsam…



                        Tagesleistung laut Navi: 17.55 km
                        Gehzeit: 6 Stunden, 36 Minuten
                        Höhenunterschied: 647 m
                        Maximales Gefälle: 25 %
                        Minimales Gefälle: -17 %

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                        • Mario294
                          Erfahren
                          • 11.12.2011
                          • 270
                          • Privat


                          #13
                          AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                          Sehr schöne bilder .
                          Dass mit Schottland muss ich mir noch mal überlegen
                          freu mich auf die fortsetzung lass uns nicht so lange warten
                          gruß mario

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                          • weserwolf
                            Erfahren
                            • 02.09.2008
                            • 107
                            • Privat


                            #14
                            AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                            Sehr schön

                            Das mit Einsam und jemandem teilen kann ich sehr sehr gut nachvollziehen. Wir sind zwar meist "zu zweit allein", aber mir fehlt immer die "Gruppe" mit der man das Erlebte teilen kann! War früher anders, seufz ... Auf unserer ersten Schottlandtour waren wir zu sechst ...

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                            • Hunter9000
                              Dauerbesucher
                              • 02.06.2012
                              • 678
                              • Privat


                              #15
                              AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                              @ Wolf: Zu zweit wandern finde ich im allgemeinen am angenehmsten. man hat einen Ansprechpartner, muss aber nicht dauernd auf irgendjemanden warten der muede ist, pinkeln muss, Fotos macht oder sich am Popo kratzt. Sechs Leute waeren mir eindeutig zu viel und da wuerde ich mich rasch absetzen.

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                              • weserwolf
                                Erfahren
                                • 02.09.2008
                                • 107
                                • Privat


                                #16
                                AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                Wenn's so war haben wir 2 3er-Gruppen gebildet

                                Wir sind allerdings nicht "nur" zu Fuß unterwegs gewesen sondern hatten eine Blockhütte als Standquartier. Waren 3x wandern (Tagestouren) (2x als 6er-Gruppe, 1x als 2x 3er-Gruppe) und sind ansonsten mit der (den) Autos herumgefahren.

                                Und in einer großen Gruppe bekommt man nicht so schnell einen "Lagerkoller" finde ich ...

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                                • Hunter9000
                                  Dauerbesucher
                                  • 02.06.2012
                                  • 678
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                  5. Tag, Mittwoch 2. Mai – Von Inverie nach Kinloch Hourn
                                  Lauf, kleiner Wanderer! Lauf!

                                  Wieder ein Tag, den man in 2 Teilen betrachten muss. Nachdem der dritte Tag scheiße begonnen hat und gut geendet ist, muss es ausgleichsmäßig natürlich auch einen Tag geben, bei dem es genau umgekehrt ist.

                                  5. Tag, 1. Akt – Von Inverie zu dem kleinen Sandstrand am Loch Hourn
                                  (57° 06' 2.66'' N 05° 28' 29.69'' W)

                                  Ich wache an diesem Tag erst um acht auf – hier gibt es auch keinen Weckservice. Es stellt sich die Frage ob mich der Cider von gestern so k.o. macht, der anstrengende Aufstieg, oder der heftige Sonnenbrand. Egal, es dauert heute bis ich in die Gänge komme, zumal es wieder ein sehr heißer Tag zu werden scheint. Na zumindest ist meine Tagesroute heute nicht allzu lange (soweit war zumindest die Idee).

                                  Aber auch als ich um kurz nach neun aufbreche, sind die meisten anderen noch in ihren Zelten. Auch der Ranger war noch nicht da, um den kleinen Obolus für den Long Beach einzusammeln. Also werfe ich das Geld in die entsprechende Box und wandere los. Auf dem Weg den ich gestern in die Stadt gekommen bin, verlasse ich sie wieder.


                                  Weg hinaus aus Inverie

                                  Ein Forstweg bringt mich durch den Wald von Inverie, durch das weite Tal des River Inverie und am Loch an Dubh-Lochain vorbei. Hinter diesem kleinen See beginnt der Aufstieg zum 480 Meter hohen Mam Barrisdale. Dieser Pass soll mich in die Bucht von Barrisdale bringen, meinem angestrebten Tagsziel (angeblich gibt es dort einen weiteren sehr schönen Lagerplatz am Meer). Obwohl es auch heute sehr heiß ist, ist der Aufstieg leichter als gestern. Es ist deutlich weniger steil und ein schöner Trampelpfad führt bis an die Spitze.


                                  Loch an Dubn-Lochain


                                  Mam Barrisdale

                                  Auf dem Gipfel mache ich meine frühe, lange Mittagspause und genieße die Aussicht hinab auf den See und hinüber in die Bucht von Barrisdale. Außerdem kann ich so die drei Rettungshubschrauber bewundern, die während meiner Mittagspause verirrte und verausgabte Wanderer von den umliegenden Gipfeln einsammeln.


                                  Blick hinab nach Barrisdale

                                  Rasch geht es hinab nach Barrisdale, einer hübschen, von Bergen eingeschlossenen Bucht. Auch auf dieser Seite ist der Weg leicht zu begehen und viel zu schnell bin ich unten im Tal. Hier befindet sich eine kleine Farm, ein Bunkhouse und eine ausgeschriebene Wiese (weitab vom Meer), auf der man campen darf. So habe ich mir das eigentlich nicht vorgestellt. Ich mache erst mal eine Stunde ein Nickerchen in der Sonne und pflege so meinen Sonnenbrand an den Armen.


                                  Hirschherde am Meer von Barrisdale

                                  Nach einer Stunde wandere ich weiter. Der Pfad bringt mich an das Ufer von Loch Hourn und ich folge dem Meeresarm Ostwärts. An einer am Ufer grasenden Hirschherde vorbei gehe ich staunend weiter. Ich habe das Gefühl am Mittelmeer zu sein. Das Wasser ist kristallklar, der Himmel wolkenlos blau, das Ufer des Lochs von Sandstränden eingesäumt.


                                  Sandstrand am Loch Hourn


                                  Loch Hourn

                                  Wäre das Wasser nicht so eiskalt, würde ich sofort rein springen und Baden gehen. So beschränke ich mich auf staunen und Fotos machen. Das aber so sehr, dass ich meine Abzweigung in die Berge hinauf verpasse und wieder einen halben Kilometer zurück gehen muss. An einer alten Ruine vorbei muss ich wieder ein paar Höhenmeter machen. Aber immer noch marschiere ich nach Osten am Loch entlang und kann weiter Fotos knipsen – diesmal halt von weiter oben.


                                  Loch Hourn vom Ufer aus


                                  Loch Hourn von "oben"

                                  Als ich an einer kleinen Landzunge vorbeikomme, neben der ein Bach über einen kleinen Wasserfall in den Loch Hourn mündet, ist für mich klar, dass das hier mein Lagerplatz wird. Ich schlage mein Zelt auf, mache es mir gemütlich, wasche mich an meinem Wasserfall und meine dreckige, durchschwitzte Hose gleich mit.


                                  Mein gemütlicher Lagerplatz

                                  5. Tag, 2. Akt – Von dem kleinen Sandstrand am Loch Hourn nach Kinloch Hourn

                                  Nachdem das alles gemacht ist, aber noch vor dem Essen, will ich meiner Freundin meine tägliche SMS mit meinen Standortkoordinaten schicken. Also SAT-Handy einschalten, warten. Kein Empfang. Wie, kein Empfang? Ich lasse noch einmal nach Satelliten suchen; mit dem gleichen Ergebnis. Ich schnappe also mein Handy und wandere etwas weiter den Pfad entlang in der Hoffnung eine Stelle zu finden, an der ich senden kann. Aber auch nach einer fünfzehn Minuten gibt es keine Besserung. Also zurück ins Lager, nachdenken und dann zurück in Richtung Barrisdale geeilt. Nach einer halben Stunde zeigt sich auch hier keine Besserung. Aber ich sehe einen Hügel, der sich vielleicht erklimmen lässt. Ich kraxle durch das Hochmoor rauf, soweit ich kann. Völlig erschöpft erreiche ich ein kleines Plateau, wo ich abermals mein Handy austeste. Wieder vergebens. Jetzt bin ich fast so weit das Teil in die Highlands zu werfen. Ich packe die Karte aus und sinniere. Anscheinend brauche ich nach Süden hin einen flacheren Hoizont. Der nächste Platz, an dem ich nach Süden freies Sichtfeld habe, ist erst in Kinloch Hourn.

                                  Ich klettere den ganzen Hügel wieder runter (wobei ich einige Male fast stürze) und kehre ins Lager zurück. Mittlerweile ist es 19:30h, um 21:30h wird es dunkel. Das muss doch zu schaffen sein!

                                  In 30 Minuten gelingt es mir alles zusammenzupacken (neuer Rekord) und nebenbei auch noch zwei Reserve Müsliriegel zu verdrücken. Den Rucksack fest geschnallt und die Trekkingstöcke am Schwerpunkt gepackt, beginne ich im Schweinsgalopp die fünf Kilometer nach Kinloch Hourn zu joggen. Meine Ausbildner in der Armee wären stolz auf mich gewesen. Natürlich kommt der beschissenste Abschnitt des heutigen Weges genau jetzt! Es geht viel auf und ab, über Stock und Stein und durch viel Heidekraut.

                                  Ich versuche ein Mittelmaß zwischen Tempo und Trittsicherheit zu finden. Irgendwo zwischen den beiden Jagdhütten Runival und Skiary verliere ich dann auch noch meinen geliebten Wanderhut, den ich mir zuvor um eine Hand gebunden hatte. Naja, jetzt liegt er irgendwo am Ufer des Loch Hourn oder dient einem anderen Wandersmann.

                                  Um Punkt 21:30h biege ich um die letzte Kurve, die mir den Blick auf Kinloch Hourn verwehrt hat. Kaum sehe ich die drei Gebäude des Ortes, springt mein SAT-Handy auf vollen Empfang. Ich schicke die SMS ab und völlig fertig baue ich direkt neben der Straße mein Zelt auf. Eine heiße Suppe geschlürft (damit ich irgendetwas Warmes an dem Tag zu mir genommen habe), ein letztes Foto gemacht und dann ab in den Schlafsack. Heute bin ich wirklich kaputt.

                                  Tagesleistung laut Navi: 21.6 km (+5.4 km Nachtlauf)
                                  Gehzeit: 7 Stunden, 54 Minuten (+ 1 Stunde 30 Minute Nachtlauf)
                                  Höhenunterschied: 681 m (+ x-Meter Nachtlauf)
                                  Maximales Gefälle: 30 %
                                  Minimales Gefälle: -28 %

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                                  • weserwolf
                                    Erfahren
                                    • 02.09.2008
                                    • 107
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                    Shit ...

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                                    • Kris
                                      Alter Hase
                                      • 07.02.2007
                                      • 2802
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                      Schöne Ecke, schöner Bericht. Danke, so long.

                                      Zitat von Hunter9000 Beitrag anzeigen
                                      Nachdem das alles gemacht ist, aber noch vor dem Essen, will ich meiner Freundin meine tägliche SMS mit meinen Standortkoordinaten schicken. Also SAT-Handy einschalten, warten. Kein Empfang. [...]
                                      Was hat man früher nur ohne den Kram gemacht!?
                                      „Barfuß am Leben ist auch was wert.“ - Kasperl

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                                      • Hunter9000
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                                        • 02.06.2012
                                        • 678
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                        Natürlich geht es auch ohne Satellitenhandy. Meine Freundin verpflichtete mich allerdings eines zu mieten und mit zu nehmen. Man trifft doch nicht so viele Leute da draußen, die einen helfen könnten. War von der Idee her ja auch für mich etwas beruhigend. Ein Knöchel ist doch schnell gebrochen und dann hat man den Salat.

                                        War aber von der Leistung des Geräts sehr enttäuscht und im Endeffekt hat es mehr Ärger bereitet als geholfen.

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                                        • codenascher

                                          Lebt im Forum
                                          • 30.06.2009
                                          • 5064
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                          Hey Hunter,

                                          Eine schöne Reise hast du da bisher hinter dir. Hach ja, Erinnerungen an Knoydart

                                          Ich will dich / euch ja nicht angreifen, finde es aber ehrlich gesagt beinahe albern dort hin ein Sat Tele mit zu nehmen... Klar, Wilderniss blabla. Wirklich alleine ist man aber auch auf Knoydart nicht. Die Zivilisation ist verhältnismäßig weit weg, das stimmt zwar schon... Ich schweif ab, sorry. Anstatt nen Sat mit zu nehmen solltest du lieber deine Freundin zu solch einer Tour überreden

                                          Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

                                          meine Weltkarte

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                                          • Hunter9000
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                                            • 02.06.2012
                                            • 678
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                            Also ich habe zwischen Glenfinnan und Inverie genau vier Leute in insgesamt zwei Gruppen getroffen und danach noch einmal genau einen Wanderer. War also wirklich ziemlich einsam (was mich ja so auch nicht gestört hat).

                                            Meine Freundin war im Herbst mit mir auf dem WHW und das war ihr schon viel zu heftig. Von daher war klar, dass sie mich in Knoydart auf keinen Fall begleiten würde.

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                                            • Hunter9000
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                                              • 02.06.2012
                                              • 678
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                              6. Tag, Donnerstag 3. Mai – Von Kinloch Hourn nach Suardalan
                                              Immer der Ehrengarde folgen

                                              Völlig groggy krieche ich heute aus meinem Zelt. Der Tag gestern war wohl doch etwas anstrengend. Wieder erwartet mich eine strahlende Sonne vom blauen Himmel; nur habe ich heute keinen Sonnenhut mehr. Daher bastle ich mir aus meinem olivgrünen Dreieckstuch (vielen Dank an die österreichische Armee) eine provisorische Kopfbedeckung; sieht zwar scheiße aus, aber zumindest werde ich nicht gleich einen Sonnenstich erleiden. Während des Lagerabbaus kommt auch ein Wanderer aus Richtung Barrisdale. Ich spreche ihn gleich darauf an, ob er einen Hut gefunden hätte. Natürlich habe ich aber einen waschechten Schotten erwischt und es dauert etwas, bis er sich mir soweit verständlich gemacht hat, dass ich ihn verstehen kann: Nein hat er nicht.

                                              Durch den kleinen Ort Kinloch Hourn hindurch – der sich hauptsächlich durch den Parkplatz für Tageswanderer und ein kleines Teehaus definiert – wandere ich rund um das östliche Endstück des Loch Hourn und fülle am Lochhourn River meine Wasservorräte auf. Hier verwende ich auch zum ersten und einzigen Male meine Micropur Tabletten, da der Fluss aus der "Zivilisation" kommt und hier im Tal große Schafweiden direkt neben dem Fluss weiden. Anschließend verlasse ich das Tal in einer Kraxelpartie querfeldein über Schafszäune und durch dichten, steilen Wald. Der auf der Karte eingezeichnete Weg ist nämlich nicht zu finden, oder existiert nicht.


                                              Wald von Kinloch Hourn

                                              Oberhalb des Waldes finde ich dann den auf der Karte eingezeichneten Weg doch noch, was mir den weiteren, steilen Aufstieg doch erheblich erleichtert. Über einen kleinen Pass verlasse ich das Tal von Kinloch Hourn und lasse damit bis morgen Mittag auch wieder die Zivilisation hinter mir. Ab dem Pass warten auch schon meine treuen Begleiter auf mich, die mir heute fast den ganzen Tag Gesellschaft leisten werden: Der Weg führt immer an einer Hochspannungsleitung entlang und die Masten dienen mir als Entfernungsmesser, Wegweiser und Gesellschaft.


                                              Aufstieg aus Kinloch Hourn


                                              Loch Hourn in der Ferne

                                              Auf der anderen Seite des Passes geht es in ein namenloses, weites Tal hinab. In einigen Reiseberichten, die ich zuvor gelesen habe, wurde dieser Abschnitt als sehr langweilig beschrieben. Der Meinung bin ich nicht. Natürlich stören die Strommasten etwas und auch die Forstwege, die sich recht ziellos durch das Tal winden, aber generell finde ich die Ruhe und Weite sehr angenehm.


                                              Das Namenlose Tal

                                              Der Weg auf dem ich wandere ist teilweise gut ausgebaut, teilweise nur mit Mühe zu erkennen und verschwindet hin und wieder auch ganz, nur um dann unvermittelt wieder zu einer Traktorspur zu werden. Natürlich brennt die Sonne wieder herab, aber heute gibt es wenigstens einen leichten Wind, der das ganze erträglicher macht; was aber nichts daran ändert, dass mangels Hutkrempe mein Gesicht verbrannt wird. Aber dagegen kann ich nichts machen.


                                              Strahlend blauer Himmel

                                              Hinter einer Ruine am Fluss Allt Coire Mhalagain mache ich meine Mittagspause, bevor ich wieder einen Pass erklimme, der mich in ein weiteres Tal bringen wird. Hier löst sich der Weg unterhalb des Passes vollkommen auf und ich darf zur Abwechslung mal wieder durch Sumpf, Bäche und Geröll stapfen, immer darauf achtend, mich nicht zu weit von den Strommasten zu entfernen.


                                              Abstieg die 2.

                                              Wo es hinauf geht, geht es natürlich auch irgendwann wieder bergab. In meinem Fall hieß das, hinab in das Tal des Allt Ghleann Aoidhaidelean. Wie der Aufstieg, so war auch der Abstieg, nass, sumpfig, weglos, vor allem aber steil. In der Ferne konnte ich einen Weg ausmachen, der hier irgendwo aus dem Nichts entsprang, aber vorerst stand mir nichts dergleichen zur Verfügung. Irgendwann mache ich jedoch ein Stück Weg aus, welches in die Richtung führt, in die ich auch möchte. Hier ist sogar, über ein Stück hässlichen Bog, ein Brett gelegt. Welcher Luxus! Man kann dem Schlamm also sehr elegant entkommen.

                                              Soweit war zumindest die Denkrichtung. Ich stolziere also voller Freude auf das sich mir präsentierende Brett. Ein Brett, welches bereits im Regen lag, einen feuchten Sumpf überdeckt und quer zur Hangrichtung – also recht abschüssig – liegt. Mir reißt es die Füße weg, ich drehe eine halbe Pirouette, werfe die Trekkingstöcke von mir und lande mit Gesicht und Händen vorne weg voll im stinkigen Schlamm!

                                              Völlig erschrocken befreie ich mich aus dem Dreck, löse den Rucksack und begutachte Hände und Knie. Alles heil geblieben, aber ziemlich dreckig: Handschuhe, Shirt, Hose und der Rucksack hat auch was abbekommen. Nach dem ersten Schreck mache ich mich daran alles zu reinigen und kann dann auch über meine eigene Dummheit lachen.

                                              Der restliche Abstieg gestaltet sich als sehr ereignislos. Der Weg wird bald zu einem breiten, gemütlichen Pfad und auch die Flussquerungen sind kein Problem – auch hier ist der Wasserstand extrem niedrig. An einem Waldgebiet schließlich trennen sich die Wege der Strommasten von den meinen. Während die Leitung weiter nach Norden führt, biege ich nach Osten ab. Ich winke ihnen noch zum Abschied zu.

                                              Auf einer Forststraße komme ich in der Nachmittagshitze gut voran und passiere einige Schafsgatter. Schließlich geht es noch an einem kleinen Lochan vorbei und nun kann es bis zur Bothy von Suardalan nicht mehr weit sein.


                                              Straße ins Nichts

                                              Tatsächlich taucht die Bothy sehr unvermittelt in dem großen Tal auf. Einsam steht sie in der Mitte eines von Steinmauern eingezäunten Grundstücks, in dem hohes Schilfgras wächst.


                                              Suardalan Bothy

                                              Ich komme zur Bothy und muss feststellen, dass es unmöglich ist hier ein Zelt aufzustellen. Das meiste ist voll mit Schafs-Aa, oder mit Sumpfgras bewachsen, oder der Boden ist zu steinig um Heringe rein zu bekommen. Also wird dies wohl meine erste Nacht in einer Bothy werden. Bevor ich es mir aber gemütlich mache, schicke ich eine SMS an meine Freundin, man hat ja gelernt. Nachdem ich eine Sendebestätigung bekommen habe, bin ich beruhigt und baue im kleinsten der drei Zimmer der Bothy mein Nachtlager auf.

                                              @ Nicki1005: Wenn du mitlesen solltest, deine kleine Zeichnung hängt übrigens immer noch im Zimmer!


                                              Lager in der Bothy

                                              Nachdem ich mit wasserholen vom Fluss, kochen und abwaschen fertig bin, beginnt sich der Himmel zuzuziehen und im Norden sind Regenwolken zu sehen. War anscheinend eine gute Idee das Zelt heute eingepackt zu lassen. Nach einigen letzten Fotos ziehe ich mich in mein Zimmer zurück und lese in meinem Buch. Von draußen klopfen die ersten Regentropfen ans Fenster.


                                              Abendstimmung über Suardalan

                                              Tagesleistung laut Navi: 10.7 km (+8.5 km ohne Signal)
                                              Gehzeit: 6 Stunden, 42 Minuten (habe aber vergessen das Navi am Lagerplatz auszuschalten)
                                              Höhenunterschied: 653 m
                                              Maximales Gefälle: 21 %
                                              Minimales Gefälle: -12 %

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                                              • nicki1005
                                                Erfahren
                                                • 30.04.2011
                                                • 376
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                                @hunter9000: natürlich lese ich fleißig mit und ich verfolge deinen bericht mit einem riesen lächeln, wenn ich all die fotos sehe, die so tolle erinnerungen wecken... freut mich total, dass meine zeichnung noch da ist, und du sie "bewundern" konntest als ich jetzt das foto von dem zimmer in der bothy gesehen habe, hab ich mich gleich wieder ein paar wochen zurück versetzt gefühlt...
                                                schade, dass du diese ganzen tollen eindrücke nicht teilen konntest wie du auch schon geschrieben hast: ich finde es zu zweit auch schöner (oder erfüllender?)! ich wünsch dir noch ganz viele tolle weitere urlaube (MIT begleitung )

                                                ganz liebe grüße
                                                nicki

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                                                • Hunter9000
                                                  Dauerbesucher
                                                  • 02.06.2012
                                                  • 678
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                                  7. Tag, Freitag 4. Mai – Von Suardalan nach Shiel Bridge
                                                  Wenn die Technik versagt und man es nicht mal bemerkt

                                                  Meine erste Nacht in einer Bothy war recht angenehm. Auch wenn man sagen muss, dass es in einem alten, knarrenden Haus mitten in der Wildnis Nachts recht unheimlich ist. Hier fühle ich mich in einem Zelt deutlich wohler. Nachdem es aber die ganze Nacht durchgeregnet hat und auch morgens noch dicke Wolken tief über den Highlands hängen, war meine Entscheidung nicht im Zelt zu schlafen auf jeden Fall die richtige.

                                                  Gemütlich packe ich in der trockenen Hütte meinen Rucksack und wandere dann in Regenklamotten los. Heute brauche ich zum ersten Mal meinen Kompass um meine Richtung zu bestimmen. Zu groß ist das Tal und zu ähnlich sehen sich die unterschiedlichen Pässe; aber nur über einen von ihnen gelange ich in die Ortschaft Shiel Bridge.

                                                  Über das eingezäunte Gelände der Bothy ziehe ich los nach Nordosten. Über eine Brücke gelange ich über den Glenmore River, an dem ich meine Frischwasservorräte auffülle. Dann geht es auf einem Feldweg durch den dichten Wald – eigentlich ist der Weg wegen Forstarbeiten gesperrt, aber ich höre und sehe niemanden. Mitten im Wald endet der Forstweg – das wusste ich schon – und ich muss mir so einen Weg durch das Unterholz bahnen. Dieses ist jedoch deutlich dichter als gedacht und so ist es ein echter Spaß über die nassen, umgefallenen Baumstämme zu klettern.


                                                  Da durch?

                                                  So dauert es eine Weile bis ich mir mit dem schweren Rucksack einen Weg zur querenden Forstraße gebahnt habe und bei der Ruine von Bealachsan wieder aus dem Wald komme.


                                                  Ruine von Bealachasan


                                                  Pass Richtung Shiel Bridge

                                                  Ab hier geht es bergauf, über den niedrigen Pass ins Gleann Undalain. In dem kühlen Wetter und dem im Vergleich zum Beginn mittlerweile doch deutlich leichteren Rucksack, sind die wenigen hundert Höhenmeter kein sonderliches Problem. Dennoch bin ich sehr langsam unterwegs, aber ich weiß, dass ich heute Zeit habe und so habe ich es nicht sonderlich eilig.


                                                  Blick vom Pass nach Osten


                                                  Loch Coire nan Crogachan

                                                  Ich komme gut voran und nach dem Loch Coire nan Crogachan beginnt ein recht steiler Abstieg. Auf dieser Seite der Berge dürfte es aber nur wenig geregnet haben, der Weg ist realtiv trocken und so ist der Abstieg nicht sonderlich schwer. Darüber bin ich auch recht dankbar, denn meine Knie melden sich nun doch nach all der Anstrengungen zu Wort; aber nur sehr leise. Der Abstieg endet schließlich an jenem Punkt, an dem sich die drei Täler des Glenshiel Forests treffen.


                                                  Tal des Allt a Choire Chaoil

                                                  Mittags bin ich schon kurz vor Shiel Bridge und bevor ich in die Zivilisation zurückkehre genieße ich ein letztes Mal ein ruhiges Mittagessen in der Pampa neben einer Pferdeherde. Danach geht es hinein in die „Stadt“. Voller Dekadenz erwarten mich hier asphaltierte Straßen, ein Campingplatz, Handynetz und ein Tankestellenshop. In letzterer decke ich mich mit Fanta, Cookies und Twix ein. Während ich meinen Zuckerhaushalt wieder auf Zivilisationsniveau bringe, entscheide ich mich dafür, den nächsten Campingplatz, nördlich von Shiel Bridge, aufzusuchen, da dieser etwas abseits der Straße liegt. Ich schreibe meiner Freundin mit dem Handy eine SMS, dass ich an der Tankstelle bin – also in Sicherheit – und mich am Abend bezüglich einer weiteren Routenplanung noch einmal telefonisch melden würde. Der Tankstellenpächter hat mich darüber informiert, dass das Wetter auch in den nächsten Tagen noch gut sein wird – auch wenn es kalt werden soll. Da ich noch drei Tage übrig habe, habe ich beschlossen eine zusätzliche Strecke zu gehen.


                                                  Berge


                                                  Auf dem Weg nach Shiel Bridge

                                                  Aber zuerst muss ich an der A87 entlang zu meinem angestrebten Campingplatz. An der Autobahn überholen mich direkt hintereinander gut 20 Ferraris. Auf der ansonsten verlassenen Straße ein durchaus imposanter Anblick - gut 20 Ferrari am Stück wären wohl überall ein Hingucker. Ansonsten ist das marschieren auf dem Asphalt der Tod für die Füße und zudem recht eintönig.


                                                  Loch Duich

                                                  Endlich erreiche in den Campingplatz, der eigentlich für Caravans ausgelegt ist. Aber es gibt auch eine kleine Wiese, auf der ich mein Minizelt aufbaue. Neben den riesigen Zelten der anderen Bewohner wirkt es etwas verloren. Ich genieße im Anschluss die warme Dusche, hänge meine nassen Sachen im Trockenraum auf und verdrücke mein Abendessen, bevor ich mich bei meiner Freundin melde.

                                                  Diese ist immer noch völlig aufgelöst: Das am Vortag von Suardalan abgeschickte SMS hat sie nie erreicht und sie hat bereits das Schlimmste befürchtet. Auch wenn ich eigentlich nichts falsch gemacht habe, habe ich ein unglaublich schlechtes Gewissen, dass sie sich meinetwegen so große Sorgen gemacht und die ganze Nacht nicht geschlafen hat. Zugleich verfluche ich das Drecksteil von Sat-Handy, das so gar nicht meine Erwartungen erfüllt.

                                                  Nachdem ich sie etwas beruhigt habe, kann ich ihr meine Pläne für die nächsten beiden Tage mitteilen. An denen möchte ich durch das Glen Lichd in Richtung des Glen Affric und von dort aus nach Süden zum Cluanie Inn wandern, welches sich wieder an der A87 befindet. Von dort soll es dann mit dem Bus zurück nach Fort William gehen.

                                                  Am Abend füllt sich der Zeltplatz noch mit weiteren Besuchern. Man merkt, dass Wochenende ist und viele das schöne Wetter zum Wandern ausnutzen wollen. Immer noch plagt mich ein schlechtes Gewissen wegen der Sorgen, die sich meine Freundin wegen mir gemacht hat und ich hoffe, dass sie wenigstens heute Nacht schlafen kann.

                                                  Früh ziehe ich mich in meinen Schlafsack zurück und hoffe, dass es in dieser Nacht nicht zu laut wird, mit all den Menschen rund um mich herum. Bereits jetzt vermisse ich die Ruhe der Highlands.

                                                  Tagesleistung laut Karte: 13.1 km (Navi gab auf dem Pass batteriebedingt den Geist auf und hatte im Wald auch keinen Empfang)
                                                  Gehzeit: ???
                                                  Höhenunterschied: ca. 470 m
                                                  Maximales Gefälle: ???
                                                  Minimales Gefälle: ???

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                                                    • 02.06.2012
                                                    • 678
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                                    8. Tag, Samstag 5. Mai – Von Shiel Bridge nach Cluanie Inn
                                                    Aus zwei mach eins

                                                    Die Nacht war ruhiger als erwartet, aber natürlich lauter als erhofft. Die Nachbarn haben noch lange Musik gehört – natürlich etwas mit Dudelsack und irgendjemand hat es nicht geschafft seinen Alarmwecker abzuschalten.

                                                    Der Morgen beginnt kühl und bewölkt, aber trocken. Über eine Straße und ein Viehgatter gelange ich ins Glend Lichd – das gesamte Tal ist eine einzige riesige Schafweide, erst Stunden später werde ich das zweite Gatter passieren. Da ich mich auf diesen Abschnitt der Reise nicht vorbereitet habe, habe ich keine Ahnung was mich genau erwarten wird, aber zumindest auf der Karte sah der Weg einfach aus und ich habe ja genügend Zeit. Meinen Reservetag habe ich außerdem auch immer noch nicht gebraucht.


                                                    Eingang ins Glen Lichd

                                                    Auf einem gut ausgebauten Feldweg komme ich schnell voran, vorbei an hunderten Schafen und ebenso vielen Lämmern. Der Weg folgt dem River Croe, einem breiten, langsam fließenden Fluss in der Mitte des Tales, der von den Ruinen aufgegebener Gehöfte gesäumt ist.


                                                    River Croe

                                                    Auf dem Feldweg komme ich erstaunlich gut voran – wieder der beste Beweis, dass die Beschaffenheit des Weges essentiell für die Kilometerleistung pro Stunde ist. Das Wetter klart immer mehr auf, ohne dabei aber so heiß zu werden wie die letzten Tage, auch das ist äußerst angenehm zum wandern.


                                                    Blick durch das Gleann Lichd

                                                    Viel zu schnell komme ich an das Glenlichd House, am Ende des Tales. Hier wollte ich eigentlich zu Mittag essen, aber es ist erst kurz nach zehn Uhr. Egal. In einem Wechsel aus Sonne und Wolken steige ich auf den Pass auf, der mich ins nächste Tal bringen soll. Ein Aufstieg, bei dem ich mir gemütlich Zeit lassen kann – ich bin ja ohnehin viel zu schnell unterwegs.


                                                    Blick hinab vom Pass

                                                    Der Höhepunkt des Aufstiegs ist eindeutig eine Ansammlung beachtlicher Wasserfälle, die in einem Halbrund in die Tiefe stürzen und sich dort zum Fluss Allt Granda vereinigen. Es war nur leider unmöglich, diesen Anblick gut zu fotografieren.

                                                    Wie üblich dauert der Gesamtaufstieg länger als gedacht, aber heute stört mich das noch weniger als sonst, da ich unter keinerlei Zeitdruck stehe, das Wetter angenehm und der Rucksack leicht ist. Oben angekommen gibt es das obligatorische Gipfelfoto und dann mache ich mich an den langgezogenen Abstieg in den Glenaffric Forest (trotz des Namens gibt es hier aber keinen einzigen Baum).

                                                    An dieser Seite der Berge ist es empfindlich kühler (es ziehen auch wieder Wolken auf) und für mein Mittagessen suche ich mir einen sonnigen, windgeschützten Platz aus, um nicht gleich zu frieren. Während des Essens joggt eine Frau in kurzen Hosen und Shirt an mir vorbei – in Richtung Norden, also weiter in die Highlands hinein. Die spinnen, die Schotten!


                                                    Fionngleann

                                                    Einem gut sichtbaren Weg folgend wandere ich nach Nordosten und passiere die Bothy Camban. Aus reiner Neugierde werfe ich einen Blick hinein und nutze sie für eine kurze Pause. Die Bothy liegt nicht gerade ideal, da es in der Umgebung weder Wasser noch Feuerholz gibt, sieht ansonsten aber ganz nett aus. An der Innenseite der Tür finde ich jedoch einen Zettel, auf dem immer noch der Mann gesucht wird, nachdem mich auch schon der Rettungspilot am zweiten Tag meiner Reise gefragt hat. Diese Vermisstenanzeige löste eine etwas bedrückte Stimmung in mir aus, die beim weiter gehen durch ein immer bewölkteres Wetter noch verstärkt wird. Jetzt hätte ich gerade wirklich gerne etwas Gesellschaft.

                                                    Nach der Bothy öffnet sich das enge Tal zu einem weiten Kessel. Im Ganzen treffen vier Täler und ebenso viele Flüsse hier zusammen, was den Weg hindurch recht sumpfig macht. Hinzu kommen einige Flussdurchquerungen, die ich aber auch wieder alle trockenen Fußes schaffe.

                                                    Bald schon erreiche ich die Alltbeithe Hütte, mein Tagesziel. Eigentlich hatte ich diese Hütte für eine Bothy gehalten, aber es ist eine Jugendherberge, die sich hier mitten im Nirgendwo befindet. Immerhin haben sie aber Strom.

                                                    Ich plaudere kurz mit der Besitzerin über die Außergewöhnliche Lage, lasse mir Lagerplätze in der Umgebung empfehlen, bewundere die Aussicht und bin sehr verlockt noch einige Kilometer den River Affric entlang nach Osten zu wandern, bis in das Glen Affric hinein. Für dieses Gebiet habe ich aber keine Karten mehr dabei, und so verwerfe ich die Idee aus Sicherheitsgründen wieder.

                                                    Während ich meine Überlegungen anstelle fängt es dann auch an zu schneien – na das hat mir in meinem Schottlandurlaub ja noch gefehlt, nachdem ich gestern ganz kurz einmal einen Hagelschauer hatte. Damit hätte ich dann alles an Wetterkapriolen abgedeckt. Dennoch beschließe ich hier im kalten, windigen und sumpfigen Tal zu campen. Aber man lernt ja dazu und so packe ich als erstes mein SAT-Handy aus um meine Freundin zu informieren. Doch das verweigert seinen Dienst. Ich kann es einschalten, es sucht auch nach Satelliten, informiert mich dann, dass die Batterie schwach ist und schaltet sich dann sofort auf. Staunend und wie ein Rohrspatz fluchend blicke ich auf das Schrottteil. Danke für die Warnung, war nur etwas kurzfristig angesetzt! Wieder formt sich der Gedanke, das Teil im nächstbesten Fluss zu versenken. Wieder stoppt mich nur die hinterlegte Kaution. Drecksding!

                                                    Nun, es ist ja auch erst zwei Uhr nachmittags. Ich beschließe also weiter zu wandern. Ich rüste mich für den nun kommenden weglosen Abschnitt mit Gamaschen aus und mache mich auf den Weg nach Süden, Richtung Cluanie Inn, bei dem es wieder einen Handyempfang gibt. Über eine Brücke gelange ich über den River Affric (rund um die Brücke gibt es keinen Weg, nicht einmal einen Trampelpfad) und schlage mich dann durch sumpfiges, wegloses und schlammiges Hochland.


                                                    Brücke im Nichts über den River Affric

                                                    Mittlerweile ist es empfindlich kalt geworden und es schneit ganz ordentlich, auch wenn nichts auf dem Boden liegen bleibt. Es reicht aber aus, um die Highlands noch ein bisschen feuchter zu machen. Entlang eines Flusses, hunderte Bäche querend, wate ich bergauf zu einem Hochplateau. Hier ist normales gehen unmöglich. Immer gilt es den Boden mit den Stöcken abzutasten, über Sumpf zu springen, Tiefmoor zu umgehen und teilweise auch wieder umzudrehen und neue Möglichkeiten zu suchen. Wenn das alles nichts hilft, dann muss man eben mitten durch. Ich nehme diesen schwierigen Abschnitte heute mit Humor, immerhin habe ich ja meine Gamschen und in den nächsten Tagen haben die Schuhe auch Zeit zum trocknen. Dennoch ist diese Art des Wanderns furchtbar anstrengend.


                                                    Dicke Schneewolke aus dem Norden


                                                    Weglos im Hochmoor

                                                    Nach dem Hochplateau geht es sanft wieder bergab; immer noch weglos. Mittlerweile sieht man auf den umliegenden Bergen deutlich, dass der Schnee immer weiter herab kommt. Vielleicht war das weiter gehen doch eine gute Idee! Irgendwann sollte laut Karte auf dieser Seite des Plateaus auch mal eine Forststraße auftauchen. Ich finde sie jedoch erst recht spät, da sie sich ganz versteckt an die Flanke der Berge drückt. Ab hier wird das marschieren jedoch wieder deutlich einfacher und schon bald kann ich das erste Mal einen Blick auf Loch Cluanie werfen. Fast geschafft.


                                                    Loch Cluanie

                                                    Mittlerweile ist es fünf Uhr und ich werde doch schon ziemlich müde, bin ich doch den ganzen Nachmittag praktisch ohne Pause durchgegangen. Da ich auch schon im Einzugsbereich des Handynetzes bin schicke ich rasch eine Nachricht an meine Freundin ab und suche mir dann, unweit der Straße, ein lauschiges Plätzchen für die Nacht. Ich finde eines direkt neben dem Fluss mit einigen Bäumen und meinem privaten Wasserfall. Letzterer schirmt auch die Geräusche der wenigen Autos ab, die ich sonst vielleicht gehört hätte. Nach einem leckeren Abendessen verziehe ich mich recht bald in meinen warmen Schlafsack; es ist schweinisch kalt geworden.


                                                    Lagerplatz am Allt a Chaorainn

                                                    Tagesleistung laut Karte: 23.9 km
                                                    Gehzeit: ca. 8 Stunden, 30 Minuten
                                                    Höhenunterschied: ca. 600 m
                                                    Route: Google Maps

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                                                      • 02.06.2012
                                                      • 678
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                                                      #27
                                                      AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                                      9. Tag, Sonntag 6. Mai – Vom Cluanie Inn nach Fort William
                                                      Busfahren ist gefährlich!

                                                      Die Nacht war kalt, aber nicht so sehr wie die erste, auch wenn ich ein bisschen gefroren habe. Aber ich hole den verpassten Schlaf am morgen nach, ich weiß ja, dass ich an diesem Tag keine Eile habe. Relativ späte komme ich daher erst aus dem Zelt, die Sonne steht bereits hoch am Himmel. Beim Frühstück genieße ich meine Müsliriegel und packe dann alles zusammen.

                                                      Rasch sind die letzten Meter zur Straße zurückgelegt und dann beginnt ein eher unschöner Teil der Wanderung: An der A87 entlang muss ich etwa zwei Kilometer nach Westen gehen, um zum Cluanie Inn zu kommen. Die Autobahnen in den Highlands sind ohnehin mehr Landstraßen und am Sonntagvormittag ist hier noch weniger los. Nur die Parkplätze entlang der Straße sind alle voll mit den Autos von Wanderern.

                                                      Auf dem Weg zum Inn kommt mir auch einer der Ferraris entgegen, die ich Vorgestern gesehen habe. Anscheinend ist das Treffen wieder vorbei. Der Ferrari ist aber nicht das einzige Fahrzeug, welches mir ins Auge sticht. Auch der Bus mit der Aufschrift „Fort William“ donnert an mir vorbei. Das bedeutet wohl, dass ich am Inn länger warten muss.

                                                      Am Inn angekommen bin ich erstmal etwas verwirrt. Nirgendwo gibt es ein Zeichen, dass hier ein Bus hält, von einem Fahrplan ganz zu schweigen (letzteren habe ich aber auch in ausgedruckter Form bei mir). Im Inn wird mir sehr unfreundlich mitgeteilt, dass der Bus einfach auf der anderen Straßenseite hält. Ich entscheide bei der mir entgegengebrachten Freundlichkeit, hier keinen Tee zu trinken. Stattdessen mache ich es mir neben der Straße gemütlich und warte zwei Stunden auf den Bus, die ich damit zubringe anderen Wanderern zuzusehen und Fotos zu machen.

                                                      Eine Gruppe französischer Jugendlicher macht mir in der Zwischenzeit vor, wie man in den Highlands einen Bus stoppt. Man springt und wedelt mit den Armen; ansonsten bleibt der Bus anscheinend nicht stehen. Wedelnd und springend stoppe ich also etwas später meinen anrasenden Reisebus, schlucke kurz beim Ticketpreis (fünf Pfund mehr als im Internet angegeben und gerade noch in dem Bereich, den ich mir leisten kann).

                                                      In den nächsten zwei Stunden geht es via Invergarry nach Fort William. Die Landschaft ist traumhaft und führt an Loch Cluanie, Loch Loyne, Loch Garry und den mir bereits durch den Great Glen Way bekannten Seen Loch Oich und Loch Lochy entlang. Der Busfahrer fährt dabei wie der letzte Henker und scheut auch nicht davor in der Kurve, über zwei Sperrlinien hinweg, einen Kleinwagen zu überholen. Trotz der rasanten Fahrweise döse ich immer wieder ein. Erst jetzt merke ich, wie anstrengend die letzte Woche doch gewesen ist.

                                                      In Fort William ist es unangenehm heiß und schwül, laut und voller Menschen. Der übliche Schock nach der Trekkingreise tritt ein. Schnell besorge ich mir neues Geld und wandere dann über den Cow Hill aus der Stadt hinaus zum Glen Nevis Camping Ground. Es ist erstaunlich, wie gut ich mich in dieser kleinen Stadt und ihrer Umgebung bereits auskenne.

                                                      Nach der Anmeldeprozedur schlage ich im hinteren Bereich des riesigen Campingplatzes mein Zelt auf und genieße die Annehmlichkeiten der Zivilisation (Toilette mit Spülung und heiße Dusche). Beim Abendessen bewundere ich noch die Aussicht auf den Ben Nevis – den höchsten Berg Großbritanniens – und die stets um seinen Gipfel kreisenden Rettungshelikopter.

                                                      Tagesleistung laut Karte: 2.3 km + 3.6 km

                                                      10. Tag, Montag 7. Mai –Fort William
                                                      Faul…

                                                      Ich lege einen faulen Tag ein, da ich meine Knie schonen will und eine Besteigung des Ben Nevis aufgrund dichten Nebels ohnehin nicht ratsam erscheint. Vormittags lese ich meine mitgebrachte Lektüre auf und marschiere so zu Mittag in die Stadt um mich mit Nachschub einzudecken.

                                                      Kaum bin ich zurück am Zeltplatz beginnt es zu regnen. Laut Wetterauskunft soll es die nächsten Tage auch so bleiben. Also wahrscheinlich auch dieses Jahr kein Ben Nevis, auf den ich klettern kann.

                                                      Ich verbringe also den Rest des Tages im Zelt, lese und futtere Süßigkeiten aus dem Shop des Campingplatzes. So werde ich die verlorenen Kilos sicher schnell wieder anfuttern.

                                                      11. Tag Dienstag, 8. Mai – Fort William
                                                      Ein Spaziergang der ist lustig

                                                      Das vorhergesagte Wetter ist eingetreten. Der Ben Nevis ist dick in Wolken gepackt und meine Bergtour somit gestorben. Wieder verbringe ich den Vormittag damit zu lesen, bis auch mein neues Buch aus ist. Dann leide ich aber auch schon ein wenig unter Zeltkoller und beschließe am Nachmittag einen kleinen Spaziergang zu machen.

                                                      Da es zwar bewölkt aber trocken ist, wandere ich tiefer in das Glen Nevis hinein. Ich folge einem, von Schafsgattern unterbrochenen, schlammigen Weg entlang des River Nevis. Ich genieße die Bewegung und die schöne Landschaft, die von den schneebedeckten Bergen flankiert wird. Nur die Straße mit den vielen Tagestouristen stört das Gesamtbild ein wenig.

                                                      12. Tag Mittwoch, 9. Mai – Von Fort William nach Edinburgh
                                                      Wanderer unter sich

                                                      Zum ersten Mal während der Reise muss ich im Regen mein Zelt abbauen. Nun, zumindest muss ich das schwere, nasse Zelt nicht mehr weit tragen. Ich packe auch noch meinen Rucksack so um, dass er tauglich für das Flugzeug ist. Mittlerweile habe ich genug von Urlaub und möchte am liebsten gleich nach Hause.

                                                      Kaum habe ich fertig gepackt kommt die Sonne heraus und knallt noch einmal richtig vom Himmel. So komme ich auf meinem Weg über den Cow Hill nach Fort William hinein noch einmal ordentlich ins Schwitzen. Da ich früh dran bin, genieße ich dann noch die Sonne auf den Ruinen des alten Forts der Stadt und gebe Briten Auskunft über die sie umgebenden Berge.

                                                      Der Zug nach Glasgow ist bis auf den letzten Platz besetzt und ich bin froh über meine Ticketreservierung. Ich teile mir den Tisch an dem ich sitze mit drei anderen Wandern (einer alten englischen Lady und einem schwedischen Pärchen), die gerade den West Highland Way absolviert habe; allerdings auf die leichte Tour: Mit Schlafen im B&B und Gepäcktransport. Wir quatschen die gesamte Fahrt über und erfahren so sehr viel über das Wandern in den jeweiligen Herkunftsländern. Schweden klingt durchaus interessant.

                                                      So verfliegt die Zeit und wir erreichen Glasgow, wo ich die Führung übernehme und mit den anderen dreien den Zug nach Edinburgh besteige. Auch dieser ist voll, diesmal jedoch mit Tagespendlern. An der Station Edinburgh Heymarket verlasse ich die anderen (aus unerfindlichen Gründen war es deutlich billiger nur nach Heymarket zu fahren als nach Weaverly) und suche mir eine Herberge. Mittlerweile kenne ich doch schon einige Hostels in der Stadt und so habe ich auch nichts reserviert. Ich quartiere mich schließlich wie im letzten Jahr wieder im St. Christopher Youth Hostel am Rande der Oldtown, direkt neben der Weaverly Bridge ein.

                                                      Nach einer kurzen Katzenwäsche marschiere ich rüber nach New Town und suche mir, nachdem ich rasch ein Geschenk für meine Freundin besorgt habe, in der Rose Street ein Lokal zum Abendessen. Über den riesigen Hamburger den ich mir bestelle (sogar die Kellnerin war „impressed“, dass ich das Teil samt aller Beilagen verputzt habe) lerne ich ein älteres amerikanisches Pärchen kennen, mit denen ich noch länger plaudere.

                                                      Nach einem kurzen Abendspaziergang durch die Altstadt kehre ich ins Hostel zurück. Mittlerweile hat sich das acht-Mann Zimmer voll besetzt.

                                                      13. Tag Donnerstag, 10. Mai – Von Edinburgh nach Heidelberg
                                                      Endlich heim

                                                      Es hat in der Nacht keine Schnarcher gegeben, dennoch habe ich in der stickigen Luft im Zimmer nur schlecht geschlafen. Einfach kein Vergleich zur Luft in einem gut belüfteten Zelt. Als Frühstück gibt es leider nur Toast mit Marmelade. Das leckere (und reichliche) Upgrade zu einem british breakfast (welches in dem Hostel sehr zu empfeheln ist!) kann ich mir leider nicht mehr leisten. Ich habe noch genau ein Pfund übrig.

                                                      Am Frühstückstisch lerne ich noch einen Deutschen kennen, der mit seinem Fahrrad durch die Highlands fahren will. Da es sein erster Schottlandbesuch ist, beantworte ich ihm noch einige Fragen, bevor ich mich auf zum Flughafenshuttle mache.

                                                      In einer halben Stunde bin ich am Flughafen (überall Deutsche Touristen, brrr...), checke ein und fliege Richtung Kontinent. In Frankfurt trifft mich dann beim Aussteigen mal fast der Schlag, als mir 25° heiße Luft entgegen kommt. Die Deutsche Bahn bringt mich dann auch noch unpünktlich und überteuert nach Heidelberg und die Straßenbahn nach Hause, wo ein leckeres Überraschungsessen und meine Freundin auf mich warten.

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                                                      • dooley242

                                                        Fuchs
                                                        • 08.02.2008
                                                        • 2096
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                                                        AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                                        Danke für den schönen Bericht mit ebensolchen Fotos.

                                                        Es gibt wirklich noch viel, was sich in Schottland lohnt.
                                                        Gruß

                                                        Thomas

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