[SE] Von einer, die auszog, von Abisko bis Kvikkjokk zu laufen
Tourentyp
Trekkingtour
Breitengrad
68.3556309
Längengrad
18.8004827
Kungsleden mit Umwegen von 9.-22.7.21
13 Tage allein mit Zelt unterwegs von Abisko bis Kvikkjokk: durchs Vistasvággi, am Nállu vorbei, Baden im Tjäktjajåkka, Sprint nach Vakkotavare, Pause in Saltoluokta, über Tjirák und Skierffe, viel Wind und vielen Nächten neben rauschenden Flüssen. Eine abenteuerliche Bootsfahrt mit Bush-Whacking und 6 Tage An-und Abreise inklusive.
Meine erste Wanderung, die weit mehr als 5 Tage gehen sollte und meine erste Wanderung, die ich allein gehen sollte. Eigentlich sollte es auch gar nicht nach Lappland, sondern nach England gehen. Auf den Pennine Way, um genau zu sein. Aber COVID-19 durchkreuzte meine Pläne auf verschiedenste Arten und so wurde es der Kungsleden in Lappland. Es war aber alles andere als eine Ersatz-Tour. Es war genau die richtige Tour. Abzweigung, bei der ich nur auf dem Rückweg vom Skierffe vorbeikomme Aber zurück zum Anfang.
Um kurz vor vier rollte der Zug von Abisko Östra zur Touriststation. Die Lautsprecherboxen knackten und die Zugbegleiterin kündigte an: „If you look to your left, you can see a swimming mouse”. Huch! Eine schwimmende Maus? Hatte Abisko eine neue Attraktion, seit ich das letzte Mal vor zwei Jahren hier war? Nein, auf die Schnelle hatte die Zugbegleiterin nur die Wörter «mouse» und «moose» vertauscht. In einem See gleich neben den Schienen schwamm eine Elchkuh. Was für ein Start! Die Reise hatte sich schon jetzt gelohnt. Vor drei Tagen war ich in der Schweiz in den Nachzug nach Hamburg gestiegen. (Auf Grund von Corona in ein teures Einzelabteil. Aber es hat sich gelohnt. So gut habe ich selten, also eigentlich nie im Nightjet geschlafen.) In Hamburg habe ich Tagsüber meine Patenkinder besucht und bin nachmittags Richtung Kiel und Fähre nach Göteborg aufgebrochen. Die Fähre: wow! Fährt sogar als bisher einziges Fährschiff mit Methan und ist dadurch umweltfreundlicher. Ich fahre super gerne Schiff und so war ich schon fast enttäuscht, als wir am nächsten Morgen bei strahlendem Sonnenschein in Göteborg einliefen. In Göteborg kaufte ich – wie sich leider an der Waage der Touriststation in Abisko dann herausstellt – viel, viel, viel zu viel zusätzliches Essen. Und sass den Rest des Tages im Schatten eines Baumes im Park Trädgårdsföreningen bevor ich am Abend in den geliebten Nachtzug nach Abisko stieg. Auf diesen Teil der Reise hatte ich mich besonders gefreut. Der krönende Abschluss war aber natürlich der schwimmende Elch.
Der riesige Tumult an der Touriststation anschliessend, schreckte mich allerdings doch etwas ab. Eigentlich wollte ich hier noch in Ruhe einen Kaffee trinken und mich zuhause ordentlich verabschieden, bevor ich keinen Empfang mehr haben würde. Der Abschied fiel mir dann schwerer als erwartet. Und den Rucksack zu wiegen bevor ich loslief, half auch nicht, mir den Anfang leichter zu machen: Etwas über 16kg. WTF happend? Ich dachte, ich hätte mich exakt an meine Liste gehalten. Bei der kam ich auf ein Total von etwas über 13kg. Nun 3kg mehr? Offensichtlich sollte ich die nächsten Tage keinen Hunger leiden. Dafür aber bezweifeln, ob ich überhaupt jemals in Kvikkjokk ankommen würde.Der Schwere Rucksack Gleich geht es wirklich los.
Zuletzt geändert von fahrenheit; 20.10.2021, 12:17.
Tag1: Abisko – Hinter der Nationalparkgrenze (Rengärde)
Die Freude endlich loszulaufen, mischte sich mit dem irgendwie traurigen Abschied daheim und einem viel zu schweren Rucksack. Aber die Sonne schien und es war ziemlich heiss. Auf solches Wetter war ich gar nicht eingestellt. Ich fluchte über mein vieles Essen und die vielen Kleider, die ich eingepackt hatte. (Spoiler: Das Essen war irgendwann aufgegessen und die Kleider waren auch nicht zu viel.) Ich jubelte über die Schönheit der Landschaft und den wunderbaren Fluss neben mir. Ein Glücksgefühl durchströmte mich und eine emotionale Achterbahnfahrt begann: Pures Glück hier wandern zu können, Traurigkeit dies allein zu tun und nicht teilen zu können, der schwere Rucksack und das Gefühl, dass ich mich wohl masslos selbst überschätzt hatte, wechselten sich im 10 Minuten Takt ab. Zusätzlich kam ich nicht so schnell voran wie gedacht. Mein Abendessen kochte ich unterwegs, immer noch im Nationalpark, den ich verlassen musste, bevor ich das Zelt aufstellen konnte. Ziemlich kaputt stellte ich erst gegen halb Zwölf in einem Schwarm Mücken mein Zelt auf. Fast direkt hinter der Nationalparkgrenze neben einem Rentierzaun. Zum Glück verschwand die Sonne bald hinter einem Hügel. Sonst wäre es viel zu heiss im Zelt gewesen. Für was hatte ich überhaupt einen Schlafsack eingepackt?
Die Waage da ist ganz schön unzuverlässig. Weiss jetzt nicht ob das genau die selbe ist, die frueher ein paar Schritte weiter vor dem Eingang hing, die war so auf ein Kilo genau, aber die da neben der Tuer dient anscheinend nur zur groben Orientierung. Und bitte weiterschreiben!
Weiter geht's mir einem nur ungefähr sich zu schwer anfühlenden Rucksack.
Tag 2: Hinter den Nationalparkgrenze –Bajip Čazajávri
Am nächsten Morgen wurde ich von einer gleissenden Sonne geweckt. Nichts wie raus aus dem Zelt! So hatte ich mir das mit den Vorteilen, der Nicht-untergehenden-Sonne nicht vorgestellt. Aber immerhin, es war immer so hell, ich musste keine Angst haben. In keiner der kommenden Nächte. Und das will etwas heissen! Für eine kleine Zelt-Schisserin wie mich. (Vielleicht bin ich eben gar keine Zelt-Schisserin, sondern eine Dunkel-Schisserin.) Beim Weitergehen stellte ich fest, dass ich hier bei Weitem nicht nur neben zwei Zelten genächtigt hatte. Ich lief bis zur Hängebrücke über den Fluss wohl an 30 Zelten vorbei. Ach du meine Güte! Ich fragte mich, in was ich hier hineingeraten war. Ich hatte mich zwar für den Kungsleden entschieden, weil ich bei meiner ersten Solo-Tour nicht komplett Abseits laufen wollte, aber so hatte ich mir das nun auch nicht vorgestellt. Zum Glück schien 8:30 nicht die Uhrzeit zu sein, zu der die meisten schon «up and about» waren. (Nur die Mücken waren schon wach.) Und so nahm ich den Anstieg hinter der Brücke weitestgehend allein in Angriff. Gut, dass ich heute morgen zu faul war mir noch Kaffee zu kochen. Das plante ich am nächstmöglichen schönen mückenfreien Ort, der nicht lange auf sich warten liess. Allerdings bedeutete das auch, dass das Gross der Leute aufholte und eine recht laute Männergruppe, meinen Pausenplatz so schön fand, dass sie sich direkt neben mir niederliessen. Schade, ist doch in Lappland eigentlich genug Platz, um nicht aufeinander sitzen zu müssen.
Da ich mich die ersten Tage leider sowieso etwas getrieben fühlte, als hätte ich noch Termine und müsste dringend irgendwo hin, hielt ich die Pause kurz und lief weiter. Aber wow! So schöne Ausblicke. Am Gårdenvárri vorbei mit Blick auf die Seen und Täler und den Godugalciären. Wunderschön. Irgendwann entdecke ich auf der anderen Seite einen Gletscher und glaube, dass es der Storsteinsfjellet war. Hallo! Ich freute mich einen Bekannten von vor zwei Jahren zu sehen.
Die Sonne brannte auf mich herunter und ich stellte mir die Frage, ob ich wirklich das Wetter so vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Hatte ich etwa zu wenig Sonnencreme dabei? Sehr froh war ich, dass ich in einem Reisebericht gelesen hatte, dass es an heissen Tagen auf der zweiten Etappe (als grosse Ausnahme!) knapp um Wasser bestellt war. Zum Glück hatte ich mir meine beiden Flaschen aufgefüllt. Meine Mittagspause machte ich im Schatten eines kleinen Felsens und war froh um das bisschen Schatten, dass er spendete. Bald danach kamen mir zwei Männer entgegen, die sich nach Wasser erkundigten. Ein wirklich heisser Tag. Um drei pausierte ich noch einmal an einem schönen Fleckchen Erde mit schöner Aussicht, denn inzwischen war mir klar, dass ich sehr gerne das Boot um 15:30, mit dem die letzten sieben Kilometer zur Alesjaurestugorna abgekürzt werden können nehmen wollte. Zuerst rechnete ich an meinem kleinen Pausenplatz aber aus, um wieviel mein Rucksack wohl schon leichter geworden war. In meinem Tour-Tagebuch steht dazu: «1x Müsli, 2x Müsliriegel, 4x Polarbröd mit Mildost, 1x Chilligryte ca. 450g? Ich merke nichts.» An der Bootsstation traf ich das ersten Mal Johanna, Lisa und Lina und Patrick. Nicht zum letzten Mal, wie sich später herausstellte. Die Bootsfahrt über den See war schön. Habe ich schon erwähnt, dass ich gerne Boot fahre? Der Mann, der das Boot fuhr, erklärte auf der recht langen Bootsfahrt viele spannende Dinge. So schien mir. Ich verstand leider nur Bruchstücke, da er schwedisch sprach. Wir waren 9 Frauen auf seinem Boot: 7 Schwedinnen, eine Amerikanerin und ich. Da war verständlich, dass er nicht unbedingt alles auf englisch sagen mochte.
Beim Hüttenwart der Alesjaurestugorna erkundigtee ich mich, ob es irgendetwas gäbe, dass ich über den «Umweg» über das Vistasvággi am Nállu vorbei nach Sälka wissen sollte. Er sagte, wenn ich die Zeit habe, den Umweg zu machen, sollte ich es auf alle Fälle tun. Da ich tagsüber immer wieder ein bisschen an mir und meinem Vorhaben so weit alleine zu wandern gezweifelt hatte, zweifelte ich nun auch, ob ich wirklich vom Kungsleden abbiegen sollte. Als ich über die wunderschöne Hängebrücke bei der Alesjaurestugorna weiter ging und vor dem Wegweiser stehen blieb: Rechts dem Kungsleden entlang über den Tjäkjapass oder links Richtung Vistasvággi, nahm ich all meinen Mut zusammen, sagte mir, dass dieser Umweg doch das ist, worauf ich mich bei meiner Planung am meisten gefreut hatte und bog – zum Glück! – links ab.
Einige Zeit später steige ich frisch gebadet aus meinem kleinen See, den ich ganz für mich habe und bin sehr, sehr glücklich! Meine zweite Nacht und langsam macht sich das Gefühl breit, dass ich genau da bin, wo ich sein soll. Selbst das Essen mit Erbsen schmeckt superlecker. Der einzige Haken: es ist zu heiss im Zelt. Hoffentlich findet die Sonne bald etwas, hinter dem sie verschwinden kann. Der Wasserfall gegenüber rauscht mich in den Schlaf. In der Nacht frischt der Wind auf, bringt Wolken und dreht. (Nicht zum letzten Mal auf dieser Wanderung.) Sodass ich das Zelt neu abspannen muss. Zum Glück! Denn am gegenüberliegenden Ufer zieht eine ganze Herde Rentiere vorbei. Schade, dass ich so verdammt müde bin und mich trotz des überwältigenden Anblicks bald wieder ins Zelt verkrieche. Auf den Bildern, die ich nachts gemacht habe, kann ich am nächsten Morgen leider nichts erkennen. Aber ich weiss, dass sie da waren.
Die Freude, dich ich beim Aufstehen empfand, wurde leider durch die Tatsache getrübt, dass mich nun die nächsten Tage meine Menstruation begleiten würde. So nervig! Heute war dafür endlich Wanderwetter! Der Himmel war bedeckt, Wind wehte und die Temperatur war merklich gesunken. Wunderbar! Es ging den Seen entlang und Wasser rauschte mal von hier und dann von dort, bevor es steil nach unten zu einer Hängebrücke ging. Kurz zuvor sah ich ein Zelt und den einzigen Wanderer für heute. Endlich allein. Ein bisschen unheimlich war es mir auch. Aber insgesamt war ich sehr zufrieden mit der Situation. Und das Vistastal erfüllte meine hohen Erwartungen komplett. Entlang des Flusses, den ich auf der Brücke heute morgen überquert hatte, schlängelte es sich – von immer höher werdenden Bergen umgeben – Flussabwärts. Es leuchtete trotz des bedeckten Himmels alles grün und saftig und mein Mantra des Tages wurde: Hier möchte ich Elch sein! Elche schien es hier viele zu geben. Zumindest ihre Hinterlassenschaften sah ich ungefähr alle zwei Meter. Mir ist das ein bisschen unheimlich und so sang und redete und klatsche ich den ganzen Tag, weil das Gelände zwischen kleinen Hügelchen und Birken recht unübersichtlich war und ich nicht plötzlich erschrocken vor einem erschrockenen Elch stehen wollte. Man weiss ja nie. Gesehen habe ich so aber natürlich auch keine Elche. Die Hüttenwartin würde heute der einzige Mensch zum Reden bleiben. Sie war dafür ausgesprochen nett und wir unterhielten uns etwas in der Hütte, weil die Mücken draussen zu unerträglich geworden waren, um rumzustehen und sich zu unterhalten. (Ich fragte mich und sie ob es schlau ist nach Aktse bzw. Kvikkjokk zu gehen. Dort soll es generell schlimm sein mit den Mücken und dieses Jahr gäbe es anscheinend besonders viele Mücken. Aber wo sollte ich sonst hin? Für etwas anders reichte weder meine Zeit, noch meine Erfahrung.) Auf meine Frage, ob meine Krachmacherei heute grosser Quatsch gewesen sei, sagte sie, dass Elche eigentlich nur gefährlich würden, wenn sie zum Beispiel in eine Ortschaft geraten und nicht wissen, wohin sie rennen können. Oder eben wenn man zwischen eine Elchkuh und ihr Kalb geriet. Diese beiden hätte sie gestern beobachtet. Ausserdem sei das ja auch für Bären ganz nützlich, auch wenn sie von denen schon länger nichts mehr gesehen hätte…
Für die Nacht war Regen angesagt und ich hatte etwas Bammel, weil ich das Zelt nur geliehen hatte (wenn ich es auch ein paarmal bei Regen im Garten getestet hatte) und ihm noch nicht 100% vertraute, wie es sich in Wind und Regen halten würde. Ich baute es auf der anderen Seite vom Fluss auf und zu meiner Überraschung fand die Hüttenwartin, wenn ich die Küche nicht benützte, müsse ich nichts zahlen für den Platz. Auch nicht für die Benutzung der Toiletten. Es sei ja schliesslich besser ich würde hier als anderswo.
Zum Abendessen gab es den Rest Polarbröd. Wegen der menstruationsbedingten Unterleibsschmerzen konnte ich mich nicht überwinden mehr zu essen.
Ganz nebenbei und für alle Interessierten ohne zu sehr ins Detail zu gehen : das mit dem Mooncup war also eine ganz bescheuerte Idee von mir!
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Zuletzt geändert von fahrenheit; 27.09.2021, 20:53.
Ganz nebenbei und für alle Interessierten ohne zu sehr ins Detail zu gehen : das mit dem Mooncup war also eine ganz bescheuerte Idee von mir!
Hm, bei den Frauen meiner Familie steht es auch 3:1 für "Contra"... (und die 1 ist die, die eher nicht mit auf Trekkingtouren geht)
Übrigens: in deinem letzten Teil sind die Bilder nicht zu sehen! Bei anderen Benutzern hat sich in solchen Fällen herausgestellt, dass man am besten den Beitrag neu erstellt und/oder die Bilder neu hochlädt. Sind ja hier nicht so viele.
Erstmal vielen Dank für den Reisebericht bis hierhin und die anschaulichen Beschreibungen.
Das mit der nicht untergehenden Sonne würde mich zwar auch mal reizen - schlicht weil man das einmal im Leben erlebt haben will - aber wenn du sogar davon schreibst, dass es dann abends zu warm im Zelt ist würde mich das abschrecken. Wie muss ich mir das mit den Temperaturen vorstellen nachts, wenn da auch die Sonne scheint? Ist es dann "nachts" genauso warm wie tagsüber? Oder geht die Sonne so weit unter, dass es merklich abkühlt? Und halten sich dann überhaupt alle an den vorgegeben Rythmus oder kann es dir auch passieren, dass Leute nachts lärmend vor ihren Zelten sitzen und tagsüber laufen?
Beim Weitergehen stellte ich fest, dass ich hier bei Weitem nicht nur neben zwei Zelten genächtigt hatte. Ich lief bis zur Hängebrücke über den Fluss wohl an 30 Zelten vorbei.
Gute Güte , da weiß ich wieder warum ich nicht zur Hauptreisezeit in der Nähe von Fernwanderwegen laufen will. Für mich war es dieses Jahr ja schon ungewohnt, dass ich das eine mal ein Zelt hinter einer Hügelkette wusste. Aber schön dass du im Anschluss einen weniger vollen Weg gefunden hast, das zeichnet für mich die Natur auch ein Stück weit aus, mal nichts zu hören als Wind und Wasser.
Das mit dem Essenskauf haben wir übrigens wahrscheinlich alle durch, ich bin bei meinen letzten Urlauben dazu übergegangen vorher alles zu planen und zu kaufen und vor Ort dann strikt zu bleiben. Freilich nur wenn man vorher einschätzen kann wieviel man essen will. Das eine mal hab ich am Ende 1kg wieder mitgebracht, das war suboptimal ;).
Ljungdalen : Danke, für's Bescheidsagen, wegen der Bilder. Und für die Statistik.
Freedom33333: Zur Temperatur würde ich sagen, sie wird nachts merklich kühler, aber ein Zelt auf das Sonne scheint, ohne das es darin warm wird, möchte ich mal sehn. Bei mir war das aber tatsächlich nur an zwei sehr heissen Tagen (knapp 30° tagsüber) problematisch, weil ich auch das Mückennetz zumachen musste. Ansonten finde ich immer hell sehr vorteilhaft. Weil du eben so lange laufen oder früh aufstehn kannst, wie du willst. Ich muss keine Angst im Dunkeln haben. Und Stress einen Zeltplatz vor Einbruch der Dunkelheit zu finden, fällt auch weg.
Zum Rhythmus der Menschen: ich glaube das ist sehr verschieden. Die Menschen, in deren Nähe ich geschlafen habe (wenn es sich nicht vermeiden lies), waren alle vom Wandern müde und sind zeitig ins Bett.
1kg wieder mit nachhause gebracht?! Ohje. Da hatte ich es ja noch richtig gut.
ich bin auch dabei und begleite dich auf deiner Wanderung. Was für ein Glück, dass du den "Umweg" über das Visttasvággi gewählt hast. Es ist einfach wunderschön.
Wir haben vor ein paar Jahren, kurz vor der Vistasstugan einen kapitalen Elchbullen gesehen und obwohl ich sonst in der Beziehung nicht besonders ängstlich bin, hab ich da auch nur ganz schnell zwei Fotos gemacht und dann nichts wie weiter. Danach hab ich mich etwas geärgert darüber.
Am nächsten Tag auf dem Weg nach Nallo haben wir dann tatsächlich noch einen Elch gesehen.
Im Hochsommer im Zelt kann es echt fies werden. Drinnen ist es viel zu heiß und draußen fressen dich die Mücken auf. Wenn dann morgens um 5 oder 6 Uhr die Sonne aufs Zelt knallt, dann kannst du nur aufstehen, oder wenn es die Mücken zu lassen, dich noch mal zum Weiterschlafen nach draußen begeben. Im Zelt sitzt man dann in Unterwäsche und hofft, dass nicht gerade jemand vorbei kommt.
Nachst hat die Sonne aber so wenig Kraft, dass es doch deutlich abkühlt und man wenigstens ein paar Stunden schlafen kann.
andrea2 Oh wow!!! Das war sicher sehr eindrücklich. Wobei ich mir wahrscheinlich sehr in die Hosen geschissen hätte. Also ein Elch will ich auch nochmal sehn (nicht nur aus dem vorbeifahrenden Zug). Aber wenn ich's mir aussuchen dürfte, gerne ein bisschen weiter weg.
Gut, dass du noch deinen Bericht drangehängt hast, da kann ich mich gleich noch ein bisschen inspirieren lassen und in Erinnerungen schwelgen gleichzeitig.
4. Tag: Vistas – Reaiddájávri: Hoch hinaus und Wasser marsch!
Ich schlief so dermassen gut. Ich und Schlafen im Zelt, das war bis zu diesem Urlaub eigentlich immer mehr so ein notwendiges Übel. Aber vielleicht war es einfach der Umstand, dass es nicht dunkel wurde. Oder das Rauschen der verschiedenen Flüsse neben denen ich schlief. Um 4 Uhr begann es zu regnen, aber nicht so schlimm und bis ich aufstand, war das Zelt schon fast trocken und ich freute mich auf den heutigen Tag. (Wenn nur meine Schultern, Füsse und Hüften bald aufhörten weh zu tun. Ich musste noch mehr von meinem schweren Lakritz-Vorrat essen…)
Gleich zu Beginn stiegt der Weg stetig an und ich musste mich immer wieder umdrehen und den Blick zurück nach Vistas geniessen. Vor mir war das Tal Richtung Nállu allerdings auch nicht an Schönheit zu übertreffen. Mal warfen die Wolken kontrastreiche Schatten auf die Bergflanken, mal wurden verschiedene Stellen dramatisch beleuchtet. Farn bildete zu meiner Rechten einen kleinen Wald, giftgrüne Algen (oder Moos?) wuchsen im Flusslauf und sahen sehr unecht, aber toll aus. Über allem thronte die kantige Spitze des Nállu.
Heute gab es auch wieder Menschen. Keine Ahnung, wo die herkamen. Vor mir lief eine Frau und zwei Dänen überholten mich, als ich auf einem schönen Pausenstein einen Müsliriegel ass. (Also ich weiss gar nicht, ob sie Dänen waren, ich hab das einfach für mich beschlossen.)
Und dann passierte etwas blödes, weil Menschen eben Herdentiere sind. Der Weg war nur noch schwer zu erkennen, weil sich alles in ein Steinfeld verwandelt hatte, in dem die keinen Steinhäufchen schwer zu sehen sind. Verlaufen konnte man sich hier aber nicht. Vor mir kam eine Flussquerung, ich sah, wie die Dänen und drei weitere Männer den Fluss von oben wieder nach unten liefen und sich dann für eine Stelle entschieden. Die Frau war anscheinend schon rüber. Ich stiess dazu. Es war ein rauschender Gebirgsbach/Fluss. (Bis wann ist es ein Bach? Und ab wann ein Fluss? Egal.) Ich hatte ziemlich Respekt vor dieser Querung und beobachtete genau, wie und wo die anderen querten und war froh an dieser Stelle nicht allein drüber zu müssen. Einen so hohen Fluss hatte ich noch nicht gequert. Das Wasser ging bis zu den Knien und riss ziemlich. Alle Flüsse, die ich bis dato ohne Brücke queren musste, reichten mir höchstens bis über die Knöchel und in diesem Urlaub bisher konnte ich alle Flüsschen steine-springend, trockenen-fusses queren. Es half nichts, dass auch die zwei Dänen und drei Schweden etwas aufgeregt waren. Einer verlor seinen Stock, der davon schwamm, sich aber glücklicherweise an Steinen verhakte und noch gerettet werden konnte. Es half auch nichts, dass ich meinen ursprünglichen Plan vergass: Und zwar hatte ich keine Wechselschuhe dabei, sondern ein paar wasserdichte Socken, die ich nach einer Flussquerung in die nassen Schuhe anziehen wollte, bis diese trocken waren. Nun sass ich da und beobachtete die Männer und hatte ziemlich Respekt vor dem kalten Wasser – ich weiss auch nicht mehr, was genau ich mir überlegt habe – auf jeden Fall zog ich die wasserdichten Socken schon an, um den Fluss zu queren. Und wow! Der riss an mir. Nachdem ich aus Unerfahrenheit den ersten Schritt zu gross gemacht hatte und es mir beinahe das Bein nach hinten weggerissen hätte, tastete ich mich in kleinen Schritten und der Drei-Punkt-Methode langsam unter Hilfestellung und Beobachtung der anderen ans andere Ufer. Drüben angekommen trocknete ich nun - meinen Fehler bemerkend - meine Füsse ab und wrang meine Schuhe so gut es ging aus. Trockene Füsse ade! Und kalt war es auch noch. Die beiden Dänen bauten ganz motiviert einen Steinhaufen, um die Flussquerung zu markieren.
Als ich mich auf die Suche nach dem weiteren Weg zur Nallostugan machte (nicht das ich ohne Weg verloren gewesen wäre, aber meistens ist der Weg ja auch die leichteste Route über Steine), fand ich etwa 50 Meter weiter unten die sehr gute und markierte(!) Flussquerung, die ich wahrscheinlich trockenen Fusses hätte meistern können, da sich der Fluss hier in drei wesentlich kleinere Arme spaltete… Merke: niemals sicher sein, dass die Menschen vor mir, wirklich die beste Stelle zum Queren gefunden haben!
Die Watstelle vor der Hütte anschliessend war zwar sehr lang, aber durch ziemlich flaches Wasser, sodass ich einfach nur in meinen durchnässten wasserdichten Socken durch den Fluss ging, weil ich fand, dass meine Schuhe schon etwas trockener geworden waren. An der Nallostugan angekommen, kochte ich mir etwas Warmes zu trinken, stellte meine Schuhe in den Wind und kokelte aus Versehen mein Sitzkissen an, als ich es als Windschutz für den Kocher benutzte. Ich cremte meine Füsse zum wiederholten Mal mit Hirschtalg ein. Aber barfuss sein, während ich sonst schon alles, was ich zum Anziehen dabeihatte, anhatte half natürlich nicht gegen kalte Füsse. Der Hüttenwart schüttelte über die gesammelte Dummheit der Flussquerer:innen den Kopf. (Er tat das allerdings sehr höfflich, er war ja Schwede.) Das Paar, das auf dem Weg nach Vistas war, wurde gewarnt beim Fluss nicht dem grössten Steinhaufen zu folgen, sondern dem schlausten. ;)
Ausserdem empfahl er für den Weg nach Sälka einen alternativen Weg ohne viele Flussquerungen und erklärte extra ausführlich an welcher Stelle die drei Schweden, die kurz vor mir liefen und ich den nächsten grösseren Fluss zu queren hatten. (Die Dänen wollten zur Unna Räitastugan und liessen Teile ihres Gepäcks beim Hüttenwart. Zwei Frauen waren von dort gekommen, sahen ziemlich gebeutelt aus und konnten den Weg nicht wirklich empfehlen. Wenn ich das richtig verstanden habe, kamen sie vom Gaskkasvággi und fluchten viel über Geröll und Schneefelder.)
So. Das war das Flussquerungsabenteuer. Abgesehen von dieser Aufregung, die nicht mal nötig gewesen wäre, kann ich den «Umweg» vom Kungsleden wärmstens empfehlen. Über das Vistastal habe ich ja schon geschwärmt, der Aufstieg zur Nallostugan ist ebenfalls wunderbar und die Nallostugan liegt einfach ganz fantastisch in diesem sehr besonderen Tal.
Aber, der Tag war ja noch gar nicht zu Ende! Ich querte noch ein paar Flüsschen und kleine ungefährliche Schneefelder, warf einen letzten Blick zurück ins grüne Vistastal und bog um die Kurve ins Stuor Reaiddávággi. Die extra mit Metalstangen markierte Flussquerung vorm See, stellte kein grösseres Hindernis mehr dar und so schlug ich bald an einer steinfreien Stelle am Seeufer mein Zelt auf. Ich überlegte, ob es eine schlaue Idee ist, hier so recht ungeschützt in diesem starken Wind das Zelt aufzustellen, aber die Faulheit und das Bedürfnis nach Schlafsack und Wärmflasche gewann. Und die Aussicht lohnte sich allemal. Ein toller Tag! Mantra des Tages: «Wie kann es nur so schön sein?!» Und sind wir ehrlich: so kleine Abenteuer, machen im Nachhinein ja auch Spass.
Die Metalstangen diesseits und jenseits sind auf dem Bild nicht sonderlich gut zu erkennen. Vor Ort sind sie nicht zu verfehlen. Der Fluss wird dann in einem Halbbogen gequert. OT: Ich habe das Gefühl mein iPhone SE hat früher bessere Bilder gemacht. Die Tiefenschärfe ist jetzt praktisch gegen Null. Kann das sein oder bilde ich mir das ein? Meine Epfehlung ist sowie so, sich das alles mit eigenen Augen anzuschauen. ;)
Auch ich möchte mich hier mal als einer outen, der sehr vergnügt mitliest!
Toller Debutbericht!
In Anbetracht der Steinmauer vor dem Zelt frage ich mich schon, ob du vor der Tour ein paar Blahake-Berichte gelesen hast....
Bin gespannt auf den Rest!
Zwei Frauen ... fluchten viel über Geröll und Schneefelder.
Hm, das verstehe ich nicht. Über viel Geröll fluche ich auch, aber sie meisten Schneefelder sind super (vor allem, wenn man auf ihnen Geröll umgehen kann).
Auch ich möchte mich hier mal als einer outen, der sehr vergnügt mitliest!
Toller Debutbericht!
In Anbetracht der Steinmauer vor dem Zelt frage ich mich schon, ob du vor der Tour ein paar Blahake-Berichte gelesen hast....
Bin gespannt auf den Rest!
Ja, ja, die Steinmauer - Blüten haben wohl schon Samen geworfen. Schein ein regelrechter Wettbewerb zu sein, so nach dem Motto. Eine Steinmauer kommt selten allein.
Auf jeden Fall ein schön geschriebener Bericht, bei dem ich gerne dabei bin und gespannt mitlese.
Bin froh, dass es noch eine Weile weitergeht. Ist ja noch ein gutes Stück bis Kvikkjokk.
My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou
Liebe Leute, danke für eure schönen Rückmeldungen!
Die Steinmauer ist einfach so passiert. Die Heringe mussten beschwert werden und plötzlich stand da ein kleines Mäuerchen. Wohl eine Mischung aus der Erkenntnis, dass ich bei starkem Wind nicht irgendwo ungeschützt das Zelt aufstellen sollte und dem hilflosen Versuch daran etwas zu ändern. Immerhin die Socken konnte ich dort gut "einmauern". Und die Steine waren schön ordentlich weggeräumt. (Zuhause bin ich nicht so ordentlich. )
Nun aber weiter, denn ja: es ist noch ein gutes Stückchen bis Kvikkjokk.
Tag 5: Reaiddájávri – Singi
Guten Morgen Sonnenschein! Sehr willkommen nach einer sehr windigen und kalten Nacht. Heute sollte ich also zurück zum Kungsleden. Ich hatte mich endlich an die Einsamkeit und das allein Wandern gewöhnt und dann das. Zurück zu den Massen. Na toll. Und noch dazu glaubte ich, jetzt schon alles gesehen zu haben, das ich sehen wollte. Ich war also nicht sonderlich motiviert ins Tal zu steigen. (Spoiler: Ich habe natürlich noch lange nicht alles gesehen.)
Nach dem See bald rechts, war die Anweisung des Hüttenwarts gestern gewesen. Da sei dann ein kleiner Pfad zu erkennen. Einen kleinen Pfad konnte ich nicht finden, aber trotzdem eine gute Stelle, um den Fluss zu queren. Auch auf der anderen Seite konnte ich – entgegen meiner Hoffnung – keinen Weg im Geröll erkennen. Naja egal. Der Weg ist klar: Immer das Tal nach unten. Und so hüpfte ich von Stein zu Stein über ewig lange Geröllfelder. Seltsamerweise hatte ich daran irgendwie meinen Spass. Vielleicht auch, weil mir inzwischen egal war, wo der Weg war. Es schienen überall gleich viele Steine zu liegen. Hüpf hüpf.
Auf der gegenüberliegenden Flussseite – die für mich inzwischen unerreichbar geworden war – sah ich einen Mann, der die drei Flüsse (oder mehr?), die es dort zu queren galt, ohne grosse Schwierigkeiten durchschritt. Gut, der hatte vielleicht gut eingefettete Schuhe. Aber es schein mir doch etwas leichter voranzugehen auf der anderen Seite. Nuja. Ich machte mir dafür meinen eigenen Weg. Das fand ich auch gut. Und dann war ich auch schon bei der Sälkastugorna. Puh! Viele Leute. Ich musste das erste Mal etwas einkaufen: Mittagessen, also Knäckebrot. Mein Plan war gar nie für so lange Zeit Proviant mitzunehmen, nun lief ich ja schon den fünften Tag. Dafür hatte ich bisher sehr abwechslungsreiche Mahlzeiten, das sollte sich gegen Ende der Tour ändern.
Heute war ein sehr durchzogener An-Auszieh-Tag. Immer wieder Schauer. Sobald diese aufhörten wieder Mücken und zu warm für die Regenjacke. Aber schön sah es trotzdem aus. So ganz anders als die Tage davor. Nur alles mit viel mehr Menschen, die vor und hinter mir liefen. (Die hab ich nur einfach nicht fotografiert…)
Ich war etwas genervt, dass hatte wahrscheinlich mehrere Ursachen. An erster Stelle stand natürlich der Wechsel vom allein laufen zum allein in einer Menschenmenge laufen. Wie hier im Forum gerne gesagt wird: wenn man das Wandern in den Alpen gewohnt ist, kann man auch auf dem Kungsleden wandern. Da ist was dran. Aber nach den schönen ruhigen Tagen, nervte es mich heute. (Und zugegeben: ich bin auch in den Alpen manchmal genervt.) An zweiter Stelle steht der Weg. Durch die vielen Leute ist der Weg oft so ausgetreten, dass die Füsse eigentlich nie gerade aufgesetzt werden können. Die Erde zwischen den vielen oft spitzen Steinen fehlt. Eine Zeitlang kann man dabei wie auf einem Blockfeld von Stein zu Stein hüpfen. Aber es ist eben kein Blockfeld, sondern eigentlich ein Weg. Und so hatte ich daran keinen Spass. Und wünschte mich aufs Blockfeld zurück. (Da weiss man wenigstens was man hat.) Oder natürlich noch besser: auf den schönen Pfad im Vistastal. Drittens lernte ich, dass ich auf Wanderungen kein grosser Fan von Knäckebrot werde. Damit es irgendeine Wirkung haben könnte, müsste ich mehr davon essen, aber das ewig lange Geknusper nervte mich. Das sollte also die letzte Packung Knäckebrot der Wanderung sein, die galt es aber zuerst aufzubrauchen.
In Singi angekommen, gab es dort eine unglaubliche Menschen- und damit auch Mückendichte. Trotz sehr viel Wind. Ich fand das sehr bemerkenswert. (Also: Mücken trotz starkem Wind, nicht Menschen trotz Wind.) Da es erst Nachmittag war, fragte ich bei der Hüttenwartin und ihrem Mann nach, ob gute Plätze zum Zelten kämen, wenn ich weiter ging und ob es mit den Mücken irgendwo nachlassen würde. Zeltplätze und Mücken überall, lautete die Antwort. Aber für heute sei ein Sturm angesagt, dass sollte ich bedenken. In meinem müden, genervten Zustand konnte ich mir also die Frage nicht verkneifen, ob sie ein Bett für mich frei hätten. (Anmerkung: wegen COVID-19 musste eigentlich immer im Voraus reserviert werden.) Sie hätten ein Zimmer wegen des Sturms zurückbehalten und bisher sei ich die Einzige. Und so kam ich zu meinem ersten Bett. Nachdem ich zirka 50 Mücken erschlagen und die Mückennetze an den Fenstern mit meinem Tape repariert hatte, konnte ich nun gemütlich in der Küche sitzen. Das war auch mal gut. Ein deutsch-indisches Paar schwedischer Postdoktoranden gesellte sich wegen der Mücken draussen zu mir in die Küche und teste den Feueralarm mit angebranntem Couscous. Ich legte meine Menschenfeindlichkeit ab und stellte fest, dass sich unterhalten ja auch sehr nett sein kann. Überraschung. Kurz darauf zogen noch drei junge Frauen in das andere Zimmerchen, das an die Küche grenzte, weil ihr Zelt im Wind zusammengefaltet wurde. (Wir kannten uns schon flüchtig von der Bootsfahrt über den Alesjaure.) Als allerdings um acht der Sturm vorbei war (!) und es draussen fast windstill wurde, hatte ich mich schon so – im Bett liegend und Hobbit lesend – an meinen Luxus gewöhnt, dass ich nicht mehr bereute heute Nacht in der Hütte zu schlafen. Ausserdem gab es hier das schönste Klo am Kungsleden. (Ein bisschen aber vermisste ich mein Zelt.)
Zuletzt geändert von fahrenheit; 01.10.2021, 14:58.
Am nächsten Morgen brach ich frühzeitig auf. Auch wenn die meisten Menschen, die ich gestern gesehen hatte, heute Richtung Kebnekaise gehen würden, wollte ich doch den Massen entfliehen.
Nach anfänglich dramatischem Himmel wurde heute wieder ein sonnig heisser Tag auf dem Kungsleden. Pausen mussten gut mit den Menschen vor und hinter mir koordiniert werden. Nicht nachdem überholen einer Person gleich Pause machen. Nicht die Pause aufhören, wenn gerade eine Person näherkommt. Wo und wann aufs Klo? Logistik auf dem Kungsleden.
Es lief sich einfach so dahin neben dem schönen Tjäktjajåkka. Bis sich die Landschaft vor Kaitumjaure änderte.
An der Kaitumjaurestugorna angekommen, traf ich auch wieder Johanna, Lina, Lisa und Patrick (vom 2. Tag), die mir dringend den Weg zum Fluss empfahlen. Ich hatte das Schild, das vom Weg abzweigte und eine Badestelle ankündigte, gesehen und mich gefragt ob sich der extra Weg wohl lohnen würde. Ihre begeisterte Beschreibung der kleinen Lagune im Fluss überzeugte mich restlos. Und so liess ich alles stehn und liegen und ging die angegeben 360m (?) zum Fluss. Wow! Es war schlicht fantastisch! Das Wasser in der schön türkis-blauen Farbe schoss in wilden Stromschnellen den Berg herunter, aber an einem kleinen Privatstrand gab es eine strömungsfreie «Badewanne» mit «Treppe» zum Einsteigen. Sehr empfehlenswert. (Auch mal wieder dringend nötig. Und sowieso war es hier noch dazu erstaunlich Mücken frei.)
Und nun beging ich den einzigen wirklichen Fehler meiner Tour. Ich ging, obwohl ich noch mehr als genug Tage für den Rest der Wanderung nach Kvikkjokk übrighatte, an diesem Mittag noch weiter. Weil: ich kann doch nicht mittags schon aufhören… Hätte ich eben doch gekonnt. Und es wäre sicher sehr schön gewesen bei Kaitumjaure noch mehr Zeit zu verbringen und vielleicht auch noch auf den Sánarčohokka zu steigen. Oder einfach nochmal zu baden. Ich muss das Verweilen an schönen Orten noch üben.
Also ging es weiter. Durch ein schönes kleines Wäldchen. Über eine weitere Hängebrücke, über einen fast noch schöneren Fluss. Durch einen Rentierzaun. Alles sah – mal wieder – erfrischend anders aus.
Dann war ich auf schon dem Hochplateau, das auf der Karte mit Muorki beschriftet ist. Ich fühlte mich wie zuhause: am Horizont thronten die Alpen. Waren das Eiger, Mönch und Jungfrau? Ich vermute Sarektjåhkkå (?). Aber sicher bin ich mir da nicht.
Jetzt folgte der unschöne Teil des Tages. Es ging einfach gerade aus. Die Sonne knallte auf mich herunter und stehen bleiben kam wegen der unglaublich vielen Mücken auf dem Hochplateau nicht in Frage. Ein Hungerast tauchte dann auch noch auf (blödes Knäckebrot!), sodass ich im Gehen die ganze Packung getrocknete Mango (noch aus Göteborg) und zwei Traubenzucker wegmampfte. Das half. Und bald ging es auch schon merklich bergab. Oh, ein Wasserfall! Und: Oh! Direkt daneben ein sehr exponierter Zeltplatz, auf dem ich schief, mit Stein im Rücken schlafen konnte: Gekauft! Und dann das erste Mal einen Wecker gestellt, um am nächsten Morgen das Boot über den See nicht zu verpassen.
Ich wachte noch vor dem Wecker auf. Zum Glück. Ich hasse Wecker. Und machte mich ohne Frühstück und Kaffee auf den Weg: Erstens sah es so aus, als könnte es gleich regnen und ich wollte das Zelt trocken einpacken und zweitens wusste ich nicht genau, wie lange ich nach unten bräuchte und wollte nicht das Boot verpassen. Natürlich war ich zu früh unten am See, aber das war nicht dramatisch. So konnte ich mir noch etwas zu Essen im Shop kaufen (u.a. Kekse, die noch eine Rolle spielen werden), mir einen Kaffee am «Strand» kochen und alle Anwesenden (auch wieder die Schweden: Johanna, Lina, Lisa und Patrick) fragen ob ihnen evtl. die Unterhose, die ich am Strand gefunden hatte, in der Nacht weggeweht sei. Das stellte sich als ziemlich unterhaltsam heraus. Aber ich beschloss nicht weiter einen Creep zuspielen, der Menschen zu ihrer Unterhosen-Vorliebe befragt.
Es war ziemlich viel Wind auf dem See und die Hüttenwartin, überliess das Boot fahren ihrem Mann. Wir zogen die Rettungswesten auf einem stark schwankenden Steg an und waren alle sehr aufgeregt. Es wurde uns aber versichert, dass alles «perfectly safe» sei. Aber wegen des Windes und damit das Boot nicht so tief im Wasser lag, brachte der Hüttenwart nur höchstens drei Leute auf einmal über den See. Lina wird später den Kaffe als den best aussehendsten Kaffee der Welt bezeichnen, sogar mit Schaum.
(Der Trick ist Instant-Cappuccino statt Kaffee. Schmeckt eingermassen annehmbar finde ich und ersparrt mir auch noch Milchpulver mitzunehmen, das ich nur für den Kaffee brauche.)
Auf der anderen Seite ass ich zuerst noch meine letzte Portion selbstgemischtes Müsli und machte mich dann auf den Weg nach oben. Heute ging es durch den Stora Sjöfallets Nationalpark. Der inzwischen einsetzende Regen, konnte nichts daran ändern, dass es hier ziemlich schön war. Zuerst durch einen lichten Birkenwald hoch, hoch, hoch und dann oben Blick auf die umliegenden teils schneebedeckten Berge, deren Gipfel immer wieder von dramatischen Wolkenformationen verdeckt wurden. Beim Aufstieg wünschte ich mir meine Jacke hätte Pit Zips, denn es war ziemlich heiss. Aber nass sein wollte ich auch nicht. Zum Glück bin ich keine grosse Schwitzerin und werde mit Regenjacke (auch ohne Belüftungsoptionen unter den Armen) nicht genauso nass wie im Regen. Aber besonders angenehm war es auch nicht. Auf die Regenhose verzichtete ich beim Aufstieg allerdings. Der Wind pustete bei einer kurzen Regenpause die Hose im Nu wieder trocken. Oben angekommen, zog ich beim nächsten Regenschauer nun doch die Regenhose an. So warm war es ohne Aufstieg dann doch nicht. Ein Weg, der geradeaus markiert war, aber ein Schild das rechts zur Brücke zeigte, irritierte mich ein wenig. Auf meiner Karte sah ich dann, dass es zur Brücke ein kleiner Umweg war. Da ich aber dachte, die Schweden bauen sicher nicht grundlos eine Brücke, folgte ich dem Schild. Auf der Brücke stellte ich fest, dass ich die Brücke nicht wirklich gebraucht hätte. Aber das kommt wohl auf die Jahreszeit und den Wasserstand des Flüsschens an. Meine Pause machte ich, als ich mich plötzlich vollkommen von einer Wolke eingehüllt fand. Ich mag Nebel! (Und Schokolade!) Da rufen mich immer die Unterirdischen.
Der Regen hörte irgendwann auf, die Landschaft wurde dafür etwas feuchter. Und die Mücken kamen wieder hervor. Stehen bleiben wurde schwieriger. Meine wohlverdiente Kaffeepause fiel daher leider flach. Ein Blick auf die Karte verriet mir ausserdem, dass ich schon viel näher an Vakkotavare war, als ich vermutet hatte und dass ich es tatsächlich schaffen könnte den Bus noch heute nach Saltoluokta zu nehmen. Ich hatte mal wieder Angst vor Sturm in der Nacht und hatte die grosse Hoffnung in Saltoluokta heute noch ein Zimmer zu bekommen. Ich weiss auch nicht. Es überkam mich einfach. Ausserdem wusste ich, dass es in Saltoluokta Empfang geben würde und ich freute mich drauf mich zuhause zu melden. (Suchtkrüppel…) Es war also beschlossene Sache, ich marschierte im Sauseschritt los (und hatte schon wieder vergessen, dass zu schnell vorankommen auch nicht gut ist, wenn die Rückfahrt schon gebucht ist). 10 min vor der Abfahrtszeit des Busses stand ich auf der Strasse in Vakkotavare. Vakkotavare ist also schon ein kleiner Schock. Eine Hochspannungsleitung, Mülleimer, eine Strasse. Ganz vergessen, wie hässlich es in der Zivilisation ist. (Hier gibt es anscheinend auch schon Empfang, habe ich später erfahren, aus Gewohnheit probierte ich das aber gar nicht aus.) Und auch vor einem Sturm hätte ich mich im gut geschützten Birkenwald von Vakkotavare nicht fürchten müssen. Aber die Entscheidung war gefällt. (Besonders heimelig fand ich es dort sowieso irgendwie nicht. Das lag aber vielleicht an der Stimmung.)
Um die Kurve fuhr ein Kleinbus mit Anhänger. Es rumpelte, klepperte und schleifte. Der Bus hielt 100 m entfernt an. Zwei aufgeregte Menschen stiegen aus und hängten den abgefallenen Anhänger wieder an den Bus. An der Haltestelle machte jemand den Witz: «Hopefully this isn’t our bus». Alle lachten. Dann hielt der Bus vor uns an, die Tür ging auf und uns wurde mitgeteilt: «Sorry we’re already full. But we will come back in 40 minutes». Dem Anschlussbus würden sie bescheid sagen, damit dieser auf uns warten würde. Der junge Engländer, der kurz zuvor völlig ausser Atem auf die Strasse und die Bushaltestelle zu gestolpert war, brach in eine Fluch-Tirade aus, als der Bus davonfuhr… … war ich froh wieder in der Zivilisation zu sein. Ich wusch meine total vermatschte Regenhose und ein paar andere Kleider im Fluss und ass ein bisschen was. Allein auf einem Stein sitzend. Die Stimmung in Vakkotavare war seltsam. Alle tigerten auf und ab, humpelten durch die Gegend oder sassen sehr erschöpf aussehend auf den Bänken vor der Hütte.
40 Minuten später kam der Bus tatsächlich zurück. Die Rucksäcke und Wanderstöcke wurden ordentlich im Anhänger verstaut. Im Bus brach bei einigen Jubel aus: es gab USB-Steckdosen. Hatten die alle ihre Kabel immer griffbereit in der Hosentasche? Meins zumindest war irgendwo in meinem Rucksack, aber so dringend war es mir gar nicht. (Ich wusste ja auch nicht, dass es schon Empfang gab…) Der Busfahrer fuhr im wahrsten Sinne des Wortes wie eine gesengte Sau über die rumplige, mit Schlaglöchern übersähte Strasse, während seine Partnerin die Reiseführerin spielte. Nette schwedische Volksmusik wurde angeschaltet. Dann krachte es und der Bus legte eine Vollbremsung hin. Der junge gestresste Engländer gegenüber von mir sah aus, als würde er sein letztes Gebet sprechen. Der Anhänger hatte sich wieder gelöst. Die Rucksäcke wurden irgendwie auch noch in den vollen Bus gepackt, der Anhänger, der erst seit gestern in Betrieb sei und als «wie neu» vom Verkäufer angepriesen worden sei, wurde neben der Strasse stehen gelassen. Wir kamen heil in Vietas an, wo tatsächlich ein luxuriöser grosser Reisebus bereitstand. Als wir jedoch gerade den ersten Rucksack unten einladen wollten, schloss dieser die Klappe und fuhr los. Die Partnerin unseres Busfahrers rannte zum Glück hinterher und der Bus hielt wieder an. So kamen wir dann doch noch nach Kebnats. Am Steg angekommen teilte uns das Schiff mit, dass es bereits voll sei, aber in 40 Minuten wieder zurückkomme…
Lange Rede kurzer Sinn: ich bewege mich doch lieber ganz ohne Fahrplan auf meinen zwei Beinen voran, das scheint mir viel weniger aufregend zu sein.
In Saltoluokta war natürlich schon alles ausgebucht. Und da ich feststellte, dass ich 3-4 Tage zu früh in Kvikkjokk ankommen würde, wenn ich so weiterlief, stellte ich mein Zelt in den windgeschützten Wald und nahm ich mir ein Zimmer für die nächste Nacht. Und so blieb ich eine Nacht im Zelt und eine Nacht in einem sehr gemütlichen Bett in Saltoluokta.
Im Laufe des Tages sprach mich irgendwann der junge Engländer an, ob ich auch nach Kvikkjokk laufen würde und ob ich Lust hätte mit ihm zusammen zu gehen. Ich erklärte ihm aber, dass ich gerade sehr genoss allein und unabhängig zu sein. Er schien leider nicht ganz so angetan vom allein Wandern und fühlte sich in Gesellschaft wohler.
Den zweiten Tag in Saltoluokta verbrachte ich hauptsächlich lesend und war froh um den Ruhetag. Mein Bauch grummelte einigermassen und beim Blick auf die Kekse, die ich in Teusajaure gekauft hatte, stellte ich fest, dass sie das Haltbarkeitsdatum schon längstens überschritten hatten. (Ich hätte nicht gedacht, dass Kekse schlecht werden, aber offensichtlich war das der Grund für meinen Bauchtumult, der am nächsten Tag zum Glück wieder gut war.)
Sieht auf dem Bild mal wieder aus, als wäre kein Mensch da gewesen. War aber ziemlich voll dort. Die letzten anderthalb Tage auf dem Kungsleden waren aber ganz angenehm wieder sehr menschreduziert.
Um die Kurve fuhr ein Kleinbus mit Anhänger. Es rumpelte, klepperte und schleifte. Der Bus hielt 100 m entfernt an. Zwei aufgeregte Menschen stiegen aus und hängten den abgefallenen Anhänger wieder an den Bus. ... Der Anhänger hatte sich wieder gelöst. Die Rucksäcke wurden irgendwie auch noch in den vollen Bus gepackt, der Anhänger, der erst seit gestern in Betrieb sei und als «wie neu» vom Verkäufer angepriesen worden sei, wurde neben der Strasse stehen gelassen. ... Wir kamen heil in Vietas an, wo tatsächlich ein luxuriöser grosser Reisebus bereitstand.
Hm, interessant. Probleme mit diesen Anhängern scheint es ja öfter mal zu geben. Ende August 2020 (am 30.) wurde der auch gar nicht erst mitgenommen (Vietas Richtung Ritsem), weil kaputt, und alle Rucksäcke mussten mit in den Bus. Und jetzt Mitte Juli 2021 fuhr also immer noch der kleine Bus. Ende August nicht mehr, da kam der große bis Ritsem; irgendwann dazwischen wurde also die Straße soweit wieder fertiggestellt (seit zwei(?) Jahren davor wegen Erdrutschfolgen(?) nur eingeschränkt befahrbar).
Und hier ist noch eine, die sich freut, dass du uns an deiner Reise teilhaben läßt und vor allem, dass du den Schlenker über Vistas gemacht hast. Ich kann von Bildern aus diesem Tal nicht genug bekommen. Als ich Anfang September 2012 hier durchkam, war richtiges Sch...wetter und trotzdem hat mich dieses Tal fasziniert .
Gespannt verfolge ich deinen weiteren Weg, der mir bis Kvikkjokk ebenso bekannt ist, und genieße deinen Schreibstil (herrlich deine Schilderung aus Vakkotavare und von der Busfahrt . Freue mich auf mehr.
Ljungdalen Ach?! Einen Monat später fuhr der grosse nach Ritsem? Das ist ja in der Tat spannend. (Ich hoffe die beiden mit dem kleinen Bus, haben nicht aufgegeben! Das klang irgendwie nach einer privaten Investition in den Anhänger.)
oesine63 Schön, dass du dabei bist! Und ja: ich bin auch sehr froh, dass ich den Umweg gemacht habe.
Tag 9: Saltoluokta – Bergseen Als ich mich gerade in Saltoluokta aus dem Staub machen wollte und noch schnell einen Mülleimer benutzte um meinen Müll loszuwerden, traf ich Johanna, Lina, Lisa und Patrick wieder. Über diese vier freute ich mich eigentlich immer. Sie sagten, dass sie in fünf Minuten auch losgehen würden und ob ich nicht mitkommen wolle. Da konnte ich nun wirklich nicht nein sagen. Ich erklärte aber, dass ich zu viel Zeit übrig hätte, und sehr wahrscheinlich heute schon irgendwo auf dem Weg nach Sitojaure das Zelt aufstellen wolle. Zu meiner Überraschung wurde die Gruppe noch durch einen jungen Schweden, und dem jungen Engländer (den ich schon öfter erwähnt habe) erweitert (beide auch sehr nett) und los ging mein Gruppenabenteuer. Das hätte ich mir ja auch nicht erträumt.
Der Weg führt von Saltoluokta steil nach oben und schnell gab es eine schöne Aussicht. Da ich mal wieder ohne Kaffee zu trinken aufgebrochen war, machten wir nach einer halben Stunde unsere erste Fika. Zur Überraschung aller packte Liam (der junge Engländer) einen Apfel aus und wir waren alle sehr neidisch auf dieses knackige, gesunde Frisch. Anscheinend hatte es Äpfel im Shop in Saltoluokta gegeben, aber niemand ausser Liam hatte sie entdeckt. Was hätte ich für einen Apfel gegeben!
In der Gruppe laufen ist also schon etwas ganz anderes, es wird viel gelacht und geredet, tendenziell lief ich entweder zu langsam oder zu schnell, aber immer nicht in meinem Tempo. Es war sehr lustig und kurzweilig, aber ich merkte, dass ich weniger von der Landschaft mitbekam. So war ich gleichzeitig ein bisschen traurig und heil froh, als ich mich am Nachmittag von der Gruppe verabschiedete, um mir einen Zeltplatz in der Nähe der Bergseen zu suchen. (Immerhin hatte ich heute nachträglich noch ein paar spannende Details aus den Erklärungen des Bootsführers am Alesjaure übersetzt bekommen.)
Die Landschaft hier gefiel mir übrigens auch sehr gut. Wie konnte ich nur glauben, nachdem ich in Vistas und Nallo war, dass alles danach langweilig werden würde? Zur Feier des Tages (welche Feier? Egal. Einfach so.) öffnete ich meine von Zuhause mitgeschleppte Dose Thunfisch und freute mich sehr darüber. (Vielleicht erklärt sich langsam, warum mein Rucksack zu schwer war. ). Das hatte sich also gelohnt. Weniger hat sich gelohnt: Blå Band Couscous… das hatte schon letztes Mal zum kotzen geschmeckt, ich erinnerte mich jetzt wieder. Ich schaffte es nur die halbe Packung zu essen. Es war – wie eigentlich immer – ziemlich windig, aber das war ich ja nun schon gewohnt. Ich beschloss am nächsten Tag auf den Tjirák zu steigen, um zu vermeiden, dass ich aus Versehen das frühe Boot über den Sitojaure nahm. Ich musste ja schliesslich Zeit schinden.
Tag 10: Bergseen, Tjirak – Bergseen zwischen Bossoajvve und Doaresoajvve
Nach meinem unleckeren Frühstück, die Reste von gestern mussten schliesslich weg, machte ich mich daran mir einen Weg nach oben zu suchen. Der Aufstieg auf den Tjirak dauerte nicht lange, schliesslich ist er nicht sonderlich hoch. Endlich wieder allein. Endlich wieder meinen eigenen Weg gehen. So schön es gestern war, als ich so vollkommen für mich die wunderbare Aussicht vom Tjirák genoss durchströmt mich ein unglaubliches Glücksgefühl.
Zu allem Überfluss fand ich auch noch ein Rentiergeweih, das ich beschloss mitzunehmen. (Die Worte: «Bring bloss kein Geweih heim.» Ignorierte ich geflissentlich.)
Vom kleinen Gipfel des Tjirak 981 Richtung 1007 weiterzugehen lohnt sich. Ich habe dort auch einen umgefallenen "hier-gibt-es-Aussicht-Steinhaufen" wieder aufgebaut.
Nachdem ich wieder unten war, packte ich gemütlichst mein Zelt zusammen und machte mich auf den Weg nach Sitojaure. Ich wusste schon, dass ich viel zu früh ankommen werde, bevor um 17 Uhr das Boot fahren würde. Aber ich hatte die Hoffnung auf geräucherten Fisch, den es dort geben sollte. Und ein bisschen am See sitzen, dachte ich, wäre sicher auch nicht verkehrt. (Spoiler: Der Titel des heutigen Tages verrät ja schon. Irgendwas an meinem guten Zeit-Vertrödel-Genuss-Plan ging schief.)
Als ich am Warteplatz für Bootsfahrer:innen am Sitojaure ankam und mir gerade die Karte, was es alles zu kaufen gibt anschaute, kam schon direkt die Frau, die für den Bootstransfer zuständig ist auf mich zu. Ob ich über den See wolle? Ja, aber erst später, weil ich noch gerne Fisch essen würde. Sie habe leider keinen Fisch, würde dafür aber in 5 Minuten jemanden mit einer extra Fahrt vom anderen Ufer abholen. Sie stellte sich als sehr überzeugende Person heraus. Anscheinend fuhr sie nicht gerne leer über den See. Und so sass ich unmittelbar nachdem ich ankam, schon wieder im Boot. Es war wie immer eine schöne Bootsfahrt. Der See ist sehr flach und die Kapitänin legte einige spektakuläre Kurven hin, um für mich unsichtbaren Hindernissen auszuweichen. Zu allem Übel, erklärte sie mir auch noch einen Short-Cut zum Skierffe. So viel zu meinem Plan, etwas langsamer voran zu kommen…
Und schon ging es wieder bergauf. Der Sitojaure von oben von der anderen Seite war auch schön und der Tjirak, auf dem ich heute morgen stand, sah auch ganz prächtig von hier aus aus. Dann sah ich auf der linken Seite den Rentierzaun und wusste, dass ich hier rechts abbiegen musste, wenn ich die Abkürzung nehmen wollte. Weglos über Geröllfelder, das war ja mein neues Hobby.
Kurze Zeit nach diesem Bild, wäre ich fast über ein Schneehuhn gestoplert. Glaube ich. Wir haben uns beide erschreckt.
Nachdem ich über eine kleine Kuppe gegangen war, konnte ich die beiden Seen schon sehen. Aber auch, dass es drumherum ziemlich sumpfig war. Ich bahnte mir einen Weg zum ersten kleinen See, an dem nicht wirklich eine gute Möglichkeit das Zelt aufzustellen bestand. Als ich jedoch über eine weitere kleine Kuppe ging und zum zweiten See kam, standen dort schon ziemlich viel Zelte. (Ich hatte wohl nicht als einzige den Tipp bekommen.) Da hatte ich keine Lust darauf, mich noch dazu zu stellen. Also ging ich wieder zurück und stellte mein Zelt sehr exponiert und etwas schief in den Wind. Den Skierffe hob ich mir für morgen früh auf. Schliesslich hatte ich für heute – an meinem Bummeltag – auch schon ungeplante 20km zurückgelegt.
Tag 11: Bergseen - Skieffe - Aktse Nach einer wie leider erwartet stürmischen Nacht, mit wenig Schlaf, versuchte ich mal wieder früh aufzubrechen, um dem grossen Trubel zu entgehen und machte mich auf den Weg zum Skierffe. Um 11:00 Uhr, also nicht allzufrüh, stand ich auf dem Skierffe und kann mein Glück nicht glauben. Was für eine Aussicht!!! Eine Aussicht, die drei Ausrufezeichen verdient hat. Dass es so etwas gibt: so viele Farben und Formen die ineinanderfliessen. Ganz wunderbar. Und die Bilder tragen dem, was von dort oben gesehen werden kann, gar keine Rechnung. Das Rapadalen von oben muss jede:r einfach für sich selbst von oben anschauen. Das kann ich nur empfehlen! Ich verstehe jetzt, warum es «das Tal der Täler» genannt wird. Wunder, wunderschön. Allen die irgendwann auf ihrem Weg nach Aktse denken, diese 7 km hin und zurück spare ich mir lieber, sei gesagt: es sind 14 km, die sich sowas von lohnen. Ich verweilte ein bisschen dort oben, die einzigen drei, die mit mir auf dem Skierffe stehen, steigen nach 15 Minuten dort oben wieder mit den Wort ab: « I could stay the whole day here» Ich kochte mir einen Instant-Matcha-Tee mal wieder zu irgendeiner Feier des Tages und versuchte mich noch erfolglos satt zu sehen, bevor ich mich auf den Weg nach Aktse machte.
Der Weg vom Skierffe nach Aktse… ich war also froh, dass ich den nicht hin und zurück gehen musste. Er glich stellenweise eher Matschfestspielen als einem begehbaren Pfad. Dafür begann am Wegesrand eine sehr üppige und schöne Vegetation. Viele verschiedene Pflanzen und Blumen, die ich bisher eher weniger oder wenn dann höchstens vereinzelt gesehen hatte. Das letzte Stück zur Hütte führte dann durch einen ziemlich steilen Wald. Und ich war noch froher, dass ich nicht nach Aktse und dann wieder zurück zum Skierffe laufen musste, wie das einige tun. (Auch wenn ich immer noch der Meinung bin, dass es sich absolut lohnt, aber wer das Zelt dabeihat, kann es sich wesentlich einfacher machen. Auch kurz vor dem letzten Aufstieg auf den Skierffe habe ich einige Zelte stehen sehen. Auf dem kleinen Plateau auf ca 1050 Metern. Nur so als Tipp. Ich kann aber leider nichts darüber sagen, wie schief es dort ist.)
In Akste war so einiges los. Wie ich von – mal wieder! – einer sehr netten Hüttenwartin erfuhr, treffen hier verschiedene Wege aufeinander. Viel spannender war allerdings das Gespräch über die Pfanzen, die hier in Hülle und Fülle wachsen. Und obwohl ich auf dem Weg nach Akste immerwieder hörte wie schrecklich die Mücken dort sein sollten, fand ich es dort gar nicht so schlimm. Einzig in der kleinen Freiluft-Dusche war das Verhältnis von Wasser zu Mücken ungefähr 1:1. (Theoretisch kann man dort – wie mir die Hüttenwartin stolz erklärte – auch Wasser erwärmen und von einem Eimer in den Duschkopf umleiten. Aber gemütlich duschen wäre, ja wegen der Mücken sowieso nicht gegangen.) Achach, einmal mehr bedauerte ich aber, dass alle Saunen wegen COVID geschlossen waren.
Obwohl in Akste so viel los war und ich das erste Mal neben vielen anderen Zelten mein Zelt platzieren musste, fand ich es dort sehr angenehm. Die Wiese mit den vielen Wildblumen war sehr hoch und bot dadurch kleine abgeschirmte Parzellen für die einzelnen Zelte.
Zuletzt geändert von fahrenheit; 07.10.2021, 12:25.
(Auch wenn ich immer noch der Meinung bin, dass es sich absolut lohnt, aber wer das Zelt dabeihat, kann es sich wesentlich einfacher machen. Auch kurz vor dem letzten Aufstieg auf den Skierffe habe ich einige Zelte stehen sehen. Auf dem kleinen Plateau auf ca 1050 Metern. Nur so als Tipp. Ich kann aber leider nichts darüber sagen, wie schief es dort ist.)
Ich kann mich nur anschließen: Auf jeden Fall den Umweg machen. Wie das auf dem Plateau bei 1050m mit Zelten aussieht, weiß ich nicht, aber ein paar Meter Richtung ~Westen und knapp 100m tiefer kann man sehr gut zelten.
Danke dir für die schöne Beschreibung. Nächstes Jahr wieder...
Herzlichen Dank für Deinen wunderbar bebilderten Bericht. Ähnlich habe ich auch manches bei meinen ersten Touren rund um den Kungsleden erlebt. Schön, so etwas wieder zu lesen.
[In Norwegen konnte man sowohl im letzten Jahr als wohl auch dieses Jahr an den unbewirtschafteten Hütten (die vorauszubuchen waren) die Sauna nutzen.]
Wie das auf dem Plateau bei 1050m mit Zelten aussieht, weiß ich nicht, aber ein paar Meter Richtung ~Westen und knapp 100m tiefer kann man sehr gut zelten.
Oder oberhalb von Aktse an der Baumgrenze, entweder vom Kungsleden ein paar Schritte nach Osten, oder am Weg zum Skierffe mit grossartiger Aussicht. Gibt nicht so viele Wasserstellen da, aber mit bisschen Suchen geht es.
...allein. Endlich wieder meinen eigenen Weg gehen. So schön es gestern war, als ich so vollkommen für mich die wunderbare Aussicht vom Tjirák genoss durchströmt mich ein unglaubliches Glücksgefühl.
Yepp, das ist immer wieder so wunderschön am Solowandern und niemandem zu vermitteln, der das nicht selbst erlebt hat, oder? Aber Vorsicht: macht extrem süchtig! Aber ich finde es gut, wenn Du dieser Sucht verfällst, denn dann können wir in Zukunft bestimmt noch viele so schöne Berichte von Dir lesen.
LG Blahake (die mit den Windschutzmauern)
Liebe Leute, danke für eure netten Kommentare. Und pardon, für die längere Pause. Endlich geht es weiter.
Tag 12: Aktse – kurz vor der Pårtestugan
Obwohl ich am nächsten Morgen schon um 20 vor sieben wach wurde und damit zum Glück mal wieder den Wecker überlistet hatte, war ich eine der Letzten am Bootssteg. Der war schon proppevoll. Alle mussten hier über den See und nach Kvikkjokk zum Bus. Achdujemine. Da war das erste Boot schon weg.
Acht Leute nahm die Bootsführerin jeweils mit und ich hatte Glück, dass im zweiten Boot noch genau für eine Person Platz war. Juhu! Es war – wie immer – viel Wind und es wurden einige Menschen auf unserer kleinen Nussschale so richtig nass. Ich verpasste ausversehen die schöne Aussicht, die es vom See Richtung Rapadalen geben soll, weil mein Sitznachbar mich in ein Gespräch verwickelte. («Where are you from?» «Germany.» «Oh! Deutschland. Ick sprekke ein bicken deutsch.» Er war die letzten Tage im Sarek unterwegs und hatte wohl einige Flüsse zu queren, die höher waren als erwartet. Nun war er ziemlich kaputt und freute sich auf zuhause.) Auch ich plante einen kurzen Tag und wollte in der Nähe der Jåge-Schutzhüte übernachten. Aber wie immer kam alles anders. Zuerst aber hiess es mal wieder bergauf marschieren. Um so höher ich kam umso stärker wurde der Wind. Es war wirklich nicht mehr angenehm. Teilweise beim Gehen über kleinere Geröllfelder, wartete ich, bis der Wind etwas nachliess und hoffte dann, dass mich keine Böe traf, während ich auf dem Feld war. Denn hier einen Ausweichschritt, damit mich der Wind nicht umpustete zu machen und den Knöchel zu verstauchen, schien mir ein nicht zu unterschätzendes Risiko zu sein. Ich beeilte mich dennoch, so gut es ging, über die Hochebene um wieder in den Windschatten des Waldes zu kommen. Somit schlug ich mein Zelt an der drittletzten Brücke vor der Pårtestugan auf. Der Wald war knallevoll mit Zelten, aber ich schaffte es mal wieder mir eine ruhige Ecke auszusuchen und hatte den Fluss für mich. Ich muss sagen, diese Etappe von Laiture nach Richtung Pårte war die langweiligste für mich. Beim Auf- und Abstieg hauptsächlich Wald und oben auf der Hochebene sah es aus wie in der Schweiz, nur ohne Kühe, Sessellift und Stadt unten im Tal, dafür mit mehr Birken und Blaubeeren. Aber landschaftlich sehr ähnlich. (Also nicht dass es in der Schweiz nicht schön wäre… Nachdem die letzten Tage ein Highlight das nächste gejagt hatte, waren wohl meine Ansprüche gestiegen.)
Während ich morgens «Haul in you anker, it’s time to go home” sang, kippte ich meine volle Kaffeetasse um. Zum Glück erwischte es nur das selbstgebaute Groundsheet aus Malerfolie (das mir übrigens sehr wertvolle Dienste erwiesen hat! Kein einziges Mal hatte ich Kondenswasser morgens im Zelt!). Das hätte ich nun wirklich nicht gebrauchen können. Ein Malheur am letzten Tag. Schlafsack in Kaffee aufgeweicht, das wäre ja keine gute Geschichte. Obwohl… wer weiss. Aber ich bin froh, dass ich es nicht ausprobiert habe.
Irgendwie freute ich mich heute anzukommen. Und irgendwie wollte ich nicht, dass die Wanderung heute zu Ende ging. Ich hatte nun endlich die nötige Fitness und einen Rucksack, der genau das richtige Gewicht hatte und hatte das Gefühl, ich könnte gut noch einmal doppelt so weit laufen. An das Alleinsein hatte ich mich auch gewöhnt und es sogar sehr zu schätzen gelernt. Aber nun gut. Übermorgen fuhr der Bus. Und irgendwie war ich natürlich auch sehr stolz auf mich, dass ich es tatsächlich geschafft hatte. Während der Planungsphase hatte ich (wie sich herausstellte berechtigterweise) Sorge, ich wäre zu schnell in Kvikkjokk. Beim Loslaufen in Abisko allerdings hatte ich das Gefühl, ich würde es überhaupt gar nicht bis nach Kvikkjokk schaffen. Heute sollte es also so weit sein. Zuerst jedoch wollte ich mir noch die Pårtehütte anschauen und das dortige Klo benutzen. Die Pårtehütte liegt sehr idyllisch auf einer kleinen Halbinsel und ich fand es fast ein bisschen schade, dass ich nicht dort übernachtet hatte. Bei der Hütte trug sich mal wieder eine seltsame Geschichte zu (die ich natürlich niemandem vorenthalten will): alle Toiletten waren besetzt, also wartete ich. Als eine Frau rauskam, hielt sie mir freundlicherweise die Tür auf. Ich hob also den Holzdeckel vom Loch und stellte fest, dass das Loch noch zusätzlich mit einem Styropordeckel abgedeckt war. Aber was war das??! Hatte die Frau vor mir etwa gepinkelt, ohne den zweiten Deckel zu entfernen!? Warum in aller Welt?! Wie kann denn das passieren?! In den beiden Griffrillen des Styropordeckels schwamm gelbe Flüssigkeit und ein Stückchen Klopapier! Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich die junge Frau nicht zurückgepfiffen habe, ihren Saustall selbst sauber zu machen. Ich war wohl einfach auf Grund so viel Dummheit überrumpelt. Stattdessen spielte ich mal wieder Trail-Mami und wischte alles mit Desinfektionsmittel nach dem Ausleeren ab. Meine Güte! Anschliessend wusste ich nicht, ob ich mich nun mehr über mich oder die Frau ärgern sollte.
Während ich noch schimpfend/lachend/kopfschüttelnd davoneilte, stolperte ich beinahe über einen keinen Vogel, der mitten auf dem Weg sass. Ich versuchte ihn verbal zu überreden dort nicht weiter zu sitzen und hoffte, dass ihn irgendein Elternteil bald von dort wegbegleitete. Deshalb liess ich ihn dort sitzen. Die Natur wird das wohl auf irgendeine Art und Weise geregelt haben. (Falls nicht die seltsame Frau vom Klo das Schicksal des Vogels kreuzte. Vielleicht hat sie ihn aufgegessen. Wer weiss das schon…)
Der Weg heute führte durch sehr schöne alte Wälder, die aussehen als würden hinter jedem Stein, Trolle oder Rumpelwichte wohnen. Es regnete oder mückte abwechselnd. Ich sah Moltebeeren und Fliegenpilze und mal wieder unglaublich grünen Farn.
Die letzten Kilometer vor Abisko zogen sich unglaublich, wie immer, wenn das Gefühl «gleich bin ich da» zu früh einsetzt. Die Ankunft in Kvikkjokk war dann leider noch ernüchternder, als die in Vakkotavare: Als erstes musste ich an einem riesigen Parkplatz vorbeilaufen. Aber dann stand da:
Välkommen till Kvikkjokk Fjällstation! Und ich hatte es offiziell geschafft. Zur Feier des Tages (heute mal mit Grund) setzte ich mich an den Fluss, der hier drei Kilometer lang (wenn ich mich recht erinnere) über Stromschnellen nach unten stürzt und ass eine Packung Lakritz (aus dem Shop) und später im Zelt mein letztes Kick, das ich mir für diesen Anlass extra aufgehoben hatte. Belohnung muss schliesslich sein. Das war also meine erste grosse Solo-Wanderung.
(Ich fragte mich schon in Kvikkjokk, wo ich als nächstes hinwill. Und hoffe es folgt nochmal so eine tolle Wanderung wie diese.)
Da ich nun noch einen Tag Zeit hatte, bis mein Bus nach Murjek fuhr und Kvikkjokk zwar eine schöne alte Holzkirche, aber sonst wenig zu bieten hatte, überlegte sich mein schlauer Kopf, dass etwas ohne Füsse vielleicht auch mal gut wäre und so fragte ich an der Rezeption nach den schlüprigen Feisen, äää... ausleihbaren Kanus. Und ob das für mich als ungeübte Bootsfahrerin machbar sei. Ja, das sei kein Problem und ich bekam noch einen Tipp, für eine Route um ein schönes Naturschutzgebiet herum, dazu. Und los ging es: es war mal wieder einigermassen windig und ich bezweifelte zuerst, ob ich überhaupt eine Chance hätte gegen den Wind anzukommen. Irgendwie ging es dann. (Spoiler: oder auch nicht) Und ich machte mich auf den Weg flussaufwärts. Es war wunderschön die Welt auch mal vom Kanu aus anzuschauen.
Um in den Kanal um das Naturschutzgebiet herum abzubiegen zu können, musste ich kurz aussteigen und das Boot über eine kleine Sandbank schieben. Ich fühlte mich wie eine echte Abenteurerin. (Spoiler: das Gefühl trügt) Im windgeschützten Kanal dümpelte ich in meinem Kanu so vor mich hin, träumte schon davon vielleicht mal eine mehrtägige Kanutour zu machen und musste sogar mein Moskitonetz aufsetzten, so windstill war es.
Dann bog ich um eine Kurve und merkte, dass der Wind ausserhalb meines kleinen geschützten Kanals ordentlich zugelegt hatte. Der Wind wehte genau in Richtung der Strömung und ich musste nun stromaufwärts. Vor mir tauchte der Fluss auf, der mir an dieser Stelle unglaublich breit vorkam. Ich taste mich mit meinem kleinen Kanu vorsichtig aus meinem Kanal auf den Fluss vor. Ich hatte keine Chance die Spitze meines Kanus auch nur gegen den Strom auszurichten. Der Wind/die Strömung oder die Kombination aus beidem drehten mich ungeübte Paddlerin und mein leichtes Bötchen sofort um. Kleine Wellen, durch den Wind aufgepeitscht, trafen mein Boot nun seitlich und mein Ziel änderte sich von: gegen den Fluss zur Anlegestelle paddeln, zu: einfach nur auf die andere Seite des Flusses kommen, ohne zu sterben. (Das ist jetzt vielleicht etwas zugespitzt… aber ich hatte schon einigermassen Muffensausen.) Ich paddelte also was das Zeug hielt, um auf die andere Seite (Osten) des Flusses zu kommen. Und wurde flussabwärts in der Mitte des Flusses auf die rechte Seite (Westen) einer Sandbank getrieben. Mein Ziel war aber das linke Ufer. Also stieg ich aus. Zog bis zu den Knöcheln im Sand einsinkend das schwere Kanu auf die andere Seite der Sandbank. Stieg wieder ein und schaffte es auf die andere Seite. Die leider eine etwas höhere Böschung hatte, sodass ich mich dort an einer kleinen Birke festklammerte. Ich knotete das Boot gut an und stieg aus. Nun bemerkte ich, dass ich mir wohl beim Schleifen des Bootes über die Sandbank die Blutzufuhr in die Finger abgeklemmt hatte, da diese blau und gefühllos waren. Adrenalin macht komische Sachen… Zum Glück gab es hier Empfang und ich rief in der Rezeption an, um mitzuteilen, dass ich es nicht zurückschaffen würde und das Boot wohl oder übel hierlassen müsste. «Ok. The main thing is that you’re safe. How will you get back?” “I guess I have to walk.” “Ok. Could you bring the paddle and the swimming west with you?” Erst nach dem Auflegen und einem Blick in die Umgebung stellte ich fest, was mit der Frage, wie ich zurückkommen würde, gemeint war. Ich stand in einer zugewucherten Wildnis. Zu allem Übel sah es auf der Karte so aus, als stünde mir auch noch eine Flussquerung bevor. Aber nicht verzagen, vielleicht war das nur eine symbolische blaue Linie zur Deko. Wer wirft denn da gleich die Flinte ins Korn, bzw. das Paddel ins Gebüsch? Ich schlug mich also durch Gebüsch und Unterholz und versuchte zur nächstgelegenen Strasse zu kommen. Sümpfe, Seen, dichtes Unterholz und kleine Tierpfade (die bequemer zum Vorankommen waren), zwangen mich aber in Ufernähe zu bleiben. Und alles mit einem Paddel und einer Schwimmweste dabei. Ich schaltete, falls ich verloren gehen sollte das GPS, das ich zum Glück dabei hatte an und sagte zuhause Bescheid, dass sie meinen Punkt (der sich alle fünf Minuten übertrug) beobachten sollten.
Zum grossen, grossen Glück stellte sich die blaue Linie auf der Karte als zwar tiefes, aber weitgehend stehendes (und eher braunes) Wasser heraus. Ich querte den Fluss an einer Stelle, die aussah, als würden hier auch die Elche (oder was für Tiere auch immer hier diesen «Weg» geschaffen hatten) den Fluss queren. Das Wasser stieg mit bis zur Hüfte. Und nur als ich schon einen Schritt vom Ufer entfernt war (ein Schritt zu früh unaufmerksam), sank ich mit einem Fuss in einen Schlammloch, aus dem ich mich aber mit Hilfe des Paddels und eines Strauches wieder herausziehen konnte. Natürlich wurde ich beim aus- und wieder anziehen der Hose von den Mücken so zerstochen, wie die ganze Wanderung nicht.
Nachdem ich an der Rezeption auf der Karte den ungefähren Ort des Kanus gezeigt hatte, sagte der Mann, der mir den Tipp für diesen Ausflug gegeben hatte: «Oh, this was also the place where I almost didn’t make it last time. Because of the wind.» Na vielen Dank. Das hätte ihm doch mal einfallen können, bevor er die Route einer halb so schweren Frau mit halb so dünnen Armen empfiehlt. Das Kanu wurde 3 Stunden später von 2 Männern der Fjällstation zurückgeholt, die diese Gelegenheit noch zum Angeln nutzten. Inzwischen war es auch schon fast wieder windstill und ich dachte mir, dass ich natürlich auch einfach hätte warten können. Aber wie das in so Momenten ist: ich wollte einfach heim. Und wieder hatte ich ein Abenteuer mehr erlebt, dass sich nach dem es heil überstanden war, gut erzählen lässt.
Am Abend wieder schönes Wetter (ohne starken Wind).
Am nächsten Morgen trat ich dann meine Rückreise an. Ich freute mich schon auf die Nachtzüge und die Fähre. Aber zuerst musste ich noch nachholen, was ich gestern vergessen hatte. Rucksack wiegen.
Etwas mehr als 10 kg ist also mein Idealgewicht. Der Rucksack hatte mich schon die letzten Tage überhaupt nicht mehr gestört. Im Gegenteil, als ich Zuhause ankam, störte mich, dass ich nicht mehr immer alles, was ich zum Leben brauchen könnte, dabeihatte. Merke: nächstes Mal, wenn ich wohin gehe, wo es alle 2 Tage einen kleinen Shop gibt, muss ich nicht das Gefühl haben, dass ich verhungern werde.
Hier allerdings noch eine Anmerkung an andere Vegetarier:innen: (ich weiss, ich erlaube mir manchmal Fisch, aber ich bin auch schon erwachsen und darf mir meine eigenen Regeln aufstellen.) Ich war froh, dass ich am Anfang der Reise viel Trockennahrung dabeihatte, von der ich wusste, dass sie mir schmeckt und vor allem Verschiedene. Es stellte sich heraus, dass die Shops zwar immer ein etwas unterschiedliches Sortiment haben, aber für vegetarische Trockenmahlzeiten gab es insgesamt nur 3 Varianten. Von einer Firma, die ich nicht kannte: Pasta mit Käse-Kräuter-Sosse, von derselben Firma: Pasta mit Käse-Pilz-Sosse und von Blå Band: Couscous with chili spiced vegetables. Und Letzteres bekomme ich persönlich selbst bei grösstem Hunger nur schwer runter. Es ist nicht scharf, aber hat einen sehr seltsamen, für mich eher ekligen Geschmack (keine Ahnung, mit was die das gewürzt haben). Deshalb gab es die letzten Tage nur Pasta mit irgendeiner Käsesosse. Nur in den Fjällstationen gab es mehr Auswahl. (Für alle, die bereit sind mehr als Trockennahrung zu tragen und mehr als Wasser zu kochen oder sich Couscous selbst mit etwas zu mischen oder sich sogar selbst ein Trockenmahlzeit mit einen Dörgerät vorzubereiten, sind die Variationsmöglichkeiten natürlich wesentlich grösser.)
Lieblingsessen (habe aber lange noch nicht alles probiert):
Na und ob - da vergeben wir doch glatt 5 Michelin-Hauben !
Ich lebe in der schönen Hoffnung, dass du derart nachhaltig vom Nordlandvirus (Solowander-Variante) befallen bist, dass dies nicht der letzte derartige Bericht war.
Aber interessant, wie unterschiedlich die Geschmäcker sind: im Gegensatz zu dir fand ich gerade die Hochfläche zwischen Aktse und Parte mit ihren Panoramen superschön....
Fjellfex Danke, für das dicke Lob und schön, dass mein Brei geschmeckt hat.
Und zur Hochfläche: hmmm... vielleicht war ich einfach sehr vom Wind genervt (und den vielen Menschen), sodass ich den Blick für's Schöne doch verlohren habe. Wer weiss, vielleicht komme ich noch mal da vorbei.
Sehr schön geschrieben. Sehr schön fotografiert.
Für mich einer der besten Berichte der letzten Jahre. Damit möchte ich keinem anderen Schreiber auf die Füße treten. Im Gegenteil.
Besonders nett fand ich die Erwähnung der Postdoc‘s. Das Maleur mit dem 2. Deckel auf der Dass passiert ungeübten Porzellannutzern garnicht so selten.
Herzlichen Dank für den Bericht.
(Ich fragte mich schon in Kvikkjokk, wo ich als nächstes hinwill. Und hoffe es folgt nochmal so eine tolle Wanderung wie diese.)
... und wir hoffen, dass es dann auch wieder einen so unterhaltsamen Bericht gibt. Vielen Dank auch von mir für diesen. Sehr schön, hat mir gut gefallen (als ich mich erst mal an das blauere Blau gewöhnt hatte ). Da ich ebenfalls zur zu-faul-zum-selber-Dörren-Fraktion gehöre, kann ich die Empfehlung, mal was von Adventure Menu zu probieren, nur bestätigen. Bean Soup hat mir gut geschmeckt. Das Blå Band-Couscous lasse ich dann wohl mal lieber...
Viel Spaß bei der Planung Deiner zweiten großen Solo-Wanderung!
Sehr schön und teilweise richtig lustig und immer wieder sehr unterhaltsam geschrieben.
Ich sag mal so: Ich will mehr davon! Gib mir mehr von dir und deinen (zukünftigen), neuen
Geschichten! Merci vielmals.
My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou
Danke für deinen Tourbericht, ich habe ihn gern gelesen und wünsche dir noch viele tolle Touren im Norden (oder sonstwo) wer soetwas einmal erlebt hat wird nie wieder etwas anderes machen wollen =)
Ohje. Liebe Menschen, die sich so wunderbar positiv zu meinem Bericht geäussert haben (Bulli53, Borgman , ronaldo, evernorth, Bresh) vielen, vielen Dank! Jetzt mit wahnsinniger Verspätung. Aber besser spät als nie. Oder? Jetzt da ich endlich wieder (nach letztjähriger Pause) unter den Lebenden dieses Forum weile. Spoiler: Ich muss mich schliesslich einstimmen.
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