• Borgman
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    [NO] Finnmark 2022 – der drømmer blir virkelighet

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 70.5042258
    Längengrad 30.1361847

    Glaubt ihr nicht? Dass in der Finnmark Träume Wirklichkeit werden? Steht aber an jedem Bus von Snelandia:



    Natürlich steht da nicht, dass ALLE Träume wahr werden, das wäre ja auch ein bisschen zu viel verlangt, oder? Aber vielleicht einige? Ein paar wenige, die mir in den Sinn kommen, wenn ich an die Finnmark denke? Zum Beispiel die Øvre Anarjohka-Durchquerung, die mir seit Jahren im Kopf herumspukt, oder Øksfjordjøkelen - einmal dort oben über den Gletscher gehen und die irre alpine Küstenlandschaft bestaunen. Stjernøya ist auch so ein Traum ... unzugänglich bis zum Gehtnichtmehr ... wer ist jemals auf dieser Insel gewandert? Gleich nebenan die Sandstrände von Sørøya. Oder die zerklüftete Nordküste der Varangerhalbinsel - schroffe Felsen, einsame Buchten, Brutplätze zahlloser Seevögel.

    Bisher bin ich einmal der Länge nach durch die Finnmark gelaufen, also die Strecke von Vardø bis Reisa, war im Stabbursdalen Nationalpark und auf Seiland. In diesem Jahr will ich einige Ecken erkunden, die mich noch reizen. Nennt es Träumen oder schlicht Neugier. Zwei davon sind im Juni dran und mit ein bisschen Glück geht vielleicht auch im August/September noch was. Seid ihr auch so neugierig auf kaum bekannte und wenig erschlossene Wandergebiete im ganz hohen Norden wie ich? Dann kommt doch einfach mit ...





    1. Teil: Pasvik





    2. Teil: Syltefjord
    Zuletzt geändert von Borgman; 04.07.2022, 17:55. Grund: Link eingefügt

  • Borgman
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    #2
    1. Teil: Pasvik

    02. bis 10. Juni 2022

    Nein, Pasvik ist eigentlich kein Traum von mir. Zu glanzlos war bisher meine Vorstellung von dieser Gegend: ziemlich flach, viel Wald und Moor, einige Seen. Klingt jetzt nicht soo spektakulär. Warum ich sie trotzdem auf dem Schirm hatte, liegt hauptsächlich daran, dass es einen Nationalpark gibt, Øvre Pasvik, und dass sie auf der Karte wie so ein unmotivierter Wurmfortsatz von Norwegen aussieht, eingeklemmt zwischen Finnland und Russland. Was einerseits irgendwie spannend ist, aber auch ein Nachteil, weil man Pasvik als Streckenwanderung eigentlich nur mit Finnland sinnvoll kombinieren kann. Dachte ich. Und dann kommt Anfang dieses Jahres so ein Fjellfex daher und behauptet, aus zuverlässiger Quelle, nämlich finnischen Youtube-Videos zu wissen, dass man ziemlich sicher, also in den meisten Jahren, über die Wochen zwischen Anfang Juni und Mittsommer noch ohne pestige Mücken und schon weitgehend schneefrei in einem großen Gebiet rund um den Inarisee wandern kann.

    Also, über eine sehr frühe Sommertour hatte ich vorher schon nachgedacht und Finnmark-Jahr 2022 war da auch schon beschlossene Sache. Der Austausch mit Fjellfex hat mich dann sehr schnell überzeugt. Das isses! Øvre Pasvik liegt genau in jener Zone mit wenig Schnee und früher Schneeschmelze, die bei Senorge jedes Jahr zuerst grün wird. Plötzlich erschien mir die Gegend richtig attraktiv: jaa, wenn man da paddeln könnte Anfang Juni … sollten die Seen vielleicht schon eisfrei sein … da gibt es sogar richtige Seenketten, wo man immer von einem zum nächsten kommt … eigentlich mag ich Kiefernwald, besonders vom Wasser aus … dann könnte das was für mich sein.

    So kam das. Und jetzt sitze ich tatsächlich im Flieger nach Kirkenes.


    Donnerstag, 02. Juni: Hesseng

    Mit nur einer guten halben Stunde Verspätung landen wir um 20:35 Uhr in Høybuktmoen. Es dauert eine Weile, bis alle ihre Koffer haben, aber der Flybus wartet geduldig und fährt um 21:00 Uhr ab. Klar, sagt der Fahrer, ich kann dich in Hesseng rauslassen. Man ist hier pragmatisch, 2.375 norwegische Straßenkilometer von Oslo entfernt, das mag ich. Hesseng als Startpunkt hat den Vorteil, dass ich hier prima einkaufen kann und ganz in der Nähe bestimmt unkompliziert einen wilden Zeltplatz finde. Campingplätze gibt es nicht in Kirkenes und Umgebung.

    Als ich an der Tankstelle aus dem Bus steige und die ersten Schritte laufe, überflutet mich unerwartet eine Euphoriewelle, so stark wie selten zuvor. Endlich wieder im Norden, ja, in einer Ecke, die ich noch nicht kenne. Ganz fremd fühlt es sich an, ein bisschen abenteuerlich und zugleich vertraut. Schneereste am Straßenrand, die Birken im ersten zarten Grün, die tief stehende Sonne wird nicht untergehen. Anregend kühl ist es, aber nicht kalt. Sehr geil! Zwei Wochen Freiheit beginnen genau jetzt. Was erwartet mich wohl auf dieser Tour?

    Punkt 1, Einkaufen, erledige ich schnell im KIWI, ich brauche nur die üblichen Kornmo und Bixit, Abendessen für heute und Frühstück für morgen. Kurz für Spiritus bei der Tanke halten ...


    alles erledigt …

    dann laufe ich zurück auf der Straße bis links eine ATV-Spur abzweigt, der ich für ein paar Minuten folge. Schon am ersten kleinen See gibt es passende Zeltstellen, Punkt 2. Um 22:10 Uhr steht mein neues Zelt. Mangels Übung im Aufbau bei leicht unebenem Gelände noch nicht sehr straff, aber es reicht für heute. Kaffee muss sein zum Ankommen, dann ein spätes Abendbrot.


    Freitag, 03. Juni: Svartbrysttjønna

    Die Helligkeit irritiert mich. Manchmal regnet es ein bisschen, dann scheint irgendwann die Sonne aufs Zelt, aber es ist noch viel zu früh. Ich schlafe in kleinen Portionen, das muss reichen. Am Morgen gibt es noch ein paar Regenschauer, dann wird es zum Vormittag immer freundlicher. Mein Bus fährt erst um 13:34 Uhr, also habe ich alle Zeit der Welt. Könnte nach Kirkenes fahren oder sogar laufen, aber mir ist nicht danach.





    Aufbruch gegen 11:30 Uhr. Zuerst gehe ich zum Rema 1000, kaufe ein Smoothie, checke das Sortiment – da werde ich in einer Woche einkaufen – und vor allem, ob es eine ordentliche Kundentoilette gibt. Gibt es. Die werde ich auch in einer Woche gerne nutzen, zumindest für eine Rasur vor dem Spiegel. Trödele dann noch rüber zum Intersport, der hervorragend mit Real Turmat sortiert ist und dann allmählich zur Bushaltestelle. Mittlerweile ist es sonnig und warm.

    Die App von Snelandia funktioniert wie alle anderen, Bus fährt pünktlich … man könnte fast misstrauisch werden wie reibungslos heute alles klappt. Der erste Bus bringt mich in 50 Minuten zur Schule von Pasvik, da muss ich umsteigen in den Schulbus. Und der lässt sich Zeit. Fährt jeden Weg im Pasviktal ab, manch einen hin und zurück, hält vor jedem Haus in dem ein Schulkind wohnt. Der Fahrer weiß, wo welches Kind wohnt und kümmert sich um alles. 1 Stunde und 40 Minuten braucht er für die Strecke bis Vaggetem, das auf Norgeskart Vaggatem heißt. Die letzten 40 Minuten bin ich alleine im Bus.

    Die Besonderheit hier ist, dass die Grenze zwischen Norwegen und Russland der Länge nach mitten durch das Tal verläuft. Mitten im Fluss Pasvikelva und den Seen im Flusslauf. Auf der norwegischen Talseite gibt es Bauernhöfe, einzelne Häuser, kleine Siedlungen, wogegen die russische Seite vollkommen unbesiedelt ist. Da ist nur Wald mit ein paar Hügeln. Muss ein seltsames Gefühl sein, in diesem Tal zu leben. Man könnte mit dem Packraft rüberfahren nach Russland, aber das lasse ich dann doch lieber.



    Erste Regenschauer. Der nette Busfahrer fährt mich noch zwei Kilometer weiter als Vaggetem zu meinem Abzweig. Ab hier sind es 9 Kilometer auf einer Schotterstraße zur Nationalparkgrenze. Na denn mal das Regenzeug anlegen und die Hufe schwingen. Der Regen wird stärker, es donnert. Nach dem ersten Gewitterregen gibt es eine trockene Phase, die ich auch für eine Müsliriegel-Pause am Wegesrand nutze, dann naht das nächste Gewitter mit noch stärkerem Regen.


    Båtvatnet bei mäßigem Regen


    soso, auf steiniges Gelände muss ich also auch vorbereitet sein (Båtvatnet)

    Mittlerweile ist meine Regenjacke durch und auch der etwas langweilige Schotterweg zieht sich. Gäbe es hier eine offene Hütte, würde ich bleiben. Die am Svartbrysttjønn ist aber abgeschlossen, also weiter. Wenigstens bin ich ab hier schon auf einem richtigen Wanderpfad im Nationalpark, was meine Laune wieder hebt. Weniger gut sieht es am Seeufer mit Zeltmöglichkeiten aus. Steinig, buckelig, krautig oder sehr nass ist das Gelände. Meistens alles zusammen. Gegen 19:00 Uhr, nach ca. 1,5 km auf dem Pfad, finde ich eine etwas abschüssige, leicht hubbelige Stelle auf einer Landzunge. Die nehme ich. Besser wird es wohl nicht mehr. Regen und Wind den ganzen Abend. Aber das hat auch sein Gutes: bei Regen werde ich besser schlafen können.


    mein Platz am nächsten Morgen

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    • Pflaume09
      Erfahren
      • 01.02.2022
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      #3
      Fängt ja gut an.
      Freue mich auf die Fortsetzung!

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      • evernorth
        Fuchs
        • 22.08.2010
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        #4
        Sehr interessanter und schöner Einstieg. 😊
        Ich bin ganz bei dir.
        My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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        • vobo

          Vorstand
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          • 01.04.2014
          • 734
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          #5
          Wow, ich finde diese Konkurrenz „wer schreibt zuerst seinen Bericht fertig“ ganz hervorragend! Werde gerne weiter mitlesen. Bin auch sehr interessiert an Zeltbildern und wie sich die Ecken geschlagen haben …

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          • Fjellfex
            Fuchs
            • 02.09.2016
            • 1511
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            #6
            Donnerwetter - du gibst aber auch schwer Gas mit deinem Bericht... brav!
            Wenn ich tatsächlich eine Teilschuld an Tour (und somit auch Bericht) habe ... damit kann ich leben.
            Eine gewisse Besonderheit kann Pasvik dann doch interessanter erscheinen lassen: die mit Abstand dichteste Bärenpopulation in Norwegen. Und jetzt muss ich schnell meinen Bericht fertigstellen, um von dir nicht rechts überholt zu werden....

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            • Borgman
              Dauerbesucher
              • 22.05.2016
              • 768
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              #7
              @Pflaume09: Danke! Ich arbeite dran

              @evernorth: ja, bleib mal dabei … der nächste Tag wird dich bestimmt auch an unsere Tour am Rogen erinnern

              @vobo: Konkurrenzdenken liegt mir fern. Nur ergänzen sich die Berichte so gut, dass ich zumindest anfangen will, solange die Erinnerung an Fjellfexens noch frisch ist. Zeltbilder wird es noch viele geben, aber es brauchte auf der Tour etliche Tage, bis ich endlich rausgefunden hatte, was ich beim Aufbau immer falsch mache. Hatte da lange einen Denkfehler.

              @Fjellfex: Das mit den Bären hätte ich später an geeigneter Stelle noch erwähnt, jetzt bist du mir zuvorgekommen. Ja, es ist wie so oft. Da watet man stellenweise sozusagen bis zum Schienbein in Elch- und Bärenkot und keins dieser Biester lässt sich blicken. Nicht mal von Weitem … nicht mal von Hinten . Dieser Traum, endlich mal einen Bären zu sehen, ist nicht Wirklichkeit geworden.

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              • Blahake

                Vorstand
                Fuchs
                • 18.06.2014
                • 1591
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                #8
                Sehe ich da ein Stratospire!?!? Und was hat das mit den Ecken auf sich, was Du da mit Volker besprichst? Superspannende Ecke in der Du da wieder unterwegs bist! Wie kommst Du immer auf so was Abgelegenes und wo kriegst Du die notwendigen Infos dazu her!? Werde Dir gespannt folgen! (Mal wieder )

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                • Fjellfex
                  Fuchs
                  • 02.09.2016
                  • 1511
                  • Privat


                  #9
                  Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                  @Fjellfex: Das mit den Bären hätte ich später an geeigneter Stelle noch erwähnt, jetzt bist du mir zuvorgekommen. Ja, es ist wie so oft. Da watet man stellenweise sozusagen bis zum Schienbein in Elch- und Bärenkot und keins dieser Biester lässt sich blicken. Nicht mal von Weitem … nicht mal von Hinten . Dieser Traum, endlich mal einen Bären zu sehen, ist nicht Wirklichkeit geworden.[/FONT][/SIZE]
                  Sorry; da hab ich Trampel mal wieder rumgespoilert. Du wirst dann vielleicht bei Gelegenheit auch darauf eingehen, ob es noch diese Bärenkot-Sammelstellen gibt.

                  Was anderes: Wir beide haben Ende Mai ja eifrig Senorge studiert und Webcams angeschaut. Mein Eindruck war, dass Senorge die Schneemengen immer etwas "übertrieben" hat: wo auf den Webcams nur noch einzelne Reste an Schnee sichtbar waren, meinte Senorge "bis zu 25cm Schnee". Wie war dein diesbezüglicher Eindruck?

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                  • Borgman
                    Dauerbesucher
                    • 22.05.2016
                    • 768
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                    #10
                    @Blahake: Schön, dass du dabei bist … ja, das ist unverwechselbar das Stratospire 1. Meine Erfahrungen damit und Gedanken dazu kann ich gerne im Verlauf noch ausführlich schildern. Jetzt soll aber erst mal die Tour richtig starten. (Volker meint, glaube ich, die Pitchlocs vom 2020er Modell.)

                    Wie ich auf ein bestimmtes Wandergebiet komme ist unterschiedlich, dazu schreibe ich in der Einleitung jeweils ein, zwei Sätze. Aber allgemein: Norgeskart ist mein liebstes Tool auf der Suche. Infos, die wirklich notwendig sind, sehe ich für Pasvik eigentlich nicht, Karte reicht. Ich lasse mich aber auch gern mal überraschen und improvisiere dann. Für die Varangerhalbinsel wären Infos zu Begehbarkeit der Schneefelder und Pegel der Flüsse interessant gewesen. Die gab es natürlich nicht, also wieder … improvisieren

                    @Fjellfex: Senorge, so meine Erfahrung aus früheren Jahren, ist immer mit einem Teelöffelchen Salz zu nehmen. Stimmte oft nicht so ganz mit der Wirklichkeit überein. Diesmal passte es aber eigentlich recht gut. Nur für die Gegend um Kirkenes hat Senorge zu viel Schnee angegeben, da lag praktisch nichts mehr. Tendenziell teile ich also deinen Eindruck.

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                    • Borgman
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                      • 22.05.2016
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                      #11
                      Samstag, 04. Juni: Ellenvatnet und mehr

                      Im Regen, ganz ohne Mitternachtssonne (die mich an diesem nach Norden offenen Platz voll erwischt hätte) konnte ich tatsächlich wesentlich besser schlafen. Solide fünf Stunden reichen mir, um für einen ausgefüllten Tourtag fit zu sein. Eigentlich bin ich kein Freund der hellen Nächte und schon gar nicht der sonnigen. Meine anstrengendste Tour in der Hinsicht war Anfang Juli im Narvikfjell mit 10 Sonnentagen am Stück, als sich mein Zelt, damals noch das Nallo, ständig irre aufgeheizt hatte, wenn ich schlafen wollte. Nur direkt vor einem Berg im Norden ging es einigermaßen. Auch hier werde ich meine Schlafplätze mit Bedacht wählen müssen, denn die Vorhersage sieht gar nicht mal schlecht aus.

                      Während ich meinen Morgenkaffee einnehme, schaue ich auf die Karte. Ich habe nur eine ungefähre Vorstellung wie diese Tour aussehen könnte. Allerdings zwei Wünsche: 1. auf dem Ellenvatnet paddeln und 2. auf dem Sandneslangvatnet paddeln. Dazwischen liegt ein weitgehend unerschlossenes Waldgebiet mit vielen Seen, kleinen Mooren und nach Norden hin zunehmend Hügeln, die an der 300-Meter-Marke kratzen. Wie gut man da pfadlos vorankommt, kann ich nicht einschätzen. Habe auch bei der Vorbereitung nur spärliche Infos im Netz gefunden. Egal ... das muss mich jetzt noch gar nicht beschäftigen. Kurz nach halb acht habe ich gepackt, folge weiter dem Pfad zum Ellenvatnet und freue mich aufs Paddeln.

                      Und über das gute Wetter. Bei über 10 Grad und leichtem Westwind trocknet das nasse Regenzeug im Nu. Etwa auf halber Strecke zwischen Svartbrysttjønna (dieser Name! woher der wohl kommt?) und Ellenvatnet gibt es einen schönen Windschutz mit massenhaft Brennholz. Hätte ich das gestern gewusst, wäre ich vielleicht etwas weiter gelaufen.







                      Teils muss man auf dem Pfad wegen nasser Steine und Baumwurzeln etwas aufpassen, dann gibt es wieder ein Stück Bohlenweg und kurze Zeit später passiere ich die Ellenkoia, eine offene kleine Übernachtungshütte. Lasse sie aber links liegen und gehe gleich zum Wasser.


                      hier verlasse ich den Pfad, der weiter nach Piilola in Finnland führt


                      Ellenkoia


                      so schön dieser See …


                      ich freue mich tierisch aufs Paddeln

                      Die ersten Minuten im Boot sind reine Glückseligkeit. Ich mache ein paar Paddelschläge, lasse mich treiben und genieße einfach nur das Gefühl, vom Wasser getragen zu werden. Herrlich! Ellenvatnet ist der größte See im Nationalpark und nach Süden hin mit vier anderen Seen verbunden. Ein kleines Paddelparadies mit zig Inseln und Buchten. Das gefällt mir ausgesprochen gut. Da meine Wanderrichtung eigentlich Norden ist, werde ich nicht alle erkunden können, aber Ellenvatnet möchte ich einmal zwischen den Inseln der Länge nach befahren und dann noch einmal zurück zum Nordufer westlich der Inseln.






                      Ellensundet

                      Der Wind weht anfangs wechselnd stark aus West und später stetiger aus Nordwest. Den werde ich nach der Pause von vorne haben. Am Ellensund, dem Übergang zum Parvatnet, lege ich an, trockne das Zelt und frühstücke gegen 11:00 Uhr. Eine Stunde später sitze ich wieder im Boot und siehe da, der Wind ist mir gewogen und lässt nach. Zeitweise ist es sogar ganz windstill. So lässt sich auch zurück nach Norden entspannt paddeln.








                      stolze Pasvik-Kiefer


                      Nordwestbucht

                      Ziemlich genau fünf Stunden nach dem Foto von der Ellenkoia lege ich jetzt weniger als anderthalb Kilometer entfernt von ihr an. Ja, die erste Paddeleinlage habe ich voll ausgekostet, das hat Spaß gemacht. Ab jetzt sollte ich besser die Richtung einhalten und noch etwas Strecke schaffen. Was leichter gesagt ist als getan. Rucksack aufgesetzt, Boot in der einen, Paddel in der anderen Hand laufe ich jetzt quer durch den Wald zum Ivargammevatnet, weiche den Löchern zwischen den großen, überwachsenen Steinen, den nassen Stellen und den dichten Zweigen der Bäume aus. Da ist Wasser. Boah, der See ist aber auch schön! Nur kommt er mir verflucht bekannt vor … da, die Landzunge … scheiße, das ist Ellenvatnet! Ich bin im Kreis gelaufen.

                      Im zweiten Versuch achte ich nicht nur auf das Gelände, sondern auch auf die Richtung und habe Erfolg. Der sieht anders aus … puh, Glück gehabt … war doch gar nicht so schwer. Spricht’s und lässt das Boot zu Wasser.


                      Ivargammevatnet





                      Als Ivargammevatnet überquert ist, ebenso schön und entspannt, mache ich am Nordufer erst mal eine Dreiviertelstunde Mittagspause. Dann folgt eine kurze Tragestelle zum Tefatvatnet, der viel kleiner ist …


                      das ist schon die ganze Paddelstrecke über Tefatvatnet, …


                      weiter tragen zum Øvre Kolvatnet …


                      und noch ein kurzes Stück tragen zum Kolvatnet.

                      Dieser, man ahnt es auf dem Bild schon, ist sehr flach. Oft stoße ich auf Steine knapp unter der Wasserlinie. Das ist der Nachteil vom Rucksack auf dem Bug, man kann sie einfach nicht rechtzeitig sehen. Kjør sakte, sag ich mir und vertraue darauf, dass das Alpha diese sanften Felsberührungen anstandslos wegsteckt. Obwohl es auf dem Kolvatn nur noch eine Paddelstrecke von zwei Kilometern ist, brauche ich zwischendrin eine Pause für die Arme. Fünfter See für heute. So viel Paddeln bin ich nicht gewohnt, aber ich kann mir ja Zeit lassen. Fast windstill ist es, bei knapp 20 Grad … T-Shirt-Wetter. Singschwäne leben hier, wie auch am Ellenvatnet, außerdem sehe ich Samtenten und Rothalstaucher.


                      Kolvatnet

                      Direkt an einem Bach in der Nordwestbucht sieht es nach guten Zeltmöglichkeiten aus, da lande ich an. Hmm, aus der Nähe betrachtet doch nicht ideal. Ich drehe eine Runde, alles zu hubbelig oder abschüssig. Noch eine Runde mit dem selben Ergebnis. Dann gehe ich am Bach ein Stück hoch und - Bingo! - hier bleibe ich.



                      Es ist gerade mal 18:30 Uhr, gute Zeit um sich vor dem Nachmittagskaffe gründlich im Bach zu waschen und an der Sonne trocknen zu lassen. Sehr befriedigend. Ein paar Mücken gibt es, aber die sind kaum lästig. Seeblick hätte ich nach diesem ausgiebigen Paddeltag schön gefunden ... nun ja, man kann nicht alles haben … ein ebener Lagerplatz ist wichtiger. Kräftiger Regen am Abend.

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                      • Borgman
                        Dauerbesucher
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                        #12
                        Sonntag, 05. Juni: Lille Føllvatnet, Abborvatnet

                        Bis vier ganz gut geschlafen, danach noch etwas gedöst. Frühkaffee mit 3 Bixits gegen halb sechs, Aufbruch um halb sieben. Von hier könnte ich mit Hatt-, lille Kol- und Korsvatnet der Seenkette weiter folgen, was sicher ein netter Start in den Tag wäre. Habe mich aber schon gestern Abend für eine andere Variante entschieden. Das Packraft liegt zusammengerollt im Rucksack. Ich will versuchen, in möglichst gerader Linie durch den steinigen Wald nach Norden zum lille Føllvatnet zu laufen. Schnelles Vorankommen erwarte ich in dieser Landschaft nicht, und dass ich mir bei der Orientierung wesentlich mehr Mühe geben muss als gestern am Ivargammevatnet … ja, das ist mir auch klar.

                        Offene Geröll- und Blockfelder, Moore, dick mit Moos und Sträuchern überwachsene Steinfelder im Wald, überall kleine Hügel, die in der Karte gar nicht auftauchen, machen einen geraden Kompasskurs fast unmöglich. Es ist mehr oder weniger dicht bewölkt, also kann ich mich auch nicht am Sonnenstand orientieren. Im Gegenteil: leuchtend helle Flecken zwischen den Wolken täuschen die Sonne an anderer Stelle vor. Ich merke mir also möglichst präzise in welcher Richtung ich ein Moor umgehe und korrigiere mindestens alle 100 Meter den Kurs. Das Wandern ist hier sogar noch mühsamer als erwartet. Hier ein paar Beispielbilder, damit man sich das Gelände einigermaßen vorstellen kann:











                        Auch unter den Sträuchern im vorletzten Bild lauert natürlich grobes Geröll mit tückischen Löchern zwischen den Steinen. Komme nur langsam voran. Wann stoße ich endlich auf den eingezeichneten Bach aus dem Trekantvatnet? Der soll mich am Ende als Auffanglinie zum lille Føllvatnet leiten. Bin ich trotz Kompass falsch gelaufen? Habe ich ihn unbemerkt auf einem Blockfeld gequert? Da gluckerte schon manchmal Wasser drunter.

                        Nein, da ist der Bach. Hat einfach nur lange gedauert, nämlich zwei Stunden für knapp 4 km Luftlinie. Ich folge dem Bach noch 20 Minuten und baue dann ziemlich erschöpft das Zelt auf für die Frühstückspause. Es wird windiger und beginnt zu regnen. Perfekts Timing. Ich dehne die Pause etwas, warte den Regen ab und gehe weiter als die Sonne hervorkommt. Für den letzten Kilometer bis zum lille Føllvatnet brauche ich noch mal eine halbe Stunde, aber keinen Kompass mehr. Schnell das Boot klar machen und dann raus aufs Wasser. Endlich!


                        lille Føllvatnet


                        um 11:00 Uhr ist das Boot startklar


                        die Rufe der Singschwäne schallen über den See



                        Das macht doch wesentlich mehr Spaß als die Wanderstrecke heute Morgen. Mühelos geht es bei leichtem Wind über den See, ein Singschwanpaar beobachtet den Eindringling. Am Nordende muss ich 500 Meter umtragen zum Sivvatnet. Auch hier unangenehmes überwachsenes Geröll, aber es gibt eine Art Pfad. Sind hier öfter Paddler unterwegs? Ich könnte mir vorstellen, dass man dem Lauf der Føllelva bis Vaggetem ganz gut folgen kann. Sivvatnet ist schmal und nur einen Kilometer lang. Eine weitere Tragestelle führt mich zum Abborvatnet, und das ist mal ein überraschend schöner See. Eigentlich sind sich ja alle recht ähnlich, aber diesen mag ich besonders. Harmonische Buchten und Landzungen, sanfte Hügel, nicht mehr so steinig.


                        Abfluss Sivvatnet


                        Sivvatnet


                        Nordende Sivvatnet


                        Abborvatnet


                        da schwimmt ein Prachttaucher … leider ist mein 27mm Objektiv ungeeignet


                        Nordende Abborvatnet

                        Der Wind hat inzwischen aufgefrischt und dreht häufig zwischen West und Südwest. Mir wird kühl auf dem Wasser. Am Nordende vom Abborvatnet ist dann gegen 14:30 Uhr auch Zeit für die Mittagspause. Ich beschließe, heute nicht mehr zu paddeln, sondern nach der Pause ein paar Kilometer auf dem eingezeichneten Fahrweg zu laufen und morgen am lille Spurvvatnet weiter zu entscheiden. Trockne also das Boot und alle Sachen. Als ich eine gute Stunde später zum Aufbruch bereit bin, fängt es wieder zu regnen an. Nee, dann knalle ich mich natürlich noch mal hin. Wie bei der Frühstückspause hört es irgendwann auf, die Sonne kommt durch und trocknet diesmal sogar das Zelt. Weiter um 17:00 Uhr.


                        kleiner See nördlich der Straße …


                        die bei uns als schöner Waldweg durchgehen würde


                        Villreinvatnet

                        An einigen Seen entlang folge ich eine Stunde dem Weg, mache dann eine kleine Pause und laufe dann noch eine halbe Stunde. Der Tag war lang genug. Halte schon mal Ausschau nach gutem Zeltgelände. An eine kleinen See direkt nordöstlich vom Underbakkvatnet sieht es danach aus … von Weitem. Aus der Nähe betrachtet ist alles wie immer zu hubbelig oder abschüssig. Definitiv keine Gegend, wo man es zu zweit in einem Zelt besonders leicht hat. Für mich allein finde ich nach ausgiebiger Suche eine längliche Schlafmulde und stelle das Stratospire genau darüber.


                        passt … wenn man mit einem weniger straffen Außenzelt leben kann …


                        dafür findet man überall perfekte Kochsteine

                        Der Wind hat noch mal zugelegt und weht jetzt kräftig aus Nordwest. Mit 7-8°C ist es auch deutlich kühler als gestern. Was für eine Katzenwäsche mit Waschlappen in der Apsis spricht. Von der mühsamen weglosen Strecke über die drei Paddelseen bis hier war das ein abwechslungsreicher Tag. Ein bisschen enttäuscht bin ich von den Bären und Elchen, die sich einfach nicht blicken lassen wollten, obwohl es, gemessen an der schieren Menge ihrer Hinterlassenschaften, geradezu wimmeln müsste von großen Säugetieren. So viel Bärenkot wie heute Morgen im Wald habe ich noch nie gesehen.

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                        • Borgman
                          Dauerbesucher
                          • 22.05.2016
                          • 768
                          • Privat


                          #13
                          Montag, 06. Juni: store Spurvvatnet

                          Wieder bin ich um vier wach und dämmere noch mal weg, das scheint hier meine Standard-Zeit zu werden. Der anhaltend frische Nordwestwind hat mein Zelt trocken gehalten, auch dank der variablen Belüftungsmöglichkeiten. Auf jeden Fall ein Pluspunkt, so viel kann ich jetzt schon zum Stratospire sagen. Man kann beide aufgestellten Ecken (Pitchlocs) öffnen und auch beide Eingänge oben wie unten ein Stück, ohne dass es aufs Innenzelt regnet.

                          Es ist bewölkt, gelegentlich kommt kurz die Sonne durch. Morgenkaffee um 06:30 Uhr, danach trödele ich noch etwas herum, weil diese Schlafmulde extrem gemütlich ist. Aufbruch kurz vor acht. Ich laufe weiter auf dem Fahrweg, vorbei an kleinen See und einer Rentieranlage. Scheint unter anderem so was wie eine Verladestation zu sein:



                          Hier verläuft ein Rentierzaun von der finnischen Grenze quer durch das Gebiet. Wo er endet, beginnt ein Wanderpfad zum lille Spurvvatnet. Sieht so aus, als müsste man über den See paddeln um zum store Spurvvatnet zu kommen, wo einige private Hütten stehen. Jedenfalls liegen hier viele Boote am Ufer, und ein Pfad um den See ist in der Karte nicht eingezeichnet. Bei dem kalten Gegenwind verspüre ich momentan aber wenig Lust zum Paddeln. Stattdessen versuche ich mein Glück mit einem schmalen, deutlich ausgetretenen Pfad an der Ostseite des lille Spurvvatnet. Wenn es nicht weiter geht oder der Seeabfluss zu breit und tief zum Furten sein sollte, kann ich immer noch das Boot nehmen.


                          lille Spurvvatnet

                          Wie sich zeigt, ist das gar nicht nötig. Der Pfad geht weiter und weiter, überquert den Abfluss mit einer eleganten Brücke, und sogar am nächsten Zufluss, Klarbekken, hat man eine Brücke gebaut. Direkt dort mache ich um 10:00 Uhr Frühstückspause.


                          Brücke über den breiten Seeabfluss



                          Seltsam: schon wieder fällt Regen genau in meiner Pause (und nur in der Pause). Das Stratospire kann ich inzwischen so schnell auf- und abbauen, dass es mir auch zwischendrin für nur eine oder zwei Stunden nichts ausmacht, es gegen den Regen aufzustellen. 12:20 Uhr ist es wieder trocken, und ich folge weiter dem Pfad, der nun ganz ohne Zweifel zu den Hütten führt. Mir scheint es am besten, auf dem waldigen Hügelkamm an den Hütten entlang zu laufen. Einige Hüttenbesitzer werkeln auch am Montag noch herum, aber die meisten sind jetzt unter der Woche unbewohnt. Das Gelände ist auch hier steinig mit dicken Moospolstern, immer wieder kleine Tälchen zwischen kleinen Hügeln. Seit Hesseng erstmalig Schneereste im Schatten. So geht es zwei, drei Kilometer, bis die letzte Hütte passiert ist.


                          am store Spurvvatnet

                          Dann weiter und weiter über die Hügel am store Spurvvatnet. Gelegentlich fällt Nieselregen, der mit den nächsten Sonnenstrahlen wieder trocknet. Kein Grund für Regenzeug. Als sich das steinige Gelände irgendwann in den Beinen bemerkbar macht, setze ich mich für eine halbe Stunde hin und laufe dann noch ein Stück. Mittagspause um 15:00 Uhr am Bach zwischen den Punkten 204m und 172m. Wieder im Zelt, weil ich ja weiß was kommt. Und so ist es auch: langer, kräftiger Regen, der nur den richtigen Zeitpunkt gesucht hat.

                          So richtig Lust zum Weitergehen habe ich nicht, als er aufhört … wie sich wiederum zeigt, muss ich auch das nicht. Mein Glückstag! Mit dem Regen ist der Wind abgeflaut und weht jetzt sachte aus Süd. Na klar, bisschen Paddeln geht natürlich noch. Gegen 17:00 Uhr bin ich auf dem Wasser - wieder glücklich und zufrieden mit der Welt. Dieser Wechsel aus Wandern und Paddeln hat wirklich seinen besonderen Reiz. Am Nordostzipfel vom store Spurvvatnet umschwirren mich plötzlich ganz viele Mücken. Das ist etwas lästig, weil ich Kopfnetz und Mückenmittel zwar vorsichtshalber mitgenommen, aber tief im Rucksack vergraben habe. Der wird jetzt nicht ausgeräumt.


                          store Spurvvatnet mit leichtem Südwind








                          Blick zurück: store Spurvvatnet

                          Am Südzipfel vom See 162m, wo ich das Boot nach der Tragestelle wieder zu Wasser lasse, sieht es nicht besser aus mit den Mücken … und auch der See sieht in diesem Bereich nicht wirklich befahrbar aus. Eher eine Moor-See-Zone.


                          kann man da paddeln?

                          Ich probiere es und stecke nach wenigen Metern fest. Versuche es hier und da paddelnd, setze ständig auf Steinen auf oder schleife durch den dicken Torfschlamm am Grund. Der ist auch zu tief um auszusteigen und das Boot entweder da durch oder zurück zum Ufer zu ziehen. Außerdem nicht sehr appetitlich. Dann finde ich eine Stelle, wo ich von Stein zu Stein gehend bis zu einer Art Fahrrinne treideln kann. Das war eine saublöde Aktion, völlig unnötig, weil man ja sehen konnte, dass es zu flach ist. Auf dem eigentlichen See lässt es sich dann sehr gut paddeln.


                          Südende See 162m – die unscharfen Flecken sind Mücken


                          auch hier gibt es Singschwäne



                          Am Nordende angekommen überlege ich, ob ich heute noch weiter zum store Oksvatn will. Aber dann finde ich rechts vom Seeabfluss eine Stelle, die sich hervorragend als Lagerplatz eignen könnte. In einer Gegend, wo ebene Flächen äußerst rar sind, sollte man an einer solchen nicht leichtfertig vorbeigehen. Ist auch schon halb acht oder so. Tatsächlich lässt sich das Stratospire genau zwischen zwei Kiefern auf der einen und einem großen Stein auf der anderen Seite einpassen.


                          Maßarbeit

                          Als das Zelt steht, sind auch die letzten die Wolken verschwunden. Ich räume kurz meine Sachen ein und wasche mich dann gründlich im See, der erstaunlich warm ist. Diesmal muss ich gar nicht die Zähne zusammenbeißen beim Haarewaschen. Rasur ist auch fällig.




                          Ich bin sehr zufrieden, fühle mich sauwohl an diesem Platz. Nachmittagskaffee um 21:00 Uhr noch im Sonnenlicht, bevor sie allmählich hinter den Bäumen verschwindet.



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                          • evernorth
                            Fuchs
                            • 22.08.2010
                            • 1835
                            • Privat


                            #14
                            Hmm….in der Tat, da erkenne ich doch Ähnlichkeiten. Das könnte auch glatt der Szenerie am Rogen ent-
                            sprechen. 😉 Herrlich und schönes Camp zwischen den Kiefern! 👍
                            My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                            • Borgman
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                              • 22.05.2016
                              • 768
                              • Privat


                              #15
                              Ein Camp zum Wohlfühlen . Nebenbei, für alle Leser, denen die Landschaft bis jetzt verständlicherweise zu eintönig ist ... Wald, See, Wald, See und so weiter: Besserung ist in Sicht! Und die zweite Woche auf der Varangerhalbinsel wird sowieso ein krasser Kontrast. Ich beeile mich mit dem Schreiben

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                              • Borgman
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                                • 22.05.2016
                                • 768
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                                #16
                                Dienstag, 07. Juni: store Oksvatnet und noch ein Abborvatnet

                                Von diesem besonders schönen Platz kann ich mich gar nicht losreißen … vor allem deshalb, weil es ab 6:00 Uhr den ganzen Morgen kräftig regnet. Egal, die Tageszeit spielt sowieso keine Rolle. Dann bin ich heute eben später dran.

                                Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, um kurz über mein neues Schlafsystem zu sprechen. Nicht, dass ich meinen betagten (ca. 25 Jahre alten) WM Apache in den Ruhestand schicken wollte, für den findet sich auch wieder eine Aufgabe, aber ähnlich wie beim Zelt hatte ich den Wunsch nach einer flexibleren Lösung. Ja genau, es geht in Richtung Quilt. Im Juni bei Mitternachtssonne kann man sehr warme „Nächte“ oder besser Ruhephasen haben, genauso wahrscheinlich auch wirklich kalte. Nachdem ich mich eine Weile mit dem Thema beschäftigt hatte, wusste ich ziemlich genau wie mein persönlicher idealer Quilt aussehen müsste: ganz zu öffnen, fast ganz zu schließen, Querkammern (nicht zu breite, um ungewollte Daunenmigration zu verringern) und ein maximal flexibles Patent zur Befestigung an der Matte.

                                Den fand ich dann auch, und er war zwar nicht in Deutschland, aber in der EU bestellbar. Möglicherweise stelle ich ihn hier im Ausrüstungsteil mal vor, wenn dieser Bericht fertig ist: den Katabatic Gear Flex 22 Quilt mit 900 cuin (US) hydrophober Gänsedaune. Auf der ersten Tour, das ist mir klar, muss ich üben und ausprobieren, wie ich damit zurechtkomme. Meine neue Matte ist die ultrabequeme Sea to Summit Ether light XT insulated und bei einer Sonderaktion von Outnorth habe ich ein Urberg Seideninlet erstanden. Gemütliches Liegen ist mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Auch flexibel: als Kopfkissen benutze ich den Sea to Summit Air Seat, in der Mitte gefaltet und in ein T-Shirt gesteckt. Tagsüber ist er zusammen mit dem Kleiderbeutel mein Bootssitz. Was perfekt funktioniert und wieder zur Tour überleitet.

                                Frühstück um zehn, als der Regen nachlässt, und um elf habe ich bis auf das Außenzelt fertig gepackt. Dann regnet es wieder, zum Glück nur eine gute halbe Stunde, die ich lieber im Trockenen aussitze. Aufbruch dann endlich kurz vor zwölf. Gleich der nächste Schauer auf dem Weg zum store Oksvatn. Hier bläst mit der Wind doch recht kräftig aus Nordost entgegen.



                                So richtig Lust auf den offenen See habe ich bei diesem Wetter nicht, aber außen herum wäre ein ziemlicher Umweg mit vielen Mooren. Also los. Wenn ich mich richtig ins Zeug lege, komme ich einigermaßen voran. Nur nicht nachlassen. Nach nur anderthalb anstrengenden Kilometern brauche ich am Nordufer schon eine Pause, sonst streiken die Arme. Wirklich starker Wind ist das nicht, nur ist das Packraft eben auch nicht wirklich windschnittig. Mangelndes Training meinerseits natürlich auch. Dann weiter in die nördliche Buch, wo es nochmal unangenehm direkt gegen den Wind geht. Puh … geschafft.


                                store Oksvatnet


                                am Nordufer geht es besser …


                                für kurze Zeit lässt der Wind sogar nach




                                Nordbucht store Oksvatnet


                                wieder ruhig - der Wind schwankt stark

                                Momentan bin ich etwas unsicher was ich machen soll. Zwischen store und lille Oksvatnet steht eine offene Hütte, die ich ansteuern könnte. Wobei … was soll ich jetzt mit einer Hütte anfangen? Außerdem weiß ich noch nicht, ob ich lille Oksvatnet überhaupt paddeln oder lieber umgehen möchte. Um mir die zweite Option offen zu halten, laufe ich möglichst direkt zum westlichsten Punkt vom lille Oksvatn. Das ist mit Boot auch nicht ganz einfach, denn die Landschaft sieht hier schon etwas anders aus: mehr dichter Birkenwald als Kiefern, mehr Felsen als Geröll, und die Hügel haben steileren Hänge.



                                Am lille Oksvatn entscheide ich mich dann doch fürs Paddeln. Ist auch nur ein Kilometer bis zur Nordbucht. Der Wind ist jetzt weniger stark als vorhin, aber mir ist kalt, ich bin müde. Gehe noch das kurze Stück bis zum See 152m durch buckeliges Gelände und stelle dort um 16:00 Uhr das Zelt für die Mittagspause auf.


                                lille Oksvatnet



                                Es ist an der Zeit, mal wieder auf die Karte zu gucken. Die Paddelvariante Richtung Sandnesdalen ginge über store Røyrvatnet, also weiter nach Nordosten gegen den Wind. Bin mir nicht sicher, ob ich Lust und Kraft genug dafür habe. Zu Fuß würde ich von hier über die Höhe 246m nach NNW gehen, ab Myggvatnet genau nach Norden und hinter dem Skivatn nach Osten abbiegen. Nee, da erscheint mir die erste Variante attraktiver. Um 17:40 habe ich dafür gepackt, gehe ein paar Meter zum See 152m, spüre den eiskalten Wind und entscheide mich um. Boot und Paddel sind schnell verpackt.


                                für den Anfang gibt es sogar eine Quadspur

                                Nach nicht mal 10 Minuten beginnt es zu regnen. Sieht nach mehr aus, also wechsele ich lieber ins Regenzeug. Gut, dass ich jetzt nicht paddeln muss – im Regen gegen den Wind hätte meine Laune in den Keller geschickt. Durch immer nasseres Gelände geht es hoch zum Punkt 246m.



                                Hier hört der Regen auf und ich krame mein Mobiltelefon heraus. Jawoll – gutes Netz. Das Wetter für morgen sieht eigentlich gut aus, wobei der Wind für mein Sandneslangvatnet-Projekt eher ungünstig ist. Na ja, das kann sich noch ändern. Bislang war die Vorhersage sehr unzuverlässig. Schöner Blick von hier in meine Laufrichtung.


                                Myggvatnet voraus, dahinter Skivatnet

                                Viele Rentiere laufen durch eine Ebene, die erfüllt ist von den Rufen der Goldregenpfeifer und Regenbrachvögel. Neben diesen charakteristischen Stimmen auch noch andere, die ich nicht erkenne. Nass und steinig geht es vorbei am Myggvatn, dem See 182m und nach einer kleinen Pause nördlich um den See 180m.


                                Myggvatnet


                                am See 182m steht eine private Hütte


                                ganz still und schön: See 181m um 20:10 Uhr


                                gut getarnt: Regenbrachvogel

                                Landschaftlich ist es hier anders als am store Oksvatn, nämlich viel offener. Das gefällt mir gut. Was sich nicht geändert hat, ist leider der Mangel an guten Zeltstellen. Ich laufe noch weiter, etwas nördlicher als geplant, bis zum Abborvatnet. Wirklich einladend ist das Gelände hier auch nicht. Nach einiger Suche entscheide ich mich für einen etwas hubbeligen Platz, stelle das Zelt auf, hole Wasser aus dem See und wasche mich kurz vor dem Kaffee. Der muss sein, auch wenn es schon spät ist. Abendessen um 22:30 Uhr, immer noch in der Sonne. Bin geschafft, den Tag fand ich alles in allem recht anstrengend. Liegt vielleicht auch am wechselhaften Wetter.




                                Abborvatnet um 21:49 Uhr

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                                • Borgman
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                                  • 22.05.2016
                                  • 768
                                  • Privat


                                  #17
                                  Mittwoch, 08. Juni: Sandneslangvatnet

                                  Eine Glocke läutet … mehr oder weniger gleichmäßig … ich zähle im Halbschlaf mit … eindeutig schon 14 Uhr. Dann hab ich ja lange geschlafen! Nee, kann gar nicht sein. Das war nur eine Rentierdame, und sie hat sich in der Zeit vertan. Eigentlich ist es erst 5:28 Uhr. Nach einer kühlen Nacht wärmt die Sonne sehr angenehm das Zelt auf. Ich musste vor ein paar Stunden noch was überziehen und den Quilt enger stellen, da hatte es 3°C.

                                  Beim Kaffee mit Bixit überlege ich, ob ich wirklich über den Abborvatnet paddeln will. Es weht ein kräftiger, kalter Südwestwind. Das wird nicht sehr gemütlich auf dem See. Sind auch nur zwei Kilometer … na ja, zu Fuß mindestens drei mit ein paar Mooren zwischendrin. Paddeln ist schöner.



                                  Um Punkt sieben ist das Boot aufgeblasen und auf dem Wasser. Es schaukelt sich eigentlich ganz passabel über den See, weil der Wind genau von hinten bläst. Am Nordostufer nehme ich mir die Zeit, alles gut zu trocknen, weil ich nicht sicher bin, ob ich heute überhaupt noch paddeln werde.


                                  Abborvatnet




                                  von vorne möchte ich diesen Wind definitiv nicht haben



                                  Als alter Nicht-Angler muss ich nachgucken, was ein Abbor überhaupt sein soll, nach dem hier mehrere Seen benannt sind – es ist der Barsch. Fürs erste geht es zu Fuß weiter, durch größtenteils angenehmes Gelände mit ein paar nassen Senken. Nämlich über den breiten Höhenzug Máttaskáidi. Wobei Höhe hier relativ ist – 224 Meter misst der höchste Punkt. Skáidi, so viel habe ich gelernt, bedeutet Land zwischen zwei Gewässern, meist Flüssen, und bei Mátta bin ich schon wieder überfragt.

                                  Bis zum kleinen See 176m halte ich mich immer von einem Hügel zum nächsten, mit weitem Blick zum store Sameti im Osten und Rádjoaivi im Westen. Hier bläst der Wind ganz ordentlich und sehr kalt.


                                  nur ganz am Anfang ein harmloses Steinfeld …


                                  danach schönes Wandergelände


                                  das finden die Rentiere auch


                                  ganz kleine sind dabei


                                  Blick zum See store Sameti – die hintere Bergkette ist schon in Russland


                                  Blick zum Rádjoaivi – da beginnt Finnland


                                  auf dem Bild sieht man, dass es windig ist

                                  An besagtem See 176m habe ich gegen zehn während meiner wohlverdienten Frühstückspause einen Geistesblitz: bei dem Wetter muss man Socken waschen. Ansonsten brauchen die ja immer ewig zum Trocknen. Nach der Pause laufe ich am Hang der Hügelkette ziemlich genau nach Norden zum Sandneslangvatn. Hier zeigt sich, dass der direkte Weg nicht immer der beste ist. Ziemlich grobblockiges Gelände im Birkenwald. Bestimmt wäre es besser gewesen, länger auf den Hügeln zu gehen und dann direkt abzusteigen ...





                                  oder sehr viel früher, denn am Fluss entlang verläuft ein Pfad durch traumhaft schönes Zeltgelände. Überhaupt zum ersten Mal auf dieser Tour bieten sich ebene Stellen geradezu an, geschützt zwischen Birken, vielleicht einen halben Kilometer vom Seeende entfernt. Sollte man sich merken. Fast ein bisschen schade, dass es noch so früh ist.

                                  Andererseits bin ich jetzt schon fast am Sandneslangvatnet, dem See, der schon beim ersten Blick auf die Karte auffällt, weil er ganz anders ist als alle anderen. Ungefähr 13 Kilometer lang, maximal 400 Meter an der breitesten Stelle mit einem seltsamen Knick im südlichen Drittel. Wenn möglich möchte ich den in voller Länge paddeln. Außerdem ist es mein 13. See auf dieser Tour … eine Glückszahl! Spricht also alles dafür, dass es auch klappt.

                                  Was momentan noch dagegen spricht, ist der Wind. Obwohl er wie heute Morgen von hinten weht, dürfte es nicht sehr gemütlich werden. Soll ich lieber noch warten, ob er vielleicht abflaut? Oder erst mal ein Stück am Ufer langgehen? Nee, das wird schon klappen, ich mache mir manchmal einfach zu viele Gedanken. 10 Minuten später ist das Boot startklar.




                                  das Südende vom Sandneslangvatnet ist schön windgeschützt …


                                  da kann ich für den Anfang entspannt paddeln



                                  Der stetige Wind ist kein Problem, mit den Wellen komme ich klar, nur die immer wieder auftretenden kräftigen Böen machen mich nervös. Trotzdem … dieser See ist wunderschön. Ich hätte mich geärgert, wäre ich jetzt am Ufer langgegangen.




                                  hier knickt der See nach NW ab


                                  dann die Engstelle vor dem nächsten Knick nach NO

                                  Jetzt wird es spannend. Wie wird der Wind sich an der Stelle verhalten, wo der See für einen Kilometer quer verläuft? Die erste Biegung macht er mit und kommt weiter von hinten, aber nach der Engstelle, in der zweiten Biegung kreuzt er immer wieder. Das ist recht anstrengend zu paddeln … ich brauche mal eine Pause am Ufer … nur gibt es keine windgeschützte Stelle. Trotz Sonne wird mir sofort kalt. Danach schaffe ich noch eine weitere Stunde bist zu einer kleinen Bucht hinter der Höhe 151m, wo ich an Land gehe. Das war noch nicht ganz die Hälfte vom See. Seltsamerweise hat man bei kräftigem Rückenwind nicht das Gefühl, schnell voranzukommen. Im Gegenteil – es fühlt sich an wie auf der Stelle paddeln.


                                  der Mond, den hatte ich schon fast vergessen


                                  da ist noch viel Wasser im Nordosten


                                  Mittagspause

                                  Nach dem Geschaukel muss ich mir etwas die Beine vertreten, sitze danach eine halbe Stunde auf festem Untergrund und knabbere ein paar Kornmos. Der Wind hat eindeutig nachgelassen. Soll ich noch ein bisschen paddeln oder einfach hier bleiben? Besonders viel Kraft in den Armen habe ich nicht mehr übrig. Morgen ist auch noch ein Tag. Nur gibt es hier gar keine passenden Zeltstellen, also wieder ins Boot.

                                  Ganz angenehm bei mäßigem Wind fahre ich noch einen Kilometer und probiere es auf der Nordwestseite. Da gibt es zwar einen netten kleinen Strand, aber keine ebenen Flächen. Ich laufe eine Runde um den Hügel, bis dann doch eine passable Stelle gefunden ist.


                                  Blick zurück





                                  Als das Zelt gegen 18:00 Uhr steht, gehe ich noch mal an den See zum Waschen – der ist kälter als alle anderen bisher. Bestimmt wesentlich tiefer. Mein Platz zwischen den Birken hat den weiteren Vorteil, dass er nach Norden und Osten schattig ist. Mit den sonnigen Nächten komme ich immer noch nicht ganz klar.

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                                  • Borgman
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                                    • 22.05.2016
                                    • 768
                                    • Privat


                                    #18
                                    Donnerstag, 09. Juni: Sandnesdalen

                                    Heute kommt der Wind aus Nordost, also habe ich ihn genau von vorne. So war es angesagt. Und dass er schwächer sein soll als gestern. Zum Glück … gegen einen Wind wie gestern Morgen hätte ich wohl kaum eine Chance, die letzten sechseinhalb Kilometer auf dem Sandneslangvatnet zu schaffen. Um sieben habe ich gepackt und sitze eine Viertelstunde später im Boot.







                                    Okay, das ist jetzt mein Projekt für die nächsten Stunden. Ich komme ganz gut in meinen Paddelrhythmus und versuche, die Kraft möglichst gut einzuteilen. Der Wind weht also genau von vorne, mal nur ganz leicht, dann mäßig stark und wieder schwächer. Er hat seinen eigenen Rhythmus. Nur die unregelmäßig auftretenden Böen sind tatsächlich anstrengend. Da muss ich mich schon ins Zeug legen, um noch einigermaßen voranzukommen. Wandern ginge schneller, aber ich will jetzt diesen verdammten See in voller Länge paddeln.

                                    Schön ist er außerdem. Das frische Birkengrün leuchtet in der Sonne, mal steile, mal sanft hügelige Ufer, gelegentlich ein kleiner Sandstrand. Nach einer Stunde, mehr kann ich nicht am Stück paddeln, binde ich das Boot für 20 Minuten an eine Birke. So treibt es nicht mit dem Wind zurück.


                                    gute Stelle für eine Pause


                                    die Birke sichert das Boot

                                    Danach dauert es noch mehr als eine Stunde, bis ich die Engstelle erreiche, die den nördlichen Teil vom restlichen See abtrennt. Zeit für die Frühstückspause! Gegen den kalten Wind zu paddeln schlaucht auf die Dauer ganz ordentlich.








                                    manchmal ist es fast windstill – leider nie lange


                                    Engstelle voraus – endlich Frühstück!



                                    Nach anderthalb Stunden Pause fühle ich mich einigermaßen ausgeruht für eine weitere Stunde Paddeln. Es sind nur noch zwei Kilometer, die sich aber ganz schön hinziehen. Mehr Wolken vor der Sonne, etwas stärkerer Gegenwind und trotz Frühstück weniger Kraft übrig.


                                    ein Durchlass von wenigen Metern trennt den nördlichen Teil ab




                                    Nordende Sandneslangvantet

                                    Glücklich lande ich um 12:30 Uhr bei einer kleinen Hütte östlich vom Seeabfluss an. Bin auch ein bisschen stolz, dass ich es geschafft habe.




                                    Gruppenfoto

                                    Hier lasse ich Boot und Sachen zum Trocknen in der Heide, setze mich auf einen Hügel mit Seeblick hinter der Hütte und rauche ein Zigarillo. Sandneslangvatnet war wirklich ein toller Abschluss für die erste Woche. An diesem See würde ich gerne noch etwas mehr Zeit verbringen, vielleicht einen Ruhetag einlegen. So lieblich wie hier ist es auf der Varangerhalbinsel ganz sicher nicht … leise Zweifel melden sich … will ich da wirklich hin, wenn es hier so schön ist? Jaa, doch, das muss sein.



                                    Von der Hütte läuft ein Pfad talabwärts, erst durch eine große sandige Ebene mit perfekten Zeltstellen zwischen Birken und dann ein Stück am Fluss entlang. Dieses Tal gefällt mir auch ausgesprochen gut.


                                    Sandneselva

                                    Heute möchte ich nur noch so weit laufen, dass ich morgen nicht mehr zwei Stunden nach Hesseng brauche. Das ist überschaubar, also kann ich am Fluss noch eine Pause einlegen und den restlichen Nachmittag ruhig angehen lassen. Hinter der nächsten Ebene geht es eine Weile nah an den Bergen entlang, bevor der Pfad hinunter zu einem Sperrwerk führt. Hier wird Trinkwasser aus dem Fluss abgeleitet.




                                    Blick zurück: Sandnesdalen


                                    am Pfad einer der ganz wenigen Restschneeflecken



                                    Das entspannte Gehen tut mir gut nach der langen Paddelstrecke. Am Sperrwerk beginnt ein Schotterweg, der bei Spaziergängern und Joggern offensichtlich sehr beliebt ist. Eigentlich finde ich, dass ich jetzt nah genug an der Zivilisation bin und suche mir am Posbekken eine schöne Stelle für das Camp. Wasche mich gründlich im Bach, suche Kochsteine und knalle mich nach dem Kaffee eine Runde aufs Ohr. Wahrscheinlich hat mich das Paddeln gegen den Wind doch mehr angestrengt, als ich in dem Moment gemerkt habe. Oder es liegt am Wetter – die Sonne brennt richtig und der Nordwind ist eiskalt.




                                    Freitag, 10. Juni: zurück in Hesseng

                                    Die Liegefläche war gut, die Nacht weder zu warm noch zu kalt, und doch habe ich in der Nacht kaum geschlafen. Fand einfach nicht richtig in den Ruhemodus. Ziemlich gerädert stehe ich um sieben auf, koche einen Kaffee, dann noch einen und packe lustlos zusammen. Um neun laufe ich auf dem Weg bis zur Brücke über den Langfjord und durch den Ort Sandnes zur Hauptstraße nach Hesseng. Hier ist viel Verkehr, aber zum Glück gibt es wenigstens einen Fuß- / Radweg neben der Straße.


                                    Langfjorden


                                    Hesseng vom Sandnesvatnet aus

                                    Und damit endet auch schon der erste Teil. Reizvoll war die Tour hauptsächlich wegen der Kombination aus Wandern und Paddeln, so hatte ich mir das auch gedacht. Als reine Wandertour zumindest im südlichen Teil eher nicht zu empfehlen, weil man streckenweise doch nur mühsam vorankommt und dafür nicht mal durch spektakuläre Landschaft belohnt wird. Ab Máttaskáidi und Sandnesdalen nach Nordwesten und auch nach Finnland, wo die Landschaft offener und abwechslungsreicher wird, dürfte dagegen sehr gut auch eine Tour ohne Packraft möglich sein.

                                    Glück hatte ich mit dem Wetter. Auch wenn es manchmal wechselhaft war, ging es doch mit der Tour letztlich immer auf. Eine Woche früher wäre stabileres Sommerwetter gewesen, auch deutlich wärmer, aber das muss für mich eigentlich gar nicht sein. Dass Anfang Juni die Schneeschmelze so weit im Norden schon ganz vorbei sein würde und sogar die Bäche und Flüsse schon fast ihren Normalpegel haben, damit hatte ich nicht gerechnet. Senorge und finnische Youtuber hin oder her – das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Insofern war ich doch angenehm überrascht von Pasvik.

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                                    • Fjellfex
                                      Fuchs
                                      • 02.09.2016
                                      • 1511
                                      • Privat


                                      #19
                                      Der Sandneslangvatnet wäre ja Teil meines Plan B gewesen, und wie ich jetzt dank deines Berichtes sehe hält der See wirklich, was er vom Blick auf die Karte verspricht.

                                      Und jetzt sind wir alle gespannt auf das wilde Varanger!

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                                      • evernorth
                                        Fuchs
                                        • 22.08.2010
                                        • 1835
                                        • Privat


                                        #20
                                        Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                        Und jetzt sind wir alle gespannt auf das wilde Varanger!
                                        Wie ein Flitzbogen! 😂
                                        Sehr schön soweit. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es so früh im Juni bereits keinen Schnee mehr gibt, geschweige denn, dass auch sämtliche Seen bereits Eisfrei sind.
                                        Gerade weil ich meine letzten Vorbereitungstage für meine Island - Tour vor mir habe, hoffe ich, noch ein paar Varanger - Impressionen mitlesen zu können, bevor mich die weitgehend Netzfreie Zeit vorübergehend vom mitlesen ausschließt.

                                        My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                                        • Borgman
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                                          • 22.05.2016
                                          • 768
                                          • Privat


                                          #21
                                          @Fjellfex: vermutlich hätte dein Plan B sogar funktioniert, was den Schnee angeht ... aber dann hast du ja eine sehr befriedigende Alternative gefunden.

                                          @evernorth: die ersten zwei, drei Tage kriege ich bestimmt noch hin bis Freitag. Und dann bin ich natürlich auch äußerst gespannt auf deine Island-Tour ... wenn das klappt, du weißt schon, was ich meine ... das wird der Hammer! Ich drück dir ganz fest die Daumen. Pass gut auf dich auf!

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                                          • Borgman
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                                            • 22.05.2016
                                            • 768
                                            • Privat


                                            #22
                                            2. Teil: Syltefjord

                                            Wahrscheinlich kann sich niemand mehr daran erinnern – mein zweiter Bericht hier auf ODS war über eine Tour quer durch die Varangerhalbinsel von Vardø nach Tana Bru 2013. Schon damals hatte ich mir vorgenommen, irgendwann dort an der Küste zu wandern, aber es ist nie dazu gekommen. In meiner Vorstellung wollte sich keine sinnvolle, zusammenhängende Tour bilden, die mich genügend gereizt hätte, um jemals ein Plan zu werden.

                                            Genau vor diesem Problem stand ich jetzt wieder. Ich dachte: „ja, wenn ich nun schon in Kirkenes bin, dann kann ich doch endlich mal an der Varangerküste wandern. Direkt am Meer wird der Schnee doch wohl auch größtenteils weggetaut sein“. Besonders interessierte mich die Nordwestküste der Makkaur-Halbinsel zwischen Makkaur-Sandfjord und Syltefjordstauran, die Südostseite vom Syltefjord um indre und ytre Syltevika … und auf jeden Fall Sandfjorddalen. Dann lag dieses Frühjahr sehr viel Schnee in der Gegend, der Anfang Juni weich und brüchig sein und die Flüsse mit dem vielen Schmelzwasser in unüberwindbare Hindernisse verwandeln würde. Fjellfex riet mir ab, und wenn ich ehrlich bin, riet ich mir selber auch ab. Wie soll unter den Bedingungen eine sinnvolle, zusammenhängende Tour möglich sein? Genau ... gar nicht. Deshalb ist mein Plan, vollständig, bis ins kleinste Detail beschrieben, folgender: 1. Nach Båtsfjord fahren und gucken was geht. 2. Zurück wenn möglich von Vardø. 3. Zwischendrin nicht absaufen.


                                            Noch Freitag, 10. Juli: Båtsfjorddalen

                                            Mein Bus fährt gegen 16:00 Uhr von Kirkenes ab, jetzt ist es 11:00 Uhr. Ich bin in Hesseng zum Einkaufen. Hier weiß ich, dass ich alles kriege, was ich brauche. Spiritus als erstes bei CircleK für passable 82 Kr (nein, eigentlich ist es eine Frechheit, aber man kriegt den ja selten günstiger … manchmal im Baumarkt). Real Turmat finde ich im Intersport und den Rest im Rema 1000: Äpfel natürlich, die sind wichtig, dann die üblichen Kornmo und Bixit. Erdnussbutter gibt es zu meinem Entzücken sogar im Plastikgebinde, veganen Aufstrich, Nuss-Frucht-Mischung, Kaffee, ein Brot für 3 Tage Abendessen. Mills hat jetzt auch vegane Mayo, prima. Zum Schluss, ich kann einfach nicht widerstehen, landet ein 6er Pack Kvikk Lunsj im Einkaufskorb.

                                            Ich beschließe, dass ich den Bus 13:09 Uhr nach Kirkenes nehme. Nachdem es am Morgen bedeckt war, ist das Wetter jetzt wie gestern. Sonne, paar Wolken und ein empfindlich frischer Wind. Kirkenes ist nicht so aufregend. Ich laufe ein bisschen im Ort herum und gehe noch in den Joker für eine Art Pizzabrötchen und ein Farris. Dabei entdecke ich ein sensationell schönes Wort, das mir bestimmt irgendwann mal nützlich sein wird:



                                            Malmklang. Herrlich, ich liebe es!

                                            Zum Einkaufen für eine Tour, da mache man sich keine Illusionen, eignet sich Kirkenes gar nicht. Man kann es im Einkaufszentrum Handelsparken versuchen, da war ich nicht drin, aber ansonsten besser gleich nach Hesseng/Bjørkheim. Im Narvesen kaufe ich einen Kaffee mit Rosinenbrötchen, setze mich damit in die Sonne und lade dann mein Mobiltelefon in der Bibliothek. Da kann man bis 16:00 Uhr auch prima sitzen, wenn mal schlechtes Wetter ist.

                                            Der Bus fährt um 15:50 Uhr am AMFI ab und zuckelt zwei Stunden am südlichen Varangerfjord entlang bis Varangerbotn. Hier steht schon der Bus nach Båtsfjord, aber wir warten noch eine gute Viertelstunde auf einen verspäteten Anschluss aus Vardø. Dann geht es über Tana Bru immer am großen Fluss entlang zur Tana-Mündung. Ganz kurz sieht man Lávvonjárga auf der anderen Fjordseite. Ich denke an den guten Yngve Johansen (danke für den Tipp, Fjellfex), und dass ich hier auch mal eine Tour angedacht hatte, die vielleicht nie stattfinden wird.

                                            Überall liegt recht viel Schnee auf den Bergen, und es wird immer mehr, je weiter wir auf die Varangerhalbinsel fahren.


                                            vom Bus aus geknipst, mit dem Telefon

                                            An der Kreuzung Gednje gibt es Anschluss nach Berlevåg. Es ist ein Taxi, also eine Flexx Rute. Man muss sich anmelden, dann schauen sie, welches Fahrzeug sie brauchen. Hier, auf 230m Höhe, komme ich ins Grübeln. Es liegt wirklich noch sehr viel Schnee. Punkt 1 meines grandiosen Plans gerät schon ins Wanken, also „nach Båtsfjord fahren und gucken was geht“. Von Båtsfjord geht es erst mal nur hoch … und … so viel Schnee! Hmm … morgen ist sonniges Wetter bis 15 Grad angesagt … starke Schneeschmelze … in Verbindung mit den riesigen Geröllfeldern auf der Makkaur-Halbinsel könnte das problematisch werden.

                                            Die Alternative wäre weit weniger attraktiv, dafür viel sicherer. Nämlich auf der Straße ins Syltefjorddal laufen und dort gucken was geht. Ich bin sehr unentschlossen. Welche Variante soll ich machen? Wenige Minuten vor der Haltestelle Syltefjordkrysset siegt die Vernunft (Vorsicht? Angsthasigkeit?) über die Abenteuerlust und ich drücke den Stop-Knopf.


                                            an der Syltefjord-Straße

                                            Kalt ist es hier, und obwohl die Kreuzung viel tiefer liegt als Gednje, nämlich auf 75m, gibt es immer noch große Schneefelder. Reißende Wildbäche auf beiden Seiten der Straße. Weil es schon 20:15 Uhr ist, gehe ich nur noch einen Kilometer und suche mir gleich einen Platz. Das Gelände am Bach sieht okay aus, da finde ich was. Um 21:00 Uhr steht das Zelt, nicht optimal, aber ich will auch nicht lange suchen. Später Kaffee, kaltes Abendbrot, Bett. Morgen wird ein langer Tag.



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                                            • Fjellfex
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                                              • 02.09.2016
                                              • 1511
                                              • Privat


                                              #23
                                              Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                              @Fjellfex: vermutlich hätte dein Plan B sogar funktioniert, was den Schnee angeht
                                              Bei meinem Tourenstart war auch bei Plan B noch mehr Schnee als in Hammastunturi...wäre vielleicht mit Blick auf "Schnee" trotzdem gegangen, aber mit Blick auf die "Frühjahrsflut" ...?!?
                                              Ich hatte den Eindruck: ab Ende der Schneeschmelze braucht es noch einmal etwa 1 Woche, bis die Pegel halbwegs normal sind. Werde in meinem Bericht diesbezüglich etwas ergänzen...

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                                              • Borgman
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                                                • 22.05.2016
                                                • 768
                                                • Privat


                                                #24
                                                Samstag, 11. Juni: Syltefjorddalen

                                                Mit dem Quilt habe ich anscheinend noch zu wenig Übung. Jedenfalls habe ich gefroren in der Nacht … keine Ahnung, woran es lag. Ganz ausgeruht bin ich deshalb nicht, als um vier die Sonne aufs Zelt scheint, aber trotzdem motiviert. Die jetzt noch 26 Kilometer auf der Straße will ich flott hinter mich bringen und zum Abend am Storvatnet hinter Nordfjord zelten. Von wegen, ich hätte keinen Plan – für heute habe ich sehr wohl einen. Nach dem Kaffee mit 3 Bixit-Keksen packe ich sofort zusammen und laufe um 05:45 Uhr hoch zur Straße.


                                                früher Aufbruch


                                                Blick nach SW


                                                Storelva


                                                meine Laufrichtung


                                                Storvatnet


                                                auf 200m Höhe – im Hintergrund sieht man den Windpark NW von Båtsfjord





                                                Viel zu erzählen gibt es nicht, die Bilder sprechen für sich. Bei dem sonnigen, fast windstillen Wetter und ohne Autoverkehr macht es sogar Spaß. Wenn ich mir den Schnee so angucke, war die Entscheidung zumindest nicht total falsch. Ich glaube, ich war gestern einfach noch nicht bereit, mich mit den Bedingungen hier wirklich auseinanderzusetzen. Kommt noch.

                                                Hinter der Passhöhe von 220 Hm geht es in einem engen Seitental hinunter zum Syltefjorddal. Hier wurde ein Naturreservat eingerichtet, um ein wertvolles Ökosystem am Rande der Arktis zu bewahren. Zahlreiche Pflanzenarten haben hier ihre nördliche Verbreitungsgrenze. Mehr dazu auf der Infotafel:



                                                Nach ziemlich genau 2 Stunden und gut 9 Kilometern treffe ich am Bach aus dem Skarpdal auf ein Toilettenhäuschen mit angelegten oder zumindest öfter genutzten Campstellen. Steht nichts weiter dran, also kann hier vermutlich jeder zelten. Was ich nicht vorhabe, aber es ist ein guter Platz für die Frühstückspause.

                                                Danach laufe ich weiter Kilometer um Kilometer durch dieses wirklich sehr schöne Tal. So grün wie in Pasvik sind die Birken hier natürlich noch nicht. Der Fluss Syltefjordelva führt, auch nicht ganz unerwartet, so viel Wasser, dass ich mir an keiner Stelle zutrauen würde, ihn zu furten. Teils sind auch flache Uferbereiche überflutet. Das macht mir keine Sorge … hab ja das Boot im Rucksack … und außerdem ist es ein Problem für Montag. Beim entspannten Gehen formt sich nämlich ganz von selber ein Plan. Morgen will ich die Basstölpel-Kolonie besuchen, von der ich gelesen hatte. Ich weiß zwar nicht genau wo sie ist, werde sie aber irgendwo an der Steilküste nordöstlich der verlassenen Siedlung Ytre Sytefjord finden. Montag gehe ich dann zurück und quere Syltefjordelva an der Mündung. Weiter ist der Plan noch nicht gediehen.


                                                Syltefjorddalen talaufwärts




                                                Syltefjordelva



                                                Inzwischen fährt ab und zu ein Auto auf der Straße, ich komme auch an einigen Hütten vorbei, doch es bleibt insgesamt ruhig. In den Ferien dürfte hier mehr los sein. Ein auffrischender Nordostwind treibt Wolken über die Berge. Ich laufe noch bis zum Kristoffervatnet und baue dort das Zelt für die Mittagspause auf, weil es sich im Wind doch etwas ungemütlich sitzt. Die knapp 21 Kilometer spüre ich deutlich in den Beinen. Für die Straße sind Bergstiefel ja auch kein geeignetes Schuhwerk … bestimmt werden sie ihre Vorteile noch ausspielen können.


                                                Syltefjordelva


                                                Båtsfjordfjellet


                                                wirklich schön: Syltefjorddalen


                                                Kristoffervatnet

                                                Gegen 14:00 Uhr bin ich bereit für die dritte und kürzeste Etappe. Reicht jetzt langsam mit Straße, zum Glück sind es nicht mal mehr ganz 6 Kilometer bis zum Wanderpfad – ein Klacks! Rechts ein paar Häuser mit Hinweisschild zu einem Campingplatz, das ist Vesterelv, dahinter der allerinnerste Zipfel vom Syltefjord. Die Strecke zur winzigen Siedlung Nordfjord zieht sich in der Realität dann doch länger hin, als sie auf der Karte aussieht.


                                                Syltefjord


                                                Nordfjord, Kapelle


                                                Nordfjord, Hafen … mit Kyst-Tavla im Hindergrund



                                                Ich glaube nicht, dass hier in Nordfjord noch jemand dauerhaft lebt, sieht eher nach reinem Sommerbetrieb aus. Jetzt zieht sich der Himmel allmählich wieder zu und es bläst ein wahrlich biestiger Ostwind. Am Ende der Straße setze ich mich noch mal für eine halbe Stunde hin, esse den vorletzten Müsliriegel, rauche eine und bereite mich mental auf einen steinigen Anstieg von knapp 150 Höhenmetern vor. Das ist nicht viel, aber ich bin heute auch schon ziemlich viel gelaufen.



                                                Tursti, das kling gut, das klingt nach einem entspannten Pfad. Am Anfang gibt es den auch, aber dann:



                                                Ja, so dachte ich mir das. Über den steinigen Ausläufer der Syltefjordhøgda sind ein paar Stangen gesteckt, irgendwo rechts davon markieren zwei, drei Steinmännchen eine andere Route und eigentlich ist es egal wo man geht. Die Richtung ist klar: hoch, rüber und runter zum Storvatnet. Hoffentlich kann man da zelten.


                                                der Schnee ist wenigstens fest, also angenehm zu gehen


                                                Blick nach NO


                                                Storvatnet

                                                Sieht eigentlich ganz gut aus. Am See gibt es einige Vegetationsflecken, da wird sich was finden lassen.


                                                rechts die kleine Landzunge zum Beispiel

                                                Die steuere ich an, und sie ist tatsächlich perfekt. Feierabend um 17:00 Uhr. Nach dem Zeltaufbau muss ich mich noch im eisigen Wind waschen, auch die Haare, die habe ich gestern ausgelassen. Während ich zum Aufwärmen meinen Kaffee schlürfe, kommt die Sonne durch und der Wind lässt nach. Hätte einfach ne Stunde warten sollen, dann wär das Waschen nicht so biestig gewesen.




                                                noch mal mit Syltefjordhøgda

                                                Das war heute ein interessanter Wechsel von der offenen Hochebene durch das liebliche Tal zum Fjord … bis zu diesem Vegetationsfleck in der Geröllwüste. Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich diese landschaftlich abwechslungsreiche Route genommen hab, statt mich den ganzen Tag durch Geröll und Schnee über das Båtsfjordfjell zu quälen.

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                                                  Fuchs
                                                  • 22.08.2010
                                                  • 1835
                                                  • Privat


                                                  #25








                                                  Ein wirklich sehr schöner Zeltplatz. Gefällt mir ausgesprochen gut. 😎
                                                  Hach…..bald. 😊

                                                  My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                                                    • 28.08.2017
                                                    • 3014
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    Cool.

                                                    Kommentar


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                                                      • 22.05.2016
                                                      • 768
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                                                      #27
                                                      evernorth, Ljungdalen : Danke! Hat sich dann so ergeben, dass ich einmal um den See herum gelaufen bin, und da gab es keine zweite Stelle, die auch nur halbwegs gegangen wäre. Glück gehabt . Hier geht es wahrscheinlich heute noch weiter...

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                                                        • 22.05.2016
                                                        • 768
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                                                        #28
                                                        Sonntag, 12. Juni: Ytre Syltefjord

                                                        Ich habe Gesellschaft bekommen am Storvatnet. Hu – uuuu schallt es kraftvoll über den See. Das sind doch … sind das nicht … ich öffne den Zelteingang. Ja genau, Eiderenten. Kurze Zeit später höre ich einen anderen unverwechselbaren Ruf: au – aua – aua-A-ULI. Die quirligen Eisenten sind das genaue Gegenteil der geselligen, entspannten Eiderenten. Anscheinend können sie nie still sein, immer haben sie etwas miteinander zu verhackstücken. Sie schaffen es nicht mal, für das Foto einen Moment nett in die Kamera zu lächeln.


                                                        gechillte Eiderenten ...


                                                        auf dem Schnee chillt man noch besser - und eine vorbei sausende Eisente


                                                        leider kaum zu erkennen: drei davon im Flug

                                                        Auf der anderen Seeseite steht ein orangefarbenes Zelt. Hier ist wirklich viel los am Sonntag. Heute ist Wind und Wetter angesagt, ein paar Schauer hat es auch schon gegeben, aber um neun scheint die Sonne aufs Zelt. Also packe ich nach dem Frühstück sofort zusammen und breche um zehn auf. Man weiß ja nicht, was noch alles kommt. Ein kräftiger, ungewohnt warmer Wind weht aus Süden ... T-Shirt-Wetter. Teils über Geröll, teils auf Schnee oder Vegetation laufe ich am nördlichen Seeufer zum Abfluss und bleibe dann auch links vom Bach. Auf der Karte sieht es so aus, als gäbe es einen Pfad, der den Bach zweimal quert, aber das ist reine Phantasie.


                                                        Blick zurück: Storvatnet


                                                        Blick Richtung Syltefjord-Sandfjorden … da will ich hin



                                                        Allmählich komme ich hinunter zum Meer. Interessant sind die alten Küstenlinien aus abgerundeten Steinen am Hang. Hier hebt sich offensichtlich das Land, wogegen es in Westnorwegen bekanntlich sehr langsam im Meer versinkt.


                                                        Syltefjord-Sandfjorden

                                                        Über die wild schäumende Sandfjorddalselva gibt es zum Glück eine stabile Brücke, sonst hätte ich vermutlich schon hier das Packraft gebraucht. Dahinter komme ich in die verlassene Siedlung Ytre Syltefjord. Neben Holzhäusern in unterschiedlichen Stadien des Verfalls, von manchen sind nur noch die Fundamente übrig, stehen hier zwei Hütten. Eine etwas ältere, einfache, und eine neue, die ziemlich komfortabel aussieht. Hier will ich meinen Rucksack stehen lassen, wenn ich zu den Vogelfelsen laufe. Allerdings ziehen da sehr dunkle Wolken auf, der Wind dreht auf West und legt noch mal zu. Ich sollte besser das Zelt aufbauen. Das wird ungemütlich.


                                                        Ytre Syltefjord


                                                        Sandfjorddalselva



                                                        Beim Zeltaufbau gegen 12:00 Uhr sehe ich auch die beiden Zelter vom Storvatnet, allerdings bin ich höher am Fluss, so dass wir uns nicht treffen. Sie werden das aufziehende Wetter auch bemerkt haben, denn als ich Wasser hole sind sie weg. Ungemütlich war eine treffende Prognose. Mit dem ersten heftigen Regenschauer wird es richtig kalt, und es folgen noch weitere Schauer, während der Wind am Stratospire rüttelt. Beim Mittagessen um halb drei hört der Regen auf … noch ein gemütlicher Kaffee … dann sollte ich langsam aufbrechen. So richtig Lust auf Geröllwüste im kalten Wind habe ich zwar nicht, aber Syltefjordstauran will ich unbedingt sehen.

                                                        Das Zelt wird eingepackt und bleibt zusammen mit dem Rucksack an der älteren Hütte liegen. Zur Sicherheit schreibe ich einen Zettel, wann ich wieder zurück bin. Falls doch noch jemand kommt.


                                                        hier erkennt man schön die alten Küstenlinien

                                                        Tatsächlich ist das Geröll gar nicht so unangenehm wie befürchtet. Es läuft sich ganz passabel. Gegen den kalten Wind habe ich Mütze und Handschuhe an.


                                                        Steinwüste


                                                        Blick zurück

                                                        Schon nach einer knappen Stunde bin ich über den Berg 204m und stehe an der Steilküste. Und dann habe ich doch tatsächlich wieder Glück: in dem Moment reißen die Wolken auf. Nicht lange - nur für eine Viertelstunde baden die Klippen in der Sonne. Ich bin glücklich. Weder Fotos noch Worte können diesen Moment beschreiben. Tief unten kreisen die Basstölpel vor dem Brutfelsen über dem Meer. Diese eleganten Vögel mochte ich schon immer besonders gerne.


                                                        Syltefjordstauran


                                                        und noch mal als Panorama


                                                        Basstölpel-Kolonie

                                                        Vorsichtig gehe ich am steilen Hang nach Süden bis er senkrecht abbricht. Von hier ist der Blick auf den Tölpel-Felsen besser.





                                                        Seltsam nur, dass an dieser Stelle fast keine anderen Vögel sind. Bestimmt gibt es mehr, die Steilküste zieht sich ja noch etliche Kilometer weiter bis zum Makkaur-Sandfjord. Eigentlich würde ich da gerne noch hin. Aber das müsste ich morgen machen, und ein deutliches Gefühl sagt mir, dass ich den Tag unbedingt nutzen sollte, um auf die andere Fjordseite zu kommen. Auch gut. Man muss auf seine Intuition hören.


                                                        Blick nach Osten über den Syltefjord

                                                        Beschwingt und zufrieden laufe ich gegen den Wind zurück nach Ytre Syltefjord. Der Abstecher hat sich auf jeden Fall gelohnt. Diesmal folge ich einer mit Steinwarten markierten Route, die näher an der Küste verläuft. Besser zu laufen ist sie nicht, nur der Blick ist schöner.



                                                        Gegen halb sieben bin ich zurück am Rucksack, hole noch Wasser aus dem Bach und gehe am Strand ein kleines Stück nach Osten. Hinter dem ersten Tümpel gibt es schöne Grasflächen, bevor es wieder krautig wird. Noch in Sichtweite der Hütte, aber da ist ja niemand. Ein Nachteil des Stratospire: bei Wind lässt es sich schwieriger aufstellen als z.B. das Akto. Wenn es dann steht, das muss man ihm lassen, steht es absolut sicher.



                                                        Austernfischer sind hier meine einzige Gesellschaft. Mich wundert ein bisschen, dass es kaum Möwen oder Küstenseeschwalben gibt. In Gedanken füge ich noch einen Wunsch zu meiner Liste hinzu und hake ihn gleich ab: einmal direkt am Meer zelten. Ein weiterer Höhepunkt, nach der Katzenwäsche, zusammen mit dem Kaffee ist das erste Kvikk Lunsj. Mmh … hatte schon fast vergessen wie überirdisch lecker das schmeckt.


                                                        später am Abend kommt noch mal kurz die Sonne durch – Blick aus dem Zelt






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                                                          • 22.05.2016
                                                          • 768
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                                                          #29
                                                          Montag, 13. Juni: Austerdalen

                                                          So, da bin ich also. Ytre Syltefjord. Mein kühner Traum war es, von hier bei sanftem Nordwestwind mit dem Packraft über den Fjord zu schippern. Was bestimmt nicht unmöglich ist, aber doch wenig wahrscheinlich an der rauen Varangerküste. Heute Morgen weht immer noch ein kräftiger Wind aus West bis Südwest. Völlig ausgeschlossen, dass ich mich aufs Meer traue. Bleibt nur die langweilige Variante: zurück wie ich gekommen bin und die Syltefjordelva an der Mündung queren.

                                                          Aufbruch um 06:10 Uhr. Diesmal wähle ich, um wenigstens ein bisschen Abwechslung in die Tour zu bringen, eine südlichere Route zum Storvatnet und umrunde den See ebenfalls südlich. Das ist weder besser noch schlechter als die Route von gestern. Nur dass ich jetzt einen eiskalten Wind von vorne habe.


                                                          Ytre Syltefjord – rechts die neue Hütte, hinten in der Mitte die ältere




                                                          leider habe ich sie aufgeschreckt




                                                          Syltefjord-Sandfjorden


                                                          Storvatnet


                                                          fast geschafft – Blick Richtung Syltefjorddalen


                                                          Nordfjord

                                                          Gute zwei Stunden brauche ich für die Strecke zurück nach Nordfjord und stelle gleich am Bach, bevor die Straße beginnt, das Zelt für die Frühstückspause auf. Hehe, um diese Zeit frühstücken auch normale Leute. Danach sortiere ich schon mal die Sachen, die ich später zum Paddeln brauche, damit ich im Wind nicht den ganzen Rucksack ausräumen muss. Ab zehn laufe ich ziemlich genau eine Stunde auf der Straße bis Vesterelv zur Flussmündung … ziemlich flott, damit mir warm wird. Es ist Niedrigwasser, das könnte ein Vorteil sein.


                                                          Vesterelv – am Hang auf der anderen Seite soll die Tour weitergehen

                                                          Zuerst suche ich mir eine gute Stelle zum Einsetzen, wo die Strömung nicht zu stark, das Wasser aber auch nicht zu flach ist. Hier ist der Fluss ziemlich breit, hat aber immer noch starken Druck. Zur Not, wenn es mit dem Anlegen nicht klappt, lasse ich mich mit dem Strom noch ein Stück an der Landzunge entlang treiben. Die erste Herausforderung ist, dass nichts wegfliegt: Blasesack, Sitzkissen und vor allem nicht das aufgeblasene Packraft. Der Wind ist biestig. Flugbootwetter (wer es noch nicht kennt: Klick). Also schnell beladen, Foto machen und rein ins Wasser.



                                                          Im Hauptstrom muss ich kräftig paddeln, um auf die andere Seite zu kommen. Aber es gelingt, wenn auch nicht sehr elegant. Ich habe so viel Fahrt, dass ich unsanft auf die Steine am Grund rutsche. Prima, so kann ich bequem aussteigen ohne das Boot festhalten zu müssen. Das hat doch wunderbar geklappt.



                                                          Zum Trocknen binde ich das Packraft an eine Birke, stelle es auf die Seite und setze mich dahinter für eine halbe Stunde in den Windschatten. Mein Ziel für heute ist Austerdalen, wo wieder ein Fluss zu queren ist. Bis da hin sollte man eigentlich ganz entspannt am Fjordufer entlang gehen können.

                                                          Jaa, fast. Am Anfang geht es tatsächlich entspannt auf Rentierpfaden bist zum Bächlein Jonnejohka.


                                                          Bootsanleger Jonjok


                                                          viele Blumen am Fjordufer, hier Reinrose (weiße Silberwurz)


                                                          Mauern … gab es mal eine Siedlung an der Jonnejohka?



                                                          Das Bächlein von vielleicht 5 Kilometern Länge erweist sich als ausgewachsenes Hindernis. Es ist nur an der Mündung überhaupt furtbar, und selbst da muss ich mich Schritt für Schritt gegen den Druck vorarbeiten. So viel Schmelzwasser aus einem ganz kleinen Tal! Wie soll das erst im Austerdal oder morgen im Sandfjorddal werden? Da muss ich doch ständig Bäche queren. Abseits vom Fjord hilft mir das Packraft überhaupt nicht.

                                                          Bevor ich die Wanderstiefel nach der Furt wieder anziehe, mache ich erst mal Mittagspause. Jetzt kommt auch die Sonne durch und der Wind flaut etwas ab. Zumindest so viel, dass man nicht mehr alle Sachen festhalten muss. Um 15:00 Uhr geht es weiter am Fjord entlang. Die Strecke in Bildern:




                                                          Stengelloses Leimkraut


                                                          wieder Reinrose


                                                          Oternesan


                                                          eine Spitzkiel-Art vielleicht??




                                                          Syltefjorden


                                                          Austerdalen in Sicht




                                                          ist das Kunst oder kann das weg?

                                                          Austerdalen heißt nicht nur das Tal, sondern auch eine Paar-Häuser-Siedlung auf dem riesigen Strand aus grobem Kies. Bestimmt hat sie was mit Rentierhaltung zu tun. Ich will den Fluss natürlich gleich hier queren, die Mündung ist auf der anderen Seite der Bucht.


                                                          da hinten irgendwo … zu sehen ist nichts


                                                          da ist sie – definitiv nicht furtbar

                                                          War ja klar. Das Boot ist schnell aufgeblasen, und diesmal bekommen ich auch eine sanfte Landung auf der anderen Seite hin. Sehr schön. Wieder mache ich eine halbe Stunde Pause, wechsele die Karten, rauche eine und frage mich derweil, wie man auf dieser Talseite wohl voran- und am besten zum Sandfjorddal hinüberkommt. Bestimmt nicht ganz am Ende, das läuft sehr schmal aus. Irgendwo im südlichen Drittel vermutlich. Über die Berge.


                                                          sanfte Landung am Ostufer


                                                          Mündung der Austerelva


                                                          Furten ist auch in der Ebene keine Option

                                                          Als ich weitergehe, sind schon wieder Wolken aufgezogen. Wie vermutet gibt es auch im Austerdal Rentierpfade, denen man einfach folgen kann. Bald sehe ich sie auf der anderen Seite des Flusses, da stehen sie und schlagen sich genüsslich die Bäuche voll. Ähnlich wie im Syltefjorddal ist auch hier die Vegetation vergleichsweise üppig, es gibt nur weniger Wald.


                                                          Austerdalen …


                                                          und seine Bewohner – es sind geschätzt hundert Rentiere auf dem Foto


                                                          später im Sommer kann man hier bestimmt furten

                                                          Mir gefällt dieses offene, freundliche Tal sehr gut. Laut Karte überschreite ich bei einer Hütte die Grenze zum Varangerhalvøya Nationalpark. Das müsste dann wohl diese sein, sie hat ihre beste Zeit allerdings auch schon hinter sich:






                                                          wieder Rentiere

                                                          Gleich danach treffe ich auf den Bach aus dem Steinelvdal, den ich etwas oberhalb über eine Schneebrücke queren kann. Hier gibt es eine reiche Auswahl perfekter Zeltstellen auf Krähenbeerenheide. Ich wäre blöd, wenn ich daran vorbei gehen würde. Morgen ist auch noch ein Tag, und es dürfte sogar ein besonders spannender werden.


                                                          stabile Schneebrücke


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                                                            • 22.05.2016
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                                                            #30
                                                            Dienstag, 14. Juni: Sandfjorddalen

                                                            Diesen Tag will ich gut nutzen, denn er soll laut Vorhersage (von gestern) bis zum Abend trocken sein. Nach einem schnellen Kaffee packe ich also sofort zusammen und bin um halb sieben unterwegs.

                                                            Mein Ziel ist die Telegrafhytta im Sandfjorddal, ungefähr 12 Kilometer Luftlinie östlich der Berge, die hier ziemlich steil zum Austerdal abfallen. Die direkte Route über Øver-Tavla interessiert mich aber gar nicht. Ich möchte lieber mehr von der Landschaft sehen, besonders vom Sandfjorddal. Mein Plan, nachdem ich gestern am Abend eingehend die Karte befragt habe, ist folgender: Richtung Süden starten, dann südöstlich über den Berg zum Sandfjorddal und an dessen oberer Kante entlang über den Heastačielgi-Rücken zur Hütte. Realistisch geschätzt werden das an die 20 Kilometer, weglos unter unabsehbaren Bedingungen, jedenfalls was Schnee und Geröll betrifft.

                                                            Für ein paar Kilometer laufe ich noch das hübsche Tal hoch, das ab jetzt immer enger wird. Dazu weht ein kalter Nordwind, nur selten zeigt sich die Sonne.


                                                            Austerdalen um 06:30 Uhr


                                                            Blick zurück – der Talgrund besteht aus mehr oder weniger nassen Wiesen …


                                                            auf denen Rentiere weiden




                                                            Mariedalen, eines der engen Seitentäler


                                                            südliches Austerdalen

                                                            Nach einer Stunde mache ich am Bach aus dem scharf eingeschnittenen Sløkholmdal eine kurze Pause. Ich muss sowieso die Stiefel ausziehen, um ihn zu queren. Den Hang südlich vom Bach habe ich für den Aufstieg ausgesucht. Recht steil schnaufe ich die ersten 180 Höhenmeter hoch, dann verflacht sich der Hang und es wird steiniger.


                                                            Sløkholmdalen




                                                            Austerdalen


                                                            über mir kreist ein Raubvogel – das könnte ein Steinadler sein


                                                            Blick nach Westen


                                                            schon etwas höher

                                                            Geröll von der angenehmeren Sorte. Auch die Schneefelder sind gut zu gehen. Fest bis zu den Rändern. So laufe ich eine ganze Weile, immer nur den breiten, sanft ansteigenden Hang vor mir. Entfernungen sind hier schwer zu schätzen, und ich weiß auch nicht genau, an welcher Stelle ich den Berg überschreite. Irgendwo um den Punkt 405m herum muss es sein. Jetzt wird endlich der Blick nach Südosten frei. Das ist gleich ein ganz anderes Gefühl, wenn man sieht, wohin man läuft.


                                                            nur der Blick zurück hilft zur Orientierung


                                                            meine Laufrichtung



                                                            Das da hinten muss Sandfjorddalen sein. Ein langes, sehr schmales Tal, das mit seinen zahllosen Seitentälern eine gigantisches Hochland durchschneidet. Die faszinierende, aber auch einschüchternde Weite der Varangerhalbinsel. Hier ist man als einzelner kleiner Mensch ziemlich verloren.



                                                            Nach meinem Plan muss ich mich jetzt nach Ost-Südost halten, bis ich direkt ins Sandfjorddal runter gucken kann. Auf dieser Bergseite ist der Schnee weicher. Die Stiefel sinken viel tiefer ein bei jedem Schritt, manchmal sackt der Schnee auch unter ihnen weg. So geht es langsamer und anstrengender. Die Strecke zieht sich ... hätte nicht gedacht, dass es noch so weit ist. Außerdem bin ich schon drei Stunden unterwegs, ich bräuchte wirklich dringend mein Frühstück.


                                                            Blick nach NO – inzwischen kommt öfter die Sonne durch


                                                            schon näher am Sandfjorddal

                                                            Nicht nur der Schnee, auch das Geröll ist hier wesentlich unangenehmer. Als ich endlich einen Vegetationsfleck mit Schmelzwasserbach für die Pause gefunden habe, stelle ich fest, dass ich zu weit nach Süden abgedriftet bin. Direkt gegenüber ist nämlich ein größeres Seitental, eindeutig Juovkkaidávži. Der Grund dämmert mir jetzt auch … ich habe mich nach dem Sonnenstand und der Uhr orientiert, aber Varanger liegt schon so weit östlich, dass die Uhr eigentlich mindestens auf osteuropäischer Zeit stehen müsste, damit es funktioniert. Wie blöd, daran habe ich nicht gedacht. Wir sind hier doch sogar schon etwas östlicher als St. Petersburg.




                                                            Juovkkaidávži gegenüber

                                                            Richtig sonnig wird es in der langen Pause von 10:10 bis 12:00 Uhr. Wärmt mich schön auf, bedeutet aber auch mehr Strahlung, also stärkere Schneeschmelze. Was mir bisher noch gar nicht in den Sinn kam, aber jetzt als Frage aufploppt: sind ab der Telegrafhytta überhaupt alle Seitenbäche furtbar? Bei der ungeheuren Wassermenge, die da unten aus allen Richtungen zusammenkommt? Besonders Orošjohka sticht mir ins Auge, gleich nach der Hütte. Was, wenn meine Route eine Sackgasse ist? Das Packraft wäre nur dann hilfreich, wenn ich in einer total abgelegenen, unzugänglichen Gegend bereit wäre für ein Wildwasserexperiment. Bin ich nicht.

                                                            Planänderung. Ich vermute, dass Orošjohka viel weiter oben, zwischen den Punkten 266m und 256m zu furten ist, da verzweigt sie sich laut Karte mehrfach. Diese Stelle will ich also ansteuern. Meine neue Route führt erst mal kilometerlang durch nassen Schnee, teils fester, teils weich, selten brüchig.


                                                            die Möwe wundert sich auch über den seltsamen Wanderer


                                                            Blick zurück

                                                            Weiter nordöstlich und etwas tiefer ist der Schnee schon fast weggeschmolzen – eine nasse Ebene aus Bächen, überschwemmter Vegetation, Schneesumpf und brüchigen Schneeresten.








                                                            endlich: Orošjohka



                                                            Der Abstieg ins Tal führt über zum Glück griffigen Schnee. Wild strömendes Wasser füllt den ganzen Talgrund aus. Scheint aber nicht sehr tief zu sein, das könnte klappen. Ich suche mir eine Route aus, wechsele in Sandalen und Neoprensocken, Regenhose über die Knie gekrempelt. Der Hauptstrom zeigt mit gleich, wer der Stärkere ist. Bevor er mir die Beine wegdrückt weiche ich zurück und suche mir eine andere Stelle flussabwärts. Was von oben eindeutig aussah, ist mitten drin verwirrend. Hier fließt Wasser zusammen ... dort teilt es sich, ist aber zu tief … ein Stück weiter geht es mit Konzentration und kleinen Schritten. Etwas mehr als knietief. Der zweite Hauptstrom - warum gibt es jetzt plötzlich einen zweiten? - sieht auch ernst zu nehmen aus, ist aber nur knapp knietief, was einen deutlichen Unterschied macht. Trotzdem, der Druck ist mächtig.


                                                            talaufwärts vor der Furt


                                                            hinten meine Abstiegsroute … rückblickend die einzig mögliche Stelle


                                                            talabwärts nach der Furt

                                                            Glücklich auf der anderen Seite und wieder in Wanderstiefeln, sehe ich das nächste Hindernis. Der Hang da vorne geht anfangs noch, ist mir aber im weiteren Verlauf zu steil. Sogar die Rentierpfade hören da auf, und die können besser klettern als ich. Nee, da steige ich lieber gleich hier hoch und laufe über den Hügelrücken zurück ins Tal.


                                                            also da hoch? … hmm … okay … ?

                                                            Von oben habe ich immerhin einen prachtvollen Blick auf meine Route. Sehr cooles, wildes Tal!




                                                            mein Lieblingsfoto - funktioniert auch in s/w


                                                            auf dem Hügelrücken läuft es sich prima


                                                            ein Seitental


                                                            da geht es zurück ins Orošjohka-Tal

                                                            Ab hier sollte es möglich sein, immer am Hang zu laufen. Erst mal Mittagspause, von halb drei bis vier. Wolken ziehen auf, der Wind wird deutlich kälter. Es regnet ein bisschen. Hoffentlich wird das nicht mehr.





                                                            So geht es danach weiter talabwärts. Schneefelder, dann ein Stück am Hang, ab und zu eine etwas steilere Stelle. Insgesamt problemlos. Meist gibt es einen Rentierpfad. Ziemlich genau eine Stunde brauche ich für die zweieinhalb Kilometer bis zum Sandfjorddal. Direkt gegenüber steht verlockend die Telegrafhytta. Sieht sehr nett aus, da würde ich gerne die Nacht verbringen. Geht aber nicht. Hier würde ich auf keinen Fall furten.


                                                            hier mündet die Orošjohka in die Sandfjordelva


                                                            Telegrafhytta: unerreichbar für mich …


                                                            aber nicht für die Falkenraubmöwe

                                                            Will auch nicht in Sichtweite der Hütte zelten, davon bekäme ich in Wind und Wetter nur schlechte Laune. Also wende ich mich nach Norden und stoße schon nach einem halben Kilometer auf das nächste Hindernis, nämlich ein steiles Schneefeld, das von oben bis zum Fluss keine sanfter geneigte Stelle zu bieten hat. Nicht mal den ersten Schritt wage ich, obwohl es eigentlich möglich sein sollte.


                                                            da, genau in der Mitte – der Hang links und das erste Schneefeld sind kein Problem …


                                                            das zweite ist mir zu steil

                                                            Was tun? Hier zelten und das Problem auf morgen verschieben? Gehe ein Stück zurück, gucke nach geeigneten Zeltplätzen. Dabei ist mir dann auch nicht wohl. Nee, diese Stelle will ich heute noch überwinden. Nur wie? Nach oben hin wird der Schnee noch steiler. Eine Weile stehe ich ratlos in der Gegend herum. Vom Orošjohka-Tal kann man da schon irgendwie aufsteigen. Ach, scheiß drauf! Ich will da hoch, hier und jetzt. Nur nicht runtergucken, nicht einen einzigen Blick. Saubere Stufen in den Schnee treten. Ruhe bewahren.


                                                            grenzwertig … und das am Ende eines sowieso schon ausgefüllten Tages


                                                            Blick zurück, hinten rechts die Hütte


                                                            Blick voraus, das sieht machbar aus

                                                            Ich steige sogar so weit auf, gut 100 Höhenmeter, dass ich die steile Stelle am Hang hinter dem Schneefeld gar nicht bemerke. Bis zur nächsten Ebene im Sandfjorddal lässt es sich dann ohne Schwierigkeiten absteigen. Uff! Auf dem erstbesten zugigen Hügel stelle ich das Zelt auf. Es ist kalt. Ich bin müde. Aber auch äußerst zufrieden. Nicht nur, dass ich die psychologisch schwierige Stelle geschafft habe, sondern auch mit dem ganzen Tag.



                                                            Am Abend ziehen zwei Adler ihre Runden über dem Tal, mehrere Goldregenpfeifer rufen sich gegenseitig zu, und ein Singschwan-Paar schaut auch noch vorbei. Eigentlich ein idyllischer Platz. Nur der eiskalte Nordwind macht mir ein bisschen zu schaffen. Es wird nicht richtig warm im Zelt, selbst als nach dem Kaffeekochen der Brenner noch eine Weile läuft. Vielleicht ist das Stratospire doch etwas zu luftig für dieses Wetter.

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                                                              • 01.04.2014
                                                              • 734
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                                                              #31
                                                              Toller Tag! Sieht auf dem Foto gar nicht so steil aus das zweite Schneefeld, aber live dann bestimmt doch. Gut dass Du es oben umgehen konntest.
                                                              War Deine Quilt-Konstruktion nicht warm genug? Aber klar, gegen starken kalten Nordwind ist das Stratospire vermutlich ein nur schwacher Schutz.

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                                                                Fuchs
                                                                • 22.08.2010
                                                                • 1835
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                Nun war ja die Campstelle auch recht ausgesetzt und exponiert und somit dem Wind voll ausgesetzt.
                                                                Ich mag ja solche Plätze, die etwas gegen die Logik und Vernunft gewählt werden.
                                                                Ich bin begeistert. Traumhafter Ausblick bestimmt von dort oben. 🤩
                                                                My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                                                                  Dauerbesucher
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                                                                  • 768
                                                                  • Privat


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                                                                  vobo : Nein, so steil war es auch nicht. Das Schneefeld, über das ich aufgestiegen bin, war steiler, aber es lief unten flacher aus. Das ist der Punkt: ab einem bestimmten Neigungswinkel habe ich ein psychologisches Problem damit, ein Schneefeld zu queren, das unten in einen Fluss oder Steilhang abbricht, selbst wenn es technisch machbar wäre.

                                                                  Mit dem Quilt ging es dann, ich meinte wirklich nur das Zelt. Beim Soulo, mit dem ich etliche Touren zu allen Jahreszeiten gemacht habe, ist der Raum viel kleiner und das Außenzelt geht ganz bis zum Boden, ähnlich beim Akto. Was für wesentlich schlechtere Belüftung sorgt und Kondenswasserbildung fördert, hat aber auch hat einen Vorteil: der kalte Wind bleibt draußen, im Zelt wird es auch bei ungemütlichem Wetter schnell warm. Jede Bauweise hat eben ihre Vor- und Nachteile. Nächstes Mal nehme ich eine Daunenjacke mit.

                                                                  evernorth : Schöner Blick aus dem Zelt, ja, auch wenn der Hügel gar nicht so hoch war, wie es vielleicht aussieht. Trotzdem natürlich exponiert. Die Wiesen drum herum waren einfach viel zu hubbelig, und weiter wollte ich wirklich nicht gehen. Dann bin ich gespannt, welche Plätze wider die Vernunft du jetzt in Island findest, wenn du sie so magst

                                                                  Kommentar


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                                                                    • 768
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                                                                    Mittwoch, 15. Juni: Ytre Syltevika

                                                                    Mit einem Extrapulli und Wanderhose unter dem Quilt wurde es dann warm, aber trotzdem fand ich es zugig im Zelt. Für diese Nacht hätte ich mir wirklich das Akto gewünscht. Am Morgen regnet es bei 4°C, Wind konstant aus Nord. So stark ist der auch wieder nicht. Es solte eigentlich kein Problem sein, das Stratospire so anzupassen, dass das Außenzelt zumindest an einer Seite nah am Boden fixiert ist. Brauche nur zwei kürzere Stangen für eines der Pitchlocs und kleinere, unelastische Schlaufen für zwei Ecken. Werde ich zu Hause ausprobieren.



                                                                    trübes Wetter am Morgen

                                                                    Ich frühstücke um neun, warte noch einen Schauer ab und stelle mich ab zehn dem nasskalten Wind da draußen. Was für ein Glück, dass ich den Tag gestern bei trockenem Wetter und guter Sicht voll ausgenutzt habe. Die ersten beiden Kilometer läuft es sich sehr einfach am Hang, dann stoße ich auf zwei Seitentäler hintereinander - mit jeweils einem schönen Schmelzwasserbach. Den ersten kann ich ein Stück oberhalb auf einer Schneebrücke queren, den zweiten gerade noch so mit Stiefeln. Hier verlasse ich auch schon den Nationalpark.


                                                                    drei Singschwäne einträchtig zusammen sind vermutlich Junggesellen


                                                                    Nationalparkgrenze


                                                                    vertrauenswürdige Schneebrücke am ersten Bach

                                                                    Mittlerweile hat der Sprühregen aufgehört. Am Rundhaug entlang gibt es schon einen deutlich ausgetretenen Pfad bis zum Bach aus dem Gunnargamdal. Schon mit Blick auf die Karte war klar, dass dieser ein Hindernis sein würde. Gut: an dieser Stelle teilt er sich in mehrere Arme. Schlecht: sie sind alle einzeln von Schneewänden eingefasst.





                                                                    Nach kurzer Suche finde ich eine Stelle, wo man zum Bach runter kommt und probiere es. Etwas mehr als knietief mit kräftiger Strömung, aber es gelingt beim ersten Versuch. Einmal entspannt ausstrecken im Windschatten bitte, nachdem die Füße getrocknet sind. Das war die letzte Furt! Ab jetzt ist es nur noch ein Kilometer bis zur Straße.


                                                                    Sandfjordelva, links die Straße

                                                                    Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich vorerst genug habe von schneebedeckten Bergen und morgen lieber ein Stück Straße laufe. Deshalb habe ich genügend Zeit übrig, um die gut 5 km hin und dann wieder zurück zum Syltefjord zu gehen. Ein breit ausgetretener Pfad führt durch teils nasses Gelände zum Syltevikvatnet und weiter bis zur Küste.


                                                                    Syltevikvatnet

                                                                    Aber zuerst brauche ich was zu Essen, mit Kaffee natürlich. Den See lasse ich hinter mir und baue etwas oberhalb vom Pfad am Bach aus dem Kristenvatnet das Zelt auf. Vielleicht bleibe ich sogar hier, das ist kein schlechter Platz. Am Tümpel unten brütet ein Singschwanpaar. Bei all den Schwänen hier ist es das erste Nest, das ich tatsächlich sehe. Wetter zieht auf:



                                                                    Mit ca. 6°C ist es nicht viel wärmer als am Morgen, auch bin ich hier wieder ziemlich exponiert. Nee, für die nächste Nacht soll es ein geschützter Platz sein. Als der Regen nachlässt, bleibt das Zelt stehen, und ich gehe hinüber zur Bucht, ytre Syltevika. Irre Landschaft hier ... aber auch ganz schön windig. Unten steht eine einzelne Hütte, die wohl ein neues Dach bekommt. Ich laufe zwischen den Felsen ziemlich steil hoch und runter noch ein Stück nach Westen und dann zurück zum Zelt.


                                                                    ytre Syltevika






                                                                    Syltefjordstauran in der Ferne


                                                                    Reinrose

                                                                    Mit diesem schönen Abstecher könnte die zweite Tour eigentlich vorbei sein. Angesichts der starken Schneeschmelze bin ich glücklich, dass ich es überhaupt bis hier geschafft habe und nicht vorzeitig umkehren musste. Ja, es war viel zu früh im Sommer für diese Gegend, ist ja kalendarisch sowieso noch Frühling, das wusste ich vorher. Dafür hat doch alles ziemlich gut geklappt. Punkt 3 auf meinem Plan, nicht absaufen, betrachte ich als erfolgreich abgehakt. Bleibt Punkt 2: zurück von Vardø. Über die Berge will ich nicht, da sind auch noch zu viele Flüsse im Weg. Also Straße. Die Frage ob Laufen oder Autostopp verschiebe ich auf morgen.


                                                                    Varangerhalvøya nasjonalpark


                                                                    meine Tour, grob eingezeichnet … den Vogelschiss bitte ich zu entschuldigen

                                                                    Heute brauche ich nur noch einen geschützten Platz für die Nacht und habe mir auch schon einen ausgesucht. Etwa 8 km von hier, eine Flussschleife direkt vor den ersten Häusern. Die ist auf der Karte grün … und grün heißt Wald und Wald heißt Windschutz. Meistens. Bin schon sehr gespannt, wie an der Sandfjordelva ein Wald aussieht.


                                                                    für wenige Kilometer geht es am Fluss entlang



                                                                    Er besteht aus zwei bis drei Meter hohen Weiden, dicht an dicht. Anscheinend Wollweiden … wusste nicht, dass die so hoch werden können. Nach kurzer Suche finde ich einen Durchschlupf zum Fluss und bald auch eine passende Stelle für das Zelt. Perfekt! Hier ist viel weniger Wind als auf der offenen Fläche vor den Weiden. Genau der geschützte Platz, den ich mir gewünscht hatte. Zu mehr als einer gründlichen Katzenwäsche mit dem Waschlappen kann ich mich trotzdem nicht durchringen.


                                                                    Kommentar


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                                                                      • 1591
                                                                      • Privat


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                                                                      Brrr, mir wird vom Bilder angucken schon kalt, bin froh, dass Du in dem kuscheligen Weidenwald gelandet bist. Wäre für mich viel zu schwierig und zu rau, umso mehr freue ich mich, dass ich vom Sofa aus mitreisen darf!

                                                                      Kommentar


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                                                                        Dauerbesucher
                                                                        • 22.05.2016
                                                                        • 768
                                                                        • Privat


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                                                                        Blahake : schön, dass du mitkommst, trotz der rauen Bedingungen. Bei solchem Wetter können es die Fotos dann auch nicht mehr rausreißen – sie wirken wahrscheinlich wenig einladend. Die nächsten beiden Tourtage werden eher noch ungemütlicher. Da habe ich selbst für Varanger-Verhältnisse ungewöhnlich kühle Tage erwischt. Andererseits muss man dort auch im Juli und August damit rechnen, und wenn es drauf ankam hatte ich doch immer Glück mit dem Wetter. Hat also alles gepasst.

                                                                        Was ich zu schreiben vergessen habe: in dem Weidenwald wimmelte es von fröhlich zwitschernden Vögeln. Da kann man einfach nur gute Laune haben.

                                                                        Kommentar


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                                                                          Alter Hase
                                                                          • 28.08.2017
                                                                          • 3014
                                                                          • Privat


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                                                                          Zitat von Borgman Beitrag anzeigen

                                                                          meine Tour, grob eingezeichnet … den Vogelschiss bitte ich zu entschuldigen
                                                                          Klar, ist doch stylish

                                                                          Was sind das eigentlich für Hütten in der Mitte des Parks (Helheim, Heimdal, Ragnarokk - was'n Name!, Bjørnskardhytta)? Norgeskart und ut.no "kennen" die zwar, wenn man weit genug reinzoomt, aber keinerlei weitergehende Info bspw. auf ut.no, wo ja sonst auch oft Info über Nicht-DNT-Hütten gibt. Ist irgendwas bekannt?

                                                                          Kommentar


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                                                                            Dauerbesucher
                                                                            • 22.05.2016
                                                                            • 768
                                                                            • Privat


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                                                                            Was die Namen betrifft, würde ich sagen: da hat jemand zu viele Thor-Filme geguckt . Nordische Mythologie jedenfalls. Die Hütten sind wohl vor dem 2. Weltkrieg für den Bau einer Stromleitung zwischen Ordo (Oarddojávri) und Komagvær errichtet worden. Deshalb nennt man sie liniehyttene. Die Leitung gibt es nicht mehr, aber die Hütten sollen offen und allgemein zugänglich sein.

                                                                            Der verneplan von 2006 sagt nur knapp: „Diagonalt over området ligger det gamle linjehytter (etter en tidligere kraftlinje), disse står stort sett åpne for allmennheten.“

                                                                            Und in der Broschüre der Nationalparkverwaltung liest man: „Flere av linjehyttene ble bygget før 2. verdenskrig, for å gi husly til linjearbeiderne og hestene deres, og var skjulesteder under partisanernes kamp mot okkupasjonen av Finnmark. Mellom Komagdalen og Ordo finner du fire åpne linjehytter. Linjehytta Helheim er lettest tilgjengelig sommerstid fra Ordo. En femte hytte, Telegrafhytta, ligger nordøst i Sandfjorddalen.“


                                                                            https://www.nasjonalparkstyre.no/upl...M-1137_web.pdf

                                                                            Kommentar


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                                                                              Alter Hase
                                                                              • 28.08.2017
                                                                              • 3014
                                                                              • Privat


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                                                                              Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                                                              „Diagonalt over området ligger det gamle linjehytter (etter en tidligere kraftlinje), disse står stort sett åpne for allmennheten.“
                                                                              Spannend, danke.

                                                                              Kommentar


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                                                                                Fuchs
                                                                                • 02.09.2016
                                                                                • 1511
                                                                                • Privat


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                                                                                Zitat von Ljungdalen Beitrag anzeigen
                                                                                Bjørnskardhytta.... Ist irgendwas bekannt?
                                                                                Eindrücke von der Hütte kannst du am Anfang des folgenden Videos gewinnen:
                                                                                https://www.youtube.com/watch?v=kwr9a8vMh54
                                                                                Nettes Ding eigentlich, und die anderen Hütten dürften ähnlich sein.

                                                                                @Borgman: Da habe ich dir wohl nicht ganz zu unrecht von Varanger unter diesen Umständen abgeraten. Vielen Dank, dass du für uns trotzdem das Versuchskaninchen gegeben hast.
                                                                                So blöd die Schneereste und hohen Flusspegel zum Wandern auch sind ... auf den Fotos macht sich das richtig schick.

                                                                                Kommentar


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                                                                                  Dauerbesucher
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                                                                                  • 768
                                                                                  • Privat


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                                                                                  Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                                                                  Da habe ich dir wohl nicht ganz zu unrecht von Varanger unter diesen Umständen abgeraten. Vielen Dank, dass du für uns trotzdem das Versuchskaninchen gegeben hast.
                                                                                  Gerne doch! Wie sagte doch Findus so treffend: "Man weiß nie, ob man etwas kann, wenn man es nicht ausprobiert." Oder war es Pettersson, der das gesagt hat? Mit ein bisschen Erfahrung und Respekt vor der Natur kann man jedenfalls auch mal eine Route probieren, die einen Rest Ungewissheit birgt. Wichtig finde ich, dass man für die weglosen Abschnitte genügend Wandertage einplant. Ich hätte immer auch nach Båtsfjord zurück kehren können. Man sollte nie ein Risiko eingehen müssen, weil die Zeit nicht reicht.

                                                                                  Kommentar


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                                                                                    Dauerbesucher
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                                                                                    • 768
                                                                                    • Privat


                                                                                    #42
                                                                                    Donnerstag, 16. Juni: Persfjord

                                                                                    Die Lage am Morgen ist ganz ähnlich wie gestern: Regen bei 4°. Draußen. Im Zelt ist es dagegen etwas gemütlicher – die Weiden und der grasige Untergrund halten den Wind effektiv ab. Und die gefiederten Bewohner dieser Flussschleife ficht das sowieso nicht an. Unbeeindruckt zwitschern sie fröhlich gegen das nasskalte Wetter an und haben am Ende wie immer Erfolg. Gegen 10:00 Uhr hört der Regen auf. Da frühstücke ich noch in aller Ruhe und gehe um 11:00 Uhr los.


                                                                                    Schon oben an der Straße gibt es Mobilempfang, mal gucken was das Wetter sagt. Jaa … so mittel … könnte schlechter sein. 4 bis 5 Grad, bedeckt, Wind zwischen 10 und 13 m/s aus NO, in Böen etwas mehr. Für einen ruhigen Tag am Strand nicht optimal, wobei … wenn ich tatsächlich die 35 Kilometer nach Vardø laufe, komme ich wenigstens nicht ins Schwitzen. Mein Tagebucheintrag für den Vormittag: „Zur Straße und dann wie der Duracell-Hase recht flott zwei Stunden Richtung Vardø. Mittagspause am Bach aus dem Storflogdal.“ Die Küstenlandschaft ist allerdings beeindruckend.


                                                                                    Sandfjordelva von der Brücke


                                                                                    gleich zu Anfang ein paar Rentiere


                                                                                    Sandfjord ist eigentlich gar kein Fjord, sondern nur eine Bucht mit Traumstrand








                                                                                    unrasierter Duracell-Hase




                                                                                    Finnvikdalen

                                                                                    Gegen den beißenden Nordostwind suche ich mir eine möglichst geschützte Stelle für die Pause, was nicht einfach ist. Mit 5°C ist jetzt schon die maximale Temperatur erreicht. Mit einer Spur Galgenhumor nenne ich sie „Mittagshitze“. Weiter um 14:45 Uhr, immer noch mit Handschuhen an und Kapuze über dem Cap. Ich friere trotzdem … laufe mich so gut es geht warm. Muss aber auch ein Tempo finden, das ich lange durchhalten kann. Nein, wärmer wird es tatsächlich nicht, dazu gibt es immer mal wieder Sprühregen.


                                                                                    in dieser schroffen Landschaft bin ich froh über die Straße

                                                                                    Auf der fahren ein paar Autos, meist Wohnmobile in Richtung Hamningberg. Ansonsten: Schafe. Die fahren natürlich nicht, die stehen und glotzen.







                                                                                    Gegen halb fünf mache ich noch mal 20 Minuten Pause am schönen Sandstrand der Vesterelva, bevor ich das Hüttengebiet am Persfjord erreiche.


                                                                                    Seglodden heißt die Landspitze


                                                                                    Vardø ist noch weit entfernt – Blick über den Persfjord


                                                                                    Vesterelvsanden


                                                                                    Blick zurück nach Westen über den Persfjord

                                                                                    Eigentlich könnte ich langsam an Feierabend denken, will aber nicht so nah an den Hütten zelten, die sich über mehrere Kilometer an der Küste verteilen. Weiter und weiter. Prestnæringsbukta heißt das Ziel, da beginnt ein großes Naturschutzgebiet.


                                                                                    Prestnæringsbukta

                                                                                    An der Bucht gibt es nun wirklich gute Zeltmöglichkeiten. Alle voll im Wind. Nein, das geht nicht, ich will unbedingt wieder einen geschützten Platz. Weiden oder auch niedrige Sträucher sucht man hier vergeblich. Die besten Chancen sehe ich im engen Tal der Næringselva, das genau quer zum Wind verläuft. Hoffentlich kann man da überhaupt zelten.


                                                                                    man kann – so ein Schweineglück!

                                                                                    Hier weht tatsächlich nur noch ein schwacher Wind, mal von der einen, mal von der anderen Seite. Haarewaschen muss trotzdem wieder ausfallen, weil zu kalt. Bin ich mit den Jahren pienzig geworden? Heute darf es gerne ein zweiter Kaffee zum Aufwärmen sein.


                                                                                    Kommentar


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                                                                                      Fuchs
                                                                                      • 29.10.2013
                                                                                      • 1352
                                                                                      • Privat


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                                                                                      Nach längerer Pause bin ich dann auch mal wieder bei den Berichten aus dem Norden - und habe diese stimmungsvoll geschriebene und fotografierte Geschichte aus einer unbekannten Ecke Arktis gefunden. Einmal mehr sieht man, dass es nicht immer die ganz spektakuläre Landschaft braucht.
                                                                                      Danke sagt Tilmann
                                                                                      http://www.foto-tilmann-graner.de/

                                                                                      Kommentar


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                                                                                        Dauerbesucher
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                                                                                        • 768
                                                                                        • Privat


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                                                                                        Hallo Tilmann, schön, dass du diesen Bericht gefunden hast. Obwohl er vermutlich nicht in dein Beuteschema passt, was Touren angeht ... zu wenig Spielraum in der Vertikalen? Ja, mich interessieren tatsächlich von Wald über Berge und Gletscher bis Küste ganz unterschiedliche Landschaftsformen. Besonders die Übergänge zwischen ihnen finde ich reizvoll.

                                                                                        Kommentar


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                                                                                          Dauerbesucher
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                                                                                          • 768
                                                                                          • Privat


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                                                                                          Freitag, 17. Juni: Vardø

                                                                                          Ich bin immer noch froh, einen windgeschützten Platz an dieser rauen Küste gefunden zu haben. Mit dem Quilt habe ich in den vergangenen zwei Wochen schon so viel Erfahrungen sammeln können, dass der Schlaf wunderbar erholsam geworden ist. Für die kritische Stelle am Hals, zwischen dem Wärmekragen des Quilts und der Mütze, funktioniert meine dünne Merino-Sturmhaube besser als das Schlauchtuch. Die kommt auf jeden Fall wieder mit. Eine Kapuze wie bei einem Schlafsack vermisse ich gar nicht mehr.

                                                                                          Am Morgen ziehen ein paar Regenschauer durch. Die warte ich noch ab und gehe gegen neun los, als es freundlicher aussieht. Da ich gestern schon 24 km gelaufen bin, sind es nur noch 11 bis zur Kreuzung Svartnes an der E75, beim Flugplatz von Vardø. Da hält der Bus um 16:10 Uhr, aber natürlich möchte ich vorher noch auf die Insel. Dafür reicht die Zeit locker.



                                                                                          Næringselva

                                                                                          Temperatur und Wind sind ähnlich wie gestern, genauso der gelegentliche Sprühregen, nur kommt heute immer wieder kurz die Sonne durch. Bei milderem Wetter lohnt sich bestimmt ein Abstecher zur Landspitze Blodskytodden (Blutschießen? Was soll das heißen? … und nebenan Daudmannsmolla … Leichenmulde??? Was ist da los an der Varangerküste?). Der muss heute ausfallen. Von windiger Küste habe ich erst mal genug. Die beiden Reservetage will ich nicht mehr hier verbringen, das ist auf die Dauer zu anstrengend. Mich zieht es eindeutig in das liebliche Sandnesdal, wo ich am Ende der Pasvik-Tour gezeltet habe. Wie schön muss es da jetzt sein, zwischen richtigen Bäumen, und ein paar Grad mehr wird es bestimmt auch haben. Nach einer Stunde auf der Straße erreiche ich einen Windschutz mit Infotafel, Vardø schon in Sichtweite.




                                                                                          Barvikmyran og Blodskytodden naturreservat


                                                                                          Blick nach Vardø

                                                                                          Eigentlich gar nicht mal so weit, aber der Unterseetunnel ist südlich von Vardø und beginnt ganz rechts außerhalb des Fotos, also noch ein Stück zu gehen. In der kleinen Streusiedlung Smelror/Svartnes, nach einer weiteren Stunde, gibt es dann überraschend gute Zeltmöglichkeiten in den Dünen. Warum eigentlich nicht? Hier stelle ich für eine Stunde das Zelt zum Trocknen auf und koche einen Kaffee.


                                                                                          Rentiere haben immer Vorfahrt




                                                                                          die Dünen von Smelror


                                                                                          Svartnesbukta


                                                                                          geschafft!

                                                                                          Jetzt muss ich nur noch hinüber auf die Insel. Vor neun Jahren bin ich zu Fuß durch den Tunnel gelaufen, aber da war Samstagmorgen und fast kein Verkehr. Das sieht heute ganz anders aus. Ich wäre dankbar für eine Mitfahrgelegenheit. Schon das erste Auto hält – ein älteres Ehepaar aus Vardø. Sie fahren mich gleich noch weiter zum Hafen.

                                                                                          Hier sieht alles ähnlich aus wie 2013 … ein bisschen abgeschabt, zweckdienlich, dem rauen Klima angepasst. Es gibt eine schicke neue Touristinfo, fast wirkt sie wie ein Fremdkörper. Die hat bestimmt eine Toilette. Beste Erinnerungen habe ich allerdings an den Rema 1000 auf der Ostseite der Insel, wo ich gleich Nahrung besorgen könnte. Vor dem Einkauf will ich mich aufhübschen … ich sehe nämlich auch ein bisschen abgeschabt aus, bestenfalls zweckdienlich und dem rauen Klima angepasst.

                                                                                          Gute Entscheidung. Die Kundentoilette dort ist groß und sauber. Wasche die Haare - endlich! - rasiere mich, und weil ich schon mal dabei bin, rubbele ich den ganzen Kerl einmal mit Seife und Waschlappen ab. So, sauber genug. Im Rema kaufe ich alles, was ich fürs Wochenende brauche, Äpfel, Gurke, Brot, Bier usw., gehe dann dann zur Festung und zurück zum Hafen. Dem anderen Supermarkt, Knut Bye Kolonial, sollte man auch noch einen Besuch abstatten, für ein paar kleine Extras. Muss schließlich vier Stunden Bus fahren und danach anderthalb Stunden laufen.



                                                                                          Vestervågen


                                                                                          Pomormuseet


                                                                                          Vardø kirke


                                                                                          Vardøhus festning

                                                                                          Im Bus melde ich mich zu Hause, höre zum ersten Mal seit zwei Wochen Musik und entspanne. Die Varangerhalbinsel lasse ich zufrieden, aber ohne Wehmut hinter mir. Das war doch alles in allem eine recht fordernde Tour am Rand der arktischen Klimazone. Die Steinwüsten am Syltefjordfjell, Schneeschmelze in den Bergen mit ihren Wasserströmen, der Frühling an der Küste, wo abertausende kleine Reinrosen unbeeindruckt ihre Köpfchen im scharfen, kalten Wind wiegen, Vögel und Rentiere, die ebenso an diese Bedingungen angepasst sind. Die Straßenabschnitte waren ein Kompromiss zwischen meinen Träumen und meinen begrenzten Möglichkeiten, ja, aber rückblickend mehr als das. Sie haben mir geholfen, die Dimensionen zu erfassen.



                                                                                          Nach der vom vergangenen Freitag – war es wirklich nur eine Woche? – bekannten Strecke von Hesseng bis ins Sandnesdal stelle ich das Zelt um 21:40 Uhr bei anhaltend leichtem Regen wieder an meiner Stelle am Posbekken auf. Schön ist er, dieser vertraute Platz, so grün! Birken und Sträucher haben dichteres Laub, fröhliche Vögel flattern zwitschernd umher, kein Wind weht. Und als ich Wasser hole, umschwirren mich die Mücken. Es ist Sommer geworden.




                                                                                          Ende Teil 2

                                                                                          Kommentar


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                                                                                            Fuchs
                                                                                            • 02.09.2016
                                                                                            • 1511
                                                                                            • Privat


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                                                                                            Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                                                                            Bei milderem Wetter lohnt sich bestimmt ein Abstecher zur Landspitze Blodskytodden (Blutschießen? Was soll das heißen? … und nebenan Daudmannsmolla … Leichenmulde??? Was ist da los an der Varangerküste?
                                                                                            Reine Spekulation meinerseits: kommt vielleicht aus der Zeit der Hexenverfolgung in Norwegen. Der Berg Domen bei Vardø galt als Treffpunkt Nr. 1 derjenigen, die "mit dem Teufel im Bunde waren", und dann vielleicht auch die gesamte Gegend. 40% aller vollstreckten Todesurteile wegen "Hexerei" in Norwegen waren in der Finnmark - nicht zuletzt wegen der "heidnischen" Samen.
                                                                                            https://snl.no/trolldomsprosessene_i_Norge
                                                                                            Die Finnmark hatte es ja oft schwer - so auch im 2. Weltkrieg. Das kleine Kirkenes hatte 1000x Luftalarm und wurde 328x bombardiert.
                                                                                            https://de.wikipedia.org/wiki/Kirkenes

                                                                                            Kommentar


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                                                                                              Dauerbesucher
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                                                                                              • 768
                                                                                              • Privat


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                                                                                              Das mit der brutalen „Hexen“-Verfolgung im 17. Jahrhundert hatte ich auch gelesen, aber nichts über die Jahrhunderte vorher. Interessanter Artikel, danke. Ob das mit Blodskytodden zusammenhängt? Könnte natürlich sein. Vielleicht müssen wir mal bei den Freunden von Vadsø historielag anfragen, ob die was wissen. Im Netz findet man nichts. Esoterikern zufolge sollen bei Vardø auch heute noch besonders starke Erdkräfte wirken, positive wie negative.


                                                                                              Zum Schluss habe ich ein Album mit den Fotos für jeden Teil eingerichtet, falls jemand sie in Originalgröße anschauen möchte.

                                                                                              Pasvik: https://www.flickr.com/photos/144877...77720300101397

                                                                                              Syltefjord: https://www.flickr.com/photos/144877...77720300598399


                                                                                              Leider werde ich dieses Jahr nicht eine zweite Reise nach Nordnorwegen machen, das steht jetzt fest. Die in der Einleitung erwähnten Träume, allen voran Øvre Anárjohka, müssen also noch warten. Und dieser Bericht ist damit wirklich abgeschlossen. Finnmark für mich aber noch lange nicht – ich komme wieder!

                                                                                              Kommentar


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                                                                                                Fuchs
                                                                                                • 22.08.2010
                                                                                                • 1835
                                                                                                • Privat


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                                                                                                Hach, da habe ich hier an der „Höll - Hütte“ (an der F 208 in Island) während meines „breaks” sogar LTE - Netz und stelle überrascht fest, das der Bericht gerade zu Ende gegangen ist.
                                                                                                Eine ambitionierte, ungewöhnliche Tour ist dir da gelungen! Wirklich toll!
                                                                                                Mir selbst wäre es doch etwas zu winterlich geworden, möglicherweise auch zu anstrengend bei der Planung, da ja viele Flüsse praktisch nicht passierbar waren.
                                                                                                Umso erstaunlicher, was du da wieder für eine Tour hinbekommen hast. 👍
                                                                                                Keine Herbst 🍂- Tour? 😳 Da bin ich schon
                                                                                                demnächst auf die Gründe gespannt.
                                                                                                My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

                                                                                                Kommentar


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                                                                                                  Erfahren
                                                                                                  • 03.08.2018
                                                                                                  • 177
                                                                                                  • Privat


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                                                                                                  Da hat das Mitlesen mal wieder viel Spaß gemacht. Danke für den schönen Bericht. Mich haben manche Bilder sogar ziemlich an Island erinnert. Eine interessante Mischung an Landschaften hast du dir da auf jeden Fall ausgesucht.
                                                                                                  Für den parallel Bericht von Fjellfex, den ich genauso gern gelesen hab, bedanke ich mich hier einfach gleich mal mit.

                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                    • 768
                                                                                                    • Privat


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                                                                                                    ChuckNorris : Moin M. - lange nichts von dir gehört. Gern geschehen von meiner Seite, freut mich, dass du Spaß hattest! Du gehst ja auch gerne mal abseits der Standard-Routen … wird es dieses Jahr vielleicht wieder einen Bericht geben? Hast du Pläne?

                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                      Erfahren
                                                                                                      • 03.08.2018
                                                                                                      • 177
                                                                                                      • Privat


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                                                                                                      Ich hatte mir eine Weile Forenabstinenz verordnet, damit das Fernweh nicht zu stark wird :-)
                                                                                                      Ja, ich denke schon, dass es dieses Jahr mal wieder einen Bericht geben wird. Ich werde mich noch ein letztes Mal an Lomsdal-Visten versuchen. Mal schauen ob das Wetter diesmal ein bisschen gnädiger ist. Am 6.8. gehts los.

                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                        Dauerbesucher
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                                                                                                        • 768
                                                                                                        • Privat


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                                                                                                        @evernorth: Vielen Dank! Auch in Island kann es einem ja passieren, dass ein Fluss unpassierbar ist … und dann war all die Planung vergebens. Oder auch nicht – manchmal muss man sorgfältig planen, um sich mit verschiedenen Optionen vertraut zu machen. Und ab da halte ich es mit Calvin Russell (Crossroads):

                                                                                                        „I've travelled many roads
                                                                                                        And not all of them were good
                                                                                                        The foolish ones taught more to me
                                                                                                        Than the wise ones ever could“


                                                                                                        Universal anwendbar, finde ich.

                                                                                                        @ChuckNorris: „Schluchten und Gipfel“ reloaded? Geil! Oder hast du eine neue Route im Sinn? Genauso geil! Lomsdal-Visten spukt mir immer mal wieder mit verschiedenen Ideen im Kopf herum, da bin ich natürlich sehr gespannt auf deine Tour. Aber erst mal drücke ich dir die Daumen für gutes Wetter.

                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                          Erfahren
                                                                                                          • 16.08.2015
                                                                                                          • 489
                                                                                                          • Privat


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                                                                                                          Herrlicher Bericht 'off the beaten track' - danke!

                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                            Erfahren
                                                                                                            • 03.08.2018
                                                                                                            • 177
                                                                                                            • Privat


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                                                                                                            Ja, größtenteils die Route die ich schon vor 2 Jahren gehen wollte. Diesmal starte ich aber in Trofors. Von da Grunnvasselva, dann Henriksdalen westlich vom Fluss hoch. Dann rüber zum Austerdalen, nur kurz runter schauen und über die Berge zur Saeterelva (immer noch der Endgegner) und dann nach Mosjoen. Bestimmt kommt es aber eh wieder ganz anders :-)

                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                              Fuchs
                                                                                                              • 02.09.2016
                                                                                                              • 1511
                                                                                                              • Privat


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                                                                                                              ChuckNorris und Lomsdal-Visten ... eine ganz besondere Beziehung.
                                                                                                              Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen
                                                                                                              (immer noch der Endgegner)
                                                                                                              Deine geplante Route hat durchaus Desaster-Potential... bin auf den 3. Akt gespannt. Freut mich übrigens, wenn mein Bericht aus dem vergleichsweise langweiligen Hammastunturi zu unterhalten vermochte.

                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                • 768
                                                                                                                • Privat


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                                                                                                                fhvdrais : Gern geschehen - freut mich, dass dir der Bericht gefallen hat


                                                                                                                ChuckNorris : Spannend! Ja, auf der Route gibt es genügend vertrackte Stellen, die ich ziemlich anspruchsvoll nennen würde ... also eigentlich eine nach der anderen, fast die ganze Strecke. God tur!

                                                                                                                Kommentar


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                                                                                                                  Erfahren
                                                                                                                  • 07.06.2015
                                                                                                                  • 154
                                                                                                                  • Privat


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                                                                                                                  Ich oute mich als seit Jahren stiller Leser deiner Berichte, der jedoch den zurückhaltenden, unaufgeregten Schreibstil sehr schätzt. Nicht zuletzt stammt die Inspiration, dieses Jahr zur Varangerhalbinsel zu reisen von deiner damaligen, ersten Tour.

                                                                                                                  Kannst Du noch etwas zu deinen Erfahrungen mit dem Packraft schreiben?
                                                                                                                  Ich habe mir vor 8 Jahren als Packrafting gerade etwas bekannter wurde im Packrafting Store ein WW-taugliches Nortik Trekraft mit Spritzdecke gekauft, was ich letztendlich dann doch viel zu wenig im WW und gar nicht erst auf Touren eingesetzt habe, weil es erheblich schwerer als das Alpha ist. Angeregt durch deinen Bericht finde ich die Kombination aus Wandern und Paddeln aber wieder ganz interessant.
                                                                                                                  Was für Paddel benutzt Du? Was ist das Gesamtgewicht aller Paddelsachen zusammen? Hast Du auch eine Schwimmweste dabei? Ich war was Schwimmwesten angeht eigentlich immer recht entspannt, bis mein Boot letzten Sommer auf einem See 800m vom Ufer auf einmal rapide an Luft verlor, weil sich der Kleber rund um den Luftstutzen gelöst hatte. Nicht gerade angenehm, aber abseits der Zivilisation sicherlich nochmal deutlich unangenehmer. Schützt du Deinen Rucksack irgendwie mit einem Drybag? Wie bindest Du ihn fest?
                                                                                                                  Verstehe es bitte nicht als Belehrung - bin ausdrücklich an subjektiven, persönlichen Risikoeinschätzungen interessiert!

                                                                                                                  Danke übrigens auch hier wieder für den schönen Bericht!

                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                    Dauerbesucher
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                                                                                                                    • 768
                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                    Gern geschehen! Freut mich natürlich auch, dass du den damaligen Bericht als Inspirationsquelle nutzen konntest. Zu deinen Fragen: Ich halte das Anfibio Alpha XC (1400g) immer noch für einen guten Kompromiss aus Robustheit und Gewicht. Wildwasser liegt mir nicht so, ich benutze es ausschließlich für Rucksacktouren mit mehr oder weniger ausgedehnten Paddelpassagen.

                                                                                                                    Als Paddel benutze ich, wenn es auf das Gewicht ankommt und das Wandern im Vordergrund steht, das Anfibio Fly (480g). Man muss halt wirklich aufpassen, dass man nicht versehentlich drauf tritt (siehe Lierne), ansonsten erfüllt es seinen Zweck. Stabiler ist das Basic 4P (1080g in 220cm), das ich z.B. am Rogen benutzt habe. Man kann schon deutlich kraftvoller damit paddeln, auch gegen den Wind, und sich auch mal von Steinen abstoßen.
                                                                                                                    Immer dabei ist der Blasesack (100g), der Packriemen (25g) und die Life Patches als Reparaturmaterial. Wenn das Gewicht keine große Rolle spielt kommt der Sitz mit (250g), ansonsten nehme ich den Kleiderbeutel als Sitz. Das Minimalgewicht sind also ca. 2020g, maximal knapp 2800g plus Schwimmweste.

                                                                                                                    Die aufblasbare Schwimmweste, Anfibio Buoy Boy (420g in L mit Schrittgurt), hatte ich am Blåmannsisen und am Rogen dabei, in Pasvik und in Lierne nicht. Wenn größere Seen wie der Rogen zu queren sind, gehört sie dazu, da ist mir das Risiko zu groß. Bei kleineren Seen oder wenn ich in Ufernähe bleiben konnte, habe ich meist darauf verzichtet. Kann aber sein, dass meine Risikobereitschaft jetzt weniger groß ist und ich sie öfter mitnehme. Im Rucksack sind die Kleider sowieso immer in wasserdichten Beuteln und Karten und Elektronik (letzteres ist bei mir nicht viel) in Ortlieb Dokumentenbeuteln. Einen extra Drybag für den ganzen Rucksack oder den ganzen Inhalt fand ich bis jetzt nicht nötig. Etwas nachlässig bin ich beim Schlafsack, den sollte ich wirklich besser schützen. Den Rucksack befestige ich mit dem Packriemen (der ist lang genug) an zwei Schlaufen vom Boot. Ist mir noch nie verrutscht.

                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                      Erfahren
                                                                                                                      • 07.06.2015
                                                                                                                      • 154
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                                                                                                                      Kommentar