• Borgman
    Dauerbesucher
    • 22.05.2016
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    [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 70.391011375
    Längengrad 23.212223052
    Land: Norwegen, Finnmark Fylke

    Reisezeit: Mitte August bis Anfang September 2017


    Auf nach Seiland!

    Wenn ich an die vor mir liegende Tour denke, habe ich oft ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits freue ich mich natürlich darauf, eine wenig bekannte, spannende Insel zu erkunden und insgesamt drei Wochen draußen in der Natur zu sein. Schon seit einiger Zeit regt sich im durchstrukturierten Alltag immer wieder diese erwartungsvolle Euphorie, wird die belebende Energie geweckt, die ich mit jeder größeren Wandertour verbinde. Der Flug nach Alta ist gebucht, zwei, drei mögliche Routen sind geplant, die Karten besorgt und die Bus- und Bootsverbindungen in allen erdenklichen Varianten gecheckt. Jetzt warte ich nur noch ungeduldig, dass es losgeht. Vier Wochen ... drei Wochen ... noch eine Woche arbeiten.

    Je näher der Reisetermin rückt, umso öfter beschleichen mich aber auch leise Zweifel an meinem Vorhaben. Ob ich mich damit nicht ein wenig übernommen habe? Seiland ist ein sehr wenig begangenes Wandergebiet, Infrastruktur wie Pfade oder Hütten gibt es nur in den äußersten Randgebieten und im Nationalpark gar nicht. Entsprechend dürftig sind die Informationen, die man bekommen kann. Im Netz findet sich kein einziger Bericht über eine erfolgreiche Durchquerung der Insel, nur zwei oder drei Bergbesteigungen.

    Einige hilfreiche Tipps kamen von Einheimischen, die ich schon im Frühjahr kontaktiert und ausgefragt hatte. Zuerst hatte ich mich an die Nationalparkverwaltung in Alta gewandt, wo man aber auch nicht umfassend Auskunft geben kann, sondern eher nur punktuell. Anders als z.B. letztes Jahr in Lomsdal-Visten gibt es hier nicht die zwei, drei Frauen und Männer, die sich richtig gut auskennen. Immerhin bekam ich dadurch Kontakt zu jemanden, der die Gegend zwischen Storvannet und Straumen im Norden gut kennt und einem Menschen aus Altneset, der über den Südosten Bescheid weiß. Leider nicht für alle Gegenden. Gerade zu der Einstiegsroute, die mich am meisten interessiert, nämlich von Kårhamn zur Seilanstuva, konnte niemand etwas sagen. Das macht die Sache zwar spannend, es ist aber auch eine Reise ins Ungewisse.

    Außerdem bin ich körperlich nicht ganz so fit wie ich gern hätte - leichte Knieprobleme seit zwei Monaten, die nicht gerade begünstigt werden durch die unbestreitbare Tatsache, dass sich in letzter Zeit eindeutig zu viel Speck auf meinen Rippen (und knapp darunter) angesammelt hat. Ja, so ist das wohl, wenn man zu viel im Sitzen arbeitet und seinem Hang zu Bier und Whisky allzu oft nicht widerstehen kann. Immerhin liegen jetzt drei abstinente Wochen vor mir, das kann nicht schaden.

    Meine vorläufige Routenplanung: Anfahrt mit dem Schnellboot nach Kårhamn, von dort an der Küste entlang zum Engedalsvann und Aufstieg zur Seilandstuva im zerklüfteten Westteil der Insel. Das wird wohl teilweise recht steinig, sollte aber eigentlich machbar sein. Wenn ich mit dem Aufstieg vom Engedalsvann nicht klar komme (liegt bei Norgeibilder größtenteils im Schatten, daher ungewiss), muss ich zurück und von Hønseby aus eine andere Route versuchen. Von der Seilandstuva ganz hinunter nach Straumen und Aufstieg zum Seilandsjøkelen, danach durch ein Gewirr von Seen und Hügeln und ein steiler Abstieg hinunter nach Altneset.

    Sollte das richtig gut klappen, was ich aber ehrlicherweise nicht ernsthaft glaube, will ich noch zur Nachbarinsel Stjernøya. Ansonsten bleibt es bei Seiland. Über Stjernøya gibt es noch weniger Infos als über Seiland, da bin ich noch mehr auf Versuch und Irrtum angewiesen. Die Topographie von Stjernøya ist eigentlich haarsträubend, und ich habe lange über einer möglichen Route gebrütet. Das versuche ich wirklich nur, wenn ich fit bin und das Wetter mitmacht. Ungewiss, aber träumen darf man ja.

    Ob nun mit Stjernøya oder nicht, anschließend gehe ich noch für 10 Tage in den Stabbursdalen Nationalpark. Mir schwebt eine Durchquerung von Rafsbotn (Alta) nach Stabbursnes vor. Wenn das Wetter es zulässt, auch durch den grauen Teil um Čohkkarášša in der Mitte des Gebiets. Das wird aber auf jeden Fall einfacher als Seiland, und ich kann mich spontan, nach Gefühl und Wetterlage, für die eine oder andere Route entscheiden.

    Genug der Vorrede, ich bin schon ganz aufgeregt und ungeduldig. Am 14. August geht's endlich los!







    Tag 1
    Anreise

    Mein leicht flaues Gefühl im Bauch, als Aniela mich am Morgen zum Flughafen fährt, liegt nicht an der vor mir liegenden Reise nach Alta und schon gar nicht daran, dass ich jetzt wieder drei Wochen allein unterwegs bin. Im Gegenteil, ich freue mich auf die Freiheit, zu tun und lassen was ich möchte, und die spüre ich am intensivsten, wenn ich eine Wandertour in einsamer Gegend unternehme. Bei allem Familiensinn brauche ich auch Zeit für mich allein, eine Herausforderung, an der ich mich abarbeiten kann, am besten in einem ungezähmten Berggebiet, das noch nicht von Menschen zu einem planbaren Ausflugsziel herabgewürdigt ist, sondern dem man sich als Wanderer demütig annähert. Und ja, ich liebe auch im Allgemeinen (...wenn auch nicht unbedingt immer im Speziellen...) das unberechenbare Wetter, von vielen so oft beklagt, dessen Launen der Wanderer ganz und gar ausgeliefert ist. Man braucht Erfahrung und gelernte Strategien, um damit klarzukommen, man erkennt sich selbst als kleinen, schwachen, im Stadtleben verweichlichten Menschen. Und gleichzeitig, so geht es mir jedenfalls, spürt man eine von den Füßen zum Kopf strömende Energie, ungeahnte Kraftreserven und die Lust, es mit allen Widrigkeiten aufzunehmen. Gleichzeitig Wurm und Riese.

    Aber ich schweife ab, sitze doch in der Chronologie gerade erst mit flauem Gefühl im Auto auf der Fahrt zum Flughafen. Dieses Mal ist es ein bisschen anders. Ich bin mir nicht so sicher, ob ich überhaupt gut wandern kann. Mein rechtes Knie schmerzt immer mal wieder beim Laufen, und zwar so deutlich, dass ich die Zähne zusammenbeißen muss um weiterzugehen. Nicht vorhersagbar, wann es auftritt, verschwindet dann auch wieder nach zehn Minuten. Wie das in schwierigem Gelände wird, kann ich nicht abschätzen. Ob die Tour, die ich mir vorgenommen habe, nicht doch zu anspruchsvoll ist?

    Ich lasse es darauf ankommen und nehme mir vor, das Beste aus meinem Urlaub in der Finnmark zu machen. Gibt ja viele Möglichkeiten. Erst mal fliege ich, um es kurz zu machen, nach Kopenhagen. Die dreieinhalb Stunden Aufenthalt verkürze ich mit einem kleinen Snack und einem großen Bier, danach bin ich in angemessen entspannter Urlaubslaune. Trotzdem ist mir immer sehr langweilig in Flughäfen. Kurios: Viele Menschen zusammengedrängt, die eigentlich gar nicht an diesem Ort sein wollen, sondern irgendwo anders. Zum Beispiel in Oslo, wo es warm und sonnig ist und ich noch vier Stunden verbringen muss. Da verlasse ich aber den Flughafen und gehe erst mal zur Statoil-Tankstelle, um einen Kaffee und ein Dreierpack der leckeren Rosinenbrötchen zu kaufen. Das ist schon so was wie eine Tradition geworden, wenn ich in Gardermoen länger Aufenthalt habe oder von dort mit dem Zug weiterfahre. Die Rosinenbrötchen sind einfach unschlagbar gut.

    Gegen 20:10 Uhr geht dann der Flieger nach Tromsø und Alta. Leider gibt es schon nach kurzer Zeit eine geschlossene Wolkendecke, so dass man nicht viel sehen kann. In Tromsø regnet es. Wir warten noch auf einen verspäteten Flug aus Bodø und fliegen eine Viertelstunde verspätet weiter nach Alta, wo wir kurz nach 23:00 Uhr ankommen. Kein Regen zum Glück, so kann ich sofort losgehen, um mir einen Platz für die Nacht zu suchen. Das Regenzeug ist irgendwo im Rucksack vergraben. Es gab mal Zeiten, da hätte ich mir nach so später Ankunft ein Hotelzimmer geleistet, habe aber festgestellt, dass mir das nichts bringt. Die erste Nacht im Hotel kann ich nie schlafen, im Zelt dagegen fast immer.

    Zuerst mache ich aber einen Stopp bei der Statoil-Tankstelle. Ja, ich weiß, heißt jetzt Circle K, aber ich sage trotzdem noch Statoil. Wer ist bitteschön außerhalb von Texas so bescheuert, eine Tankstellenkette nach einem Brandzeichen für Rinder und Pferde zu benennen?


    Statoil Elvebakken um 23:40 Uhr

    Hier kaufe ich Spiritus und ein Schinken-Käse-Baguette für ein Mitternachtsessen, das leider noch eine Weile warten muss. Dafür regen sich nach der langweiligen Reise, trotz der späten Stunde, beim Laufen meine Lebensgeister. Mitte August wird es in Alta noch nicht ganz dunkel, da werde ich problemlos einen Platz am Fluss Altaelva finden. Direkt hinter der Brücke biege ich rechts ab und gehe immer am Flussufer entlang, bis ein Pfad beginnt. Nach einem knappen Kilometer auf diesem wird ein kleiner Bach gefurtet, aber der Wald ist hier dicht und nicht zum Zelten geeignet. Also noch ein Stück weiter, durch ein Weidetor und dann direkt zum Fluss. Hier sieht es besser aus, und nach kurzer Zeit ist ein perfekter Platz gefunden. Als das Zelt steht, ist es schon 01:10 Uhr, aber ich habe Hunger und esse noch von meinem spärlich belegten Baguette, bevor ich zufrieden in den Schlafsack krieche.


    Altaelva, Blick aus dem Zelt

  • Bankhar
    Erfahren
    • 24.09.2010
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    #2
    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

    Hi Borgman,

    deine Stimmung vor der Anreise und auf dem Weg zum Flughafen kenne ich nur zu gut. Und ich dachte immer es geht nur mir so, bin ich also doch nicht alleine...

    Aber wie geht es denn weiter? Bin neugierig, also setzt Dich hin und schreib!

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    • Antracis
      Fuchs
      • 29.05.2010
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      #3
      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

      Die Einführung ist Dir gut gelungen. Man kommt sofort in Tourstimmung und freut sich auf die nächsten Kapitel.

      Ich bin sehr gespannt. Eine Karte von Seiland liegt auch hier, ich hatte ja auch mal einen Thread dazu eröffnet, aber die verwertbarsten Infos schien noch Norgeibilder zu liefern. Es bleibt also spannend.--und die Rosinenbrötchen werden nächstes Jahr probiert.
      Zuletzt geändert von Antracis; 09.09.2017, 15:17.

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      • Bankhar
        Erfahren
        • 24.09.2010
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        #4
        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

        Zitat von Antracis Beitrag anzeigen
        --und die Rosinenbrötchen werden nächstes Jahr probiert.
        Ok, mache ich auch.

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        • evernorth
          Fuchs
          • 22.08.2010
          • 1835
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          #5
          AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

          Spannendes Tour - Gebiet und ein guter Start. Abonniert und....bitte gleich weiter schreiben.
          My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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          • Borgman
            Dauerbesucher
            • 22.05.2016
            • 768
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            #6
            AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

            Zitat von Bankhar Beitrag anzeigen
            deine Stimmung vor der Anreise und auf dem Weg zum Flughafen kenne ich nur zu gut. Und ich dachte immer es geht nur mir so, bin ich also doch nicht alleine...
            Das ambivalente Gefühl vor einer Tour, besonders wenn man sich an eine neue Herausforderung wagt, kennen wahrscheinlich die meisten. Nur: wenn man sich ans Aufschreiben seiner Erlebnisse macht, ist das oft nicht mehr so präsent.

            ...setzt Dich hin und schreib!
            Zitat von evernorth Beitrag anzeigen
            ... bitte gleich weiter schreiben.
            Bin schon dabei, morgen hab ich Zeit...

            Zitat von Antracis Beitrag anzeigen
            Die Einführung ist Dir gut gelungen. Man kommt sofort in Tourstimmung und freut sich auf die nächsten Kapitel.
            Danke!

            ... die verwertbarsten Infos schien noch Norgeibilder zu liefern.
            Werde hier versuchen, einiges Brauchbare unterzubringen. Darüber hinaus habe ich in der Vorbereitung noch weitere Infos gesammelt, die ich für meine Planung nicht verwertet habe. Du kannst mich bei Bedarf einfach ansprechen.

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            • Borgman
              Dauerbesucher
              • 22.05.2016
              • 768
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              #7
              AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

              Tag 2
              Von Alta nach Øksfjord

              In der ersten Nacht im Zelt habe ich erstaunlich gut geschlafen, wenn auch nicht sehr lang. Bin kurz nach Sieben einigermaßen wach und munter. Der Himmel ist bewölkt, aber es sieht trocken aus. Heute kann ich mir sehr viel Zeit lassen. Ich muss nur um 16:00 Uhr den Bus nach Øksfjord erreichen und vorher einkaufen. Frühstücke gemütlich Rosinenbrötchen mit Kaffee, schreibe noch Tagebuch von gestern und gehe am Vormittag langsam los.


              Erster Zeltplatz, Altaelva

              Anders als noch vor zehn Jahren kaufe ich mittlerweile fast alles, was ich an Nahrungsmitteln für die Tour brauche, in Norwegen ein. Einige Tüten Nudelessen bringe ich mit, die ich dann später mit Real Turmat aufstocke (nur RT wäre mir einfach zu teuer), Kaffee (sonst hätte ich heute früh keinen gehabt) und Vollmilchpulver für die ganzen drei Wochen. Deshalb steuere ich zuerst mal den Coop extra Elvebakken an. Zwar weiß ich genau, was ich brauche, genieße aber vor dem Aufbruch in die Wildnis noch einmal die Fülle der Möglichkeiten, lasse mir Zeit mit dem Aussuchen.

              Ein gutes Brot, Sommersalat, Schinken und Tine Kremost wird das Abendessen für die ersten drei Tage, bevor es mit dem weniger beliebten Nudelessen losgeht. Außerdem Axa Blåbær-Müsli, Kornmo-Cracker und ein Klotz Norvegia-Käse für mittags, genügend Bixit-Kekse (ein Grundnahrungsmittel), Turmiks, Eisteepulver, 2 Kvikk Lunsj als besondere Belohnung und ein kleines Bier für heute Abend. Als ich mit meinem Großeinkauf vor dem Rucksack stehe, frage ich mich wieder einmal, wie ich das alles noch hineinquetschen soll. Aber es ist wie in einer vollen U-Bahn: wenn alle etwas zusammenrücken, passt es schon. Nur das Brot hängt natürlich außen am Rucksack.

              Mit einem Kaffee aus dem Automaten (steht 10 Kr dran, aber er ist gratis) gehe ich danach hoch zur Kirche, wo ich ein ruhiges Plätzchen finde. Es ist noch frisch, 12°C, aber langsam breitet sich ein angenehmes Urlaubsgefühl aus, der Kopf wird frei, die Gedanken ziehen durch. Nichts ist wichtig.

              Gegen Mittag laufe ich hinunter zum Schnellbootkai und nutze die Behindertentoilette, um mir ein vorerst letztes Mal die Haare mit warmem Wasser zu waschen und mich vor einem richtigen Spiegel zu rasieren. Hier kann man auch nett sitzen und ein kleines Mittagbrot einnehmen.


              Alta Hurtigbåtkai

              Anschließend schlappe ich das kurze Stück zum Flughafen, wo um 16:00 Uhr der Bus nach Øksfjord abfährt. Es gibt viel zu sehen, denn der Bus fährt meist an Fjorden entlang. Zuerst am Altafjord, dann am Langfjord (hier regnet es zwischenzeitlich) und schließlich am Øksfjord, wo sich schon faszinierende Blicke auf die zerklüfteten Berge der Øksfjordhalbinsel eröffnen. Das ist ein Gebiet, das mich auch sehr interessiert, da würde ich gerne mal wandern.

              Nach knapp zweieinhalb Stunden steige ich am Fähranleger aus. Heute komme ich nicht mehr nach Seiland, das Schnellboot fährt erst morgen früh. Ja, das Reisen in der Finnmark hat seine Vor- und Nachteile. Für ein so dünn besiedeltes und Gebiet mit großen Abständen zwischen den Ortschaften sind die öffentlichen Verkehrsmittel ganz hervorragend ausgebaut (hoffen wir, dass das noch lange so bleibt), aber oft gibt es nur eine Verbindung am Tag. Das entschleunigt das Reisen natürlich enorm, man ist gezwungen, aus seinem üblichen ich-will-jetzt-schnell-ankommen-Denken auszubrechen. Es schafft auch Raum für ungeplante Erlebnisse.

              Jedenfalls will ich hier einen richtig guten Platz für die Nacht finden. Ich laufe durch den kleinen Ort Vassdalen zum Vassdalsvatn und dann links den Berghang hinauf, zuerst auf einem Schotterweg, bis dann ein markierter Wanderpfad beginnt.


              Vassdalen


              Hang am Vassdalsvatn

              Beim Aufstieg von nur etwa 140 Hm komme ich mächtig ins Keuchen, das muss noch besser werden. Dafür ist die Landschaft hier wunderschön, und das Wetter hat sich gebessert, nur der Wind ist noch eiskalt. Morgen soll ein sonniger Tag werden. Als es flacher wird, finde ich schnell einen perfekten Platz um das Zelt aufzustellen. Sehr zufrieden richte ich mich ein und wasche mich kurz im Bach. Das Bier brauche ich nicht zu kühlen, denn sobald die Sonne hinter dem Berg verschwindet, sinkt das Thermometer auf 5°C. Dafür gibt es kaum Mücken.


              Tag 3
              Von Øksfjord nach Kårhamn und Wanderung zum Engedalsvann



              Noch vor dem Weckerklingeln bin ich um 6:00 Uhr wach und ausgeschlafen. Mir kommt es wärmer vor als gestern Abend, aber das Thermometer sagt 4°C, es ist also nur nicht viel kälter. Nach dem Frühstück mache ich mich gleich an den Abstieg nach Vassdal. Wie versprochen ist es ein herrlicher Tag.




              Vassdalen

              Am Fähranleger ist schon Betrieb, aber ich muss ja zum Schnellbootkai nach Øksfjord, etwa einen Kilometer die Straße entlang. Dort steht im Warteraum ein Wasserkocher, Instantkaffee, Teebeutel, Zucker und Kaffeeweißer, so dass man sich selber ein Heißgetränk zubereiten kann, daneben eine Tasse zum Bezahlen (10 Kr). Sehr nett, das nehme ich gerne an und mache mir einen zweiten Kaffee, um die Zeit zu vertreiben.


              Øksfjord Fergekai


              Øksfjordjøkelen im Hintergrund

              Langsam trudeln noch ein paar Leute ein, die auch auf das Schnellboot warten, das pünktlich um 09:00 Uhr einläuft. Abfahrt 09:15 Uhr, jetzt geht es erst mal in rasanter Fahrt nach Hasvik auf Sørøya. Dabei hat man auch einen schönen Blick auf die schroffe Westseite von Stjernøya und die Küstenberge der Øksfjordhalbinsel.


              Stjernøya


              Nuvsfjorden, Middagsfjellet, Svartfjellet


              Hasvik am Berg Navaren

              Hier steigen noch mehr Menschen ein, danach fahren wir an der Südküste von Sørøya entlang nach Osten. Sørøya würde mich auch sehr reizen, wie es überhaupt hier in der Westfinnmark viele attraktive und abwechslungsreiche Wandergebiete gibt. Der einzige Halt vor Hammerfest ist die winzige Siedlung Kårhamn auf Seiland, wo wir um 10:50 Uhr anlegen. Die Fahrt hat Spaß gemacht, aber ich bin schon ein bisschen aufgeregt, weil jetzt endlich die Wanderung beginnt. Erst noch ein paar Bilder von Kårhamn:









              Wie schon auf Norgeibilder zu erkennen, führt vom südlichsten Ende der Bucht, kurz vor dem kleinen Fischverarbeitungsbetrieb, ein Pfad hinüber zur Mellabukt. Der Pfad ist unmarkiert, aber gut zu verfolgen und wird offenbar vor allem von Schafen benutzt. Er steigt sanft auf 100 Hm an und führt etwa in dieser Höhe um die Bucht herum.


              Mellabukta, Sørøya im Hintergrund


              Skreifjorden, Blick auf Lossefjellet

              Hinter dem nächsten Bergausläufer verliert sich der Pfad, also folge ich dem kleinen Seitental vor dem Stordal hinunter zur Küste. Auf der Turkart Seiland ist eine Route eingezeichnet, die über den nächsten Berghang verläuft, ich fürchte nur, sie orientiert sich einfach an der Stromleitung und ist nicht wirklich die beste Wanderroute. Zu der Karte und den Routenvorschlägen sage ich später noch etwas, letztere ignoriert man am besten ganz einfach. Schön ist es hier, aber ich bin schon mächtig ins Schwitzen gekommen und fülle die Wasserflasche im Bach aus dem Stordal. Der Übergang zur nächsten Bucht, Jonsbukta, ist recht unübersichtlich, aber ich versuche mein Glück an der Wasserlinie und finde eine Möglichkeit um die Felsen herum.







              Jetzt bin ich schon ziemlich erschöpft und sonnengedörrt, Zeit für eine kurze Pause im Schatten. Die verfallende Hütte nebst Birke eignet sich leider nicht dafür, aber kurz dahinter finde ich eine Felsstufe, die gerade den nötigen Schatten spendet. Schon ist die Wasserflasche wieder leer, und auf den nächsten drei Kilometern ist kein Bach eingezeichnet. Hoffentlich finde ich trotzdem Wasser.

              Durch Heide und kleine Moore laufe ich weiter über den Punkt 39m, ein Stück weg von der Küste, dann wieder hinunter, bis ich auf eine von üppigem Gras umwucherte Ruine treffe.


              Blick zum Flaskefjord mit dem markanten Flasketind und Seilandstuva im Hintergrund




              Skreifjordstranda, am Ende Skreifjordeidet


              Blick zurück

              Die Wiesen sehen einladend aus, aber unter dem hohen Gras verbergen sich große Steine und gefährliche Löcher. Deshalb gehe ich wieder direkt an der Wasserlinie, wo man die Steine wenigstens sehen kann. Kurz danach beginnt eine unangenehme Strecke auf dem schmalen und sehr steinigen Küstenstreifen unterhalb des steilen Berghangs. Obwohl ich langsam und vorsichtig gehe und eine feste Bandage trage, meldet sich mein rechtes Knie jetzt öfter, allerdings ist es hier für eine längere Pause denkbar ungünstig, denn es gibt kein Wasser. Also weiter.





              Die steinige Strecke ist sehr anstrengend, der Schweiß läuft mir in Bächen herunter, und bald muss ich eine Pause machen, um Kraft zu sammeln. Irgendwo an diesem Hang muss es doch verflixt nochmal einen Bach geben. Ich setzte den Rucksack ab und suche in der einen, dann in der anderen Richtung nach einem verheißungsvollen Plätschern, ohne Erfolg. Schließlich wuchte ich den Rucksack wieder auf den Rücken und kämpfe mich noch ein Stück weiter. Es hilft ja nichts.

              Erst 800m vor Skreifjordeitet findet sich dann doch noch das ersehnte Bächlein. Glücklich kühle ich mich in dem eiskalten Wasser ab und fülle die Flasche. Sogar ein paar kleine Birken als Sonnenschutz, herrlich! Als ich so gemütlich im Kraut liege und vor mich hindöse, fährt ein Motorboot Richtung Skreifjordeidet vorbei. Ein Mann mit Hund steigt in der Bucht aus und geht langsam den Hang hoch, er hat aber keinen Rucksack auf, so viel kann ich erkennen. Der andere Mann fährt mit dem Boot wieder weg.

              Als ich weitergehe, wird das Gelände bald flacher und ich erreiche das schon von Weitem erkennbare Haus, das auch schon bessere Tage gesehen hat.


              Geschafft: Skreifjordstranda liegt hinter mir


              Skreifjordeidet

              Ab hier gibt es zwei mögliche Routen zum Engedalsvann. Entweder über die Berge oder weiter an der Küste entlang. Da ich über die ganze Gegend hier keinerlei Informationen gefunden habe, entscheide ich nach Lust und Laune. Für den Moment habe ich keine Lust, mehr Höhenmeter als nötig zu machen, also wird es die längere Küstenstrecke. Ab hier sollte es auch einfacher werden. Bislang bin ich deutlich langsamer vorangekommen als erhofft. Wenn das weiter so geht und ich es heute noch zum Engedalsvann schaffen will, dann brauche ich noch mal eine längere und wirklich entspannte Pause. Und einen großen Kaffee. Einen Kilometer gehe ich noch auf dem teilweise extrem dicht bewachsenen Küstenstreifen nach Westen, dann treffe ich in Höhe Sandaholmen auf einen Bach und packe den Kocher aus. Es ist 16:30 Uhr, ich habe Zeit genug.

              Mittlerweile ziehen von Westen schon einige Wolken auf, aber es bleibt freundlich, als ich anderthalb Stunden später weitergehe. Erst folge ich weiter der Küste und schwenke nach Süden, später gewinne ich etwas an Höhe, um das Engdal knapp oberhalb der 100m-Höhenlinie zu queren.


              Schwenk nach Süden


              Gåsenga, Skreifjordstranda im Hintergrund

              Bisher komme ich gut voran, aber sobald ich den Hang zum Engedalsvann quere, wird es sehr unwegsam. Unter der dichten Krautschicht im Birkenwald lauern wieder große Steine, ich suche vorsichtig meinen Weg zum größeren See. Bald stelle ich fest, dass offenbar das ganze Tal aus überwuchertem Geröll besteht. Unangenehm zum Laufen und keine guten Aussichten, um einen ebenen Platz für das Zelt zu finden. Außerdem werden hier die Mücken sehr pestig. Weil ich zu faul bin, das Mückengift aus dem Rucksack zu kramen, bin ich an Armen und Schultern schnell arg zerstochen.

              Jetzt sehe ich auch erstmals die beiden möglichen Aufstiegsrouten zum Jernesfjell vor mir, die einzigen Auswege nach Süden aus diesem Talkessel. Momentan sind mir beide nicht ganz geheuer, steil und unwegsam. Ich bin mir nicht mehr sicher, dass ich da hoch will. Auf mein Knie kann ich mich nicht hundertprozentig verlassen, und schon im Tal ist das Vorankommen schwierig genug. Bestimmt wäre es machbar, aber kurz gesagt, mich verlässt der Mut.


              Mögliche Aufstiegsroute

              Als ich beim oberen, östlichen See ankomme, immer noch auf der Suche nach einem Platz, sehe ich ein helles Tier und kurz darauf einen Mann auf mich zukommen. Es ist der Mann mit Hund, der heute Mittag aus dem Boot gestiegen ist. Er ist Rentierhüter und sucht nach einem verletzten Rentier. Wir unterhalten uns eine ganze Weile. Das Rentier sei durch den See geschwommen, habe sich hier hingelegt und sei seitdem verschwunden. Den fünften Tag sucht er jetzt schon, morgen will er eine Pause machen. Keine einfache Arbeit. Er findet das Gelände hier auch sehr anstrengend, durch die dichte Vegetation. Wir reden über meine Planung, endlich kann ich mal jemanden fragen, der sich hier gut auskennt. Klar, Du kannst beide Strecken laufen, kein Problem. Habe ich schon oft gemacht. Weiter oben wird es einfacher, und bis zur Seilandstuva ist es fast eben. Die Rentiere machen das auch, sie ziehen auf der anderen Seite zum Store Kufjord hinunter bis Altneset.

              Es ist schon nach 21:00 Uhr als wir uns verabschieden. Also lag ich doch nicht ganz verkehrt mit meiner Vermutung, dass hier eine gangbare Route verläuft. Ob ich sie mir zutraue, ist eine andere Sache. Die Entscheidung vertage ich auf morgen.

              Am Seeufer finde ich eine ebene Stelle im Moos, etwas feucht, und die Heringe halten auch nicht so gut. Egal, ich bin todmüde nach dem anstrengenden und ereignisreichen Tag.

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              • neumania
                Erfahren
                • 22.02.2015
                • 309
                • Privat


                #8
                AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                Hallo Borgman,

                sehr, sehr schöner Bericht, der direkt Lust macht nachzuwandern
                Auch sehr lesenswert geschrieben und tolle Fotos, jetzt schon dickes Dankeschön für's Mitnehmen!

                Grüße,
                Markus

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                • sarek2007
                  Erfahren
                  • 22.08.2007
                  • 450
                  • Privat


                  #9
                  AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                  genügend Bixit-Kekse (ein Grundnahrungsmittel)
                  Die sind bei mir auch immer dabei

                  Schon jetzt mein Kompliment zu dem Beginn des Berichts. Sehr guter Schreibstil, man ist sofort mit dabei. Ich freue mich auf die Fortsetzung. Der Berichtstitel lässt ja Spannung aufkommen.

                  Wir waren fast zur selben Zeit im Øvre Dividal, auf Senja und im Bjørnfjell bei Narvik. Ich gehe mal davon aus, dass das Wetter weiter im Norden auch beständig unbeständig war.

                  Gruß,
                  Tilman

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                  • Horst24
                    Erfahren
                    • 01.02.2012
                    • 211
                    • Privat


                    #10
                    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                    Ehrlich gesagt habe ich überhaupt noch nie von Seiland gehört und wusste dementsprechend auch nicht, wo es liegt. Und dann so eine tolle Landschaft, klasse. Das ist das Schöne an diesem Forum. Herrlich. Hoffentlich hält dein Knie.
                    Prima Reisebericht.

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                    • Borgman
                      Dauerbesucher
                      • 22.05.2016
                      • 768
                      • Privat


                      #11
                      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                      Zitat von neumania Beitrag anzeigen
                      sehr, sehr schöner Bericht, der direkt Lust macht nachzuwandern
                      Auch sehr lesenswert geschrieben und tolle Fotos, jetzt schon dickes Dankeschön für's Mitnehmen!
                      Gern geschehen, freut mich, dass es Dir gefällt!

                      Zitat von sarek2007 Beitrag anzeigen
                      Schon jetzt mein Kompliment zu dem Beginn des Berichts. Sehr guter Schreibstil, man ist sofort mit dabei.
                      Danke, ich hatte schon befürchtet, es wäre am Anfang zu viel Text bei zu wenigen Bildern, wollte aber nichts weglassen.

                      Wir waren fast zur selben Zeit im Øvre Dividal, auf Senja und im Bjørnfjell bei Narvik. Ich gehe mal davon aus, dass das Wetter weiter im Norden auch beständig unbeständig war.
                      Ganz genau, erst ganz am Ende begann eine anhaltende Schönwetterperiode, aber da musste ich schon wieder nach Hause...
                      Gab es bei Dir auch so wenige reife Beeren? Moltebeeren waren fast alle noch rot, und sogar die Heidelbeeren meist noch sauer. Sonst Ende August eigentlich immer eine sichere Sache, um den Speiseplan anzureichern.

                      Zitat von Horst24 Beitrag anzeigen
                      Prima Reisebericht.
                      Danke! Seiland kennen auch viele Norweger nicht, obwohl es Nationalpark ist.

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                      • Ditschi
                        Freak

                        Liebt das Forum
                        • 20.07.2009
                        • 12705
                        • Privat


                        #12
                        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                        Schöner Bericht und tolle Bilder. Seiland war hier schon einmal Thema, aber mit Fragen zur Reisevorbereitung, nicht als Reisebericht.
                        https://www.outdoorseiten.net/forum/...hlight=Seiland
                        Wie damals schon berichtet, ist Seiland deutschen Meeresanglern durchaus ein Begriff.
                        Ditschi

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                        • Gast180628
                          GELÖSCHT
                          Dauerbesucher
                          • 08.10.2012
                          • 510
                          • Privat


                          #13
                          AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                          schöner bericht, ich lese sehr gerne mit!
                          und ich bin total gespannt, vom weiteren weg zu erfahren...wir hatten ja (2015) erstmal nur nen tagesausflug von karhamn gemacht (edit: 2 tagesausflüge -fotos nachgeguckt, mitternachtssonne, schnee...), nachm weg geguckt (auch "kein problem" gehört) und uns im steilen verhaun und warn dann im regen mit boot nach honseby getrampt...
                          Zuletzt geändert von Gast180628; 14.09.2017, 11:34.

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                          • sarek2007
                            Erfahren
                            • 22.08.2007
                            • 450
                            • Privat


                            #14
                            AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                            Ganz genau, erst ganz am Ende begann eine anhaltende Schönwetterperiode, aber da musste ich schon wieder nach Hause...
                            Gab es bei Dir auch so wenige reife Beeren? Moltebeeren waren fast alle noch rot, und sogar die Heidelbeeren meist noch sauer. Sonst Ende August eigentlich immer eine sichere Sache, um den Speiseplan anzureichern.
                            Ich hatte schon im Vorfeld unserer Reise mit wenigen Beeren gerechnet. Die späte Schneeschmelze gab ja wenig Anlass zur Hoffnung. Umso überraschter waren wir, als wir im im oberen Rostadalen reife Multebeeren gefunden haben. Die meisten waren allerdings noch nicht so weit. Auf Senja haben wir auf dem Rücken vom Berg Segla wieder vollreife Multebeeren gefunden. Einfach ein Genuss.

                            Bei den Heidelbeeren war die Situation noch trauriger. Oberhalb vom 500 m waren nur kleine grüne Beeren an den Sträuchern. Wir waren allerdings noch 5 Tage unten im Dividalen zum Lachsangeln und haben wenigstens dort unseren Bedarf an Heidelbeeren decken können .

                            In Summe waren wir zufrieden, doch hin und wieder Beeren pflücken zu können aber dieses Jahr war einfach kein gutes Beerenjahr.

                            Gruß,
                            Tilman

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                            • Borgman
                              Dauerbesucher
                              • 22.05.2016
                              • 768
                              • Privat


                              #15
                              AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                              @Ditschi: Danke, dass Du mich an den Vorbereitungsfaden vom vergangenen Jahr erinnerst. Zu diesem hatte ich mit meinem damals nur rudimentären Wissen auch was beigetragen, das ich noch richtigstellen muss. Hätte ich fast vergessen, das sollte nicht so stehenbleiben.
                              Und die Meeresangler, ja, das waren tatsächlich die einzigen Touristen, die ich auf Seiland getroffen habe.

                              @wonderrenter: Dein Beitrag zum Them Wandern auf Seiland im Trekkingforum war ja bisher so ziemlich das Einzige, was man im Netz in deutscher Sprache lesen konnte (auch wenn ich ehrlich gesagt nicht ganz schlau draus geworden bin ). Schön, dass Du dabei bist.

                              @Sarek2007: Dann war weiter südlich zumindest eine Sache schon mal besser, wenn auch nicht das Wetter...

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                              • Borgman
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                                • 22.05.2016
                                • 768
                                • Privat


                                #16
                                AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                Tag 4
                                Über die Berge zurück nach Skreifjordeidet

                                Am frühen Morgen drückt kräftiger Wind den Regen direkt auf den Zelteingang. Wie so oft hat sich mit dem Wetter auch die Windrichtung geändert. Da werde ich erst mal gar nichts machen. Koche mir nur schnell einen Kaffee und verkrieche mich wieder im Schlafsack. Was für ein befriedigendes Gefühl, mit vollständig trockenen Sachen im trockenen Zelt zu sein, während der Regen auf das Außenzelt prasselt. Eine kleine Wohlfühlblase in unwirtlicher Umgebung.

                                Jetzt habe ich Zeit, um über mein weiteres Vorgehen nachzudenken. Bei dem Wetter möchte ich den Aufstieg nicht wagen, selbst wenn der Rentierhüter die Strecke gestern ausdrücklich empfohlen hat. Er ist ja hier zu Hause und nicht mit schwerem Gepäck unterwegs. Zurück nach Kårhamn ist auch keine attraktive Option, dann hätte ich sehr früh aufgegeben, und so angenehm ist die Strecke nicht, dass ich sie unbedingt zweimal laufen muss. Dann fallen mir immer mehr Argumente gegen das Weitergehen ein. Wahrscheinlich gibt es oben auf dem Höhenzug gar kein Wasser, was mache ich, wenn das Wetter entgegen der letzten Prognose doch nicht besser wird, wenn mein Knie schlimmer wird. Damit ist die Tendenz klar. Ich verzichte auf den Aufstieg zur Seilandstuva und versuche von einem anderen Ausgangspunkt eine neue Tour.

                                Wie zur Bestätigung bessert sich das Wetter beim Frühstück, da gibt es schon Regenpausen. Als ich gegen 12:00 Uhr aufbreche, kommt sogar die Sonne kurz durch.


                                Engedalsvannet

                                Wenn ich schon zurückgehe, kann ich wenigstens die andere Route über den Bergrücken nach Skreifjordeidet ausprobieren. Ich umrunde also den östlichen See und arbeite mich dann Stein für Stein den Hang nach Nordosten hoch. Der Wind bläst weiter kräftig von hinten und schiebt mich an.


                                Die andere Aufstiegsroute, die ich nun doch nicht gehe


                                Blick zurück auf Storskallen (rechts) und Jernesfjellet

                                Oben angekommen habe ich zwar einen prachtvollen Blick auf Jøfjorden und Jøfjordveggen, stelle aber fest, dass ich etwas zu weit östlich herausgekommen bin. Ich stehe über einem Steilhang, und der Wind ist auf dem Kamm so stark, dass ich instinktiv ein paar Schritte zurückgehe um nicht von einer Bö hinuntergeweht zu werden. Dann korrigiere ich ein Stück nach Westen und finde eine gute Abstiegsroute, hier gibt es sogar stellenweise einen Rentierpfad.


                                Jøfjorden



                                Allerdings gibt es auch hier die tückischen überwucherten Steine, und das Gelände ist doch sehr unübersichtlich. Mehrmals lande ich direkt an einem Abbruch und muss es an einer anderen Stelle probieren. Im Anstieg ist der Hang sicherlich leichter zu überblicken.




                                Blick zurück

                                Bald erreiche ich den kleinen See Martavatn und folge dessen Abfluss ins Tal. Unten ein kurzer Gegenanstieg, bevor es dann wieder steinig mit dichter Vegetation nach Skreifjordeidet hinuntergeht. Als ich den Küstenstreifen gegen 14:30 Uhr erreiche (warum hat das eigentlich so lange gedauert?), beginnt es wieder zu regnen und der Wind frischt noch einmal deutlich auf. Da habe ich ja die regenfreie Zeit gut ausgenutzt.

                                Wäre eigentlich sinnvoll, für den Zeltaufbau das Regenzeug anzuziehen, aber ich denke, so schlimm wird es schon nicht und beeile mich. Eine Minute später bin ich schon ganz durchnässt, jetzt ist es auch egal. Schnell noch Wasser holen aus dem Mini-Bach und ab ins Zelt. Wanderhose, Wanderpulli und Unterwäsche sind klitschnass, die müssen in der Apsis bleiben. Allerdings drückt der Wind mittlerweile mit heftigen Böen direkt über den Fjord auf das Zelt, da gehe ich lieber noch mal raus und spanne besser ab. Zum Glück halten die Heringe auf dieser Wiese hervorragend.

                                Trotzdem bin ich natürlich angespannt, solange der Wind an meinem geschundenen Soulo rüttelt und den Regen ohrenbetäubend prasseln lässt. Doch das Zelt hat schon schlimmeres überstanden. Nach zwei Stunden hört der Regen so plötzlich auf, wie er begonnen hat. Ich versuche, meine nassen Sachen im Wind zu trocknen, der stetiger geworden ist und sich etwas abgeschwächt hat. Weitergehen möchte ich heute nicht mehr, wer weiß ob es nicht noch mal losgeht, und da will ich nicht auf der steinigen Skreifjordstranda sein. Aber es bleibt trocken.


                                Tag 5
                                Skreifjordeidet - Kårhamn

                                In der Nacht habe ich sehr schlecht geschlafen. Aus unruhigen Träumen wache ich schon vor 04:00 Uhr auf. Ein stiller, bedeckter Morgen. Da ich nicht nochmal einschlafen kann, mache ich mich bald fertig, frühstücke und breche gegen 07:00 Uhr auf.



                                Die Strecke zurück nach Kårhamn kenne ich ja nun schon und weiß, was mich erwartet. Zum Glück hat der Wind die Steine schon getrocknet. Ich schone mein Knie, das möglichst noch zwei Wochen durchhalten soll und gehe langsam. Anstrengend bleibt es, aber ich komme besser voran als beim Hinweg. Wie immer Gewöhnungssache.















                                Das meiste Treibgut sammelt sich in einer einzigen Bucht, Jonsbukta. Die auf dem Hinweg unproblematische felsige Stelle zwischen dieser und dem Stordal macht mir ein bisschen Kopfzerbrechen. Liegt wahrscheinlich daran, dass jetzt fast schon Hochwasser und meine Route von Vorgestern überspült ist. Nach einigem Hoch- und Runterklettern schaffe ich sie aber doch, ohne wesentlich höher zu steigen. Glücklich baue ich dahinter, es ist schon kurz vor 10:00 Uhr, das Zelt zum Trocknen auf. Es wird sonnig.





                                Heute will ich nur noch nach Kårhamn zurückgehen um für morgen den Schnellboothalt zu bestellen (hier hat man noch kein Netz), deshalb mache ich an diesem schönen Platz bei herrlichem Wetter eine lange Pause. Bei dem gutem Wetter hätte ich den Aufstieg vielleicht doch probieren können. Die aufkeimenden Zweifel an meiner gestrigen Entscheidung schiebe ich besser beiseite. Wenn man sich nicht ganz sicher fühlt, muss man den Plan ändern, besonders wenn man allein unterwegs ist.

                                Die restliche Strecke hoch zum Pfad und weiter nach Kårhamn dauert kaum noch eine Dreiviertelstunde. Zuerst suche ich mir aber einen richtig guten Platz fürs Zelt und folge dafür dem kleinen Tal, das von Nordwesten zur Mellabukt abfällt. Schnell ist ein winziger Bach gefunden, kurz danach der perfekte Platz mit Blick nach Süden.


                                Pfad nach Kårhamn

                                Als das Zelt steht, mache ich mich zum Telefonieren auf den Weg nach Kårhamn. Am Kai hat das Mobiltelefon zwar Empfang, aber das Netz ist extrem schlecht. Bedarfshalt bei Schnellbooten heißt, man muss (möglichst am Tag vorher) auf dem entsprechenden Boot anrufen und den Halt anfordern. Nach zwei vergeblichen Versuchen eine Verbindung herzustellen, bitte ich meine Frau per SMS, das für mich zu machen. Beim dritten Versuch geht die Nachricht durch.

                                Als das zufriedenstellend geklärt ist, gehe ich zurück zum Zelt und wasche mich (und ein paar Sachen) im Bach. Ein Abend, an den ich noch lange zurückdenken werde. Am perfekten Platz mit Blick auf Flaskefjorden und an der Küste entlang bis zu den Øksfjordbergen, der Wind gerade stark genug, um die Mücken zu vertreiben und genau aus der richtigen Richtung, um gemütlich im Zelteingang die Aussicht zu genießen. Ich fühle mich sauwohl hier und entspanne total.

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                                  • 18.06.2014
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                                  #17
                                  AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                  Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                  Bei dem gutem Wetter hätte ich den Aufstieg vielleicht doch probieren können. Die aufkeimenden Zweifel an meiner gestrigen Entscheidung schiebe ich besser beiseite. Wenn man sich nicht ganz sicher fühlt, muss man den Plan ändern, besonders wenn man allein unterwegs ist.
                                  Wie ich das kenne, ich hadere so oft damit, wenn ich was nicht umsetze, was ich mir vorgenommen habe. Dabei hast Du mit Deinem letzten Satz sowas von recht!
                                  Vielen Dank für diesen superschönen Bericht aus einem so wenig bekannten Gebiet, bin sehr gespannt, wie es weitergeht!

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                                  • Gast180628
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                                    • 08.10.2012
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                                    #18
                                    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                    Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
                                    Dabei hast Du mit Deinem letzten Satz sowas von recht!
                                    ja! richtige entscheidung, zu viele offene fragen (erster aufstieg?, zweiter aufstieg?, der flaschenhals riehppi/gahpu zwischen west- und osthälfte zu steil?), anstrengendes gelände ab ne 3/4 stunde hinter k. und das wetter...
                                    aber kein hader ist so klein wie auf seiland (und tendenziell auf inseln), weil man auch auf dem rückweg (und den rückwegen) wieder so neu sieht.
                                    sich gehen lassen braucht zeit und mut zur planlosigkeit (auf inseln leicht möglich).
                                    Zuletzt geändert von Gast180628; 14.09.2017, 11:29.

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                                    • Gast180628
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                                      • 08.10.2012
                                      • 510
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                                      #19
                                      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                      Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                      <like!!!>

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                                      • Borgman
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                                        • 22.05.2016
                                        • 768
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                        Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
                                        Wie ich das kenne, ich hadere so oft damit, wenn ich was nicht umsetze, was ich mir vorgenommen habe.
                                        Über das Thema kann man lange reden. Nach so vielen Streckentouren mit festem Ziel vor Augen beginne ich jetzt erst das umzusetzen, was wonderrenter mit sich-gehen-lassen und Planlosigkeit meint. Nämlich mehr auf das Gefühl im Augenblick zu achten und auf die Gegebenheiten wie Gelände und Wetter spontan zu reagiern. Oft sind unsere Pläne einfach sehr viel ambitionierter als wir in Wirklichkeit umsetzen wollen. Mal einen Tag ausspannen und ein Tal erkunden, das einfach nur schön aussieht, aber nicht auf unserer geplanten Strecke liegt. Oder eben den Plan ganz fallenlassen und schauen, was geht und wozu man Lust hat. Ich war jedenfalls noch nie so gut erholt wie nach diesem Urlaub.

                                        Vielen Dank für diesen superschönen Bericht aus einem so wenig bekannten Gebiet, bin sehr gespannt, wie es weitergeht!
                                        Danke gleichfalls, dann nimmst Du es mir wohl nicht übel, dass der Titel an Deinen letzten Bericht anklingt (das mit den halben Sachen), den ich übrigens sehr gerne gelesen habe.

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                                        • Blahake

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                                          Fuchs
                                          • 18.06.2014
                                          • 1591
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                          Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                          ...dann nimmst Du es mir wohl nicht übel, dass der Titel an Deinen letzten Bericht anklingt...
                                          Um Himmels Willen, das wäre ja noch schöner! Da hab' ich kein Patent drauf!

                                          Im Gegenteil, freut mich doch, wenn ich Dich inspirieren konnte - so wie unter anderen auch einer Deiner Berichte mich inspiriert hat, dieses Jahr im Saltfjell zu wandern. Bericht folgt, dauert aber noch. Dieses Forum lebt doch davon, dass man sich Tipps und Ideen gibt bzw. holt, das kann dann doch auch für das Sprachliche gelten

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                                          • Borgman
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                                            • 22.05.2016
                                            • 768
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                            Bevor es mit dem nächsten Tag weitergeht, muss ich erst mal etwas korrigieren, was ich weiter oben geschrieben habe:
                                            Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                            @wonderrenter: Dein Beitrag zum Them Wandern auf Seiland im Trekkingforum war ja bisher so ziemlich das Einzige, was man im Netz in deutscher Sprache lesen konnte (auch wenn ich ehrlich gesagt nicht ganz schlau draus geworden bin ).
                                            Mittlerweile, auch nach unserem PN-Austausch, werde ich sehr wohl schlau aus Deinem unkonventionellen Bericht. Musste mich nur mehr mit dem Inhalt auseinandersetzten, um die Form zu verstehen. Und die Form entspricht ganz einfach Eurer Herangehensweise an das Wandern auf Seiland. Ohne festen Plan, sich treiben lassen, nichts ist wichtig. Auf den ersten Blick etwas verwirrend, aber doch sehr überzeugend.


                                            Tag 6
                                            Von Kårhamn nach Hammerfest

                                            Am frühen Morgen regnet es etwas, mit 8°C ist es genau wie gestern, nicht warm, nicht kalt. Da mein Boot erst um 16:20 Uhr fährt, kann ich mir Zeit lassen und abwarten, wofür das Wetter sich heute entscheidet. Das stetige Pochen der Regentropfen auf das Außenzelt lässt mich bald wieder wegdämmern.

                                            Beim Frühstück gegen 10:00 Uhr hat der Regen schon aufgehört, und zwischen den Wolken zeigen sich schon erste blaue Flecken. Jetzt wird es langsam Zeit, über meine weitere Tourplanung nachzudenken, und was gäbe es dafür besseres als einen Strandspaziergang? Weil ich ohne Kamera unterwegs bin (will ja nachdenken), zeige ich noch mal ein Foto von gestern:



                                            Wenn ich morgen noch nach Hønseby komme, dann könnte ich vielleicht die Nord-Süd-Querung in der verbleibenden Zeit schaffen. Zehn Tage will ich aber auf jeden Fall für den Stabbursdalen NP reservieren, das ist mir auch wichtig. Allerdings habe ich mittlerweile gemerkt, dass in diesem Jahr, schon seit der ersten Tour im April, alles anders ist, meine Pläne gehen nicht auf. Und vor Seiland habe ich großen Respekt bekommen. Vielleicht sollte ich meinen Plan der Durchquerung doch lieber fallenlassen und einfach mal überlegen, wozu ich am meisten Lust habe. Verwegener Gedanke, eigentlich habe ich doch gelernt, mich durchzubeißen und an Schwierigkeiten abzuarbeiten.

                                            Zurück am Zelt prüfe ich meine ausgedruckten Fahrpläne und stelle fest, dass nach Hønseby am Sonntag kein Bus fährt. Trifft sich gut, denn mein Gefühl ist sowieso eindeutig. Ich will zuerst sehr gemütlich meine Stabbursdalen-Tour machen und dann nochmal ohne Plan und Druck zurück nach Seiland. Dann drehe ich die Richtung mal um und laufe von Stabbursnes nach Alta, von da komme ich leicht nach Altneset auf Seiland.

                                            Der Rest des Tages vergeht schnell. Am Nachmittag geht es zurück nach Kårhamn, wo das Boot überraschend früh einläuft. Eine größere Gruppe Angler landet hier an, Tonnen von Ausrüstung, Nahrungsmitteln und Getränken werden per Kran entladen. Das dauert seine Zeit. Als es endlich losgeht, wird es wieder eine herrliche Fahrt durch die wunderschöne Inselwelt. Nur viel zu kurz für meinen Geschmack, schon nach einer guten halben Stunde sind wir in Hammerfest.





                                            Zuerst stocke ich meinen Proviant beim Coop mega wieder auf 10 Tage auf. Da Samstag ist, haben die Sportgeschäfte hier schon zu, muss ich eben ohne Real Turmat auskommen. Dann telefoniere ich mit meiner Frau, besorge bei Esso eine Flasche Spiritus und bin so weit, dass ich mir überlegen kann, wo ich die Nacht verbringe. Ich war vorher noch nie in Hammerfest, aber so schwierig kann das hier nicht sein. Erst mal zum Storvann, dann nordöstlich durch ein Wohngebiet und auf einer groben Piste ein Stück hoch. Hier verläuft ein Rentierzaun, der die Stadt vor herumstreunenden Tieren schützen soll (so steht es auf einem Schild). Und schon beginnt die Utmark: freies Zelten.


                                            Storvannet, Hammerfest

                                            Es gibt überall Wasser und gute Zeltmöglichkeiten, ich entscheide mich für einen Platz am Langvann. Noch ist es sonnig, aber es weht ein straffer Nordostwind. Als ich mit meinen abendlichen Verrichtungen fertig bin, zieht Nebel auf, da wird es bald kühl.


                                            Bild vom nächsten Morgen


                                            Damit endet meine erste zaghafte Annäherung an Seiland. Der Bericht geht später noch weiter, denn ich werde noch eine zweite (wie der Titel schon anklingen lässt), ganz andersartige Wanderung auf dieser faszinierenden Insel unternehmen. Hier schon mal ein Vorgeschmack darauf:




                                            Doch zuerst geht es auf vertrauteres Terrain, in den Stabbursdalen Nasjonalpark. Nach einiger Überlegung habe ich beschlossen, dafür einen separaten Bericht zu machen. Die beiden Gebiete sind einfach zu unterschiedlich, und wer sich nur für das eine davon interessiert, muss sich nicht auch mit dem anderen auseinandersetzen.

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                                            • Antracis
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                                              • 29.05.2010
                                              • 1280
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                              Vielen Dank für die stimmungsvolle und detaillierte Mitnahme. Wenn man sich, zumal Solo, nicht mal mehr auf die eigenen Instinkte verlassen könnte, worauf dann ? Wir sind auch schon öfters umgedreht und auch, wenn ich öfters denke, heute würde ich anders handeln, glaube ich, dass es damals immer genau richtig war - weil es sich richtig anfühlte.

                                              Wie Du weist, liegt die Karte von Seiland ja seit letztem Jahr hier. Das Interesse ist jedenfalls durch Deinen Bericht nicht kleiner geworden und ich freue mich schon auf Teil 2.

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                                              • Borgman
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                                                • 22.05.2016
                                                • 768
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                Zitat von Antracis Beitrag anzeigen
                                                Wenn man sich, zumal Solo, nicht mal mehr auf die eigenen Instinkte verlassen könnte, worauf dann ?
                                                Schön gesagt. Das ist auch ein Aspekt, der mich am Alleinwandern besonders reizt, man spürt seine eigenen Instinkte ganz stark und merkt, dass man sich auf sie verlassen kann. So ganz degeneriert sind wir nämlich doch noch nicht durch den Komfort der Zivilisation.

                                                Wie Du weist, liegt die Karte von Seiland ja seit letztem Jahr hier. Das Interesse ist jedenfalls durch Deinen Bericht nicht kleiner geworden und ich freue mich schon auf Teil 2.
                                                Zu der Karte muss ich noch was sagen, gut, dass Du mich dran erinnerst. Ich schreibe nur erst mal den Bericht über die Stabbursdalen-Tour fertig, dann geht es hier weiter.

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                                                • Dogmann
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                                                  • 27.09.2015
                                                  • 1022
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                  Hej, Borgman, das Gefühl zu Anfang kenne ich auch nur zu gut und dieses zwicken im Knie ist mir auch nicht ganz fremd!
                                                  Schöne Bilder, auch dein Bericht macht Spass.
                                                  Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

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                                                  • Borgman
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                                                    • 22.05.2016
                                                    • 768
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                    Hallo Dogmann, freut mich, dass Dir der Bericht gefällt. Es geht auch sehr bald weiter.

                                                    Da ich vorher noch nie Probleme mit dem Knie hatte, war ich doch einigermaßen beunruhigt. Dachte eigentlich immer, meine Gelenke seien verlässlicher als meine Kondition. Du kannst Dir vielleicht meine riesengroße Erleichterung vorstellen, als es später tatsächlich besser wurde...

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                                                      • 22.05.2016
                                                      • 768
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                      Tag 15
                                                      Zurück nach Seiland

                                                      Ganz ehrlich, ich bin froh, dass ich nicht in der vergangenen Woche auf Seiland war. Bis auf gestern hat es im Stabbursdalen NP jeden Tag geregnet und auf Seiland womöglich noch mehr, die Insel liegt ja exponiert nordwestlich davon. Nur wurmt es mich ein bisschen, dass ich heute erst am späten Nachmittag ankomme, diesen herrlichen Spätsommertag hätte ich gerne zum Wandern genutzt. Ist jetzt nicht zu ändern, das Reisen in der Finnmark braucht eben seine Zeit.

                                                      Heute ist Montag, der 28. August. Voller Vorfreude (auf die Wanderung, nicht auf die Busfahrt...) warte ich an der Busstation Alta Sentrum auf den Bus nach Nyvoll, der gewohnt pünktlich um 16:30 Uhr eintrifft. Zuerst fahren wir zum Hauptpostlager am Hafen, um die Post für die Inseln mitzunehmen, dann halten wir noch am Flughafen. Obwohl ich den Fahrplan ja nicht ändern kann, bin ich etwas ungeduldig. Bis zum Leirbotnvann geht es auf der E6, danach ziemlich rasant auf dem schmalen RV 883 nach Kviby und schließlich mit schönen Ausblicken am Fjord entlang nach Storekorsnes, wo das Schnellboot schon wartet. Es ist die kleine Nordic Sky, die die Skoleruta i Rognsund bedient. Sie ist also so was wie der Schulbus der Gegend.


                                                      M/S Nordic Sky am Kai von Altneset

                                                      An Bord herrscht eine familiäre Atmosphäre, man kennt sich. Kurzer Halt in Hakkstabben, um die Post abzuliefern, eine Viertelstunde später sind wir in Altneset. Als ich gerade dabei bin, meinen Rucksack und die Wanderstöcke zu richten, spricht mich Stig an, der Besitzer von Seiland House. Prima, dann muss ich ihn ja nicht suchen. Wer im Süden von Seiland wandern will, sollte auf jeden Fall vorher mit Stig Kontakt aufnehmen. Kurz besprechen wir meinen geänderten Plan, der eigentlich kein wirklicher Plan ist. Stig muss sich weiter um seine Anglergruppe kümmern, gibt mir aber vorher für den Notfall noch seine Mobilnummer und ein paar Tipps für den Aufstieg. Es gibt mehrere Möglichkeiten, alle sind steil, aber machbar, ich kann selber aussuchen. Nur aufpassen soll ich, es mussten diesen Sommer schon Wanderer gerettet werden. Viel Regen, nasse Steine, da rutscht man schnell mal ab.


                                                      Blick nach Norden vom Kai

                                                      Der kürzeste Aufstieg beginnt direkt hinter Seiland House, es ist sogar eine Andeutung von Pfad erkennbar. Jetzt im Spätsommer ist er aber teilweise so überwuchert, dass man ihn kennen muss, um ihm zu folgen (so sagt Stig, und er hat recht). Ich versuche mein bestes, gebe aber bald auf und gehe einfach nach Gefühl, zumal ich heute sowieso nicht mehr viel schaffen will. Grytdalen sieht von hier am einfachsten aus. Trotz bedecktem Himmel ist es warm, bestimmt 15°C. Nach etwa 130Hm finde ich den perfekten Platz im lichten Birkenwald mit Blick auf den Fjord, dem kann ich nicht widerstehen und läute den Feierabend ein. Ein paar Mücken schwirren herum, aber mit denen komme ich klar.


                                                      Grytdalen


                                                      Sieht hubbelig aus, aber die Liegefläche ist erstklassig


                                                      Blick aus dem Zelt

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                                                        • 22.05.2016
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                                                        #28
                                                        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                        Tag 16
                                                        Grytdalen - Nordre Steinvannet

                                                        Leichter Regen am frühen Morgen, der aber schon aufhört als ich, kurz nach Sechs noch im Halbschlaf, mit dem Kaffeekochen beschäftigt bin. Heute und morgen soll es laut Prognose halbwegs trocken sein, für Donnerstag ist starker Regen angesagt. Dann will ich die beiden Tage möglichst gut nutzen und früh aufbrechen. Für einen festen Plan ist mir sowohl das Gelände als auch das Wetter zu ungewiss, ich werde einfach mal schauen wie ich vorankomme.

                                                        Als es dann gegen 07:40 Uhr losgeht, bin ich doch etwas angespannt, gleichzeitig aber auch neugierig und voller Tatendrang. Ich habe keinen blassen Schimmer, was mich erwartet. Ein paar allgemeine Hinweise wie "Melkelva kann schwer zu furten sein", ein paar Fotos und Norgeibilder konnten mir bei der Vorbereitung nur einen schwachen Eindruck von der Landschaft vermitteln. Es wird spannend.

                                                        Zuerst mal muss ich aus diesem Tal an irgendeiner Stelle aufsteigen, denn weiter bachaufwärts wird es sehr eng. Richtung Südosten wäre möglich, aber da entdecke ich nordöstlich eine steile, steinige Rinne. Warum nicht? Als ich sie erreiche, schlucke ich erst mal. Sieht ziemlich steil aus, vielleicht wäre eine andere Variante doch besser gewesen. Aber jetzt bin ich schon mal hier, sammle meinen Mut und beginne mit dem Aufstieg. Nach der unteren Stufe wird es besser, ich fühle mich sicherer. Bald stehe ich oben und werfe einen letzten Blick auf das Tal. War doch gar nicht so schlimm.


                                                        Blick zurück



                                                        Jetzt bin ich in einem kleinen Hochtal südlich des Piggfjellet gelandet. Das Gelände sieht unproblematisch aus, nasse Wiesen und Silberweiden am Bach, auf den Hügeln weitgehend Beerenheide. Wenn ich hangaufwärts ungefähr die Richtung halte, komme ich über die Hügelkette, danach sehe ich weiter. Inzwischen reißen die Wolken schon auf und machen Platz für ein paar Sonnenstrahlen. Sehr schön, so habe ich mir das vorgestellt.


                                                        Blick Richtung Stjernøya ...


                                                        ... und nochmal von weiter oben

                                                        Ich halte mich jetzt weiter östlich und steige am Nordwestausläufer des Grytdalshaugen weiter auf. Das Gelände wird hier zunehmend steiniger und und übersichtlicher, mit kleinen Einschnitten und Buckeln, die umgangen werden müssen.




                                                        Blick zurück zum Dagsvollvann, dort verläuft eine andere mögliche Route

                                                        Als ich die kleinen Seen am Hügel 552m erreicht habe, ist es Zeit für die Frühstückspause. Hier beginnt schon das Nationalparkgebiet. Zwar weht ein ungemütlicher Wind über die Hügelkette, aber ich habe ja bekanntlich nichts dagegen, zwischendurch das Zelt aufzubauen. Nach dem leckeren Blaubeermüsli mit Kaffee strecke ich mich also in aller Ruhe aus, sehr zufrieden mit den ersten zwei Wanderstunden.



                                                        Nach der Pause laufe ich weiter über den Hügel, hinter dem sich der Blick über das weite Søkkmyrdal bis zum Bekkarfjord öffnet. Das sieht von hier aus wie angenehmes Wandergelände, aber ich will zuerst nach Norden zum Gletscher, der jetzt auch zum ersten Mal zu sehen ist. Für
                                                        die schwierigere Strecke möchte ich das gute Wetter morgen nutzen, falls es denn so wird wie angesagt.


                                                        Seilandsjøkelen


                                                        Søkkmyrdalen

                                                        Ich halte mich also zuerst Richtung Sommarsettind, um das große Moor im Tal am Hang zu umgehen. Hier macht es Spaß zu wandern. Bis zu der kleinen Seenkette östlich des Sommarsetvannet bleibt das Gelände einfach. Mittlerweile setzt sich immer mehr die Sonne durch, was die Laune weiter verbessert. Schön ist es hier, ich bin froh, dass ich mich mich mal nach Seiland getraut habe.









                                                        Hinter dem letzten kleinen See versuche ich, möglichst genau nach Nordosten zu laufen, zum Abfluss des Søre Steinsvatnet. Das wird aber schwieriger als gedacht, denn das Gelände ist unübersichtlicher als die Karte vermuten lässt. Viel hoch und runter, kleine Steilstellen umgehend, komme ich jetzt deutlich langsamer voran. Dafür werde ich mit schönen Blicken zum Gletscher und die südlicheren Melkevatna im Tal belohnt.






                                                        Melkevatna




                                                        Blick nach Westen zum Kufjordtind



                                                        Am Søre Steinvatn angekommen, bin ich einigermaßen platt und brauche eine Pause. Direkt hinter dem Abfluss gäbe es sogar gute Zeltmöglichkeiten, aber hierzubleiben kommt nicht in Frage. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite, es wird richtig warm in der Sonne.


                                                        Abfluss des Søre Steinvatnet


                                                        Søre Steinvatnet

                                                        Satt und träge vom Mittagessen breche ich gegen 15:30 Uhr auf. Doch die Trägheit hält nicht lange an, denn die Strecke zum Nordre Steinvann wird spannend. Zuerst durch Weidenbüsche ein Stück am See entlang, dann scharf nach Ost-Nordost hinauf zu der zerfurchten Hochebene, die die beiden Steinseen trennt. Zwischen Schneefeldern, Felsen und winzigen Seen suche ich mir mühsam meinen Weg. Leider hält das schöne Wetter sich nicht, es hat zu nieseln begonnen.







                                                        Nachdem ich mich unter einem leider sehr solide gebauten Rentierzaun hindurchgequetscht habe, beginnt es stärker zu regnen. Es hätte sowieso nicht viel Sinn, heute noch weiterzugehen, denn hinter dem Nordre Steinvann wird der Berghang steil und steinig, gute Zeltplätze dürften da rar sein. Selbst hier sieht es bei näherer Betrachtung nicht so dolle aus mit ebenen Flächen. Nach einiger Suche nehme ich einen leicht abschüssigen, der dafür weniger Hubbel hat und baue das Zelt auf. Als ich vom Waschen im See zurückkomme, stelle ich fest, dass ich irgendwo auf dieser Seite vom Zaun meinen Pullover verloren habe und muss noch mal hinaus in den Regen. Mist! Als ich ihn schließlich finde, ist er natürlich durchnässt. Starker Regen am Abend bei 9°C, so findet dieser wunderschöne, spannende Tag einen unerwartet trüben Abschluss.

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                                                          #29
                                                          AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                          Tag 17
                                                          Nordre Steinvannet - östlich Johkanjárhárji - Søre Steinvatnet

                                                          Nach dem vielen Regen ist alles sehr nass, aber schon vor Sechs scheint die Sonne aufs Zelt. Sofort bin ich hellwach und wage einen Blick nach draußen. Sieht vielversprechend aus, blauer Himmel, nur wenige Wolken. Beim Kaffeekochen entwickelt sich der Plan für heute von selbst. So ganz traue ich dem Wetter nicht, die Vorhersage war ja auch eher wechselhaft als stabil. Und in dem felsigen Gelände westlich des Gletschers will ich nicht ohne Not im Regen herumstolpern. Kein Risiko eingehen, das ich nicht abschätzen kann. Deshalb beschließe ich, das Zelt stehenzulassen und zwei Stunden mit Tagesrucksack aufzusteigen. Dann bin ich mit Pause fünf Stunden unterwegs, so lange sollte sich das Wetter halten.



                                                          Vorher wasche ich noch ein paar Sachen im Bach und starte dann um Sieben. Die Richtung ist klar: einfach genau nach Norden den Berghang hoch. So ohne den schweren Rucksack bin ich ungewohnt leichtfüßig, ein herrliches, freies Gefühl. Der erste Anstieg vom See ist noch schön übersichtlich, aber schon bald komme ich am Berghang in ein Labyrinth aus Felsen und Schneefeldern, in dem ich nur noch durch Versuch und Irrtum vorankomme.


                                                          Nordre Steinvannet





                                                          Das braune Gestein ist rau und griffig, so dass man selbst auf steilen Felsplatten perfekten Halt hat. Langsam bekomme ich ein Gefühl für diese eigenwillige Landschaft, eine Ahnung, wo man vorankommen könnte, wie steil noch gut zu schaffen ist und was man besser umgeht. Immer wieder bin ich fasziniert vom Kontrast der dunklen Felsen mit dem Schnee und dem blauen Himmel. Es beginnt, großen Spaß zu machen.







                                                          Im Regen und bei schlechter Sicht wäre ich hier allerdings nicht so gerne unterwegs, da ist es schon ganz gut, dass ich heute nur einen Erkundungsausflug mache, Erfahrungen sammle. Nach den zwei Stunden, die ich mir vorgenommen habe, erreiche ich ein Aussichtsplateau über dem Gletschervorland, das ich kurzerhand zum Ziel erkläre. Frühstück in der Sonne, mit Blick zum Gletscher, herrlich! Ich versuche ein Foto mit Selbstauslöser, aber die Kamera steht wohl etwas schräg ...




                                                          besser gehts mit der Kamera in der Hand







                                                          Die charakteristischen buckeligen Hügel des Gletschervorlands finden sich auch im Kleinen wieder, es wirkt so, als hätte der Fels Blasen geworfen. Melkelva donnert durchs Tal, die Seen leuchten grünlich. Ich genieße die Aussicht und bewundere die einfallsreiche Topographie dieser Insel, die immer neue Herausforderungen für Wanderer bereithält. Nachdem ich mich halbwegs satt gesehen habe, beschließe ich, dass es Zeit für den Rückweg ist. Da ich mir die Route vom Hinweg sowieso nicht einprägen konnte, gehe ich jetzt weiter östlich, am Rand des Steilhangs. Einfacher ist es hier nicht, aber der Blick ist schöner.














                                                          See 431m und Melkelva

                                                          Der Abstieg zum Nordre Steinvann ist auf dieser Route etwas steiler und schwieriger zu überblicken. Mit Gepäck würde ich hier wohl ins Schwitzen kommen. Bald kann ich meinen See erkennen, jetzt ist es nicht mehr weit.


                                                          Stjernøya und Kufjordtinden im Hintergrund




                                                          Blick zum Nordre Steinvann (als winziger blauer Streifen erkennbar)


                                                          Nicht die beste Abstiegsroute, aber machbar






                                                          Fast geschafft: Nordre Steinvannet


                                                          Das letzte Stück geht über Buckelwiesen

                                                          Gegen 12:00 Uhr bin ich zurück am Zelt, das schon fast trocken ist. Während ich das Mittagessen vorbereite, überdenke ich meine weiteren Optionen. Mein letzter Wetterbericht ist zwar schon drei Tage alt und kann sich inzwischen geändert haben, aber so ganz außer Acht lassen mag ich ihn auch nicht. Für morgen war da ziemlich fieser Regen und Wind angesagt, also ist es wohl besser, wenn ich mich heute noch zum Søre Steinvatn zurückziehe. Nach einer langen Pause in der Sonne packe ich zusammen und breche auf. Zuerst robbe ich unter dem Rentierzaun hindurch.


                                                          Blick nach Osten, zum Melkevatn 306m


                                                          Melkevatna

                                                          Jetzt muss ich wieder über den zerfurchten, unübersichtlichen Bergrücken zwischen den beiden Steinseen. Obwohl ich sie schon von gestern kenne, bleibt die Strecke unangenehm. Mittlerweile ziehen immer mehr Wolken durch. Die große Attraktion: fünf reife Moltebeeren, man ist ja in diesem Jahr nicht anspruchsvoll was Beeren angeht.







                                                          Ich komme etwas zu weit östlich an eine Abbruchkante, finde dann aber doch die gute Abstiegsroute, die ich gestern hochgegangen bin. Ab hier geht es entspannt bis zum See.


                                                          Søre Steinvatnet

                                                          Direkt am See finde ich sofort einen ebenen Zeltplatz, selten in dieser Gegend. Ein paar Mücken gibt es hier auch, aber mehr als 10 Stiche bekomme ich nicht ab, die verschwinden schnell wieder. Am Steilhang gegenüber grasen Schafe, die Glocken der Muttertiere schaffen eine anheimelnde Atmosphäre. Waschen im See, dann Kaffeekochen. Erst später am Abend regnet es ein bisschen.


                                                          Tag 18
                                                          Abwettern

                                                          Der Wind hat gedreht und treibt am frühen Morgen einige Regenschauer aus Westen heran. Nichts dramatisches, ich bleibe noch ein Weilchen im warmen Schlafsack, draußen hat es 8°C. Als der Wind dann deutlich auffrischt und den Regen aufs Zelt nagelt, halte ich es dann doch für angebracht, das Zelt so zu drehen, dass der Eingang im Windschatten liegt und es sturmsicher abzuspannen. Hätte ich früher machen sollen, jetzt ist das eine ungemütliche Aktion. Ich muss aufpassen, dass nichts wegfliegt und möglichst wenig nass wird.

                                                          Danach erst mal Frühstück. Ich richte mich auf einen Ruhetag ein und bin froh über meine gestrige Entscheidung. Wind und Regen steigern sich beunruhigend bis zum Mittag: stürmische Böen jagen über den See auf meinen ungeschützten Platz, und der Regen prasselt so stark aufs Außenzelt, als wolle er Löcher hineinschlagen. Was ihm zum Glück nicht gelingt.

                                                          Mit einem weniger stabilen Zelt hätte ich mir wohl schnellstens einen windgeschützten Platz gesucht, aber so gut wie mein Soulo jetzt steht, lasse ich es drauf ankommen. Ein Gestängesegment mit Riss habe ich kürzlich ausgetauscht, die Schlaufen für die Abspannleinen sind aus stärkerem Material erneuert worden (nachdem sie bei drei Stürmen auf Island fast komplett durchgescheuert waren), und dieses Jahr habe ich auch neue Reißverschlüsse einnähen lassen. Das Zelt hält einiges an rauem Wetter aus.

                                                          Entspannt bin ich trotzdem nicht, dafür tobt es zu heftig. Am Nachmittag lässt der Regen nach, und sogar die Wolken reißen für eine Stunde auf, aber der Wind bläst weiter unbarmherzig. Die Schafe am gegenüberliegenden Hang gehen unbeirrt ihrer Beschäftigung nach. Schaf sein ist auch kein leichter Job auf dieser Insel.

                                                          Als am frühen Abend wieder Regen einsetzt, zieht das Wetter noch mal alle Register. Das wird eine unruhige Nacht.
                                                          Zuletzt geändert von Borgman; 03.10.2017, 15:53. Grund: Korrektur

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                                                            • 22.05.2016
                                                            • 768
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                            Tag 19
                                                            Søre Steinvatnet - Store Kufjorden

                                                            Ein stiller, kalter, wolkenverhangener Morgen. Es wirkt so, als hätten sich Wind und Regen total verausgabt und hingen jetzt erschöpft und reglos über der Landschaft. Nicht verschwunden, wie an einem sonnigen Morgen, sondern immer noch anwesend, nur jeder Kraft beraubt. Etwas später setzt leichter Sprühregen ein, schwaches Lebenszeichen der ermatteten Elemente.

                                                            Heute ist Freitag, der 01. September, meteorologischer Herbstanfang. Wie passend! Bei 5°C zieht es selbst mich, den notorischen Frühaufsteher, momentan noch nicht nach draußen. Ich weiß eh, was mich erwartet: tropfnasse Weidenbüsche, angeschwollene Bäche, aufgeweichter Boden. Da lasse ich mir doch lieber Zeit mit dem Frühstück, freue mich an der Wärme des Kochers.





                                                            Kurz nach 09:00 Uhr kann ich mich dann doch aufraffen, trenne nasse von trockenen Sachen, hänge das Innenzelt aus und packe zusammen. Ich möchte zuerst ein Stück nach Osten zur Melkelva gehen und dann vielleicht Richtung Store Bekkarfjorden. Folge also grob dem Abfluss des Søre Steinvatnet durch tropfnasse Weidenbüsche und aufgeweichten Boden entlang der Kette kleiner Seen. Die ebenen Stellen sind so randvoll mit Wasser, dass ich immer versuche, über die Hügel zu gehen. Kurz vor dem Melkevatn 265m stoße ich auf eine Rentierzaun, der von Osten kommt und hier nach Süden schwenkt, begleitet von einer Quadspur. Sogar eine kleine Hütte gibt es, sicher für Rentierhüter.



                                                            Dicke Wolken ziehen durch die Täler im Süden, was mich an meinem Plan zweifeln lässt. Die Sicht ist doch sehr eingeschränkt, und es beginnt auch wieder leichter Regen. Bei dem trüben Wetter ist es wohl das vernünftigste, den Rückweg zum Store Kufjord anzutreten.



                                                            Für den Abstieg will ich die Route über Sommarsetvannet ausprobieren. Also ändere ich den Kurs auf Südwest und durchquere zuerst die nasse Ebene erneut, um später den Hang östlich des Sommarsettind hochzugehen. Das Gelände ist einfach und nur teilweise steinig, aber irgendwie zieht sich der Aufstieg ganz schön hin. Ich müsste doch schon längst die kleinen Seen erreicht haben, die zum Sommarsetvann hinunterführen. Die unübersichtlichen Senken und Hügel am Hang machen mir die Orientierung aber auch nicht leicht. Dafür sehe ich endlich mal Rentiere.


                                                            Hier beginnt der Aufstieg





                                                            Schließlich bin ich mir sicher, dass ich zu weit nördlich gelandet bin und korrigiere nach Süden. Jetzt kann ich das richtige Tal erkennen, bin auch viel zu hoch aufgestiegen. Hier ist mir der Hang allerdings zu steil, da muss ich ein ganzes Stück zurückgehen.


                                                            das richtige Tal


                                                            hier schaffe ich den Abstieg


                                                            schöner Pausenplatz am See

                                                            Glücklich im richtigen Tal angekommen, stelle ich erst mal das Zelt für die Mittagspause auf. Es regnet jetzt stärker, etwa zwei Stunden lang. Das verbessert zwar meine Laune nicht gerade, bestätigt aber meine Entscheidung, heute noch zum Fjord abzusteigen. Immerhin ist es fast windstill. Als es dann nur noch gelegentlich nieselt, packe ich zusammen. Die auf der Karte vorgeschlagene Route, hinter dem Sommarsetvann auf der Südseite des Tals abzusteigen, erscheint mir angesichts der Höhenlinien wenig sinnvoll, also probiere ich es lieber auf der Nordseite, rechts vom Bach.


                                                            Sommarsetvannet


                                                            Blick zurück


                                                            hier beginnt der Abstieg zum Store Kufjord

                                                            Bald stellt sich heraus, dass meine Vermutung richtig war, auf dieser Seite ist es weniger steil, weniger steinig, und weiter unten gibt es sogar massenhaft reife Heidelbeeren, die mein weiteres Vorankommen drastisch verlangsamen. Endlich mal gute Beeren, darauf habe ich seit Beginn der Tour gehofft. Zwar regnet es wieder, aber ich bin trotzdem gut gelaunt. Diese Route kann ich sehr empfehlen.


                                                            Store Kufjorden


                                                            Blick zurück

                                                            Schließlich komme ich doch noch am Fjord an, in dem, scheinbar unvermeidlich, eine Lachszuchtanlage dümpelt. Etwas weiter nördlich entdecke ich eine Landzunge, die von Weitem gut zum Zelten geeignet scheint. Als ich sie durch hohe, nasse und steinige Wiesen endlich erreicht habe, ist sie nicht nur gut, sondern absolut perfekt. Ein Traum von einem Platz: ganz eben, übersichtlicher, aber weicher Untergrund, mit herrlichem Blick über den Fjord bis nach Stjernøya. Nach der großen Waschaktion im eiskalten Bach sitze ich im Zelteingang und freue mich, dass der ungemütliche Tag noch einen so befriedigenden Abschluss gefunden hat.




                                                            Tag 20
                                                            Store Kufjorden - Altneset

                                                            Immer noch leichter Regen am frühen Morgen, der aber schon aufhört, als ich mit dem Kaffeekochen beschäftigt bin. Die Wolken über Stjernøya sind schon ziemlich aufgelockert, und gegen Acht oder halb Neun wird es auch hier langsam sonnig. Da ich heute nicht mehr viel vorhabe, kann ich meinen herrlichen Platz am Fjord noch ein Weilchen auskosten, die feuchten Schuhe und Socken trocknen und ein paar Fotos machen.


                                                            Blick nach Stjernøya, mit Lachszuchtanlage






                                                            Kufjordtind


                                                            Blick zum Kufjordbotn - der Pass im Hintergrund (Straumskaret) ist die Aufstiegsroute von hier zur Seilandstuva (links). Der Berg rechts davon ist Gáhpu.


                                                            Hier noch mal herangezoomt. Der Aufstieg zum Pass sieht steil aus, soll aber "problemlos" machbar sein.

                                                            Dieser Morgen ist wirklich noch mal ein Höhepunkt meiner Tour. In der windstillen Morgensonne auf einem Felsen zu sitzen und die Berge zu betrachten, erfüllt mich mit einer tiefen Zufriedenheit. Das sind die Momente, die in Erinnerung bleiben, deswegen zieht es uns doch immer wieder in den Norden. Und alle Mühsal, alle Regentage sind vergessen.

                                                            Gegen Mittag kann ich mich aber doch von diesem Platz losreißen und gehe an der Küste entlang zurück nach Altnes. Alle paar Meter rauscht ein Bach vom Berg herunter, und auch die nassen Wiesen erinnern noch an den Niederschlag der vergangenen Tage.





                                                            Das letzte Stück am Berghang, bevor die Straße anfängt, ist noch einmal recht steil und durch den Birkenwald unübersichtlich. Ich halte mich sicherheitshalber ziemlich hoch am Hang, was aber rückblickend nicht nötig gewesen wäre. Auch weiter unten kommt man wohl gut durch.


                                                            das letzte Stück vor Altneset

                                                            Inzwischen sind wieder Wolken aufgezogen, im Wind wird es ohne Sonne sehr frisch. Deshalb mache ich meine Mittagspause im Schutzhäuschen an der Anlegestelle, wo ich aber nach einer halben Stunde auch friere. Stig ist unterwegs, deshalb melde ich mich bei ihm per SMS zurück. Jetzt gehe ich nur noch bis zur Kirche, und von dort den Hang hoch zum kleinen Moorsee Skjåvikvannet. Einen so tollen Platz zum Zelten wie gestern werde ich hier nicht finden, aber ich streune noch für zwei Stunden über die Hügel. Immerhin hat man einen schönen Blick über Altneset.




                                                            Altneset, das große Gebäude ist Seiland House



                                                            Bald beziehe ich meinen Platz im Birkenwald und telefoniere noch mit meiner Frau. Alles gut zu Hause, ich freue mich schon auf meine Familie. Am Abend wird es schnell kühl, hat nur noch 3°C.

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                                                              Vorstand
                                                              Fuchs
                                                              • 18.06.2014
                                                              • 1591
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                              Was für eine tolle Landschaft!

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                                                              • Borgman
                                                                Dauerbesucher
                                                                • 22.05.2016
                                                                • 768
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                                Tag 21
                                                                Altneset - Hakkstabben und Überfahrt nach Storekorsnes

                                                                Leider konnte ich nicht gut schlafen, bin immer wieder nassgeschwitzt aus unruhigen Träumen aufgewacht. Heute früh fühle ich mich entsprechend matt und lustlos, aber ich weiß, das wird vergehen. Nach einem starken Kaffee und ein bisschen Bewegung an der frischen Luft sieht die Welt schon wieder anders aus. Passend zu meiner Stimmungslage ist das Wetter auch matt und lustlos. Bedeckter Himmel, fast windstill, 8°C.

                                                                Meine Tour ist jetzt eigentlich beendet, ich könnte heute Nachmittag mit dem Boot nach Storekorsnes fahren und den Bus weiter nach Alta nehmen. Mein Flug geht aber erst Dienstag früh, heute ist Sonntag. Oder noch einen Tag auf Seiland verbringen und morgen zurückfahren. Aber für eine richtige Tageswanderung fehlt mir irgendwie der Antrieb. Letztendlich entscheide ich mich für einen Kompromiss: ich laufe auf der Straße bis Hakkstabben, übernachte in der Nähe von Storkorsnes und fahre morgen früh nach Alta. Denn mal los. Zuerst hinunter zur Straße.



                                                                Dann eine ereignislose, aber nicht unangenehme Stunde auf der Straße, bis ich direkt hinter dem Abfluss des Skarvevatn mit Blick auf Elvebukta eine gute Stelle für die Frühstückspause entdecke.



                                                                Die Bewegung hat nicht viel geholfen, ich bin immer noch müde und knalle mich nach dem Frühstück noch mal aufs Ohr. Später ein kleiner Spaziergang über die Hügel, die Sonne kommt durch. Am Nachmittag laufe ich dann die letzten, ebenso ereignislosen drei Kilometer bis Hakkstabben. Kein Mensch zu sehen, kein Autoverkehr.


                                                                erster Blick auf Hakkstabben

                                                                Als ich am Anleger warte, habe ich zumindest Gesellschaft von einer sehr schmusebedürftigen Katze, wir werden schnell Freunde. Zum ersten Mal auf dieser Tour piesacken mich hier Kriebelmücken. Kurz vor Bootsabfahrt um 17:45 Uhr füllt sich der Platz. Die gewaltige Menge von acht Menschen will mit mir nach Storekorsnes.


                                                                Bootsaneger Hakkstabben





                                                                Hier hängt, wie auch in Altneset, ein Infoblatt über Wandertouren. Vielleicht für den einen oder anderen interessant. Ich übersetze mal für alle, deren Norwegisch etwas eingerostet ist:


                                                                5 Gipfel Alteneset und Hakkstabben

                                                                Gryt-tinden, Altneset, von der Kirche, hinter dem Moor. Markiert, blaue Streifen (gemeint ist blaues Flatterband).

                                                                Vardefjellet, Altneset, von der Kirche, hinter dem Moor. Markiert, rote Streifen.

                                                                Piggfjellet, Altneset, hinter Seiland House. Teilweise markiert.

                                                                Seidi, Hakkstabben, vom Kai, den Hang hoch, über die Brücke, vorbei am blauen Haus. Orange markiert.

                                                                Seibukttinden, Hakkstabben, markiert ab dem kleinen Bach zwischen dem blauen Haus und Oldervik. Der Wanderpfad geht über Moskodalselva (kann mühsam sein). Rot markiert.

                                                                Auf den Gipfeln sind Tourbücher (Gipfelbücher) ausgelegt, für diejenigen, die sich registrieren wollen.



                                                                Und hier noch die Infotafel vom Nationalpark:



                                                                Wo wir jetzt schon bei allgemeinen Infos sind, noch ein Wort über die von mir benutzte Turkart Kvaløya, Seiland, Ausgabe 2004. Ich weiß nicht, ob es inzwischen eine bessere Neuauflage gibt, aber diese Karte kann ich nur eingeschränkt empfehlen. Zuerst einmal erschwert die braune Einfärbung der höher liegenden Gebiete doch sehr empfindlich die Lesbarkeit. Oft sind die Höhenlinien kaum noch vom Hintergrund zu unterscheiden. Sehr ärgerlich und vollkommen unnötig! Besser nimmt man die topographische Hauptkartenserie, die aber für Seiland leider so ungünstig geschnitten ist, dass man vier Blätter braucht, um die ganze Insel abzudecken.


                                                                Turkart Kvaløya, Seiland

                                                                Und dann gibt es auf der Karte einige sicher gut gemeinte Routenvorschläge. Manche davon sind halbwegs realistisch, wenn auch im Detail nicht optimal, aber andere sind einfach nur haarsträubend gefährlich und ganz sicher nicht gangbar. Beispielsweise Route Nr.10: Aufstieg von Straumen zur Seilandstuva. Die richtige und einzig gangbare Route ist nicht in der Karte eingezeichnet, nämlich über Straumskardet und den Südhang hoch zur Seilandstuva. Oder Route Nr. 7: Aufstieg vom Jøfjord zum Seilandsjøkelen. Die richtige Route wäre durch das Breidhovddal zum See 548m aufzusteigen und von dort zum Gletscher.


                                                                Das Boot fährt gewohnt pünktlich ab, und schon eine Viertelstunde später erreichen wir Storekorsnes.



                                                                Hier will ich die Nacht verbringen, bevor es dann morgen früh nach Alta geht. Sollte kein Problem sein, hier einen Platz zu finden. Ich laufe durch den kleinen Ort, dann eine Schotterstraße den Berghang hoch, die nach dem letzten Haus zu einer rauen Piste wird. Auf dieser immer weiter durch Birkenwald, bis ich offenes Gelände erreiche. Bald finde ich einen schönen Platz mit weitem Blick nach Nordwesten. Nachdem ich mich eingerichtet und im Bach gewaschen habe, ist es schon 20:00 Uhr, Zeit fürs Abendessen: das letzte Real Turmat.




                                                                Tag 22
                                                                Zurück nach Alta

                                                                Um 05:00 Uhr klingelt der Wecker, aber ich bin schon wach. Kurzes Frühstück, dann auf nach Storekorsnes. Das Wetter sieht vielversprechend aus für meinen letzten Urlaubstag. Die Berge auf der anderen Seite vom Altafjord baden bereits in der Sonne.


                                                                Blick zum Langfjord


                                                                Seiland, von Storekorsnes


                                                                Storekorsnes Kai






                                                                M/S Nordic Sky auf der Morgenroute

                                                                Um 07:35 Uhr fährt der Kleinbus nach Alta, wo wir eine gute Stunde später ankommen. Ich steige am Flughafen aus, ohne rechten Plan, was ich mit der verbleibenden Zeit anfangen möchte.

                                                                Alta ist eine sehr weitläufige Stadt, eigentlich sind es eher vier lose zusammenhängende Kleinstädte (mit ein paar verstreuten kleineren Ortsteilen): Elvebakken mit dem Flughafen und Schnellboothafen, Bossekop, dort ist auch das Retorten-Stadtzentrum angesiedelt, Aronnes inmitten von Feldern und Wiesen und Kronstad/Kaiskuru zwischen dem Fluss und den Hügeln im Süden. Dazwischen viel Platz für Naherholungsgebiete. Ich laufe zuerst zum Felshügel Komsa Richtung Bossekop.


                                                                Altafjorden, vom Lille Komsa


                                                                Bossekop

                                                                In der Sonne wird es schnell spätsommerlich warm. Ich streune ein bisschen herum, suche mir ein nettes Plätzchen und baue die Kaffeekoch-Station auf. Danach laufe ich zurück nach Elvebakken, kaufe ein paar Leckereien fürs Mittag- und Abendessen, und weiter geht es an Kirche und Friedhof vorbei zum Sandfallet. Das ist das östliche Ende eines langgezogenen, bewaldeten Hügels mitten in der Stadt. Anschließend auf dem Hügelkamm nach Westen.






                                                                Sandfallet


                                                                Kronstad


                                                                Alta Lufthavn


                                                                Alte und neue Sprungschanze


                                                                Treppenaufgang zur neuen Schanze

                                                                Hier richte ich mich im Schatten für eine ausgiebige Mittagspause ein und genieße das herrliche Wetter. Klar bin ich ein bisschen wehmütig, dass der Urlaub schon vorbei ist, aber andererseits habe ich viel erlebt und freue mich auch auf Zuhause. Am späten Nachmittag schlendere ich wieder zurück zur Brücke und am Fluss entlang zu meinem guten Platz, an dem ich die erste Nacht verbracht habe.


                                                                Pfad am Fluss


                                                                Altaelva


                                                                Tag 23
                                                                Rückreise

                                                                Da mein Flieger schon um 07:30 Uhr startet, kann ich heute keine Zeit verplempern. Na, für einen letzten Kaffee reicht es noch, aber dann muss ich auch aufbrechen. Es ist gerade hell genug, dass ich keine Taschenlampe brauche, den Pfad kenne ich ja inzwischen wie meinen Vorgarten. Am Flughafen brauche ich immer etwas Zeit, um den Rucksack komplett umzupacken (Stiefel und Zelt kommen nach ganz unten) und meine saubersten Klamotten anzuziehen. Dann noch ein kleines Frühstück aus den Resten vom Abendessen, und schon geht es los.

                                                                Die Anschlüsse in Oslo und Kopenhagen sind wieder so großzügig, dass ich reichlich Gelegenheit habe, mein Tagebuch noch einmal ganz zu lesen und an die Tour zurückzudenken. An die Anfangsschwierigkeiten mit meinem schmerzenden Knie auf der steinigen Strecke am Skreifjord, an meinen Mangel an Zutrauen für die Durchquerung der Insel, und wie ich dann erkannt habe, dass es oft besser ist, keine zu großen Pläne zu machen.

                                                                An die schöne Wanderung von Stabbursnes nach Alta, wo ich bei viel Regen immer Glück mit dem Wetter hatte, wenn es drauf ankam. Und wo ich mitten in der Steinwüste einen Zeltplatz fand. An die Weite der Finnmarksvidda, wie klein ich mich da fühlte und doch meine Kraft und Gelassenheit wiederfand.

                                                                Und natürlich an die Rückkehr nach Seiland, die Tour ohne festen Plan, wo ich zum ersten Mal erfahren habe, dass man sich einfach treiben lassen und den Instinkten folgen kann. Das war vielleicht, gemessen an meinen anfänglichen Ambitionen, auch nur eine halbe Sache, aber die hat mächtig Spaß gemacht und mir viele großartige Eindrücke beschert.

                                                                Wie so oft denke ich auch an alles, was ich nicht sehen und erleben konnte. Storevatndalen und der ganze Osten von Seiland, oben auf dem Gletscher zu stehen, Stjernøya, die immer so verlockend im Westen zu sehen war... Wie es aussieht, keimt schon der Wunsch nach einer weiteren Tour in die faszinierende Inselwelt der Westfinnmark.


                                                                Ende
                                                                Zuletzt geändert von Borgman; 21.10.2017, 18:42. Grund: Korrektur

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                                                                  Erfahren
                                                                  • 22.02.2015
                                                                  • 309
                                                                  • Privat


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                                                                  AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                                  Schöner und informativer Bericht mit tollen Fotos,

                                                                  Danke!

                                                                  Kommentar


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                                                                    Fuchs
                                                                    • 02.09.2016
                                                                    • 1511
                                                                    • Privat


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                                                                    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                                    Danke für den superinteressanten Bericht!

                                                                    Was die "Landkartenproblematik" angeht:
                                                                    Man kann sich ja auf norgeskart.no Karten nach eigenem Gusto ausdrucken; insbesondere dann, wenn man von einem Kartenblatt nur eine kleine Ecke braucht, ist das zu empfehlen. Hierzu einfach im Menü die Option "Lag turkart" (Wanderkarte erstellen) aufrufen und Maßstab wählen (1:25000 oder 50000) sowie (wenn gewünscht) noch die markierten Wanderwege hervorheben (fremheve merkede stier). Das ganze läßt sich dann so verschieben, bis man den gewünschten Ausschnitt hat.
                                                                    Dann nur noch die Karte erstellen und ausdrucken.
                                                                    Na ja, ich vermute, ich erzähle Dir hier nichts Neues.....

                                                                    Kommentar


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                                                                      Dauerbesucher
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                                                                      • 768
                                                                      • Privat


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                                                                      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                                      Zitat von neumania Beitrag anzeigen
                                                                      Schöner und informativer Bericht mit tollen Fotos,
                                                                      Freut mich, dass es Dir gefallen hat . Deine tollen Islandberichte habe ich übrigens auch immer sehr genossen und noch lebhaft vor Augen.

                                                                      Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                                                      Danke für den superinteressanten Bericht!
                                                                      ... und Danke für Dein Interesse!

                                                                      Was die "Landkartenproblematik" angeht:
                                                                      Man kann sich ja auf norgeskart.no Karten nach eigenem Gusto ausdrucken;
                                                                      Hast ja recht. Das ist sogar extrem komfortabel gestaltet bei Norgeskart. Trotzdem habe ich davon nur selten Gebrauch gemacht und nur, wenn es um einen kleinen Ausschnitt ging. Hier wäre es als Ergänzung zur Turkart sinnvoll gewesen, daran habe ich einfach nicht gedacht.

                                                                      Kommentar


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                                                                        • 1591
                                                                        • Privat


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                                                                        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                                        Also ich finde, das ist aber doch noch ein ausgeprochen schönes Ganzes geworden
                                                                        Vielen Dank für den tollen Bericht!

                                                                        Kommentar


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                                                                          • 734
                                                                          • Privat


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                                                                          AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                                          Auch ich danke für den wunderschönen Bericht aus einer Region, von der ich vorher nicht einmal ansatzweise gehört habe. Es hat riesigen Spaß gemacht, alles zu verfolgen - und nebenbei auch Deine früheren Bericht zu studieren. Danke.

                                                                          Kommentar


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                                                                            GELÖSCHT
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                                                                            • 510
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                                                                            AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                                                            Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
                                                                            Was für eine tolle Landschaft!
                                                                            +1!

                                                                            ich
                                                                            MUSS
                                                                            DA
                                                                            WIEDER
                                                                            HIN


                                                                            danke für den bericht! sehr schönes ganzes, find ich auch.
                                                                            macht nachvollziehbar, warum man da zur mitternachtsssonne die zeit vergisst.

                                                                            edit: von süden stig, von norden andre in honseby (einziger supermarkt, zugleich museum über seiland und die sea-sami). und lieber ein paar tage mehr ansagen. kleiner shop in karhamn (ggf. bootstrampen falls von dort gedacht). und mehr planung brauchts fast nicht, man wird sehen.
                                                                            Zuletzt geändert von Gast180628; 27.10.2017, 09:01.

                                                                            Kommentar


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                                                                              @Blahake: Danke! Ich warte auch schon gespannt auf Deinen Bericht von diesem Jahr...

                                                                              @vobo: Ja, man stößt nicht gerade oft auf Berichte aus dieser Gegend, das macht sie auch so spannend. Schön, dass es Dir Spaß gemacht hat!

                                                                              @wonderrenter: Danke auch Dir! André Larssen von Seiland Explore war mir auch eine große Hilfe bei der Vorbereitung, auch wenn ich die meisten seiner Tipps durch meinen geänderten Plan nicht verwerten konnte.

                                                                              Kommentar