• Torres
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    [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

    Tourentyp Radreise
    Breitengrad 54.43264812
    Längengrad -0.534210205
    Ich stehe an der Brücke, die Deutschland und die Niederlande voneinander trennt. Genauer: In Bad Nieuweschans.





    Mein Ziel ist es, den Nordseeküstenradweg bis Hoek van Holland zu fahren und dann nach England überzusetzen. Insgesamt habe ich drei Wochen Urlaub, von denen ich schon zwei Tage auf dem deutschen Nordseeküstenradweg für die Anreise verbraucht habe. Da ich nicht einschätzen kann, wie schnell ich bin, ist es mein Minimalziel, Harwich zu erreichen und entweder dort in der Umgebung ein wenig zu radeln oder den Nordseeküstenradweg nach Norden zu fahren. Mein Traumziel wäre natürlich, Newcastle zu erreichen und über Amsterdam zurück nach Hause zu fahren. Ist die Ostküste Englands flach? Ich bezweifle es. Genau informiert habe ich mich wie üblich nicht. Sonst fahre ich womöglich nicht los. Mit Steigungen komme ich nämlich schon seit Kindheitstagen nur schwer klar. Schauen wir mal.

    Da ich aber – wie bereits erwähnt - nicht erst seit heute unterwegs bin, ist ein kurzer Rückblick angebracht.


    Was bisher geschah:

    Am 30.08.2014, also vor zwei Tagen hatte ich in Norddeich meine Tour gestartet, die mich bis nach England führen soll. Berichtet habe ich davon bereits an anderer Stelle, nämlich hier: https://www.outdoorseiten.net/forum/...=1#post1337594.

    Die Wahl auf den Nordseeküstenradweg fiel, da wir dieses Jahr im Norden einen hervorragenden Sommer hatten, was man von den südlichen Ländern nicht behaupten konnte. Und nachdem ich nun Deutschland in den letzten Jahren in Teiletappen bis auf das kleine Stück Niebüll-Dänemark komplett abgefahren bin, wurde ich neugierig, wie der Weg in den angrenzenden Ländern nun weitergeht.

    Unterwegs bin ich mit meinem gelben Fahrrad, das für den harten Einsatz gebaut ist. Leider hatte es gestern den einen harten Fall nicht ganz verkraftet, als es vom Hauptständer fiel und das linke Pedal auf Betonplatten knallte. Der Kurbelblock hatte sich daraufhin nach rechts verschoben.





    Mit diesem Defekt war ich noch ca. 20 km gefahren und hatte das Problem mit einem Gummihammer zu lösen versucht. Das gelang nicht ganz, denn heute morgen hatte sich der Block wieder etwas herausgedreht und das Spannen der Kette lief auch nicht ganz nach Wunsch.

    Meine Packsystem ist eine Mischung aus Bikepackingsetup und hinten angebrachten Frontroller. Dadurch sieht das Fahrrad sehr voll bepackt aus, aber das täuscht, denn es ist mehr Volumen als Gewicht. Ich kann das Fahrrad mit Gepäck immer noch gut anheben, was für mich das wichtigste Kriterium ist.
    Ausrüstungstechnisch bin ich auf alle Witterungsbedingungen von Sommer bis Dauerregen bis Vorwinter eingestellt. Ich habe ein ausreichend großes Zelt dabei, in dem man bei dem zu erwartenden englischen Regen gut abwettern kann und zwei Schlafsäcke: Einen dünnen Daunenschlafsack und als Overbäg einen dünnen Kufa-Schlafsack. Gemeinsam wiegen sie soviel wie ein ausreichend dimensionierter Daunenschlafsack und das Packmaß ist ebenfalls gleich. Bei der zu erwartenden Feuchtigkeit ist mir Daune alleine zu heikel. Die Entscheidung ist richtig.


    Bisherige Etappen dieser Urlaubsreise:

    Norddeich Mole – Wirdum 37,4 km

    Wirdum – Bingum 98 km

    Bingum – Bad Nieuweschans, ca. 22 km



    Grundlage meiner Navigation wird in den Niederlanden eine Straßenkarte sein, die ich 2002 für eine Motorradtour erworben hatte und im Kartenschrank gefunden hatte. Die wichtigsten Campingplätze sind eingezeichnet. Die Route habe ich andeutungsweise eingezeichnet, wie ich sie auf der Karte der Website der North Sea Cycle Route gefunden hatte. Ob meine Informationen verlässlich sind, weiß ich nicht. Die website hatte eine Überarbeitung für August 2014 angekündigt, doch war diese bisher nicht erfolgt. Für England habe ich zwei neue Karten besorgt und auch hier die ungefähre Routenführung der website eingezeichnet. Ungefähr deshalb, weil der Nordseeküstenradweg Straßen folgt, die auf der Karte nicht abgebildet sind.

    Zur Sicherheit habe ich mein GPS Gerät mit. In Deutschland hatte ich sowohl die Radkarte mit eingezeichnetem Weg, als auch die Ausweisung von Radwegen auf einer topographischen Karte zur Verfügung. Das entfällt nun, da ich nur die Straßenkarte Europa im Navi mitführe. Sein Zweck ist, mir meine ungefähre Position anzuzeigen, mich notfalls in die nächste Stadt zu routen und mir Übernachtungsmöglichkeiten anzuzeigen. Einen GPS Track von einer Open Street Maps habe ich bewusst nicht heruntergeladen. Ich will den Schildern folgen.
    Ein Smartphone habe ich zwar dabei, möchte aber darauf verzichten. Ich will bewusst ohne die Hilfe des Internets unterwegs sein. Ich bin gespannt, ob das noch funktioniert.

    Meine Erfahrungen mit Holland beschränken sich auf die Durchreise zur Fähre nach England, ein paar Besuche in Amsterdam, einen Besuch bei Karsten Tenten und ein lange zurückliegendes Wochenende in Scheveningen, um eine Beziehung zu retten, die nicht zu retten war. In England war ich bereits öfter, allerdings entweder an der Westküste, in Wales oder im Lake District. Die Ostküste kenne ich bis auf die Hafenstädte Newcastle upon Tyne und Harwich nicht.
    Zuletzt geändert von Torres; 22.09.2014, 18:51.
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    #2
    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

    Fahrradsorgen.

    Mo, 01.09.2014
    Bad Nieuweschanz – Appingedam, 48,4 km (Gesamttagesleistung 70,4 km)


    Kaum habe ich die Brücke nach Holland überquert, fällt mir auch schon die unterschiedliche Beschilderung auf. Ich folge nun der Waddenzeeroute und da ich von Norden nach Süden fahre, ist für mich die Beschilderung LF 10b relevant.





    Käme ich aus der Gegenrichtung, wäre LF 10a für mich ausschlaggeben. Eine simple und effektive Form der Markierung, die jeden Zweifel über die richtige Richtung überflüssig macht. Auch die Übersichtstafel ist hilfreich und später werden an bestimmten Punkten Überblickskarten an der Straße hinzukommen, die zeigen, wo man sich befindet. Ganz Holland ist radwegtechnisch in derartige, miteinander verbundene Knotenpunkte untergliedert. Besser geht es nicht. Ein Kompliment an die Radwegplaner. Der Nordseeküstenradweg ist auf den Schautafeln allerdings nicht explizit eingezeichnet. Abkürzen ist daher nicht möglich.

    Ich biege in den Ort ein, gleich am Anfang ist ein Campingplatz. Dann geht es durch Wohnstraßen Richtung Ortsausgang.





    Es ist still hier. Merkwürdig, in einem Land zu sein, dessen Sprache ich lesen, aber nicht sprechen und schon gar nicht verstehen kann. Ein deutsches Paar mit Fahrrädern sucht auf der Karte den Weg nach Bunte, und ich erkläre ihnen den Weg.

    Dann bin ich auch schon auf dem Radweg einer Landstraße. Die Autos zischen vorbei und ich merke, dass meine Bemühungen, die Kette zu lockern, erfolglos waren. Sie steht immer noch unter unglaublicher Spannung. Also packe ich wieder mein Werkzeug aus und versuche, sie zu lockern. Ein Auto hupt. Sehr hilfreich. Der Wind weht unvermindert stark und pfeift mir um die Ohren.

    Ich radele weiter und stelle fest: Hier ist es wirklich ziemlich flach.











    Zwar hat man auch hier immer wieder mal das Gefühl, dass die Straße ein bisschen ansteigt. Aber alles drumherum ist flach. Kaum Bäume, nur Felder. Riesige Felder. Und einen Wind aus westlicher Richtung, der gnadenlos bremst.
    Die Wolken hängen tief und zwischendrin regnet es. Bei dritten Mal lerne ich, dass es sich nicht lohnt, den Regenponcho anzuziehen. Der Wind treibt die Wolken fort.

    Jeder Ort, jede Ansiedlung ist eine Abwechslung.





    Vor allem bieten die Höfe für eine kurze Zeit Windschutz, den ich dankbar annehme.





    Nicht, dass es viel Wind wäre. Ich messe 16 km/h, in Böen stärker, das ist eigentlich nicht viel. Aber hier ist wirklich nichts, aber auch gar nichts, was den Wind in irgendeiner Form abhalten könnte. Außer der Häuser und ihrer Bäume, natürlich. Ein riesiger Traktor überholt mich. Am Steuer sitzt eine junge Frau.

    Nach einiger Zeit verfestigt sich in mir der Gedanke, dass ich weder als Radrennfahrer noch als Fernreiseradler geeignet bin. Ich stelle mir vor, ich müsste 3000 km auf irgendeiner Straße am Ende der Welt immer geradeaus radeln. Ich würde kollabieren. Und wären die Berge und Ausblicke an der Straße noch so schön. Nein, ich könnte das nicht. Dafür muss man gemacht sein.
    Dann überlege ich, ob es Holländer waren, welche die schnurgeraden Straßen in amerikanischen Städten gebaut haben? Bestimmt. Unsere Deiche haben sie ja auch gebaut und das Land zurückgewonnen. Die Straßen hier wirken wie mit dem Lineal gezogen. Puh.

    Nicht nachdenken. Weiterradeln. Wind, Wind, Wind.





    Ein kleiner Fluss oder ist es ein Kanal? Abwechslung.





    Die Brücke fasziniert mich aufgrund der Verzierung mit einem Graureiher. Kaum zücke ich die Kamera, fliegt die Verzierung weg. Das scheint heute nicht mein Tag zu sein.





    Nicht das Meer wartet hinter den Toren, sondern der nächste Polder.





    Und so sehen die Knotenpunkte mit dazugehöriger Karte aus. Vorbildlich. Das holländische Wort für Fahrrad ist übrigens Fiets und Fietspaden ist der Fahrradweg.





    An einer Bank mache ich erschöpft Rast. Die Kette ist wieder zum Zerreißen gespannt, und ich justiere sie neu. Mit einem kaputten Fahrrad in Urlaub fahren. Bestens. Immerhin bin ich Holland und so beunruhigt mich das erstaunlicherweise nur wenig. Ich werde bestimmt eine Werkstatt finden. In England wäre ich mir da nicht so sicher.





    Ich umarme mein Fahrrad und ich mache kurz die Augen zu, um in der Sonne zu dösen. Ein Motorradfahrer fährt vorbei. Müde bin ich, kein Zweifel. Ein Schmetterling umschwärmt die Blumen, und ich versuche Fotos zu machen. So richtig habe ich die Einstellungen noch nicht raus, die meisten werden unscharf.








    Ein paar Rennradler rauschen vorbei und eine Heizdose. Superbike. Das Geräusch dröhnt in meinen Ohren. Geradeausfahren. Das kann man hier. Ich steige wieder auf mein Fahrrad.

    Ein Liegeradfahrer. Und Rückenwind hat er auch.





    Zur Abwechslung ein Ort, Termunten. Hier befindet sich auch ein Campingplatz, doch campen wäre mir zu früh. Dann stimmen die Abstände zu den nächsten Plätzen nicht mehr.





    Ein Mann mit Fahrrad (Hollandrad) fährt vor mir her und ich sehe zum ersten Mal die Kombination Hollandrad und holländische Packtaschen. Quadratisch. Praktisch. Spießig. Der Gesamteindruck könnte von Loriot sein. Aber ich fotografiere ihn nicht, er würde es bemerken. Einen kleinen Hafen gibt es im angrenzenden Ortsteil auch, aber ihn extra zu fotografieren, habe ich keine Lust.






    Die Urlaubssaison scheint vorbei. Es ist kalt und leer. Der Wind weht weiterhin. Die Imbissbuden sind geschlossen. Eine Frau führt ihren Hund spazieren und ich grüße. Sie grüßt zurück. Dennoch kein Grund, sich hier länger aufzuhalten.





    Ich folge den Schildern, doch anscheinend interpretiere ich sie falsch, denn ich fahre zum Parkplatz hinunter und finde am Ende nur kleine, nichtausgeschilderte Wege. Das ist untypisch. Vermutlich sind es Wanderwege.





    Ich drehe dennoch nicht um, sondern genieße die Abwechslung und die Tatsache, mich mal kurz verbergen zu können.


    Kurz darauf finde ich den Radweg, er verlief parallel am Deich.





    Delfzijl kommt in mein Blickfeld und ich ahne, dass schön etwas anderes ist. Steine stehen auf dem Deich, vielleicht ist das Kunst. Die hölzernen Radständer gehören nicht dazu.





    Zwei Jungen flitzen auf ihrem Fahrrad den Deich herunter und mir schwant: Was den Finnen die Skier sind den Holländern die Räder. Der Eindruck wird sich verfestigen.

    Der Weg nach Delfzijl führt über einen Industriehafen. Ich fahre auf dem Radweg, doch es ist laut und viele LKW sind unterwegs. Ich lasse einen vor, und er ist sehr dankbar darüber, wird aber gleich darauf durch einen Klappbrücke gestoppt.





    Überhaupt die Klappbrücken. Man muss sich daran gewöhnen, es sind viele. Erstaunlich, mit welcher Ruhe die Holländern dies hinnehmen. Und erstaunlich, wie wenig aggressiv die Radfahrer hier sind. Liegt es wirklich nur am Platz? Oder am Fahrrad? Oder an der Tatsache, dass hier die Provinz ist? Kampfradler mit alpintauglichen MTBs, die um jeden Vorteil bedacht sind, sehe ich im Stadtverkehr auf jeden Fall keine.








    Der Radweg führt mich am Kern von Delfzijl, der Fußgängerzone, vorbei, aber das, was ich an Innenstadt sehe, ist auch nicht sehenswert. Die Stadt wirkt hässlich und grau. Die wirtschaftliche Lage scheint nicht sehr gut zu sein. Der Campingplatz liegt 5 km entfernt am Radweg am Deich und so mühe mich mit Radampeln ab, die den Übergang in Teilschritten planen.
    Auf dem Deich steht ein Hotel mit Meerblick, das meinem Eindruck nach schon erheblich bessere Zeiten gesehen hat. Mich schaudert. Mehrere Gäste sind dennoch mit Koffern auf dem Weg hinein, sie sind im fortgeschrittenen Alter.

    Die Stimmung macht hier mich nachdenklich. Wenn ich erst einmal auf dem Campingplatz bin, werde ich bestimmt keine Lust mehr haben, zurück zufahren. Das Fahrrad hat aber oberste Priorität, sonst komme ich nie nach England. Ich wende und mache mich auf in die fahrradfreie Fußgängerzone. Eine Frau erklärt mir auf englisch, wo ich den Radhändler finde, und ich radele los. Schieben ist mir jetzt einfach zu viel, ich bin immer noch müde. Notfalls mache ich einen auf Ausländer.

    Der Radhändler hat geschlossen. Montags ist Ruhetag. Fein. Im Laden stehen ausschließlich Hollandräder und auch eher die einfachen Modelle. Keine Mountainbikes. Hoffentlich kennt der sich überhaupt aus. Ein arbeitslos wirkender Mann auf einer Bank winkt mich herbei und fragt, was ich für ein Problem hätte. Er erklärt mir, dass der Händler dennoch da sein könnte. Ich schaue noch mal nach. Nein, da ist niemand. Der wohnt dort, erfahre ich. Da ist die Klingel. Ich klingele. Nichts.

    Von hinten kommt ein Rennradler in Trikot und steuert auf die Tür zu. Ich frage, ob er der Radhändler ist, und er sagt nur: Tomorrow. Das ist mir klar, ich will nur wissen, ob er mit dem System etwas anfangen kann, aber das interessiert ihn alles nicht. Genervt sagt er: Tomorrow und verschwindet im Haus. Weg ist er.
    Nun habe ich ja volles Verständnis dafür, wenn jemand seinen Ruhetag genießen will und nicht von jedem angelabert werden will. Aber wenn da jemand mit vollem Reisegepäck steht, ist das eigentlich keine Standardsituation. Kurz und gut: Ich bin etwas sauer.

    Der Mann auf der Bank winkt mich wieder herbei. In Appingedam, im Nachbarort gibt es noch einen Radhändler. Da soll ich es mal probieren. Ich schaue auf meine Karte. Nein, das ist mir zu weit. Er grinst durch seine Zahnlücken und meint: Ich kenne noch jemanden! Er gibt mir eine andere Adresse. Ich solle es dort versuchen.
    Ich bedanke mich und schiebe das Rad ein paar Meter, um noch einmal meine Werkstatt anzurufen: Wie funktioniert das System, was könnte kaputt sein, muss man eventuell den ganzen Block austauschen. Keine Lust, mich von dem Blödmann von Radhändler auch noch über´s Ohr hauen zu lassen. Am Telefon ist diesmal nicht mein normaler Ansprechpartner, sondern einer aus der Werkstatt. Ich erkläre, worum es geht und er meint im Brustton der Empörung: „Ach ja, davon habe ich gehört. Das weiß ich nicht, das müsste ich mir anschauen. Du hast da mit dem Hammer drauf gehauen!!! Keine Ahnung, was da kaputt ist und wie das aussieht.“ Uiuiui. Da war aber jemand in seiner Mechanikerehre getroffen. Manche Leute sind echt sensibel.

    Ich route mich per GPS zu der anderen Adresse. Es ist ein Wohngebiet. Ein älterer Herr mit Enkelin, beide natürlich auf dem Fahrrad, sieht, dass ich etwas suche und spricht mich an. Wir finden die richtige Straße gemeinsam und suchen die Klingel zur Werkstatt. Eine andere Frau kommt zufällig vorbei und weiß, wie man den Herren findet. Nach kurzer Zeit sind wir zu fünft, denn die Frau des Herren gesellt sich hinzu. Ihr Mann ist leider nicht da, aber ein Spezialfahrrad ist nicht sein Metier. So unterhalten wir uns alle sehr nett, und ich erzähle, dass ich campen will. Der Campingplatz ist zu, schon seit Jahren, erklärt man mir und guckt mich mitleidig an. Mein Glückstag heute, ich wusste es.
    Aber es gibt ein neues B&B. Man schickt mich in die richtige Richtung. Die Gruppe löst sich auf.

    An der nächsten Ecke checke ich noch einmal mein Navi. Es gibt einen Campingplatz in Ekenstein, aber das sind 7 km. Oder waren es sogar 11? Zu weit, finde ich, ich mag nicht mehr, zumal ich morgen zum Radhändler muss. Da will ich in der Nähe wohnen.
    An der Ecke sehe ich eine Pension. Der Besitzer steht vor der Tür und ich frage, was ein Zimmer kostet. 26 Euro. „Okay“, sage ich, „nehme ich“. „Aber wir sind ausgebucht“, sagt er bedauernd. Mist. Ich frage nach Ekenstein. Ist das ein schöner Platz? „Liegt im Wald“, sagt der Mann und zuckt die Schultern. Das neue B&B soll teuer sein. Er beschreibt mir ein Hotel hinter dem Bahnhof, das günstiger ist.

    Kurz fahre ich in die Richtung und dann wende ich. Keine Lust auf irgendeine billige Absteige. Ekenstein klingt nett. Auf geht es.
    Ich route mich durch Delfzijl, es ist viel Verkehr, aber es gibt ja Radwege. Dann erreiche ich Appingedam. Und schon am Ortsschild weiß ich: Die Entscheidung war goldrichtig. Es riecht nach Sommer und Landluft.





    Appingedam ist traumschön.





    Venedig fällt mir ein. Im positiven Sinne. Das Wasser, kleine Brücken. Der fietspad führt direkt am Wasser entlang.








    Als der Ort zu Ende ist, geht es an einer Landstraße weiter. Ein Stand mit Gemüse taucht auf. Hoffentlich ist es nicht mehr so weit.
    Und dann bin ich da. Ein unauffälliger Platz. Eine kleine Rezeption. Bäume. Buchten für Wohnmobile, aber auch ein Familienzelt. Ich parke mein Fahrrad.





    Ein junger Mann ist zu sehen, und ich frage nach der Rezeption. Er ist die Rezeption. 7,20 Euro zahle ich und erkläre ihm, dass ich morgen nach Delfzijl muss, um das Fahrrad in die Reparatur zu bringen. Kann sein, dass ich noch einen Tag bleiben muss oder später abbaue. Kein Problem. Übrigens. Wir haben hier einen sehr guten Radhändler in Appingedam, Du musst nicht nach Delfzijl. Das ist der beste in der Gegend. Ja, MTBs hat er auch. Er erklärt mir auf dem Plan, wie ich dort hinkomme. Sollte ich Glück haben?

    Er zeigt mir die Zeltbereiche, und ich entscheide mich, mich einfach zentral mitten auf die Kuppe des Zelthügels zu stellen. Der Boden ist klitschnass, es hat viel geregnet, und ich will weder sonnenlos zwischen den feuchten Bäumen noch regengefährdet in der Senke stehen.





    70,4 km bin ich heute gefahren, das ist eigentlich nicht viel, aber mir reicht es vollkommen. Schnell baue ich mein Zelt auf. Sorgfältig das Innenzelt einhängen. Irgendetwas klemmt und das Bodenband hat zuviel Spiel. Aber irgendwie zubbelt es sich zurecht. Ich mache das ja alles nur, "weil es einfach ist."

    Dann geht es unter die Dusche. Herrlich. Ein kleiner Junge, 5 Jahre, steht mit seinem Vater am Spülbecken und der Vater ermahnt ihn, in den Sanis kein Fußball zu spielen. Er macht es dennoch, und ich schaue ihn ganz böse an. Er versteht den Spaß sofort und versteckt sich unter einem Waschbecken. Die Familie ist aus Deutschland.

    Ich esse den Rest meiner Brötchen vor dem Zelt, zum Kochen habe ich keine Lust. Ich bin gerade fertig, als er neugierig zu mir kommt, den Ball wieder unter dem Arm. „Ich spiele jetzt Fußball“, sagt er und lacht. Kurz darauf sind auch seine älteren Schwestern da. Sie entschuldigen sich, dass er mich stört. Aber er stört doch gar nicht, und das sage ich auch. Ich erfahre, dass am Ende des Platzes ein Pony steht und in einem Gehege Rehe sind.
    Ich frage die Älteste, 11 Jahre, wo sie herkommen und sofort leiert sie ihre gesamte Adresse herunter. Ich schaue sie groß an und erkläre ihr, dass sie niemals Fremden ihre ausführliche Adresse sagen sollte. Sie wüsste doch gar nicht, ob ich ein netter Mensch bin. Der Ort reicht völlig. Die Kleinere, 8 Jahre, nickt verständnisvoll: „Bei uns im Ort war auch ein böser Mensch. Das war ein Mann, der hat sich ein Mädchen genommen, es vergewaltigt und dann gebraucht ins Gebüsch geworfen. Das liegt jetzt im Koma“. Ich schlucke. Kindheit in einer Medienwelt.

    Die Große, A., nimmt nun dem Kleinen den Ball weg und dribbelt davon. Nicht ganz fair, wie ich finde, aber sie erklärt mir, dass das Teil des Spiel ist. Tatsächlich findet der Kleine das toll und rennt sofort seiner Schwester hinterher. Sie kickt den Ball zu mir, er rennt zu mir, und ich kicke zurück und er rennt zurück. Die Kleinere, R., macht auch mit, und wir kicken den Ball immer zwischen uns hin und her. Mit Begeisterung rennt er dem Ball hinterher, und manchmal bekommt er ihn sogar. Aber er kann gar nicht schießen, sondern nur dribbeln. Sobald er schießen will, fällt er hin und stolpert über den Ball. Ich zeige ihm, wie es richtig geht, aber das interessiert ihn nicht.
    Ab und zu lassen wir ihn schießen, und dann nimmt er einen Riesenanlauf und rennt auf den Ball zu, um dann kurz zuvor entweder abzustoppen oder gleich über den Ball zu fallen. Der Höhepunkt ist, als er in die Sanis geht und von dort aus Anlauf holt, denn die Tür geht immer langsam von selbst zu. Ich sehe ihn schon gegen die Glasscheibe prallen, aber er schafft es knapp, aus der Tür zu kommen.





    Wir spielen bis es dunkel wird, und der Vater die Kinder zum Zelt holt.

    Meine Hausschuhe sind durch das nasse Gras und den nassen Boden klatschnass geworden und werden von da an nicht mehr richtig trocken werden. Aber ich bin glücklich. Letztes Jahr um diese Zeit konnte ich die Knie nur noch unter Schmerzen bewegen, und ich hatte eine Entzündung der Sehnen im Fuß. Und jetzt fahre ich wieder Fahrrad und spiele Fußball auf einer Wiese. Wie bin ich dankbar dafür.

    Ich rolle mich in meine Schlafsäcke ein und schlafe wunderbar.
    Zuletzt geändert von Torres; 22.09.2014, 20:30.
    Oha.
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      #3
      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

      Ich bin sehr gespannt. 2013 sind wir die Strecke in England von Newcastle nach Harwich gefahren. Da gab es schon den einen oder anderen eher abenteuerlichen Abschnitt... :-)

      Die Gerüchte über das englische Wetter stimmen übrigens nicht. Es hat in den zwei Wochen nur ein einziges mal geregnet.

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        #4
        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

        2013 sind wir die Strecke in England von Newcastle nach Harwich gefahren. Da gab es schon den einen oder anderen eher abenteuerlichen Abschnitt... :-)
        Oh, schön! Vielleicht kannst Du an gegebener Stelle ergänzen. Aber ich will ja nicht vorgreifen.

        Die Gerüchte über das englische Wetter stimmen übrigens nicht. Es hat in den zwei Wochen nur ein einziges mal geregnet.
        Oh doch, die können stimmen, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß. Aber ich hatte ebenfalls Glück.
        Oha.
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          #5
          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

          Glück.

          Di, 02.09.2014
          Ekenstein-Appingedam-Ekenstein, 25 km

          Am Morgen gönne ich mir eine Mütze Schlaf. Statt um sechs aufzustehen, schlummere ich noch ein wenig und pelle mich erst gegen halb acht aus den Schlafsäcken. Ich schnappe mir mein Fahrrad und radele zum Radhändler. Viele Schüler sind auf der Straße und alle fahren Fahrrad. Auch Autos haben es eilig, aber es sind nicht besonders viele, man fährt eben Fahrrad.

          Die Werkstatt hat bereits geöffnet, und ich schildere das Problem. Sie nehmen mein Fahrrad sofort an und werden anrufen, wenn sie wissen, ob etwas ausgetauscht wird. Ohne zu fragen, stellt man mir ein Ersatzrad hin. Wow. Es ist ein Gazelle Hollandrad und es klappert entsetztlich. Aber ich bin überrascht. Man fühlt sich so entspannt auf dem Rad. Irgendwie über den Dingen stehend. Und schnell ist es auch. Vielleicht sollte ich mir ein Hollandrad zulegen, dann rege ich mich über den Radwahnsinn in den Straßen meiner Heimatstadt möglicherweise weniger auf.

          Ich fahre zur Fußgängerzone, da ich Hunger habe. Wie praktisch. Ohne Gepäck kann ich jetzt tatsächlich etwas einkaufen und muss keine Angst vor dem Diebstahl meiner Ausrüstung haben. Alleine fahren kann auch lästig sein. Die Innenstadt ist bunt.





          Und ich muss schmunzeln, als ich das dazugehörige Schild sehe.





          Venedig des Nordens. Sag ich doch. Überall hängen italienische Flaggen an den Geschäften. Ich kaufe ein Schreibheft für mein Tagebuch, um mir Notizen zu machen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich später erinnern kann. Wie üblich werde ich es bei der Niederschrift nicht brauchen.

          Und hier ein Foto von dem Schmuckstück, das mir gerade zur Verfügung steht. Auf dem Gepäckträger klemmt mein Poncho.





          Ich frühstücke in der Cafeteria eines größeren Geschäftes. Es gibt ein belegtes Brötchen und einen leckeren Kakao. Kakao darf ich eigentlich nicht mehr trinken, weil zuviel Zucker drin ist, aber er riecht so verlockend und schmeckt wie ein Traum. Da kann ich einfach nicht widerstehen.

          Dann gehe ich in einem Supermarkt einkaufen. Gemüse, Nudeln, Pesto, Brötchen, Reibekäse. Im Hintergrund ertönt Musik von Whitney Houston. Was für eine Stimme. Auch eine derer, die ihr Talent und ihr Leben vergeudeten.

          Ich fahre an der Kirche vorbei (das Bild ist allerdings vom Nachmittag)





          und dann in Richtung Campingplatz. Ein Graureiher wartet auf Beute. Es gibt sehr viele hier, gut getarnt auf dem Feldboden, aber für mich ist er noch etwas ganz Besonderes. Blitzschnell erbeutet er einen Fisch, der sich in den Wassergraben gewagt hat. Ich vermisse mein Tele. Das Bild ist nachträglich vergrößert.





          Die Brücke, über die ich jetzt das dritte Mal fahre. Sie ist ein Engpass und hier haben es die Autos morgens eilig.





          Ein Haus wird restauriert. Rennradler ziehen vorbei. Der Gemüsestand am Wegesrand. Neben der Straße ein Flüsschen. Gleich bin ich da.








          Die Einfahrt. Neben dem Eingang gibt es eine Minigolfanlage, aber in der Nachsaison scheint sie außer Betrieb. An diesem Tage werde einige Dauergäste abreisen, der Platz wird im Winter geschlossen sein.





          Und ich beschließe, einen Rundgang zu machen. Idyllisch. Es gibt kleine abgetrennte Bereiche mit Hütten oder mit Wohnwagen, aber immer so, dass die Einheiten nicht zu groß werden. Kanus stehen zur Ausleihe bereit. Ein wunderschöner Platz, keine Frage.





          Bald erreiche ich einen Zaun und muss mein Fahrrad stehen lassen. Der Durchgang ist nur für Fußgänger.

          Das Pony ist klein und schwarz und steht am Rande des Wildgeheges. Eine Frau füttert das Wild. Etwas weiter befindet sich ein kleiner Zoo. Eine Jugendgruppe hat sich eingefunden. Anscheinend versucht man hier Kindern, die Natur nahe zu bringen. Ein Alpacka.





          Ich komme an einen See. Ganz still ist es hier. Ein friedvoller Platz. Nur der Mensch neben dem Sitzmöbel irritiet mich etwas. Ich brauche etwas Zeit, um zu verstehen, dass es der Mülleimer ist. Ein Graureiher fliegt über den See. Hier dürften im Sommer die Kanus unterwegs sein.





          Am Damwild vorbei geht es zurück zum Campingplatz.





          Die Sonne ist gerade herausgekommen.





          Ich lege mich in den Eingang meines Zeltes. Praktischerweise kann man es vorne ganz öffnen, wobei ich es mir bequem mache und die Apsis einfach von der Mitte aus herunterklappe.





          Es war ein harter Sommer mit sehr viel Arbeit. Ich merke, wie verspannt ich bin. Die Sonne wärmt. Langsam lockern sich meine Glieder, und ich merke, wie sie schwer werden, und ich in einen Zustand der Entspannung absacke. Wunderbar.
          Da klingelt das Telefon. Das Fahrrad ist fertig.

          Verzweifelt versuche ich, meiner Stimme einen glücklichen Tonfall zu verpassen, denn eigentlich denke ich nur: Schxxe. Das heißt aufstehen, Rad holen, weiterfahren. Aber dann entscheide ich, einfach einen Tag Ruhetag einzulegen und sage ihm, dass ich in ungefähr einer Stunde da bin. Dann döse ich weiter.

          Eine Stunde später mache ich mich auf den Weg. Anscheinend haben sie alles nachgesehen und gebrochen ist nichts. Die Kette ist jetzt lockerer und die Kurbeleinheit neu geschmiert. Ich schnacke noch ein bisschen mit einem der Männer über Fahrräder, keine Ahnung, ob er der Chef ist, er könnte es sein. Das Geschäft hat alles, vom Hollandrad über MTBs, Rennräder und E-Bikes. Außerdem alles sonstige, was ein Radler braucht. Sehr gut sortiert, keine Frage.
          Ich bekomme sogar einen Tee und suche nach einer dünnen Radhose, aber das vorhandene Modell ist größenmäßig für Kinder – mein übliches Problem mit italienischen Trikots.

          Mit meinem eigenen Rad radele ich nun wieder durch die Stadt. Besuchergruppen umlagern die Kirche. Ich beschließe, das Museum zu besuchen. So richtig lohnt es sich nicht, obwohl die Exponate interessant sind, aber das weiß man ja nicht vorher.





          Dann betrete ich die kleinen Brücken, die an Venedig erinnern.














          Interessehalber fahre ich diesmal etwas weiter die Landstraße entlang, um das Landgut Ekenstein anzuschauen, das Hotel und Gastronomie bietet. Es sieht nobel aus und hat eine schöne Terrasse. Das Landgut davor steht zum Verkauf.
          Eine Schülergruppe radelt die Straße entlang und einer fährt plötzlich nach rechts und schießt einen anderen ab. Krachend landen sie im Gebüsch. Ich fahre hin, ob etwas passiert ist, aber anscheinend sind beide okay. Das Opfer putzt sich den Schmutz von den Kleidern. Er lacht, aber eigentlich würde er am liebsten heulen. Eine Ente überlegt, ob sie mir trauen kann.





          Ich setze mich an einen der Tische und mache mich über meine Einkäufe her. Es gibt frischen Spinat, dazu Nudeln und Reibekäse.





          Die Kinder kommen von einem Ausflug zurück, und bald darauf laufen sie an der Wiese entlang und spielen Blockflöte. Sie fragen mich, ob wir nachher wieder Fußball spielen und ich sage: Na klar. Aber erst will ich fertig essen. Sie waren gestern abend noch auf einer Nachtwanderung, und es war ziemlich unheimlich. Dann sind sie wieder weg.

          Ich packe ein wenig vor und schreibe Tagebuch. Die Kinder kommen zurück. Respektvoll warten sie, bis ich fertig bin und A. kickt den Ball ein wenig alleine. Dann geht es los. Der Kleine will diesmal richtig mitspielen und nicht hinterherlaufen, und so bekommt er von mir immer den Ball. Ständig ruft er meinen Namen. Ich habe wieder die Hausschuhe an und als ich ihm den Ball zuspiele, verliere ich einen Schuh, und er donnert dem Kleinen voll an den Kopf. Es ist zu komisch, wir lachen alle, der Kleine lacht mit. Wehgetan hat ihm das nicht, der Schuh ist ja leicht. Ich ziehe die Wanderschuhe an.

          Die Mutter der Kinder kommt und setzt sich auf die Bank vor den Sanis. Für sie ist das eine merkwürdige Situation, sie will ja nicht, dass ihre Kinder anderen auf die Nerven gehen und ist etwas unsicher. So setze ich mich neben sie, und wir reden ein bisschen. Sie ist 28 Jahre alt, und ich erzähle ihr, was ich vorhabe, während die Kinder kommentieren und alles Mögliche erzählen. Dann erkläre ich, dass ich morgen sehr früh weiterfahren werden, und wir uns morgen bestimmt nicht mehr sehen werden. Ich werde einfach wegsein und mich nicht verabschieden, niemand soll das bitte als unhöflich empfinden. Schweigend hören die Kinder zu.

          Ein Mann mit Wohnwagen ist angereist und versucht, Fernsehempfang zu bekommen. Erst stellt er die Satellitenschüssel auf seinen Wohnwagen, dann auf einen Nachbarplatz, dann kommt er aus seiner Parzelle heraus und stellt sie mitten in die Einfahrt. Er hebt sie hoch, stellt sie wieder hin, dreht sie, aber das Bild bleibt schlecht. Wir lachen uns kaputt und machen Kommentare. Der Kleine läuft hin und gibt gute Ratschläge und auch der Vater versucht zu helfen. Es nutzt alles nichts. Irgendwann kommt der Campingmann (Die Bezeichnung stammt von A.) und macht dem Spuk ein Ende.
          Zwei steinalt aussehende Engländer kommen und bauen an einer Hütte ihr Zelt auf. Ich erfahre, dass die Mutter lange in einer Frauenmannschaft Fußball gespielt hat. Ich bin beeindruckt. Mit 15 hat sie aufgehört. Und mit 16 dürfte sie das erste Mal schwanger gewesen sein. Eine kurze Kindheit.

          Die Kinder wollen mit ihren Eltern unbedingt zum Abschied noch einmal zu dem Pony gehen, denn morgen reisen auch sie nach Hause. Sie drängeln und betteln, dass ich mitkommen soll. Prüfend schaue ich die Eltern an, denn es soll doch ein Familienurlaub sein und es ist ihr letzter Tag. Die Eltern reagieren auch etwas hilflos, weil die Situation ungewohnt ist. Aber dagegen haben sie nichts, und der Kleine fasst meine Hand und zieht mich mit. So laufen wir gemeinsam los.

          Bald sind wir wieder am Gehege. Die Sonne ist fast untergegangen. Die Kinder springen glücklich herum und erklären mir alles Mögliche. Und plötzlich wird die Stimmung so heiter und friedlich, als wäre alles so, wie es immer sein sollte. Als wäre wir alle plötzlich auf einem anderen Stern, und alle Sorgen des Alltags verschwunden. Und ich erinnere mich an die Zeit, als andere Kinder noch klein waren, und ich fühle mich viel, viel jünger.





          Ich mache mit dem Smartphone der Mutter ein Bild von der ganzen Familie und wie in Trance wandern wir weiter. Das Pony hat sich versteckt, aber etwas weiter sind ja noch die anderen Gehege. Die Schafe und die Schweine eilen herbei.





          Und wir lachen und scherzen, als würden wir uns ewig kennen und es ist, als wären wir eine Familie.





          Die Kinder entdecken Muscheln auf dem Boden und fröhlich plaudernd sammeln sie sie ein. Der Vater murmelt etwas von „Das Auto ist voll“, aber wehren möchte er sich auch nicht. Der Abend ist einfach zu schön. Rot verglüht ein Kondensstreifen am Himmel. A. findet eine besonders schöne Muschel und schenkt sie mir. Sie liegt jetzt in meinem Wohnzimmer.





          Wir wandern weiter zum See, und sowohl die Mutter als auch ich machen heimlich Erinnerungsfotos von uns. Die Große erzählt, wie verliebt sie ist und in wen, sie ist jetzt im Alter der Schwärmerei.

          Dann sind wir wieder an unserer Wiese, und plötzlich spielen wir alle Fußball. Papa, Mama, alle machen mit. Und wir spielen uns alle nacheinander den Ball zu, und der Kleine steht wie immer in der Mitte, und wir spielen ihm den Ball zu. Die Dunkelheit bricht an, und wir spielen immer noch weiter. Der Kleine bekommt meine Stirnlampe auf den Kopf, und glücklich tollt er herum. Und über dem Platz liegt eine Stimmung, die schöner nicht sein könnte. Als gäbe es hier einen Zauber, der die Menschen eint und sie glücklich macht.

          Es ist spät geworden und Zeit ins Bett zu gehen. Ich verabschiede mich von den Eltern, und die Mädchen kommen zu mir und umarmen mich ganz fest. Dann nehme ich den Kleinen auf den Arm und drücke ihn noch einmal ganz innig. Wir winken alle so lange, wie wir uns sehen können.


          Das war Ekenstein.


          Zuletzt geändert von Torres; 23.09.2014, 22:14.
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            #6
            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

            Rechts, links, geradeaus.

            Mi, 03.09.2014
            Appingedam-Lauwersoog, 88,8 km


            Am Morgen wache ich um halb sechs auf und packe. Wieder hänge ich das Innenzelt aus, denn die nasse Wiese hat das Außenzelt von innen in eine Tropfsteinhöhle verwandet, während das Innenzelt trocken ist. Mal wieder hakt der Ausbau beim dritten oder vierten Clip, und ich sage mantraartig meinen Spruch auf: „Ich tue das, weil es einfach ist“. Das nasse Groundsheet vom Big Agnes, das ich mittlerweile mit einer Schnurverlängerung besser befestigt habe, wird an der nassen Seite zusammengeklappt und das Innenzelt in die trockene Seite eingewickelt. Dann kommt alles in den STS Beutel und vorne in die RD Harness. Das perfekte System für mich, viel besser als das Verzurre des Zeltes auf dem Gepäckträger.

            Gegen halb acht rolle ich vom Platz, während alles noch schläft. Die Sonne zeigt sich und anscheinend wird es tatsächlich ein so schöner Tag, wie der Campingmann prognostiziert hatte.





            Die historische Altstadt, ich glaube, sie ist sogar geschützt.





            Ich fahre ohne Karte und Navi, denn ich kenne den Weg und es ist erstaunlich, wie schnell man ist, wenn man weiß, wohin es geht. In kurzer Zeit später bin ich an der Auffahrt zu dem Hotel, an dem ich vor gefühlt einer Ewigkeit, also vorgestern, umgedreht hatte.





            Ist das schon die Nordsee oder noch die Emsmündung? Auf jeden Fall wird mir innerlich ganz feuerlich zumute, als ich das Wasser sehe. Bei anderen mögen es die Berge sein, bei mir ist es das Meer, dem meine Leidenschaft gehört.





            Doch schon muss ich mich verabschieden, denn der Deichweg ist Fußgängern vorbehalten. Für Radfahrer geht es am Innendeich lang.








            Ein Blick zurück – nein, Delfzijl ist wirklich keine schöne Stadt und wird es auch auf den nächsten Metern nicht.





            Aber dann wird die Strecke plötzlich nach meinem Geschmack.








            Und ich fliege dahin und genieße die Fahrt. Fahrradfahren kann wunderbar sein.





            Ein alter Bunker, wie es scheint.






            Auf dem Feld ist schon viel Betrieb. Das ist die Landschaft, die ich liebe. Aber wir sind ja auch immer noch in der Provinz Groningen, die an Deutschland grenzt.





            Leider lässt sich auch hier die moderne Zeit nicht verleugnen.





            Und so geht es ein paar Meter weiter (Knotenpunkt 19) wieder ins Binnenland.





            Schade. Mit Bedauern radele ich weiter. Nett ist es hier zwar auch und ruhig. Aber am Meer radeln ist eben doch etwas anderes.





            In einem kleine Ort, Bierum, duftet es nach einer Bäckerei, aber ich bin gerade so in Schwung und radele weiter, denn ich habe noch Brötchen von gestern. Ein Jammer, wirklich. Gelinde gesagt: Idiotisch.








            Ich irre eine wenig herum, weil ich die Schilder nicht finde und auch in einem anderen Ort, Spijk, muss ich nach der richtigen Strecke fragen, die idyllisch auf eigenen Wegen am Wasser entlanggeht. Kurz darauf finde ich eine Sitzgelegenheit und lasse mich nieder. Ich esse die alten Brötchen und verfeinere sie mit dem Pesto, was ich gestern nicht gebraucht hatte. Lecker. Eine Frau kommt vorbei, und ich grüße sie wie alle, die mir begegnen. Sie würdigt mich keines Blickes.








            Routinemäßig hatte ich mir kurz zuvor mein Fahrrad noch einmal anbgeschaut und einen argen Dämpfer bekommen. Wieder ist der Kurbelblock nach außen gedriftet. Der Werkstattbesuch war umsonst. Auch etwas anderes macht mir Sorgen. Meine Hausschuhe trocknen nicht, die Kraft der Sonne reicht nicht aus.





            Kommt Zeit, kommt Rat. Mehr fällt mir dazu nicht ein. So fahre ich erst einmal weiter. Was soll ich auch anderes tun.





            Ein Mähfahrzeug versperrt den Weg, ich muss anhalten, und so sehe ich eine Kartoffel auf dem Weg. Schnell stecke ich sie als Wegzehrung ein. Das hat bei mir Tradition, denn irgendwann wird sie sicherlich zu Brei gefahren. ULer bin ich also auch nicht, sie wiegt schwer.








            Wie einmal ein fietspad nur für mich.





            Gegen Viertel nach 11 erreiche ich Eemsmond und bin beglückt, als ich an der Hauptstraße Fahrräder sehe. Ein Fahrradhändler.





            Ich betrete die Werkstatt durch den Laden und ein junger Mann schaut sich das Fahrrad an. Ich erzähle, was passiert ist, und er schaut sich den Kurbelblock ratlos an. Dann unterhält er sich mit einem anderen Mechaniker. Lambeck aus Appingedam scheint einen Namen zu haben.
            Er schaut und grübelt und grübelt und schaut. Dann murmelt er wieder etwas und berät sich mit seinem Kollegen und grübelt und schaut. Er nimmt einen Schraubenschlüssel, dreht ein bisschen herum und legt ihn wieder weg. Dann legt er sich unter das Fahrrad, murmelt etwas und berät sich wieder mit seinem Kollegen. Ich wage kaum zu atmen, um ihn in seiner Kunst nicht zu stören.

            Nach ungefähr einer halben Stunde, weiß er, was zu tun ist und holt eine Schraube, die in das Loch unter der Kurbel passt. Und dann, ich glaube es kaum, bzw. traue meinen Augen nicht .....


            HOLT ER EINEN GUMMIHAMMER!!!


            und kloppt den Kurbelblock wieder rein. Dann zieht er die Schraube fest und lockert die Kette noch einmal etwas und fertig. 10,00 Euro will er dafür und entschuldigend sagt er: „Ich hoffe, dass das jetzt hält“ und zuckt verlegen mit den Schultern. „Mehr kann ich nicht tun“. (Es wird halten, obwohl die Schraube da eigentlich gar nicht hingehört).

            Vor lauter Freude telefoniere ich erst einmal mit einer Kollegin, die heute Geburtstag hat und führe dann noch ein Anschlusstelefonat, das wichtig ist, weil mir jemand auf den Anrufbeantworter gesprochen hat. Eine Windmühle immer im Blick.





            Weiter geht es. Eine Göttin steht in der Einfahrt, aber sie gehört nicht dem jungen Mann vor der Tür, sondern seinem Vater.





            Nun führt der Radweg wieder durch Marschlandschaften auf ruhigen Nebenstraßen entlang. Gegen Mittag mache ich an einem Tischchen erneut Rast, denn ich bin etwas erschöpft von Sonne und Wind. Ein Mann sitzt bereits da und nach kurzer Zeit fährt er weiter.





            Ich fahre durch Warffum und mir fällt auf, dass Bauernhäuser nun eher Herrenhäuser sind. Anscheinend ist hier eine fruchtbare Gegend.





            Die zweite Windmühle für heute. Ein besonders schönes Exemplar.





            Kleine unbefestigte Outdoorpfade oder schmale Radwege schließen sich an, die teilweise auch Wanderwege sind. Immerhin ist es hier abwechslungsreich, wenn auch nicht wirklich zivilisationsfern. Dazu sind die Niederland dann doch zu dicht besiedelt. Bei diesem Bauerhof denke ich erst, es ist ein Zelt. Könnte ein Mark II long sein.





            Bauernhofidylle.





            So geht es weiter und weiter, bis vor Pietersburen das erste Mal die Plakette fehlt, und ich Spaziergänger fragen muss. Obwohl ich abkürzen könnte, fahre ich zurück, um die korrekte Wegführung einzuhalten.





            Pieterburen ist ein netter kleiner Ort und scheint ein Anziehungspunkt zu sein, denn das erste Mal sehe ich touristische Infrastruktur in Form von Postkartenläden und einem Café. Am Ortsausgang fehlt aber ebenfalls ein weiterführendes Schild, und so fahre ich noch einmal zurück, ob ich etwas übersehen habe. Anscheinend kämpft man hier um den Erhalt der Schule. Auf anderen Schildern sind Reinigungssymbole zu sehen: Unsere Schule soll nicht schrumpfen / eingehen.








            Da ich immer noch keine Schilder finde, frage ich auf einem Campingplatz, ob jemand weiß, wie der Weg weiterführt und da dort niemand irgendetwas weiß, im benachbarten Bauernhaus. Das Mädchen, das die Tür öffnet, schaut im Internet nach und ich muss einfach nur der Straße folgen, dann kommen auch wieder die Schilder. Danke.


            So biege ich der Straße folgend links ab. Ein Soldatenfriedhof befindet sich hier.





            Anschließend geht es wieder rechts ab. Schwäne mit schwarzem Hals zischeln als ich vorbeifahre.





            Hornhuizen.





            Und ich radele und radele und radele. Rechts, links, geradeaus. Links, rechts, geradeaus. Geradeaus, rechts, links. Geradeaus, links, rechts. Mal mit Wind und mal ohne Wind, aber der Wind ist nicht das Problem. Mein Kopf ist das Problem. Mir wird langweilig.
            Zwischendrin finde ich, dass es hier ein wenig sehr stark nach Essen riecht. Es ist ein Zwiebelfeld. Ummm.





            Und ich radele und radele und radele und langsam habe ich keine Lust mehr.





            65 km sind meine Wohlfühlgrenze und die ist entweder fast erreicht oder bereits überschritten.








            Es fühlt sich an, als würde ich immer im Zickzack gelenkt. Nur dass das Zickzack quadratisch ist. Langsam habe ich den Eindruck, ich komme nie am Ziel an. Dort noch mal nach rechts, dort noch mal nach links. Muss das wirklich alles sein? Gibt es nicht irgendwo einen zielführenden Weg?

            Ich bin wieder in der Nähe einer Hauptstraße und dann komme ich an diese Stelle. Ein schmaler Weg führt auf eine Treppe zu.





            An der Treppe kann man in einer Rinne die Fahrräder hochschieben.





            Oben ist anscheinend eine Pausengelegenheit und so fällt einem älteren Herren, der von der andren Seite kommt, nichts Blöderes ein, als sein Fahrrad ausgerechnet in der Rinne zu parken. Als ich oben ankomme, bitte ich ihn sehr deutlich, das Fahrrad aus der Rinne zu nehmen, und er beschwert sich über meine Unhöflichkeit. Vermutlich denkt er, ich wolle da selbst parken, solche Leute kommen auf solche Ideen. Er räumt sein Rad dann weg und das hätte ich ihm auch geraten, denn nach dieser blöden Rumgurkerei der letzten Kilometer bin ich so richtig in Form. Ich hätte es einfach aus dem Weg geräumt, das hat ihm dann wohl auch geschwant. Im Gegensatz zu ihm will ich nämlich keine Pause machen, sondern auf der anderen Seite wieder runter. Ich will zum ausgesuchten Campingplatz, etwas essen und meine Ruhe haben. Und so schiebe ich, ohne ihn noch zu beachten, einfach weiter.

            Was nun kommt, ist eigentlich wunderschön, aber so richtig habe ich den Kopf dafür nicht. Zu tief die Rinnen neben dem Radweg. Ist hier ein militärisches Sperrgebiet? Es sieht so aus.











            Teilweise geht es durch offenere Gebiete, teilweise durch schönen Wald. Kurvenreiche Abschnitte gibt es auch, ich kann es kaum fassen. Eine gelungene Wegführung.








            Immer wieder kreuzen breite Sandstraßen den Weg und manchmal muss man schieben.








            Auch tiefe Furten findet man, der Radweg führt allerdings daran vorbei.





            Eigentlich sollte ich hier innehalten und Blümchenfotos machen. Aber mein Kopf ist eher auf Erholung gepolt. Duschen, essen, schlafen. So fahre ich recht flott weiter.
            Endlich nähere ich mich touristischer Infrastruktur und hoffe, dass der Campingplatz auf meiner Karte wirklich existiert. Spaziergänger sind unterwegs, aber auch einige Autos. Es ist jetzt 16.00 Uhr. Ich passiere das Ortsschild Lauwersoog, links neben mir das Lauwersmeer. Es riecht nach Urlaub. Ein Paar sitzt einsam auf einer riesigen Liegewiese.





            Ich gebe noch einmal Gas und der Campingplatz taucht auf. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Die Dame an der Rezeption ist nett, und ich bekomme für irgendetwas einen Schlüssel - ich glaube, es war für die Dusche - der morgen in den Briefkasten muss.
            Der Campingplatz ist riesig, aber die Zeltplätze sind in nette Parzellen unterteilt und eine kleine Welt für sich. Ich baue das Zelt auf und hoffe, dass es noch in der Sonne trocknen wird, ja tut es. Dann eile ich unter die Dusche.

            Ich habe einen Mordshunger und hoffe auf den Supermarkt des Platzes. Aber irgendwie verirre ich mich, der Platz ist wirklich groß.





            Als ich dann ankomme, hat er zu meiner großen Enttäuschung bereits seit über einer halben Stunde geschlossen. Ich hätte vor dem Duschen einkaufen gehen müssen. Auch andere Gäste sind konsterniert. So lasse ich mich im Restaurant nieder und bitte die Bedienung, meinen Akku der Kamera aufzuladen. Dann studiere ich die Speisekarte. Mein treuer Gefährte (oder ist es eine Gefährtin?) wartet derweil.





            Die Speisen auf der Speisekarte klingen erlesen und sehr hochpreisig sind sie auch. Aber alles, was dort angeboten wird, ist eher etwas für ein Geschäftsessen und nichts, was satt macht. Heute brauche ich Substanz. So bitte ich die Dame um eine doppelte Portion Pommes und sie ist professionell genug, diesen Wunsch zu erfüllen. Danke.





            Mit 5,00 Euro plus Getränk bin ich dabei. Gut gesättigt und zufrieden kehre ich zum Zelt zurück.


            Ein paar Leute aus Deutschland stehen auf dem Weg zum Zeltplatz, zwei sind mit dem Auto da und ein Paar mit einem riesigen Zelt auf den Fahrrädern. Ich unterhalte mich mit ersteren, sie waren auf einem Festival in der Nähe von Harlingen. Ich erzähle, dass ich gestern in Ekenstein war und ein Leuchten erscheint auf ihrem Gesicht. Ekenstein. Ein wunderbarer Platz. Wir unterhalten uns ein bisschen über Zelte und ich erfahre, dass das Essen an der Mole erheblich günstiger ist als hier im Restaurant. Egal, ich war auch so zufrieden. Sie werden morgen noch hier bleiben.

            Und dann bin ich auch schon müde. Gegen 20.00 Uhr liege ich bereits im Zelt und schlafe. Morgen geht es vermutlich über den Damm. Ich erinnere ihn gut. Als ich mit Familie Ditschi zu Karsten gefahren bin, sind wir zweimal über den Damm gefahren. Er war unglaublich lang und öde. Hoffentlich habe ich keinen Gegenwind. Lass mich einmal Glück haben. Der Wind kam heute von der Seite. Bitte, lass das morgen auch noch so sein.


            Zuletzt geändert von Torres; 25.09.2014, 12:09.
            Oha.
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              #7
              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

              Fast ein ods Treffen.

              Do, 04.09.2014
              Lauwersoog-Harlingen, 91 km


              Am Morgen bin ich früh wach und greife routinemäßig nach meiner Brille, die immer in der Seitentasche liegt. Keine Brille da. Ich versuche Ruhe zu bewahren, doch ich bin alarmiert. Ich habe sie dorthin gelegt, das weiß ich genau. Alles hat hier seinen Standardplatz. Hinausgefallen ist sie auch nicht. Ich räume die Packtaschen zur Seite. Nichts. Ich taste mich weiter hinunter, fühle das Brillenband und weiß es. Bitte nicht. Heute nacht hatte ich die Isomatte nachpusten müssen und als ich das rechte Knie neben der Matte aufgestützt hatte, war da so ein kleines scharfes Geräusch. Ich hatte es registriert, aber da dort nie etwas liegt, konnte es ja nichts Wichtiges sein. Tapfer stelle ich mich den Tatsachen. Das Gestellt ist heil, aber ein Glas in in der Mitte komplett gebrochen. Nun gut, Glück im Unglück. Ich versuche, das Gefühl der Verzweiflung gar nicht an mich herankommen zu lassen und packe sie vorsichtig ein.
              Wieder ist das AZ nass und das IZ nicht. Auf die Sonne zu warten, reicht die Zeit nicht. So packe ich alles getrennt wieder ein.

              Gegen halb acht bin ich startbereit. Menschen sehe ich keine, alles schläft noch. Ich werfe den Schlüssel in den Briefkasten und mache mich auf den Weg Richtung Mole.





              Das Wetter scheint schön zu werden und wenn ich die Fahnen richtig interpretiere, habe ich Rückenwind. Das wäre natürlich wunderbar.





              Ich habe Hunger, doch das Café an der Mole hat noch geschlossen. Zwei Männer warten bereits unruhig. Wahrscheinlich öffnen die erst um acht. Das ist mir zu spät.





              Überall sind Hinweise für die Fährfahrt nach Schiermonnikoog. Das scheint eine bedeutende Angelegenheit zu sein. Nachträglich lese ich, dass das eine westfriesische Insel mit 941 Einwohnern ist und wohl eine der schönsten. Auf jeden Fall ist es die Kleinste.





              Ich fahre kurz auf den Deich und schaue. Da ganz in der Ferne dürfte die Insel sein. Leider herrscht ein reger Werksverkehr, und einige LKWs steuern die Innenkante an, so dass ich schnell wieder die Straße suche.








              Links von mir ist nun das Lauwersmeer, an dem ich gestern gezeltet habe, aber zuordnen kann ich die Küstenlinie nicht, da sie ganz ausgefranst ist und mein gestriger Standpunkt in einer Bucht liegt.








              Dann ist der Damm auch schon zu Ende, es ist nur ein kleiner Damm. Der lange Damm wartet heute abend auf mich – falls ich es so weit schaffe.





              Ich bin nun nicht mehr in der Provinz Groningen, sondern in der Provinz Friesland. Und fahre nun eine idyllische Straße entlang, die mir gut gefällt. Hier ist immer noch Nationalparkgebiet. Ein wenig kurvig ist sie auch. Die Häuser haben an der Spitze zwei Schwäne.





              Mehrere Vogelbäume stehen am Wegesrand und sie machen einen tierischen Lärm.





              Die Strecke hat etwas Heimatliches und das gefällt mir.











              Es geht nun längere Zeit am Deich entlang mit malerischen kleinen Dörfern. Ein Mann mit einem wunderschönen Huskie geht spazieren.


              Erklärungen.





              Ich steige auf den Deich. Der Ort heißt Moddergat sein.











              Gedenksteine.





              Eine Skulptur. Die Fischersfrau.





              Enten.





              Wierum. Schön ist es hier. An der Kirche ist ein Commonwealth War Grave Friedhof.





              Erneut soll der Radweg direkt am Deich entlang führen, aber der Radweg ist leider geschlossen. Ich befrage einen Mann, dessen Baufahrzeug an der Kreuzung steht. Ja, es sind Bauarbeiten. Ich komme hier leider nicht durch. So muss ich den Radweg an der Landstraße fahren und werde damit jäh aus meiner Idylle gerissen. Schade, so hätte es weitergehen können.





              Kurze Zeit später erreiche ich Holwerd.





              Der Ort wirkt nett und sicher, so dass ich mich in einen kleinen Stadt-Coop wage. Mein Fahrrad schließe ich an einen Fahrradständer an, die Ausrüstung bleibt drauf. Wieder ertönt Musik von Whitney Houston, und ich kaufe Brötchen, Milchprodukte und noch irgendetwas. So genau weiß ich das nicht mehr. Das wichtigste aber, was ich kaufen will, ist Tesa. Tesa ist aber anscheinend ausverkauft. Ich frage die Marktleiterin, aber sie versteht mich nicht. So zeige ich auf eine Tesafilmrolle am Blumenstand. Sie läuft nachschauen. Nein, keine Chance, Tesa ist aus. Ich zeige ihr meine Brille und deute auf die Tesafilmrolle. Ja klar, nehmen Sie sich etwas. Ich zupfe vier Streifen ab, klebe das Glas und das Problem ist erst einmal gelöst.

              Auf dem Parkplatz ist eine Bank und ich setze mich, um zu frühstücken. Es ist jetzt 10.00 Uhr. In einem Transporter sitzen Männer und rauchen. Die ganze Zeit läuft der Dieselmotor. Dabei sind frühlingshafte, fast sommerliche Temperaturen hier. Ich hasse das. Als er dann endlich wegfährt, bin ich sehr froh. Tiefflieger sind zu hören.


              Es dauert einige Zeit, bis ich meinen Weg aus Holwerd herausfinde. Ich bin sehr froh, dass die unterschiedlichen Richtungen durch a und b unterschieden werden. Dann geht es auf einer verträumten Route weiter.





              Ich fahre an schönen Bauerngärten vorbei, doch die Bilder werden leider nichts. Ländlich ist es hier, man sieht Windmühlen und Kleinlandwirtschaft.





              Gegen 11.00 Uhr erreiche ich Hegebeintum und der Name klingt schon interessant, aber die Kirche sieht noch interessanter aus. Sie steht auf einer Warft und zwar der höchsten der Niederlande mit 8,8 m über Null. An den umgebenden Straßen sitzen Skizzenmaler. Einem schaue ich über die Schulter, und er skizziert genauso schlecht wie ich. Das tröstet. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie empfinde ich die Szenerie als „britisch“.





              Es geht nun Richtung Ferwerderadiel und der Wind hat aufgefrischt, denn er trifft mich voll. An der nächsten Einmündung finde ich kein Schild, obwohl, ich könnte schwören, es geht in den Ort hinein. So fahre ich weiter und komme an einer Tankstelle heraus, die an einer größeren Landstraße liegt. Autos sausen vorbei. Das kann nicht richtig sein. Ich halte einen älteren Mann mit Fahrrad an und frage nach dem Nordseeküstenradweg. Kennt er nicht. „Ich mache mir meine Wege selbst“, antwortet er auf holländisch und lächelt vergnügt. Er hat ja so Recht. Wie gerne würde ich das auch tun, wenn ich ehrlich bin. Aber ich habe mir nunmal dieses Projekt in den Kopf gesetzt. Seufz. An der Tankstelle empfiehlt mir ein Mann, einfach in den Ort zu fahren. Die Schilder stehen in der Innenstadt. Zurückradeln habe ich keine Lust, und kurz darauf finde ich tatsächlich die Ausschilderung wieder.





              Ein paar umgedrehte Körbe stehen in einer Anpflanzung, es ist Kunst. Okay. Beeindruckender ist eine Kunstinstallation auf dem Deich und ich eile die Treppen hoch, um das Meer zu sehen.





              Tja. „Wie sie sehen, sehen sie nix.“ Ich hüpfe wieder zu meinem Fahrrad. Der nächste Radler kommt und er betrachtet lange den Boden. Anscheinend habe ich die Inschrift übersehen. Ein anderes Mal.





              Weiter geht es nun wieder an Feldern entlang und es gibt nichts besonderes zu berichten. Irgendwo sammele ich eine zweite Kartoffel ein, es reicht jetzt schon für eine Mahlzeit. In Oude Bildzijl wartet ein netter Hafen und ein Café. Eine Gruppe Radler würde sich hier gerne niederlassen, aber anscheinend ist nicht geöffnet.





              Ein Schild weist auf eine Touristeninformation hin und ich will mal schauen, ob es Karten gibt. Es handelt sich mehr um ein Atelier und der Künstler (so sieht er zumindest aus) ist mit einer Dame beschäftigt. So helfe ich mir selbst, aber leider sind sie unbefriedigend.





              Weiter geht es schnurgerade an einer Landstraße. Die Niederlande sind zwar flach, aber lang.








              Dann geht es links ab auf einen Radweg. Das Schild erklärt die Franeker Landen.








              Binnenland heißt aber auch, dass der Nordseeküstenradweg jetzt wieder nicht mehr den direkten Weg nimmt. Kurz darauf bin ich in Sint Jacobiparochie. Die Groate Kerk, entstanden 1505, ist wohl so sehenswert, dass der Umweg eingefügt wird. Ein paar Radler kommen mir entgegen, es sind Italiener. Sie grüßen überschwänglich. Seufz. Italia!








              Der Wind hat weiter aufgefrischt, und ich bin müde. Das Wetter ist wohl einfach zu schön.





              So mache ich an einem fietspad Halt, der auf einem Deich entlangführt. Passenderweise steht etwas weiter unten eine Bank.





              Ich lehne mein Fahrrad von hinten an die Bank und setze mich. So richtig ruhig ist es nicht, denn es sind einige Radler unterwegs, die den Pfad nutzen und immer wieder hört man das Dröhnen von Flugzeugmotoren oder Tieffliegern. Hier scheint irgendwo ein Stützpunkt zu sein.
              Ich esse ein wenig und beschließe, mich mal kurz lang zu legen und für zwei Minuten die Augen zu schließen. Als ich wieder aufwache, sind 20 Minuten vergangen. Puh. Schön, dass hier anscheinend niemand Reiseräder klaut.

              Flott setze ich mich wieder in Bewegung.





              In einem Wäldchen an einer Sitzgruppe steht ein wunderschönes weißes Tandem von Koga und die beiden Fahrer begrüßen mich mit großen Hallo, als hätten sie mich (endlich) erwartet. Mein Mittagsschlaf scheint sie amüsiert zu haben. Ich lache ebenfalls und rufe ihnen zu, dass sie ein tolles Bike haben. Dann gebe ich Gas.

              In der Ferne zeigen sich dunkle Rauchwolken, doch anscheinend wird das Feuer schnell gelöscht. Wieder der Geruch von Zwiebeln.





              Die Bauernhäuser haben jetzt keine Verzierung mit Schwänen mehr, vielleicht ist hier ein anderes Gebiet. Insgesamt sehen die Haupthäuser hier aber auch weniger wohlhabend aus und oft steht ein „zu verkaufen“-Schild am Grundstück. Vermutlich rentieren sich die kleinen Flächen nicht mehr. Verschiedene Reiseradler kommen wir entgegen, einer scheint aus der Schweiz zu sein. Ein ehemaliger Bahnhof, Tjummarum. Und wieder radeln mit Schlenker. Zumindest kommt es mir so vor, denn ich muss immer angestrengt schauen, dass ich kein Schild verpasse. Langsam wird es lästig.





              Endlich geht es zurück an den Deich, und ich schnacke kurz mit den Schäfern. Wenn es heiß ist, müssen sie arbeiten, es klingt, als hätten sie auch gerne Urlaub.








              Wieder ein Reiseradler.





              Eine Stadt erscheint: Ich bin kurz vor Harlingen. Es ist zwanzig vor vier. Den Damm schaffe ich heute nicht mehr, das sind noch einmal mindestens 40 km, das wird mir zuviel. So radele ich entspannt nach Harlingen hinein.
              Wieder eine Klappbrücke. Den Wipproller sieht man hier öfter.





              Zwei Reiseradler suchen wie ich das Schild. Sie werden hier heute im Hotel bleiben.








              Nachdem ich dann einfach rechts abbiege, finde ich es doch.








              Ein schöner Ort, aber so viele Menschen bin ich nicht mehr gewöhnt. Ein Außenthermometer zeigt 26 Grad, aber vermutlich sind es nur 24 Grad. Aber immerhin. Sommer.

              Ein Bild für Ditschi.





              Der Campingplatz liegt etwas weiter außerhalb, und ich biege auf den Deichweg ein. Jungs mit Skateboard nutzen die Piste. Dann folgt Strandidylle.








              Es ist so schön und friedlich hier, dass ich zu weit fahre und umdrehen muss.








              Ich kraxel samt Fahrrad über den Deich und quere die Straße zum Campingplatz. Der Mann an der Rezeption ist sehr nett, und ich zahle irgendetwasum die 10,00 Euro, wenn ich das recht entsinne. Er schlägt mir den Platz direkt vorne vor, alternativ gäbe es weiter hinten noch einen für Zelter.
              Ich fahre zum vorderen Platz, der von der Straße aus einsichtig ist. Zwei Reiseradler, Holländer, bauen gerade eine Vaude Chapel auf. Sofort kommen wir ins Gespräch, denn seit ich das Zelt gesehen habe, finde ich es großartig. Sie haben es noch nicht sehr lange, vielleicht ein Jahr, aber sind sehr zufrieden. Sie wollten etwas, worin man sich im Stehen umziehen kann. Eigentlich sollte ich hier bei ihnen bleiben. Aber ehrlich gesagt wäre mir etwas geschützt doch lieber.





              Ich fahre zu dem anderen Platz. Die guten Ecken sind besetzt und die Leute wirken merkwürdig. Kein Feeling. Camper. Ich radele zurück.

              Die beiden anderen sind gerade einkaufen, und ich baue mein Zelt auf. Dann hüpfe ich unter die Dusche. Die Steckdosen funktionieren nicht, das ist ärgerlich. Ich werde meinen Akku nicht laden können. Immerhin ist die Dusche heiß. Ich hoffe, dass zumindest Socken und Handtuch bis morgen trocknen werden und wasche sie. Die Wäscheleine in meinem Zelt gefällt mir immer besser. Ich habe so etwas immer für blöd gehalten, aber wenn man dann eine hat, die auch noch 2.00 lang ist, ist es schon schön, wenn die nassen Sachen nicht überall im Zelt herumliegen.
              Als das Ehepaar zurück ist, radele ich in den nächsten Supermarkt, es ist ausgerechnet ein Aldi. Ich kaufe wähle aus einem reichhaltigen Frischgemüsesortiment aus der Tüte, das es in Deutschland nicht gibt, eine Zusammenstellung für eine Suppe aus. Außerdem erwerbe ich Käse, Joghurt und greife zuletzt noch intuitiv zu einer Packung Cashewnüsse. Ich werde sie noch zu schätzen wissen!

              Wir setzen uns an einen Tisch und fangen an zu kochen. Ich koche mein eigenes Süppchen, auch wenn ich viel lieber teilen würde. Aber einiges, was sie auf den Tisch stellen, darf ich leider nicht essen. Meine beiden Kartoffeln schnippel ich in die Suppe. Die beiden sprechen deutsch und erzählen von ihren Reisen. Gemeinsam waren sie schon in vielen Ländern, unter anderem Vietnam und China. Einen Blog haben sie auch. http://joopenali.waarbenjij.nu/profiel. Gegen 18.00 Uhr kommt Pablo aus Frankreich und die Kommunikation umfasst nun 4 Sprachen: Niederländisch, Englisch, Deutsch und Französisch. Obwohl er nur eine Dackelgarage dabei hat, hat er am meisten Gepäck. Er kommt gerade aus Amsterdam und ist 125 km geradelt. Auf dem Damm hatte er nur Gegenwind. Er ist ziemlich geschafft. Er will jetzt weiter nach Norddeutschland.





              Pablo macht sich eine billige Fertigsuppe und wird von Joop und Ali mit frischgekochter Nahrung versorgt. Als es schon dunkel wird, kommt noch ein vollbepackter Holländer mit schwer beladenem Fahrradanhänger. Er war mit seiner Freundin auf einer der Inseln zelten und hat ein riesiges (Familien)Tunnelzelt dabei. Er flucht beim Aufbau. Er ist den ersten Tag wohl sehr viel gefahren, aber diesen Tag nur 45, weil er Probleme mit den Knien hatte. Für eine Person ist sein Zelt viel zu groß und schwer.





              Es ist schon fast dunkel, als es mich doch noch mal ans Meer zieht. Die Sonne ist längst untergegangen. Nur ein Schimmer liegt noch am Horizont.

              Ist es nicht wunderschön? Wenn ich genau hinschaue, kann ich es riechen und hören.











              Es ist feucht geworden und kühl. Zufrieden rolle ich mich in meine Schlafsäcke. Das war heute ein wirklich schöner Tag.
              Zuletzt geändert von Torres; 25.09.2014, 12:05.
              Oha.
              (Norddeutsche Panikattacke)

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              • berlinbyebye
                Fuchs
                • 30.05.2009
                • 1197
                • Privat


                #8
                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                Wie immer bemerkenswert schön geschrieben...

                Bilder sagen halt doch nicht immer mehr als Worte.

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                • ronaldo
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                  Moderator
                  Liebt das Forum
                  • 24.01.2011
                  • 12506
                  • Privat


                  #9
                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                  Toller Bericht von einer Ecke, die ich so gar nicht auf dem Schirm habe...
                  Geht dir das ewig flache Land nicht irgendwann auf den Keks?

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                  • Torres
                    Freak

                    Liebt das Forum
                    • 16.08.2008
                    • 31757
                    • Privat


                    #10
                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                    Zitat von berlinbyebye Beitrag anzeigen
                    Wie immer bemerkenswert schön geschrieben...

                    Bilder sagen halt doch nicht immer mehr als Worte.
                    Danke schön!


                    Toller Bericht von einer Ecke, die ich so gar nicht auf dem Schirm habe...
                    Geht dir das ewig flache Land nicht irgendwann auf den Keks?
                    Öööhm, ja . Aber so etwas muss reifen wie ein Käse . Also wollen mir mal nix vorwegnehmen......
                    Oha.
                    (Norddeutsche Panikattacke)

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                    • Igelstroem
                      Fuchs
                      • 30.01.2013
                      • 1944
                      • Privat


                      #11
                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                      Ja, Kompliment. Der Text ist so genau: Man erinnert sich später an einzelne Szenen, als habe man sie im Dokumentarfilm gesehen.
                      Lebe Deine Albträume und irre umher

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                      • berlinbyebye
                        Fuchs
                        • 30.05.2009
                        • 1197
                        • Privat


                        #12
                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                        Ich warte gespannt, ob du auch nach Zeeland kommst...

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                        • Torres
                          Freak

                          Liebt das Forum
                          • 16.08.2008
                          • 31757
                          • Privat


                          #13
                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                          Zitat von berlinbyebye Beitrag anzeigen
                          Ich warte gespannt, ob du auch nach Zeeland kommst...
                          Leider nein. Es gibt zwar eine Route der Nordseeküstenradwegs, die bis nach Belgien führt, aber die ist eine Sackgasse. An sich endet der Weg in Hoek van Holland und geht in Harwich weiter. Aber ich muss sowieso noch einmal in die Gegend, warum erklärt sich später.
                          Oha.
                          (Norddeutsche Panikattacke)

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                          • Torres
                            Freak

                            Liebt das Forum
                            • 16.08.2008
                            • 31757
                            • Privat


                            #14
                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                            In den Dünen.

                            Fr, 05.09.2014
                            Harlingen - Bergen aan Zee, 98 km

                            Am nächsten Morgen bin ich wieder sehr früh wach. Die Nacht war kalt. Nur knapp habe ich nicht gefroren. Gut, dass ich mich nicht nur auf meinen Sommerschlafsack verlassen habe. Dann wird mir bewusst, dass es heute über den Damm geht. 35 km geradeaus zwischen zwei Meeren. Hoffentlich kein Gegenwind. Danach werde ich alle Leiden ertragen.

                            Als ich mein Zelt verlassen, um zu den Sanis zu gehen, sehe ich hinter meinem Zelt ein weiteres Zelt. Wann sind die denn gekommen? Ich habe nichts gehört.
                            Als ich zurückkomme, schlüpft gerade ein junges Mädchen aus dem Zelt. Ich sage „Hallo“, bekomme aber nur eine schmallippige Antwort. Konzentriert rollt sie auf dem Tisch ihre Isomatte zusammen. Ein ähnliches Wesen entsteigt dem Zelt und rollt ebenfalls auf dem Tisch die Isomatte zusammen. Blitzschnell ist das Zelt abgebaut. Beide setzen sich gestrickte Obstmützen auf den Kopf – Erdbeere und Himbeere - und sind samt Trekkingrucksäcken entschwunden. Ich staune.

                            Noch mehr staune ich aber über die Erhebung auf dem Deich. Die war gestern auch noch nicht da. Hier ein Bild aus der Nähe. Andere Menschen, andere Sitten. Das könnte teuer werden.





                            Das holländische Ehepaar ist bereits auf, als ich die letzten Sachen zusammenpacke, während die Jungs noch schlafen. Ich verabschiede mich und schiebe mein Rad wieder den Deich hinauf. Die Sonne dringt unter Wolken hervor, aber so richtig gefällt mir das Wetter nicht.





                            Ich radele nun wieder an der Deichaußenkante entlang und es ist wunderschön. Ich atme tief durch. Die See ist glatt und überall an den Steinbuhnen sitzen Vögel, die auffliegen, wenn ich vorbeifahre. Sie setzen sich dann aber nicht hinter mir hin, sondern fliegen voraus, um dann wieder..... Ein schöner Anblick, der sich mindestens zehn Mal wiederholt.

                            Vor allem die Reiher haben es mir angetan. Es gibt graue, aber auch bräunliche mit hellen Federn. Es ist, als wäre ich in einer ganz eigenen Welt, denn Menschen gibt es hier um diese Zeit noch keine. Nur die Vögel und das Meer. Ein unglaubliches Gefühl von Weite und Naturverbundenheit, das man kaum beschreiben kann.








                            Leider reicht das Tele meiner Kamera nicht, um bessere Fotos zu machen. An diesem Tag vermisse ich meine Systemkamera schmerzlich.





                            An einem Gatter spiele ich ein Kinderspiel.





                            Ich sage: „Alle Vögel fliegen hooooch!“ Und alle Vögel fliegen hoch.





                            Kurz darauf begegnet mir eine Karawane.





                            Pilger in ein Gelobtes Land. Ich hoffe, die Fotos können den Eindruck ein wenig wiedergeben.





                            Noch haben sie mich nicht richtig gesehen. Aber gleich darauf fliegen auch sie davon.





                            Das Schild verstehe ich nicht und gucke kurz über den Deich. Sollte es hier wirklich lang gehen? Unten an der Straße ist ein Zaun. Gemeint ist die nächste Auffahrt.





                            Ein wehmütiger Blick zurück. Hier war es wirklich schön. Nun geht es Richtung Zurich.





                            Der Ort Zurich ist nett anzusehen und bietet Unterkünfte für diejenigen, die ermattet dem Damm getrotzt haben. Es gibt sogar eine Bank. Groß prangt am Haus der Schriftzug „Zuricher Bank“. Die Geschäftsräume beherbergen einen Souvenirladen.





                            Die Spannung steigt, denn ich höre nun bereits den Autoverkehr. Merkwürdiger Kontrast nach diesen Momenten der Stille. Und kein schöner Kontrast. Die Geräusche nerven. Aber es ist die einzige Möglichkeit, um das Ijsselmeer zu queren, denn es an Land zu umfahren wäre ein sehr weiter Weg. Es hätte aber noch eine zweite Möglichkeit gegeben, die auch vom Nordseeküstenradweg akzeptiert wird. Die Fahrt mit der Fähre von Harlingen nach Vlieland, die Fahrt mit der Fähre von Vlieland nach Texel, das Durchqueren von Texel und die Fahrt mit der Fähre nach Den Helder. Diese Wegführung soll sehr schön sein, kostet natürlich aber viel Zeit.





                            In der Ferne liegt Kornwerderzand. Auf ihr befinden sich Festungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, bestehend aus 17 Kasematten und 3 Bunkern. Teile sind zur Besichtigung freigegeben. Außerdem gibt es Schleusen, die das Ijsselmeer mit der Nordsee verbinden. Ein Mann studiert seine Karte, und ich frage ihn, ob ich ihm helfen kann. Er sucht Alternativen. Aber es gibt ja nur diesen einen Weg hier.





                            Hier der Blick zur anderen, zur Nordseeseite.





                            Plötzlich höre ich ein Auto, das langsam hinter mir herfährt. Da es sich um einen Rad- und Fußweg handelt, halte ich stur meine Geschwindigkeit. An sich wäre sogar genug Platz zum Überholen da. Als das Fahrzeug Richtung Hafen abbiegt sehe ich, dass es die Polizei ist.





                            Es hat etwas, als Fahrradfahrer an einer Schnellstraße freie Fahrt auf einer eigenen Spur zu haben. Sehr angenehm.





                            Die Schleuse. Und ich kann mir nicht helfen, ein wenig fühle ich mich nach Italien versetzt. Irgendwie hat das so etwas Klassisch-Römisches hier. Via Aurelia. Nur der Radweg ist untypisch.





                            Weiter geht es die Schnellstraße entlang. An der Böschung liegen Pflanzen und ich überlege konzentriert, wie die dort hinkommen. Hat sie jemand abgemäht und liegen gelassen? Wurden sie dahin geweht? Vielleicht sogar über das Ijsselmeer? Oder ist es Zauberei? Irgendetwas muss man ja denken, wenn man öde an einer Schnellstraße entlang fährt, und so denke ich mir ausführliche und absolut plausible Erklärungen aus.





                            Die Sonne kann sich auch nicht so ganz entscheiden, was sie will, aber letztendlich wird sie sich dafür entscheiden, zu verschwinden.





                            Ein paar Rennfahrer überholen mich. Ich beneide sie um ihre Geschwindigkeit.
                            Der Rastplatz kommt in Sicht, wo ich mit Familie Ditschi einmal Picknick gemacht habe. Die Gegend heißt Breezanddijk.





                            Plötzlich werde ich von Heerscharen von Mücken überfallen. Keine Ahnung, woher die gekommen sind. Stechen tun sie nicht. Sie sind nur überall in meinem Gesicht und an den Händen. Lästig, wirklich lästig. Ich sehe zu, dass ich wegkomme.
                            Auf dem Rastplatz stehen nur wenig Autos. Ein paar ältere Touristen Insassen turnen an einer Statue herum, um Erinnerungsfotos zu machen. Hach ist das lustig. Ich gebe Gas.

                            Genau hier scheint nun eine Wetterscheide zu sein, denn schlagartig wird das Wetter trübe. Auch der Wind macht sich bemerkbar, aber direkt von vorne kommt er nicht. Es scheint Südwind zu sein.





                            Immerhin. Um Viertel nach zehn ist die Strecke fast geschafft.





                            An der Straße sind Bauarbeiten und auch der Radverkehr wird umgeleitet. Ein Reiseradler kommt mir entgegen und ich warte, bis er passiert hat. Dann bin ich wieder in der Zivilisation. Vor Freude fotografiere ich ein paar Vögel.





                            Für Ditschi.





                            Der Radweg lenkt mich durch den Hafen von Den Oever, aber richtig wohl fühle ich mich da nicht. Die Kais wirken verlassen, und es ist zugig. Nun bin ich also in der Provinz Nord-Holland. Ohne Pause radele ich weiter.







                            Bei der nächsten Gelegenheit mache ich erst einmal eine Rast. 42 km stehen auf meinem Navi. Dafür, dass es kurz vor elf ist, ist das für meine Verhältnisse ganz schön viel. Meine Knie fühlen sich ein wenig steif an, vermutlich eher das feuchte Wetter. In der Ferne sehe ich ein paar Reiseradler, und eine Frau mit vollem Gepäck fährt vorbei und grüßt. Schade, dass niemand anhält. Die meisten wollen wohl auch schnell über den Damm.

                            Der Radweg wieder bald sehr naturnah. Viele Vögel gibt es hier. Schnarrend und quakend fliegen einige über mich hinweg. Vor allem sind es Gänse, aber auch Schwäne sind dabei.





                            Landidylle.








                            Manche Ecken sind schön. Nur etwas Sonne könnte nicht schaden.








                            Bald darauf bin ich am Yachthafen am Amstelmeer. Ein Auto lässt mich freundlich vor, ein paar Menschen stehen herum. Ansonsten ist hier absolut nichts los. Der Ort heißt De Haukes.





                            Der Radweg führt nun nicht über den Damm zwischen Amstelmeer und Waddenzee, sondern um das Amstelmeer herum. Es ist eine perfekt asphaltierte, ansteigende Straße und ich fahre sie mit Genuss. Laut Navi sind es 17 bis 20 km/h und das ist ziemlich viel für mich. Die Reiseradler, die sie bergab fahren, beneide ich nicht. Es war schön, mal bergauf fahren zu können. Ich bin enttäuscht, als sie zu Ende ist.





                            Nun sind wieder Wiesen, Felder, Flachland angesagt.





                            Allerdings wirken die Höfe hier viel weniger stolz als in Groningen. An den Einfahrten stehen Schilder „Blumen“ und manchmal sind mehr oder weniger verwelkte Exemplare zu sehen. Es bleibt weiterhin flach und ich merke eine gewissen Unruhe bei mir. Die Fahrt über den Damm ging so flott voran. Aber hier radelt es sich einfach nur zäh. Immer wieder schaue ich auf mein Navi, wo ich jetzt bin. Und immer wieder wirkt es, als wäre ich kein Stück weiter gekommen. Das erste Mal kommt mir der Gedanke, dass ich vielleicht gleich hätte nach England fahren sollen und Holland Holland sein hätte lassen sollen. Dann verbitte ich mir diese Gedanken. Die Region kann ja nichts dafür, dass sie ist wie sie ist.

                            An der Straße ist wieder ein Knotenpunktschild. Eine Frau bringt einen kleinen Jungen auf dem Fahrrad über die Straße und erklärt ihm die Verkehrsregeln. Wir lächeln uns an.

                            Der Ort Anna Paulowna. Benannt wurde er nach er niederländischen Königin Anna Paulowna, verheiratet mit König Wilhelm II. In der Gemeinde findet man das größte zusammenhängende Blumenzwiebelzuchtgebiet der Niederlande. Fotos vom Ort mache ich keine. Nur an den Namen erinnere ich mich noch. Dafür kommt dieser Kollege aufs Bild.





                            Ich erreiche Oudesluis




                            und werde ein paar Meter weiter fast von einer Rennradtruppe ins Jenseits befördert, die mit Tunnelblick in Schwarmintelligenz um die Ecke rast. Im letzten Moment sehen sie mich, und der Schwarm rückt zusammen, aber ein angenehmes Gefühl ist das nicht, denn es sind mindestens 4 oder 5, die direkt auf mich zukommen und dann im letzten Moment die Richtung ändern. Auf den Trikots steht Hollandes Kroon, das ist der Ort, in den Anna Paulowna und andere Dörfer eingemeindet wurden. Vielleicht die lokale Mannschaft. Der Herr in der Mitte ist ein Nachzügler.





                            Das folgende Zusatzschild gefällt mir von der Gestaltung her ausnehmend gut – in England werde ich es wiedersehen. Ich kannte es bisher nicht.





                            Die Strecke wird nun wieder etwas idyllischer und meine Motivation bekommt einen neuen Schub. Ich fahre an einem kleinen Campingplatz vorbei – Kamperen bij de Boer. Agrotouristik. Kurz darauf komme ich an eine Wasserfläche. Die Erklärung steht (auch in Deutsch) dabei: Es sind Blumenzwiebelfelder, die unter Wasser gesetzt werden, um die Böden von Krankheiten, Viren, Zwiebelresten und Unkraut zu befreien. Der Prozess wird Inundation genannt. Die Flächen sind ein ideales Rast- und Nahrungsgebiet für die Vögel.





                            Die nächste Pause steht an und wieder bin ich ziemlich müde. Aber hier ist leider zuviel Verkehr, um ein Schläfchen zu halten.





                            Ein Mann mit einem Transporter kommt und parkt auf einer Brachfläche gegenüber. Er wirft eine Angel in den Kanal und wartet etwas. Dann zieht er ein paar Wasserpflanzen heraus. Kurzerhand packt er sein Angelzeug wieder zusammen, wirft es ins Auto und braust davon. Viele Radfahrer radeln auf ihren Rädern vorbei. Es sind Schüler, Hausfrauen und Rentner. Einige sind sehr modisch gekleidet, andere klassisch-konservativ, wieder andere unauffällig. Ein Paar trägt Rucksack.





                            Irgendwann komme ich an einen Kreisverkehr und habe keinen Ahnung, wie ich die Straße überqueren soll. Einen Fahrradstreifen gibt es nicht. Dafür einen Verkehrsstau und die Autofahrer sind völlig gestresst um ihren Vorteil bedacht und niemand hält an. Das bin ich nicht mehr gewöhnt. Es dauert lange, bis ich endlich eine Lücke finde.

                            Etwas weiter zeigen die Schilder, dass ich nun nicht mehr auf der Waddenzeeroute, sondern auf der Nordseeroute bin. Das holländische Ehepaar von gestern hatte mich schon darauf vorbereitet, dass nun auch die Nummerierung sich ändert.





                            Das ist in der Tat so. Ich bin jetzt nicht mehr auf der 10b, sondern auf der 1a. Der Hinweis steht am Fahrradweg und ich wage es, auf dem Radweg stehen zu bleiben, um dieses Foto zu machen. Ein Mofa kommt von hinten und der Mofafahrer macht mich auf Englisch blöd an, was mir einfällt, hier auf dem Weg herumzustehen. Ich frage ihn, ob er Probleme hat. A.... gibt es anscheinend überall, man sollte sich nicht von Urlaubsgefühlen täuschen lassen.





                            Der Weg geht nun an der Küste entlang und das bedeutet in diesem Fall der Kontakt mit dem Massentouristmus der Nachsaison. Es sind viele deutsche Kennzeichen zu sehen, vor allem aus Nordrhein-Westfalen. Auf den Campingplätzen scheint noch viel Betrieb zu sein. Ich sehe einen Supermarkt, der zwar zu einem Campingplatz gehört, aber auch ohne Campen betreten werden kann. Auf dem Vorplatz parkt ein Pinneberger Wohnwagengespann.





                            Ich kaufe im Supermarkt Heidelbeerjoghurt und eine Banane. Ich habe Hunger und esse die Sachen sofort. Eine gute Gelegenheit, endlich mal die stylischen holländischen Packtaschen zu fotografieren.





                            Weiter geht es auf einem Radweg, der erst ein Stück durch die Dünen und dann an den Dünen entlang führt. Die Dünenlandschaft ist eingezäunt. Schön ist die Strecke nicht, aber man kommt voran. Die Heideblüte beginnt bereits.





                            Es sind erstaunlich viele Radler unterwegs und viele haben elektronische Unterstützung. Ein Liegeradler führt volles Gepäck mit sich, das sieht nach einer Langstrecke aus.


                            Petten.





                            Es riecht nach Sonnencreme und Urlaub. Eine Schülergruppe lärmt. Kurz darauf geht es am Deich entlang.





                            Und dann freuen sich meine Augen: Die holländischen Alpen kommen in Sicht. Meine Meinung. Ich befinde mich folglich im Alpenvorland. Finde ich.





                            Erwartet hatte ich sie bereits, denn das holländische Ehepaar hatte mir davon erzählt. Aber zunächst besteige ich den Deich, weil das gerade alle tun und an dieser Stelle auch eine Menge Leute herumstehen. Ich frage einen Motorradfahrer, der gerade herunterkommt, was man da sieht und erklärt es mir. Die begucken sich die Sandvorspülungsarbeiten, die zusätzlichen Flutschutz bieten sollen.





                            Ich sehe jetzt, dass ich auch auf dem Deich hätte fahren können. Anscheinend hatte ich die gelben Schilder für die Radfahrer falsch verstanden. Möglicherweise ging es darum, dass die Radfahrer keinen Vorrang haben, wenn sie oben fahren. Ich bleibe dennoch unten, denn es sind mir zuviele Spaziergänger unterwegs. Mit Gepäck ist das nicht so günstig.








                            Unten wieder angekommen, frage ich ein Ehepaar nach ihrem Fahrrad. Das flache Teil auf dem Gepäckträger ist der Akku. Sie haben sich die Fahrräder vom Schwiegervater der Tochter geliehen und sind ganz happy. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie kürzer treten und das ist eine unerwartete Chance für beide. Vor Freude strahlend fahren sie weiter.





                            Die Alpen kommen nun immer näher. Ein uralter britischer Sportwagen parkt an der Seite. Es ist ein Austin Seven in der Sportausführung.






                            Ich bin kurz vor Camperduin. Eine Truppe Radsegler kommt mir entgegen. Ein Nachzügler.








                            Ich frage zwei Briten nach einem Campingplatz. Ich weiß nicht wieso, aber Camperduin gefällt mir nicht. Keine Ahnung warum. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass hier der falsche Platz ist. Vielleicht sind mir zuviel Menschen hier. Bergen, sagen die Briten. Das ist ein schöner Ort und da gibt es auch Campingplätze. Ein Künstlerdorf. Ca. 11 km hinter den Dünen. 11 km. Das klingt, als könne ich das noch schaffen. Ich bedanke mich und fahre los.


                            Die Alpen sind natürlich die Schoorlse Duinen. Steigeisen braucht man also nicht.





                            Und ich muss sagen, mein Herz hebt sich vor Freude, als ich die ersten Meter fahre.





                            Obwohl ich hier keine Einsamkeit finde, gibt es wirklich bezaubernde Abschnitte.











                            An diesen Stellen halte ich länger inne, denn sie sind einfach schön.











                            Das Wetter ist auch besser geworden und die Sonne wärmt. Flach ist es hier allerdings nicht. Meistens genieße ich es und fahre entspannt die Wege hoch, aber an einer Stelle muss ich schieben. Das ist mir zu steil. Eine Frau auf einem Elektrofahrrad überholt mich und macht irgendeine Bemerkung auf holländisch. Vielleicht war der Satz aufmunternd gemeint, vielleicht empfiehlt sie mir ein E-Bike. Ich habe ihn nicht verstanden. Aber ich reagiere völlig humorlos und frage auf englisch: „Sind sie heute auch schon fast 100 km geradelt?“ Sie zuckt förmlich zusammen und surrt weiter. Kurze Zeit später überhole ich sie, und bleibe anschließend ihrer Freundin – ebenfalls mit E-Bike – auf den Fersen.














                            Irgendwann kommt aber das Bedürfnis nach Ruhe wieder durch und ich frage mich, ob das hier irgendwann noch einmal aufhört. Wieder einmal nimmt der Radweg nicht den direkten Weg, sondern macht eine große Schleife. Da lenkt auch nicht ab, dass das Gebiet von freilaufenden Tieren beweidet wird und das ziemlich interessant ist. Übrigens: Der tut nichts.








                            Endlich kündigt sich das Ende der Dünen an.





                            Ich bin nun in Bergen aan Zee. Das ist erfreulich, aber leider hat Bergen aan Zee überhaupt nichts mit Bergen zu tun. Mein Campingplatzcheck im Navi ergibt, dass Bergen und damit der nächste Campingplatz noch einmal 5 km weiter ist. Apathisch schiebe ich mein Rad ein paar Meter weiter und beschließe, keinen Zentimeter mehr zu fahren, sondern mich genau da, wo ich jetzt stehe, hinzulegen, um zu sterben.

                            Natürlich geht das nicht und kurz darauf werde ich von etwas Interessantem abgelenkt. Vielleicht sollte ich dort einfach mal fragen. Dann bemerke ich eine Frau, die an einem der Tische vor einem Haus sitzt. Sie hat einen Koffer dabei. Vielleicht kennt sie sich trotzdem aus.
                            Ich frage sie nach einem Campingplatz. „Die Campingplätze sind an der Straße“, sagt sie, „in diese Richtung. Das sind noch ungefähr 5 km“.
                            „Ja“, sage ich, „aber das schaffe ich nicht mehr. Ich bin völlig fertig. Ich komme heute aus Harlingen und bin über den Damm gefahren. Und die Dünen haben mir den Rest gegeben. Bei uns ist doch alles flach.“ Sie lächelt. „Fragen Sie doch einfach mal hier. Hier zelten hinter dem Haus oft Leute. Da ist bestimmt noch ein Platz frei“. Ich schaue ungläubig. „Hier?“ Ja, sagt sie, „gehen Sie mal rein und fragen sie“.


                            Ich gehe hinein und finde einen älteren Herren vor, der mich etwas an den Kantor einer Pfarrei erinnert. Meine Frage beantwortet er nicht, sondern bittet mich, mich erst einmal an den Tisch vor der Tür zu setzen. Er wird mir einen Tee bringen. Ich hasse so etwas. Ich will erst die Fakten haben und dann meinetwegen Tee, aber an seiner Unnachgiebigkeit bemerke ich, dass es schlau sein könnte, seine Anweisungen zu befolgen.
                            Ich setze mich also und kann der Frau noch kein Ergebnis mitteilen. Kurze Zeit später kommt er mit einer Tasse Tee für mich und einer für sich und fragt, ob ich das Haus kennen würde. Ich bin etwas irritiert und denke einen kurzen Moment, er wäre vielleicht Angehöriger einer Sekte. Er erklärt mir ein bisschen und übersetzt etwas auf Deutsch, und nun erinnere ich mich tatsächlich. In Norddeutschland gibt es das nicht, aber ich kenne es aus dem Saarland. Ich bin ganz überrascht, ich wusste gar nicht, dass es das noch gibt. Noch überraschter bin ich, als er mir Hintergründe erläutert. Das wusste ich nicht. Ich kannte nur den Begriff. Natürlich könnte ich hier jetzt etwas genauer werden, aber ich weiß nicht, ob das in Ordnung ist. An sich richtet sich das Angebot ja meiner Kenntnis nach nur an Mitglieder. Wer es genauer wissen will, kann mich per PN fragen.

                            Nun erklärt er mir, dass es hier in der Gemeinde nicht gewünscht sei, dass es einen Campingplatz gäbe. Es hätte Versuche in diese Richtung gegeben, aber man will sich die Exklusivität des Ortes bewahren. Anscheinend ist das hier ein Badeort für Reiche. Sie dagegen dürfen durchaus Gäste auf ihrem Gelände zelten lassen. Er lächelt mich an und erklärt mir den Weg. Ich solle mir einfach einen Platz aussuchen. Anmelden kann ich mich, wenn ich mich eingerichtet und geduscht habe.

                            Ich kann mein Glück kaum fassen und schaue ihn mit großen Augen an. Das freut ihn, und er ermuntert mich, hier Gast zu sein. Ich ziehe los und suche mir einen Platz, der näher am Haus ist und etwas Bodenvegetation aufweist. Ich könnte mich zwar auch mitten in die Dünen stellen, aber Sand an feuchten SilNylonzelten ist unangenehm. Sandheringe haben ich auch keine dabei.





                            Kaum habe ich mich eingerichtet, zieht es mich zur Dusche. Ich bin völlig durchgeschwitzt und wird deutlich, dass ich dringend waschen muss. Das Fahrrad darf in einen Fahrradabstellraum, es ist wieder ein sanfter Befehl des Mannes, damit es nicht nass wird. Ich laufe zur Rezeption, wo eine alte Dame ein strenges buchhalterisches Regiment führt. Es muss alles in einer bestimmten Reihenfolge passieren und meine Daten muss ich aufschreiben, denn sie braucht länger, bis sie es eingetippt haben wird. Für den Schlüssel zu den Nachtsanis (ein Raum, der geschlechterübergreifend aus Dusche und Toilette besteht) muss ich eine Kaution hinterlegen. Zwei Mädels mit Zelt kommen und sind völlig begeistert von dem Areal. „Wir dürfen uns wirklich überall hinstellen?“ fragen sie mich. Sie wählen den großen Sandplatz und kurz darauf verlaufen Wäscheleinen zwischen Zelt und Zaun.

                            An der Sitzgruppe lasse ich mich nieder und koche eine Mahlzeit aus meinen Notreservenudeln mit meinem Notreserveketchup. Ich bin völllig ausgehungert und zittere bereits.





                            Als ich etwas später die Nachtsanis betrete, um auch nach meinem Akku zu schauen, steht in der Dusche ein voll angezogener Typ, der ziemlich merkwürdig da steht. Auf meine Frage, ob er fertig sei – denn falls er jetzt duscht, würde ich den Akku entfernen und später wiederkommen – reagiert er richtig agressiv. Er würde hier Übungen machen und wenn jemand duschen wolle, würde er die Dusche freimachen. Ich versuche, ihm zu erklären, was ich meine, aber mit ihm ist nicht zu reden. Er streckt wieder die Arme aus und macht irgendwelche merkwürdigen Verrenkungen. Ist das Meditation? Oder Zen? Ich kenne mich da nicht aus. Ich dachte immer, so etwas sei entspannend. Warum geht er denn nicht in die Natur, da ist doch genug Platz? Manche Menschen sind mir unverständlich.

                            Im Hof sitzen zwei Holländer und wir unterhalten uns. Sie fragen, ob ich nach Ijmuiden will und ich sage: Hoek van Holland. Das ist weit. Ob ich denn in Zandvoort übernachten will. Ach Gott, das liegt auch da? Scheveningen wäre gut, sage ich. Aber ich werde wohl zwei Tage brauchen, bis ich eine Fähre nehmen kann. Hoffentlich finde ich einen Platz. Sonst wird das knapp mit England. Die Frau nickt optimistisch. Es sind große Fähren und die Ferien sind vorbei. Das sollte schon klappen.

                            Erst dieses Gespräch hat mir bewusst gemacht, wie weit ich plötzlich bin, und dass ich mit dem Überwinden des Damms meine Fährfahrt planen muss. Im Zelt greife ich nach meiner Karte und messe die Strecke aus. Selbst wenn ich viel schneller als heute bin, so werde ich Hoek van Holland morgen nicht erreichen. Mit viel Glück wird es Sonntag werden, und wenn ich dann eine Fahrkarte bekomme, bin ich Montagmorgen in Harwich. Dann habe ich 9 oder 10 Tage Zeit, um nach Newcastle zu kommen. Unmöglich für mich, das zu schaffen. Ein paar Steigungen und ich bin raus.
                            Ein kleiner Dorn piekt sich in mein Herz. Natürlich, ich könnte bis Hull fahren und dann mit dem Zug nach Newcastle. Oder von Hull aus zurückfahren. Newcastle. Wie schön hatte ich es mir ausgemalt, nach Tagen des Radelns am Ziel zu stehen und dann abends an dem warmen Buffet meinen Erfolg zu feiern. Stattdessen dann wieder Abbruch, Bahnfahrt, Looser.

                            Ich verscheuche die trüben Gedanken. Ich habe mir diesen Weg nun einmal vorgenommen und von Anfang an war klar, dass England ein fernes Ziel ist. Ich kann froh sein, es überhaupt schon so weit geschafft zu haben. Jetzt schlafe ich erst einmal drüber und morgen geht es weiter. Aber ich sollte mir morgen ein Hotelzimmer nehmen und abends einmal richtig essen gehen. Ein „freier Tag“ würde mir gut tun.

                            Als es dunkel wird, liege ich längst im Schlafsack. Ein paar Kinder toben später noch herum, dann ist alles still. Ich habe meinem rechten Knie einen Beinling spendiert. Sicher ist sicher. Ich muss es warm halten, sonst komme ich nie nach England.
                            Zuletzt geändert von Torres; 26.09.2014, 21:39.
                            Oha.
                            (Norddeutsche Panikattacke)

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                            • Ditschi
                              Freak

                              Liebt das Forum
                              • 20.07.2009
                              • 12705
                              • Privat


                              #15
                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                              Danke , daß Du beim Leuchtturm an mich gedacht und auch unsere Fahrt zu Karsten Tenten nach Zwaag nicht vergessen hast.
                              Den Damm fand ich übrigens nicht langweilig. Die Straße schon, aber rechts und links Wasser stimmt mich zumeist froh. Ich mag das nunmal. Ansonsten weiß ich nicht, was ich mehr bewundern soll: die Ausdauer beim Radeln oder beim Schreiben?
                              Beides eine gelungene und beachtliche Leistung.
                              Gruß Ditschi

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                              • Torres
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                                Liebt das Forum
                                • 16.08.2008
                                • 31757
                                • Privat


                                #16
                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                Zu neuen Ufern.

                                Sa, 06.09.2014
                                Bergen aan Zee – Nordsee 39,2 km


                                Ich habe zwar gut geschlafen, aber so richtig komme ich nicht hoch. Meine inneren Batterien haben sich gestern wohl etwas entladen. Ich fühle mich schlapp. Mein linkes Bein ist etwas steif, von jetzt ab muss ich beide wärmen. Wie im Tran packe ich meine Sachen ein. Das Zelt ist so gut wie trocken, es gab kein Kondens, obwohl es diesig feucht ist. Ich esse die restlichen Brötchen mit einem Schmierkäse, den ich zu Hause bereits eingepackt hatte. Er schmeckt scheußlich. Aber er soll ja nicht schmecken, sondern satt machen. Ich schaue auf die karge Dünenlandschaft und würde mich am liebsten wieder hinlegen. Irgendwie bin ich heute nicht gut drauf.

                                Ich brauche den Schlüssel zum Fahrradunterstand und der Herr von gestern lächelt mich warmherzig an, als er mich sieht. Sofort fühle ich mich besser. Ich begreife, dass er gestern einfach nur vorsichtig war. Das kann ich gut verstehen. Wir wechseln ein paar Sätze und offen zeigt er sein Bedauern, dass ich schon weiterfahre. Einen kleinen Moment fühle ich einen Anflug von Schwäche, denn einen Ruhetag könnte ich wirklich gut gebrauchen. Und einen so tollen Zeltplatz muss man auch erst einmal wiederfinden. Aber wenn der Motor einmal läuft, dann läuft er. Entschuldigend sage ich, ich würde gerne bleiben, müsse aber meinen Zeitplan einhalten. Das ist ein wenig geschwindelt, denn ich könnte meine Pläne ja ändern. Aber in Sekundenbruchteilen hatte ich gescannt, was ich hier heute unternehmen könnte, aber mir fiel nichts spannendes ein. Nach Bergen fahren und den Ort anschauen? Essen gehen? Durch die Dünen laufen? An den Sandstrand setzen? Merkwürdig. Es reizt mich alles nicht. Irgendetwas in mir will weiter. Vielleicht habe ich im August einfach zuviel bemme geschaut . Vielleicht bin ich aber auch nicht so der Typ für Dünen.


                                Etwas später betrachte ich den Ort. Er wirkt ausgestorben, fast steril. Die Ferien sind vorbei. Nichts, aber auch gar nichts weckt irgendwelche Emotionen in mir. Zweckarchitektur ist mein üblicher Begriff dafür.
                                Dann höre ich das Meer rauschen und das weckt in mir normalerweise die Lebensgeister. Es gibt einen hölzernen Übergang zum Strand und dort parke ich mein Fahrrad. Und wieder werde ich mit der Landschaft nicht warm. Der Strand ist einfach zu perfekt. Er erinnert mich stark an den Strand von Westerland/Sylt. Nur die Hochhäuser fehlen. Irgendetwas stimmt mit mir nicht.





                                Ich stelle mein Fahrrad ab und laufe die Treppen hinunter. Ich könnte jetzt hier spazieren gehen, weiß aber nicht warum.





                                Vergeblich versuche ich mir klar zu machen, dass hier das Meer ist, das ich so liebe. Und dennoch fühle ich mich hier irgendwie nicht wohl. Anders kann ich es nicht beschreiben.








                                An einem Aussichtspunkt herrscht reges Treiben, und das ist die Gesellschaft, die ich mag. Als ich näher komme, fliegen sie davon.





                                Zwei Schwimmer entsteigen dem Meer, es dürfte noch warm sein. Ein Traumstrand, sicher. Aber nicht für mich. Emotionslos radele ich weiter.






                                An einem Platz stehen mehrere Menschen, und ich vermute eine Bäckerei. Sie warten auf den kleinen Strandladen, der zwar seine Waren bereits vor der Tür präsentiert, aber noch nicht geöffnet hat. Man hört die Stimmen der Verkäuferinnen. Vermutlich gibt es hier auch Brötchen. Die Wartenden sind unruhig und mustern mich ablehnend, obwohl ich sie grüße. Niemand grüßt zurück. Ein Lächeln suche ich vergebens. Sie haben wohl keine Lust, zu warten. Ich auch nicht und so radele ich weiter.

                                Die Straße erinnert mich ein wenig an Frankreich im Herbst, wieso kann ich nicht begründen. Mögen die Häuser auch teuer sein, auf mich wirken sie wie Festungen, und ich ahne, wie kalt und feucht es hier im Winter sein wird.





                                Kurz darauf beginnt eine neue Dünenlandschaft und meine Laune hebt sich spürbar. Der Kontrast zu gestern ist allerdings augenfällig. Was am Tag zuvor im Sonnenlicht glänzte, wirkt heute matt und leer.





                                Am Wegesrand stehen Fotografen und bald sehe ich, was sie fotografieren.





                                Eine Gruppe Hochlandrinder





                                und eine Gruppe wilder Pferde.









                                Vielleicht ist Urlaub machen in dieser Gegend doch nicht so schlecht. Womöglich muss man bleiben, um diese Landschaft zu verstehen und ein Gefühl für sie zu entwickeln. Wandern kann man hier sicher wunderbar, für Wanderer gibt es extra Wege. Aber nun ist es zu spät. Ich bin ja bereits unterwegs.








                                Die ersten Radler begegnen mir, die meisten sind Mountainbiker, aber es sind auch drei oder vier Frauen und Männer dabei, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie zur Arbeit fahren. Man grüßt sich freundlich. Andere Fahrer grüßen dagegen nicht. Die Städte rücken näher.
                                Ganz so hoch wie die Dünen von gestern sind die Dünen hier nicht und sie wechseln sich mit bewaldeten Tallandschaften an. In der Tat waren die Dünen von gestern die höchsten mit ca. 54 Metern.





                                Das Schild kenne ich auch noch nicht. Die Abfahrt ist tatsächlich nicht ganz ohne. Ich bin froh, dass ich nicht hochschieben muss.





                                Hier der Anfang der Abfahrt. Ich unterteile die Landschaft nun in „über der Baumgrenze“ und „unter der Baumgrenze“.








                                Der kleine See gefällt mir gut.





                                Kurz darauf endet das Dünengebiet und ich erreiche Egmond aan Zee. Wie in Schoorl und in Bergen aan Zee befinden sich auch hier hinter den Dünen ausgedehnte Traumstrände. Die Radroute führt aber nicht daran vorbei. Hinter dem Zaun steht Damwild. An der Straße befindet sich ein Campingplatz.





                                Im Ort sehe ich ein kleines Einkaufszentrum, das gut besucht ist. Ich entscheide, dass der Ort sicher ist und schließe mein Fahrrad neben der Schwingtür an. Praktischerweise ist direkt dahinter die Bäckerei. Innen finde ich ungewöhnliche Warenpräsentation vor, denn es ist eine Art Selbstbedienungstheke mit vielen unterschiedlichen Körben voller Brötchen oder Brot. An Brötchen gibt es alleine geschätzt 25 verschiede Sorten und ich kann mich kaum entscheiden. Es werden fünf große Vollkornbrötchen und ein Pizzabrot, aber am liebsten würde ich alle probieren. Die Holländer vor mir kaufen vor allem Brot, aber viele von ihnen mindestens 3 Brote oder mehr. Für das Dritte gibt es wohl einen Sonderpreis. Dennoch: Mir war gar nicht bewusst, dass in Holland so viel Brot gegessen wird.

                                An einem kleinen Tisch nehme ich Platz, um das Pizzabrot zu essen und bestelle noch einen Kakao. Ich denke da an den Traum in Appingedam, erhalte aber nur einen kalten Kakao aus der Plastikflasche, der nach Zucker und H-Milch schmeckt. Meine Laune schmilzt erneut dahin. Der Tag ist deprimierend.





                                Mit diesen Bild versuche ich, meine Laune wieder aufzurichten. Ich finde, das Feld sieht aus wie ein Strickpulli.





                                Kurz darauf bin ich an den nächsten Dünen.





                                Mütter gehen mit ihren Kindern spazieren. Sanddorn steht an den Wegesrändern und verleitet mich, etwas Vitamin C zu mir zu nehmen. Wie üblich schmeckt er erst süß und dann süßlich-bitter. Ein wenig verziehe ich das Gesicht.





                                Es ist diesig und ein Schleier liegt über den wenigen gelben Blumen, die der Landschaft einen Tupfer geben. Auch am Wegesrand sind bunte Stellen selten. Es dominieren grau und grün.





                                MTB rasen an mir vorbei und das erste Mal fällt mir auf, wie laut Fahrräder eigentlich sind. Das Surren des Antriebes – auch mein Fahrrad surrt so – ist genauso Ruhestörung, wie das Geräusch eines Motors. Wieso fällt mir das auf? Es weht hier kein Wind und es ist völlig still. Vögel hört man keine. Da fällt das Geräusch besonders auf. Ist Radfahren wirklich Outdoor?

                                Mein Fahrrad quittiert diese Gedanken damit, urplötzlich Klackgeräusche von sich zu geben. Sobald ich das linke Pedal heruntertrete, klackt es. Ich drehe rückwärts und trete nur mit dem rechten Fuß. Kein Geräusch. Sobald ich den linken Fuß aufsetze, klackt es.

                                Wie ich schon erwähnte, ist es hier absolut still. Ein Genuss für meine Ohren. Kurz: Das Geräusch macht mich wahnsinnig. Klack, klack, klack, klack. Und das erste Mal keimt in meinem Gehirn ein kleiner Gedanke, den ich bisher trotz aller Widrigkeiten nie zu denken gewagt habe. Auch dieses Mal verbitte ich mir das und reagiere umgehend mit Durchhalteparolen, wohl ahnend, dass die Entscheidung nun gefallen ist. Man kennt sich ja mit den Jahren.

                                Ein schönes Waldstück ist zu durchqueren und ich entscheide, den Moment zu leben. Ich setze mich an einen Tisch und esse die gekauften Brötchen. Danach werde ich schlagartig wieder müde. Ich legen meinen Kopf auf die Bank, aber schlafen kann ich nicht.





                                Ich mache ein paar Fotos und hänge dann meinen Gedanken nach. Es ist Samstag. Genau eine Woche bin ich jetzt unterwegs. Und kann man mich an fast nichts erinnern. Zuviele Eindrücke waren das auf einmal. Ich lebe im Hier und Jetzt. Aber das weist darauf hin, dass ich mir mal etwas Pause gönnen sollte. Ein Ruhetag wäre gut oder zumindest etwas Erholung. Ich schwöre mir, heute abend, statt zu zelten, ein Bett zu buchen und etwas Richtiges zu essen. Ein Bett. Eine kuschelige Decke. Die Vorstellung gefällt mir. Ich werde wohl nie ein richtiger Outdoorer.





                                Ein Trupp Rennradler taucht auf und stürmt auf meinen Platz zu. Vermutlich machen sie hier immer Pause. Dann realisieren sie, dass da schon jemand sitzt und Verwirrung bricht aus. Ich hätte nichts dagegen, Platz zu machen, aber sie kreisen kreuz und quer völlig ungeordnet umeinander herum und rasen dann weiter. Mal wieder sinniere ich über die Psyche von Rennradlern. Irgendwie eine besondere Spezies von Mensch.

                                Die Unterbrechung hat mich aus meinen Gedanken gerissen. Ich breche auf. Die ersten Genussradler sind nun auch unterwegs. Zwei Ehepaare stehen mitten auf dem Weg und schauen sich etwas an. Kurz darauf weiß ich, was:





                                Es folgt eine längere ebene Strecke, auf der ich Schwäne, Enten und große Pilze sehe. Dann steigt der Weg wieder an. Ein Rennradler hält an und macht Fotos. Was er fotografiert, sehe ich dann auch. Der Anblick der Tiere im See ist beeindruckend. Auch hier würde ich mir meine große Kamera und das Teleobjektiv wünschen, ich habe die Motive vor Augen.





                                Dann kommt auch schon Wijk aan Zee und Velsen in Sicht, und ich klackere mich in Richtung Zivilisation.





                                Der Weg führt auf einen sehr idyllischen Radweg, der direkt an einer industriellen Anlage entlang geht. Ich vermute, es ist das Stahlwerk.





                                Die Anlage ist sehr laut und ihre Geräusche in Kombination mit meinem Klackern bringen meinen Kopf an seine Belastungsgrenze. Nach einer Woche Stille in der Provinz, durchbrochen nur durch Wind und Vogelzwischern, kann ich mechanischen Lärm wohl nicht mehr besonders gut ertragen. Auch die Autos irritieren mich, als ich auf dem Radweg einer größeren Straße folge. Wie schnell man sich an autolose Straßen gewöhnen kann. Immerhin ist die Straße hügelig und hui das macht richtig Spaß. Wenn England solche Hügel aufweisen sollte, würden mir die Straßen gefallen.
                                In einer Nebenstraße überholt mich ein Junge mit Inlineskatern. Er fährt gegen Fahrräder Rennen. Ich gebe Gas und nehme die Herausforderung an. Wenn ich will, kann ich auch schnell sein.

                                An einer Kreuzung sehe ich zu meinem Erstaunen, dass Amsterdam gar nicht mehr weit ist. Anscheinend hängt mein Ortungssystem immer noch in Friesland. Was genau auf dem Schild steht, erinnere ich nicht mehr genau, ich glaube, es waren 15 km. Hier der Hinweis auf die Fährverbindungen.





                                Der Nordseeküstenradweg führt nun Richtung Nordzeekanal, wo eine Fähre Fußgänger, Radfahrer und Mopedfahrer auf die andere Seite übersetzt.






                                An der Haltestelle warten drei Jugendliche aus gutem Hause und zwei Jugendliche aus eher schwachen sozialen Verhältnissen. Sie sind fast im gleichen Alter, aber es ist erschreckend, wie groß der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist. Auf der einen Seite das unerschütterliche Selbstbewusstsein derjenigen, die sich ihrer Zukunft gewiss sein können und auf der anderen Seite Zeichen von Hoffnungslosigkeit und das gedrückte Selbstbewusstsein von Menschen, die viel zu viel Last auf ihren schmalen Schultern tragen.








                                Zwei Mädchen kommen aus dem Wartehäuschen an der Straße und versuchen ihre Unsicherheit mit einer offensichtlich zur Schau gestellten Koketterie zu überspielen. Hübsch sind sie nicht, im Gegenteil, aber sie versuchen sich so zu geben. Nicht aus Berechnung, dafür sind sie zu weich, sie wären eine leichte Beute. Ihre einzige Chance wird vermutlich sein, einen Mann zu finden, der Geld nach Hause bringt und sie nicht schlägt. Ihr Leben ist vorbei, bevor es begonnen hat und man merkt, dass sie es wissen. Fahl scheint die Sonne zwischen den Wolken hervor.





                                Die beiden Mädchen geben mir den Rest. Nein, ronaldo, dass Holland flach ist, stört mich nicht. Ich komme ja selbst aus dem Flachland. Es gibt nichts Schöneres, als durch die Weite zu radeln und seine Gedanken wie Flügel auszubreiten, vorausgesetzt es ist nicht soviel Wind. Entscheidend ist für mich, was ich neben mir sehe, und was ich in einer Landschaft fühlen kann. Die Menschen, die Tiere und die Landschaft selbst, sie alle tragen für mich zu einer Landschaft bei. Fühle ich mich dort nicht heimisch, dann wird für mich das Flachland zur Qual und die Weite zur Enge.
                                Seit ich in Nord-Holland angekommen war, sprang der Funke immer seltener über. Und hier, in der Nähe der Städte, habe ich mit einem Mal den Eindruck, dass dieses Land mir nichts mehr sagen kann. Als wäre der eine Teil der Menschen zu satt und der andere Teil der Menschen zu leer. Ich kann es nur schwer beschreiben. Erst heute weiß ich, dass ich gerade in ein Gebiet gefahren bin, was man Randstad nennt. Es benennt das Ballungsgebiet, das die größten Städte der Niederlande umfasst. Hier wohnt die Hälfte der 16 Millionen Niederländer und hier ist auch das wirtschaftliche Herz. Es umschließt eine Grüne Lunge, die als Pufferzone gepflegt wird und der Naherholung dient. Und daher sind die Menschen hier auch anders als bisher.

                                Da ich gestern die Karte studiert habe, weiß ich, dass sich auf den nächsten Kilometern Dünen, Sandstrände, Dörfer und Städte abwechseln werden. Nationalpark Zuid-Kennemerland. Dann Dünengebiete zwischen Zandvoort und Noordwijk. Den Haag. Scheveningen. Tolle Sandstrände. Bekannte Orte. Orte, die ich schon immer einmal sehen wollte. Aber ich spüre, dass ich darauf einfach nicht mehr neugierig bin. Es tut mir leid für Holland, und ich bin mir sicher, dass es Holland nicht gerecht wird. Aber ich will es im Grunde einfach nicht mehr wissen. Ich fahre nur deshalb weiter, weil ich den Schildern folge.





                                Die Fähre legt an und ich reiße mich wieder zusammen. Den Radwegschildern folgend, überquere ich an den Radampeln die belebte Kreuzung und gebe Gas, um routinemäßig den Schildern folgen. Nach ein paar Metern stutze ich. Der Gedanke in den Dünen. Weiter oder nicht? Hier wäre eine Chance.

                                Egal. Ich entschließe mich weiterzufahren, es ist ja nicht mehr weit bis Rotterdam. Morgen geht es dann nach England und dort macht mir Radeln bestimmt auch mehr Spaß. Ich suche mit meinem rechten Fuß den Pedalschuh und gebe mit dem linken Fuß Gas. Klack. Siedendheiß fällt mir ein, dass ich erst einmal einen Radhändler finden muss, bevor die Geschäfte schließen. Es ist gerade Mittag geworden, und möglicherweise schließen die Geschäfte in Holland bereits um 13.00 Uhr. Dieses furchtbare Geklacker ertrage ich nicht bis Montag. Denn am Sonntag wird mir niemand helfen.

                                Im Zentrum finde ich tatsächlich einen Radhändler. Er fährt das Fahrrad Probe und zieht es dann an Seilen hoch, um den Kurbelblock auf Augenhöhe zu begutachten. Ich schildere ihm den Sachverhalt und zeige die Fotos. Er stellt fest, dass die Pedalschraube nicht festgezogen ist und versucht noch einmal die Kette zu lockern. Er erklärt mir, dass die Schraube des zweiten Mechanikers da nicht hingehört, aber vermutlich den Block hält. Möglicherweise wird durch sie das Klackern verursacht. Er prognostiziert mir, dass das Fahrrad durchhalten wird, ich aber nach der Tour die Werkstatt aufsuchen sollte. Eine Dauerlösung ist das nicht. Noch einmal fährt er Probe.





                                Ich habe Glück, und er hat Recht. Mit dem Werkstattbesuch ist das Klackern verschwunden und wird auch nicht mehr auftreten. Das Fahrrad ist wieder in Ordnung und wird bis zum Ende der Tour keine Probleme mehr machen. Am Ende wird sogar die Kette locker sein.

                                Es ist Wochenmarkt. Ich schaue mir das Treiben auf den Straßen an, und auch hier spüre ich meine Distanz. Und so entscheide ich, mein Schicksal in die Hände anderer zu legen und fahre weiter durch den Ort. Schön ist der Ort nicht. Geprägt durch die Stahlindustrie auf der anderen Seite.








                                Den Schalter finde ich schnell. Die Dame ist nett und macht mir wenig Hoffnung. Sie ist sich sicher, dass ausgebucht ist, aber sie schaut noch einmal nach. Sie tippt und schaut und tippt wieder und schaut. „Doch“, sagt sie. „Doch“. Hoffnung keimt in meinem Herzen auf. Sollte das doch noch ein Glücktag werden? „Aber“, sagt sie: „Das wir sehr teuer. Ich kann Ihnen nur noch eine 4-Bett Innenkabine anbieten. Alles andere ist ausgebucht, auch die Einzelbetten. Wir haben heute viele Gruppen. Keine Ahnung wieso. Aber sie könnten von Hoek van Holland nach Hull fahren. Da sind noch viele Plätze frei und es ist auch nicht so teuer“. „Wieviel kostet die Kabine“, frage ich. „335 Euro“, sagt sie entschuldigend. Sie erklärt mir, dass derjeinge, der als letztes bucht, den teuersten Preis zahlt. Die Reederei arbeitet mit flexiblen Preisen.
                                335 Euro sind viel Geld. Für 335 Euro bekommt man ein gutes Zelt. Und morgen käme ich preiswert nach Harwich. Ich wandele mein Hirn à la Sherlock in einen Computer um und lege die Fakten auf eine Waagschale: Zwei Tagen radeln durch Dünen und Städte stehen jetzt 335,00 Euro für ein Bett nach Newcastle entgegen. Newcastle bedeutet Tourabbruch. Ziel war ja, den Radweg lückenlos zu fahren. Aber kann ich weiterradeln meinen Nerven zumuten?
                                Mein Gehirn sortiert die Parameter neu und ändert die Bezugsgröße: Die Fahrt von Lübeck nach Helsinki kostet ungefähr 340 Euro pro Bett und über 500 Euro für eine 2er Kabine. Hier gibt für den Preis eines Bettes immerhin 4 Betten dafür, das macht die Überfahrt fast zu einem Schnäppchen. Ich gebe mir einen Ruck, hole die Kreditkarte und halte sie lässig über den Tresen. Mit einer filmreifen Geste. „Machen wir. Ich habe Urlaub.“

                                Die Dame schaut mich erstaunt an und fragt noch einmal nach. Aber ich habe mich entschlossen und sie nickt. Passport, please. 2 Minuten später bin ich im Besitz einer Buchungsbestätigung. Abendessen und Frühstück buche ich dazu. Wenn schon, denn schon.

                                Als ich den Schalter verlasse, ist mir ganz flau, wie immer, wenn ich zuviel Geld ausgebe. Aber gleichzeitig fühle ich mich wie erlöst und sehe die Welt in neuen Farben.
                                Newcastle upon Tyne. Morgen bin ich da. England, ich komme! Von Ijmuiden nach Hoek van Holland kann ich auch im nächsten Sommer irgendwann einmal radeln. Das ist von Deutschland aus doch gar nicht so weit.
                                Als ich mein Fahrrad zum Check-In schiebe, durchströmt mich das pure Glück. Ich bin frei. Endlich frei.





                                Ich positioniere mich auf einer leeren Fahrspur, denn die Fahrräder kommen auf Fähren im Allgemeinen zu erst dran. Kurz darauf halten Motorradfahrer aus Deutschland hinter mir und wir unterhalten uns ein wenig. Dann erblicke ich zwei Reiseradler aus der Region Aachen, und wir stellen uns direkt vor dem Tor zusammen und tauschen uns aus. Sie wollen nach Schottland und haben nach meiner Wahrnehmung unglaublich viel Gepäck mit. Frontroller, Backroller und Rucksack, außerdem eine große Rolle hinten quer. Kommt sie damit wirklich Berge hoch? Ich bewundere ihre Kondition. Aber möglicherweise geht es den beiden wie mir: Es ist viel Volumen und wenig Gewicht.

                                Die Tore gehen auf und wir fahren durch die Passkontrolle. Dann gilt es, am nächsten Tor zu warten. Wir inspizieren unsere Packtaschen und stellen Vergleiche an. Sie fährt mit Ortlieb, er mit Vaude. Ich habe im Sonderangebot Frontroller von Racktime für 24,95 Euro das Paar erstanden, sie basieren auf dem Ortlieb System, während ich sonst mit Vaude fahre. Der Mann und ich sind sich einig, dass uns das Vaudesystem beim Anbringen besser gefällt. Wenn es klickt, sind die Taschen geschlossen. Bei Ortlieb muss man sich immer die Finger verdrehen, um sicher zu gehen, dass sie den Gepäckträger umschließen. Dafür kann man den Trageriemen bei Ortlieb besser befestigen. Sie werden auf Tour testen, welche Marke ihnen besser gefällt.
                                Beide fahren wie ich zusätzlich mit Rucksack und seine Begründung verblüfft mich sehr: Man hat alles wichtige dabei und friert nicht. Die gleichen Gründe habe ich auch, aber noch nie davon gehört, dass es anderen auch so geht. Auf ods reden die meisten davon, dass man mit Rucksack zuviel schwitzt.

                                Ein paar Oldtimer reihen sich in die Schlangen ein. Wunderbare Autos, ein schnittiger Jaguar, eine Peugeot Limousine, ein Citroen SM (der mit Maseratimotor) und viele andere mehr. Es ist der Gay Classic Car Club und die Mitglieder treffen sich in England zu einem mehrtägigen Treffen.











                                Ich frage einen Mann, wieso sein Auto eigentlich Mini heißt, groß steht es auf der Motorhaube. Das Auto ist fast doppelt so groß wie der Jaguar Sportwagen, nur ein wenig kürzer. Nebeneinander gestellt, wirkt der Mini wie ein SUV. „Weil es drauf steht“, erhalte ich als Antwort. Was soll er auch anderes sagen.


                                Um halb vier öffnen sich endlich die Tore, und wir radeln in das Schiff hinein. Mein Packsystem ist so aufgebaut, dass ich nur den Bauchgurt mit der Technik und die linke Packtasche abnehmen muss. Alles andere kann am Fahrrad bleiben. So gut war ich noch nie sortiert. Ich beglückwünsche mich zu meinem Konzept. Ein paar Engländer kommen mit sportlichen Rädern (Cyclocrosser?) auf die Fähre geradelt. Die meisten haben Rucksäcke dabei. Ein Engländer auf einem Retrofahrrad transportiert stilsicher eine Klappkiste aus Plastik. Die Jungs sind gut drauf, und wir albern ein wenig herum.

                                Die Kabine ist laut und ziemlich eng. Vier-Bett-Kabine heißt, dass zwei Betten mit Oberbetten in der Kabine sind und zu zweit könnte man sich hier kaum bewegen. Die Motorradfahrer versuchen zu viert in ihre Kabine zu kommen und das dauert ziemlich lange. Sie haben ihre Koffer dabei, darin ist wohl ein Haufen Elektronik, aber wo sie sie hinstellen sollen, wird sicherlich eine Denksportaufgabe. Ich feuere sie an, denn sie versperren zunächst den ganzen Flur.
                                Es ist ein altes Schiff, das merkt man sofort, die Standards haben sich geändert. Egal. Ich habe heute ein Bett, ich bekomme heute abend etwas zu essen, und ich bin morgen in Newcastle. Was will ich mehr!





                                Und dann legen wir ab. Langsam schiebt sich das Schiff aus dem Hafen hinaus.








                                Eine Bunkerinsel an der Einmündung.





                                Kohle und Stahl.





                                Die Küste, an der ich heute morgen entlanggeradelt bin. Plötzlich finde ich sie doch ganz schön. Postkartenidylle.











                                Etwas später sieht man nur noch die Offshore-Parks und ich erinnere mich, wenig Windräder gesehen zu haben. Hier sind dafür umso mehr.





                                Ich treffe einen der Engländer wieder, und er schwärmt von Holland. Dort gab es nicht die rüpelhaften englischen Autofahrer, die einen von der Straße drängen, sondern in Holland werden Fahrräder respektiert. Am liebsten würde er gar nicht nach Hause fahren. Ich bin überrascht. Sollte mein Englandbild überholt sein?
                                Ich teile ihm mit, was ich vorhabe und frage nach, ob meine Strecke hügelig ist. Genau weiß er das nicht, aber bei Newcastle müsste es hilly sein. Er ist beeindruckt, dass ich bis nach Harwich fahren will, das ist ein langer Weg. Ich bin innerlich genauso beeindruckt und schwäche ab, indem ich sage, notfalls nähme ich den Zug, denn ob ich das wirklich schaffe, weiß ich nicht. Er fragt nach meinen Tagesleistungen und ich sage: „Zwischen 70 und 100 km. Bei 70 km ist die Grenze, wo ich anfange zu merken, dass es auch noch etwas anderes geben könnte, als radfahren.“ Er nickt. Er ist aus Berwick-upon-Tweed, der nördlichsten Stadt Englands. Sie liegt auf der schottischen Seite des Grenzflusses Tweed, gehört aber dennoch zu England. Zwischen Berwick und Newcastle soll wohl der schönste Abschnitt des Nordseeküstenradwegs liegen, aber mit dem Zug hochfahren und dann nach Newcastle radeln, werde ich nicht schaffen. Ich kann ja von Glück reden, wenn ich Hull erreiche.

                                Um 18.30 Uhr gehe ich Schlemmen. Die meisten Dinge darf ich leider nicht mehr essen, und ich denke an frühere Zeiten, als ich mich auf die Fleischmahlzeiten gestürzt habe. Zur Feier des Tages gönne ich allerdings mir ein kleines Stück Rindfleisch und etwas Putenfleisch. Aber wenn ich ehrlich bin, reizt mich das Fleisch kaum noch. Man kann sich an alles gewöhnen. Zweimal hole ich mir Nachschlag und fülle mit Gemüse, Fisch und Salat meine Speicher wieder auf.





                                Dann gebe ich mein nicht mehr benötigtes Kleingeld für zwei Packungen Lakritzschnecken aus. Es ist das einzige, was mich reizt, denn Schokolade kann ich nicht mitnehmen, die schmilzt. Mein Gepäck ist nun schlagartig ein Kilo schwerer, aber die Entscheidung ist richtig. Die Lakritzschnecken werden mir in den nächsten Tagen mehr als einmal helfen, meinen Blutzuckerspiegel zu regulieren.


                                Früh gehe ich schlafen. Die Motoren dröhnen ungeheuer, und ich stopfe mir Ohropax ins Ohr. Ich könnte mich jetzt darüber ärgern, dafür soviel Geld ausgegeben zu haben, aber es ist mir völlig egal. Morgen bin ich in England. Ich bin schon ganz gespannt.
                                Zuletzt geändert von Torres; 28.09.2014, 18:09.
                                Oha.
                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                Kommentar


                                • ronaldo
                                  Freak
                                  Moderator
                                  Liebt das Forum
                                  • 24.01.2011
                                  • 12506
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                  Ne, flach ist schon ok... manche meiner Witze sind auch ziemlich flach...

                                  Wieso um alles in der Welt verpixelst du die Gesichter auf deinen tollen Bildern?? Ich muss immer an Mr. Bean denken, wie er mit dem Taschentuch auf dem Gemälde rumreibt...

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                                  • Torres
                                    Freak

                                    Liebt das Forum
                                    • 16.08.2008
                                    • 31757
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                    Wieso um alles in der Welt verpixelst du die Gesichter auf deinen tollen Bildern??
                                    Persönlichkeitsrechte. Du glaubst ja wohl nicht, dass ich von der Fähre springe und den kleinen Jungen um sein Einverständnis bitte, das Foto veröffentlichen zu dürfen, oder?
                                    Oha.
                                    (Norddeutsche Panikattacke)

                                    Kommentar


                                    • Torres
                                      Freak

                                      Liebt das Forum
                                      • 16.08.2008
                                      • 31757
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                      Thanks to Heather.

                                      So, 07.09.2014
                                      Newcastle – Seaham/Sunderland, 51,8 km


                                      Am Morgen scheint die Sonne über dem Meer. Als hätte England entschieden, mich freundlich zu begrüßen. Da ich wie gewohnt früh aufstehe, bin ich vor dem großen Pulk im Frühstücksraum und bekomme einen Platz, der von der Sonne beschienen wird. Wunderbar. Ich inspiziere das Buffet und da liegt alles das, was ich so liebe: Sausages, Ham, Eggs. Ah. Englisches Frühstück. Ein Traum.





                                      Und dann sitze ich an meinem Tisch und esse eine Portion Toast mit Mushrooms, Baked Beans und Grilled tomatoes. Buuuuaah. Davor Müsli und Cornflakes mit Milch, Banane und frischen Apfelstücken. Buuuuuaaah. Das Leben ist so ungerecht. Man kennt ja den Spruch: Das Alter ist nichts für Feiglinge. Aber dass es so schlimm werden würde? Das grenzt ja an Körperverletzung.

                                      Als die Aufzüge freigeschaltet werden, geht es zu den Rädern. Ich muss mich an sehr knapp geparkten LKW durchquetschen und bin froh, so wenig Gepäck dabei zu haben. Die englischen Radler sind auch schon da und ich kaspere ein wenig mit ihnen rum und mache für sie Erinnerungsfotos.





                                      Der Engländer mit dem Retrofahrrad packt ruhig seine Kiste, und ich frage ihn, ob England hilly ist. Er überlegt kurz und sagt: „Lincolnshire“. Das sagt mir nichts. Das wird sich ändern.
                                      Die ersten LKW fahren raus und geben den Blick auf den Laderaum frei. Auf der anderen Seite stehen viele Reiseradler, sie sind anscheinend später als wir gekommen. Auch die beiden Deutschen kommen und schleppen schwer an ihrer Ausrüstung, die sie komplett mit in die Kabine genommen haben. Schottland, denke ich. Aber es gibt viele Leute, die trotz eines beeindruckenden Gepäcks die Berge hochkommen. Ich komme auch ohne Gepäck keine Berge hoch.

                                      Ich folge den Engländern auf dem Weg nach draußen und bin schnell durch die Passkontrolle durch. Die Oldtimerfahrer sammeln sich hinter den Toren, um zusammen weiterzufahren. Ich bin erst etwas orientierungslos, frage den Retrofahrer nach dem Weg (er sagt: Tyne Tunnel) und kurz darauf sehe ich auch die ersten Schilder. Das fängt ja gut an. Das Querschild weist auf den Eingang zum North Sea Terminal hinweist. Ich muss also zum Tyne Tunnel. Also los.





                                      Ich überquere eine größere Straße, sehe den Tyne Tunnel und gebe auf der sanft ansteigenden Radstraße freudig Gas, aber nach kurzer Zeit merke ich, dass der Radweg in die Stadt führt. Da stimmt etwas nicht.





                                      Ich fahre wieder zurück zur Ampel und warte, bis ein Radfahrer kommt. Ich muss die Straße herunterfahren, dort ist der Tunnel. Er weiß aber nicht, ob der auf ist. Aha. Schilder sehe ich keine. Ich fahre langsam den Hügel hinunter und sehe einen Mann auf dem Bürgersteig. Ich frage auch ihn. „Oh“, sagt er, „der Fußgänger(und Radfahrer-)tunnel ist derzeit geschlossen. Sie fahren jetzt die Straße herunter zum Kreisverkehr und biegen rechts ab. Dann sehen sie eine einzelne Bushaltestelle. Dort fährt der Bus für die Fahrrädern, der sie auf die andere Seite bringt.“ Ich wiederhole noch einmal, und er nickt. Danke schön. Ich fahre los. Und in dem Moment durchzieht mich wieder ein Glückgefühl, das ich gar nicht beschreiben kann. Ich kann reden. Kommunizieren. Ich verstehe, was man mir sagt! Klar, mein Englisch ist nicht besonders gut, aber ich kann mich unterhalten. Kein Reden mit den Händen, kein Erahnen, was gemeint sein könnte. Ich höre etwas, und ich weiß, was gemeint ist. Ist das nicht wunderbar?

                                      Ich stürze mich den Abhang hinunter und tatsächlich. Irgendwo auf dieser großen autofreien Straße, ich würde fast sagen: Im Nichts, steht eine einsame Bushaltestelle. Zwei Radfahrer, ein Mann und eine Frau, stehen davor. Ich frage, ob ich richtig bin und sie bejahen. Sie scheinen entfernte Bekannte zu sein und unterhalten sich über alles Mögliche. Auch mich beziehen sie in ihre Gespräch mit ein, und ich erfahre, dass heute die halbe Stadt gesperrt ist. Halbmarathon. North Run. Die Frau zückt ihre Karte von Newcastle. Der Nordseeküstenradweg ist eingezeichnet, und sie zeigt mir, wo ich mit Sperrungen rechnen muss.

                                      Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt ein Bus. Der Busfahrer steigt aus und meint: „I hope, you´re not busy“, ich hoffe, ihr habt Zeit. Traffic Jam. Normalerweise braucht der Bus 5 Minuten, heute braucht er ungefähr eine halbe Stunde. Flink und routiniert packen die anderen ihre Räder auf den Hänger. Das versuche ich auch, bekomme es aber nicht hin. Der Mann hilft mir, aber es geht wirklich nicht, das Schutzblech bricht beinahe ab. Unterschiedliche Standards. Ich fingere nach meinem Multitool und löse das Schutzblech an der unteren Seite und dann versuchen wir es wieder. Immer noch nicht optimal. Die Reifengröße passt einfach nicht. Ob ich nicht Fähre fahren will, fragt der Busfahrer. Die wird genauso voll sein, hält der Radfahrer dagegen und irgendwie kriegen wir mein Rad da drauf. Nicht schön und wackelt entsetzlich während der Fahrt, aber hält.





                                      Und dann stehen wir im Stau.





                                      Der Busfahrer hat gewechselt und ist gut drauf. Er fragt mich, was ich so vorhabe, und ich erzähle es ihm. So ganz kann er, glaube ich, nicht nachvollziehen, warum man unbedingt nach Harwich radeln will, aber er nimmt es gelassen hin.





                                      Es wird eine launige Fahrt durch den Tunnel, dann geht es noch eine Straße entlang, und der Radfahrer erzählt mir, wo ich die Schilder zum Radweg finde. An der Bushaltestelle schraube ich erst einmal das Schutzblech wieder an – eine Mutter habe ich leider verloren, aber die wichtigsten Schrauben kann ich wieder befestigen - und gegen halb eins bin ich dann endlich startbereit. Auf der anderen Seite der Tunnel mit Verkehrsstau. Weit bin ich also noch nicht gekommen.





                                      Passenderweise stehe ich direkt vor dem richtigen Schild und fahre Richtung South Shields.








                                      Der Weg führt überwiegend durch ruhige Wohnsiedlungen oder auf Radwegen an der Straße entlang. Eine Zeitlang fahre ich an den sich stauenden Autos entlang, und die Autofahrer tun mir wirklich leid. Ich kenne das ja aus meiner Stadt, was eine Großveranstaltung für die Anwohner bedeutet.





                                      Gegen 13.00 Uhr sehe ich das erste Mal das Meer aus der Ferne und freue mich.





                                      Nun kommt aber der schwierigere Abschnitt, denn der North Run findet ausgerechnet auf dem Nordseeküstenradweg statt.


                                      Die Umkleidekabinen für die Läufer.





                                      Autos ohne Ende.





                                      Vorsichtig radele ich an den Fußgängern vorbei. Dass der Radweg gesperrt ist, ist mir klar, aber ich hoffe, dass ich vielleicht eine Lücke finde, um weiterfahren zu können. Am Kreisverkehr nimmt die Menschendichte zu und es sind viele Buden aufgebaut. Ich mache das erste Foto von Tynmouth Castle und fotografiere das stylische Säulengebäude, das eine Toilette beinhaltet.








                                      Die Sonne strahlt, aber die Luft ist lausig kalt, und als ich stehen bleibe, friere ich. Und stehen bleiben muss ich immer wieder, denn es sind einfach zu viele Menschen hier.








                                      Ein paar Meter weiter ist dann endgültig dicht. Die Läufer laufen hier ins Ziel und nutzen den Nordseeküstenradweg als Zieleinlauf. Ich schaue ein wenig dem Treiben zu und überlege, wen ich jetzt frage. Da packt mich jemand an die Schulter, es ist die Frau aus dem Bus. Sie erklärt mir, dass ich hier nicht durchkomme, ich solle es einfach mal unten am Strand versuchen, das könnte es einen Weg geben. Genau weiß sie es nicht, aber da gibt es etwas für Fußgänger. Viel Glück. Ich bedanke mich herzlich und erkläre, dass es schon überraschend ist, so unvermutet in Newcastle Bekannte zu haben. Sie lacht, sie hat mich zufällig gesehen und da sie wusste, wo ich hin will, war ja klar, dass sie mir hilft. Danke schön.

                                      Zu Sicherheit frage ich noch eine Ordnerin und sie bestätigt, dann man auf dem footpath an der Küste weiterkommt. Danke schön. Es ist jetzt kurz vor halb zwei.

                                      Am Strand befindet sich ein aspaltierter Weg mit Fahrradsymbol und als ich den Strand sehe, finde ich das Meer plötzlich wieder wunderschön. Irgendetwas ist hier anders, als in Holland. Oder ich bin wieder normal.








                                      Ich habe nun das Glück, direkt an der Küste entlang radeln zu können.





                                      Und das sogar ganz legal, denn hier findet man jetzt auch das Schild: Alternativ Route.





                                      Ich muss den Hügel hochschieben und MTBler lachen und wünschen mir alles Gute mit dem Gepäck. Ein Trainer feuert seine Truppe an, sie besteht aus lauter Mädels. Schwer tun sie sich an dem Hügel, selbst ohne Gepäck, und sie sind nur geringfügig schneller. Wir lachen, als sie mich überholen und machen dumme Sprüche. Es ist eine Bombenstimmung hier und jeder grüßt jeden. Das war es, was mir gefehlt hat. Lachen und gute Laune. Und am besten ist, dass ich die kleinen Jokes verstehe und sogar selbst welche machen kann. Es ist, als wäre ich zu Hause. Die gleiche Mentalität hier, der gleiche Humor. Den Marathon sehe ich nun vor allem aus der Ferne. Was für eine riesige Veranstaltung.





                                      Dafür schlägt mein Herz höher, als ich die Küste sehe. Ist das hier nicht ein Traum?











                                      Alle zwei Minuten muss ich anhalten und Fotos machen.








                                      An den Felsen kreischen die Möwen, und einen kurzen Moment habe ich eine kleine Träne in den Augen. Natürlich war die Fährfahrt völlig überteuert, aber das hier sehen zu können, war jeden einzelnen Penny wert. Wäre ich an einem anderen Tag gekommen, wäre ich niemals hier lang gefahren. Welch ein Glück.











                                      Die Gruppe mit Trainer macht Übungen auf dem Felsen. In der Ferne kann ich sie sehen.





                                      Der Weg führt nun in Richtung Marathon und man sieht die Läufer in der Zielgeraden. Ganz schön viele. Das hört ja gar nicht auf.





                                      Der Leuchtturm rückt näher und unten ist eine kleine Bucht. Der Marathon geht auch hier noch weiter.











                                      Der Weg führt nun näher an die Marathonstrecke heran. Menschen über Menschen, bunt gekleidet, quellen über die Kuppe. Ein nicht enden wollender Strom. Faszinierend. Das Foto kann den Eindruck nicht wiedergeben, es fehlt einfach die Dynamik.





                                      Ein Mann erzählt, es wären 35.000 Läufer hier, aber später erfahre ich, dass es viel mehr waren. Über einen kleinen Absatz kommt man wieder auf den Fußpfad zurück, und ich beoabachte die Vögel am Felsen. Es ist die Marsden Bay.





                                      In der Ferne sehe ich Blumen und Kreuze, und viele Menschen bleiben schweigend stehen. Die Küste hier ist beliebt bei Selbstmördern, erfahre ich. Das ist dann die andere Seite.








                                      Der Leuchtturm kommt näher und gleich darauf kann ich Straße fahren. Es ist jetzt 14.20 Uhr. Der Umweg hat viel Zeit gekostet. Schön war es dennoch.





                                      Ich beschließe nun, einen Zahn zuzulegen, denn ich bin ja fast noch in Newcastle. Verdammt, nicht einfach.





                                      Schnell ein Foto während der Fahrt.








                                      Irgendwie mediterran, finde ich. Dann geht es an einer Landstraße entlang, und ich lege einen Zahn zu. Der Radweg ist auf dem Bürgersteig. Rechts liegen Felder.





                                      Ab und zu sieht man noch das Meer.








                                      Eine Windmühle taucht auf der rechten Seite auf, aber im Gegenlicht wird das Foto leider nichts. Ich biege in eine Seitenstraße ab.





                                      Ein paar Radler grüßen und weisen mir den Weg.








                                      Kurz darauf bin ich in Sunderland, der Partnerstadt von Essen und schicke einen dicken Gruß an Stephan Kiste. Mensch, Alter, ich hoffe, es geht Dir gut.





                                      Es sind einige Menschen auf der Promenade, und die obligatorischen Sitzbänke stehen herum. England in der Nachsaison.








                                      Der Radweg führt nun von der Promenade hinunter zum Strand. Zunächst fahre ich zu weit, aber als ich keine Schilder mehr sehe, bemerke ich, dass sie weiter unten stehen. Eine steile Spitzkehre ist dabei, und ich bekomme einen Anflug von Höhenangst. Wie gut, dass ich Motorradfahren kann, so weiß ich, wie man derartige Kurven anfährt. Ein Engländer kommt mir von unten entgegen und äußert sich anerkennend. Dann bin ich unten und finde die Schilder nicht mehr. Ich schaue links und schaue rechts und nichts. Ein erster Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Tagen noch öfter passieren wird. Ich entscheide mich in meiner Hilflosigkeit, den Berg wieder hinauf zu schieben.

                                      Das ist nun Glück im Unglück. Zwar ist das falsch, aber an der Ecke ist eine große öffentlich Toilette, in die ich sogar mein Fahrrad mitnehmen kann. Ich gebe zu, dass ich mir so ein Gebäude seit Newcastle gewünscht habe. Alleine fahren hat Nachteile., niemand kann auf das Fahrrad aufpassen.





                                      Ich frage einen Radfahrer, und er schickt mich über die Brücke. Und kurz darauf finde ich auch den Radweg wieder. Ich hätte den Wanderwegschildern folgen müssen bzw. einfach weiter geradeaus fahren müssen.





                                      Auf einem ruhigen Weg geht es nun weiter in Richtung Innenstadt. Am Fluss Wear stehen Jugendliche und angeln. Die Gegend wirkt modernistisch gespenstisch, und ich bin froh, dass mir ab und zu Sportradler entgegen kommen.








                                      Der Radweg führt über die alte Brücke und dann wird es unübersichtlich. Die ganze Stadt ist eine Baustelle und der zentrale Kreisverkehr gestört. So muss ich einen ausgeschilderten Umweg über einen Hof nehmen, mühsam die Schilder rekonstruieren und das Fahrrad unerlaubterweise durch Sand und Steine schieben, um auf die richtige Spur zu kommen. Links fahren ist mir nicht schwergefallen, aber Straßen queren ist ein Problem. Ich weiß nie, aus welcher Richtung die Autos kommen. Anschließend werde ich durch die verwaiste Innenstadt geleitet. Ein paar Läden haben geöffnet. Auf großen Schildern steht „König der Löwen“- Werbung, anscheinend gibt es hier eine Spielstätte. Als ich endlich aus der Stadt hinaus bin, bin ich sehr froh.





                                      An den üblichen Wohnvierteln geht es nun auf parkähnlichen Wegen entlang.





                                      Das Gegend mutet bedrückend an, und es wirkt, als hätte hier ein Niedergang stattgefunden. Tatsächlich war diese Gegend einmal eine Schiffbau- und Kohlegegend, doch haben die traditionellen Industrien Ende der 80 und der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts aufgegeben. Heute dominieren neue Industrien, Chemie, Papier, Call Center. Wirtschaftlich geht es dem Ort anscheinend nicht schlecht und dennoch wirken einige Viertel sehr beengend und arm. Einen Moment überlege ich, welche Perspektiven diese Menschen hier wohl haben. Früher waren die Viertel durch das Selbstbewusstsein derjenigen geprägt, die mit harter Arbeit Geld verdienten. Heute dominiert die schöne neue Welt des Internets und der modernen Technik mit ihren Ansprüchen und Qualifikationen. Wo will man mit all diesen Menschen hin, die nie etwas anderes gelernt haben, als ihre Körperkraft einzusetzen?
                                      Auf der Karte sehe ic kurz darauf, dass der Ort Durham nicht weit ist. Ich denke an den Film „Billy Elliot“, der in einer Nebenhandlung den Bergarbeiterstreik 1984/85 in Durham schildert, der die Schließung der Kohleminen verhindern soll. Deshalb kamen mir die Häuser so bekannt vor.








                                      Das erste Mal sehe ich die Fahrradgitter, die ein Befahren mit Autos unmöglich machen sollen.





                                      Eine kleine Idylle schließt sich an, und ich überlege, ob man hier wildcampen könnte.





                                      Aber irgendwie habe ich das Gefühl, als hätte das Gebiet hier Augen und tatsächlich begegnen mir immer wieder unerwartet Einheimische auf meinem Weg.

                                      An dem Weg in der Mittel des Spielfelds geht es weiter. Diese Weite, die in Ortschaften durch die Sportflächen erzeugt wird, fasziniert mich immer wieder. Menschen sehe ich keine. Fast schon gespenstisch.





                                      In einem Wohngebiet fahre ich zu weit, entdecke dann aber mit Logik, dass ich an der Brücke hätte abbiegen müssen und finde wieder den richtigen Weg. Hinter der Brücke sieht man die Schilder. Wenn man es weiß, ist es einfach.





                                      Wieder fahre ich auf einer Nebenstrecke, die für Autos nicht zugänglich ist.





                                      Links neben mir im Gebüsch röhren Motoren und ein paar Enduros und ein Quad fräsen einen anscheinend ziemlich steilen Abhang hoch auf den Fahrradweg. Ich denke an LNT beim Endurowandern. An der folgenden Steigung stürzt ein ca. 15 jähriges Mädchen mit dem Fahrrad. Sie heult und wird von der Mutter getröstet. Die Motorradfahrer geben Gas und ich mache sicherheitshalber Platz. Der Radfahrer, der mich gerade überholt hat, tut dasselbe.








                                      Durch einen Tunnel geht es Richtung Seaham und der Radweg führt nun an einem Feld entlang. Wieder ein Tunnel.








                                      Von dem, was nun kommt, gibt es keine Bilder mehr. Kurz darauf bin ich in Seaham. Es ist nun halb fünf und ich entscheide, mir hier eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Mein Navi zeigt Campingplätze in Sunderland an, aber da komme ich ja gerade her und möchte nicht zurück. Ich frage eine Frau an der Straße, aber sie weiß nichts. Ein Mann führt seine Hunde spazieren und auch ihn frage ich, aber er weiß ebenfalls nichts. So radele ich durch eine Grünanlage weiter, biege an der Kirche in eine Seitenstraße ein und kommt am Bahnhof heraus. Hier muss ich durch eine Unterführung und hinter der Unterführung sehe ich zwei Menschen im Gespräch und beschließe zu fragen. Es sind ein Mann in Straßenkleidung und eine Frau im Sportdress, und die Frau ist Heather.

                                      Die beiden überlegen und überlegen, aber ihnen fällt nichts ein. Das einzige Hotel von Seaham hat geschlossen, es wird renoviert. In Sunderland gibt es wohl Unterkünfte, aber da komme ich gerade her.
                                      Heather entscheidet, mich zu begleiten und im Supermarkt nach der Telefonnummer des Pastors zu fragen. Möglicherweise besteht dort eine Möglichkeit, zu zelten. Sie joggt neben mir her. Eigentlich wohnt sie in Birmingham, sie nur über das Wochenende hier, um ihre Mutter zu besuchen. In anderthalb Stunden fährt sie zurück. Sie erklärt mir, dass Seaham lange down war und dann zwar kurz wieder up war, jetzt aber wieder down ist. Daher gibt es hier auch keine Übernachtungsinfrastruktur. „Billy Elliot“, sage ich und sie nickt.
                                      Im Supermarkt bekommt sie die Nummer einer Frau, die wissen müsste, welche Möglichkeiten es hier gibt und sie ruft an. Sie telefoniert relativ lange und bekommt eine Telefonnummer eines Campingplatzes. Dort ruft sie auch an und bekommt eine genaue Wegbeschreibung. Der Campingplatz ist ca. 3 Meilen entfernt und nicht so leicht zu finden. Auf meinem Navi sucht sie nach der Beschreibung die Position, und ich markiere sie. Dann radele ich los. Die Nummer von Heather habe ich dabei, ich soll sie anrufen, wenn es geklappt hat oder falls ich verloren gehen sollte.

                                      Ich konzentriere mich auf die Strecke und habe keine Zeit mehr, Bilder zu machen. Ein kleines Stück geht es bergab, aber meistens geht es bergan und ich muss schieben. Erst auf dem Bürgersteig, denn die Landstraße entlang.

                                      Ich denke an „I´m walking“ und versuche, meine gute Laune zu bewahren. Es ist ziemlich kalt geworden, und ich ziehe meine Jacke an. Ab und zu kann ich auch fahren, aber dann muss ich wieder schieben. Meine Beine sind so viele Steigungen noch nicht gewöhnt. Ein Schild, ich bin jetzt wieder in Sunderland. Als ich nach gut einer Stunde auf einer Kuppe ankomme, fällt mir eine Seitenstraße auf, aber da steht etwas von Durchfahrt verboten (kein Zugang zum Motorsportpark). Eigentlich würde das Grundstück passen, aber ein Campingschild sehe ich nicht.

                                      Auf der linken Seite der Straße ist ein Hof, ich biege ein, um zu fragen, aber niemand ist da. Ich fahre ein Stückchen weiter, und dann denke ich, was tue ich, wenn ich im Tal bin und es war doch oben das Haus? Also rufe ich die Nummer des Platzes an und versuche der Frau am Telefon zu beschreiben, was ich sehe. Damit kann sie absolut nichts anfangen, und wir sind beide etwas ratlos. Ich schaue weiter in die Richtung des Hauses und sehe eine Frau in Richtung Straße laufen. Es sieht so aus, als würde sie telefonieren. Ich frage meine Gesprächspartnerin, was sie anhat und das irritiert sie noch mehr. Ich frage noch einmal, denn ich würde jemanden im blauen Pulli sehen, der telefoniert und dann ist klar, dass ich sie sehe. Ich wende und kurz darauf sieht sie mich auch und wir lachen beide. Nun sehe ich auch das kleine Schild: „Camping and Caravanning Club. Members only.“ Ganz unauffällig. Die Mitglieder kennen die Plätze.

                                      Der Platz ist wunderschön und die Frau unglaublich nett. Ich bin zwar kein Mitglied, aber nein, sie würde mich nicht ohne Unterkunft draußen stehen lassen. Ich glaube, ich zahle 10 Pfund, das sind 13 Euro. Es gibt eine Dusche, einen Raum, in dem man sich aufhalten und Bücher lesen kann und eine Küche, in der ich später meinen Fotoakku aufladen werde. Ich will Heather anrufen, aber sie redet ohne Unterlass auf mich ein, um mir alles zu erklären. Als wir die Küche verlassen, kommt plötzlich jemand auf uns zu – Heather. Ihre Mutter hat ihr einfach keine Ruhe gelassen, sie wollte unbedingt, dass sie nachschaut, ob es mir gut geht. Ist das nicht süß? Ich bedanke mich ganz ganz herzlich bei ihr. Das war wirklich unglaublich nett. Schön, dass es solche Menschen gibt.

                                      Die Frau vom Campingplatz fragt mich, wo ich morgen hinwill und verbietet mir resolut, nach Middlesbrough zu fahren. Sie wird mir jetzt ein paar Plätze heraussuchen, ich soll morgen mit dem Zug nach Redcar fahren und dann weiterradeln. „Don´t go to Middlesbrough“ schärft sie mir mehrfach ein. Ich muss es ihr versprechen. „Middlesbrough isn´t safe“!. Sie gibt mir eine Liste von Campingplätzen und drückt mir die Abfahrtszeiten des Zuges in die Hand. Sollte ich öfter in England Urlaub machen, bittet sie mich aber darum, Mitglied zu werden. So teuer ist das nicht, und die Mitglieder würden sich alle untereinander helfen.

                                      Als ich vom Duschen komme, sind die Bewohnerinnen des Familienzeltes am Eingang zurück. Sie sind den Marathon mitgelaufen. Ich gratuliere ihnen und wir reden uns fest. Die Bewohner des Wohnmobils, das gegenüber steht, kommen hinzu, und wir unterhalten uns ziemlich lange. Über den Marathon, zum Beispiel. Ich erfahre, dass es ein besonderer Marathon war: Der Einmillionste Läufer war dabei. 57.000 Tausend Menschen sind gelaufen und alle für einen guten Zweck. Ich erfahre außerdem, dass alle Hotels rund um Newcastle komplett ausgebucht sind. Keine Chance. Ich erfahre weiterhin, dass auf dem Platz zwei Zelter aus Deutschland sind, die den Hadriansweg laufen wollen. Auch sie haben keine Unterkunft bekommen. Im Herzen danke ich Heather noch einmal.
                                      Ich erkläre, welchen Weg ich ursprünglich fahren wollte und die Strecke durch North York Moors findet ihre Zustimmung. Dort soll es schön sein. Aber von Middlesbrough raten sie mir ebenfalls ab. Eine hässliche Stadt. Keine Übernachtungsmöglichkeiten. Ich soll besser nach Redcar fahren. Ah, Redcar. Sie geraten ins Schwärmen. Obwohl, Whitby. Whitby ist viel schöner. Ja. Whitby. Beautiful.

                                      Sie laden mich zu einem Glas Wein ein, aber das darf ich ja leider nicht annehmen. Wir reden noch recht lange und wieder einmal stelle ich fest, wie schön es ist, trotz einer fremden Sprache ein Schwätzchen halten zu können. Es ist kühl geworden, und ich fange an zu frieren. Das treibt mich dann auch ins Zelt. Der sonnenklare Tag weicht nun einer sternenklaren, aber kalten und feuchten Nacht. Das Zelt ist bereits wieder kondensfeucht.

                                      Einen kurzen Moment überlege ich, etwas zu essen, aber ich habe keinen Hunger. Ich rolle mich in meine Schlafsäcke ein, und schließe sie komplett, so dass nur noch die Nasenspitze herausguckt. Die halbe Nacht werde ich frieren und sehne mich nach der Daunenjacke, die ich im Packbeutel auf dem Fahrrad gelassen habe. Trockene Kälte stört mich nicht, da habe ich den Daunenschlafsack, den ich mithabe, schon bis Null Grad gebracht. Aber Feuchtigkeit ist für mich der Horror, da nutzen auch zwei Schlafsäcke nichts. Hätte ich jetzt einen – 14 Grad Schlafsack dabei, wäre es garantiert nicht besser. Aber es ist nicht so schlimm, dass ich tatsächlich die Kraft aufbringe, aufzustehen und sie zu holen. Es ist genau an der Grenze.
                                      Zuletzt geändert von Torres; 30.09.2014, 21:34.
                                      Oha.
                                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                                      • rumpelstil
                                        Alter Hase
                                        • 12.05.2013
                                        • 2707
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                        Danke für deinen Bericht. Ich bin eigentlich nicht so der Reiseberichtleser, aber hier habe ich mich festgelesen!

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                                        • Torres
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                                          Liebt das Forum
                                          • 16.08.2008
                                          • 31757
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                          Es wird.

                                          Mo, 08.09.2014
                                          Sunderland - Seaham; Saltburn-by-the-Sea – Hinderwell, 18,4 km

                                          Am Morgen ist es immer noch kalt. Seit Februar hatten wir im Norden – bis auf zwei oder drei Wochen im August – wunderbares Wetter und die Vorstellung, dass der Herbst kommt, ist sehr ungemütlich. Aber es hilft nichts. Ich muss Wasser wegbringen und pelle mich aus meinen Schlafsäcken. Schnell ziehe ich mich an und hole meine dünne Polarloftinnenjacke aus dem Reservebeutel. Auch die wollene Wintermütze schadet nicht.


                                          Ich packe zusammen. Das Außenzelt ist klitschnass, aber das Innenzelt ist wie immer trocken. Also trenne ich wieder das Innenzelt vom Außenzelt. Diese Version lässt sich auch viel besser im Packbeutel verstauen.

                                          Die deutschen Zelter sind ebenfalls aufgestanden, und ich laufe zu ihnen, weil mich ihr Vorhaben interessiert. Sie besitzen ein Nallo. Von ods haben sie noch nie etwas gehört. Sie laufen den Hadrian`s Wall Path. http://www.nationaltrail.co.uk/hadrians-wall-path. Ihr Auto werden sie an einem Hotel parken, das extra Parkflächen für Wanderer bereit hält. Die Unterkünfte sind vorgebucht.

                                          Die Sonne erzeugt ein farbenprächtiges Morgenrot,





                                          doch kurz darauf verschwindet sie hinter den Wolken. Ein Blick zurück.





                                          Als ich den Platz verlasse, schlafen die Engländer von gestern noch. Ich mache ein paar Erinnerungsfotos und bin wieder auf der Landstraße von gestern. Vor dem Wäldchen habe ich gestern gestanden und telefoniert.





                                          Das dezente Schild.





                                          Heute wird es fast nur bergab gehen, das ist günstig. An einer Kreuzung sehe ich ein Radwegschild und erhoffe mir, dass der Weg nach Seaham führt. Gestern kam hier ein Radler heraus. Der Bereich ist videoüberwacht.





                                          Es macht Spaß, ihn zu radeln, aber leider knickt der Weg ab und ich kann nicht erkennen, ob er nicht ganz woanders hinführt. Mein Navi hilft hier leider nicht weiter und Radfahrer oder ortskundige Spaziergänger sehe ich auch nicht. Das erste Mal merke ich, dass ich in meiner Flexibilität ohne topografische Karten sehr eingeschränkt bin. Erst viel später werde ich erfahren, dass es Spezialkarten für Radfahrer gibt, auf denen die Radwege verzeichnet sind. Sie sind bei Sustrans erhältlich, die den Nordseeküstenradweg in England zusammenstellen. Die offizielle website des Nordseeküstenradwegs weist sogar darauf hin, aber die Information ist mir in der Vorbereitung entgangen.

                                          Ich wende, denn sicher ist sicher und fahre das Stück zurück. In der Ferne sieht man Seaham. Ich brauche übrigens noch einen Tag, um zu bemerken, dass der etwas dunklere Streifen am Horizont das Meer ist. Die Kamera bildet den Kontrast deutlicher ab, als er ist.





                                          Bald bin ich in Seaham.





                                          Noch bin ich unentschlossen, ob ich tatsächlich mit dem Zug fahren soll. Heather hatte mir geraten, in der Leihbücherei, die auch eine Touristinformation ist, nach Routen und Unterkünften zu fragen. Aber als ich mein Fahrrad durch Seaham schiebe, vergeht mir dazu die Lust. Der Ort wirkt deprimierend und es scheint, als würde jeder, der es sich leisten kann, wegziehen.





                                          Die Menschen auf den Straßen sehen müde aus und schauen mich gleichgültig oder ablehnend an. Wer Arbeit hat, ist jetzt sicherlich nicht unterwegs, und ich tue Seaham vielleicht Unrecht, aber was ich sehe, beeinflusst natürlich meine Stimmung. Ich verspüre wenig Lust, hier zu bleiben. Durch das Schieben gerate in ins Schwitzen und ziehe die Wintermütze und die wärmende Jacke aus. Vergeblich halte ich nach dem Supermarkt von gestern Ausschau. Ich hatte einige Straßen wiedererkannt, aber wohl anscheinend eine Abzweigung verpasst. So finde ich nicht wieder. Aber dort hätte ich mein Fahrrad auch nicht unbewacht abstellen mögen, genausowenig, wie ich es an der Tankstelle tue, die ich nun passiere. Es erscheint mir einfach zu riskant.

                                          Ich finde die Schilder zum Bahnhof und entscheide mich, vernünftig zu sein. Die Hilflosigkeit von gestern möchte nicht nicht noch einmal erleben und auf eine zweite Heather kann ich mich nicht verlassen. Wäre ich in Begleitung, würde ich wohl weiterfahren, aber alleine habe ich ein Bedürfnis nach Sicherheit. Zwei mit billigem Schmuck behängte, übergewichtige Teenies in britisch-pink (Bonbonfarben) laufen affektiert vor mir her. Ich frage sie nach dem Bahnhof und sie geben mir richtig nett Auskunft. Man soll Menschen nicht nach dem Aussehen beurteilen. Ich fotografiere die Stelle, wo ich Heather getroffen habe und ringe noch einmal kurz mit mir. Geradeaus geht eine ruhige Straße in Richtung Meer. Aber die Warnung von gestern hat gewirkt. Ich gebe mir einen Schubs. In 12 Minuten fährt der Zug.





                                          Vor mir liegt das falsche Gleis. Ich muss eine Unterführung durchqueren, um zum anderen Bahnsteig zu kommen. Als ich ihn endlich erreiche, sehe ich, dass der Automat auf der anderen Seite ist. Ich überlege, ob ich ohne Fahrkarte einsteigen soll und erklären soll, ich hätte die Funktionsweise des Automaten nicht verstanden, aber mein Sinn für Korrektheit lässt sich nicht manipulieren. Ich rase mit dem Fahrrad auf die andere Seite und hechte zu dem Automaten. Er ist defekt. Also rase ich wieder zurück. Ein paar Geschäfte befinden sich in Bahnhofsnähe, aber ich kann nicht erkennen, ob ein Kiosk dabei ist. Es scheint eine Agentur zu sein. Ich habe Hunger und esse ein Stück Lakritze. In Redcar muss ich mir etwas zu essen suchen.

                                          Der Zug kommt pünktlich und es ist ein Züglein. Eher ein Schienenbus. 2 Waggons. Es gibt einen Abschnitt für Fahrräder, und ich kann mich sogar setzen. Die Schaffnerin kommt. Ich zahle 10 Pfund für ein Ticket nach Redcar. Die Fahrt geht holprig an der Küste entlang und ab und zu habe ich Seeblick. Die von mir auf der offiziellen website gefundene Route wäre dagegen im Landesinneren verlaufen.

                                          Ein Meer von Häusern. Wie fühlt man sich, wenn man in so einer Enge aufwächst?





                                          Golfplatz





                                          Kohle und Stahl.





                                          In Middlesbrough muss ich umsteigen, der Zug fährt am gleichen Bahnsteig. Er ist erheblich moderner als der erste, aber auch nicht sehr lang. Ich komme mit einem Mann ins Gespräch und als ich erzähle, dass ich Richtung Whitby fahre, fragt er mich, warum ich denn nicht in Saltburn aussteige, der Zug endet dort. Die Gegend dort ist sehr hügelig und sehr schwer zu fahren. Da ich ja nun sowieso schon Zug fahre, kommt es auf ein paar Meter auch nicht mehr an und ich frage den Schaffner, wieviel die zusätzliche Strecke kostet. Nichts. Meine Fahrkarte geht auch bis Saltburn. Also bleibe ich sitzen. Zu meiner Überraschung ist die Strecke Redcar – Saltburn flach und ich ärgere mich ein wenig. Diese 6 Kilometer hätte ich auch noch geschafft. Aber bekanntlich sind bestimmte Dinge Schicksal.





                                          Als ich in Saltburn-by-the-Sea aus dem Bahnhof komme und überlege, wo ich hier etwas zu Essen finden könnte, spricht mich ein Mann an und fragt mich, ob das ein Elektro-Bike sei. Ich verneine verwundert, und er zeigt auf mein Bordo Granit Schloss. Er dachte, das sei ein Akku. Er erzählt mir, dass er ein E-Bike hatte und der Antrieb defekt ist. Man kann den Dingern nicht trauen. Ich wolle mit dem Fahrrad weiterfahren? Dazu ist es hier doch viel zu steil. Ähm ja.





                                          Zwei ältere Herren auf dem Fahrrad sehen, dass ich etwas suche und gesellen sich zu mir. Was ich suchen würde? Ich erkläre ihnen, dass ich dringend etwas zu essen brauche, und sie erklären mir den Weg zum besten Sandwichgeschäft der Stadt. Ob mein Fahrrad da sicher sei, frage ich? Sie bieten mir an, mich zu begleiten und warten total nett vor dem Geschäft, um auf mein Gepäck aufzupassen. Ich kaufe für 5 Pfund ein belegtes Sandwich (Käse, Tomaten und viel Salat), ein Stück Pizza vegetarisch und ein Onion und Cheese Pie. Die Frau hinter dem Tresen hat eine mütterliche Aussstrahlung, und ich kann vorwegnehmen, dass ich noch nie so ein gutes Sandwich gegessen habe, wie hier.

                                          Ich erzähle den beiden Männern, was ich vorhabe, und der eine legt die Stirn in Falten. Das wird schwer. Sehr schwer. „Hier ist es wie im Harz“. Ich schüttele den Kopf, der Harz ist höher, und ich wundere mich ein wenig, dass er den Harz kennt. Er war einmal in Osterode in Urlaub. Aber ich bin nun gewarnt und bedanke mich sehr herzlich bei den Herren.

                                          Ich suche den Weg Richtung Whitby, den sie mir beschrieben haben und fahre eine Straße hinunter. Um kurz darauf geschockt mit meiner Höhenangst zu kämpfen. Steil führen die Serpentinen in die Tiefe. Oh, Leute, muss da sein? Dann schon lieber Holland.

                                          Vorsichtig taste ich mich ins Tal. Hoffentlich halten die Bremsen. Auf halber Höhe mache ich an einer breiteren Stelle Halt, um die Autos vorbeizulassen, die ungeduldig den Berg hinunterrasen wollen. Schnell mache ich ein paar Bilder.

                                          Die Seebrücke.





                                          So geht es gleich weiter.





                                          Und dann auf dem schmalen, kurvigen Pfad wieder hoch.





                                          Weiter unten bedanke ich mich zunächst bei meinem Fahrrad und sehe dann ein Schild, das mir bekannt vor kommt. Ach.





                                          Ich hätte in Redcar aussteigen können, der Promenadenweg ist flach. Und er wäre Teil des Nordseeküstenradwegs gewesen. Mist. Aber ein so gutes Sandwich hätte ich da bestimmt nicht gefunden, das war also Schicksal.


                                          Ein letzter Blick zurück.





                                          Es geht nun den steilen Weg hinauf und ein MTBler, der mir gleich entgegenkommt, bekundet Mitleid mit mir.





                                          Mit dem Gepäck wird das abenteuerlich, meint er. Danke. Das Schieben geht aber besser als erwartet, mein Fahrrad war schon viel schwerer. Ab und zu halte ich dennoch an, um etwas zu Verschnaufen. Und Brombeeren zu naschen, die leider noch etwas sauer sind.





                                          Oben angekommen mache ich Fotos von Saltburn und sehe, dass es hier sogar eine Seilbahn gibt, welche die Menschen vom Strand in die Stadt bringt. Der kleine rote Kasten bewegt sich nämlich. Im Hintergrund dürfte man Middlesbrough sehen.











                                          Der Radweg führt nun auf der Höhe entlang, was nicht heißt, dass es flach ist. Aber es ist eben auch nicht richtig steil, so dass ich teilweise fahren kann.





                                          Es geht durch geordnete, teils spießige Wohngegenden (bewachte Nachbarschaft), kleine Zwischenräume, Parkanlagen und schon bald geht mir das ziemlich auf die Nerven. Ständig muss ich nach den Schildern suchen und ich habe das Gefühl, ich komme nicht weiter. Es sind einfach nur Umwege, um der direkten Straße aus dem Weg zu gehen.








                                          Auch wenn es immer wieder etwas zu sehen gibt.

















                                          Um zehn nach zwei stehe ich an einem Radwegschild, das ich nicht verstehe. Ich interpretiere es so, dass der 1er hier zu Ende ist. Mittlerweile weiß ich, dass der Nordseeküstenradweg verschiedenen lokalen Routen folgt und manchmal durch diese abgelöst wird. So erspart man sich wohl eine doppelte Beschilderung. So ist es durchaus möglich, dass darauf hingewiesen werden soll, dass der Weg nach Whitby zunächst einmal der 168 folgt. Mir ist das an dieser Stelle aber nicht klar und da ich nicht weiß, wo der Weg jetzt weitergeht, bin ich misstrauisch. Ich möchte einfach nichts mehr riskieren. Einen kurzen Moment folge ich ihm noch, dann entscheide ich mich für die Landstraße.





                                          Ich möchte endlich vorankommen und nicht mehr ewig durch irgendwelche Dörfer gondeln. Und nicht zuletzt heißt meine Route „Nordseeküstenradweg“ und die Küste habe ich schon länger nicht mehr gesehen. Ich sause die Straße hinunter und denke nur: „Das musst Du jetzt alles wieder hochschieben“, aber nun ist es zu spät. Unten angekommen wird mir klar, dass die Straße recht viel befahren ist. Aber ein Mann, den ich frage, erklärt mir, ich solle nicht den Radwegen, sondern der Straße folgen. Er verwendet ein Wort, das ich nicht kenne, aber ich vermute, da ist ein Bürgersteig. Das ist richtig, zumindest teilweise und das erleichtert den Weg. Eine zeitlang gibt es sogar einen kleiner parallellaufenden Pfad für Fußgänger in einem Waldstück, der sehr idyllisch ist. Die Sonne ist mittlerweile herausgekommen und brennt ganz schön.

                                          Immer wieder kleinere Ortschaften.





                                          Tolle Abfahrten (nach den Schiebestrecken).





                                          Die nächsten Hügel drohen natürlich schon. Aber dennoch genieße ich den schönen Tag. Fahrradschieben hat etwas meditatives, wie ich finde. Ich wandere ja gerne und mit dem Fahrrad kann man dann die abfallenden und flachen Passagen wunderbar überbrücken. Als Belohnung sozusagen. Wie immer bin ich froh, dass ich mit Wanderstiefeln radele.

                                          Dann kommt ein Moment, wo ich langsam müde werde und im Navi nach Übernachtungsmöglichkeiten schaue. Die Adressen, die mir die Frau vom Campingplatz gestern gegeben hatte, bezogen sich zweimal auf Saltburn und einmal auf Whitby. Ich gebe die Adresse des Platzes bei Whitby ein und mein Navi weist mir eine Entfernung von 15 km aus. Das ist zu weit. Bei diesen Hügeln brauche ich ewig. Ich muss wieder auf mein Glück hoffen.

                                          Und das kommt auch. In Form eines Schildes. Hinderwell steht darauf. Hinderwell ist der nächste Ort und ca. 2 km entfernt. Hinderwell? Hieß so nicht der Campingplatz, den mir die Frau aufgeschrieben hatte?





                                          Ich checke Archies Camping. Der Campingplatz ist aufgeführt. 2 Miles. Er liegt mitten am Weg. Ich bin erleichtert.

                                          Ich befinde mich nun im Nationalpark North York Moors und stelle fest, dass meine und die Interpretation der Engländer, was vorsichtiges Fahren ist, ein wenig auseinander gehen.





                                          Es gibt nun wieder einen Bürgersteig. Ein alter Mann sitzt auf einer Bank und schaut auf die Straße. Etwas später begegnet mir ein wanderndes Ehepaar mittleren Alters. Sie könnten bei ods sein. Ich grüße und frage sie, ob sie den Campingplatz kennen. Ja, den kennen sie, ein netter kleiner Platz. Er ist geöffnet. Wo ich den hinwolle. Ich erzähle ihnen, dass ich über Whitby nach Scarborough fahren werde und es so schwierig ist, Campingplätze zu finden. Nach kurzem Nachdenken sagt der Mann: „ Mit Campingplätzen kenne ich mich nicht so aus. Aber in Boggle Hole ist eine Jugendherberge, die sollten sie besuchen. Die liegt sehr abgelegen und ist wirklich sehenswert. Und fragen Sie in Whitby nach dem Cindertrack. Der Cindertrack ist eine alte Bahntrasse. Die Strecke ist flach. Den sind wir auch schon gewandert. Den müssen Sie unbedingt gesehen haben.“ Seine Frau nickt zustimmend.
                                          Ich bedanke mich und finde, das klingt doch jetzt alles schon sehr viel besser als gestern. Vor lauter Freude mache ich Raupenfotos.








                                          Kurz darauf finde ich den Campingplatz. Eine sehr alte Dame begrüßt mich herzlich. Auch hier gibt es ein Häuschen, in dem sich die Zelter aufhalten können. Die Dusche ist kostenfrei und ich habe die Auswahl zwischen zwei Stellplätzen. Der eine Platz ist schief, aber vermutlich unverbaubar, der Platz ist relativ gerade. Ich entscheide mich für den zweiteren, da ich guten Schlaf höher bewerte. Sofort ist das Begrüßungs- und Inspizierkommando des Platzes da und schaut, was ich da treibe.





                                          Die (noch) unverbaute Aussicht.





                                          Raubtierfütterung.





                                          Ein trocknendes Zelt.





                                          Etwas die Straße herunter gibt es einen Butcher, dessen Geschäft als kleiner Supermarkt fungiert. Ich laufe hin und bedauere mal wieder, kein Fleisch essen zu dürfen. Ich kaufe Pilze, Paprika, Broccoli, Brötchen, eine Dose gemantsche Erbsen und eine Dose Bohnen. 7 Pfund, also ca. 9 Euro. Der Fish und Chips Shop zwei Häuser weiter, den ich geflissentlich ignorieren wollte, hat geöffnet, und man sollte nie hungrig einkaufen gehen. Ein Automatismus lenkt meine Schritte in die Richtung und ohne es steuern zu können, sagt meine Stimme: „eine kleine Portion Fish and Chips“. Irgendwie erwarte ich den üblichen Fischkettenfraß, bestehend aus zur Unkenntlichkeit deformierten Fischnuggetts und bin dann überrascht, als ein echtes Fischfilet seinen Weg in die Friteuse findet.





                                          Die Panade esse ich übrigens nicht mit. Dafür tränke ich die Chips in Essig.

                                          Vor dem Zelt, mit Blick auf den North York Moor Nationalpark, verzehre ich meine Beute. Vielleicht war es doch ganz gut, Middlesbrough weiträumig zu umfahren. Meine Vorfreude auf die nächsten Tage steigt.
                                          Dem Fisch folgt das Sandwichbrötchen von heute morgen und hätte ich gewusst, wie gut es schmeckt, hätte ich zwei gekauft. Für das Gemüse reicht mein Hunger leider nicht mehr. Den Rest muss ich morgen essen.





                                          Zwei Autofahrer mit Zelt kommen und stellen ein riesiges Familienzelt genau auf den Stellplatz vor mir. Das Auto noch links daneben. Unglaublich rücksichtsvoll. Sie räumen ihr Zelt ein und nerven sich gegenseitig an. Beste Voraussetzungen für den Urlaub. Zwei Autofahrer mit einem kleinen Trekkingzelt in orange haben dagegen den Platz am Rand auf der gegenüberliegenden Seite gewählt. Das ist weit weg. Schade, ich hätte gerne noch ein bisschen gequatscht. Der Abend gestern war so lustig. Aber die Camper hier sind lieber für sich.
                                          Ich bitte die Dame vom Campingplatz, meinen Fotoakku aufzuladen und das tut sie gerne. Sie sind morgens immer schon früh wach und übernachten in einem Wohnwagen neben der Rezeption. Sie sind schon viel gereist und waren auch in Deutschland. Sie passen auf den Hund der Tochter auf.





                                          Es dauert nicht lange, dann wird es auch schon dunkel und da ich zum Schlafen gekommen bin, stört mich der beeinträchtigte Blick nicht mehr. Als ich in der Nacht rausmuss, leuchtet der Himmel orange. Middlesbrough. In der Tat. Man muss nicht alles sehen.


                                          Zuletzt geändert von Torres; 30.09.2014, 21:30.
                                          Oha.
                                          (Norddeutsche Panikattacke)

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                                            • 16.08.2008
                                            • 31757
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                            Die Eisenbahn, Schmuggler und andere Erlebnisse.

                                            Di, 09.09.2014
                                            Hinderwell – Boggle Hole, 29,8 km

                                            Am Morgen ist der Himmel wieder bedeckt und es sieht nach Regen aus. Auf dem Weg zur Toilette begegne ich der anämischen Nachbarin aus dem Familienzelt vor mir. Sie grüßt nicht und macht einen freudlosen Eindruck. Vielleicht hat sie schlecht geschlafen, sie stand ja am Hang.

                                            Ich packe vor und frühstücke dann erst einmal gemütlich. Es gibt Gemüseburger mit Ketchup.





                                            Das Überwachungskommando erscheint umgehend und kontrolliert die Ordnungsmäßigkeit des Belags.








                                            Ohne Kostprobe zieht der Inspekteur anschließend wieder von dannen.

                                            In der Küche gibt es einen Kettle, und ich entscheide mich, heute morgen einen Kakao zu machen. Der Veggiburger liefert nur wenig Energie.








                                            Ich erhalte meinen Fotoakku geladen zurück und unterhalte mich noch ein wenig mit dem Mann. Gemeinsam schauen wir uns die Wanderkarte der Region an. Das erste Mal sehe ich, dass der Radweg Nr. 1 tatsächlich in den Wanderkarten verzeichnet ist.

                                            Hier verläuft er aber ganz anders, als auf der Karte der offiziellen website des Nordseeküstenradwegs (von dieser Karte hatte ich nämlich Fotos mit dem ungefähren Routenverlauf gemacht). Zwar geht die 1 ungefähr auf der von mir in meine Karte eingezeichneten in Route Richtung Middlesbrough, führt dann aber nach Redcar. Und die Stelle, an der ich umgedreht habe, ist zwar noch der 1 zugeordnet, dann teilt sich aber der Radweg und die 1 in Richtung Staithes ab. Staithes ist der Ort vor Hinderwell.
                                            Ich erinnere mich, dass ich in Staithes tatsächlich ein Radwegschild 1 gesehen hatte, was ich beim Bericht vom gestrigen Tage vergessen zu erwähnen hatte. Ich wusste allerdings bereits, dass der Weg nur nach Staithes führt, aber nicht nach Whitby. Der Radweg endet im Nichts. Nach Whitby führt anscheinend nur die Straße, an der ich mich befinde.

                                            Die Alternativroute über Guisborough findet sich nicht auf der Karte, aber meine Nachrecherche von heute ergibt, dass sie (wie von mir vor Ort richtig vermutet) umständlich und weitläufig über die Berge führt. Inwieweit man von dieser Strecke aus das Meer sehen kann, weiß ich natürlich nicht. Und auch nicht, ob der Radweg die Höhe nutzt, also recht flach ist. Eine Nachrecherche hat ergeben, dass dort Bahnhöfe sind. Das lässt auf Ebenen schließen. Die Bahnhöfe dürften auch ein Grund sein, wieso diese Strecke bevorzugt wird. Die gute Erreichbarkeit und Planbarkeit der Tour. Da sie aber definitiv nicht zur 1 gehört, wäre sie keine Option gewesen.


                                            Hier noch einmal das Schild von gestern auf der Höhe.





                                            Und wer will, kann hier recherchieren. Klick. http://www.sustrans.org.uk/ncn/map?l...utes&filters=-. Dass sie auch eine App haben, weiß ich erst jetzt. Aber ich wollte ja auf Internet verzichten. Und letztlich habe ich die Lücken im System auch so herausgefunden....

                                            Ich frage den Mann nach dem Cinder Track. Ja, der beginnt in Whitby. Im Ort ist eine Tankstelle, dort soll ich fragen. Und Boggle Hole. Da muss ich unbedingt übernachten. Die Schulferien sind vorbei, da sollte Platz sein. Schon der zweite, der Boggle Hole empfiehlt. Nun, schauen wir mal, wie die Streckenaufteilung heute funktioniert.


                                            Spät für meine Verhältnisse, nämlich halb neun, verlasse ich den Platz und radele zur Straße. Auf diese Zeichen sollte man achten.





                                            Der Butcher.





                                            „Gehe nicht in Trauer an diesem Stein vorbei, sondern mit Stolz und lebe Dein Leben so erhaben, wie sie starben."
                                            Die Inschrift fetzt mich. Nie wieder Krieg, hatte wir uns gesagt. Und nun marschieren wieder halbe Kinder in fremde Länder, um andere Menschen zu vernichten und eine Weltherrschaft zu errichten. „Wann wird man je verstehen....“

                                            Das Mahnmal ist für den 1. Weltkrieg errichtet worden. An die Toten des 2. Weltkriegs erinnert eine nachträglich angefügte Platte.





                                            Das Wetter ist neblig-trüb und die Straße ist recht leer.





                                            Ab und zu fahre ich, ab und zu nicht. Es ist ein schöner Tag, und ich genieße den Augenblick.





                                            Immer wieder gackert es neben mir. Sind das Blesshühner? Oder Fasane? Auf jeden Fall betrachten sie mich mit Misstrauen und sich fluchtbereit. Dabei bin ich gar keine Gefahr. Die Autos sind die wahre Bedrohung, man sieht es an den Tierleichen am Straßenrand. Ein paar Häuser, ansonsten ist es hier menschenleer.





                                            Und das ist der Moment, wo ich das erste Mal sehe, dass der dunkle Streifen, den ich für Wolken gehalten hatte, das Meer ist. Mag sein, dass das nun ein paar Fotos zu viel sind und diese sich auch viel zu ähnlich sind. Aber jedes Foto hat für mich eine eigene Bedeutung und vereint in sich die verschiedensten Gefühle und Gedanken.














                                            Ein Schild taucht auf und ich überlege, ob es nun 3 Meilen lang 25 Prozent hinuntergeht oder in drei Meilen. Die erste Version wäre natürlich nicht schlecht. Obwohl. Das werde ich später anders sehen.





                                            Wieder ein Opfer.





                                            Schöne, geschwungene Linien.








                                            Leider hat sich meine Kamera verstellt und so werden mehrere Bilder unscharf. Der Autoverkehr nimmt nun zu und ab und zu muss ich in den Graben ausweichen, da die Autos keine Anstalten machen, mit Abstand zu überholen. Später werde ich begreifen, dass die Straßen in England einfach zu eng sind. Oder die Autos zu breit geworden sind. Für Fahrräder ist einfach kein Platz. Vermutlich haben die Straßen noch Postkutschenformat.





                                            Ein kleiner Campinglatz in Lythe, der wäre auch in Frage gekommen. Man hat sogar Meerblick. Eine Kirche.





                                            Die Straße macht nun eine kleine Kurve und es geht tief ins Tal hinein. Ich will gerade starten, da sehe ich in letzter Sekunde die Bank und vor allem: die Aussicht. Mein Herz stockt und ich bremse. Vorsichtig rette ich mein Fahrrad und mich vor den herannahenden Autofahrern auf sicheres Gelände.





                                            Whitby.

                                            Der kleine Fußgängerweg ist in schlechtem Zustand. Ich müsste schieben. Daher nehme ich die Straße. Eine gute Idee, aber auch nicht besonders herzschonend für mich. Zwischendrin habe ich echtes Muffensausen. Klar, einerseits macht es Spaß, aber andererseits habe ich keine Lust, in die Seitenlage zu geraten. Ich fahre Motorrad und weiß, wie das hinterher aussieht. Aber alles geht gut und auch die Autos fahren vernünftig.


                                            Und dann bin ich am Strand.








                                            Der Eindruck von Idylle täuscht allerdings, denn ich befinde mich direkt an der Straße.





                                            Aber dennoch genieße ich die Eindrücke.





                                            Einfach schön.











                                            Ich radele über eine Brücke, unter der sich Enten versammelt haben.








                                            Wieder die obligatorischen Bänke.





                                            Und hier in diese Weite gehören Windhunde auch hin.








                                            Ich bin schon jetzt fasziniert, wieviele unterschiedliche Hunderassen ich sehe. Sogar einen Spitz. Wann habe ich in Deutschland das letzte Mal einen Spitz gesehen. Oder einen Afghanen. Es sind Traumhunde dabei, alle gut gepflegt. Und sie hören aufs Wort. Ich begegne ausschließlich Besitzern, die ihre gerade Hunde erziehen oder sie wie selbstverständlich an die Leine nehmen, wenn ein Fahrrad kommt. Das ändert sich nur, wenn ich in die Nähe von größeren Städten komme.








                                            Ein Golfplatz.





                                            An einer Einmündung steht ein Radwegschild und ich entdecke völlig neue Gefahren des Radfahrens.





                                            Ich frage den Besitzers eines betagten Greyhounds, ob ich den Radweg fahren soll. Ich suche den Cinder Track. Er schüttelt den Kopf. Auf dem Radweg würde ich verloren gehen. Ich solle die Straße zur Tankstelle fahren und dort fragen. Er erklärt mir den Weg. Sein bildschöner Greyhound war einmal berühmt, er war sogar im Fernsehen, aber er ist jetzt 12 Jahre alt und hat Probleme mit einem Bein. Eine Zeitlang konnte er nicht mehr laufen. Man merkt, wie traurig der Besitzer ist.

                                            Ich finde die Tankstelle und schaue, ob sie für mich geeignete Karten hat, aber das ist nicht der Fall. Ich soll zur Tourist Information fahren.

                                            Ich passiere einen Park. Irgendwie haben die Engländer das mit den Blumen und Bäumen drauf. Es ist der Pannett Park.





                                            Am Roundabout sehe ich die Schilder des Nordseeküstenradwegs und entschließe spontan, in den Ort zu fahren, um bei der Touristik Information nach Karten zu fragen. Sie befindet sich in einem weitläufigen Gebäude, und ich nehme mein Fahrrad mit hinein. Es sind viele Touristen im Ort, vor allem die gereifteren Jahrgänge und einige schauen mein bepacktes Rad an, als sei es ein Ausstellungsstück. Ein Infoblatt zum Cinder Track findet sie sofort. Aber was den Nordseeküstenradweg angeht, so kann sie mir nicht helfen. Sie schickt mich zur Buchhandlung in der Innenstadt. Ich bin gerade gut gelaunt und denke, das schaffe ich jetzt auch noch.

                                            Der Ort entpuppt sich als wirklich hübsch.









                                            Das Wasser sieht als, als würde es regnen. Sind das Insekten oder Fische?





                                            Ich erfahre, dass William Turner Whitby gemalt hat. Na dann. Turner hat mir schon immer gefallen, seine Bilder waren so schön dramatisch. Nach ein wenig Suchen finde ich die Buchhandlung. Die Straßen sind eng und die Bürgersteige auch, für ein abgestelltes Fahrrad ist hier kein Platz. So quetsche ich es in den Eingang des Ladens, natürlich nicht, ohne mich gebührend dafür zu entschuldigen.





                                            Leider hat sie auch keine Karten für mich, sondern nur die Wanderkarten. Karten scheint es also tatsächlich nur bei Sustrans zu geben. Sie findet zwar Karten und Reiseführer von Dänemark und Schottland, aber England fehlt komplett. Schade, sie ist nett und genau so, wie man sich eine englische Buchhändlerin vorstellt. Ich hätte ihr gerne etwas abgekauft.

                                            Ich radele wieder zurück. Soviele Menschen bin ich nicht mehr gewöhnt und es ist mir hier zu eng. Ein Foto von der Brücke. Hat schon was. Nicht für diesen Urlaub, hier bin ich auf Radfahrern gepolt. Aber Interrail könnte man mal überlegen. Der Cleveland Way führt übrigens auch über Whitby.








                                            Ich fahre zurück zum Kreisverkehr





                                            und vermute, dass es links die Hauptstraße hinaufgeht. Aber mit Argusaugen erspähe ich das Schild. Es ist die Sackgasse.











                                            Und dann bin ich überwältigt. Okay, ich habe ein bisschen wenig gegessen, da bin ich sowieso immer etwas emotionaler. Trotzdem. Das hier ist für mich etwas ganz Besonderes. Outdoor.
                                            Zuletzt geändert von Torres; 01.10.2014, 20:00.
                                            Oha.
                                            (Norddeutsche Panikattacke)

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                                              • 2707
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                                              #23
                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                              Du bist wirklich ohne Karten unterwegs? Beeindruckend. Ich bin ein Schisser - und Kartenliebhaberin, ich besuche nicht mal Würzburg ohne Stadtplan...
                                              Und ich kann stundenlang - und stundenlang ist wörtlich gemeint, ich kann unterwegs Abende damit verbringen - auf die Karten von der Gegend, in der ich unterwegs bin, starren. Karten haben für mich etwas meditatives.
                                              Allerdings geht nichts über die Schweizer Landeskarten. Hatte man mal die, ist man für immer verdorben.

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                                                #24
                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                Doch, ich habe eine Karte. Eine Straßenkarte von Michelin: England North & Midlands und England Süd-Ost. Ganz ohne Karte würde ich auch nie fahren. Aber die Fahrradroute ist da natürlich nicht drauf.
                                                Oha.
                                                (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                  #25
                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                  Cinder Track.

                                                  Ich stehe vor diesem wunderbaren Torbogen und darauf steht „Cinder Track“. Yes.





                                                  Der Nordseeküstenradweg folgt tatsächlich dem Cinder Track (dt. Aschenbahn. Benannt nach dem Untergrund, auf dem die Schienen verliefen und heute der Track verläuft). Und ein Gefühl der Freude durchströmt mich, das ich gar nicht beschreiben kann. Ein Radweg abseits der Straßen auf einer Bahnlinie. Und ich freue mich auf den Cinder Track, obwohl ich ihn nicht kenne und bis gestern nie etwas von ihm gehört habe. Zurecht. Der Cinder Track wird der schönste Abschnitt des Nordseeküstenradwegs auf der von mir gewählten Strecke sein. 21 Meilen ist er lang. 34 Kilometer pures Glück. http://www.discoveryorkshirecoast.co...itby%20Map.pdf

                                                  Der Einstieg.








                                                  Zunächst ist er einfach nur eine Waldweg.





                                                  Wie schmal die Bahn gewesen sein muss. Der Wald riecht feucht und es ist wunderbar still. Eine Brücke.





                                                  Mit Blick ins Tal.





                                                  Der Cinder Track führt hier über ein großes Viadukt, dessen Form man von oben natürlich nicht sieht. Auf der Höhe Whitby.





                                                  Spaziergänger kommen mir entgegen und auf der Brücke führt eine Frau einen Hund spazieren. Ganz alleine ist man hier nicht. Aber dennoch: Es ist, als betritt man eine ganz eigene Welt.





                                                  Ein Zugang für Wanderer zum Cinder Track.





                                                  Ich kann mich am Spiel des Lichts und den Bäumen nicht satt sehen.








                                                  Wanderer mit Wanderstöcken begegnen mir, meist sind es Ehepaare. Ein Mann sitzt auf einer Bank, einen bildschönen Setter neben ihm. Er ist elegant sportlich in Brauntönen gekleidet, und die beiden strahlen eine Harmonie aus, die von einer tiefen Seelenverwandschaft zeugt. Ich schäme mich ein wenig für meine gelbe windabweisende Fahrradweste und das Raddress aus Plastik. Auch wenn ich damit nicht alleine bin. Man kann in England im September 2014 sehr genaue Unterscheidungen treffen. Die Sportler laufen oder fahren in neon, damit sie besser gesehen werden. Die Wanderer bevorzugen braune und dunkelgrüne Töne und wirken an ihre Umgebung angepasst. Funktionskleidung ist es in beiden Fällen, auch wenn die Wanderer Naturmaterialien tragen.

                                                  Eine Ortschaft. Die nächsten Menschen, die mir begegnen, grüßen nicht und kümmern sich auch nicht um ihre Hunde. Eine Ortschaft ist in der Nähe. Man bemerkt genau, für wen der Weg nur die tägliche Hundeauslaufstrecke ist und wer den Weg im Urlaub bereist. Ein Mountainbiker überholt riskant.











                                                  Eine Zeitlang hat man freie Sicht.








                                                  Eine alte Station taucht auf. Eisenbahnwaggons stehen im Garten, und man verspricht Eis und Erfrischungen. Auch Fahrräder kann man hier leihen.








                                                  Ich parke mein Fahrrad an der Station und suche das Büro auf, aber eine Familie benötigt Auskunft und das dauert lange. Zu lange für mich, obwohl ich Hunger habe. Sandwiches scheinen sie sowieso nicht zu haben, sondern nur Süßkram. Ich radele weiter.





                                                  Ich kreuze eine Straße. So eine Ampel habe ich noch nie gesehen. Noch drei Meilen bis Robin Hood´s Bay und 18 Meilen bis Scarborough.





                                                  Die Sonne ist sehr warm geworden und ich werde mir einen Sonnenbrand am Oberarm holen.

                                                  Und dann sehe ich das Meer. Erst nur ganz zart.














                                                  Und nun wird der Weg immer schöner.








                                                  Man braucht Geschicklichkeit, um ihn zu fahren.





                                                  Traumhafte Ausblicke.








                                                  Bänke für den Rastenden. Wanderer, MTBfahrer, die sich fröhlich grüßen. Dieser Weg bei diesem Wetter steckt alle an. Ich kann mich nicht zurückhalten, ich muss fotografieren. Anhalten. Genießen. Wenn man genau hinschaut, sieht man auf den nächsten Bildern, dass der Cinder Track nun stetig bergan steigt (genau die Steigung, die ich mag), und der Weg mehr oder weniger uneben der zerfurcht ist. Ich habe genau das richtige Fahrrad für die Strecke dabei.








                                                  Eine Gruppe steht mitten auf dem Weg und unterhält sich angeregt. Mountainbiker versuchen, um sie herumzufahren. Sie drehen sich zu mir um, als ich halte, um Fotos zu machen, aber als ich vorbeiradele, grüßen sie nicht.





                                                  Und vielleicht ist dieser Anblick der Auslöser, dass ich die richtige Entscheidung treffe.





                                                  Oder der Farnwald.





                                                  Oder dieser Anblick.





                                                  Ich nähere mich nämlich Robin Hood´s Bay.





                                                  Und die Entscheidung lautet: Diesen Track darf man nicht in einem Tag fahren. Diesen Track muss man teilen. Ich werde versuchen, in Boggle Hole ein Bett zu bekommen. Campingplätze gibt es an der Strecke keine. Zumindestens nicht am Meer.














                                                  Ich habe nur eine schlechte Kopie der Route bekommen und suche vergebens den Zugang zu Boggle Hole. Auch mein Navi hilft mir nicht so richtig weiter. Eine ehemalige Station kommt in mein Blickfeld, dort soll es auch Kaffee geben, aber es sieht alles geschlossen aus. Zwei Mountainbiker überholen mich, ein Paar, und sie sind genauso neongelb gekleidet, wie ich. Sie sind zu schnell und ich gebe richtig Gas und rufe ihnen hinterher. Tatsächlich bemerken sie mich. Sie sind aus der Region, aber wo es nach Boggle Hole abgeht, wissen sie nicht. Sie fragen einen Einheimischen an der Straße. Er erzählt etwas von zweiter Abfahrt, Cricketfeld und dann tief hinunter.
                                                  Die anderen interessiert das auch und sie begleiten mich, obwohl ich jetzt alleine klar käme.





                                                  Ich habe das zwar schon ganz gut verstanden, aber ich freue mich über die Gesellschaft. So halten wir ein kleines Schwätzchen während der Fahrt und das ist auch mal ganz schön. Die beiden sind mit den Reiserädern durch Europa getourt, auch Holland und Deutschland waren dabei. Sie hatten einen Anhänger mit und das war einfach zuviel Gepäck. Sie sind kaum vorangekommen. Aber schön war es. Meine Tour finden sie toll.
                                                  Wir kommen an eine kleine Abzweigung und da steht ein Schild Boggle Hole. Große Ratlosigkeit. Das war nicht der Weg, den der Mann beschrieben hatte, aber wenn es da steht? Ratlos schauen wir uns an. Wäre ich alleine gewesen, wäre ich vermutlich weitergefahren und hätte die Wegführung der Beschreibung gesucht. Aber so verabschiede ich mich, denn ich will die beiden nicht länger aufhalten. Es bringt mir ein prägendes Erlebnis und ein fehlendes Stück Cinder Track ein, denn Flying Hall werde ich so nicht sehen. Aber ich glaube, das lässt sich verschmerzen.

                                                  Der Weg, den ich nun hinunterschiebe, ist – sorry für den Ausdruck - hackesteil. Ein Erlebnis, dennoch. Es ist still. Niemand wird mir begegnen. Was machen die Menschen hier bei Eis und Schnee?
                                                  Immer tiefer führt der Weg ins Tal, an fahren ist nicht zu denken. Unten ein Schild und hoffe auf Informationen, aber auf dem Warnschild steht „Ford“. Das Auto kann nicht gemeint sein, als wird es eine Furt sein. Nungut, das hätte schlimmer kommen können. Noch weiß ich ja noch nicht einmal, ob der Wegweiser stimmt. Die Straße scheint also irgendwo hinzuführen.
                                                  Die Furt entpuppt sich als recht langes Flussstück und ich ahne, dass wir noch Ebbe haben und sie bei Flut unpassierbar ist. Ich schiebe mein Fahrrad durch das Wasser und komme mir richtig outdoorig vor. Jetzt kann ich erzählen, ich habe gefurtet. Nicht im Fjäll, okay, aber immerhin. Furt ist Furt.





                                                  Wie zu erwarten war, geht der Weg nun wieder steil nach oben, aber ich kann durch die Bäume Häuser blinken sehen. Der Weg hat also ein Ziel. Oben angekommen, bin ich nicht schlauer als zuvor. Hier erst einmal der Blick zurück.





                                                  Da oben verläuft irgendwo der Cinder Track.





                                                  Es scheinen Bauernhöfe zu sein, die ich durch die Bäume sehen konnte.





                                                  Eine Jugendherberge suche ich vergebens. Das kann ja heiter werden. Verzweifelt drehe ich mich um die eigene Achse, um einen Menschen zu erspähen. Nichts. Aber es gibt eine Querstraße und an dieser Querstraße sind Parkplätze. Aha. Parkplätze könnte bedeuten, die Jugendherberge existiert. Niemand baut an Nebenstraßen in der Nähe von Gehöften Parkbuchten ein.
                                                  Ich stelle mich auf den Parkplatz und nun sehe ich es. Ein verwaschenes Schild YHA. Yeah.





                                                  Ich schiebe den Weg hinunter und er führt direkt auf die Bucht zu. Hier soll eine Jugendherberge sein? Ja. Links neben mir sehe ich sie auftauchen. Sie ist gar nicht so klein und perfekt in die Bucht eingefügt. Über einen schmalen Pfad und eine Brücke komme ich in den Innenhof.

                                                  Menschen sitzen an Tischen im Innenhof und trinken Kaffee. Eine Kindergruppe mit gelben Sicherheitswesten macht sich mit den Betreuern in Richtung Bucht auf, um irgendetwas zu untersuchen. Sie haben Papier und Stift dabei. Und es ist, als beträte man eine andere Welt.

                                                  Die Rezeption sieht mehr wie ein kleiner Laden aus. Ja, wir haben noch Platz frei. Ob ich Mitglied bin. Bin ich. 3 Pfund gespart. Ich buche Frühstück dazu und zahle um die 21 Pfund. Abendessen kostet 7.90 Pfund. England ist teuer, aber das wusste ich vorher. Wo man hier zu dieser Zeit etwas essen kann? In Robin Hood´s Bay. Am Strand entlang sind das vielleicht 5 oder 10 Minuten. Das könnte ich noch schaffen.

                                                  Ein Bett. Heute mal nicht aufbauen und abbauen. Welch ein Luxus. Mein Fahrrad kommt in einen Fahrradschuppen, der mit einem Codeschloss gesichert ist. Wie schon auf der Fähre bleibt der große Teil des Gepäcks dran.





                                                  Ich quäle mich die Treppen hinauf und habe kaum Augen für die Innengestaltung. Wirklich schön, wie die Jugendherberge gestaltet ist. Der Aufenthalt lohnt sich wirklich, das muss man gesehen haben.
                                                  Als ich mein Bett bezogen habe, ist mir schwindlig. Der Leistungsabfall kommt bei mir immer ganz plötzlich. Von einem Moment auf den anderen ist es aus. Ein paar Lakritzschnecken müssen mir helfen, mich zu stabilisieren. Und dann fallen mir die Cashewnüsse aus dem holländischen Aldi ein. Alles wieder gut. Ich dusche und wasche meine Kleidung aus. Nur das Nötigste, ich rechne damit, dass es nicht trocknet. Das ist falsch, aber das merke ich erst am nächsten Morgen.


                                                  Die Rezeption.





                                                  Der Leseraum.





                                                  Mein Hunger ist nicht gestillt, und ich laufe zur Bucht.








                                                  Natürlich ist jetzt Flut. Also lenke ich meine Schritte auf den Cleveland Way, der direkt unterhalt der Jugendherberge entlang führt.





                                                  Die Treppen sind verdammt steil und hoch, und ich kämpfe. Erfreulicherweise geht das anderen nicht anders.





                                                  Der Ausblick entschädigt für die Mühen





                                                  und es ist schön, sich eine kleine Strecke zu erwandern. Man nimmt eben doch ganz andere Dinge war, wenn man zu Fuß unterwegs ist.














                                                  Bald bin ich in Robin Hood´s Bay und stoße auf einen Aussichtsplatz. Die Kindergruppe aus dem Hostel sitzt zusammen und wird von den Betreuern bespaßt. Von oben hatte ich schon ihre leuchtenden Westen gesehen.





                                                  Ein Mann isst Fish und Chips und in mir keimt Hoffnung auf. Ich versuche einen anderen Weg als vorhin zu gehen und bin im Ort.





                                                  Aber Gastronomie sehe ich nicht. Menschen auf der Straße müssen helfen. Der Fish und chips Laden versteckt sich in einer Seitenstraße. Wieder ein riesiger Fisch und Pommes mit Vinegar, dafür aber auch 2 Euro teurer. Ich schleppe meine Beute zu dem Aussichtsplatz und esse. Mein Körper saugt die Kalorien förmlich auf. Nahrung ist etwas Feines.





                                                  Einen Moment überlege ich, am Strand spazierenzugehen, aber mein Körper ruft nach Erholung. Ich sollte mir etwas Ruhe gönnen. Sand ist sehr anstrengend zu laufen.
                                                  So gehe ich zurück auf den Cleveland Way. Und mache Bilder. Ein Zeichen, dass es mir gut geht. Leider ist die Kamera falsch eingestellt und viele Bilder sind überbelichtet.





                                                  Dann bemerke ich das.














                                                  Ich kann gar nicht aufhören.








                                                  Diesmal geht es die Stufen hinunter, aber viel besser ist das auch nicht. Ein altes Ehepaar, das nicht mehr so gut gehen kann, kämpft sich ebenfalls hinunter.






                                                  Am Hostel setze ich mich ans Wasser auf eine der Bänke. Der Fluss, über den die Brücke führt, dürfte der sein, den ich gefurtet habe. Er wird jetzt vermutlich höher sein. Rechts sieht man den Weg, den ich gekommen bin.





                                                  Boggle Hole war früher ein Versteck der Schmuggler und Robin Hood´s Bay ein Schmugglerort.








                                                  Zwei Engländerinnen kommen und fragen, ob sie sich dazu setzen können. Ich bejahe höflich und sie setzen sich genau so vor mich, so dass sie mir die Sicht versperren.





                                                  Dazu reden sie ohne Unterlass. Irgendwann beziehen sie mich in ihre Gespräch mit ein. Aha, aus Deutschland. Die eine hat in Deutschland mehrere Jahre gearbeitet, aber es hat ihr wohl weniger gefallen. Verstehe ich. Ich halte sie für anstrengend. Als die beiden gehen, bin ich nicht traurig.

                                                  Leider wird es nun wieder empfindlich kühl, und ich schaue mir ein wenig das Hostel an.




                                                  Ich vermute, dass Landlubbers Landratten sind, und das Mädel an der Rezeption guckt im Internet nach der Bedeutung des Wortes. Stimmt. Ich schaue mir noch ein paar Räume an. Die Innengestaltung ist einfach schön.

                                                  Dann ziehe ich mich in mein Zimmer zurück. Ich habe Gesellschaft bekommen, ich nenne die Person Alex. Alex läuft den Cleveland Way, ich sehe es an Reiseführer und Karte. Ein kleiner Daypack liegt daneben. Später wird noch ein großer Rucksack hinzukommen, das Gepäck wird vorausgeschickt.

                                                  Ich mache die Augen zu und versuche ein wenig zu entspannen. Ob ich auch einschlafe, weiß ich nicht mehr. Alex kommt und zieht sich gleich wieder zurück, um in den Aufenthaltsräumen ein wenig im Internet zu surfen.
                                                  Dann schreibe ich ein wenig Tagebuch, obwohl ich weiß, dass ich es für den Reisebericht nicht brauchen werde. Auch wenn ich mich kaum erinnern kann, was gestern war und Newcastle monatelang her zu sein scheint. Mein Gehirn speichert meine Reisen lückenlos ab. Für mich der Grund zu schreiben. Ich fahre beim Schreiben die Route noch einmal ab und erinnere mich selbst an kleinste Details, die längst vergessen scheinen. Es ist ein zweiter Urlaub, die Reise auf diese Weise noch einmal nachzuerleben.

                                                  Da die Kindergruppe Vorrang hat, gibt es für andere Gäste erst um 19.00 Uhr etwas zu essen. Ein Radreisender packt sein mitgebrachtes Essen aus. Auch Alex hat Abendessen gebucht, und wir unterhalten uns. Alex Vater ist Holländer und die Mutter aus England. Seit 13 Jahren lebt Alex in England. Ich erfahre, dass der Cleveland Way sehr steile Stufen hat und an einer Stelle überlaufen ist. Da ist er Teil des Coast to Coast Weges, wenn ich das richtig erinnere. Oder war es ein anderer Weg? Die Übernachtungen werden auf jeden Fall täglich vorausgebucht und das Gepäck entsprechend abgeholt.

                                                  Ich esse indisch-vegetarisch und es ist wirklich angenehm, etwas Warmes zu bekommen. Anschließend esse ich Alex´s Chips, mein Hunger ist wirklich groß. Ich muss mir in den nächsten Tagen etwas einfallen lassen.
                                                  Gegen 20.00 Uhr lege ich mich ins Bett, während Alex wieder in die Gruppenräume geht. Ein Bett ist doch etwas Feines. Vielleicht hätte ich doch die NeoAir mitnehmen sollen. Gegen die Prolite Plus gewinnt das Bett einfach immer.


                                                  Zuletzt geändert von Torres; 01.10.2014, 22:38.
                                                  Oha.
                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                  Kommentar


                                                  • Rainer Duesmann
                                                    Fuchs
                                                    • 31.12.2005
                                                    • 1642
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                    Wunderbarer Bericht, vielen Dank.

                                                    Ich empfinde es ebenfalls schade das Du die Gesichter unkenntlich machst.
                                                    Meinem Verständnis der Rechtslage nach ist das auch unnötig.

                                                    Liegt der Fokus bei einem Foto zum Beispiel auf einem bekannten Gebäude, dem Sonnenuntergang oder ein paar Möwen am Strand, dann sind alle Personen, die zufällig mit auf dem Foto abgebildet sind, nur Beiwerk. Diese Personen müssen dann nicht extra um ihre Einwilligung gebeten werden – das Foto darf auch so veröffentlicht werden.

                                                    Klar darf man nicht mit einem Tele badende Menschen ranzoomen, ablichten und dann hier veröffentlichen.
                                                    Das ist bei deinen (übrigens sehr guten) Bildern ja nicht der Fall.

                                                    Rainer
                                                    radioRAW - Der gesellige Fotopodcast

                                                    Kommentar


                                                    • Torres
                                                      Freak

                                                      Liebt das Forum
                                                      • 16.08.2008
                                                      • 31757
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                      Hallo Rainer,
                                                      danke für Deine Anmerkungen. Ich kenne durchaus den Begriff "Beiwerk" und verstehe auch das Bedürfnis von Lesern oder Fotointeressierten wie Dir, die Gesichter der abgebildeten Menschen zu sehen. Dennoch werde ich weiterhin die Gesichter unkenntlich machen, aus drei Gründen:

                                                      a) Früher war es technisch nicht möglich, Gesichter einer Person eindeutig zuzuordnen, zumal, wenn sie lediglich Beiwerk war. Heute ermöglichen Gesichtserkennungsprogrammen immer zuverlässiger eine Verknüpfung von Fotos zu den Profilen sozialer Netzwerke. Eine Entwicklung, die ich bedenklich finde. Daher mache ich inzwischen entweder nur Fotos, auf denen keine Menschen (Autos, Autokennzeichen, Markenwerbung etc.) sichtbar sind, oder ich mache vor der Veröffentlichung die Gesichter unkenntlich, die identifizierbar wären.
                                                      Auch wenn der Fall unwahrscheinlich ist, dass nun jemand ausgerechnet hier nach seinen Fotos sucht, so entspricht das meiner Auffassung von Gerechtigkeit. Ich selbst erwarte von anderen Fotografen ebenfalls, dass sie mich undeutlich oder gar nicht fotografieren bzw. die Fotos höchstens für private Zwecke dokumentieren, sofern ich nicht mein Einverständnis für eine Veröffentlichung gegeben habe. Eine Veröffentlichung im Internet ist kein privater Zweck und bedarf der Zustimmung. Ich finde das übrigens selbst schade, denn ich fotografiere gerne Menschen und würde die Bilder auch gerne zeigen.

                                                      b) Dieser Artikel ist in dem Zusammenhang sehr interessant und meine Messlatte: http://kwerfeldein.de/2009/02/24/dar...f-der-strasse/

                                                      c) Es gibt sicherlich Fotografen in den Medien, die den erlaubten Rahmen ausreizen oder überreizen. Sofern sie das im Auftrag eines Arbeitsgebers machen, sind sie gut versichert. Ich bin das nicht.

                                                      Nachtrag: Ehrlich gesagt kenne ich in der Beziehung auch das englische Recht nicht, was mich zu noch mehr Vorsicht treibt. Auch die Innengestaltung der Jugendherberge habe ich nicht veröffentlicht, weil ich nicht weiß, inwieweit ich damit Rechte verletze. In Italien herrscht z.B. keine Panoramafreiheit, da ist jedes Foto eines Gebäudes und seine Veröffentlichung genaugenommen ein Verstoß gegen geltendes Recht etc.etc. Die Lage wird durch das Internet und die spezialisierten Anwälte eben immer komplizierter, und deshalb betone ich noch einmal, dass ich lieber zu vorsichtig als zu nachlässig bin.
                                                      Zuletzt geändert von Torres; 05.10.2014, 17:32.
                                                      Oha.
                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                        • 06.08.2009
                                                        • 418
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                        Vielen Dank für Deinen Bericht.

                                                        Sind die befahrenen Straßen in England generell so raduntauglich? Mir haben schon mehrere befreundete Engländer davon abgeraten, dort eine größere Radtour zu machen...
                                                        Bekennender Kampfradler!

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                                                          Liebt das Forum
                                                          • 16.08.2008
                                                          • 31757
                                                          • Privat


                                                          #29
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                                                          Ich kenne nun nicht alle Gegenden, aber mittlerweile würde ich sagen: Ja.
                                                          Ich werde da später noch drauf kommen, da wird das sehr deutlich. Die normalen Straßen sind eng, stark befahren und die Engländer rechnen nicht mit Radfahrern. Daher nehmen sie auch kaum Rücksicht. Man merkt das übrigens auch an den Auskünften. Fragt man nach Wanderwegen oder footpathes, bekommt man sofort eine Antwort. Die nationalen Radrouten kennen noch nicht mal die Radfahrer. Von Anwohnern ganz zu schweigen. Selbst wenn das Schild vor der Haustür steht. Die wissen gar nicht, was das ist.

                                                          Aber es gibt ein großes System kaum befahrener, radfahrertauglicher Nebenstraßen, wo Radfahren kein Problem ist und auch Spaß macht. Die muss man allerdings erst finden.
                                                          Am besten geht das wohl, indem man sich treiben lässt. Man darf also nicht von a nach b wollen, oder in eine bestimmte Stadt wollen, sondern nur des Fahrens wegen fahren. Oder Straßen fahren, die in der Nähe von Autobahnen oder großen Schnellstraßen sind, so dass der Hauptverkehr andere Routen nimmt. Oder eben die lokalen Radrouten. Da ist der Überblick von sustrans eine gute Hilfe.
                                                          Oha.
                                                          (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                            Liebt das Forum
                                                            • 16.08.2008
                                                            • 31757
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                                                            #30
                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                            Gern würde ich verweilen. Augenblick, Du bist so schön.
                                                            (Anm.: Frei nach Goethe, Faust.)

                                                            Mi, 10.09.2014
                                                            Boggle Hole – Hunmanby, 47,9 km

                                                            Der Morgen ist frostig kalt. Die Sonne spielt mit den Farben des Waldes und spiegelt sich in den Scheiben. Die Wäsche ist getrocknet, was darauf schließen lässt, dass die Jugendherberge ein modernes oder zumindest modern saniertes Gebäude ist. Kein Vergleich mehr mit den feuchten Räumlichkeiten englischer Hostels, die ich von früher kannte. Auch die Betten entsprechen den neusten Standards. Morgenstimmung.








                                                            Alex und ich frühstücken gemeinsam. Der Radreisende von gestern grüßt freundlich, als er mich im Fahrraddress sieht, gestern war er noch abweisend. Vielleicht dachte er, mir gehöre eine der Gurken im Radschuppen.
                                                            Zur Feier des Tages gönne ich mir neben Müsli ein Würstchen zu den Tomaten und Pilzen, die mit Baked Beans abeerundet werden. Es tut gut, morgens etwas Warmes zu sich zu nehmen. Der Frühstücksraum ist zunächst leer, dann kommt die Schülergruppe und die Kinder werden dazu erzogen, leise zu sein und sich einzeln ihr Frühstück zu holen.

                                                            Alex wird heute in der Jugendherberge Scarborough übernachten, und wir verabreden uns locker. Aber ich möchte heute abend eigentlich schon weiter sein, denn ein wenig läuft mir die Zeit davon. Das gute Wetter soll bis Samstag halten und in einer Woche, Mittwoch, sollte ich die Rückreise einleiten. Gerne würde ich zum Ketten-Care-Paket-Treffen fahren, wobei es mir zunehmend illusorisch erscheint, rechtzeitig in Fulda zu sein. Ich werde es tatsächlich canceln müssen.

                                                            Eine kurzen Moment überlege ich, angesichts der wunderbaren Sonne, noch einen Tag hier zu bleiben, doch mir fällt nichts ein, was ich hier machen könnte. Faulenzen? In den Ort wandern? Baden? Gefällt mir alles nicht. Ich werde heute ein bisschen Fahrrad fahren.

                                                            Es geht wieder über die Holzbrücke und dann den steilen asphaltierten Weg hoch. Perfekt eingebunden, liegt die Jugendherberge in der Bucht. Ich habe noch einmal alle meine Fotos angeschaut: Man sieht sie nur, wenn man bereits vor ihr steht. Weder von den umliegenden Hügeln, noch von den Cliffs an der Seite kann man das Gebäude sehen. Ausschließlich das Meer bietet einen Blick in die Bucht. Die perfekte Tarnung an Land für die Bezwinger des Meeres.





                                                            Weiter oben am Hang stehen übrigens noch weitere Wohngebäude. Sie sind hinter den Bäumen versteckt.

                                                            Der Zugang. Die Zufahrt ist nur für Versorgungsfahrzeuge erlaubt und endet an der Holzbrücke.





                                                            Ein steinaltes Ehepaar, das ich von gestern kenne und welches sehr langsam vor mir den Berg hochläuft, wird am Parkplatz von der Tochter abgeholt. Ich verabschiede mich, und sie lächeln freundlich und erleichtert. Ja, sie haben ein Auto. Der Weg ist zu beschwerlich.


                                                            Über den Hügeln liegt Dunst. Ich habe gestern ein Buch über Yorkshire angeschaut und die Bilder haben mir den besonderen Reiz dieser Landschaft nahegebracht. Schön fand ich sie schon vorher, aber nun ist mein Blick geschärft.








                                                            Die Höfe von gestern.





                                                            Ich trete an den Zaun und eine Kuh erschrickt sich fürchterlich. Ich rede beruhigend auf sie ein.





                                                            Die Vögel zwitschern, und es ist dennoch eine ganz besondere Stille in dieser Landschaft, die man nur schwer beschreiben kann. Es ist vielleicht das Fehlen jeglicher Hektik und das Fehlen des Autoverkehrs, der einen zur Ruhe kommen lässt und Teil einer Magie werden lässt, die den Menschen zu überdauern scheint.





                                                            Selbst die steinernen Zeugnisse menschlicher Besiedlung scheinen ewiger Teil natürlicher Harmonie. Ein Moment zum Durchatmen. Und so schiebe ich, weil ich schieben will, um diesen Augenblick des Glückes zu genießen.





                                                            Bald kommt eine kleine Siedlung und es geht steil nach unten. Eine kleine Brücke führt hier über die Fuhrt. Ein größeres Tier liegt tot am Straßenrand, aber ich kenne es nicht. Eine Abzweigung und der Fahrer des Geländewagens, der mir aus dem Weg entgegenkommt, bestätigt, dass ich richtig bin.

                                                            Und dann sehe ich das auch.





                                                            Und schon nimmt mich der Zauber des Cinder Track wieder gefangen: Das Licht!





                                                            Immer wieder kann ich mich nicht zurückhalten und muss den Blick zurück wenden.





                                                            Vorne die Bauernhöfe, an denen ich gestern den Zugang zur Jugendherberge gesucht habe. Die Herberge selbst sieht man nicht und keinen Hinweis, dass sich dort eine Bucht befindet.











                                                            Es geht nun stetig bergan, und ich genieße die Fahrt. Ein perfekter Belag und die Illusion von Einsamkeit, trotz verzeinzelter Höfe rechts neben mir. Aber ich schaue sowieso zum Meer.





                                                            Die Schafe sehen aus wie kleine Insekteneier. Dahinter Robin Hood´s Bay. Die Landschaft dahinter versinkt im Dunst.











                                                            Nach einiger Zeit verändert sich der Belag.








                                                            Das Fahren wird nun anspruchsvoller. Teilweise hat der Regen Rinnen ausgewaschen, teilweise befinden sich Steine oder Kanten im Boden, teilweise ist die Strecke sandig. Eine MTB Strecke. Mit dem Rennrad müsste man hier schieben. Ich genieße die Fahrt, denn sie ist technisch anspruchsvoll. Warnschilder warnen vor der Oberfläche. Doch das richtige Fahrrad mitgenommen. Mit meinem Stadtrad hätte ich hier nicht den Halt, den ich brauche.





                                                            Der Weg führt über die Zufahrt zu einem oder mehreren Bauernhöfen. Privatbesitz. Ich stelle mir vor, wie vor vielen Jahren diese Bahn die einzige Verbindung in die großen Städte war. War sie im Winter zugeschneit und die Verbindung unterbrochen? Erdrutsche? Was für ein Leben, ohne Auto. Unvorstellbar für uns. Die Möglichkeit, sich jederzeit eins beschaffen zu können, bedeutet, dass wir trotz eines Verzichts auf das Auto niemals das Lebensgefühl einer Gesellschaft nachvollziehen können, die das Auto gar nicht kannte.

                                                            Dunstiger Neben kommt auf und lässt die Häuser auf der Hügelkette unheimlich erscheinen.





                                                            Die Befürchtung, er würde sich festsetzen, erfüllt sich aber nicht. Dennoch ist es für einen Moment unangenehm kalt. Als wolle der Weg mich festhalten und sagen: Bleib hier. Hier ist es schön. Geh nicht weiter.





                                                            An der alten Alum Mine mache ich einen Moment Halt. Das Heidekraut beginnt zu blühen.








                                                            Eine Brücke taucht auf, und während ich fotografiere, überholen mich drei Radfahrer aus der Umgebung und versuchen mit klapprigen MTBs die Steigung hochzurasen. Fast hat der erste einen Unfall, als er wegrutscht und die anderen sind vorsichtiger.





                                                            Kurz darauf treffen Cinder Track und Cleveland Walk zusammen. Der erste Wanderer begegnet mir.









                                                            Und wieder ein Ausblick, getrübt durch Dunst.





                                                            Heidekraut. Gerne würde ich hier verweilen. Aber Harwich ist weit.





                                                            Ich bin nun in Ravenscar. Es ist kalt, feucht und neblig-trüb. Ein paar Menschen sind zu sehen, ein Auto. Ein Informationszentrum und National Trust Geschäft hat geöffnet, man lockt mit Kaffee, aber ich sehe mich außer Stande, Menschen zu sehen und zu kommunizieren. Die Strecke von eben hat mich so auf mich zurückgeworfen, dass ich weiter in die Einsamkeit will.

                                                            Der Weg geht in eine Straße über und die Schilder fehlen. So biege ich in einen breiten Wanderweg ein, um die Fußgänger nach dem Weg zu fragen. ES ist ein nettes Paar, dessen Hund Angst vor Fahrrädern hat. Ich muss der Straße folgen. Danke.
                                                            Die Straße ist einspurig, da es eine Baustelle gibt. Eine völlig irreale Szenerie in dem eben (aufgrund der frühen Stunde, da mache ich mir nichts vor) von totaler Einsamkeit geprägten Radweg.

                                                            Die ehemalige Station, sie ist geschlossen. Stand sie nicht sogar zum Verkauf? Die drei Radler von vorhin lungern auf irgendwelchen Steinen herum. Ich grüße nicht. Bauarbeiter arbeiten auf dem Damm.





                                                            Kurz darauf umfängt mich wieder Einsamkeit.








                                                            Ab und zu gibt es Gitter zu überwinden.





                                                            Grobkörniger Bodenbelag. Für mein Fahrrad kein Problem.





                                                            Ich fahre jetzt bergab, Ravenscar war der höchste Punkt. Der eine oder andere Radler kommt mir entgegen, der in Scarborough gestartet ist. Einer Frau macht die Steigung sichtbar zu schaffen. Ob sie wohl mit der Mountainbikestrecke klarkommen wird? Es gibt nun keine Ausblicke auf das Meer mehr, sondern Wald und Hügel.









                                                            Das nächste Stationshaus, Staintondale.








                                                            Und noch ein Blick zurück. Hier sieht es am ehestens nach ehemaliger Eisenbahn aus. Fast kann ich sehen, wie die Menschen aussteigen und einsteigen. Die Frauen tragen lange Röcke und die Herren einen Hut.





                                                            Wald.








                                                            Doch noch einmal das Meer.





                                                            Hayburn Wyke.








                                                            Das Postauto kommt, und ich fahre auf den Grasstreifen, damit er vorbei kann. Der Postbote bedankt sich.





                                                            Wieder ein wunderschöner Abschnitt und mit Wehmut denke ich daran, dass der Cinder Track bald zu Ende sein wird. Wieder Meerblick. Auf dem Cliff ist schon Scarborough.








                                                            Ein Mann repariert die Mauer.





                                                            Irgendwie ist das alles so schön ordentlich hier. Wie gemalt.





                                                            Da darf die Litter Box nicht fehlen.





                                                            Mal wieder ein offizielles Schild. Noch 6,5 Meilen bis Scarborough.








                                                            Cloughton.





                                                            Es ist warm geworden und ich möchte meine Weiterfahrt etwas herauszögern. Den Cinder Track noch etwas genießen.
                                                            So setze ich mich in den Garten der Station und bestelle ein Sandwich und einen Ginger Tee. Ein Ehepaar sitze am Nebentisch. Der Mann liest Zeitung. Der Rasen ist so grün wie englischer Rasen nun eben ist.








                                                            Es wird vor Ted, dem Terrier gewarnt.





                                                            Das ist Ted.





                                                            Ein Eisenbahnwaggon. Versteckt hinter den Blumen sieht man ihn erst auf dem zweiten Blick.





                                                            Das Sandwich. Da ich den Salat auf dem Sandwich haben wollte, werden Paprikachips dazu gereicht. An das Sandwich von Saltburn reicht es nicht heran.





                                                            Blick aus dem Toilettenfenster.





                                                            Hilft nichts. Weiter. Ein Stück Straße, wieder ein offizieller Wegweiser.





                                                            Scarborough.





                                                            Und dann plötzlich: Vorbei. Der Blick zurück.





                                                            Eine Wohnstraße. Die Suche nach den Schildern. Urban. Die Zeit der Einsamkeit ist vorbei. Es kommt mir vor, als nähme ich Abschied von einem guten Freund.





                                                            Dann doch noch ein Aufschub.





                                                            Hinter einer dichten Hecke lärmen Schulkinder auf dem Pausenhof. Die Vielzahl der Stimmen fasziniert.





                                                            Wieder ein Weltkriegsfriedhof.





                                                            Eine Parkanlage.





                                                            Und Steine im Boden. Zu groß, um sie zu fotografieren.








                                                            Es sind die Stationen der alten Bahnstrecke Whitby-Scarborough. Ein Mann fragt mich, ob ich meine ganze Küche dabei hätte, und ich antworte: Nein, meine ganze Wohnung. Küche, Schlafzimmer, Kleiderschrank, Wohnung (Zelt). Er lacht irritiert, anscheinend glaubt er mir nicht, dass ich mit Zelt unterwegs bin.

                                                            Die nächste Schule, eingezäunt. Der Sportplatz auch. Nicht, dass der Ball das Spielfeld verlässt. Eine Gruppe Schüler wird von ihrem Lehrer zum Sportplatz geführt.





                                                            Wieder ein Schild.





                                                            Das Ende des Cinder Tracks.


                                                            Und dann passiert das, was ich an englischen Städten noch mehrfach hassen werden: Der Wegweiser ist weg. Er zeigt in Richtung Einkaufszentrum, dabei ist dort gar kein Weg. Es kann nur die schmale Gasse sein. Ich folge ihr, fahre eine Straße hoch, zur nächsten Querstraße und suche die Wegweiser. Nichts. Ich fahre zurück. Nichts. Ich fahre einmal um den Block und finde die Gegenschilder. Ansonsten nichts. Der Tag hatte so schön begonnen.

                                                            Und damit fängt nun ein völlig neues Kapitel dieser Reise an: Der Kampf mit den Schildern und Wegweisern und der Kampf gegen die Zeit.


                                                            Oh, Cinder Track, ich werde Dich vermissen.


                                                            Oha.
                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                              • 16.08.2008
                                                              • 31757
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                                                              #31
                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                              Sommertag.

                                                              Ich fahre noch einmal zurück zu dem offiziellen Wegweiser mit den Armen und suche noch einmal sehr sorgfältig die Umgebung nach den Schildern ab. Nichts. Eigentlich dachte ich, ich sei erholt, aber ich merke, wie sich ganz kleine Wutkörnchen in meinem Magen formieren. Ich muss etwas tun. Ich fahre wieder in Richtung der Straße und hoffe, dass man mich nicht wiederkennt. Die müssen denken, ich sei blöde. Oder sie sind es gewohnt, vielleicht geht es anderen auch so. Eine Windmühle scheint es hier auch zu geben.





                                                              An der Hauptstraße biege ich links ab und orientiere mich Richtung Zentrum. Ein Schild Touristeninformation ist zu sehen, und da sich meine Laune wieder gehoben hat, denke ich, ich schaue doch einfach mal vorbei. Vielleicht gibt es hier ja bessere Informationen, als in Whitby, der Ort ist größer. Man darf nicht von einer Erfahrung auf andere schließen, sondern muss anderen Orten eine Chance geben. Rede ich mir ein.

                                                              Mein nächstes Ziel ist Bridlington, und ich bin erleichtert, als ich sehe, dass die A 165 Richtung Bridlington direkt durchs Zentrum führt. Notfalls kann ich ihr folgen.

                                                              Zunächst geht es aber weiter Richtung Innenstadt, und bald bemerke ich, dass die Touristeninformation anscheinend in einem Einkaufszentrum ist. Das kann ja heiter werden. Tatsächlich gibt es keinen Eingang zur Straße hin. Ich frage extra einen Herren, der auf jemanden wartet, und er gibt freundlich Auskunft. Ja, ich muss in das Center hinein. Mit Fahrrad? Das Fahrrad ist kein Problem, da ist er sich sicher. Nun, sein Wort..... Bürokraten sind ja eigentlich nur die Deutschen.

                                                              Ich schiebe das Fahrrad also durch den Eingang und finde schnell die Information. Das Büro ist zur Halle hin offen, und ich frage vom Eingang aus nach dem Radweg. Kennen wir nicht. Das ist ein nationaler Radweg, der durch Scarborough führt. Die Frau verschwindet hinter ihrem Rechner und der Mann schüttelt den Kopf. Ich erkläre ihm freundlich, aber bestimmt, dass ich einen der WICHTIGSTEN Radwege in England suche. Die National Route Number 1. Das ist ein internationaler Radweg, der von Norwegen bis nach Schottland/Shetland führt und ca. 6200 km lang ist, das sind ungefähr 4000 Meilen (Anm.: Etwas weniger, ich weiß). Und dieser Radweg führt durch Scarborough. Wieso die Touristeninformation davon nichts weiß?

                                                              Die Wirkung meiner Worte verpufft leider, weil urplötzlich zwei Männer mit gelber Sicherheitsweste neben mir stehen und einer von Ihnen etwas unverständliches in mein Ohr brabbelt. Ich ahne zwar, was er sagt, aber ich bin gerade in Fahrt und sage nur: Langsam, bitte. Er ist recht jung und wiederholt seinen Spruch langsam: „Das Betreten des Einkaufszentrums mit Fahrrädern ist verboten. Ich muss Sie auffordern, das Gebäude zu verlassen“, merkt aber in dem Moment wohl schon, dass ich a) kein Penner, sondern Tourist bin, b) ausländischer Tourist bin und c) das irgendwie einfach eine blöde Nummer ist, jemanden bei der Touristeninformation fragt, rauszuwerfen. Bei mir ist er auch genau richtig, denn ich frage ihn im Gegenzug, was ich denn mit meinen Sachen machen sollte, die auf dem Fahrrad sind? Wegwerfen oder das ganze Gepäck hier hineintransportieren? Er schaut ziemlich betreten.
                                                              Ich wende mich wieder dem Typen von der Touristeninformation zu, und frage ihn, wie ich jetzt die 1 finden solle und der guckt den Wachdienst an und meint, unter diesen Umständen könne er nicht reden. Ich solle zur Seaside gehen, dort gäbe es noch eine Touristeninformation, und die könne mir auf jeden Fall besser helfen als er. Einfach die Straße hinunter.
                                                              Auf ein Danke verzichte ich. Erhobenen Hauptes und ohne den Wachdienst eines Blickes zu würdigen, ziehe ich ab.

                                                              Die Fußgängerzone.





                                                              Ich laufe ein wenig mit den Menschen Richtung Meer, aber dann habe ich keine Lust mehr, die Touristeninformation zu suchen. Ich will Fahrrad fahren und nicht durch Fußgängerzonen laufen. Einen Moment überlege ich, ob ich die Jugendherberge suchen soll und mir einen netten Abend machen soll, aber außer shoppen fällt mir nicht ein, was ich hier machen könnte. Ich gehe ja eh um 20.00 Uhr ins Bett. So biege ich irgendwo ab und gerate an ein paar Bänke mit Aussicht. Nicht schlecht. Ich vermerke in meinem inneren Kalender, Scarborough bei der nächsten Interrailreise miteinzubeziehen.





                                                              Und obwohl ich das Lied nie besonders mochte, kann ich es nicht vermeiden, dass ich es innerlich vor mich hinsumme. Es passt irgendwie.


                                                              http://www.youtube.com/watch?v=Dau2_Lt8pbM








                                                              Ein mondäner Ort.





                                                              In dem Fotobuch gab es auch Fotos von diesem Hotel, dem Grand Hotel.





                                                              Und einen Strand gibt es auch.





                                                              Ich entscheide mich dennoch gegen eine Übernachtung und ordne mich auf der Radspur der Landstraße ein. Einen Polizisten auf der anderen Straßenseite will ich erst fragen, vermute dann aber, dass er es auch nicht weiß. Also radele ich zur nächsten Ampel, das Dröhnen der Autos im Ohr. Und was sehe ich an der nächsten Kreuzung? Ach.





                                                              Wo kommt der kleine Aufkleber denn so plötzlich her? Nun, mir soll es recht sein. Erfreut biege ich in die ruhige Seitenstraße ein.


                                                              Und komme an der Promenade heraus. Wow.

















                                                              Auch hier wieder die Steine im Wasser, die den Buchten das geheimnisvolle Aussehen geben. Wie klein die Menschen wirken.





                                                              Die Straße ist nun recht geschwungen und an einigen Stellen schiebe ich, auch, weil der Anblick so atemberaubend ist. Zwei Reiseradler kommen mir entgegen, das hatte ich lange nicht mehr. Sie winken. Ihr Ziel ist bestimmt die Jugendherberge.
                                                              Die Sonne strahlt, es ist richtig warm geworden. Hochsommer. Ich schätze die Temperatur auf 24 Grad, vielleicht sogar mehr.





                                                              Mein Versuch, das grandiose Panorama aufzunehmen, wird durch ein Ehepaar gestört, das loriotmäßig den Ausblick verstellen muss.





                                                              Ich versuche, die beiden auszublenden. Scarborough Castle thront auf seinem Hügel.





                                                              Seufz. England kann schon schön sein. Was nur treibt mich weiter?





                                                              Dann geht es durch Wohnstraßen weiter. Das Meer ist nun nur noch selten zu sehen.


                                                              Das Grundstück steht zum Verkauf.





                                                              Radweg.





                                                              Wieder ein Blick zurück.








                                                              Noch ein paar Mal Meerblick, dann knickt der Nordseeküstenradweg ab, obwohl es geradeaus ein Sackgassenschild gibt, auf dem eine Ausnahmeregelung für Fahrräder vermerkt ist. Da ich das erst später merke, muss ich wenden.





                                                              An der Straße sehe ich eine Pizzeria, doch sie wird umgebaut. Langsam muss ich mir überlegen, wo ich etwas zu essen kaufen kann. Auch ein Supermarkt ist in dem Ort, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es wagen kann, dort mein Gepäck auf dem Rad zu lassen. Der Markt ist so gebaut, dass ich das Fahrrad nicht sehen könnte. So fahre ich weiter Richtung Cayton.





                                                              Die Sonne ist wunderbar warm und ich überlege, ob ich nicht eine Campingplatz suche. An der Straße ist ein blaues Schild und ich denke erst, es sei ein Autobahnwegweiser. Nein, es ist ein Radwegschild. Ich bin entzückt. Auf dem dunkeln Schild steht, dass The Parish of Clayton im Juni 2012 das diamantene Kronjubiläum von Queen Elisabeth II gefeiert hat.





                                                              Vor Freude biege ich in die nächste Straße ein und frage eine Frau nach den Campingplätzen, die in der Straße sein sollen. Sie kann dazu nichts sagen, erklärt mir aber, als das Thema auf das Wetter zu sprechen kommt, dass das Wetter bis Anfang nächster Woche halten wird. Da ist sie sich sicher.
                                                              Ein Mann erklärt mir, ich solle zu Browns am Ende der Straße fahren, die wären am besten. Ich passiere einen Caravan und Camping Park, der mir von außen nicht so gut gefällt und fahre die Straße hoch. Die Frau an der Rezeption ist total nett, aber sorry, wir haben nur Mobil Homes und Caravans, wir sind auf Zelte nicht eingerichtet. Oha.

                                                              Ich fahre dennoch ein paar Meter weiter die Straße hoch, um noch einmal das Meer zu sehen.





                                                              Wäre ich nun geschätzt anderthalb Meilen weiter gefahren, hätte ich wohl einen Caravan Park in Meeresnähe gefunden. Aber das weiß man ja nicht vorher. Ich fahre daher die Straße zurück und versuche es bei dem großen Platz am Anfang. Sie nehmen Zelte. Die Übernachtung soll 15 Pfund kosten. Und ich weiß nicht wieso, ob es daran liegt, dass sich die Frau so überkorrekt verhält, ich habe plötzlich keine Lust mehr und radele weiter. Was ich heute an Strecke schaffe, muss ich morgen nicht fahren.

                                                              Zuerst finde ich meine Entscheidung ziemlich gut, denn es ist schön flach hier. Es macht Spaß, bei der Wärme vor sich hinzuradeln.





                                                              Der Hügel, auf den ich zufahre, schreckt mich auch nicht, bestimmt geht es daran vorbei.








                                                              Es geht nun wieder durch kleine Dörfer. Geschäfte gibt es hier keine. Menschen auch nicht. Die nächsten Campingplätze scheinen weit weg zu sein und nicht an der Straße zu liegen. Es sind vor allem Farmen.





                                                              Und dann denke ich: Nein! Denn natürlich muss ich den Hügel hinauf. Also ist mal wieder schieben angesagt. Und ich weiß nicht wieso: Es macht richtig Spaß. Das muss am Wetter liegen. Autos fahren hier nur wenige, es ist eine Nebenstrecke.






                                                              Der Ausblick versöhnt dann endgültig.








                                                              Sogar Meeresblick ist dabei.





                                                              Die Beschilderung wird nun bis kurz vor Hull sensationell gut, und ich bin mir sicher, wenn ich nach Yorkshire Wolds gefragt hätte, hätte die Touristeninformation auch eine Karte für mich gehabt. Die gibt es nämlich.





                                                              Bald darauf erreiche ich Hunmanby und in den Ort soll es laut meinem Navi einen Campingplatz geben. Es ist 16.00 Uhr geworden und ein wenig Sonne genießen, wäre in meinem Sinne. Hoffentlich ist es kein Caravanpark. Als ich ein braunes Schild mit dem Zeltsymbol sehe, bin ich erleichtert.





                                                              Der Platz heißt Orchard Farm Holiday Village und als ich auf das Gebäude zusteuere, befürchte ich Schlimmstes. Aber ich habe keine andere Wahl, ich werde langsam müde. Als ich dann die Einfahrt hochfahre, bin ich angenehm überrascht. Der Platz wirkt offen und freundlich. Ein paar Wohnmobile stehen auf einem Hügel und man sieht viel Gras.
                                                              Die Rezeption ist geschlossen, und so fahre ich zu den Männern hin, die auf einer riesigen Wiese mit großen Fahrzeugen den Rasen mähen. Der eine stellt sofort den Mäher aus und läuft mit mir zur Rezeption. 10 Pfund. Das Zelt kann ich an den Seitenstreifen stellen. Dort ist aber keine Sonne mehr, und ich stände direkt neben der Straße. Ob ich mich oben auf die Kuppe stellen kann. Kein Problem, hier ist genug Platz. Ich soll die Plakette befestigen. Die Eistruhe ist noch gefüllt, das Eis ist heruntergesetzt. Für 1 Pfund erstehe ich ein Magnum. Das habe ich mir jetzt verdient.

                                                              Ich baue mein Zelt auf und freue mich, dass es schnell trocknet. In der Dusche gibt es keine Steckdose, und ich frage den Wohnmobilisten neben mir, ob er mir den Fotoakku aufladen könnte. Kein Problem. Er steckt Adapter und Ladegerät in eine der äußeren Klappen, so dass ich bequem dran komme, wenn der Akku geladen ist. Wirklich nett, danke.

                                                              Der Rasenmäherfahrer fährt vorbei, grinst und nickt anerkennend, als er mein Zelt sieht. Scheint, als würde er sich auskennen. Der andere Rasenmäherfahrer kommt vorbei und nickt ebenfalls anerkennend. Wer weiß, was die auf diesem Platz im Sommer für Zelte sehen, auch hier dürfte es ja ab und zu windig sein.

                                                              Auf dem Platz gibt es eine Minatureisenbahn, und ich beschließe, noch ein wenig spazieren zu gehen.








                                                              Es sind nur wenige Menschen auf dem Platz und es ist ganz ruhig.





                                                              Ich setze mich auf eine der Bänke auf einem Hügel und betrachte die Umgebung. Die Zeltwiese.





                                                              Nur die Bahn rattert vorbei, dann ist es wieder still.


                                                              Ich telefoniere mit Deutschland, und dann sitze ich noch etwas in der Sonne und schließe die Augen. Schön ist es hier. Auch wenn viele Mobilhomes herumstehen, so merkt man doch, dass auch Zelter willkommen sind. Das Meer vermute ich hinter dem nächsten Hügel. Zu weit für mich. Leider. Eine Taube gurrt auf einem Zaun.





                                                              Als ich zum Zelt zurücklaufe, spricht mich der Angler an. Er hat heute nichts gefangen. Aber die Stimmung ist so schön. Er konnte sich ein paar Tage frei nehmen. Was für ein Wetter hier.
                                                              Als ich weitergehe, greife ich routinemäßig in die Tasche und merke, dass mein Handy nicht mehr da ist. Ich habe es oben auf der Bank liegen gelassen. Das hätte mir noch gefehlt. Schnell laufe ich zurück.

                                                              Ich esse mein vorletztes Brötchen und weiß, dass ich morgen dringend Nahrung besorgen muss. Dann fallen mir auch schon die Augen zu.
                                                              Zuletzt geändert von Torres; 07.10.2014, 21:33.
                                                              Oha.
                                                              (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                                • 11.07.2008
                                                                • 12533
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route


                                                                Und ja.
                                                                Von den schönen deutlichen Schildern kann meine Freundin ein Lied von singen...
                                                                Radfahrer sind auf der Insel auch eher Exoten.
                                                                Da darf man schon fast froh sein, dass der Kaufhauspolyzüsd überhaupt wusste was ein Fahrrad ist...

                                                                Dafür fand ichs ein tolles Erlebnis auf der Insel mit meinem eher einfachen Bike auf der Straße von ner Gruppe Rennradfahrern gegrüßt zu werden.
                                                                Bei der Fahrraddichte grüßt halt jeder Biker jeden.
                                                                Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                                                Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

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                                                                  • 31757
                                                                  • Privat


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                                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                  Da darf man schon fast froh sein, dass der Kaufhauspolyzüsd überhaupt wusste was ein Fahrrad ist...



                                                                  Dafür fand ichs ein tolles Erlebnis auf der Insel mit meinem eher einfachen Bike auf der Straße von ner Gruppe Rennradfahrern gegrüßt zu werden.
                                                                  Bei der Fahrraddichte grüßt halt jeder Biker jeden.
                                                                  Stimmt. Viele Rennradler fragen im Vorbeifahren sogar, ob man "alright" ist!

                                                                  Auf diesem Teilabschnitt gab es aber kaum welche, die kommen erst später.
                                                                  Oha.
                                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                  Kommentar


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                                                                    • 12533
                                                                    • Privat


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                                                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                    Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                    Auf diesem Teilabschnitt gab es aber kaum welche, die kommen erst später.
                                                                    Oh!
                                                                    Dann schreib weiter! Vielleicht kenn ich die beiden ja sogar.

                                                                    Finde immer wieder den Bahnhof von Dundee schön.
                                                                    Die Fahrradständer am Hauptbahnhof fassen gefühlt vielleicht 30 Bikes. Mehr als 5 hab ich aber noch nicht gleichzeitig dort gesehen.
                                                                    Für ne 148.000 Einwohner Stadt nicht schlecht.

                                                                    Toller Bericht mal wieder!
                                                                    Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                                                    Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

                                                                    Kommentar


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                                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                      Das Betreten des Einkaufszentrums mit Fahrrädern ist verboten.
                                                                      So ein Reiserad ist ja eigentlich nichts anderes als ein Rollkoffer mit etwas größeren Rädern ...

                                                                      Kommentar


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                                                                        Fuchs
                                                                        • 16.02.2005
                                                                        • 2155
                                                                        • Privat


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                                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                        Wirklich toll geschrieben, @Torres! Wenn ich den Bericht lese, erinnere ich mich wieder gut an die auch von uns besuchten Orte.

                                                                        Ich fand die Leute im Norden extrem freundlich und hilfsbereit. Kaum hatten wir die Karte ausgepackt, kam jemand angesprungen und fragte, ob er helfen könne. Und ja, sie haben sehr sorgsam darauf geachtet, dass ihre Hunde keinen stören.

                                                                        Vor der Strecke, die du mit der Bahn gefahren bist, sind wir übrigens auch gewarnt worden. Was ich anfangs nicht verstanden hatte. Das "rough" hatte ich auf den Weg und nicht auf die Leute bezogen . Die Gegend war früher wohl vom Bergbau bestimmt und seit der Ära Thatcher gibt es dort kaum noch Jobs.

                                                                        In der Touristeninfo in Whitby waren wir auch. Die Dame hat uns auf unsere Frage nach einem Campingplatz die 199 Stufen zur Abtei (bzw. die ebenso steile Parallelstraße) raufgeschickt. Ich glaube, alleine hätte ich mein Rad da nicht raufgekriegt... Oben stelle sich dann leider raus, dass der Platz nicht für Zelte eingerichtet war. Nun ja, immerhin haben wir so die Abbey gesehen.

                                                                        Scarborough war bei unseren Besuch eher abstoßend. Ein billiger, überfüllter Badeort mit jeder Menge von mir nicht gewürdigter Animation. Aber es gab einige wunderhübsche kleine Küstenorte. In einem haben wir "original deutschen Apfelkuchen" gegessen. Und es stimmte: der Hefe-Blechkuchen schmeckte wie hierzulande; allerdings wurde die Sahne, die es dazu gab, einfach flüssig drübergekippt.

                                                                        Die Beschilderung fand ich nicht sooooo übel, allerdings sehen 4 Augen wohl auch mehr als 2. Und die Autofahrer waren - so finde ich - auch nicht unangenehmer als in Deutschland. Die Wegführung war auch für mich allerdings eine Herausforderung. Kilometerlanges Bergauffahren ist dann doch anstrengend - und ich erinnere mich an zumindest eine Strecke, die auf einer Art Pfad steil die Klippen hochführte.

                                                                        Ich bin die nächsten Tage unterwegs und kann nur nachlesen. Ich bin aber jetzt schon gespannt, ob du z. B. über die Fähren am Ende etwas berichtest...

                                                                        Kommentar


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                                                                          Freak

                                                                          Liebt das Forum
                                                                          • 16.08.2008
                                                                          • 31757
                                                                          • Privat


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                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                          Ja, die Warnung bezog sich auf die Leute.

                                                                          Den steilen Pfad bin ich nicht gefahren, vielleicht war das auch Whitby. Seid ihr abgewichen? Denn kleinere Küstenorte hatte ich mir gewünscht. Gab es aber nicht.
                                                                          Jetzt geht es ja praktisch nur noch durchs Binnenland. Und an meine Grenzen. Aber ich will nicht soviel verraten.
                                                                          Oha.
                                                                          (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                          Kommentar


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                                                                            Fuchs
                                                                            • 16.02.2005
                                                                            • 2155
                                                                            • Privat


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                                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                            Ich glaube, der Ort mit dem Apfelkuchen war Robin Hood's Bay (siehe Kommentar unten, so heißt der Ort NICHT) kurz hinter Redcar




                                                                            Die Straße war aber mal wieder eher steil:


                                                                            Sehr viele solcher Orte gab es nicht, das stimmt.

                                                                            [edit]Hmm... Robin Hood's Bay liegt südlich von Whitby. Dann muss der Ort auf den Bildern ein anderer sein. Wie gesagt: Er muss hinter Redcar liegen - sagt die Bilderreihenfolge.[/edit]

                                                                            [edit2]Der Ort heißt Staithes[/edit2]
                                                                            Zuletzt geändert von wesen; 07.10.2014, 23:24.

                                                                            Kommentar


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                                                                              Fuchs
                                                                              • 16.02.2005
                                                                              • 2155
                                                                              • Privat


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                                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                              Und weil ich gerade dabei bin, noch ein Stimmungsbild aus Scarborough:



                                                                              Das war mir echt zu voll.

                                                                              Kommentar


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                                                                                Freak

                                                                                Liebt das Forum
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                                                                                • 31757
                                                                                • Privat


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                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                Ach herrje. Ja. Das hätte mir auch nicht gefallen. Waren da noch Schulferien? Das sind die Segnungen der Nachsaison, da ist nur wenig los.

                                                                                Staithes. Wie hübsch. Dahin bin ich ja trotz des Radwegschildes nicht abgebogen, sondern weiter nach Hinderwell gefahren (geschoben), weil ich wusste, dass der Weg eine Sackgasse ist. Auf die Steigung wäre ich auch nicht besonders wild gewesen.....

                                                                                Robin Hood´s Bay ist es wirklich nicht, das ist der Schmugglerort an der charakteristischen großen Bucht in der Mitte des Cinder Tracks. Einen Fluss bzw. Hafen gibt es dort nicht.

                                                                                Bei der Suche nach Staithes bin ich eben auf einen sehr interessanten Artikel bei wikipedia gestoßen. http://de.wikipedia.org/wiki/North_York_Moors. So sind viele über Jahrzente durch die Arbeiterschicht geprägte Orte in North York Moors seit den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts, bedingt durch den Untergang der Minen- und Eisenerzindustrie, von einem Bevölkerungsaustausch betroffen. Gut abgesicherte Rentner oder die Ruhe liebende Zweitwohnungsbesitzer haben sich Häuser in den (Küsten)orten gekauft und damit die Häuserpreise hochgetrieben, so dass die jungen Leute wegziehen müssen, weil sie im Tourismus oder mit anderen übrig gebliebenen Arbeitsplätzen nicht genug verdienen. Folglich stehen außerhalb der Saison die Häuser leer und ein gesellschaftlichen Leben findet nur noch eingeschränkt statt. Auch die Landwirtschaft ist rückgängig. Die Infrastruktur, bestehend aus Pubs, Geschäften etc. leidet darunter. So war es kein Wunder, dass es mir recht schwer fiel, mich mit Lebensmitteln zu versorgen.
                                                                                Robin Hood´s Bay gehört zu den Orten, die von dem Bevölkerungsaustausch schon recht lange betroffen sind. Mag sein, dass ich den Ort daher recht abweisend fand, viele Häuser waren wohl schon winterfest gemacht.
                                                                                Oha.
                                                                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                Kommentar


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                                                                                  Freak

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                                                                                  • 31757
                                                                                  • Privat


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                                                                                  Über die Freude, Fahrrad zu fahren: Nebelimpressionen und ein Cliff.

                                                                                  Do, 11.09.2014
                                                                                  Hunmanby – Beverley, 94,4 km

                                                                                  Am Morgen färbt sich der Himmel zartrosa und es verspricht ein schöner Tag zu werden. Ich habe einen Gast in der Apsis, der wohl Unterschlupf vor der Morgenfeuchte gesucht hat. Der Tau tropft von dem Baum über mir auf das Zelt. Ich werde es nie lernen, mich von Bäumen fernzuhalten. Hoffentlich ist es keine Birke oder Linde (nein, ist es nicht).





                                                                                  Ich habe kaum noch etwas zu essen und frühstücke die Baked Beans. Etwas Warmes braucht der Mensch, es ist kühl draußen. Außerdem habe ich nichts anderes mehr.

                                                                                  Und dann sehe ich eine Wand auf mich zukommen.





                                                                                  Seenebel. Noch kämpft die Sonne dagegen an, aber sie wird sich so schnell nicht durchsetzen können.





                                                                                  Schnell packe ich alles zusammen. Das Innenzelt separat, „weil es einfach ist“. Aber auch aus einem weiteren Grund: Natürlich klebt nun frischgemähter Rasen am Außenzelt. Den muss ich nicht auch noch am Innenzelt haben. Dieser Zustand meines Außenzeltes wird sich die nächsten Tage übrigens nicht mehr ändern, denn Engländer mähen anscheinend ständig den Rasen. Das Geheimnis, warum er so schön ist.








                                                                                  Kurz nach halb acht bin ich an der Straße. Der Nebel befindet sich noch in Wassernähe, im Ort ist der Himmel klar. Ein Rennradler kommt mir entgegen, wir grüßen uns. Auf der Antenne sitzen Vögel und zwitschern so variantenreich, dass es eine Freude ist.





                                                                                  Es ist ein Gemurmel, Gepiepse, Gejodel, Geträller und Gesinge, dass ich fast das Gefühl habe, es säße ein Papagei in einem der Fenster, der mal vor sich hinbrabbelt und mal verschiedene Vogelstimmen imitiert. Aber ich sehe keinen. Es klingt, als fände eine äußerst angeregte Unterhaltung statt. Austausch von Klatsch und Tratsch. Ich sollte mich mehr mit Vogelstimmen beschäftigen, ich habe keine Ahnung, welche Vögel das sind.





                                                                                  Ich überlege, ob ich eine Frau, welche die Straße entlang geht, fragen soll, ob es hier ein Geschäft gibt, aber sie ist ganz in Gedanken, und ich mag noch nicht reden. So biege ich den Schildern folgend links ab.

                                                                                  Eine kleine, ruhige Landstraße.





                                                                                  Schön zu fahren.





                                                                                  Wieder ein gut gelaunter Zwitschervogel. Ein Rotkehlchen?





                                                                                  Immer noch Nebel über den Feldern.





                                                                                  Meine gut getarnten, gefiederten Begleiter, die sich gerne vor mir verstecken oder ängstlich die Flucht ergreifen. Sie sitzen auf den Feldern, meist gut geschützt durch die Hecken. Wenn ich lautlos in ihre Nähe komme, sind sie alarmiert, denn Radfahrer kennen sie vermutlich nicht. Vielleicht ist es aber auch die Sicherheitsweste, die sie erschreckt.








                                                                                  Die Luft ist kalt und ich friere. Aber der Weg ist einfach wunderschön. Autos fahren zu dieser Zeit keine.





                                                                                  Vor mir befindet sich ein Pferd, und ich fahre langsamer.





                                                                                  Überholen möchte ich es nicht. Ich halte sowieso öfter an, um zu fotografieren. Man sieht den Atem in der kalten Luft. Ein schöner Anblick.





                                                                                  Eine Zeitlang fahre ich mit mehr oder weniger großem Abstand hinter ihm her. Ein Auto überholt langsam, die Reiterin und der Fahrer kennen sich und sie rufen sich etwas zu. Das Pferd scheut und die Reiterin bekommt es nicht mehr richtig in Griff. Sie winkt mich vorbei. Das Pferd ist keine Fahrräder gewohnt, und meine Anwesenheit macht es unruhig.





                                                                                  Wieder die vorbildliche Ausschilderung. Auf einer Nebenstraße geht es weiter.





                                                                                  Ein weißer Doppeldecker biegt auf die Landstraße ein. Ein schöner Anblick. Ein weiterer Campingplatz.





                                                                                  Wieder einmal genieße ich die Landschaft.





                                                                                  Still ist es hier. Wunderbar still. Das Meer lässt sich erahnen.





                                                                                  Die Steigungen sind jetzt genau richtig. Was für eine schöne Fahrt.





                                                                                  Der Nebel zaubert magische Landschaften herbei.





                                                                                  Es ist eine einspurige Straße. Davon gibt es viele hier. Wenn ein Auto kommt, muss man an den Buchten ausweichen.








                                                                                  Wieder die Vögel.





                                                                                  Und dann sause ich auf einer Straße ins Tal. Links ein Hügel, vom Nebel verdeckt. Unheimlich ragen die Bäume in den Himmel. Ein magischer Anblick. Verwunschen. Ein Elfenhügel. Foto. Ich sollte ein Foto machen.

                                                                                  Aber ich kann nicht. Es ist so furchtbar kalt und feucht, dass ich nicht anhalten mag. Den Hügel über mir im Blick, rolle ich talwärts und es ist ein Genuss, den ich nicht durch Anhalten unterbrechen kann. Ich rede mir ein, dass ich ein Weitwinkelobjektiv bräuchte, um den Eindruck wirklich wieder geben zu können und so ist es wohl auch. Dennoch. Es gefällt mir, dass dieser Moment unfotografiert bleibt. Und so existiert von diesem Erleben nur das Bild, dass sich tief in mein Gedächtnis geprägt hat. Nur für mich allein.

                                                                                  Als die Abfahrt vorbei ist, sehe ich am Straßenrand Spinnweben im Dunst, und ich beschließe, dass Foto, das ich kurz vor Nieuweschans vergessen hatte, nachzuholen.





                                                                                  Traumhaft ist es hier. Wäre es nicht so kalt, würde ich verweilen.





                                                                                  Aber ich muss in Bewegung bleiben. Meine Zehenspitzen melden sich und fordern dicke Socken. Der Winter kommt.
                                                                                  Ein Ort. Das Gasthaus sieht aus, als hätte es bessere Zeiten gesehen.








                                                                                  Man hört Traktoren, das gute Wetter muss genutzt werden, um die Ernte einzubringen. Im Hintergrund des folgenden Bildes ist der Hügel zu sehen, der unfotografiert geblieben ist.








                                                                                  Bridlington wäre nun 4 Meilen entfernt, aber der Radweg macht die üblichen Umwege.


                                                                                  Wieder eine Fahrt in den Nebel.














                                                                                  Die Wegführung ist excellent, nicht nur was die Beschilderung angeht, sondern auch was die gewählten Strecken angeht. Perfekte Radfahrwege, einsam und nicht so hügelig, dass es stört. Ich genieße jeden einzelnen Moment aus vollem Herzen.





                                                                                  Ein Lastwagen fährt langsam hinter mir, und ich weiche auf den Grasstreifen aus. Der Fahrer bedankt sich herzlich. Man sieht, wie eng die Straßen für die Fahrzeuge von heute sind.





                                                                                  Das erste Mal begegnen mir die Bahnübergänge, bei denen die LKW Fahrer mit Anhänger anrufen müssen, bevor sie den Bahnübergang passieren. Die entsprechende Einrichtung ist vorhanden.





                                                                                  Wieder ein netter kleiner Campingplatz. Ob er auch Zelter aufnimmt, weiß ich nicht.





                                                                                  Der Ort wirkt nett, aber der Radweg knickt erst einmal ab und führt auf einem einsamen Weg um ein Gehöft herum.








                                                                                  Der Bonsai fasziniert mich.





                                                                                  Es geht nun an der Hauptstraße weiter und ein Radfahrer mit einem Klapperfahrrad taucht neben mir auf (es gibt also mehr als 2 Radfahrer in England, Scrat :-) ). Ein Mann in mittlerem Alter sitzt darauf und fragt, wo ich herkomme. Ich antworte: Deutschland und lerne die Lektion, dass diese Frage nicht darauf abzielt, mein Heimatland zu erfahren, sondern, wo ich morgens gestartet bin. „Hunmanby“. Er ist beeindruckt. Wo ich hinwolle. Hull. Er versteht erst nicht, hier sagt man Hall. Er würde auch gerne Fahrrad fahren, aber das wäre ihm zu weit. Ob ich irgendetwas an Hilfe brauchen würde.
                                                                                  Oh ja, da fällt mir etwas ein. Gibt es hier einen Supermarkt? Nein, aber das Postoffice. Dort gibt es die besten Pies in der ganzen Umgebung. Er ist gerade auf dem Weg dahin. Ich solle ihm folgen. Ob ich die Bempton Cliffs kennen würde. Da müsse ich unbedingt hin. Das seien die schönsten Cliffs hier und man könne von hier aus am besten die Vögel sehen. Da müsse ich unbedingt hin. Es ist nur eine Meile. Ohne die Cliffs gesehen zu haben, sollte man nicht wegfahren.

                                                                                  Wir halten an dem Post office und nie in meinem Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dass man dort Lebensmittel kaufen kann. Nur von hinten sieht man das Schild „Village store“. Fährt man vorbei fährt, denkt man, es sei ein Schreibwarenladen.





                                                                                  Ich erwerbe sechs Vollkornbrötchen (die knatschigen weichen, aber mir schmecken sie), eine Dose Thunfisch, ein Pie, Cornish Pasty, ein Stück Käse. Ich muss langsam etwas Geld abheben, aber der Geldautomat funktioniert mit meiner Karte nicht. Ich benötige einen internationalen Automaten.

                                                                                  Die Abzweigung zu den Bempton Cliffs ist an der nächsten Kreuzung. Ich überlege einen kurzen Moment, denn der Weg nach Hull ist weit. Andererseits hat der Mann Recht. Wenn man schon einmal hier ist? So biege ich in Richtung Bempton Cliffs ab. Es geht stetig bergauf, aber es ist eine Steigung, die für mich noch in Ordnung ist. Ein VW Bus überholt mich. Kurz darauf kommt er wieder. Es wird doch hoffentlich nicht geschlossen sein? Trotzdem entschließe ich mich, weiter zu radeln. Langsam aber stetig gewinne ich Meter um Meter.
                                                                                  Das Infozentrum ist tatsächlich geschlossen, aber die Fußwege zu den Cliffs sind geöffnet. Ich schiebe mein Fahrrad auf dem Public footpath in Richtung Meer. Und habe vor mir die Felsen. Faszinierend, wie die Vögel an den Klippen hängen und elegant starten und landen. Ich mache ein paar Fotos und dann frühstücke ich. Mein Magen knurrt bereits und meine Konzentration ist auf dem Hinweg stetig abgesunken.














                                                                                  Das Meer ist voller Vögel, das Foto kann den Eindruck nur unvollständig wiedergeben.





                                                                                  Mein Tele fehlt mir. Und die Kamera ist falsch eingestellt.








                                                                                  Nachträgliche Vergrößerungen.








                                                                                  Es ist ein ständiges Kommen und Gehen an den Nist- und Rastplätzen. Ein älteres Ehepaar kommt und grüßt sehr nett. Ich blicke auf die menschenleere Landschaft. Schön ist es hier, ein Platz nach meinem Geschmack. Vögel, Wind und das Meer.














                                                                                  Auf dem Rückweg geht es nun bergab. Meine Knie sind unvermutet steif geworden und fühlen sich nicht gut an. Ob das an der Pasty liegt? Da war Fleisch drin. Aber ich vermute eher, dass meine Knie ausgekühlt sind. Ich muss sie besser wärmen.

                                                                                  Strohballen lassen das Feld unwirklich erscheinen. Fast sieht es wie eine Siedlung aus.





                                                                                  Dann bin ich wieder in der Zivilisation. Ein Blick noch auf die Kirche des Ortes.





                                                                                  Bridlington ist nun nicht mehr weit.
                                                                                  Zuletzt geändert von Torres; 08.10.2014, 20:20.
                                                                                  Oha.
                                                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                  Kommentar


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                                                                                    Moin,

                                                                                    auf deinem ersten Vogelbild versammeln sich die Stare zum Abflug nach Afrika. Wegen der langen, schwierigen Strecke müssen sie sich natürlich intensiv vorher austauschen und planen, daher das ständige Gekakel...

                                                                                    Die Seevögel gehören zu einer Brutkolonie Basstölpel, davon gibts nur ein Dutzend oder so rund um die Nordsee. Für bessere Bilder dieser unglaublich eleganten Flieger musst du nur mal rüber nach Helgoland, dann ganz rauf marschieren und links am Felsen sitzen sie dann so nahe, dass du sie fast streicheln kannst (macht man natürlich nicht, tststs).

                                                                                    Coole Bilder wieder, und endlich mal nicht so flach...

                                                                                    Gruß, Ronald

                                                                                    Kommentar


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                                                                                      • 31757
                                                                                      • Privat


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                                                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                      Danke für die Aufklärung, ronaldo. In Vogelbestimmung bin ich eine echte Niete. Auf Stare wäre ich nie gekommen!
                                                                                      Oha.
                                                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                      Kommentar


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                                                                                        • 31757
                                                                                        • Privat


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                                                                                        Stop.Look.Listen.


                                                                                        Bridlington kündigt sich an.





                                                                                        Meine Beine fühlen sich wieder besser an. Dennoch kann ich mich mit diesem Schild sofort identifizieren. Das Alter ist wirklich nichts für Feiglinge.





                                                                                        Ich bin nun an Sewerby Hall und Garden angekommen. Im Park hinter dem Eingang strömen Besucher in den Zoo.





                                                                                        Kurz darauf sehe ich das Meer. Vielversprechend liegt Bridlington in der Ferne.





                                                                                        Ich setze mich auf eine der Bänke und überlege, was ich nun tun soll. Hier bleiben? Ab jetzt wird der Nordseeküstenradweg nur noch durch das Binnenland führen. Es ist die letzte Möglichkeit, in der Sonne am Strand zu sitzen.





                                                                                        Ich verschiebe das Problem zunächst und esse ein Brötchen mit Käse.





                                                                                        In der Ferne leuchtet ein Cliff. Schade, der Radweg hätte hinter Bempton durchaus an der Küste entlang führen können. Aber vielleicht gibt es dort keine Wege.





                                                                                        Ich bin müde und lege mich auf die Bank. Aber ein Schläfchen wie in Holland glückt mir nicht. Mein innerer Motor läuft auf Hochtouren. Auf der Bank steht: In Memory of Peter Griffin ….... enjoying the view forever.

                                                                                        Ich beschließe, die Entscheidung später zu fällen. Auf einem Radweg geht es bergab in Richtung Ort. Eine Bimmelbahn fährt hinter mir, und ich gebe Gas, denn sie hat Vorrang. Sie hält an einer Haltestelle. Vermutlich bringt sie Touristen vom Ort zur Sewerby Hall. Je näher ich an Bridlington herankomme, umso mehr Mehschen sind unterwegs. Ein paar Radfahrer. Viele Spaziergänger. Hunde. Ich denke an die Strecke von heute morgen und das ist mir schon zu viel Betrieb. So biege ich unten automatisch in Richtung Nordseeküstenradweg ab, anstatt in den Ort zu fahren. Es geht bergauf, und ich hadere mit den Radwegplanern. Muss das sein? Immerhin ist die Steigung nicht lang.

                                                                                        Ich bin nun an einer befahrenen Straße und muss mich erst einmal wieder an den Lärm gewöhnen. Eine Kirche. Auch hier wieder Kriegsgräber.








                                                                                        In der Ferne thront das Kloster Bridlington. Vielleicht ist der Ort ja doch ganz interessant. Eine Hauptverkehrsstraße. Viele Autos, heruntergekommene Geschäfte. Ich entscheide mich, weiter zu fahren. Wenn man ganz genau hinschaut, sieht man am Ende der Straße das blaue Schild, dem ich folge.





                                                                                        Der Radweg führt nun auf eine Landstraße.





                                                                                        Links neben mir ist ein großes Spielfeld. Zwei Jungen mit Knatterkisten befinden sich zunächst hinter mir und rasen dann über das eingezäunte Spielfeld. Wussten sie es oder merken sie es erst jetzt, dass der Platz von einem Zaun umschlossen ist? Sie rasen wieder zurück. Einer der beiden ist maskiert.





                                                                                        Auf einem Hügel steht ein Pferd. Das Grau leuchtet ungewöhnlich. Ein Tele wäre gut.





                                                                                        Der Radweg biegt nun rechts ab, und ich sehe, dass hinter dem Hügel eine ganze Herde gescheckter Pferde steht. Für ein Foto sind sie zu weit weg. Ein letzter Blick auf die Stadt.





                                                                                        Links neben mir befindet sich eine Siedlung aus kasernenartig wirkenden Gebäuden und Wohnwagen. Ich vermute eine Flüchtlingsunterkunft. Ich mache Bilder von einem angepflockten Pony, das auf einer Wiese vor dem Häusern steht. Ein kleiner Junge überholt mich halsbrecherisch auf dem Grünstreifen mit einem Kinderfahrrad. Männer beladen einen Wohnwagen. Auf einer Leine hängt Wäsche.
                                                                                        Vor dem angrenzenden Feld steht noch ein Pferd, und wieder mache ich ein Foto. Und dann macht es in meinem Kopf Klick. Das ist ein Tinker. Ich habe bisher noch nie einen gesehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es einer its. Auch die anderen waren vermutlich Tinker. In der Siedlung leben Fahrende mit ihren Tieren.





                                                                                        Die Straße ist sehr ruhig, und ich bin froh, weitergefahren zu sein. Radfahren ist besser als Strandurlaub. Aber meine Hochphase währt nur kurz.





                                                                                        Der erste Grund ist das hier:





                                                                                        Ich könnte schwören, dass es in Bridlington einen McDonalds gibt. Alle 20 Zentimeter liegt irgendein Papier oder eine Tüte des Unternehmens herum.

                                                                                        Und das zweite ist dies hier, auch wenn das Bild diesbezüglich nicht so aussagekräftig ist:





                                                                                        Die Straße ist hügelig.
                                                                                        Das ist für sich allein genommen nicht dramatisch. Aber natürlich muss sie erst steil bergab gehen, weil zum Beispiel ein Hof an einem Fluss liegt, um dann wieder in einem Winkel nach oben zu gehen, den ich nicht hochfahren kann. Im Tal muss man zudem bremsen, da ja ein Auto aus der Hofeinfahrt kommen könnte oder Menschen auf die Straße treten könnten. Ich fluche. Es war so schön heute morgen. Diese Steigungen hier sind einfach gemein.

                                                                                        Am Ende einer langen Schiebestrecke sehe ich einen Transporter an der Straße stehen. Mitten in einem Waldstück. Mitten in der Einsamkeit. Was macht der da? Ich bin beunruhigt. Bisher habe ich mich immer sicher gefühlt, aber das Auto behagt mir irgendwie nicht. Als ich mich ihm (schiebend) nähere, sehe ich, dass auch noch die Tür offen ist. Waldarbeiter können es nicht sein. Ein Verbrechen?
                                                                                        Kurz bevor ich ihn tapfer passiere, sehe ich die Aufschrift auf dem Auto: Ein Fotograf. Ich atme auf. Zu sehen ist er nicht. Das Waldstück ist schön.





                                                                                        Der Radweg geht jetzt auf der Höhe weiter, und ich kann wieder radeln. Kurze Zeit später sehe ich einen Jeep quer zu meiner Straße in einem Feldweg stehen. Misstrauisch fahre ich vorbei. Der Fahrer schläft. Ein paar Meter steht ein weißer Mittelklassewagen in einer Einbuchtung quer zur Straße. Das ältere Ehepaar wickelt gerade belegte Brote aus. Etwas später folgt ein Lieferwagen. Der Fahrer raucht eine Zigarette und schaut in die Landschaft. Merkwürdig, diese Engländer. Anscheinend ist dieser Ausblick etwas ganz besonderes. Ich würde eher sagen: "Wie Sie sehen, sehen Sie nix".





                                                                                        Weiter geht es.





                                                                                        Das Wetter bleibt trüb.








                                                                                        Ein Wagen kommt von hinten, und ich weiche wie üblich auf den Grünstreifen aus. Der Fahrer bedankt sich mit Handzeichen. Der Wagen ist neu und für die Straßen hier zu breit. Später sehe ich den Fahrer, einen älteren Herren, an einer Einbuchtung an einem Feld stehen. Er lädt gerade seinen Jagdhund aus. Er sieht mich, und wir grüßen uns. Wo ich herkomme. Hunmanby. Da ist weit. Und wo ich hinwill. Hull. Das ist sehr, sehr weit. Er schaut mich nachdenklich an.
                                                                                        Ich nutze die Gunst der Stunde und frage ihn, ob es hier in der Gegend Campingplätze gäbe. Er schüttelt den Kopf. Nein. So etwas gibt es hier nicht. Fahren Sie nicht nach Hull, sondern nach Beverley, das ist ein paar Kilometer vor Hull. Das ist jedenfalls ein schöner Ort. Beverley hat eine Jugendherberge. Da vorne an den Bäumen geht es links ab.





                                                                                        Seine Worte bringen mich zum Nachdenken. Beverley statt Hull. Der Mann klang überzeugend. Vielleicht ist Hull ein zweites Middlesbrough? Beverley. Ich schaue auf der Karte nach. Ja. Das liegt auf dem Weg. Wenn es dort keinen Campingplatz gibt, gehe ich in die Jugendherberge. Ein Bett wäre auch mal wieder schön. Und ich könnte sogar abends etwas essen gehen. Schauen wir mal.





                                                                                        Die Landschaft verändert sich nun, denn es wird flacher.





                                                                                        Vor lauter Begeisterung gebe ich Vollgas.





                                                                                        Ohne zu wissen, wieso, erinnert mich die Landschaft plötzlich an Holland.








                                                                                        Vielleicht liegt es daran, dass ich das erste Mal seit langem wieder Gemüsefelder sehe. Auch Mais wächst hier.





                                                                                        Ich fahre ein Rennen mit einem Lastwagen, der Gemüse transportiert. Er ist etwas schneller, und ich lasse ihn vorbei. Er blinkt, um sich zu bedanken. Ein Traktor kommt aus einem Hof und gibt mir ausdrücklich die Vorfahrt. Dabei wollte ich ihn vorlassen.

                                                                                        Eine Hauptstraße. Wie üblich ist die Querung durch eine Fußgänger und Fahrradfahrerampel geregelt. Es ist eine Bettelampel, d.h. man fordert durch Drücken des Knopfes eine Grünphase an. Grün zeigt sich bei den britischen Ampeln aber nicht unbedingt an einem Ampelmast, sondern oft leuchtet nur die Schaltfläche neben einem grün auf. Zusätzlich ertönt ein Tonsignal. Man muss sich sputen, um die Straße zu überqueren, denn die Phasen sind kurz. Manchmal sind die Ampeln an den beiden Fahrspuren auch nicht koordiniert, und man muss auf der Verkehrsinsel warten und die nächste Grünphase anfordern.





                                                                                        Der Radweg führt unter einem Gerüst durch, und da hier einige Autos fahren, quetsche ich mich in Millimeterarbeit an den Stangen vorbei.





                                                                                        Kurz darauf sehe ich eine bunte Wäscheleine an einem Wohnwagen und mache ein Foto. Camper, anscheinend. Wildcamper.
                                                                                        Genau an dieser Kreuzung biegt der Radweg rechts ab, und ich passiere die Wohnwagen. Schnell wird mir klar, dass hier Sinti oder Roma wohnen (Edit: Oder sind es wieder Fahrende? Die Anmerkung von Alprausch84 unten macht mich unsicher. Die Fahrenden sind mit Sinti und Roma nicht verwandt, sondern irischen Ursprungs). Scharf schaut mich einer der Männer an. Ein zweites Foto wage ich nicht.





                                                                                        Nun beginnt ein Stück Radweg, das völlig autofrei ist. Begrenzt wird es durch unbeschrankte Bahnübergänge. Um sie zu überwinden, muss man sein Fahrrad in ein Dreieck hineinschieben, dann das Gatter umlegen, um dann auf der anderen Seite das Rad wieder herausschieben zu können. Das Umlegen des Gatters erfordert etwas Geschick, denn mein Fahrrad geht gerade so in das Dreieck hinein. Ich denke an die Busfahrt in Newcastle. Möglicherweise wieder der andere Standard.
                                                                                        An den Schienen steht ein Schild, das sagt, was man nun zu tun hat: „Stop. Look. Listen. Beware of trains“. Ich lasse mir die ersten drei Worte auf der Zunge zergehen. Die Aufzählung gefällt mir. Sie wird von nun an in kritischen Situationen zu meinem geflügelten Wort: „Stop. Look. Listen“.





                                                                                        Meine Begeisterung für diese Formel darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich unbeschrankte Bahnübergänge nicht mag. Ich habe zuviel Fantasie und bin der Überzeugung, dass es Bahnen nur darauf abgesehen haben, mich zu überfahren. So sieht meine Überquerung in der Praxis so aus, dass ich anhalte, schaue, höre und dann ganz, ganz schnell über die Schienen hetze, als wäre jemand hinter mir her. Dann husche ich so schnell es geht durch die zweite Schleuse. Uff. In Sicherheit.





                                                                                        Ich atme tief durch und zücke den Fotoapparat. Gleichzeitig schüttele ich den Kopf. Dass ich auch immer so ein Schisser bin. Wahrscheinlich fährt hier zweimal am Tag ein Zug durch, und ich mache daraus ein Drama.
                                                                                        Ruhig packe ich den Fotoapparat wieder ein und will gerade anfahren. PFFFFFFFT. WummmWumm. In unglaublicher Geschwindigkeit rast ein Zug durch. Alles klar. Fast komme ich mir vor, wie in einem alten Stummfilm.

                                                                                        Der Weg, der sich nun anschließt, gefällt mir.





                                                                                        Er ist leider viel zu kurz und endet am nächsten Bahnübergang. Schnell fädele ich mich durch die erste Schleuse. „Stop. Look. Listen“. Die zweite Schleuse. Als ich das Gatter umlege, kommen gerade vier Rennradler an und warten, bis ich ausgeparkt habe. Sie grüßen mich fröhlich. Wo ich herkomme. Toll. Ich hasse diese Bahnübergänge. Ja, wir auch.

                                                                                        Ich setze mich wieder in den Sattel. Wieder habe ich das komische Gefühl von eben gehabt, und wieder lache ich über mich selbst. Die Bahn ist eben durch, kaum 3 Minuten sind vergangen, jetzt kommt garantiert kein Zug mehr. PFFFFFFFFT. Schnell drehe ich mich um. Da ist sie, rechts zwischen den Bäumen.





                                                                                        Eine der Frauen wartet noch auf meiner Seite, die anderen sind schon drüben. WummWumm. Puh.





                                                                                        Der nächste Ort ist Harpham.





                                                                                        Hier sehe ich mein erstes graues Eichhörnchen. Leider gelingen die Fotos nicht, weil meine Kamera sich verstellt hat. Aber ich werde später noch welche fotografieren können.





                                                                                        Die Jungs oder Mädels gefallen mir wegen der Köpfe, die ich noch nie gesehen habe. Aber anscheinend gefalle ich ihnen nicht, denn sie treten sofort den geordneten Rückzug an.





                                                                                        In den Gärten stehen Apfelbäume. Ein Feld wird abgeflämmt.





                                                                                        Wieder einmal bildhübsche Hunde.





                                                                                        Der nächste Ort heißt Nafferton.





                                                                                        Das Mahnmal ist für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.





                                                                                        Ich frage eine Frau nach einer Einkaufsmöglichkeit und sie zeigt die Straße hoch, in die ich eingebogen bin. Dort gibt es ein Post Office und einen Supermarkt. Sie erzählt mir, dass im Ort eine Bikers-Barn aufgemacht hätte. Das Bett kostet um die 20 Pfund. Ich bedanke mich für die Information. Zwar hätte ich Lust, die Sonne zu genießen, die mittlerweile richtig schön warm ist. Andererseits ist es gerade mal 14.00 Uhr, und ich möchte das schöne Wetter nutzen, um voran zu kommen. Ich verspreche ihr, den Tipp weiterzusagen.

                                                                                        Im Postoffice kaufe ich Mineralwasser mit Kohlensäure und stelle fest, dass auch hier der Geldautomat mit meiner Karte nicht funktioniert. Aber der Supermarkt soll einen internationalen Geldautomaten haben.





                                                                                        Ich parke das Rad an der Straße und hoffe, dass es hier keine Diebe gibt. Der Geldautomat ist ganz hinten im Laden. Und funktioniert. Ich bin erleichtert. Ich hatte gerade mal noch 10 Pfund in der Tasche.
                                                                                        Ich decke mich mir zwei weiteren Dosen Thunfisch ein, kaufe Eisbergsalat, ein halbes Pint fettarme Milch und Fruchtjoghurt. Mein Blick fällt auf eine Packung Bratenaufschnitt und zu meinem eigenen Erstaunen kann ich nicht widerstehen. Ich habe das Gefühl, mein Körper braucht diese Nahrungsmittel jetzt.

                                                                                        Ich habe nicht darauf geachtet, wo meine Schilder sind, und so fahre ich die Straße noch einmal hinunter und schiebe dann wieder hoch. Ich bin richtig. Eine weitere Kirche. Methodisten.





                                                                                        Ein schöner Ort. Schade, dass es nicht gepasst hat. Der Wind ist wieder aufgefrischt, wie jeden Tag um diese Zeit.

                                                                                        Am Ortsausgang bin ich ob des Schilderwaldes erst ein wenig irritiert. Ich frage eine alte Frau, aber ihre Antwort ist wirr. Kurz darauf bin ich wieder richtig.
                                                                                        Driffield. Es riecht nach Gerste. Oder ist es Hopfen und Malz? Das Gebäude der Bradshaw Mill. Ich mag Industriearchitektur. Ein Radfahrer auf einem normalen Dreigangrad überholt mich und grinst. Wo es flach ist, gibt es auch mehr Fahrräder.





                                                                                        Diese sind allerdings wohl nicht mehr unterwegs. Ist das Kunst?





                                                                                        Gegen halb vier bin ich in Hutton Cranswick. Die Schule ist gerade aus. Von überall her kommen Autos angefahren, um die Kinder abzuholen. Rush Hour.





                                                                                        Als ich vorsichtig an der Schule vorbeifahre, merke ich, dass ich langsam müde werde. Ich schaue in meinem Navi nach Campingplätzen, aber die nächsten sind 25 Kilometer entfernt. Also weiter. In Beverley wird sich schon etwas finden. Ein Schild verspricht, dass Beverley etwas mehr als 20 Kilometer entfernt ist. Das sollte ich schaffen.





                                                                                        Und so gebe ich Gas.





                                                                                        Und ich muss sagen, das Fahren macht nun richtig Spaß. Es ist hier zwar nicht so flach, wie es aussieht, aber die Strecke passt genau zu mir. Vor allem, wenn die Streckenabschnitte lang sind und man nicht ständig schauen muss, ob man richtig ist. Es geht einfach geradeaus.








                                                                                        Idyllisch.








                                                                                        Ich fliege dahin und mein Körper kommt mir vor wie eine geölte Maschine.








                                                                                        Steigungen und Gefälle ergeben eine perfekte Kombination, und ich taufe sie Belohnungskurven. Vielleicht wäre der Begriff „Belohnungshügel“ passender, aber das Wort klingt nicht so schön. Belohnungskurven sind Hügel, bei denen man mit Anlauf etwas mehr als die Hälfte erklimmen kann, sich dann noch ein paar Meter im kleinen Gang anstrengen muss, um dann als Belohnung wieder ins Tal sausen zu können und den nächsten Hügel halb hochrasen zu können.








                                                                                        Den Schildern nach zu urteilen, ist Beverley nicht mehr weit, und ich müsste einfach nur geradeaus fahren. Wenn der Radweg nicht wieder die üblichen Umwege nimmt, die ich aus Holland kenne.
                                                                                        Natürlich. Das musste ja sein! Als die Radwegschilder plötzlich abknicken, bin ich genervt. Wieder einmal der übliche Umweg? Natürlich. Auch diese Strecke ist schön zu fahren, aber ich spüre meine Grenzen. Es ist jetzt 16.30 Uhr. Das Ziel des Umweges ist South Dalton. Ich denke an die Dalton Brüder, aber so richtig froh stimmt mich das nicht. Im Ort steht eine Kirche, vermutlich ist sie der Grund des Umweges.





                                                                                        An einer Kreuzung hängt ein braunes Schild mit einem Bettensymbol. Es scheint sich dort Gasthof zu befinden. Aber noch einen Umweg möchte ich nicht fahren. Daher frage ich eine Frau, die in ihrem Garten steht, ob sie weiß, was dort ein Bett kostet. Das Essen ist teuer, erzählt sie mir. Aber ich solle einfach hinfahren und fragen, das Gasthaus sei nicht weit. Ich habe dazu eigentlich gar keine Lust, aber ich will mir hinterher nicht vorwerfen müssen, ich hätte eine einmalige Gelegenheit verpasst.

                                                                                        Das Gebäude sieht hübsch aus und ruhig ist es hier auch. Man könnte hier spazieren gehen. Wenn das Zimmer nicht so teuer ist, würde ich es nehmen.
                                                                                        Eine geschlossene Gesellschaft löst sich gerade auf. Die Herren tragen Anzug, die Frauen Sommerkleider. Gut gekleidete Kinder laufen herum. Gehobenes Bürgertum, keine Frage. Man sieht mich, aber man ignoriert mich. Die Familien sind mit sich beschäftigt. Familienfeiern sind untergründiger Stress. Und ich bin natürlich völlig underdressed. Eine Dusche könnte auch nicht schaden. Nur ein Mann von Mitte 30 schaut undefinierbar zu mir her. Vielleicht ist er Rennradler und würde gerne fragen, wo ich herkomme.

                                                                                        Ich schaue mich in dem Restaurant um. Den Gedecken nach zu urteilen ist das hier Haute Cuisine. Das Restaurant ist sehr geschmackvoll eingerichtet und die Gestaltung verrät Geschmack und Stil. Ich merke, dass ich darauf schon irgendwie Lust hätte. Leider gibt es aber niemanden an der Rezeption, den ich fragen kann, ob noch Zimmer frei sind. Ich rufe ein paar Mal, ob jemand da ist und dann wird mir das Ganze zu blöd. Warten will ich nicht, denn wenn es nicht klappt, wird es zeitlich für mich noch später. Ich schwinge mich wieder auf mein Fahrrad.
                                                                                        Eine gute Entscheidung. Meine nachträgliche Recherche hat ergeben, dass es sich um das einzige Restaurant in East Yorkshire handelt, das mit einem Stern ausgezeichnet ist. Ein Zimmer kostet 170 Pfund. Das sind umgerechnet 220 Euro. Na denn.

                                                                                        Ich gebe wieder Gas, aber ich merke, dass meine gute Stimmung verflogen ist. Ich bin müde und hätte gerne Gewissheit, wo ich heute nacht bleiben kann. In Etton sehe ich ein schönes Gestüt. Ob die wohl Zimmer vermieten? Ich glaube kaum. Eine Frau geht zu den Pferden und grüßt mich nett. Ich frage sie nicht.





                                                                                        Sondern schaue noch einmal in mein Navi. Mein Navi teilt mir mit, dass es in Cherry Burton einen Campingplatz gibt. Hoffnung keimt auf. Hoffentlich ein Platz für Zelter. Hoffentlich. Ich gebe Gas. Endspurt. Er liegt fast auf dem Weg.

                                                                                        Nach Beverley geht es rechts ab, der Campingplatz ist geradeaus. Ich mobilisiere die letzten Kräfte und spurte voran. Ein hübsches Haus. Ein gepflegter Rasen. Ein Wohmobil neben dem Haus. Menschen sitzen an einem Tisch. Ein Wohnmobilplatz. Bitte nicht. Ich mag nicht mehr. Und nun? Versuchen wir es trotzdem.

                                                                                        Eine sehr nette Dame kommt auf mich zu. In einem sehr kultivierten Englisch sagt sie bedauernd: Sorry, wir sind auf Reisende mit Zelt nicht eingerichtet. Wir haben keine Toilette und keine Dusche. I´m so sorry. Ich frage, ob es hier noch einen Campingplatz gibt. Nein, leider nicht. I´m so sorry.

                                                                                        Ob sie vielleicht weiß, wo in Beverly die Jugendherberge ist. Ich hätte kein Internet. Einen Moment, sie holt ihr I-Pad. Alleine wie sie das Wort I-Pad ausspricht, ist diese Begegnung wert.
                                                                                        Kurz darauf kommt sie mir ihrem AAAI-Pääd zurück und versucht mit den langen, gepflegten Fingernägeln booking.com zu öffnen. Ich kann gar nicht richtig zusehen, am liebsten würde ich ihr da Gerät aus der Hand nehmen, denn sie scheint sich nicht sehr oft im Internet zu orientieren. Ich bitte sie, erst einmal „Hostel Beverly“ einzugeben, um die Belegungsstatus abzufragen. Das Hostel informiert, dass es am heutigen Tage ausgebucht ist. Anscheinend findet an diesem Tag eine Veranstaltung statt.

                                                                                        Die Recherche auf Booking.com weist ein Hotel aus, das auch mein Garmin anzeigt. Das Zimmer kostet 55 Pfund. Da ist sehr viel Geld, sagt die Frau ein erschrocken. Gemeinsam suchen wir nach Bed and Breakfast. Ein Gasthaus bietet ein Zimmer für 35 Pfund an. Auch das ist noch viel Geld, aber günstiger geht es wohl nicht. Einen Moment, sie schreibt mir die Adresse auf. Ich winke ab und programmiere die Adresse in mein Navi ein. Noch einmal entschuldigt sie sich, und ich bedanke mich sehr herzlich. Schade, das wäre ein wirklich schöner Platz gewesen. In der Nähe ist eine Golfanlage.


                                                                                        Kurz darauf bin ich in Beverley.





                                                                                        Der Radweg führt durch die Innenstadt. Es ist viel Verkehr und viele Menschen sind auf der Straße, so dass ich nicht anhalten mag, um Fotos zu mache. Kurze Zeit später stehe ich vor dem Beverly Minster. Die Radwegschilder zeigen nun in zwei Richtungen, und ich biege dem Navi folgend links ab. So ganz hat mein Navi nicht den richtigen Plan, denn die Abzweigung stimmt definitiv nicht. Die Autos sind laut, denn es ist Stau und laut Karte entferne ich mich von meinem Ziel anstatt mich ihm zu näheren. Ich vergrößere die Karte und sehe, dass das Gasthaus hinter dem Münster sein muss. Also fahre ich auf eigene Faust los und bin zwei Straßen später da.

                                                                                        Das Gasthaus ist an einer lauten Straße gelegen und hat schon bessere Zeiten gesehen, aber das ist mir egal. Nachts wird der Verkehr weniger werden. Besser, als nachts am Straßenrand zu zelten.
                                                                                        Die Hausdame kommt verwundert aus den Nebenräumen. Sie hat wohl nicht mehr mit Gästen gerechnet. Ich erzähle ihr, dass ich das Angebot auf booking.com gesehen habe und nenne ihr den angegebenen Preis. Das bringt sie durcheinander, denn sie wirkt etwas hilflos und telefoniert erst einmal mit der Chefin, um zu fragen, was sie nun tun soll. Die Chefin gibt Anweisungen, und ich bekomme das Zimmer zu dem gewünschten Preis. Da ich nicht weiß, wer morgen früh vor Ort ist, bitte ich sie um eine formlose Quittung. Das entpuppt sich als umständlicher Akt, denn der Quittungsblock ist voll. Endlich findet sie einen unbeschriebenen Streifen und schreibt in druckfähiger Schrift langsam die gewünschten Angaben auf das Papier.

                                                                                        Wir haben uns nun soweit angenähert, dass sie mich fragt, aus welchem Land ich stamme. Als ich es nenne, strahlt sie. Zwei Zahnlücken lächeln mir entgegen. Ich erfahre, dass sie einmal in Sprötze gewohnt hat. Unwillkürlich muss ich lachen. Wäre ich mathematisch begabt, würde ich jetzt ausrechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand, der in Beverley, Yorkshire wohnt (einen Ort, den ich bis gestern noch nicht kannte) ausgerechnet Sprötze kennt. Auch ich kenne den Ort nur deshalb, weil dort in Heidelandschaft wunderschöne Motorradkurven sind. Der Ort liegt in der Nähe von Buchholz in der Nordheide. Sie weiß nur, was „I love you“ auf deutsch heisst und bemüht sich, es korrekt auszusprechen. Sie hatte dort einen deutschen Freund. Das ist aber lange her.

                                                                                        Mein Fahrrad schiebe ich in den Hinterhof. Es parkt in der Nacht neben dem leeren Swimming-Pool.

                                                                                        Das Zimmer ist im obersten Stock und da das Haus sehr verwinkelt ist, sind einige Treppen zu steigen. Mühsam kämpfe ich mich nach oben. Ich muss dringend etwas essen, mir fehlt die Kraft, die Beine zu heben. Wir lachen beide, als sie mich nach oben begleitet, und ich über die Treppen fluche. Mal wieder denke ich, wie schön es ist, in einer fremden Sprache kommunizieren zu können.

                                                                                        Und dann fotografiere ich schnell das Bett, bevor im Zimmer das Chaos ausbricht.





                                                                                        Es ist viel zu weich, aber ich werde dennoch herrlich schlafen.


                                                                                        Der Blick aus dem Fenster. Besser als gedacht.






                                                                                        Schnell dusche ich und wasche ein paar Sachen. Sie werden sicherlich nicht richtig trocknen, aber ich muss jede Gelegenheit nutzen, denn beim Radfahren schwitzt man doch recht viel. Die Dusche ist wunderbar und weckt wieder meine Lebensgeister. Wenn ich wollte, könnte ich sogar baden.

                                                                                        Nachdem meine Körperpflege beendet ist, laufe ich die Treppen herunter und komme an einem völlig anderen Ausgang heraus. Bis zuletzt werde ich nicht begreifen, wie dieses Haus aufgebaut ist. Ich laufe in Richtung Minster. Die Sonne geht gerade unter.

                                                                                        Kaum biege ich um die Ecke, sehe ich Beverley Minster vor mir stehen und denke unwillkürlich: „Milano“.





                                                                                        Natürlich ist das Quatsch, denn der Mailänder Dom sieht völlig anders aus und ist auch viel größer. Aber aus irgendeinem Grunde fühle ich mich plötzlich nach Italien versetzt. In der Kirche findet ein Orgenkonzert statt und man hört die Klänge bis vor die Tür. Ich bleibe stehen und lausche. Wäre ich zehn Minuten eher hier gewesen, wäre ich wohl in das Konzert gegangen.





                                                                                        Ich folge der Gasse Richtung Innenstadt. Ein Inder führt seinen Hund spazieren. Ein Touristenpaar kommt mir entgegen und rüttelt etwas später an der Minstertür. Sie ist verschlossen. Ansonsten ist die Straße menschenleer. Es ist nun fast dunkel und mit einem Mal fühle ich mich in meine Jugend zurückversetzt, als ich mit 16 Jahren abends furchtsam in einer anderen englischen Stadt durch die Straßen gelaufen bin. Wie war ich froh, als ich am Ziel war. Komisch, dass es mir heute wieder so geht. Vielleicht sind es die Häuser, vielleicht aber auch die Beleuchtung.

                                                                                        Kurz darauf bin ich im Zentrum und in der Innenstadt steppt förmlich der Bär.





                                                                                        Es ist 19.00 Uhr und die Läden sind seit einer Stunde geschlossen. Die Hektik und das Gewühle ist verschwunden. Hier ist Totentanz. Ein paar Touristen schauen sich Schaufenster an, ein paar Menschen hasten vorbei. Ein nach Restaurantkette aussehendes Restaurant lockt mit Pizza, aber ich hätte gerne ein gemütliches englisches Restaurant. Ein Pub. An einem Tisch sitzt ein alter Mann. Die Einrichtung besteht aus Holztischen in liebloser Farbe. Ein Studentenrestaurant zwischen den Geschäften. Es ist gut gefüllt, an den Tischen ist kein Platz mehr frei. Ein junger Mann beißt in einen riesigen Burger. Der Marktplatz ist leer.








                                                                                        Und mit einem Mal denke ich an Italia.

                                                                                        Italia. Du magst nichts auf die Reihe bekommen, Du magst pleite sein, Du magst korrupt sein. Aber Du weißt, wie man lebt. Jetzt wäre die Zeit, wo sich die Bewohner des Ortes in der Innenstadt versammeln würden, um einzukaufen oder Gespräche zu führen. Man würde ihr Lachen hören. Die Melodie der italienischen Sprache würde klingen wie Gesang. Und die Luft würde nach Sommer riechen, auch im Winter.








                                                                                        Und mit Tränen in den Augen (Anmerkung: Aus literarischen Gründen übertreibe ich hier, aber tatsächlich bin ich in dem Moment opernreif sentimental gestimmt. Italiener verstehen so etwas.) drehe ich mich um und gehe in das italienische Restaurant. Die Bedienung ist durch und durch britisch und mit einem amerikanischen Dienstleistungslächeln dekoriert. Ich widerstehe der Versuchung, die Bestellung auf italienisch abzugeben. Ich bestelle das, was ich immer bestelle: Salat, Pizza (Quattro stagione), Aqua frizzante. Der Salat ist köstlich. Die Pizza kommt verdächtig schnell, aber über den Teig kann man nicht meckern. Bacon als Schinken. Okay. Wir sind in England. Die Küche ist eine offene Küche, und es sieht so aus, als ständen am Steinofen Italiener. Schrill dringen die Stimmen der Engländerinnen an mein sensibles Ohr.





                                                                                        Die Bedienung lächelt, als ich das Foto mache. Ich zahle ungefähr 17 Pfund.





                                                                                        Wieder geht es durch die dunkle Gasse Richtung Dom.





                                                                                        Das Konzert ist immer noch nicht aus. Leise ertönt die Orgel tief und getragen, und ihre Klänge sind Balsam für meine Ohren.
                                                                                        Ich inspiziere das Haupthaus meiner Unterkunft. Hier geht es morgen zum Frühstück. Der Erker gehört zum Frühstücksraum.





                                                                                        Ich habe im Zimmer Internet, und ich beschließe, meinen Vorsätzen untreu zu werden. Ich habe vor, morgen Lincoln zu erreichen und stelle ein paar Recherchen an. Auch die Campingplätze von Boston schreibe ich in meine Karte. Die Recherche wird mir nichts bringen. Ich zeichne mir außerdem die verbleibende Strecke des Nordseeküstenradwegs genauer in die Karte ein. Das wird mir ebenfalls nichts nutzen. Bei ods logge ich mich nicht ein. Enthaltsamkeit ist Enthaltsamkeit.

                                                                                        Dann schlafe ich wie ein Stein.
                                                                                        Zuletzt geändert von Torres; 18.10.2014, 00:34.
                                                                                        Oha.
                                                                                        (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                        Kommentar


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                                                                                          Fuchs
                                                                                          • 12.02.2012
                                                                                          • 1610
                                                                                          • Privat


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                                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                          Sehr schöner Bericht Torres. Eine Korrektur hätte ich evtl. Das fahrende Volk in GB sind meist Traveller (oder auch Pavee genannt). Sinti und Roma sind dort eher selten anzutreffen.

                                                                                          Kommentar


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                                                                                            Freak

                                                                                            Liebt das Forum
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                                                                                            • 31757
                                                                                            • Privat


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                                                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                            Es kann natürlich sein, dass die zweite Gruppe auch zu den Fahrenden gehörte. Sie wirkte auf mich allerdings anders, als die Bewohner der Siedlung. Die gehörten auf jeden Fall zu den von Dir genannten Travellers, wie man ja schon an den Pferden sah.
                                                                                            Oha.
                                                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                            Kommentar


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                                                                                              Freak

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                                                                                              • 12705
                                                                                              • Privat


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                                                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                              Ausführliche Eindrücke einer Ecke Europas, wie man sie so selten zu sehen bekommt. Danke dafür.
                                                                                              Kleine persönliche Anmerkung: auf einem Bild im Bericht vom 01.10.14 liegt vor dem " The Bay Hotel" ein Boot auf dem Trailer namens "Shanty 2". Wenn ihr etwas von Booten versteht, schaut auf mein Avatar-Bild: da findet ihr den Orkney Longliner 16 wieder, das klassische Fischerboot der britischen Küstengewässer. Die Firma liegt in West Sussex. Vorher habe ich ihn schon vierfach am Strand entdeckt, abgedeckt mit blauem Persenning. In D bin ich damit Exot.
                                                                                              Ditschi

                                                                                              Kommentar


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                                                                                                Freak

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                                                                                                • 31757
                                                                                                • Privat


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                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                Du meinst das Bild hier:





                                                                                                Und wohl auch das hier, oder?





                                                                                                Dass es der gleiche Bootstyp ist, war mir tatsächlich nicht bewusst.
                                                                                                Oha.
                                                                                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                Kommentar


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                                                                                                  Freak

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                                                                                                  • 12705
                                                                                                  • Privat


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                                                                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                  OT: Danke, hast recht. Das Boot auf dem Trailer ist der Longliner, die Boote unten nicht, wenn auch ähnlich. Habe jetzt erst beim genauen Hinsehen das abgeschrägte Heck entdeckt. Auch scheinen sie kleiner zu sein, aber eine Fotoperspektive kann täuschen.
                                                                                                  Ditschi

                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                    • 16.08.2008
                                                                                                    • 31757
                                                                                                    • Privat


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                                                                                                    Von Klappbrücken und anderen Grausamkeiten.

                                                                                                    Fr. 12.09.2014
                                                                                                    Beverley – Market Rasen, 95,2 km

                                                                                                    Der Morgen fängt an sich recht vielversprechend an. Ich schlafe eine Stunde länger als gewohnt. Als ich aus dem Fenster schaue, sieht es aus, als würde es regnen. Einen Moment überlege ich, ob ich hier bleibe. Ich hätte nicht übel Lust, einmal einen Tag durchzuschlafen. Tatsächlich ist es aber nur die Morgenfeuchte, welche die Straßen nass wirken lässt. Damit entfällt die Rechtfertigung für einen Ruhetag. Bis Harwich ist es noch weit. Ich möchte unbedingt vermeiden, an einem Freitagabend Fähre zu fahren, wenn die Engländer nach Holland fahren, um Party zu machen. Ein Erlebnis dieser Art hat mir gereicht.

                                                                                                    Ich packe konzentriert, aber viel schneller als sonst bin ich nicht. Im Haus breitet sich der Duft nach Eiern und Speck aus. Kurz vor halb acht laufe ich über den Hof zum Frühstücksraum. Der Himmel ist wolkenverhangen, aber nach Regen sieht es nicht aus.





                                                                                                    Die Hausdame von gestern serviert auch das Frühstück, und ich hätte ihr sagen müssen, dass ich keine Eier und keinen Speck esse. Ich habe es vergessen und entschuldige mich. Die Auswahl an Müsli ist hervorragend und frisches Obst gibt es auch. Dann labe ich mich an Tomaten, Pilzen und Toast.
                                                                                                    Ein Mann im Anzug frühstückt hektisch einen Marmeladentoast und eilt kurz darauf davon. Ein riesiger Plasmabildschirm kündigt das Urteil im Pistoriusfall an und bringt letzte Informationen zur Unabhängigkeitsabstimmung Schottlands. Der Wetterbericht klingt nach Wolken, aber es scheint trocken zu bleiben. In Südengland ist das Wetter hervorragend.
                                                                                                    Ein älteres Ehepaar kommt und wir unterhalten uns. Sie haben gestern das letzte Zimmer bekommen. Sie waren ganz überrascht. In der ganzen Stadt war nichts mehr zu finden. Sollte ich etwas ein Riesenglück gehabt haben? Sie sagen mir, welche Veranstaltung hier derzeit stattfindet, aber ich habe es wieder vergessen. Als sie hören, dass ich heute nach Lincoln fahren will, nicken sie. Das ist nicht weit. Vielleicht anderthalb Stunden mit dem Auto. Ich glaube, die beiden sind noch nie in ihrem Leben Fahrrad gefahren.

                                                                                                    Der Raum ist gemütlich warm und nur mühsam reiße ich mich los. Im Nachhinein betrachtet, wäre ich vielleicht besser sitzen geblieben und hätte den Zug genommen, aber das weiß man ja nicht vorher.
                                                                                                    So verabschiede ich mich sehr persönlich von der Hausdame. Sie ist gerührt. Ich hole das Gepäck aus meinem Zimmer und packe im Hof mein Fahrrad. Ein letzter Blick auf das Fenster, hinter dem ich gestern genächtigt habe.





                                                                                                    Ich radele zum Minster zurück und finde das Radwegschild. Der Weg biegt in die gleiche Straße ein, die mich gestern das Navi geführt hat. Wieder ist Stau, hier ist ein Bahnübergang. Aber der Blick auf mein Navi zeigt, dass das nicht richtig sein kann. Die Strecke führt nicht nach Hull. Also fahre ich wieder zurück und versuche die Schilder aus einer andere Perspektive zu betrachten. Dann sehe ich endlich den entscheidenden Wegweiser. Ich muss in die ruhige Nebenstraße einbiegen, die sich vor dem Hotel befindet. Von meinem Zimmer aus habe ich direkt darauf geschaut. Das hätte ich einfacher haben können. Ein Eichhörnchen huscht ins Gebüsch.








                                                                                                    Ein beschrankter Bahnübergang in der Ferne. Stop. Look. Listen. Das war ein schöner Tag, gestern.
                                                                                                    Die Straße knickt rechts ab. Autos sind keine zu sehen. Ein Park, der Beverley Park, scheint in der Nähe zu sein. Dass auf dem Wegweiser der Radweg 66 ausgeschildert ist, sehe ich erst heute. Er wird noch eine besondere Bedeutung bekommen.





                                                                                                    In den nächsten Tagen wird im Beverley eine einwöchige Wander- und Outdoorveranstaltung stattfinden. Ein Schild weist darauf hin. Die Straße, der ich folge, ist für den Autoverkehr dauerhaft gesperrt.





                                                                                                    Es handelt sich um eine Privatstraße. Nur Radfahrer dürfen anscheinend weiterfahren. Der Belag besteht aus grobem Schotter. Kein Problem für meine Reifen, auch wenn ich später ein paar verkantete Steinchen entfernen muss. Schnell komme ich hier allerdings nicht voran. Ich denke an Werner Hohn. Ich erinnere mich, dass er derartige Radwege nicht besonders liebt.





                                                                                                    Ich fahre mitten durch einen Bauernhof, und es schließt sich ein holperiger Weg an.








                                                                                                    Vögel sitzen auf den Stromleitungen und sorgen für Morgenmusik. Das macht den Anblick des Elektrizitätswerkes etwas erträglicher. In der Ferne rauschen die Autos.








                                                                                                    Kurz darauf bin ich in Cottingham und befinde mich an einer gut befahrenen Landstraße. Ein Radwegschild zeigt nach links, es ist die Nummer 66. Eine 1 sehe ich nicht. So fahre ich erst einmal die Hauptstraße hinunter, aber einen Wegweiser der National Route Nummer 1 sehe ich nicht.





                                                                                                    Ist die 66 nun die 1? Ich weiß es nicht. Ich fahre wieder zurück und überprüfe noch einmal jeden Laternenmast, den ich finden kann. Nichts. Die luxuriöse, fahrradfreundliche Beschilderung der Yorkshire Wolds ist zu Ende.

                                                                                                    Wieder fahre ich die Straße hinunter. Was soll ich auch anderes tun. Eine alte BMW Gummikuh blubbert an mir vorbei.





                                                                                                    Es kommt mir vor, als sei der Verkehr stärker geworden. Die Autos dröhnen in meinen Ohren.





                                                                                                    Als die 66 von der Hauptstraße in eine ruhige Seitenstraße abknickt, folge ich ihr. In der Ferne sieht man Hochhäuser. Ich schaue auf mein Navi und es ist nicht zu erkennen, ob die 66 nun in Richtung Hull führt oder eine lokale Radroute ist, die in Richtung York führt. Ein kleinwüchsiger Radfahrer mit einem Frettchengesicht kommt aus einer Seitenstraße, sieht aber nicht so aus, als könne man ihn fragen. Ich wende wieder.

                                                                                                    Zurück an die Straße von eben, flüchte ich auf den linken Bürgersteig. Ich überlege, ob es sinnvoll ist, noch einmal komplett zurückzufahren, um die Schilder erneut zu überprüfen, aber das ist mir dann doch zu weit. Am besten, ich frage jemanden.
                                                                                                    Auf dem Bürgersteig führt vor mir ein Mann seine Hunde aus. Ich rufe ihn von hinten an, und er ist älter, als ich dachte. Ich bezweifele, dass er das weiß. Ich frage ihn dennoch, ob er den Radweg Nr. 1 kennt. Ich wäre auf der Suche nach den Schildern. Ein Leuchten geht über sein Gesicht. Er fährt selber Fahrrad und zu Hause hat er die Karte, die ich brauche. Er wohnt gerade schräg gegenüber an der Straße. Eilig läuft er los und winkt. Ich solle ihm folgen.
                                                                                                    Ein wenig mulmig ist mir schon zu Mute, als ich ihm folge, aber Hilfe wäre jetzt gut. Er schließt eine eiserne Hofeinfahrt auf, lässt mich ein und schließt sie sofort hinter mir wieder ab. Zusätzlich umwickelt er das Tor wieder mit einer schweren Eisenkette. Ich bin gefangen.

                                                                                                    Die letzten Nachrichten über Serienverbrechen in England schießen mir durch den Kopf, und ich hoffe, dass die Nummer gut ausgeht. Immerhin ist mein Fahrrad sichtbar, die Nachbarn werden sehen, dass er Besuch hat. Als ich zur Haustür hinter dem Haus gehen, bedeutet er mir, das Fahrrad um die Ecke zur Haustür zu schieben, damit es niemand sehen kann. In der Nähe wohnen Leute, die so etwas nicht sehen sollen. Ich befolge die Bitte, was soll ich anderes tun. Dann hüpft er durch die Haustür in sein Haus. Ich folge kampfbereit, auch wenn ich gegen die Hunde keine Chance haben dürfte.
                                                                                                    Es ist das Haus eines Junggesellen. Ein wunderschönes, hochwertiges Bahnrad lehnt im Wohnzimmer. Es ist eins von fünf Fahrrädern, die er besitzt, und alle hütet er wie seinen Augapfel. Ein Radfreak.

                                                                                                    Die Hunde sind sehr unruhig, es liegt an meiner Sicherheitsweste, wie er mir mitteilt. Als ich sie ausziehe, legen sie sich hin. Hektisch startet der Mann seinen Computer, dann findet er die Radkarte, und ich bin baff. Es gibt tatsächlich eine ausführliche, gut beschilderte Radkarte von East Yorkshire. Es ist die Karte der Yorkshire Wolds Strecke, die auch am Weg perfekt ausgeschildert war. Sie deckt die Strecke Hunmanby – Kingston upon Hull ab. Sogar zukünftige Routenverläufe, Piktogramme über die zu erwartende Infrastruktur (Postoffice, Information, Gasthaus u.ä.) sowie den Straßenzustand sind enthalten.

                                                                                                    Ich fotografiere die Karte, und sie wird mir in Hull tatsächlich helfen. Die 66 ist in der Karte als Radweg 1 ausgewiesen. Umständlich führt sie ostwärts durch die Randbezirke von Hull in die Innenstadt und dann wieder westwärts in Richtung Humber Bridge. Ein riesiger Umweg. Es gibt auch eine direkte Verbindung von Cottingham zur Humber Bridge, die über Felder und den Ort(steil?) Willerby an der Stadt vorbei führt, aber ich will den Nordseeküstenradweg ja korrekt fahren. Wer da etwas flexibler ist, sollte die Abkürzung nehmen. Der Herr mit dem Jagdhund wird Recht behalten. Hull muss man nicht gesehen haben.

                                                                                                    Erhältlich ist die Karte anscheinend bei den Tourist Informationen der Region. Erst jetzt begreife ich, dass der Radweg von der Organisation Sustrans, organisiert und gepflegt wird. Sie hat das Ziel, Kindern und Erwachsenen zu ermöglichen, sich in der Natur aufzuhalten. Ich hatte gedacht, die Radrouten wären Ländersache.





                                                                                                    Der Mann lässt mich wieder aus dem vergitterten Hof hinaus, und wir reden vor der Tür noch ein wenig. Er war in jungen Jahren Profiradrennfahrer und ist in internationalen Rennen gestartet. Berühmt ist er allerdings nie geworden, er war wohl vor allem Zuarbeiter, hat aber gut daran verdient. Ich empfehle ihm das Transcontinental Race als Herausforderung. Er lacht. Er hatte vor drei Jahren eine schwere Herzoperation, er ist jetzt Anfang 60. Ich zähle die englischen Finalisten auf und Richard Dunnett sagt ihm sogar etwas. Nachdenklich sucht er in seinem Gedächtnis nach Erinnerungen. Ich überlege, ob er vielleicht den Opa von Richard Dunnett erinnert, vielleicht hat dieser auch den Vornamen Richard getragen. Erst jetzt sehe ich, dass Richard Dunnet aus Norwich, Suffolk ist. So weit ist das also nicht. Und viele Rennen hat er auch bereits absolviert.

                                                                                                    Ich mache ein Erinnerungsfoto. Das ist natürlich das Foto vor dem Foto.





                                                                                                    Er warnt mich noch vor der Hochhaussiedlung in der Ferne, denn die ist auch der Grund, warum er sein Haus so stark absichert.





                                                                                                    Kurz darauf fahre ich mitten durch die Siedlung hindurch. Ich gebe Gas, hier muss man sich nicht lange aufhalten. Erst fahre ich Straße, später wird der Bürgersteig als Radweg ausgewiesen und mir fällt auf, dass hier viele Frauen mit Kinderwagen sind.

                                                                                                    Der Radweg führt nun durch eine Grünanlage.





                                                                                                    Mühsam reime ich mir die Wegführung zusammen. Ein Park. Kaum komme ich durch die Absperrung. Eine Frau trägt schwer an ihren Einkaufstaschen.





                                                                                                    Und dann ist das Schild weg. Ich bin an einer größeren Straße und der Karte in meinem Fotoapparat nach zu urteilen, geht es links. Etwas später stehe ich an einer vielbefahrenen Kreuzung und weiß jetzt nicht mehr weiter. Später werde ich rekonstruieren, dass ich jetzt geradeaus müsste und dann auf Nebenstraßen rechts, aber da ich nicht genau sehen kann, wo ich mich jetzt befinde, verliere ich die Nerven. Die Hauptstraße hat einen Radweg und führt direkt ins Zentrum. Los geht es. Keine Lust, jetzt noch stundenlang irgendwelche Schilder zu suchen.





                                                                                                    An der nächsten großen Kreuzung treffen sich zwei Hauptstraßen und nun weiß ich wieder, wo ich bin. Ich könnte zurückfahren und meinen Weg korrigieren, aber ich mag nicht. Augen zu und durch. Der Verkehr dröhnt in meinen Ohren. Obwohl ich eine Radspur habe (es ist eine kombinierte Bus- und Radspur), empfinden mich die Autos als lästigen als Fremdkörper. Aber das ist mir ziemlich egal. Weg hier. So schnell es geht.
                                                                                                    Irgendwo hier parallel muss der Radweg sein. Vermutlich führt er durch Grünanlage.





                                                                                                    Der Bahnhof kommt in Sicht und kurz darauf finde ich die Schilder wieder. Der Vollständigkeit halber fahre ich in die historische Innenstadt. Auch hier ist viel Verkehr und vor allem sind die Leute äußerst hektisch. Bin ich sonst auch so? Auf dem Land hat es mir besser gefallen. Dass ich nun dringend auf eine Toilette muss, macht die Sache nicht besser. Auf dem Platz gibt es eine, aber mein Fahrrad möchte ich hier nicht unbewacht stehen lassen.





                                                                                                    Ach. Warum nicht gleich so?





                                                                                                    Genau an dieser Ecke ist die Tourist Information, aber da Yorkshire am Humber zu Ende ist, brauche ich auch keine Karten von Yorkshire mehr. So radele ich weiter.








                                                                                                    Es geht nun durch heruntergekommene Stadtteile, die man nicht kennen muss, und ich fahre so schnell es geht. Junge Männer stehen auf der Straße und machen sich wichtig, viele haben MIgrationshintergrund. Anscheinend gibt es in der Gegend nicht genügend Jobs mehr. Ein Brunnen mitten auf der Straße. Der totale Anachronismus. Vielleicht waren das hier ja früher mal wohlhabendere Stadtteile.





                                                                                                    Ronaldo wird sich beim nächsten Bild daran stören, dass ich das Gesicht unkenntlich gemacht habe. Tatsächlich ist das schade. Die Frau könnte in einem Hitchcockfilm mitspielen. Ich denke an Frenzy. Sie wäre genau der Typ dazu.





                                                                                                    Eine Kirche kommt in Sicht und wieder ist Vogelkonzert. Ein unglaublicher Kontrast zu der deprimierenden Gegend.





                                                                                                    Fasziniert schaue ich auf das Kommen und Gehen.











                                                                                                    In Sunderland bei Seaham hatten wir uns auf dem Campingplatz darüber unterhalten, dass der Zwischenraum zwischen den Häusern in den verschiedenen Regionen Englands mit völlig unterschiedlichen Worten bezeichnet wird – so wie es in Deutschland viele verschiedene Begriffe für Brötchen gibt. Diesen Zwischenraum würde ich Müllhalde nennen.





                                                                                                    Ein Gebäude in einem ähnlichen Baustil. Wieder die Vögel auf dem Dach. Vielleicht eine Schule.





                                                                                                    Eine erste Brücke erscheint, aber es ist noch nicht die Humber Bridge. Kurz weiß ich nicht, wie ich fahren soll. Eine Radfahrerin überholt mich und schlängelt sich elegant durch den Straßenverkehr. Wie viele nichtmotorisierte Engländer überquert sie bei Rot die Ampel. Das mache ich nicht, weil ich die Zyklen der Autos nicht kenne und immer noch in die falsche Richtung schaue. Immerhin sehe ich, wo sie fährt und werde sie später einholen. An der rechten Straßenseite befindet sich ein gut besuchter Lidl.








                                                                                                    Es geht eine recht enge Straße entlang und der Verkehr ist nicht angenehm. Ein Schild berichtet von der Sperrung eines Radweges, und ich weiß nicht, was ich davon zu halten habe und rufe einen Radfahrer auf der Gegenspur an. Er hält und kommt zu mir rüber. Das wäre nicht nötig gewesen, aber er hört schlecht. Ein Autofahrer hupt völlig entnervt. Wir sollen die Straße frei machen. Der sollte mal ein bisschen radfahren, dann wir er ruhiger. Wir grinsen beide.
                                                                                                    Die Sperrung ist für mich nicht relevant, sie betrifft den Radweg Hull – Hornsea. Für mich geht es weiter geradeaus. Ein Blick zurück an die Kreuzung, an der ich vorhin gestanden habe. Ich ziehe es nun vor, auf dem Bürgersteig zu fahren.





                                                                                                    Es geht nun an vielen, von außen heruntergekommen wirkenden Geschäften vorbei. International Food. Heron Supermarkt. Fast mache ich ein Bild für Heron. Der Verkehr dröhnt. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es sich hier auf den anderen Straßen Fahrrad fährt. Das hier sind ja die fahrradfreundlichen Wege.

                                                                                                    Als ich an einen Dorfkern komme, bin ich sehr erleichtert. Ich bin jetzt in Hessle.








                                                                                                    Durch ruhige Wohngebiet geht es in Richtung Bahnhof. Das rote Zeichen oben ist das Zeichen für die englischen Bahnstationen.





                                                                                                    Das Bahnhofsgebäude scheint geschlossen zu sein. Die Streben der Humber Bridge sind bereits zu sehen.





                                                                                                    Würde ich jetzt die Fähre nach Hoek van Holland nehmen, müsste ich links abbiegen. Aber das kommt mir gar nicht in den Sinn. Mein Ziel bleibt Harwich. Erholen kann ich mich im Winter.





                                                                                                    Ein kleiner Park schließt sich an, und ich nutze die Gelegenheit.





                                                                                                    Da geht es gleich hinüber.





                                                                                                    Ich befinde mich nun im Country Park. Es gibt riesige Flächen für Autos und Busse, im Sommer wird hier die Hölle los sein. Zwei Gartenarbeiter queren den Platz. Kurz vor der Auffahrt zur Brücke befindet sich eine Infotafel und eine Bank, und ich beschließe, etwas zu essen. Es wird ein Thunfisch Sandwich.
                                                                                                    Die Infotafel erklärt, dass hier früher eine Fähre fuhr und wie die Brücke die Fahrzeit verkürzt und die Kosten für den Autofahrer verringert hat. Die Humber Bridge wurde nach 9 jähriger Bauzeit 1981 geöffnet, die ersten Planungen über eine Brückenlösung datieren auf das Jahr 1928. Die Brücke ist insgesamt 2220 m lang (von Anker zu Anker) und ihre Spannweite beträgt 1410 m. Sie 155,5 Meter hoch und 480.000 Tonnen schwer. Inzwischen ist sie nur noch die siebtlängste Brücke der Welt, aber immer noch die längste zu Fuß überquerbare Brücke.

                                                                                                    Der Ausblick von meiner Bank aus. Die Westauffahrt ist geschlossen.





                                                                                                    Ich bin gerade fertig mit Essen, als ein Rennradler vorbeikommt. Und anhält. Er fragt mich, wo ich herkomme und wo ich hinwill und erzählt, dass er für Sustrans das Stück Cottingham-Humber Bridge überarbeitet. Ob ich Anregungen für ihn hätte.
                                                                                                    In der Tat. Ich erzähle von dem Übergang der 1 in die 66 ohne Vorwarnung, von den fehlenden Schildern in der Parkanlage, den fehlenden Schildern an der Kreuzung und von dem riesigen Umweg durch Hull. „People like me are not interested in town, we´re interested in Nature“ fasse ich meine Kritik über das elendlange Gegurke durch diese hässliche Stadt zusammen. Und er soll Sustrans ausrichten, dass Reiseradler Accomodation brauchen. Ich erzähle von meinem Erlebnis mit dem Campingplatz in Sunderland und dem Caravan Park in Beverley. Viele Reiseradler haben ein Zelt dabei und müssen sich zudem vor Ort versorgen. Darauf sollte die Streckenführung mehr Rücksicht nehmen und nicht auf Kirchen in South Dalton. Ich lobe außerdem die Beschilderung der Yorkshire Wolds als vorbindlich, und er versteht erst nicht, was ich mit Wolds meine. Anscheinend ist er die Strecke noch nie gefahren. Hätte ich ihn ein paar Tage später getroffen, hätte ich ihm noch viel, viel mehr gesagt. Aber ich habe den Eindruck, es reichte ihm auch so. :-)


                                                                                                    Es ist nun zwanzig vor eins, als ich mich an den Aufstieg zur Brücke mache. Im Gegensatz zu dem Rennradler schiebe ich mal wieder. Halb eins. Ich bin seit fast 4 Stunden unterwegs. Für eine Strecke, die Luftlinie ca. 8,5 km beträgt und mit dem Auto ca. 12 km. So komme ich nie nach Lincoln.





                                                                                                    Fahrradfahrer kommen mir entgegen und sogar einige Fußgänger. Sie haben es eilig.

                                                                                                    Als ich oben bin, spüre ich meine Höhenangst aufkeimen. Für einen längeren Moment bin ich das, was man am Berg „blockiert“ nennt. Ich kann weder vor noch zurück. Panik.
                                                                                                    Gott sei Dank kenne ich diesen Zustand schon. Ich verändere meine Wahrnehmung und setze die Brücke auf das Wasser. Flankierend versuche ich es mit Logik: Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass die Brücke gerade in dem Moment zusammenbricht, wenn ich darüber radele ist gering und wenn es passieren sollte, wäre es eh schon zu spät. Ich beschließe, einfach nicht zur Seite zu schauen und fahre los. Mühsam arbeite ich mich zu einem Aussichtspunkt vor.

                                                                                                    Und da ich nun schon mal da bin, mache ich auch ein Foto. Mit zittrigen Händen erst. Dann geht es.





                                                                                                    In der Ferne liegt die Fähre nach Holland.





                                                                                                    Nun wird es richtig schlimm mit meiner Höhenangst, denn der Radweg über das Wasser ist schmal. Mit dem Auto wäre die Überfahrt für mich kein Problem, aber mit dem Fahrrad ist man schon ziemlich nahe am Abgrund dran.





                                                                                                    Nach kurzer Zeit habe ich mich auch daran gewöhnt. Der Radweg lässt sich wirklich gut fahren, und ich riskiere es, zu schauen, was ich fotografiere. Weiß leuchtet die Fähre nach Hoek van Holland in der Sonne.





                                                                                                    Schön sieht Hull auch von hier oben aus nicht aus.





                                                                                                    Dann bin ich auch schon in Barton upon Humber, North Lincolnshire. War da nicht etwas mit Lincolnshire? Aber mittlerweile bin ich ja ziemlich fit.
                                                                                                    Ein Radhändler befindet sich an der Straße. Eine Werkstatt gibt es auch. Unwillkürlich schaue ich zu dem Kurbelblock meines Fahrrades. Alles in Ordnung. Es hat gehalten. Und das Klackern ist auch nicht mehr da.





                                                                                                    In Barton gäbe es einen Campingplatz. Aber irgendwie gefällt es mir hier nicht, der Ort wirkt abweisend und leer. Es ist jetzt zwanzig nach eins. Ich würde einen halben Tag verlieren, wenn ich hier bleiben würde. Ich werde heute abend bestimmt eine Übernachtungsmöglichkeiten finden. Und sei es ein 5 Sterne Hotel. Ein Wohnmobil fährt mich fast über den Haufen, obwohl die Straße breit genug ist. Ein Zeichen. Hier mag ich nicht bleiben.

                                                                                                    Eine Kirche.





                                                                                                    Auf geht es in Richtung Lincoln. Der Tag kann nur besser werden.

                                                                                                    Denke ich.
                                                                                                    Zuletzt geändert von Torres; 12.10.2014, 21:34.
                                                                                                    Oha.
                                                                                                    (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                      • 31757
                                                                                                      • Privat


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                                                                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                      Lincolnshire.


                                                                                                      Die Schonfrist ist vorbei. Steil geht es aus dem Flusstal des Humber heraus bergan.





                                                                                                      Einen Moment lang überlege ich, ob ich nicht doch in Barton campieren soll, aber jetzt bin ich ja schon oben, und umdrehen tue ich nie. Mal schauen, vielleicht gibt sich das mit dem Hügeln ja. Auf der Kuppe sehe ich den Verlauf der nächsten Meter. Das gefällt mir nicht, aber ich werde das schon schaffen.





                                                                                                      Was ich noch nicht sehen kann ist, dass gleich wieder die gleichen gemeinen Hügel kommen, die ich gestern auf der Burgerbräterstrecke hatte. Nur noch viel gemeiner:

                                                                                                      a) Es geht steil den Hügel hinunter (dagegen ist eigentlich nichts zu sagen, aber man muss langsam fahren, die Straße ist schlecht oder der Belag bremst).
                                                                                                      b) Dann ist unten eine ziemlich blöde Delle (hier muss man wieder aufpassen wegen Autos, Hunden, Verkehr)
                                                                                                      c) Nun geht es bergan und man kommt mit dem Schwung halb nach oben und muss dann mühsam im ersten Gang weitertreten.
                                                                                                      d) Daraufhin gibt es wieder eine kleine Delle, die aber nicht ausreicht, um Schwung zu bekommen.
                                                                                                      e) Und jetzt erst fängt die eigentliche Steigung an.

                                                                                                      Wer zur Hölle hat diese Straßen gebaut? Und diese Höhenzüge erfunden? Ich möchte mich beschweren. Hinzu kommt, dass in der Ferne eine Autobahn verläuft. Das Gedröhne hört man meilenweit. Kann mal jemand dieses Geräusch ausstellen? Ich bin genervt.





                                                                                                      Ich quere die vielbefahrene Landstraße, die kurz darauf in die Autobahn übergeht. Auf der Brücke hoffe ich, dass dieser Abschnitt vielleicht eine Zäsur in der Landschaft ist, und es nun wieder flacher wird. Es ist halb drei. Eine Frau pflückt Brombeeren am Straßenrand.








                                                                                                      Die Hoffnung erfüllt sich nicht. Es wird schlimmer. Steil geht es hinunter und steil wieder hinauf. Erneut rase ich bergab in eine Senke hinein. Ein Auto kommt rückwärts aus einem Parkplatz heraus, und ich muss bremsen und ausweichen. Ich könnte den Kerl erwürgen. Er lächelt milde, als er kurz darauf vorbei fährt. Seine alte Mutter sitzt neben ihm.
                                                                                                      Die Autos sind laut und schnell. Der raue Belag und die Geschwindigkeit scheinen den Autolärm zu verstärken. Nach einiger Zeit begreife ich, warum sie so schnell fahren. Anders kommen sie die Hügel nicht hinauf. Einige Kleinwagen keuchen da schon merkbar. Der BMW, der gefühlt auf 120 beschleunigt, ist damit nicht gemeint.

                                                                                                      Der Straßenbelag bremst mich aus, und der nachmittags üblicherweise stärker werdende Wind frisch unangenehm auf. Immerhin scheinen sich dadurch die Wolken aufzulockern. Und der Grünstreifen ist breit.





                                                                                                      Ein Rennradler überholt mich. Ha. Ha. Ha. Es ist jetzt 15.00 Uhr.





                                                                                                      Ich bin natürlich Outdoorer: „Nur wo Du zu Fuß warst, bist Du wirklich gewesen“. Sehr schnell ist er aber auch nicht, auch für ihn ist es steil.
                                                                                                      Am liebsten würde ich mich jetzt noch einmal mit dem Rennradler an der Humber Bridge unterhalten. Bestimmt haben diese Strecke Rennfahrer ausgewählt. Träfe ich ihn noch einmal, würde ich ihm empfehlen, seine Frau loszuschicken, und sie zu bitten, die Wege mit einem klapprigen Alltagsrad und 30 kg Gepäck abzuradeln. Und dann schauen wir mal weiter.





                                                                                                      Ein Schild. Lincolnshire. Nein, ich fühle mich nicht willkommen.





                                                                                                      Vor meinen geistigen Auge taucht der Radfahrer mit dem Retrofahrrad auf, den ich auf der Fähre getroffen habe. Lincolnshire ist hilly. Er hatte Recht.

                                                                                                      Der Blick ins Navi zeigt, dass es in der Nähe keine Campingplätze gibt. Mag sein, dass es ein paar Farmen gibt, wo man zelten kann, aber das scheint nicht auf dem Weg zu sein. In Grimsby gibt es Hotels und Hotelketten. Laut meiner Karte ist der nächste Campingplatz in Market Rasen. Falls ich Glück habe. Wenn das mit dem Hügeln so weiter geht, werde ich dort niemals ankommen.

                                                                                                      Ich komme an eine Landstraße und sehe eines der offiziellen Nordseeküstenradwegarme. Also bin ich richtig. Ein Anschlussschild auf der anderen Seite der Straße sehe ich nicht. So halte ich ein paar Meter später bei zwei Männern an, die gerade ein Fahrrad in ein Auto laden. Ob sie wüssten, ob hier der Radweg lang geht. Sie wissen von nichts, zucken mit den Schultern und lächeln etwas blöde. Ich frage sie nach dem Fahrrad. Nein, das verladen sie nur. Ich frage, ob das mit den Hügeln so weiter geht. Nein, dahinten nicht. Aber überzeugend klingt das nicht.
                                                                                                      Zwei Laternen weiter sehe ich doch einen kleinen Radwegaufkleber. Also sollte das richtig sein.

                                                                                                      Ich fahre nun die Straße weiter, aber Schilder sehe ich keine mehr. Immerhin geht es auf dem Höhenzug entlang und dann wunderschön bergab. Ich genieße die Fahrt, obwohl mir klar ist, dass ich die Höhenmeter hoch muss, die ich gerade verloren habe. Aber im Moment geht es mir gut. Radfahren kann auch Spaß machen.





                                                                                                      Als ich an eine T-Kreuzung komme, ist guter Rat teuer. Keine Schilder. Langsam werde ich sauer. Laut Karte führt der Radweg irgendwo bei Great Limber vorbei, das ist aber ganz woanders. Irgendwo muss eine Abzweigung gewesen sein, die ich nicht gesehen habe. Ich entscheide mich für die Straße Richtung Grasby. Eine andere Wahl habe ich nicht. Ich fahre jetzt nicht die ganze Strecke wieder zurück.
                                                                                                      Es ist eine schmale, viel befahrene Straße und natürlich geht es bergan. Ich muss schieben. Immer wieder drücke ich mich an den Seitenrand, um die Autos vorbeizulassen, die sich am äußersten Rand halten. Wenn sich zwei Autos begegnen, passt ein Blatt Papier dazwischen. Mit Radfahrern rechnen sie nicht.
                                                                                                      Ein Bus kommt im Schneckentempo von unten angeschnauft, und ich drücke mich ins Gebüsch. Millimetersache. Dankbar grüßt der Busfahrer. Müsste er wegen mir halten, käme er vermutlich nicht mehr den Berg hoch.





                                                                                                      Und dann werde ich richtig sauer. Unterhalb dieses Hügels ist es flach. Richtig flach. Man müsste nicht über diese fiesen Hügel rüber, man könnte ihnen ausweichen. Ich zwinge mich, das Denken einzustellen. Landschaftlich ist es hier zwar schön, aber für mich ist Wegführung in diesem Moment eine gefühlt große Katastrophe. Dass man die Strecke in der Erinnerung dann als lohnende Herausforderung verbrämt, steht auf einem anderen Blatt. Da weiß man ja auch, wie es weiterging.





                                                                                                      Kurz vor Grasby zeigt ein Wegweiser die Richtung Great Limber an. Bei Great Limber muss der Radweg weiterführen. Ich biege in eine ruhige Nebenstraße ab. Lieber würde ich zwar der größeren Straße folgen, um schneller voran zu kommen, aber es ist einfach zuviel Verkehr. Die Straße nach Great Limber ist flach, und ich kann endlich mal wieder nach Herzenslust radeln. Sind es zwei Kilometer oder drei? Sie machen auf jeden Fall viel Spaß. Ein Verkehrsschild kündigt die Querstraße an. Und an dem Schild befindet sich? - das errät man nie – ein kleiner Aufkleber. Hach. Wie niedlich.





                                                                                                      Anscheinend führt die Originalstrecke über einen sehr schlammigen Pfad, nämlich diesen hier.





                                                                                                      Meine Recherche hat das mittlerweile bestätigt. Der Weg ist in der Radwegkarte mit Warnhinweisen versehen, weil er teilweise unbefahrbar ist. Aber ist das ein Grund, die Beschilderung einfach abbrechen zu lassen? Ich überlege, ob ich Sustrans einen bösen Brief schreibe. Die Wegführung ist übrigens wieder ein riesiger Umweg, es galt den Humberside Airport zu umfahren. Aber Reiseradler haben ja Zeit.

                                                                                                      Immerhin bin ich jetzt wieder auf dem richtigen Pfad und vor lauter Freude mache ich ein Landschaftsfoto.





                                                                                                      Wenn man sich wohl fühlt, sieht es hier sogar ganz nett aus.








                                                                                                      In Limber befindet sich ein Village Shop, aber ich habe keine Lust, jetzt essen zu kaufen. Wer weiß, wie lange ich noch brauche. Es ist kurz nach 16.00 Uhr. Schulkinder in Schuluniformen laufen nach Hause. Ich frage sie, ob es hier nach Swallow geht, und sie nicken. Ich bin richtig.





                                                                                                      Der Gartenteich des Ortes.





                                                                                                      Ich bin müde geworden, und die Hügel hören einfach nicht auf. Immerhin werden die Ortsnamen origineller.





                                                                                                      Eine Weggabelung erscheint und meinem Gefühl nach müsste es geradeaus gehen. Das Radwegschild führt nach links. Also biege ich links ab.





                                                                                                      Schön ist es hier. Wenn die Schieberei nicht wäre. Aber langsam bin ich zu erschöpft, um mich noch aufzuregen. Es hat ja sowieso keinen Sinn. Die Hügel werden nie wieder aufhören. Das steht fest. Es ist 17.04 Uhr. Stockholm Syndrom.








                                                                                                      Oben angekommen, sehe ich kein Radwegschild. Dafür einen der weißen Wegweiser. Noch 7 Meilen bis Grimsby. Grimsby liegt an der Küste und ist definitv die falsche Richtung. Zur Erinnerung: Ich will nach Lincoln. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass es hier rechts abgeht. Oder dass es ein paar Meter weiter einen Wegweiser gibt. Aber kann ich mir da sicher sein? Mein Navi kann mir keinen Rat geben. Der Weg unten an der Abzweigung sieht am zielführendsten aus. Apathisch oder wie in Trance wende ich mitten auf der Straße und kille beinahe einen Rennradler, der sich lautlos den Hügel hochgeschlichen hat. Er kann ausweichen und fährt lachend weiter.

                                                                                                      Also den Hügel wieder hinunter. Immerhin geht es ja bergab. Ich biege in den Weg ein, den ich vorhin schon nehmen wollte. Kurz darauf sind auch die Schilder wieder da. Vermutlich hätte ich auf der Kuppe rechts abbiegen müssen. Es ist mir egal.





                                                                                                      Mechanisch fahre oder schiebe ich weiter. Ein Automatismus setzt ein: Runterfahren, Hochfahren, Schieben. Runter, Hoch, Schieben. Runter, Hoch, Schieben. Es wird Routine. Flüssige Übergänge zwischen den Phasen. Nachzudenken tue ich schon lange nicht mehr.
                                                                                                      Die Landschaft wird immer schöner, ein wenig erinnert sie mich an das Mandelbachtal im Saarland. Da bin ich auch kein Rad gefahren, ich wusste schon warum. Leider fordert die Fortbewegung alle meine Kraft. So prägen sich nur wenige Höhenzüge in mein Gedächtnis ein.





                                                                                                      Ob es an dieser Stelle ist, oder es bereits zuvor war, weiß ich nicht mehr genau. Ich komme an einer Farm oder einer Gruppe Häuser vorbei, ein Mann unterhält sich mit zwei Mitarbeitern. Fotos mache ich keine. Aber ich grüße. Das Bild dieser Häuser ist noch in meinem Kopf. Ich habe ja lange darauf zugeschoben. Weiter.





                                                                                                      Ab und zu kommen Autos. Sie fahren grundsätzlich in der Mitte, und man muss aufpassen, dass sie einen nicht schneiden. Eilig haben sie es auch. Immerhin hört man sie.





                                                                                                      Hübsch wäre es hier, wenn ich nicht so müde wäre. Ich bin nun in der Linolnshire Wolds Outstanding Area. Das höchstgelegene Gebiet in England zwischen Yorkshire und Kent. Wie schön für mich. http://de.wikipedia.org/wiki/Lincolnshire_Wolds.





                                                                                                      Das Haus könnte mir gefallen.





                                                                                                      Die Straße führt nach Thoresway.





                                                                                                      Die Kirche sieht anders aus, als die bisherigen Kirchen.





                                                                                                      Der Ort ist menschenleer. Gibt es hier ein Bed and Breakfast? Fast bin ich versucht, an einer Farm zu fragen, ob ich hier zelten darf. Aber es würde zuviel Kraft erfordern. Weiterfahren ist einfacher.





                                                                                                      Hinter der Farm leuchtet ein Rapsfeld. Raps im September. Was für ein ungewohnter Anblick. Im Gebüsch sitzen meine getarnten Freunde. Ein Huhn fliegt in Panik hoch, als ich das Foto mache und bleibt an den Ästen hängen. Ich höre es flattern. Auch ich erschrecke mich furchtbar. Ich hoffe, es hat sich nicht verletzt.

                                                                                                      Dass es nun wieder steil bergauf geht, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Es ist 18.15 Uhr.





                                                                                                      Fahren, schieben, fahren, schieben, fahren, schieben.





                                                                                                      Auch wenn dieser Hügel besonders steil ist, so ist er landschaftlich wirklich ein Traum.





                                                                                                      Ich kann froh ein, dass die Sonne scheint. Bei Regen möchte ich hier nicht sein.





                                                                                                      Noch fünfeinhalb Meilen nach Market Rasen. Es ist zwanzig vor sieben. Hoffentlich ist einer der beiden Campingplätze in Market Rasen ein Zeltplatz. Einer sollte ein reiner Caravan Park sein. Aber in meiner Karte befindet sich ein Zeltsymbol, und es bleibt ein Rest an Hoffnung. Ein offizieller Wegweiser.








                                                                                                      Das Spiel der Wolken. Bald wird die Sonne untergehen. Langsam wird es kühl.





                                                                                                      Richtung Walesby muss ich den Radweg an der Hauptstraße nehmen.





                                                                                                      Bergstrecken sind Kurvenstrecken.





                                                                                                      Hügelig bleibt es, und ich glaube, es ist auf diesem Abschnitt, wo ich endlich das richtige Wort für die Steigungen hier in der Gegend finde: Klappbrücken.
                                                                                                      Die gut fahrbaren Hügel sind die Belohnungskurven. Fährt man den ersten Hügel hinunter, wird der nächste Hügel währender Fahrt kleiner und flacher. Mit ein wenig konsequentem Treten hat man ihn überwunden und darf zur Belohnung bergab rollen.
                                                                                                      Die gemein zu fahrenden Hügel sind die Klappbrücken. Steil türmen sie sich vor einem auf, als wären es Klappbrücken aus Holland. Fährt man den ersten Hügel hinunter, wird der nächste Hügel nicht flacher, sondern immer steiler. Je stärker man in den Talkessel hineinfährt, umso höher ragt er vor einem hoch, als hätte jemand die Brücke hochgeklappt. Angesichts dieser Wortschöpfung geht es mir gleich besser. Ein Foto von den Klappbrücken mache ich aber nicht. Es ist mir wichtiger, voran zu kommen, als mitten in der Abfahrt Fotos zu machen.

                                                                                                      Was mich zu dem nächsten Bild inspiriert, weiß ich nicht mehr.





                                                                                                      Und jetzt fällt es mir wieder ein. Wie konnte ich das vergessen. Denn ohne jegliche Vorwarnung passiert das absolut Unerwartete. Schlagartig wird es flach!





                                                                                                      Ich kann es erst gar nicht fassen. Und dann gebe ich Gas.





                                                                                                      Und nach der Strecke von eben habe ich nun richtig Kraft. Als wäre das Band gelöst worden, das mich die ganze Zeit festgehalten hat. Und ich bin schnell. Vermutlich ist noch ein wenig kaum wahrnehmbares Gefälle dabei, denn laut Navi knalle ich im 14ten Gang erst mit 30 km/h, dann mit 40 km/h und dann mit 35 km/h die Straße entlang. Ein Waldstück kommt, und es wird lausig kalt.





                                                                                                      25 km/h, 27 km/h, 26 km/h. Das ist bemme-Geschwindigkeit. Ein Wahnsinns-Gefühl, es macht einfach nur Spaß.

                                                                                                      Der Caravan Park befindet sich in diesem Waldstück, mein Navi hatte ihn angezeigt. Keine Zelte. Das hatte ich mir schon gedacht.
                                                                                                      Der Waldweg endet und die Querstraße ist stärker befahren. Ich habe wieder Gegenwind und werde langsamer. Ich pendele mich auf 19 bis 14 km/h ein. Ein Polizeiauto kommt mir entgegen. Die ersten Häuser. Market Rasen.

                                                                                                      Die Sonne geht unter und das ist mir nun doch ein Foto wert. In Wirklichkeit ist der Sonnenuntergang etwas heller.





                                                                                                      An der Kreuzung im Ort ist eine Fahrradspur. Der Radschild zeigt geradeaus. Ich passiere einen Tesco. Er ist das Ziel der meisten Autos hier und auch mehrere Fußgänger sind unterwegs. Die Hektik des abendliches Einkaufens.
                                                                                                      Laut Navi muss ich nun in eine ruhige Seitenstraße abbiegen. Ein braunes Campingschild suche ich vergebens. Gibt es den Platz nicht? Hat er geschlossen? Ich rechne mit dem Schlimmsten.
                                                                                                      Eine Wohnstraße. Neubaugebiet. Menschenleer. Eine Wohnsiedlung oder Ferienhäuser? Eine merkwürdige Gegend. Statisch. Unpersönlich. Reißbrettarchitektur. In solchen Gegenden gibt es keine Campingplätze. Ich bin falsch. Mein Navi behauptet etwas anderes. Weiter. Ich rase die Straße entlang. Es herrscht Radwegbenutzungspflicht, aber das ist mir egal.

                                                                                                      Die Häuser enden, und der Weg geht weiter. Vor mir liegt offene Landschaft. Wohnmobile sind nirgends zu sehen. Dafür sehe ich plötzlich auf der linken Seite Zelte. Viele Zelte. Mein Herz hüpft und zarte Hoffnung keimt auf. Da ist der Platz. Ich gebe Gas. Aber die Zelte liegen nicht an diesem Weg, so geheimnisvoll wie sie aufgetaucht sind, verschwinden sie in der Ferne. Habe ich schon Halluzinationen? Waren das gar keine Zelte? Ich muss mehr essen.

                                                                                                      Eine Wiese. Eine sehr große Wiese. Anscheinend ist hier ein Parkplatz. Drei Wohmobile. Keine Toilette. Gar nichts. Nur eine Wiese. Ist der Campingplatz abgebaut? Die Camper des ersten Wagens beobachten mich.

                                                                                                      In der Ferne stehen auf der linken Seite ein paar Gebäude. Eine Sportanlage. Leichtathletik vermutlich. Ein Golf Club muss hier auch sein. Ich kontrolliere noch einmal das Navi und sehe, dass ich vor dem Campingplatz stehe. Der Marker steht direkt auf der Wiese neben dem Wohnmobilplatz. Ich habe verloren. Und nun? Zu den Wohnmobilen auf die Wiese stellen? Oder weitersuchen? Vielleicht irrt das Navi ja und dahinten ist noch etwas.

                                                                                                      Ich gebe mir einen Ruck und fahre langsam weiter. Ein Campingplatz ist nirgends zu sehen. Es ist flach hier, es gibt keine Hügel, welche die Sicht versperren. Es gibt hier keinen Campingplatz. Ich sitze in der Falle. Die Sonne ist untergegangen, nur ein kleiner rosa Streifen zeigt sich noch am Horizont. Gleich wird es dunkel sein. Ich sehe mich schon durch Market Rasen irren und nach B&Bs fragen. Oder nach Lincoln radeln. Ich zwinge mich, nicht darüber nachzudenken. Noch ist nichts entschieden. Mir wird schon etwas einfallen.

                                                                                                      Ich entscheide mich, noch bis zu den Gebäuden der Sportanlage zu fahren und dann zu wenden. Vielleicht sogar zu dem Waldstück ganz hinten an der rechten Seite. Sollte hier doch noch ein Campingplatz sein, würde ich es mir nie verzeihen, falls ich nicht weit genug gefahren wäre. Ich muss es überprüfen. Das Waldstück ist die Deadline.

                                                                                                      Die Anlage kommt näher, und ich zweifle erneut. Das hat hier alles keinen Sinn. Wäre hier ein Campingplatz würde man das sehen. Es gäbe Schilder. Das ist hier alles Privatgelände. Ich begreife, dass die weitläufigen, durch Holzzäune begrenzten Wiesen auf der rechten Seite ebenfalls Parkplätze sind. Hier ist eine Rennbahn. Die Wohnmobile von vorhin stehen auf einem dieser Parkplätze. Sie campen wild. Wenn hier die Rennen stattfinden, werden die Wiesen von Autos übersät sein. Ich kann die Stimmung förmlich spüren, ich bin Galopprennfan. Normalerweise würde mich der Anblick einer Rennbahn begeistern. Aber Rennbahnen sind keine Campingplätze. Es gibt höchstens Stellplätze für Besitzer und Personal.

                                                                                                      Ich will nun drehen, aber ich hatte ja das Waldstück als Deadline gesetzt. Also fahre ich noch einmal weiter. Die ersten Gebäude. Der Vorplatz. Scheint eine hübsche, kleine Bahn zu sein. Das Hauptgebäude, hier sind die Kassen untergebracht. Dahinter beginnen hinter einem weißen Zaun Büsche und Bäume, welche die Bahn von der Straße abschirmen. Auch deses Areal ist Rennbahngelände.
                                                                                                      Ich gebe mir erneut einen Ruck. Jetzt schau ich noch, was an der Straße hinter dem Gebüsch kommt – ich vermute, es wird der Golf Club sein - und dann fahre ich zu den Wohnmobilen zurück. Eine Einfahrt. Wohnmobile hinter dem weißen Gatter. Die Besitzer, Trainer und Jockeys der Pferde. Ein unauffälliges weißes Schild vor dem Gebüsch. Zufall, dass ich wie so häufig Geschriebenem nicht widerstehen kann, obwohl ich gedanklich schon längst vorbeigefahren bin. In Millisekunden verarbeitet mein Gehirn die Information: „Welcome to Market Rasen Racecourse Caravan Park.“ Der Campingplatz.

                                                                                                      Ich bremse so hart, dass ich fast vom Fahrrad falle. Meine Beine zittern. Jetzt keinen Unfall, bitte. Das ist erfahrungsgemäß der gefährlichste Moment eines langen Tages. Gerne falle ich in dieser Situation mit dem Motorrad um. Ich halte einen Moment inne und fahre mich herunter.
                                                                                                      Ist das wirklich wahr? Ich lese das Schild noch einmal genau. Es ist wahr, ich habe mich nicht geirrt. Ein Caravan Park. Der Campingplatz existiert, und er ist offen. Es gibt sogar eine Rezeption. Wird er Zelter nehmen? Neben der Rezeption ist ein weiteres Gebäude, ein Wirtschaftsgebäude der Rennbahn. Vermutlich die Ankleideräume und die Büroräume. Könnte es dort Sanis geben? Ich versuche, mir nicht zuviel Hoffnung zu machen und schiebe mein Fahrrad zur Rezeption. Sie ist geschlossen.

                                                                                                      Ich stelle das Rad ab und gehe in Richtung Platz, um jemanden zu fragen. In dem Eckwohnwagen steht ein Mann in der Küche. Er nickt mir zu und macht ein Handzeichen. Kurz darauf kommt seine Frau mit einem Schlüssel in der Hand heraus, und ich grüße. Sie läuft in Richtung Rezeption, und ich sage furchtsam: „Bitte sagen Sie mir, dass Sie hier Platz für ein Zelt haben.“ Sie lächelt. „Wir haben hier nur sehr wenig Platz für Zelte. Aber ja, es ist noch Platz frei“. Sie öffnet die Tür der Rezeption. „Aber ich hätte sie hier auch nicht stehen lassen“, sagt sie beiläufig und macht das Licht an. Danke.

                                                                                                      Meine Hände zittern, als ich den Personalausweis zücke, ich bin völlig fertig. Jetzt nur keinen Fehler machen. Mein Portemonnaie. Wieviel es kostet, weiß ich nicht mehr, auch irgendwie so um die zehn Pfund. Aber ich hätte auch fünfzig bezahlt. Sie nimmt den Schlüssel für die Tür des Nebengebäudes und ich muss ihr folgen. Es beginnt eine persönliche Einweisung, wie die Tür zu öffnen ist. Das ist hier Bedingung. Ohne Einweisung und Lernkontrolle gibt es keinen Schlüssel. Man muss den Schlüssel nämlich ganz nach links bis zum Anschlag drehen und dann am Türknopf ziehen. Anders hätte ich sie wohl auch ohne Anweisung nicht geöffnet, denn solche Schlösser sind mir wohl vertraut. Aber vermutlich hat hier schon der eine oder andere die Tür demoliert. Ich bestehe den Test sofort.

                                                                                                      Nun darf ich mein Zelt aufbauen. Andere Camper grüßen nett. Ein freundlicher Platz. Es ist halb acht. Ich war schneller, als ich gedacht hatte. Ob ich den Platz auch im Dunkeln gefunden hätte? Ich befürchte, nein.





                                                                                                      Die Zeltwiese ist ein kleiner schmaler Streifen am Rande des Zauns. Es passen höchstens drei kleine Trekkingzelte hin. Ein Familienzelt mit langer Apsis und der Stellplatz ist voll. Hinter dem Gebüsch sieht man die Wiesen, und ich mache noch ein Foto, um ein wenig von meinen Stresslevel herunterzukommen. Es ist bereits dunkel, nur ein wenig Himmel leuchtet noch. Die Kamera hellt die Szene auf.

                                                                                                      Ich packe das Zelt aus und lege das Gestänge zurecht. Aber ich sehe nicht genug. Das erste Mal in diesem Sommer muss ich die Stirnlampe aus dem Rucksack holen.
                                                                                                      Der Rasen klebt immer noch immer am Zelt. Das macht nichts, auch hier ist frisch gemäht. Es findet nur ein Rasenaustausch statt. Ich stecke das Gestänge in die Gestängeschuhe, dann greife ich zu dem Außenzelt, um es aufzuhängen. Hinten zuerst. Der schwarze Nupsi muss an den Halter am Gestänge.

                                                                                                      Ich will ihn gerade anbringen, da kommt ein Mann aus einem der benachbarten Wohnwagen und fragt, ob er mir eine Tasse Tea anbieten kann. Ich bin laufe auf Reservestrom und bin ausschließlich auf Zeltaufbau programmiert. Es fordert viel Konzentration und Mühe, mich umzudrehen und im ersten Moment weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Ich trinke keinen Schwarztee mehr, schon gar nicht abends, denn dann kann ich nicht mehr einschlafen. Ich trinke ja auch keinen Kaffee.

                                                                                                      Dann fallen mir die passenden Worte ein und höflich lehne ich den Schwarzen Tee ab. Weil das aber unhöflich ist, frage ich, ob er vielleicht Früchtetee hätte. Ich will ihm damit zeigen, dass ich mich über das Angebot freue. Nein, hat er leider nicht. Versuch misslungen. Höflich und etwas enttäuscht macht er einen Rückzieher. Vermutlich hätten seine Frau und er sich gerne mit mir ein wenig unterhalten. Als ich daran denke, dass ich ja noch Kakaopulver mithabe, ist er bereits verschwunden. Beim nächsten Mal werde ich um heißes Wasser bitten.
                                                                                                      Andererseits bin ich jetzt auch ganz froh, meine Ruhe zu haben. Das erste Mal verstehe ich, warum Reiseradler auf Zeltplätzen oft so abweisend sind. Es gibt noch soviele Dinge zu tun. Man muss erst einmal das Pflichtenheft abhaken, bevor man sich um anderes kümmern kann.

                                                                                                      Ich drehe mich wieder zu meinem Zelt um, greife wie üblich nach dem Gestängeverbinder, wo der Nupsi eingehängt wird und drücke ihn nach unten. Und habe den Nupsi in der Hand. Die Schlaufe ist gerissen. Keine Ahnung, wie das passieren konnte, es geschah wie von selbst. Verblüfft schaue ich den Schaden an.
                                                                                                      Normalerweise würde ich mich über so etwas aufregen, aber die Hügel von Lincolnshire sind die perfekte Therapie, die Nerven zu stärken. In Sekundenschnelle verdrahten sich meine Gehirnströme neu. Ich kann förmlich spüren, wie sich die Lösung des Problems entwickelt und präsentiert. Sherlock lässt grüßen. Ist der Nupsi wichtig? Nein. Ich brauche den Nupsi nicht. Das Zelt steht auch so. Mein Mark II long hat auch keinen Nupsi, sondern an dieser Stelle einen locker eingehängten Haken.
                                                                                                      Der Nupsi kommt in die Frame Bag, damit er nicht verloren geht. Auf dem Zelt ist noch Garantie. Ich hake den grauen Plastikhaken am Gestänge fest, die Verbindung ist ungeheuer stabil und wird ausreichen. Nun den roten Clip am Gestängeende befestigen. Fertig. Die Wickelschnüre an den Seiten hochziehen. Vorne den Nupsi einhängen, den Haken, den Clip. Die Schnüre wickeln.

                                                                                                      Als ich das Zelt oben ans Gestänge wickeln will, hängt die Schnur locker herunter. Sie war am Nupsi befestigt. Das heißt, sie muss an den Gestängeverbinder gehängt werden. Ich brauche eine Schnur.
                                                                                                      In der Framebag ist Zeltschnur. Mit meinem Opinel schneide ich ein Stück ab. Ich fädele sie durch die kleine Öse an der oberen Leine und knote sie zu. Die Konstruktion sitzt perfekt. Das folgende Bild ist vom nächsten Morgen. Am nächsten Abend werde ich auch die seitlichen Schnüre durch die Zeltschnur ziehen. Damit steht das Zelt genauso gut wie vorher. Ich liebe dieses Zelt. Es ist für meine Zwecke perfekt.





                                                                                                      Die Dusche ist herrlich, nur meinen Akku kann ich hier nicht laden. Die Steckdosen sind abgedeckt worden. Im Übergang zwischen Eingangsbereich und dem Übergang zu den Wirtschaftsräumen der Rennbahnen hängt ein großes Rennpferdefoto. Es sind Galopper. Hier befindet sich eine Hindernisbahn.

                                                                                                      Ich verzehre zwei Brötchen mit dem letzten Schmelzkäse und esse ein paar Nüsse. Für weitere Aktivitäten bin ich zu müde. Als ich mich in meine Schlafsäcke rolle, bin ich auch ein bisschen stolz. Ein harter Tag, aber ich habe es geschafft.

                                                                                                      Ein bisschen flacher kann es trotzdem werden.
                                                                                                      Oha.
                                                                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                        Freak
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                                                                                                        • 11.07.2008
                                                                                                        • 12533
                                                                                                        • Privat


                                                                                                        #52
                                                                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                        Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                                                        Ein bisschen flacher kann es trotzdem werden.
                                                                                                        Komm du mir mal nach Dundee.
                                                                                                        Die Aussicht über den Tee ist dafür grandios. Der Weg nach oben will sich aber auch erkämpft werden.


                                                                                                        Und nein, die Autofahrer in UK fahren nicht nur so schnell um auch den Berg hoch zu kommen.
                                                                                                        UK'ler sonst eigentlich freundlich wandeln sich im Auto zu echt miesen Drecks***en...
                                                                                                        Schlimmer als ich hier in Süddeutschland gewohnt bin. Bedeutend schlimmer.

                                                                                                        Wenn sie aber mal aus ihrer Blechkiste rauskommen, sind es echt nette Leute.
                                                                                                        Ich erinner mich an ne Wandertour, zu deren Einstieg wir mit dem Rad gefahren sind.
                                                                                                        Als wir in nem Dörfchen mit unserern Fahrrädern dastanden und aufs Navi geguggt haben, hielt ein Autofahrer
                                                                                                        an und erklärte uns, wie wir zu fahren haben. Sah in unsere noch etwas ratlosen Gesichter und meinte nur "folgt mir".

                                                                                                        Dann ist er für ca. 10 Minuten im Schneckentempo vor uns her gefahren und hat uns zum Einstieg der Tour gebracht. (die vollkommen abseits seines Ziels war)
                                                                                                        Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                                                                                        Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                          Freak

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                                                                                                          • 16.08.2008
                                                                                                          • 31757
                                                                                                          • Privat


                                                                                                          #53
                                                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                          Komm du mir mal nach Dundee.
                                                                                                          Du willst damit sagen, dort ist es flach?

                                                                                                          Ich kenne meine Grenzen. Ich wüsste wirklich gerne, wie es den anderen Radlern in Schottland ergangen sind. Vielleicht sind es ja Bergspezialisten.


                                                                                                          ..... sind es echt nette Leute.
                                                                                                          Stimmt. Wobei meiner Wahrnehmung nach ein ziemliches Stadt-Land-Gefälle herrscht. Richtig übel fand ich den Fahrstil eher in den Städten oder zwischen den Städten. Auf dem Land waren auch sehr rücksichtsvolle Autofahrer dabei. Dass der Belag so laut ist, dafür können sie ja nichts, und vermutlich kamen sie mir nur so schnell vor, weil ich so langsam war. Bei uns (im Norden) wird weit mehr gerast....., da sind nur überall Radwege an den Landstraßen.
                                                                                                          Oha.
                                                                                                          (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                            Freak

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                                                                                                            • 16.08.2008
                                                                                                            • 31757
                                                                                                            • Privat


                                                                                                            #54
                                                                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                            Erholung.

                                                                                                            Sa, 13.09.2014
                                                                                                            Beverley- Boston, 91,5 km

                                                                                                            Am Morgen lasse ich mir Zeit. Ich frühstücke Brötchen mit Schokoladenkeks, der Keks krümelt und schmecken tut es auch nicht, aber ich möchte das gestern erworbene Stück Käse für den Notfall aufheben. Die ersten Gäste führen ihre Hunde spazieren. Erst jetzt sehe ich das gelbe AA Schild, dass den Campingplatz als 3 Sterne Platz ausweist. Es war gestern Abend nicht zu sehen.





                                                                                                            Wolken sind am Himmel, aber das hatte schon die letzten Tage nichts zu heißen. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch.





                                                                                                            Ich mache Fotos von meinem Zelt: Der schwarze Nupsi.





                                                                                                            Rasenoptik.





                                                                                                            Ich gebe den Schlüssel zurück und bekomme die Erlaubnis, mir noch die Rennbahn anschauen zu dürfen. Bilder mache ich keine. Der nächste Renntag ist noch etwas hin, die Rennen scheinen also höchstens einmal im Monat stattzufinden. Ställe sehe ich nicht, anscheinend gibt es hier also keine Trainingsstätten für Rennpferde. Es ist eine gut gepflegte, kleine Regionalbahn.
                                                                                                            Ich würde gerne fragen, ob die Bahn rentabel ist. In Deutschland sind viele Bahnen in Schwierigkeiten, weil die Wetten nicht mehr auf der Bahn, sondern international im Internet getätigt werden. Aber so wichtig ist das auch nicht. Ich entscheide mich, weiterzufahren.

                                                                                                            An der Straße blicke ich noch einmal zurück. Der Eingang für die Besitzer, und Trainer (links) und für das Stallpersonal (rechts).





                                                                                                            Daneben ist unvermittelt die Einfahrt. Das weiße Schild ganz rechts ist das Willkommen-Schild. Wenn man sich nicht auskennt und das gelbe Campingschild nicht sieht, muss man tatsächlich denken, dass der Stellplatz nur für die Aktiven vorgesehen ist.





                                                                                                            Ich folge der Straße und komme an einem alten Friedhof vorbei. Gestern ist er mir gar nicht aufgefallen. Auch dieses ist eine Kriegsgräberstätte.








                                                                                                            An einer Schule packt eine Jugendgruppe ihre Zelte ein. Es war also keine Halluzination. Ich fahre ein kurzes Stück weiter und dann denke ich nach. So nahe bin ich den Zelten aber gestern nicht gekommen. Ich fahre gerade falsch. Die sterile Siedlung. Ich hätte vor dem Friedhof abbiegen müssen. Einen Moment überlege ich, dennoch weiterzufahren, um zu schauen, ob an der Landstraße vor mir Campingschilder sind. Aber ich weiß nicht, wie stark befahren die Hauptstraße dort ist. Ich fahre lieber den Weg von gestern zurück.

                                                                                                            An der Landstraße sehe ich keine Beschilderung und fahre sicherheitshalber Richtung Kreuzung. Ich war richtig. Also wieder zurück und auf einem Radweg an der Landstraße entlang.





                                                                                                            Als ich die Straße überqueren muss, sehe ich ein Schild, das ich am liebsten auf meinen Rucksack drucken würde.





                                                                                                            Noch einmal in ganzer Pracht.





                                                                                                            Ich stelle fest, dass es viel mehr Rasen in England gibt, als ich dachte.





                                                                                                            Auf ruhiger Nebenstraße geht es weiter. Der Belag ist grobkörnig und bremst.





                                                                                                            Vögel treiben mit mir nun ein lustiges Spiel. Wenn sie mich sehen, fliegen sie aufgeregt wie kleine Torpedos davon, um sich ein paar Meter weiter niederzulassen. Kaum komme ich näher, fliegen sie erneut aufgeregt weiter. Das wiederholt sich viele Male. Sie zu fotografieren ist schwer. Wenn man genau hinschaut, sieht man kleine braune Punkte über der Hecke und vor dem Baum. Ich denke an die Graureiher bei Harlingen. Wie lange ist das her? Vor einer Woche bin ich zur Fähre nach Ijmuden gefahren. Ist das wirklich erst eine Woche her?





                                                                                                            Dann erwische ich sie doch noch.








                                                                                                            Die Landschaft ist flach und spektakuläre Aussichten fehlen. Dafür kann ich ein wenig trödeln und herumschauen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Die Sonne müht sich, unter den Wolken hervorzukommen.





                                                                                                            Welch ein Grün. Schön ist es hier.





                                                                                                            Ein Wald, Teil eines Naturreservates.





                                                                                                            Und dann stehe ich vor einem Gatter. Hier kommt man nicht durch.





                                                                                                            Verwundert fahre ich heran und stelle fest, dass es sich um den Bahnübergang Wickenby handelt. Der Stationsvorsteher telefoniert. Ich stelle mir einen älteren Herren mit Uniform und Bauch vor.





                                                                                                            Die erste Bahn kommt und dann eine zweite. Auf der anderen Seite wartet ein Lieferwagen.





                                                                                                            Kaum ist der zweite Zug durch, kommt der Vorsteher aus seinem Häuschen und entpuppt sich als durchtrainierter, sportlicher Mann. Seine Aufgabe ist es, das Gatter zu bewegen. Was für ein Job. Wenn er sich einmal in der Zeit vertut, hat er ein Problem.








                                                                                                            Schlehen.





                                                                                                            Wickenby ist ein hübscher Ort. Die Kirche.








                                                                                                            Eine Schautafel steht an der Kreuzung.





                                                                                                            Weiterhin lasse ich mir Zeit. Es wird jetzt wieder hügeliger, aber gegen gestern ist das ein Witz.





                                                                                                            Fahrradfahrer gibt es hier auffällig viele. Es ist ja flach. Die meisten fahren Rennrad. Man grüßt sich. Auch Spaziergänger sind unterwegs.





                                                                                                            Ich passiere eine größere Farm. Am Straßenrand liegt ein Igel.





                                                                                                            Eine Brücke, die über die Eisenbahn führt. Ich stelle mich in die Kurve, um ein Foto zu machen und ein Rennradfahrer kommt mir auf meiner Spur entgegen. Er klingelt und regt sich auf, als er mich sieht. Vielleicht sollte er einfach mal links fahren, ich glaube, in England herrscht Linksverkehr.








                                                                                                            Und dann bin ich auch schon in Lincoln. Auf einem separaten, bewaldeten Radweg geht es parallel zur Hauptstraße in Richtung Innenstadt.





                                                                                                            Der Belag ist diskussionswürdig.





                                                                                                            Oha.





                                                                                                            Die Umgebung ist nun nicht schön, denn ich fahre eine Ausfallstraße entlang. KFC und andere Fastfoodanbieter werben um die motorisierte Kundschaft. Auch ein Pizza Hut ist dabei. Pizza? Es ist zwanzig vor zwölf, und viel habe ich heute nicht gegessen. Ich schiebe mein Fahrrad durch die Eingangstür und rechne mit Ablehnung. Aber für das Personal ist das völlig in Ordnung. Es ist der Mitnahmebereich und es stehen hier sogar Stühle. Ich bestelle eine vegetarische Pizza und setze mich.





                                                                                                            Ich versuche die Bedienung dazu zu bringen, die Pizza zu rollen, da ich ja schlecht den Karton mitnehmen kann. Sie weiß nicht, was ich meine und bringt mir die Pizza dennoch im Karton. Ich solle selbst Hand anlegen. Leider ist die Pizza geschnitten und das Rollen funktioniert daher nicht. Ich klappe die Teile zusammen und lege sie übereinander. Ein Teil werde ich jetzt essen, die anderen später. Die Frau versteht und gibt mir Butterbrotpapier zum Einwickeln und eine Tüte. Sehr gut.

                                                                                                            Ich esse das Stück Pizza, während ich in die Stadt hineinrolle. Es gibt hier ein Schloss und einen Moment überlege ich, den Schildern zu folgen. Aber mit dem Gepäck auf dem Fahrrad werde ich es nicht besichtigen können. Das ist schade, denn dort befindet sich eines der vier Exemplare der Magna Charta. Es wurde 1068 unter William the Conquerer erbaut. Auch die Kathedrale muss sehenswert sein, ihr Bau wurde vier Jahre später begonnen.





                                                                                                            Ich finde den Weg aus dem Ort auf Anhieb. Die Beschilderung ist gut. An einer Stelle geht es so steil hinunter, dass ich wieder Höhenangst bekomme. Aber meine Bremsen halten.

                                                                                                            Es geht über eine Brücke, die über den Fluss Witham führt, und ich erinnere mich. Der Rennfahrer, der mir in seinem Haus die Karte gezeigt hatte, hatte mir erzählt, dass es einen Flussradweg von Lincoln nach Boston gibt. Hier muss das sein. Ich freue mich.





                                                                                                            Ein paar Bänke stehen am Fluss, und ich beschließe, dort meine Pizza aufzuessen. Die Idee hatten auch andere, Pizzakartons und anderer Müll sind davon Zeugen. Traurig, dass es so viele Menschen gibt, die nicht in der Lage sind, Papierkörbe zu benutzen. Ein paar Ruderer erhalten eine erste Einführung. Ich denke an Waldhexes Spruch: Kanu fahren heißt: Schau mal, da ist eine Gaststätte. Rudern heißt: Schau mal, da wäre eine Gaststätte gewesen. Ich kann kaum fassen, wie es die Ruderer schaffen, auf so einem kleinen Fluss rückwärts zu fahren. Mich würde das wahnsinnig machen, nicht zu wissen, ob jemand hinter einem ist. Schon Rückschwimmen nervt mich kollossal.











                                                                                                            Und mit diesem Schild geht es los.


                                                                                                            Zuletzt geändert von Torres; 14.10.2014, 08:21.
                                                                                                            Oha.
                                                                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                              Liebt das Forum
                                                                                                              • 16.08.2008
                                                                                                              • 31757
                                                                                                              • Privat


                                                                                                              #55
                                                                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                              Holland.

                                                                                                              Oder: Am Fluss entlang.


                                                                                                              Ich befinde mich nun auf dem Water Rail Way, einer ehemaligen Eisenbahnstrecke, die am Fluss Witham entlang führt und weitgehend autofrei ist. Die Eisenbahnstrecke wurde 1848 eröffnet und diente dazu, Maschinenfabriken mit schweren Gütern zu versorgen. Die Strecke von Lincoln nach Boston beträgt 31 Meilen. Hinweistafeln erläutern die Geschichte.








                                                                                                              Auch in England gibt es Regeln. Und nicht zu knapp.





                                                                                                              Besonders interessant ist dieses Schild. Es zeigt, wie stark die Eigentumsrechte in England sind. Es gibt kein öffentliches Recht, dieses Weg benutzen zu dürfen und das Wegerecht kann auch wieder entzogen werden.





                                                                                                              Der Weg ist gut besucht, aber es gibt auch einsame Abschnitte. So spektakulär wie der Cinder Track ist er natürlich nicht. Steilküsten und Cliffs sind etwas völlig anderes, als ein Deich an einem Fluss. Aber man kann hier wieder einmal nach Herzenslust radfahren. Auch wenn mir zweifellos noch der gestrige Tag in den Knochen steckt. Der Wind kommt von der Seite, ist aber stark genug, um bei Flusswindungen lästig zu sein.





                                                                                                              1916 hatte ein Zeppelin Bomben auf diesen Ort abgeworfen. Die Schaulustigen kamen in Scharen, um sich das Ereignis anzusehen. Die überfüllte Fähre kippte um, und ein 27 jähriger und ein 7 Jähriger ertranken.





                                                                                                              Sicherheitskleidung.





                                                                                                              In Abständen finden sich am Wegesrand Kunstinstallationen oder historische Bezüge. Die Scheibe ist ein Hinweis auf das Bronzezeitalter.








                                                                                                              Flachland.














                                                                                                              Ein Schild erläutert, dass Lincoln und Umgebung im Zweiten Weltkrieg „Bomber Country“ genannt wurde. Hier war ein Großteil der britischen Flugzeugflotte stationiert. In der Ferne die Kathedrale.








                                                                                                              Tiere.








                                                                                                              Verlockung.





                                                                                                              Verführung.





                                                                                                              Bardney Lock. Die Schleuse wurde 34 Jahre von Mrs. Wright bedient. Sie bekam kein Gehalt, durfte aber kostenfrei hier wohnen. Als die Eisenbahn in den 40iger Jahren den Warentransport per Schiff zurückdrängte, wurde die Sportschifffahrt wichtiger. Die Wiesen an der Schleuse wurden zwischen 1940 und 60 zum Sommerziel junger Familien aus Süd Yorkshire, die hier in den Werksferien Sheffields zelteten und fischten. Nach dem Sommer bewahrte Mrs. Wright die Zelte und Kocher für das nächste Jahr auf. Man sieht, dass hier Marsch ist, und ein wenig erinnert die Landschaft an Friesland.









                                                                                                              Das Wetter ist nun richtig schön geworden, aber der Wind macht Mühe. Irgendwann musste ich ja auch mal wieder Wind bekommen. Nur flaches Gelände zu haben, wäre zu einfach.





                                                                                                              Der Radweg führt nun durch einen Ort, weil er die Seite wechseln wird. Mit Erstaunen sehe ich, dass es eine Sommer- und eine Winterroute gibt. Ich wähle die Sommerroute.





                                                                                                              Sie führt über einen Schotterweg, der mit kleinen Glasstücken versehen ist. Kein gutes Gefühl, aber meinen Reifen macht das nichts.





                                                                                                              An einem Feld geht es weiter. Feuchtigkeit hat es überzogen und es glänzt geheimnisvoll in der Sonne, doch auf dem Foto sieht man das nicht.





                                                                                                              Der Weg ist nun richtig verwunschen. Ein schöner Abschnitt hier.





                                                                                                              In Southtrey gibt es Gastronomie, aber mir ist es dort zu voll. Dafür sind mir die Rucksackhüllen ein Bild wert, sie sind von Vango und man sieht sie meilenweit.





                                                                                                              Dieser Kuchen ist allerdings nicht essbar.





                                                                                                              Ich radele jetzt ein bisschen schneller, denn es ist jetzt bald 14.00 Uhr. Außerdem beginne ich mich zu langweilen. Man sieht nicht viel anderes als den Radweg, den Fluss und die Felder. Erste Anflüge von Müdigkeit setzen ein.





                                                                                                              Die Müdigkeit wird stärker.








                                                                                                              Ein wenig habe ich Angst, dass mir mitten der Fahrt die Augen zufallen, und ich vom Fahrrad stürze. Ich versuche es mit einer Pause, aber das nutzt nichts. Schlafen könnte ich nicht.


                                                                                                              Bald ist die autofreie Strecke erst einmal beendet. An der Woodhall Junction geht es über eine Brücke auf die andere Seite. Einen kurzen Moment überlege ich, ob ich mir im Railway Hotel ein Zimmer nehme, denn mir fallen wirklich fast die Augen zu, als ich die Brücke hochschiebe. Ein Campingplatz wäre gut. Aber ein wenig sollte ich noch fahren, sonst stimmt die Streckenaufteilung nicht mehr.





                                                                                                              Ich bin nun auf einer Straße am Ufer des Rivers Witham. An der Seite stehen Häuser. Ein Mann mäht den Rasen. Ein Hund läuft mir hinterher.





                                                                                                              Bisher hatte ich diese Boote nur vertäut am Fluss liegen sehen. Ein Exemplar in schwarz mit gelblichen Gardinen sah aus wie ein schwimmender Leichenwagen. Andererseits ist es eine schöne Form, die bestimmt nicht im Windkanal entwickelt wurde. Als ich das Boot vor mir sehe, fahre ich ein kleines Rennen, um es einzuholen und mich wach zu halten.





                                                                                                              In diesem Moment taucht natürlich ein Campingplatz auf. Angler sitzen am Fluss und unterhalten sich. Der Ort heißt Tattershall. Einen kurzen Moment überlege ich, wie schön es jetzt wäre, mich vor meinem Zelt in die Sonne zu legen, dem Spiel des Windes zu lauschen und ein wenig zu schlafen. Ich ringe mit mir. Eine gute Idee. Urlaub machen. Und morgen weiterfahren nach Boston. Dann darf es aber keine Verzögerung durch Umwege oder Hügel geben. Hhm. In vier Tagen muss ich bereits an die Rückreise denken, und Harwich ist noch weit.

                                                                                                              Ich gehe in mich, um herauszufinden, wozu ich wirklich Lust habe. Und mir fällt ein, dass ein bisschen Fahrrad fahren gar nicht schlecht wäre. Es ist Samstag und Bewegung kann nach einer harten Arbeitswoche nicht schaden. Ich gebe Gas, um das Boot wieder einzuholen. Leider hat es gerade hinter der Tattersall Bridge angelegt.





                                                                                                              Schade.
                                                                                                              Dennoch bin ich plötzlich wieder wach und gebe Gas. So gefallen mir Flüsse.





                                                                                                              Dann verlässt der Radweg wieder den Fluss. Es beginnt eine sehr, sehr lange Landstraße, die schnurgerade die Landschaft zerteilt. 6,91 km misst mein Navi. Der äußerst frische Wind kommt natürlich von vorne.





                                                                                                              Trotzdem macht mir das Radeln wieder Spaß. Der Wind drückt zwar ganz schön, aber ich bin mental stärker geworden und mein Fahrrad ist in Ordnung. Rhythmisch arbeite ich mich im 7. Gang stetig voran.
                                                                                                              Und bin froh, dass ich weitergefahren bin. In den Morgenstunden, möglicherweise noch im Nebel, würde ich die Strecke nicht fahren mögen. Und wer weiß, ob der Wind morgen nicht noch stärker ist. Im Schnitt fahre ich nun 17 km/h. Rekorde vereitelt der Wind.

                                                                                                              Während ich vor mich hinradele, ziehe ich Parallelen zu Holland. Erinnerungen an den Anfang meiner Reise tauchen vor meinem Auge auf. Schön war es dort. Vor allem in Groningen und in Friesland.





                                                                                                              Das mit Holland ist gar nicht falsch. Ich bin wirklich in Holland.








                                                                                                              Die Gegend heißt nicht nur so, es gibt auch Entwässerungsgräben, Kanäle, Schleusen und Felder wie in Holland. Hier befindet sich die Hälfte der hochwertigsten Agrarflächen Englands. Das Land befindet sich ca. 9 bis 10 Meter über dem Meeresspiegel und wurde durch Entwässerung, Deiche und Windmühlen nutzbar gemacht.





                                                                                                              Die Straße ist wirklich sehr lang, aber dann geht es wieder auf den Flussradweg zurück. Erneut ein schöner Waldweg.





                                                                                                              Boston ist zu sehen. Der Kirchturm ist der „Boston Stump“








                                                                                                              Ich mache eine Pause und blinzele in die Sonne. Schön, sich einfach mal dem Müßiggang hingeben zu können, anstatt über Hügel zu hetzen. Die Fahrradständer gefallen mir.





                                                                                                              Und dann bin ich belustigt. Was macht denn das Segelboot hier?





                                                                                                              Die Antwort scheint zu sein: Üben. Denn er fährt immer hin und her.





                                                                                                              Wenn das nicht Holland ist.








                                                                                                              Ich bin in Boston. Der Tourismus der Stadt ist durch die Pilgerväter geprägt, die als puritanische Separatisten 1607 nach Holland auswanderten, dort aber nicht ihre Vorstellungen verwirklichen konnten. 1620 stach die Mayflower in See, auf der sich neben einer größeren anderen Separatistengruppe auch Pilgerväter aus Boston oder Pilgerväter, die in Boston inhaftiert waren, befanden. 1630 wurde Boston, USA gegründet.





                                                                                                              An der Kirche steht wieder ein zentrales Radwegschild, und ich speichere den Punkt ein. Mein Navi, das ich schon im Fenland befragt hatte, zeigt bereits seit längerem den Pilgrim´s Way Campingplatz als geeignete Übernachtungsmöglichkeit an, aber ich weiß nicht, ob das der Platz ist, den ich per Internet herausgesucht und für gut befunden hatte. Ich hatte mir nur die Adresse, aber nicht den Namen in die Karte notiert. So programmiere ich die Adresse ein und gebe Gas. Mein Navi lenkt mich an einer Landstraße entlang. Es gibt Hinweise auf ein Pilgervätermonument, aber es scheint nicht an meinem Weg zu liegen und, und extra hinfahren möchte ich nicht. Ich habe Hunger.
                                                                                                              Nachdem ich in die richtige Straße abgebogen bin, muss ich zweimal fragen, bis ich den Platz finde. Ich stelle fest, dass die Leute hier anders sprechen als bisher, und ich muss genau hinhören, um sie zu verstehen. Der Platz liegt abgeschirmt hinter meterhohen Bäumen. Es ist der Pilgrims´s Way Campingplatz. Das hätte ich einfacher und vor allem kürzer haben können.

                                                                                                              Der Platz ist auf Wanderer und Radfahrer eingerichtet, es gibt eine eigene Zeltwiese mit parkähnlicher Bepflanzung und eine Sitzgruppe, die sogar mit Steckdosen ausgestattet ist, damit die Zelter ihre Akkus aufladen können. Noch letzte Woche müssen hier viele Reiseradler gewesen sein, die den Nordseeküstenradweg gefahren sind oder den Pilgrim´s Way gelaufen sind. Sie waren aus Tschechien, Holland oder Deutschland. Inzwischen ist der Zeltplatz leer. Nur wenige Wohnmobile sind auf dem angrenzenden Areal.

                                                                                                              Das Tor zur Straße steht sperrangelweit offen. Es ist ein Nebeneingang, denn die offizielle Einfahrt ist am Wohnmobilplatz. Ich frage, ob der Platz denn sicher ist, und die Dame in der Rezeption lacht. „Wir haben vier Hunde. Auch das Haus ist immer offen.“. Einen kurzen Moment sehe ich die Schlagzeile vor mir: „Campingplatz überfallen, Bewohner ermordet“, aber vielleicht ist der Platz ja wirklich abgesichert genug. Warum mich das offene Tor stört, weiß ich nicht. Vielleicht, weil mich auf diese Weise von der Straße aus jedes vorbeifahrende Auto sehen kann. Das widerstrebt meinem Sicherheitsbedürfnis.
                                                                                                              Ich dusche erst einmal, dann esse ich den Eisbergsalat mit Thunfisch. Er nimmt seit zwei Tagen viel Platz in meiner Küchentasche ein. Ich rolle die Blätter zusammen und tunke sie in das Öl. Ein bisschen wie Chips. Lecker.





                                                                                                              Es ist dunkel geworden. Die Rezeption erstrahlt in hellem Licht. Sie befindet sich direkt am Zeltplatz, während die Wohnmobile auf der andere Seite der Sanis liegen. Jeder Gang zu den Facilities setzt eine Platzbeleuchtung in Betrieb. In der Rezeption schnurrt eine Katze, in einem umzäunten Stück sitzen Hühner. Die Büsche und Pflanzen der Zeltwiese werden von verborgenen Lichtquellen in unterschiedlichen Farben beleuchtet. Das perfekte Schlossparkfeeling. Beleuchtung ist genau das, was Zelter brauchen, um gut schlafen zu können. Auch das offene Tor ist illuminiert.





                                                                                                              Ein merkwürdiger Platz.
                                                                                                              Zuletzt geändert von Torres; 15.10.2014, 21:03.
                                                                                                              Oha.
                                                                                                              (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                • 16.08.2008
                                                                                                                • 31757
                                                                                                                • Privat


                                                                                                                #56
                                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                Marshland.

                                                                                                                So, 14.09.2014
                                                                                                                Boston – St. John´s Fen End, 88,7 km


                                                                                                                Am Morgen bin ich gut erholt und frühstücke. Das Zelt ist trocken, der Wind hat gute Arbeit geleistet. Ich trenne es dennoch, da es sich so besser verpacken lässt. Die Hühner gackern.
                                                                                                                Ich setze mich an die Sitzgruppe. Ein ungewohntes Gefühl, morgens am Tisch zu sitzen. Ich breche den Cheddar an und leere das Pestoglas, das ich seit Holland in meiner Packtasche habe. Die Geheimwaffe gegen alte Brötchen ist nun verbraucht. Die Akkus sind alle aufgeladen, auch der Akku vom Handy. Ich hatte letzteren in der Rezeption aufladen können. Vielleicht ist der Eindruck des Platzes völlig anders, wenn hier auch noch andere Zelter sind. Der Platz ist übrigens das ganze Jahr geöffnet.

                                                                                                                Um 8 Uhr schiebe ich mein Fahrrad in Richtung Tor. Mir kommt der Gedanke, dass das ganze Gelände nach vermutlich vermint ist. Lichtschranken. Überwachungskameras, die man nicht sieht. Die Engländer sind da meiner Erinnerung nach recht aufgeschlossen. Immerhin ist der Platz doch recht zivilisationsnah gelegen.

                                                                                                                Am Tor zeigt sich das übliche Bild: Wolken und ein Hauch von Sonne. Immerhin ist es hier nicht neblig.





                                                                                                                Der Campingplatz. Hinter Bäumen verborgen.





                                                                                                                Es ist Sonntag und die Straßen sind leer. Ich biege links ab. An der nächsten Kreuzung befindet sich ein geöffneter Supermarkt. Der Campingplatz liegt ziemlich zentral.





                                                                                                                Ich fahre auf Sicht nach Boston hinein und beinahe wird eine größere Straße, vermutlich eine Schnellstraße, für mich unüberwindbar, da sie für Fußgänger nur an wenigen Stellen zu überqueren ist. Noch rechtzeitig kann ich zurückfahren und die Ampel nutzen. Vor einer Woche bin ich um diese Zeit aus der Fähre gestiegen. Es kommt mir vor, als wäre es ewig her.

                                                                                                                Ich radele durch die Innenstadt. Ein Liebespaar ist unterwegs und ein Radfahrer huscht vorbei. Ein großes Kriegsdenkmal in der Fußgängerzone.





                                                                                                                Die Kränze sind für die verschiedenen Einheiten der Streitkräfte, für die alliierten Verbände, für die Krankenschwestern, Techniker und das Bodenpersonal. Und für die Veteranen.

                                                                                                                „Eine Nation, die ihre Vergangenheit vergisst und diejenigen, die ihr Leben dafür gaben, kann nicht mit Vertrauen und Geist in die Zukunft schauen.
                                                                                                                Unser Kriegsmemorial wurde errichtet, um an die tapferen Männer und Frauen zu erinnern, die Risiken eingingen und alles verloren, so dass wir in Freiheit leben können.
                                                                                                                Sie waren unsere Leute und verdienen, mit Stolz erinnert zu werden von ihrer Familie und ihrer Nation.“

                                                                                                                Lord Cope of Berkeley,
                                                                                                                Verwalter des War Memorials Trust





                                                                                                                „Wenn Ihr nach Hause fahrt, erzählt ihnen von uns und sagt: Für Eure Zukunft gaben wir unser Heute.“





                                                                                                                Anzio. Und ich weiß sogar genau, wo die Schlacht war.





                                                                                                                Ich kann mir nicht helfen, ich bin tief berührt. Und ich überlege, ob es vielleicht eine Frage des zunehmenden Alters ist, sich immer plastischer vorstellen zu können, was es bedeutet, Kinder, Brüder, Schwestern, Väter, Mütter und Freunde in einem Krieg zu verlieren. Früher habe ich solche Mahnmale nur am Rande wahrgenommen. Es hat sich in mir etwas verändert.

                                                                                                                Die Kirche.





                                                                                                                Ein Mann, der aussieht wie ein Obdachloser, kommt wichtig auf mich zu. Wohin ich wolle. Auf den Radweg nach King´s Lynn. Kennt er nicht. Er wankt weiter. Die Skulptur stellt den Journalist und Politiker Herbert Ingram dar.





                                                                                                                Ich finde das Radwegschild und fahre los.





                                                                                                                Am Pilgrim House vorbei, aber das Bild verwackelt. Blick auf den Fluss Nene.








                                                                                                                Das weißschwarze Haus im Hintergrund ist das Pilgrim House.








                                                                                                                Ich fahre zu weit und mit Hilfe des Navis und meiner eingezeichneten Route in der Karte finde ich nach einer kurzen Phase des Irrtums den richtigen Weg: Ich muss den Fluss queren. So wende ich. Schon bald sehe ich, dass das richtig war.








                                                                                                                Es ist Herbst geworden. Das erste Mal fällt es mir auf.








                                                                                                                Und weil mir der Baum so gut gefällt, fotografiere ich ihn noch einmal von hinten.





                                                                                                                Die Strecke ist sehr schön.








                                                                                                                Ich finde, die Farbwahl hat Stil.





                                                                                                                Der Turm zur Kirche.








                                                                                                                Das Wetter ist strahlend schön. Der Wind kommt wie gestern aus Osten, und da ich in Richtung Süden fahre, bremst er nur an wenigen Stellen. Das wird sich später ändern.





                                                                                                                Auch hier ist Marschland. Die Gegend hier liegt an „The Wash“, einer Bucht der Nordsee, die in Skagness beginnt und bis Hunstanton geht. Dem Verlauf dieser Bucht folgt der Radweg nun grob. Sehr grob. Einen Küstenradweg gibt es nicht.

















                                                                                                                Ich überquere den Fluss Welland und freue mich. Mein Ziel ist Hunstanton, da es dort einige Campingplätze gibt. Außerdem liegt es an der Küste. Anscheinend komme ich heute gut voran. Ich werde mich irren.








                                                                                                                Der Radweg führt unterhalb einer vielbefahrenen Landstraße entlang. Ich muss erneut an Holland denken. Aber ich bin ja auch in Holland. Dann geht es links ab.





                                                                                                                Der Wind kommt nun von vorne. Ich messe 22 km/h. Das geht noch.





                                                                                                                Ich höre hinter mir eine Landmaschine, und da der Fahrer nicht überholt, weiche ich auf den Seitenstreifen aus. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass er vorne einen überbreiten Aufsatz hat, der die ganze Straßenbreite benötigt. Er bedankt sich überschwänglich und fährt vorbei. Er arbeitet an dem Kürbisfeld.





                                                                                                                Flachland.





                                                                                                                Wind.





                                                                                                                Felder. Die Strecke gefällt mir immer noch ausnehmend gut. Die Farben sind kräftig und es gibt immer etwas zu sehen.





                                                                                                                Höfe.





                                                                                                                Ich fühle mich wie zu Hause. Die Bäume. Die Wiesen. Das Licht. Schön ist es hier. Ein Haus in der kurve heißt heißt Seaview. Da muss ich dann noch ein wenig lachen. Entweder steht das Haus dort schon seit 500 Jahren dort oder es sind Optimisten. Das Meer ist weit weg.

                                                                                                                Ich bin nun in Holbeach Saint Mark. Die Umgebung ist die Holbeck Marsh.





                                                                                                                Die Strecke zieht sich und anscheinend gehörten viele kleinere Orte zu Holbeach. Gegen 11.20 Uhr überquere ich eine Hauptstraße und interpretiere das Anschlussschild falsch. So passiere ich eine Hochschule und das Zentrum für Molekularbiologie. Eine großes Gelände, mit Radwegen ausgestattet, wenn auch menschenleer. Es ist ja Sonntag. Es dauert, bis ich merke, dass es dort nicht weiter geht und darf wieder wenden. Die Kirche.








                                                                                                                Ein Blick auf mein Navi zeigt mir, dass der Nordseeküstenradweg einen weiten Bogen gemacht hat. Und jetzt geht es auch nicht auf dem direkten Weg nach King´s Lynn, sondern erst einmal in den Süden nach Wisbech. Waren die letzten Tage in dieser Beziehung sehr angenehm, so scheint die Route jetzt wieder sehenswerte Orte abfahren zu wollen. Verständlich, da die Landschaft nicht so variantenreich ist. Dennoch: Ich verspüre Anzeichen von Unmut.


                                                                                                                Ein Cottage aus dem Jahr 1882.





                                                                                                                Gedney. Ich verfahre mich und drehe vor der Landstraße. Dann finde ich doch das richtige Schild.





                                                                                                                Manchmal gar nicht so einfach.








                                                                                                                Die Landschaft gefällt mir immer noch, aber ich wäre gerne schon viel weiter.











                                                                                                                Ich finde einen kleinen geöffneten Shop in Tydd St.Mary und kaufe ein paar Kleinigkeiten. Streichkäse, Joghurt, Milch, Brötchen. Die Angestellten schauen mich ein wenig merkwürdig an, als würde ich stören. Kaum habe ich den Laden verlassen, schließen sie. Es ist genau 13.00 Uhr. Ich setze mich in die Sonne und esse.





                                                                                                                Der Blick in die Karte zeigt, dass ich nicht dort bin, wo ich gerne um diese Zeit wäre. Ich bin jetzt bereits 5 Stunden unterwegs. Ich reduziere mein Minimalziel auf King´s Lynn. Vermutlich gibt es dort keinen Campingplatz, aber vielleicht ein B&B.
                                                                                                                Zuletzt geändert von Torres; 15.10.2014, 21:20.
                                                                                                                Oha.
                                                                                                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                Kommentar


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                                                                                                                  • 31757
                                                                                                                  • Privat


                                                                                                                  #57
                                                                                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                  Lost in Wisbech.

                                                                                                                  Die Pause hat gut getan. Nun muss ich Gas geben. Sonst schaffe ich auch mein neues Ziel nicht.





                                                                                                                  Wer meint, es gäbe nur in Deutschland Verbotsschilder, der irrt.





                                                                                                                  Erhabene Ruhe.





                                                                                                                  An Details der Strecke, die ich nun fahre, kann ich mich nicht mehr erinnern. Sie ist nicht spektakulär. Ich fahre sie, um anzukommen. In einer Seitenstraße steht ein Auto. Es sieht lange so aus, als säße ein Schäferhund am Steuer, aber tatsächlich ist es ein Mann.

                                                                                                                  Die Kirche von Leverington sieht man schon von weitem.





                                                                                                                  Zwei Schmuckstücke.





                                                                                                                  Fahren auf dem Bürgersteig.





                                                                                                                  Ich nähere mich Wisbech. Wisbech liegt in Cambridgeshire.





                                                                                                                  Der Cricket Club von Wisbech.





                                                                                                                  Die Beschilderung wird nun unzuverlässiger. Aber ich finde den Weg. Bis ich zu diesem Kreisverkehr komme. Die Schilder sind weg. Es ist 14.19 Uhr.





                                                                                                                  Ich kombiniere mir zusammen, dass ich über die Brücke muss. Das ist richtig. Das braune Gebäude im Hintergrund ist die Polizei.





                                                                                                                  Hier bin ich noch guter Laune und finde die Umgebung hübsch.








                                                                                                                  Ich finde auch das Radwegschild. 15.27 Uhr. 8 Minuten habe ich gebraucht, um es zu finden. Zuvor hatte ich überlegt, an der Tankstelle an dem Kreisverkehr zu fragen, aber es sind mir viel zu viele Leute dort. Ich möchte das Fahrrad nicht unbewacht herumstehen lassen. Und langsam bezweifle ich, dass Engländer Radwege kennen.








                                                                                                                  Frohgemut folge ich dem Schild. Nur leider ist das falsch. Ich hätte einfach weiter geradeaus fahren müssen. Steht nur nirgendwo. Kommt man auch nicht drauf, denn die Schnellstraße nach King´s Lynn ist woanders. Sie ist für Fahrräder verboten.

                                                                                                                  Ich biege nun ein und werde Richtung Innenstadt geführt. Brav warte ich an der Drückampel, welche Fußgänger und Radfahrer über die Schnellstraße nach King´s Lynn führt. Der Wegweiser führt nach rechts und immerhin komme ich der Kirche näher, aber leider nicht zu meinem Ziel. Ich bin im Kreis gefahren, denn kurz darauf stehe ich wieder an der Schnellstraße. Ich entscheide, zurück zu fahren, um die Schilder zu kontrollieren und drücke wieder die Ampel. Ich untersuche jeden Laternenmast und jeden Zaun, aber es gibt nur diese Richtungsangabe. Ich fahre zurück zum Kreisverkehr.





                                                                                                                  Nichts. Ich entscheide, es noch einmal in der Innenstadt zu versuchen und schiebe eine Abkürzung. Man kennt sich ja jetzt aus. Ich fahre unerlaubterweise durch die Innenstadt. Die Geschäfte sind geöffnet. Ein Radladen ist am Wegesrand, und ich frage. Der Verkäufer weiß es nicht. Nein, er fährt hier kein Fahrrad. Es tut ihm leid. Aha.

                                                                                                                  Ich suche die Tourist Information, sie ist nützlicherweise geschlossen. Ich finde ein Radwegschild der Nr. 1 und schöpfe Hoffnung. Ein Blick ins Navi zeigt mir, dass ich jetzt wieder auf die Strecke komme, die ich hergekommen bin. Begeisterung.

                                                                                                                  Zurück. Ich komme an eine Straße, die einen kleinen Platz umfasst. Union Place heißt sie. Ich radele einmal im Kreis herum und dann packt es mich, und ich radele noch einmal im Kreis herum. Einen Moment überlege ich, ob ich jetzt einfach nicht mehr aufhören sollte und so lange im Kreis radeln sollte, bis ich vom Fahrrad falle oder mich jemand in die Psychiatrie einweist, aber das bringt ja auch nichts. Also verlasse ich die Straße wieder und finde eine neue Radwegbeschilderung. Der Radweg hat eine andere Nummer, die 63, und nach einiger Zeit stelle ich fest, dass es auch die falsche Richtung ist. Ein Schild weist auf ein Castle hin. Keine Zeit. Es ist jetzt 14.50 Uhr.

                                                                                                                  Ich fahre wieder zurück. Den Weg kenne ich ja jetzt. Wieder über die Ampel. An der Hauptstraße fahre ich wieder zum Kreisverkehr. Ich bin fest entschlossen, jetzt zur Polizei zu gehen und zu fragen, wo die Schilder sind. Ich schiebe. Zwei Jungs mit Fahrrädern fahren mich fast über den Haufen. Die Polizei hat geschlossen. Es ist Sonntag. 15.02 Uhr.

                                                                                                                  Ich bin den Tränen nahe.

                                                                                                                  Erneut fahre ich Richtung Drückampel, um das letzte Mal die Schilder zu überprüfen. Nein. Ich bin richtig gefahren. Ich nehme das Navi und programmiere King´s Lynch ein. Es reicht. Ich habe alles getan, um der Route zu folgen. Jetzt fahre ich, wie ich will. Es ist jetzt 15.12 Uhr.

                                                                                                                  Das Navi leitet mich geradeaus. Die Autos sind rücksichtsvoll, obwohl ich auf einer vielbefahrenen Landstraße fahre. Und es ist nicht zu glauben: Nach einiger Zeit finde ich ein Schild. Ein Radwegschild. Anscheinend führt hier der Nordseeküstenradweg entlang. Na so etwas. Polnische Verhältnisse in Wisbech. Anders kann ich das nicht ausdrücken. Es geht nach links.
                                                                                                                  Fast eine Stunde bin ich hier herumgeirrt. Ich hätte die Zeit besser nutzen sollen, um Wisbech anzuschauen. Wisbech existiert bereits seit der Römerzeit und in der nicht mehr vorhandenen Burg wurde Guy Fawkes festgehalten und über den Fluss zur Hinrichtungsstätte gebracht. Der Nachbarort Spalding war lange das Zentrum des Tulpenanbaus.

                                                                                                                  Nun gebe ich Gas. Erst geht es noch durch Wohngebiete, dann Landstraße. Ich bin jetzt bereits in der Grafschaft Norfolk. Wie es dort aussieht, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass die Schilder nun sehr spärlich gesät sind. Verwöhnt von der Beschilderung in Yorkshire, muss ich mich daran gewöhnen, dass die Schilder höchstens an Abzweigungen zu finden sind und manchmal auch gar nicht. So muss ich immer wieder auf das Navi schauen, das mir die grobe Richtung anzeigt.

                                                                                                                  Als weiteres, drückendes, Problem entpuppt sich, dass ich ein ungestörtes Plätzchen suche und keines finde. Entweder man sieht mich meilenweit, es sind Häuser in der Nähe oder es ist Privatgelände. Schließlich lande ich an einer Baumgruppe, die einen Hof umfasst und lehne mein Fahrrad an eine gelbe Warnbake an. Tut mir leid, wenn ich Eigentumsrechte verletzt habe. Aber das ist ein Notfall.





                                                                                                                  Für einen kurzen Moment habe ich Begleitung.





                                                                                                                  Ich radele weiter. Eine Brücke. Geradeaus über die Schnellstraße? Oder rechts ab nach Wisbech? Vielleicht wieder ein bisschen in Wisbech im Kreis fahren? Ich merke, ich bekomme ein Tief. Ich will zurück nach Yorkshire. Zu den wunderbaren Yorkshire Wolds Schilder. Noch einmal schaue ich mich um. Und dann sehe ich eine kleine rote 1 auf dem Verkehrsschild. Ein netter Mensch hat sich meiner erbarmt. Danke schön. Vielen lieben Dank.





                                                                                                                  Es geht nach rechts.





                                                                                                                  Zu meinem Erstaunen sitzen zwei Personen auf der Leitplanke. Macht man das hier so? Warten sie auf ein Auto?





                                                                                                                  An die weitere Strecke habe ich keine Erinnerung. Felder. Das eine oder andere Haus. Flachland eben. Keine Kirchen.

                                                                                                                  Plötzlich taucht auf der rechten Seite ein Campingplatz auf. Virginia Lakes Caravan Park. Es scheint dort einen See zu geben. Ich überlege einen Moment. Noch 20 km bis King´s Lynn. Dann entschließe ich mich, die Gelegenheit zu nutzen. Bis ich in King´s Lynn bin, wird es dauern, und bis ich dort eine Unterkunft gefunden habe, noch länger. Es ist 17.00 Uhr.

                                                                                                                  Eine Frau in einem SUV parkt vor der Rezeption und winkt den Betreiber herbei, ich schätze, es ist seine Frau. Ich zahle 10 Pfund. Ich erzähle von meiner Irrfahrt durch Wisbech und er nickt: Wisbech ist grauenvoll. Ich bin überrascht und frage, ob es anderen wohl auch schon gegangen ist und er nickt. Ja, Wisbech ist dafür bekannt. Sollte ich etwa kein Einzelfall sein?

                                                                                                                  Er schickt mich auf eine riesige, frisch gemähte, leere, abschüssige Zeltwiese, die bereits im Schatten liegt. Da sei ich windgeschützter. Da der Wind aus Osten kommt, stimmt das nicht. Sehr viel Wind ist sowieso nicht. Unter einem Baum sind Strahler, die den Zeltplatz beleuchten. Auf Flutlicht habe ich heute keine Lust. Ich überlege und probiere, und dann stelle ich mich zu den Wohnmobilen auf den Hügel. Und damit in die untergehende Sonne.





                                                                                                                  Die Dusche ist heiß. Aber die Sanis sind gewöhnungsbedürftig. Schlicht und funktionell. Tankstellenniveau. Insekten. Besonders Freude macht die Lichtschaltung in der Toilette. Sobald man sich hinsetzt, geht das Licht aus und es wird stockdunkel. Klatschen nutzt nichts. Man muss aufstehen und aus der Tür treten. Dann geht das Licht wieder an. Einen Moment denke ich an die liebevoll gestalteten Sanis der Plätze in Sunderland, Hinderwell, Hunmanby oder Market Rasen. Vielleicht sind Angler eine besondere Spezies. Ich packe eine Stirnlampe in meine Jacke.
                                                                                                                  Die Steckdosen sind zugeschraubt und es sind überall Schilder, was man tun sollte und was nicht. Anscheinend kein Platz, der reich macht.





                                                                                                                  Neben meinem Zelt ist einer der Seen. Wie man dort hinkommt, kann ich leider nicht herausfinden. Ich halte die Kamera über das Gebüsch. Morgen wird das Zelt feucht sein.





                                                                                                                  Ich packe meinen Kocher aus und koche Nudeln. Die Dose mashed peas, die ich in Hinderwell erworben habe, kommt mir jetzt gerade recht. Ich koche erst die Nudeln, mache dann dann die Erbsen heißt und in der Kombination mit Ketchup schmeckt das Essen zwar nicht sensationell, aber es macht satt. Mal sehen, wie der morgige Tag wird. Ich muss auf jeden Fall Wells-next-the-Sea erreichen, sonst wird die Zeit zu knapp. In vier Tagen sollte ich in Harwich sein. Wenn das so weiter geht, muss ich mit dem Zug fahren. Hoffentlich nicht.


                                                                                                                  Zuletzt geändert von Torres; 16.10.2014, 21:04.
                                                                                                                  Oha.
                                                                                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                    • 981
                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                    <-- gespannt auf die Fortsetzung wartet
                                                                                                                    Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                                                                                                                    Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                      • 31757
                                                                                                                      • Privat


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                                                                                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                      Die Suche nach dem Meer.

                                                                                                                      Mo, 15.09.2014
                                                                                                                      St.John´s Fen – Wells-next-the-Sea, 84,6 km


                                                                                                                      In der Nacht hat es in Strömen geregnet. Als ich es bemerke, krieche ich aus dem Zelt, um meine Bikepackingtaschen ins Zelt zu holen. Ich weiß nicht, wie weit sie wasserdicht sind. Als ich die festsitzenden Klettbänder endlich abgemacht habe, bin ich völlig durchnässt. Normalerweise bin ich so clever, nur in der Unterhose hinauszugehen. Nun ist alles nass. Ich muss mich umziehen.

                                                                                                                      Am Morgen zeigt sich ein wenig die Sonne, aber es sieht weiter nach Regen aus.





                                                                                                                      So packe ich um. Die Regenhose ziehe ich an, die Überziehschuhe ebenfalls.





                                                                                                                      Kurz hinter dem Platz ist eine Kreuzung. Sorgfältig suche ich sie nach Schildern ab. Ich könnte schwören, dass es rechts abgeht, aber ich sehe nichts. Tatsächlich wäre die Abzweigung richtig gewesen. Das sehe ich aber erst zu Hause.

                                                                                                                      So fahre ich weiter.





                                                                                                                      Ein kleiner Schauer, dann wieder die Sonne. Die Luft fühlt sich seifig warm an. Als nach gefühlt einer Ewigkeit an einen Pfosten eine rote 1 genagelt ist, bin ich erleichtert.





                                                                                                                      Ich bin in der School Road und fahre auf eine Gruppe Schülerinnen und Schüler zu. In ihren weißen Hemden und schwarzer Jacke sehen sie sehr elegant aus. Sie warten auf den Schulbus.

                                                                                                                      An der nächsten Kreuzung suche ich erneut ein Radwegschild. Nichts. Also fahre ich ein Stück geradeaus, aber das kann nicht richtig sei. Ich fahre zurück zur nächsten Kreuzung und zermartere mir das Hirn, ob ich nach dem 1er Schild eine Abzweigung übersehen habe. Nein. Da war nichts. Also biege ich in die Seitenstraße Richtung ein. Ich fahre einige Zeit geradeaus und dann werde ich unsicher. Laut Navi fahre ich jetzt südlich. Tatsächlich müsste ich mich nordöstlich orientieren. Ich halte. Sollte ich eine Abzweigung übersehen haben, könnten sich die Wege am Fluss treffen. Mein Navi zeigt dort zwar keine Straßen an, aber das muss nichts heißen. Riskieren oder nicht?

                                                                                                                      Und plötzlich habe ich die Schnauze voll. Die Schnauze voll, ständig auf jeden Mast zu starren, um die Schilder zu finden. Bei jedem blauen Sackgassenschild zu hoffen, dass das blau auf einen Wegweiser hinweist. Ich programmiere King´s Lynn ein und wende. Ich biege rechts in eine ruhige Seitenstraße Richtung Tilney St. Lawrence ein. Zum Dank werde ich fast von einer alten Dame überfahren, die große Schwierigkeiten zu haben schient, ihr Auto auf der linken Seite zu halten. Sie hat kein Gefühl für die Abmessung.


                                                                                                                      Ich fahre nun nördlich und überquere die Autobahn.





                                                                                                                      Die Strecke ist zwar ein Umweg, wie ich später sehen werde, aber richtig abwechslungreich. Die Originalstrecke führt landschaftlich reizvoll an einem Kanal entlang. Meine Strecke ist urbaner. Dafür gibt es mehr zu sehen. Ein Gasthaus. Ich versuche mir vorzustellen, wie hier früher die Pferde gewechselt wurden.





                                                                                                                      Die Sonne kommt immer mal wieder heraus.





                                                                                                                      Tilney All Saints.











                                                                                                                      Bald ziehe ich die Regenhose und die Überziehschuhe aus.





                                                                                                                      Ich quere eine größere Landstraße, die nicht durch Ampel geregelt ist. Nicht leicht. Ich brauche ziemlich lange, bis ich eine Lücke finde. Dann geht es wieder in eine Landstraße hinein. Sie ist recht gut befahren, aber das Radeln ist angenehm. Strecke machen. Frei sein. Kein Zwang durch den Radweg. Was für ein erhebendes Gefühl. Es wird das letzte Mal sein, dass ich auf einer Tour konsequent einem Radweg folge. Da bin ich mir sicher. Ich bin für so etwas nicht gemacht.

                                                                                                                      Clenchwarton. Der Glaser. Erstaunlich, wie viele Dorfläden es hier gibt. Sie sind natürlich in der Nähe der Straßen.





                                                                                                                      Der Verkehr wird nun stärker. King´s Lynn ist nicht mehr weit. Der Fluss, die Ouse.





                                                                                                                      Der Ort.





                                                                                                                      Und dann sehe ich auf der rechten Seite etwas Blaues blinken.





                                                                                                                      Der Radweg hat am Fluss entlang geführt. Ein autofreier Weg. Kein Wunder, dass mein Navi ihn nicht ausweisen kann. Einen Moment bedauere ich, falsch gefahren zu sein. Aber nur kurz. Ich habe die Fahrt hierhin sehr genossen.

                                                                                                                      Ich biege auf den Radweg ein.





                                                                                                                      Sieh mal einer an. Willkommen in Norfolk.





                                                                                                                      Ganz alleine bin ich nicht.





                                                                                                                      Hoffentlich nicht wieder ein Irrgarten.





                                                                                                                      Eine Skulptur





                                                                                                                      Idylle.





                                                                                                                      Der Radweg endet bald. Jugendliche langweilen sich an einer Mauer. Wenn ich mich nicht irre, sprechen sie russisch.

                                                                                                                      Die Wegweiser lenken brechen wieder ab, aber das liegt daran, dass im Ort eine große Baustelle ist. Ich werde zunächst zur Kirche gefühlt.








                                                                                                                      Die Kamera ist wieder falsch eingestellt. Aber der Satz gefällt mir: „Lock it or lose it“. Kurz und prägnant.





                                                                                                                      Die Geschäfte sind geöffnet und die Fußgängerzone ist gut besucht. Ein Outdoorladen. Ich habe zwar bisher nicht viel gekocht, aber ich habe immer ein ungutes Gefühl, ob die Kartusche reicht, wenn das Gas hörbar schwappt. So tätige ich ein Haustürgeschäft. Ich stelle mich samt Fahrrad in den Eingang des Ladens, grüße und frage, ob der junge Verkäufer mir helfen kann. Er kommt an die Tür. Ich frage, ob er Gaskartuschen hat und mache die Handbewegung für Schraubkartuschen. Er lächelt verlegen und ist unsicher, was er tun soll, doch der Chef gibt Anweisungen, er solle im Regal die Kartuschen holen. Er kommt mit zwei Kartuschen zurück. Die eine ist richtig. Sie kostet horrende 7,90 Pfund, das sind mehr als 10 Euro. Egal. Ich nicke und gebe ihm Geld. Er läuft zurück, sein Chef bucht das Geld ein, und er kommt mit dem Wechselgeld und der Kartusche zurück. Ich bedanke mich. Haustürgeschäft, wie ich schon sagte.





                                                                                                                      In der Fußgängerzone ist ein riesiger Obststand. Wie bei uns sind es Briten mit Migrationshintergrund. Ich kaufe zwei noch recht grüne Bananen. Eine esse ich sofort. Als ich sie schäle und die Schale nicht gleich abbekomme, fragt mich ein Brite nordafrikanischer Herkunft, wieso ich keine reife Banane gekauft habe. Weniger Zucker, ist meine Antwort. Er ist verblüfft. Er arbeitet auch an dem Obststand.





                                                                                                                      An der Ecke ist ein Schnellimbisswagen. Es stehe einige gut gelaunte Männer herum und essen und trinken etwas. Der Wagen sieht etwas sehr rustikal aus, aber ich bekomme plötzlich unglaublich Hunger und bestelle eine Portion Chips. Gute Qualität, eindeutig. Die Dame hinter dem Tresen scheint die gute Seele der Innenstadt zu sein.


                                                                                                                      Es geht nun durch Parkanlagen und wieder sehe ich Eichhörnchen. Die grauen, versteht sich.











                                                                                                                      North Wotton.








                                                                                                                      Der Radweg ist nun extrem gut ausgeschildert. Perfekt sogar. Als wäre er besonders wichtig. Es geht durch Wald. Das Ziel ist Sandringham. Der Ort sagt mir etwas, aber ich weiß nicht, was.





                                                                                                                      Wenn nur dieser grauenhafte „Bremsbelag“ nicht wäre.





                                                                                                                      Es geht links ab.





                                                                                                                      Wieder etwas hügeligere Landschaft.








                                                                                                                      Interessante Häuser, wie ich finde.





                                                                                                                      Auch hier zeigt sich die gute Beschilderung.








                                                                                                                      Immer schöner wird die Strecke.








                                                                                                                      Es ist warm und feucht im Wald. Man merkt, wie er die Wärme des Sommers speichert.





                                                                                                                      Ein Zeltplatz am Weg. Leider nicht die richtige Zeit für mich. Es ist gerade erst Mittag. Schade. Wirklich schade. Es ist ein netter kleiner Platz. Gegenüber sieht man diese Häuser.






                                                                                                                      Eine alte Mauer








                                                                                                                      Und an dieser Mauer werde ich sehr sehr lange entlang fahren.








                                                                                                                      Riesige, weitläufige Seitenstreifen.





                                                                                                                      An der Kreuzung viele Menschen und anscheinend Gastronomie. Harmonisch eingefügt in die Parklandschaft. Was ist das hier. Eine Ausstellung? Eine Messe?

                                                                                                                      Und erst jetzt fällt der Groschen. Sandringham. Das Wort kam mir die ganze Zeit so bekannt vor. Sandringham House. Privatbesitz der Queen. Hier verbringt sie mit ihrer Familie Weihnachten und den Januar.

                                                                                                                      Ein Blick in den Park.





                                                                                                                      Ich stelle mich an der Kasse an. Neben der Kasse sind Fahrradständer, aber mein Gepäck möchte ich da nicht lassen.








                                                                                                                      Ich frage den älteren Herren an der Kasse, ob es hier eine Gepäckaufbewahrung gibt. Er verweist auf den Fahrradständer. Ich frage erneut und er ist empört. Für mein Gepäck wäre ich selbst zuständig. Mein Problem. Wer redet eigentlich immer von Dienstleistungswüste Deutschland?

                                                                                                                      Püh. Dann eben nicht. Ich schnappe mir mein Fahrrad und gebe Gas. Kurz darauf erhasche ich doch einen Blick auf das Gebäude. Ich muss mich etwas verrenken und ganz bis an den Zaun des Parkes gehen, aber immerhin. Ein kleiner Triumph.





                                                                                                                      Kurz darauf bin ich dann am Tor. Es ist beeindruckend. Leider steht es im Gegenlicht, so dass ich tricksen muss.









                                                                                                                      Damit ist die Königsfamilie abgehakt.


                                                                                                                      Das Meer suche ich bisher vergebens.
                                                                                                                      Zuletzt geändert von Torres; 18.10.2014, 07:32.
                                                                                                                      Oha.
                                                                                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                                        • 16.08.2008
                                                                                                                        • 31757
                                                                                                                        • Privat


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                                                                                                                        Hoffnungen und Enttäuschungen.

                                                                                                                        Es geht nun links ab, und es folgt mal wieder eine Schiebestrecke. Bisher waren die Steigungen angenehm, aber das ist mir ein wenig zu viel.





                                                                                                                        Auch hier hält man sich nicht unbedingt an Geschwindigkeitsbegrenzungen. Eigentlich gar nicht.





                                                                                                                        Das kostet vor allem Vögel das Leben. Der Boden ist voller totgefahrender, plattgewalzter, teilweise einem Teerfleck vergleichbar mit dem Asphalt verschmolzener Tiere.

                                                                                                                        Wunderschöne Bäume hier.





                                                                                                                        Hier links müsste irgendwo das Meer sein. Genauer: The Wash, denn die Küste hier liegt an der Bucht The Wash.





                                                                                                                        Eines der armen Exemplare, die ihr Leben lassen mussten.





                                                                                                                        Wo genau es ist, weiß ich nicht, ich vermute es an diesem Abschnitt: Ein Sägewerk des Prinzen of Wales. Aber es geht gerade ein wenig bergab, so dass ich lieber fahre anstatt zu fotografieren.


                                                                                                                        Dann glaube ich in der Ferne die Bucht zu sehen.





                                                                                                                        Und ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmt mich. Ich bin mir sicher, dass der Nordseeküstenradweg nun an der Küste entlang führt. Darauf habe ich lange gewartet. Ich nasche vor Freude ein paar Brombeeren.





                                                                                                                        Der Eindruck erhärtet sich.





                                                                                                                        Die Sonne scheint, es ist warm.








                                                                                                                        Ingoldisthorpe.








                                                                                                                        Snettisham. Überraschenderweise wirbt man hier um Fahrradfahrer. Das lässt auf sanften Tourismus schließen.








                                                                                                                        Dann treffe ich auf ein besonders realistisches, von Autos gemeucheltes Tier. Ich stelle das Fahrrad ab, um Fotos zu machen.





                                                                                                                        Der Wind frischt auf und hebt den Flügel hoch. Ich erschrecke mich furchtbar. Im Spiel des Windes wirkt es nun, als winke der (tote) Vogel mir zu. Gruselig. Es könnte eine Szene aus einem Film von Hitch sein. Britischer Humor.





                                                                                                                        Ein B&B. Ich hätte gedacht, dass man mehr dieser Häuser an den Straßen findet. Ich vermute allerdings, das sie eher an den Autostraßen liegen, welche der Nordseeküstenradweg zu vermeiden sucht. Ein Zielkonflikt.





                                                                                                                        Diese Hügel sehen zwar auf den ersten Blick wie Klappbrücken aus, sind aber harmlos. Bequem radele ich im 5. Gang, das letzte Stück im 3. Gang hinauf. Belohnungskurven sind das. Definitiv.





                                                                                                                        Was für ein Wetter heute. Wunderbar.





                                                                                                                        Bald werde ich Hunstanton erreichen und das Meer sehen. Ich freue mich schon.

                                                                                                                        Die Straße ist wirklich wunderhübsch, und ich bin gut gelaunt. Viel hügeliger sollte es zwar nicht werden, aber schieben muss ich nicht. Ich genieße den Anblick der Felder und Hügel aus vollen Zügen. Ein Wegweiser „Old Hunstanton“ erscheint, er ist in einer Kurve. Der Radweg knickt nach rechts ab. Einen Moment überlege ich, ob ich den Radweg verlasse soll, aber ich vermute, dass nun gleich die Abzweigung nach Hunstanton kommt. Erst der alte Teil, dann der neue. Ich nehme dann lieber die nächste.

                                                                                                                        Der Weg geht an einer Mauer entlang, und ich fühle mich ein wenig nach Frankreich versetzt. Der Ort heißt Ringstead. Ich stelle die Theorie auf, dass die Engländer gerne dorthin fahren, wo es so aussieht, wie bei ihnen zu Hause. Nur das Wetter muss besser sein.





                                                                                                                        Der Anblick der Häuser fasziniert mich. Was für eine Arbeit, diese Steine zu verarbeiten.





                                                                                                                        Der Radweg ist perfekt zu fahren. Es weht zwar ein kräftiger Wind, aber man spürt ihn kaum, weil die Böschung an der Seite Windschutz bietet. So trete ich in die Pedale.
                                                                                                                        Bis mir auffällt, dass Hunstanton nun eigentlich langsam mal kommen müsste. Und erst jetzt auf der Karte im Navi sehe, dass Hunstanton hinter Old Hunstanton liegt. Ich bin viel zu weit gefahren. Ich hätte Richtung Hunstanton abbiegen müssen. Einen Moment bin ich ratlos und überlege, umzudrehen. Aber der Zeitverlust wäre zu groß. Ich hoffe auf Wells-next-the-Sea.

                                                                                                                        Hinter diesen Hügeln müsste das Meer liegen.











                                                                                                                        Auf der anderen Seite sieht es so aus.





                                                                                                                        Irgendwo zwischen Thornham und Summerfield. Die Brombeeren sind hier reif und süß, und ich fülle meinen Vitaminspeicher auf. Das Leben kann schön sein.








                                                                                                                        Der nächste Ort ist nun Burnham Market. Der Radweg verläuft parallel zur Nordseeküste im Binnenland. Der Vorteil ist, dass die Strecke windgeschützt ist, der Nachteil ist, dass man das Meer nicht sehen kann. Aber aus Radfahrersicht ist es ein sehr schöner Weg, der sich perfekt fahren lässt. Ob ich von Autos überholt werde, weiß ich nicht mehr. Viele können es nicht gewesen sein. Ein oder zwei Radfahrer übeholen mich, sie fahren Rennrad.








                                                                                                                        Ich bin nun kurz vor Burnham Market. Das Meer.





                                                                                                                        Sehnsucht überkommt mich, und ich überlege, ob ich nicht einfach abbiegen soll und es suchen soll. Meiner Information nach führt der Nordseeküstenradweg weiter südlich unterhalb der Küste entlang und knickt dann bei Wighton Richtung Norwich ab. Der Weg über die Küste ist nicht vorgesehen. Campingmöglichkeiten scheinen ebenfalls rar zu sein. Ob Wells einen Campingplatz hat, weiß ich nicht. Aber es soll dort eine Jugendherberge geben.














                                                                                                                        Eine Querstraße kommt und in der Abzweigung steht ein Campingplatzschild. Ich bin jetzt kurz vor Burnham Market und ringe mit mir, ob ich es wagen kann, den Nordseeküstenradweg zu verlassen. Dann biege ich links ab.
                                                                                                                        Zwei Männer stehen vor einem hübschen Haus und beratschlagen sich. Ich frage, ob sie hier wohnen und der kleinere der beiden entpuppt sich als der Chef und antwortet in vornehmsten Englisch: „Teilweise“. Also der Zweitwohnsitz. Ich lächele unwillkürlich. Ich frage ihn, ob der Campingplatz an der Küste liegt. Er nickt und erklärt mir höflich den Weg. Geöffnet sollte der Platz auch sein. Ich bedanke mich. Der Mann sieht aus, als wäre er ein Londoner Architekt und würde Jaguar fahren.

                                                                                                                        Die Straße ist mal wieder zu steil für mich, und ich schiebe das letzte Stück. Sie ist etwas stärker befahren, aber ich kann auf dem Plateau dem Verkehr ausweichen. Was ich nicht weiß und auch nicht wissen kann, ist, dass ich aufgrund des Campingplatzschildes ein paar Meter zu früh abbiege. Es gibt einen Nebenarm des Nordseeküstenradwegs, der mich autofrei über Holkham Hall nach Wells gebracht hätte. Holkham Hall muss eine wunderschöne Anlage sein und ein wenig ärgert es mich nachträglich, dass ich davon nichts wusste.





                                                                                                                        Dafür habe ich kurz darauf Meerblick.





                                                                                                                        Die Autos sind nicht besonders begeistert, ein Fahrrad zu sehen, aber kurz darauf bin ich in Burnham Deepdale.





                                                                                                                        Deepdale Backpacker entpuppt sich als eine schöne Anlage, die mehr einer Gruppenunterkunft ähnelt. Sie ist für Zelte und Campingbusse geöffnet, nicht aber für Caravans und Wohnwagen. Außerdem gibt es Gruppenunterkünfte auf dem Gelände. Dennoch weiß ich, dass ich hier nicht bleiben werde. Es gibt keinen Meerblick, und ich möchte doch heute abend unbedingt ans Meer.
                                                                                                                        Ich suche die Touristeninformation im vorderen Gebäude auf und sehe, dass hier die Schraubkartuschen 2 Pfund weniger gekostet hätten. Mist. Eine Wanderkarte liegt auf dem Tresen, und ich frage den jungen Mann, ob der Radweg Nr. 1 nach Wells führt. Den gibt es hier nicht, ist die Antwort. Ich schaue auf die Karte und tippe mit dem Finger auf die deutlich sichtbare 1. Ja, sagt er ohne zu Zögern, den gibt es. Monty Python lässt grüßen.

                                                                                                                        Ich schaue mir nun die Wegführung genauer an, ziehe meine Schlüsse, und er bestätigt mir, dass der Radweg nicht über Wells führt. Sondern vorher abknickt. Schöne Strecke, aber nicht so leicht zu fahren. Ich sehe außerdem auf der Karte, dass hier eine Art Deichvorland ist. Sandstrand hat nur Wells. Und dort ist auch ein Campingplatz am Meer. Genau das, was ich gesucht habe.
                                                                                                                        Ich will jetzt keine großen Umwege mehr fahren und frage nach dem kürzesten Weg. Das ist die Küstenstraße. Ob man sie fahren kann, frage ich. Nein, busy sei sie nicht. Es gibt einige Leute, die sie mit dem Fahrrad fahren. Aber befahren ist sie schon.
                                                                                                                        Ich mache noch ein Foto vom Meer und dem Deichvorland.





                                                                                                                        Wüsste ich das, was ich heute weiß, wäre ich völlig anders gefahren. Im Nachhinein bin ich mir sogar nicht sicher, ob ich die Alternative nicht gesehen, dann aber verworfen habe, weil ich nicht einschätzen konnte, wie groß der Umweg ist und vor allem wie hügelig er ist. Ich weiß es nicht mehr. Der Punkt ist, dass ich zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß, was mich erwartet und so fahre ich einfach los.

                                                                                                                        Hier die Landstraße.





                                                                                                                        Eng und hügelig. Es sind nicht übermäßig viele Autos unterwegs, aber die, welche unterwegs sind, fahren schnell. Sie haben auch wenig Skrupel, mich zu überholen, wenn die Kurve nicht einsehbar ist. Obwohl zwei Autos nur knapp aneinander vorbeipassen. Ich schwitze Blut und Wasser. Das ist Millimetersache. Ich sehe mich schon im Straßengraben.

                                                                                                                        Ich bin froh, als ich die Straße auf einem Teilstück umgehen kann. Der Weg führt nach Burnham Market. D Nordseeküstenradwegschild sehe ich aber nicht, weil die Route etwas weiter südlicher auf einer Parallelstraße entlangführt. Wäre ich auf dieser Straße ungefähr in der Mitte Richtung Holkham Hall abgebogen, wäre ich auf den Nordseeküstenradweg zurückgekommen und hätte über autofreie Straßen Wells erreicht. Hätte.

                                                                                                                        An der Straße stehen auffällig viele Farmen, die ihre Einfahrt mit Spiegeln ausgestattet haben. Aus einer Einfahrt zu kommen, kann also sehr gefährlich sein.








                                                                                                                        Dann bin ich wieder auf der A 149. Es sind geschätzt 4 km bis Wells und es wird eine Höllenfahrt. Die Autos rasen hier richtig, und die Straße ist immer noch eng. Ich flüchte mich in jede Einfahrt, die ich finde, um die Autos vorbeizulassen. An den Steigungen gebe ich alles, bin aber ziemlich langsam und bin sehr froh, als ich zweimal ein Auto hinter mir habe, das wartet, bis ich oben bin. Ich bedanke mich per Handzeichen und lasse die Autos vorbei. Teilweise fahre ich nach Gehör, denn die Autos kommen in Wellen. Dann ist wieder eine Zeitlang Ruhe, und ich kann weiterfahren.





                                                                                                                        Es sind ungefähr 15 Minuten Fahrt und hinterher bin ich völlig fertig. Längst ist mir klar, warum der Radweg nicht an der Küste entlang führt. Der Verkehr ist wahnsinnig. Die Straße ist viel zu eng. Und die Engländer sind – sorry – lausige Autofahrer. Ein unsicherer Fahrer /in oder ein unsicherer Radfahrer/in und es ist geschehen. Auf dieser Straße kann man keine Fernroute entlang führen. Das wäre unverantwortlich.
                                                                                                                        Als mir kurz vor dem Ortsschild zwei Radfahrer – ein junger Mann und eine junge Frau - mit Einkaufstüten entgegenkommen, die ungerührt den ganzen Verkehr blockieren, mache ich große Augen. Auch eine Methode. Ich kann so etwas nicht. Und dass es ungefährlich aussieht, kann ich auch nicht behaupten. Sie können von Glück reden, wenn sie kein Autospiegel touchiert.

                                                                                                                        Als das Ortsschild kommt, bin ich erleichtert und bringe mich erst einmal in Sicherheit.





                                                                                                                        Der Campingplatz ist ausgeschildert. Als ich lese, dass es noch gut 2 km sind, stöhne ich auf. Ich kann nicht mehr.





                                                                                                                        Mit letzter Kraft biege ich an den Buden der Touristen am Kai in einen langen Weg Richtung Meer ab. Es ist kurz vor fünf. Die Strecke zieht sich. Neben mir sind die Gleise einer Schmalspureisenbahn. Der Wind kommt von vorne und das Fahren macht mir Mühe. Ich bete, dass der Platz auf hat und Zelte nimmt. Das letzte Mal ist das Meer hier noch in erreichbarer Nähe, bevor es wieder in das Binnenland geht.
                                                                                                                        Der Campingplatz kommt. Ein Holiday Park. Er scheint riesig zu sein. Mobile Homes. Ein Zeltsymbol. Gott sei Dank. Ich will schon die Einfahrt herunterfahren, da überlege ich es mir anders. Erst das Meer sehen, dann das Zelt aufbauen. Ich fahre noch ein Stück vor und schiebe das Fahrrad einen Deich hinauf. Es gibt einen Übergang zum Meer. Und dann bin ich ein wenig enttäuscht. Es herrscht Ebbe. Das Meer hat sich zurückgezogen. Nur die Priele sind zu sehen.





                                                                                                                        Blick auf Wells.





                                                                                                                        Das Vorland.





                                                                                                                        Ebbe und Flut scheinen hier extrem zu sein.





                                                                                                                        Und als ich wende, sehe ich das hier.





                                                                                                                        Wo kommt das Schild her? Es entringt mir ein Kopfschütteln. Auf der Wanderkarte war nicht zu sehen, dass der Nordseeküstenradweg nach Wells führt. Auf der Karte der website auch nicht. Weiß hier eigentlich der eine, was der andere tut? Aber immerhin: Ich bin wieder richtig.

                                                                                                                        Ich rolle hinunter zur Rezeption des Platzes. Ein Supermarkt daneben. Das ist gut. Er schließt gerade, und ich beeile mich denn ich habe kaum noch etwas zu essen. Die Frau hinter dem Tresen lächelt freundlich, und ich grüße freundlich zurück. Ich frage nach einem Platz für mein Zelt und erhalte als Antwort: Wir sind voll. Und schon wendet sie sich den nächsten Gästen zu, die hinter mir die Rezeption betreten. Ich glaube nicht richtig gehört zu haben und frage noch einmal nach. Sie schaut kurz herüber: Wir haben keinen Platz mehr, es ist heute mehr Nachfrage als sonst gewesen. Damit ist die Sache für sie erledigt.
                                                                                                                        Ich bin fassungslos. Dienstleistungswüste Deutschland? Nein. Dienstleistungswüste England. Motorisiert war mir das auch schon einmal passiert. Es wurde dann ein Parkplatz in einer englischen Kleinstadt inklusive Polizeikontrolle. Aber dass mir das mit dem Fahrrad passiert? Der Platz ist riesig. Es kann mir keiner erzählen, dass da nicht irgendwo ein Fleck für ein Zelt ist.

                                                                                                                        Das Ehepaar, das nach mir durch die Tür kam, hat vermutlich ein Mobile home reserviert. Es sind einfache Leute. Sie benehmen sich, als wäre es eine große Ehre auf diesem Platz hier Urlaub verbringen zu dürfen. Das erste Mal in der großen weiten Welt. Die Neuankömmlinge müssen erst zum Sicherheitsdienst und sich komplett einmal durchchecken lassen. Aber sicher. Wir freuen uns so. Fehlt noch, dass sie der Frau die Hand küssen.

                                                                                                                        Ich bin völlig gelähmt und weiß nicht, was ich jetzt tun soll. So bleibe ich einfach stehen. Ich frage ihre Kollegin, wie sie sich das jetzt so vorstellt. Ich wäre erschöpft und bräuchte einen Schlafplatz. Ich solle warten, sie haben eine Liste. Ich warte.

                                                                                                                        Weitere Leute werden bedient, dann mit dem Personal geredet und nach gefühlt zehn Minuten erhalte ich von der Kollegin die Liste. Es sind Campingplätze von Sandringham bis Cromer und auch ein Hotel in King´s Lynn. Deepsdale ist auch dabei, aber die Landstraße fahre ich garantiert nicht mehr zurück. Ich frage sie, ob sie das Ernst meint. Für diese Plätze brauche ich 5 Stunden mit dem Fahrrad, bis ich da bin, nach King´s Lynn einen Tag. Sie verweist auf eine Farm in Wells. Archies Camping hatte ihn mir ehrlich gesagt schon am Ortseingang auf dem Navi gezeigt, aber er liegt an der Hauptstraße. Und Farmen sind in England so eine Sache. Ist er überhaupt offen? Nach dem Erlebnis hier möchte ich sicher sein.

                                                                                                                        Ich frage, ob sie mir garantieren können, dass er offen ist und die Kollegin meint, ich solle dort anrufen. Ich lache ein ein wenig höhnisch und sagte, ich hätte kein Handy (Lüge!). Ich sehe nicht ein, ein Höllengeld für diesen Anruf zu bezahlen. Tatsächlich lässt sich die Frau herab, anzurufen, aber es geht niemand ans Telefon. Sie zuckt mit den Schulter. Ich solle einfach losfahren. Die rufen nie zurück. Ein Pluspunkt für die Farm, würde ich auch nicht machen. Ich solle keine Sorge haben, die wären nett.

                                                                                                                        Als ich die Rezeption verlasse, sind keine Kunden mehr da. Die Frau, die mich abgewiesen hat, schaut mich an, und ich sehe ihr direkt in die Augen und sage ganz langsam und würdevoll (mit bühnenreifer Betonung): „Ich habe nirgends auf der Welt einen Campingplatz getroffen, der "nein" zu einer Person mit einem Fahrrad sagt“ Und das meine ich völlig ernst. Betroffen schaut sie mich an und sie schaut immer noch betroffen, als ich kurz zu ihr hinsehe, bevor ich losfahre. Die Qualität eines Platzes erkennt man an seiner Menschlichkeit. Nicht an den vergebenen Sternen. Ich denke an Market Rasen: „Ich hätte sie nicht stehen lassen.“ Danke.

                                                                                                                        Ich fahre die Einfahrt mit den letzten Reserven hoch. Ich bin zutiefst deprimiert. Mit Plätzen auf englischen Bauernhöfen habe ich so meine Erfahrung. Man kann von Glück reden, wenn sie zumindest fließend Wasser und ein Klo haben. Teuer sind sie trotzdem. 2 Kilometer Fahrt liegen nun wieder vor mir und ich habe kaum noch Kraft. Einen Spaziergang am Meer werde ich heute Abend nicht mehr machen. Noch einmal 4 Kilometer Fahrt? Das ist zuviel. Mein Körper muss sich regenerieren. Sonst schaffe ich den Rest der Strecke nicht. Passend zu meiner Stimmung verdunkeln Wolken die Sonne.





                                                                                                                        Ich versuche, das Erlebnis abzuschütteln, aber meine Laune ist verdorben. Ich hatte mich so auf das Meer gefreut. Am Strand sitzen, bis es dunkel wird. Das Meer hören. Den Wind spüren. Nach all den Tagen durch das Binnenland, endlich an diesem Radweg, der doch ein Küstenradweg sein soll, noch einmal eine Begegnung mit dem Meer. Die werden nie begreifen, was sie mir damit angetan haben.

                                                                                                                        Für den Ort habe ich nun keinen Blick mehr. Die Touristen sind gegangen und die Promenade wirkt verlassen.





                                                                                                                        Ich folge den Radwegschildern und frage in einer Seitenstraße einen Herren um die 70 nach der Jugendherberge. Ein Bett und etwas Ablenkung wäre jetzt schön. Würde ich in der Nähe des Hafens bleiben, könnte ich das Wasser sehen. Meine Begeisterung für eine Kuhwiese hält sich in Grenzen.

                                                                                                                        Der Mann weiß es nicht, sie sind auch nur zu Besuch. Dann fragt er mich, ob ich aus Deutschland sei. „Ja.“ „Das habe ich gehört“, sagt er, „meine Frau spricht auch wie Sie“. Er wendet sich seiner Frau zu, die etwas schlechter geht als er. „Tach“, sagt sie. Sie ist aus Schleswig. „Hamburg“, grüße ich. Ach, wie sie sich freut. Sie hat vor gut 50 Jahren nach England geheiratet, aber ihre Heimat liebt sie noch immer und vermisst sie auch.

                                                                                                                        Unter anderen Umständen hätte ich mich über die Begegnung sehr gefreut, aber ich bin immer noch deprimiert. Ich verabschiede mich schnell. Ich möchte einfach weiter, etwas essen, schlafen, vergessen. Meine Ruhe haben. In der Innenstadt promenieren viele Menschen. Familien sind unterwegs. Sie sehen glücklich aus. Schön für sie. Ein kleiner Supermarkt ist an der Ecke, aber wieder einmal will ich mein Fahrrad nicht unbewacht stehen lassen. Ich hoffe, dort später einkaufen zu können, aber er wird kurz darauf schließen und der Superstore ist recht weit.
                                                                                                                        Ein Gasthof ist beleuchtet und sieht heimelig aus. Assoziationen von Wärme, Gemütlichkeit und gutem Essen kommen auf. Soll ich ein Hotel suchen und mir ein Zimmer nehmen? Ich kann mich nicht entscheiden. Internet habe ich nicht (und will ich auch nicht). Das würde die Sache erleichtern. Ich kann mir den anderen Platz ja mal anschauen.

                                                                                                                        Mein Navi lenkt mich auf den richtigen Weg, und zum Glück liegt die Farm recht ruhig, obwohl es die A149 ist, die ich gekommen bin. Die meisten Autos fahren die Parallelstraße auf der anderen Seite der Farm, die direkt in den Ort führt. Einen Moment zweifle ich, dass die Farm existiert, denn wieder einmal sehe ich mein Ziel erst, als ich davor stehe. Es ist tatsächlich eine Wiese an der Straße. Sie gehört zu einem Pferdehof. Ein paar Wohnwagen und Wohnmobile stehen herum und links vor der Scheune steht ein Dixi Klo. Ich will mich anmelden, und man zeigt mir den Weg. Ich muss über den Hof. Der Bauer kassiert über den Zaun 7 Pfund von mir. Ein paar jüngere Leute, vermutlich die Tochter und Freunde von ihr, stehen vor dem Zaun herum und unterhalten sich. Der Hof ist baulich nicht im besten Zustand. Immerhin gibt es in der Hofmitte einen Duschcontainer und die Dusche ist heiß und angenehm. Dass der Duschraum mit Teppich ausgekleidet ist, übersehe ich lieber. Es ist verboten, die Pferde zu streicheln oder zu füttern.














                                                                                                                        Ich baue mein Zelt auf und habe immerhin einen Blick auf das Deichvorland. Besser als nichts.





                                                                                                                        Die Sonne ist auch noch einmal herausgekommen.








                                                                                                                        Nebenan steht ein Kastenwagen mit Zelt. Die Frau ist in meinem Alter und fragt mich, ob ich eine Tasse Tee möchte. Ich frage ach Früchtetee und sie nickt. Sie hat Pfefferminztee. Während ich mich noch einrichte, stellt sie mir Tee hin und es ist wunderbar, etwas Heißes zu trinken. Ob ich Suppe möchte, fragt sie auch, und ich nicke. Ich gehe zu ihr herüber. Sie hat einen Windschutz aufgestellt, wo sie ihre Sachen aufbewahrt, und ich kann mich auf einen Stuhl setzen. Es ist eine Fertigsuppe, aber sie hat ein Gurkengemüse hineingeschnibbelt. Ich bin ihr so dankbar.

                                                                                                                        Wir unterhalten uns ein wenig. Gut geht es ihr nicht. Sie ist selbständig und die Aufträge scheinen auszubleiben. Es ist ihr erster Urlaub seit Jahren. Das Zelt ist der Mülleimer. Sie hat es dabei, weil die Campingplätze dann günstiger sind. Ein Auto alleine würde als Caravan eingestuft. Ein Auto mit Zelt zahlt dagegen den Zelttarif. Auf einem Platz hat sie Ärger bekommen, weil sie im Auto geschlafen hat. Der Campingplatzbetreiber wollte von ihr eine Nachzahlung. So ist sie weitergefahren. Einen kleinen Hund hat sie auch.

                                                                                                                        Ein Wanderer kommt, und er bekommt ebenfalls einen Tee. Er läuft den Norfolk Coast Path und hat ein Helium 100 dabei.





                                                                                                                        Ein weiteres Wohnmobil fährt auf den Platz. Die Besitzer beeilen sich, das Vorzelt aufzubauen. Ob sie wohl alle vom Holiday Park abgewiesen wurden? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist es hier erheblich günstiger. Die Frau war schon öfter hier. Es ist der Platz für die Insider.





                                                                                                                        Die Frau will noch duschen, und so heben wir unsere Runde auf. Es ist sehr kalt geworden, und ich lasse wie gestern meine Innenfutterjacke an, damit mir warm wird. Außerdem ist sie noch feucht vom Regen in der Nacht.
                                                                                                                        Mit diesen Erlebnissen hat der Tag doch noch ein versöhnliches Ende gefunden. Aber es ist nur ein kleiner Trost. Ich war dem Meer so nahe. Und dann bin ich doch wieder nur auf einer Wiese im Binnenland gelandet. Im Geheimen war ich seit Bridlington all die Tage nur in Richtung dieses Ziels gefahren. Zum Meer. Wells-next-the-Sea hätte ein Höhepunkt meiner Reise werden können.

                                                                                                                        Es lässt sich nicht ändern. Aber es tut weh.
                                                                                                                        Oha.
                                                                                                                        (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                                          • 981
                                                                                                                          • Privat


                                                                                                                          #61
                                                                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                          Jemand sagte mir mal, "wenn man nichts erwartet, kann man nicht enttäuscht werden".

                                                                                                                          Ich frage mich, warum man den Nordseeküstenradweg nicht einfach nur dort lang geführt hat wo wenigst das Meer nicht allzuweit weg ist, und wo es zu sehr ins Binnenland geführt hätte cut und evtl als Weiterleitung aber mit anderem Namen. In D hätte auch theoretisch die Fähre bei Glückstad Elbequerend sein können.
                                                                                                                          So finde ich es jedenfalls nicht grad Namenszutreffend wenn ich mal die Strecke überdenke.
                                                                                                                          Ja ich weiß, hat alles vor und Nachteile.
                                                                                                                          Trotzdem ein schöner Bericht
                                                                                                                          Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                                                                                                                          Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

                                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                                            • 16.08.2008
                                                                                                                            • 31757
                                                                                                                            • Privat


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                                                                                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                            Die küstenferne Wegführung ist ein Punkt, der am englischen Abschnitt immer wieder kritisiert wird. Es gibt sicherlich Gebiete, wo man schlecht an die Küste herankommt, bzw. es eben nur die vielbefahrenen Küstenstraßen gibt. Das gilt für den Bereich Bridlington - Hull - Lincoln - Boston - Hunstanton. Da gibt es auch keine durchgehenden lokalen Radwege an den Küsten. Von Wells aus könnte die Wegführung dagegen über Cromer und Great Yarmouth an der Küste entlang gehen.

                                                                                                                            Es wird daher den Kritikern empfohlen (Radforum?), ab Wells von der offiziellen Strecke abzuweichen. Für mich war das ja leider keine Option. Wenn allerdings ein Platz wie der in Wells in der Nachsaison Radfahrer ablehnt, stellt sich die Frage, wie es dann in der Hochsaison sein wird, wenn die Unterkünfte an der Küste ausgebucht sind. Da ist eine Streckenführung durch das Binnenland vermutlich empfehlenswerter.

                                                                                                                            Die Frage, die ich nicht beurteilen kann, ist, ob es so interessant ist, die Küste zu fahren. Vor allem der nächste Tag wird zeigen, dass man versucht, kulturell und landschaftlich interessante Gebiete mit einzubeziehen. Ich hadere die nächsten Tage aber massiv mit der Strecke, denn mir rennt die Zeit weg. Im Nachhinein betrachtet, hätte es auch andere (weniger Umwege machende) Routen gegeben, denen ich hätte folgen können, um zeitgerecht und bequem ans Ziel zu kommen.

                                                                                                                            Wie Du richtig sagt, gibt es das ja auch bei uns (Elbe statt Nordsee). Vermutlich wirklich der Gedanke der Abwechslung. Und der Unterkünfte für Radler ohne Zelt, die zumindest bei uns (und sicher auch in Holland) die Mehrheit stellen.
                                                                                                                            Oha.
                                                                                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                                              • 20009
                                                                                                                              • Privat


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                                                                                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                              Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                                                                              Wenn allerdings ein Platz wie der in Wells in der Nachsaison Radfahrer ablehnt, stellt sich die Frage, wie es dann in der Hochsaison sein wird, wenn die Unterkünfte an der Küste ausgebucht sind.
                                                                                                                              Dass man als einzelner Zelter auf Plätzen nicht gern gesehen war, hatte ich vor ein paar Jahren zwischen Newcastle und Aberdeen häufiger. Da war ich froh, dass ich damals mit dem Motorrad unterwegs war, dann konnte sich schnell und mühelos was anderes suchen: Als Radfahrer hätte ich mir vermutlich ein Loch ins Bein geärgert.
                                                                                                                              "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

                                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                                • 31757
                                                                                                                                • Privat


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                                                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                Du meinst, das war der Grund? Da könntest Du Recht haben. Das habe ich gar nicht bedacht. Aus Wales kannte ich die "Couples only"-Plätze auch, aber das stand dann auch draußen dran.
                                                                                                                                Oha.
                                                                                                                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                Kommentar


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                                                                                                                                  • 43828
                                                                                                                                  • Privat


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                                                                                                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                  Habt Ihr eine Idee, wieso eigentlich? So ein Einzelzelter ist doch völlig unkompliziert, benötigt wenig, geht zügig schlafen und macht i.d.R. auch keine lauten wilden Parties?

                                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                                    • 12533
                                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                                    Je kleiner der Laden desto kleiner oft der Service.
                                                                                                                                    Grund kann ich leider auch nicht nennen. Aber wenn ichs auf ne Regel bringen müsste, dann so.

                                                                                                                                    Natürlich ist der zeitliche Aufwand pro verdientem Pfund geringer, wenn ein Campingmobil mit 4 Personen anreist und für ne Woche kräftig Asche da lässt.
                                                                                                                                    Im Gegensatz dazu 20 Fahrradreisende einzeln einchecken macht schon deutlich mehr Arbeit.
                                                                                                                                    Ist aber auch ein Fall von "wegen Reichtum geschlossen".
                                                                                                                                    Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                                                                                                                    Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

                                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                                      Freak

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                                                                                                                                      • 16.08.2008
                                                                                                                                      • 31757
                                                                                                                                      • Privat


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                                                                                                                                      Ich hab´s. Die schließen den Zeltplatz am 1. September. http://www.pinewoods.co.uk/news-and-...a-for-tents-70
                                                                                                                                      Oha.
                                                                                                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                                                        • 12506
                                                                                                                                        • Privat


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                                                                                                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                        Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                                                                                                        Habt Ihr eine Idee, wieso eigentlich? So ein Einzelzelter ist doch völlig unkompliziert, benötigt wenig, geht zügig schlafen und macht i.d.R. auch keine lauten wilden Parties?
                                                                                                                                        [Naja, wenn hier eh schon OTt wird...]
                                                                                                                                        So sehr ich den Bericht hier schätze - die von Torres beschriebene englische Campingwelt und überhaupt das "Überregelte" im Lande ist mir ein Graus, gar kein Vergleich mit Ländern mit einer komplett anderen Campingtradition wie z.B. Frankreich und Italien.
                                                                                                                                        In der Konsequenz: Auch wenns da schön ist, da fahr ich bestimmt nicht hin.

                                                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                                                          Freak

                                                                                                                                          Liebt das Forum
                                                                                                                                          • 07.04.2008
                                                                                                                                          • 20009
                                                                                                                                          • Privat


                                                                                                                                          #69
                                                                                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                          Zitat von ronaldo Beitrag anzeigen
                                                                                                                                          [Naja, wenn hier eh schon OTt wird...]
                                                                                                                                          So sehr ich den Bericht hier schätze - die von Torres beschriebene englische Campingwelt und überhaupt das "Überregelte" im Lande ist mir ein Graus, gar kein Vergleich mit Ländern mit einer komplett anderen Campingtradition wie z.B. Frankreich und Italien.
                                                                                                                                          In der Konsequenz: Auch wenns da schön ist, da fahr ich bestimmt nicht hin.
                                                                                                                                          OT: Hier gibt's auch Deppenplätze und Deppen-Platzwarte. Die Plätze und Wardens bei denen ich vor ein paar Jahren mit Motorrad und später mit Fahrrad unterkam, waren in der Regel toll: Sehr freundlich, aufgeschlossen, interessiert, bei Bedarf sehr hilfsbereit bis fürsorglich, britisch-höflich, tiefenentspannt, sauber und liebevoll gepflegt, alles wunderbar. Ich würde (und werde) wieder hin fahren.

                                                                                                                                          Ich kann allerdings nur für die Gegend nördlich von Newcastle sprechen, weiter im Süden habe ich noch nicht gezeltet.
                                                                                                                                          "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

                                                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                                                            Freak

                                                                                                                                            Vorstand
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                                                                                                                                            • 43828
                                                                                                                                            • Privat


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                                                                                                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                            Die hier (aus #44)



                                                                                                                                            sind übrigens Perlhühner

                                                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                                                              Freak

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                                                                                                                                              • 31757
                                                                                                                                              • Privat


                                                                                                                                              #71
                                                                                                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                              OT:
                                                                                                                                              die von Torres beschriebene englische Campingwelt und überhaupt das "Überregelte" im Lande ist mir ein Graus, gar kein Vergleich mit Ländern mit einer komplett anderen Campingtradition wie z.B. Frankreich und Italien.
                                                                                                                                              Sorry, aber das kann man nicht generalisieren. Auch in Frankreich und Italien gibt es solche und solche (und auch in diesen Ländern nimmt Regulierung zu, warum wohl....). Im Gegenteil, gerade auf den Plätzen hier am Anfang war soviel Verständnis für Zelter zu erkennen und so viel Liebe erkennbar - ne, da schon lieber England. Da kann man sogar in Ruhe schlafen. Und Campingtradition haben die definitiv, nur halt keine mit dem Rad-Campen-Tradition (konnte ich in Italien auch nicht erkennen). In England geht man zu Fuß oder hat einen Wohnwagen/Wohnmobil. Und treibt sich auf den Clubplätzen rum - da sind Perlen dabei. Die lagen nur nicht am Weg bzw. nicht am Ziel. Alleine der Blumenduft an den Plätzen - Blumen können die Briten wirklich.

                                                                                                                                              Wenn nur das Wetter nicht wäre
                                                                                                                                              Oha.
                                                                                                                                              (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                                                Freak

                                                                                                                                                Liebt das Forum
                                                                                                                                                • 16.08.2008
                                                                                                                                                • 31757
                                                                                                                                                • Privat


                                                                                                                                                #72
                                                                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                OT: P.S. Nachtrag: Wenn Du alleine schaust, wieviele für die Öffentlichkeit gesperrte Privatstrände es in Italien gibt - das hast Du in England nicht. Da gibt es an den Küsten überall Wanderwege und egal wo Du bist, findest Du ein riesiges System public footpathes. Die Engländer sind da echt outdoor. Und zwar überall.
                                                                                                                                                Oha.
                                                                                                                                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                Kommentar


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                                                                                                                                                  Freak

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                                                                                                                                                  • 31757
                                                                                                                                                  • Privat


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                                                                                                                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                  Nicht alles ist, wie es scheint.

                                                                                                                                                  Di, 16.09.2014
                                                                                                                                                  Wells-next-the-Sea – Norwich, 88,4 km

                                                                                                                                                  In der Nacht ist gegen 1.00 Uhr noch ein Wohnmobil gekommen. Das Licht hat mich geweckt. Ich bin zwar sofort wieder eingeschlafen, habe dann aber schlecht geträumt. Mit einem eiskalten Gefühl im Herzen wache ich auf. Es ist 5.00 Uhr.
                                                                                                                                                  Ich beginne zu packen, um noch einmal ans Meer fahren zu können. Wenn ich früh genug loskomme, ist der Umweg akzeptabel. Als ich die Zelttür öffne, empfängt mich feuchte Kälte und eine erneute Desillusion. Nebel. Ich rolle mich wieder in den Schlafsack ein und träume noch ein wenig vor mich hin.





                                                                                                                                                  Kurz nach sieben bin ich startbereit. Ein Mann kommt herüber. Er müsse nun doch einmal nach meinem Fahrrad fragen. Er gehört zum Fahrzeug gegenüber. Minutenlang hatten seine Frau und er versucht, die überdimensionierten Matratzen ins Auto zu bekommen. Sie haben Fahrräder dabei. Interessiert betrachtet er meine Schaltung. Er hat so etwas noch nie gesehen. Er würde auch gerne einmal mit dem Fahrrad unterwegs sein, aber wäre ja schon 66 Jahre alt. Ich erkläre ihm die Schaltung und ermutige ihn, es einfach auszuprobieren. Es muss ja nicht gleich Lincolnshire sein. Er lächelt das Lächeln von jemandem, der sich in diesem Moment fest etwas vornimmt und sich gleichzeitig über seinen Mut wundert, dass er überhaupt darüber nachdenkt.

                                                                                                                                                  Eine Frau kümmert sich um ihr Pferd. Es steht an den Stallungen am Ende der Zeltwiese. Sie grüßt mich freundlich. Der Platz scheint netter zu sein, als ich gestern dachte. Aber ich kann nicht bleiben. Heute abend sollte ich Norwich erreichen. Morgen Ipswich. Und Donnerstag Harwich. Mir rennt die Zeit davon. Mindestens zwei Tage muss ich für die Rückreise einplanen, denn ich muss damit rechnen, nicht gleich eine Fähre nehmen zu können.

                                                                                                                                                  Ich fülle noch einmal meine Wasservorräte auf.





                                                                                                                                                  Als ich zurückkomme, ist auch der Wanderer aufgestanden. Die Frau von gestern guckt aus ihrem Auto. Ich verabschiede mich. Sie nickt, lächelt und schaut dann nach unten. Ihr geht es nicht gut. Ich weiß.


                                                                                                                                                  Zwanzig vor acht bin ich im Ort.








                                                                                                                                                  Ob der Supermarkt noch geschlossen war oder mir nicht der Sinn nach Einkaufen stand, weiß ich nicht mehr. Ich fahre an einem Park vorbei. Eine Frau sitzt auf einer Bank. Das Gasthaus von gestern liegt trostlos im Nebel. Der Zauber von gestern ist vorbei. Eine Kirche.





                                                                                                                                                  Dann bin ich auch schon aus dem Ort hinaus. Der Radweg führt jetzt auf einen Schotterweg.








                                                                                                                                                  Auffällig viele Blätter liegen am Rand. Der Herbst kommt näher. Der Weg ist schwer zu fahren. Dicke Steine lassen das Fahrrad rutschen. Ich habe große Probleme mit der Motorik und merke, dass ich dringend etwas essen muss. So lasse ich mich an einer Weggabelung nieder. Ich habe noch eine Dose Thunfisch und ein paar Brötchen. Nach der Mahlzeit geht es mir besser. An der Stelle kreuzt der Norfolk Coast Path den Nordseeküstenradweg.








                                                                                                                                                  Die Luft ist so feucht, dass ich das Gefühl habe, es würde regnen. Aber es ist kein Regen. Es ist Nebel.





                                                                                                                                                  Der Weg ist schwer zu fahren. Ich bin froh, dass ich die richtigen Reifen auf meinem Fahrrad habe. Und wieder einmal frage ich mich, wer diesen Weg ausgesucht hat. Im Geiste formuliere ich einen bösen Brief an sustrans.

                                                                                                                                                  Der Weg zieht sich. Ich muss langsam fahren, damit ich nicht wegrutsche. Und plötzlich überkommt mich ein ganz ernstgemeinter Gedanke: Ich will nach Hause. Einfach nach Hause. Natürlich ist es schön, Urlaub zu haben und unterwegs zu sein. Aber irgendwie wiederholt sich alles auch irgendwann. Bei Nebel sowieso. Bewunderswürdig, wie German Tourist ihr Leben dem Outdoor widmen kann. Mir ist mein Beruf lieber. Ein paar Minuten später berappele ich mich zwar wieder, aber der Kerngedanke bleibt. Nach Hause fahren ist nun okay.





                                                                                                                                                  Die Steine nerven. Der Weg scheint kein Ende zu nehmen. Er ist nicht nur unangenehm zu fahren, sondern kostet auch Zeit. Mittlerweile bin ich bereits eine halbe Stunde unterwegs, ohne nennenswert vorangekommen zu sein. Ich denke an heute abend. Vielleicht suche ich mir heute abend ein Hotelzimmer. Ein bequemes Bett, Essen gehen, etwas für mich tun. Ein wenig Luxus. Eine Heizung. Ob Norwich einen Campingplatz hat, weiß ich nicht.





                                                                                                                                                  Gut getarnt stehen meine gefiederten Freunde auf dem Feld.








                                                                                                                                                  Die Weggabelung.








                                                                                                                                                  Wenn der andere Weg auch so war, kann ich von Glück reden, dass ich gestern Landstraße gefahren bin. Ich habe für diesen Abschnitt jetzt gut vierzig Minuten gebraucht.

                                                                                                                                                  Eine nette Bergabstrecke.





                                                                                                                                                  Weiter geht es mit den Steinen.





                                                                                                                                                  Immerhin scheint es hier völlig einsam zu sein.





                                                                                                                                                  Was nicht ganz stimmt. Die ersten Höfe kommen in Sicht.








                                                                                                                                                  Für 6,71 Kilometer habe ich nun eine Stunde gebraucht. Wenn das so weiter geht, nehme ich am besten die Bahn nach Harwich.


                                                                                                                                                  Ein kleiner Campingplatz. Vermutlich nicht für Zelte.





                                                                                                                                                  Wighton.














                                                                                                                                                  An der Kreuzung fehlt wieder einmal eine zielführende Beschilderung. Ich kann nicht erkennen, ob ich in die Straße geradeaus oder in die Straße halbrechts einbiegen soll, die gerade durch den LKW von Bauarbeitern versperrt wird. Dem Schild nach könnten beide Varianten in Frage kommen. Ich stoppe ein Auto und frage, wo es nach Norwich geht, und er weist mich geradeaus. Das ist falsch.








                                                                                                                                                  Die Kilometerangabe erstaunt mich übrigens. Ich werde mindestens 20 Kilometer länger brauchen. Wieder einmal ein kleiner Wohnmobilplatz.
                                                                                                                                                  Ich bin nun in Great Walsingham und suche die Schilder. So finde ich die Straße, die ich eigentlich hätte herauskommen müssen.








                                                                                                                                                  Und dann fällt mir ein, dass ich Werners Todestag vergessen habe. Am 11. September 2012 ist er gestorben. Während ich auf einer Radtour durch die Bretagne war. In diesem Bericht hatte ich seinen Tod verarbeitet. Klick. 2 Jahre ist das nun schon her. Ob er meine Reise verfolgen kann?
                                                                                                                                                  Diese Rose ist für Dich, Werner.





                                                                                                                                                  Ich schiebe mein Fahrrad über eine Fußgängerbrücke. Die Straße ist eine Furt und am Straßenrand steht der jeweilige Wasserstand.





                                                                                                                                                  Ein wie Gandalf aussehender Engländer mit schlohweißen Haaren und schlohweißem Bart durchquert sie routiniert mit seinem Auto.





                                                                                                                                                  Ein verwunschener Baum.





                                                                                                                                                  Der Baustil ist interessant.





                                                                                                                                                  Ich bin nun in Little Walsingham.





                                                                                                                                                  An einer Baustelle stehe ich neben einer alten BMW. Es ist eine R 100. Der Ort sieht touristisch aus.





                                                                                                                                                  Und dann traue ich meine Augen kaum: Der Ort besteht aus lauter religiösen oder esoterischen Läden. Was ist denn hier los?








                                                                                                                                                  Okay. Das fällt hier ein wenig raus. Es ist übrigens ein Café.





                                                                                                                                                  Aber das hier hätte ich in England weniger erwartet. Es wirkt so katholisch.





                                                                                                                                                  Wieder einer meiner gefiederten Freunde.





                                                                                                                                                  Ein Schild.





                                                                                                                                                  Anscheinend wird hier gepilgert. Pilgern in England? Ein Mann auf einem Fahrrad kommt mir entgegen. Er hat eine Aktentasche auf dem Gepäckträger. Er grüßt und hält an. Er fragt, wo ich herkomme. Ich erzähle, was ich tue und frage ihn, was das Schild zu bedeuten hat. Er erzählt, dass gleich die älteste katholische Kapelle Englands kommt, und ich solle sie unbedingt besuchen. Die Devotionalien im Ort sind allerdings nicht katholisch, sondern es gibt auch etwas Vergleichbares in der anglikanischen Kirche. Wir unterhalten uns ein wenig über das Thema, und was er erzählt ist interessant. Er selbst ist katholisch. Ich spreche die Volksabstimmung in Schottland an, und er lacht. Die sollen doch machen, was sie wollen.

                                                                                                                                                  Die Kapelle liegt tatsächlich auf dem Weg. Es ist ein Marienwallfahrtsort. 1061 wurde in Walsingham ein Heiliges Haus gebaut, das Ziel der Wallfahrten war und 1538 mit der Loslösung der englischen Kirche von Rom zerstört wurde. 1897 wurde die Slipper Chapel, eine 1340 gebaute und verfallene Pilgerkapelle wiederentdeckt und ist jetzt das neue Heiligtum. Klick.





                                                                                                                                                  Und natürlich muss ich sie besichtigen.








                                                                                                                                                  In der Kapelle sitzen zwei Frauen. Die eine von ihnen betet einen Rosenkranz.


                                                                                                                                                  Der zweite Raum ist leer.





                                                                                                                                                  Wie in jedem Jahr zünde ich eine Kerze für Werner an. Erstaunlich, dass ich an dem Tag, an dem ich an Werner denke, auch eine katholische Kirche finde. Werner war katholisch und sehr gläubig. Manche Dinge kann man nicht erklären.





                                                                                                                                                  Ich esse ein Stück Schokoladenkuchen in der Cafeteria. Zu meiner Enttäuschung haben sie nichts anderes. Ich hätte gerne etwas herzhaftes gegessen.








                                                                                                                                                  Auf der Toilette sind Hinweise auf Englisch und Polnisch verfasst. Ein Ehepaar hatte mich an der Straße gefragt, ob ich weiß, wo die Kirche ist. Sie waren zu früh abgebogen und mussten eine Furt durchqueren. Mittlerweile haben sie die Kapelle gefunden.





                                                                                                                                                  Ein interessantes Kleinod am Wegesrand.
                                                                                                                                                  Zuletzt geändert von Torres; 21.10.2014, 19:13.
                                                                                                                                                  Oha.
                                                                                                                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                                                    Liebt das Forum
                                                                                                                                                    • 16.08.2008
                                                                                                                                                    • 31757
                                                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                                                    Eine Eisenbahn und eine Outdoorwiese.

                                                                                                                                                    Weiter geht es nun wenig befahrene Landstraßen entlang. Auch dieses Mal macht der Radweg eine große Schleife und folgt nicht dem direkten Weg.





                                                                                                                                                    Das zweite Frühstück hat mich müde gemacht. Lustlos fahre ich weiter.





                                                                                                                                                    Die kreative Müllentsorgung lässt mich an Italien denken.








                                                                                                                                                    Spektakulär ist die Landschaft nun nicht mehr. Eine Zeitlang habe ich das Gefühl, dass das Wetter umschlägt, denn es zeigen sich dicke Wolken.





                                                                                                                                                    Fakenham. Ein netter Ort. Die Beschilderung ist nicht perfekt, aber nach relativ kurzer Zeit finde ich den richtigen Weg. In einer Bäckerei kaufe ich Vollkornbrötchen als Wegzehrung. Es sind viele Fußgänger unterwegs und einige schauen mich sehr wohlwollend an oder grüßen. Am Weg durch die Parkanlage laufen die Hühner frei herum. Vermutlich sind sie ausgebüxt.








                                                                                                                                                    Fakenham war bis in die 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts das Zentrum der Druckindustrie. Ein Denkmal erinnert an den industriellen Niedergang. Fakenhams Aufstieg zum Handelsort begann nach dem Verbot der katholischen Kirche durch Henry VIII. Davor war Hempton dominierender Ort der Region, der Pilger nach Walsingham Unterkuft gab. Die Sehenswürdigkeiten sind das Museum und die Rennbahn.











                                                                                                                                                    Die Bestückung des Weges mit Schildern ist jetzt wieder frustrierend. So fahre ich noch einmal zurück, um sicher zu gehen, dass ich nichts übersehen habe. Schießlich fahre ich einfach weiter und dann sehe ich doch wieder eins. Danke schön.








                                                                                                                                                    Welcher Vogel ist das?








                                                                                                                                                    Man fährt hier Fahrrad.





                                                                                                                                                    Wieder ein netter Mensch. Man muss schon genau hinschauen, ob die rote 1 zu entdecken.








                                                                                                                                                    Ich komme nun durch einen netten kleinen Ort. Great Ryburgh. Bereits vorher waren große LKW unterwegs, für die die Straßen viel zu eng sind. Noch vor dem Ortseingang hatte ich einen vorbeigelassen, und er hatte sich nett bedankt. Im Ort parkt ein Lieferwagen an der Straße und verengt sie. Er gehört zu einer Baustelle. Für einige Zeit ist der Verkehr lahmgelegt. Die Bauarbeiter stört das nicht.
                                                                                                                                                    Bald ist klar, dass die LKW zu der Crisp Malting Group gehören, die seit 1870 Malz produziert und sich immer noch in Privathand befindet. Ein älterer Herr sitzt am Fenster und schaut dem Treiben an der Fabrik zu.





                                                                                                                                                    An der Ecke ist ein Village Shop. Fahrradfahrer sind willkommen. Ich kaufe Milch, Joghurt, Orangensaft und die englische Antwort auf La vache kiri.





                                                                                                                                                    Ein Haus steht an einer Kreuzung und es ist ein merkwürdiges Gefühl, unvermittelt auf das Tor zuzufahren.








                                                                                                                                                    Es ist die Einfahrt zu einem riesigen Gelände mit einem See und – wenn ich das Satellitenbild richtig interpretiere – einem großen Herrenhaus oder Schloss.








                                                                                                                                                    Ich erfreue mich an einem offiziellen Radwegarm. Anscheinend bin ich richtig.





                                                                                                                                                    Aber noch 24 Meilen bis nach Norwich. Ich stöhne auf. Das sind noch ca. 40 Kilometer. Das bedeutet, ich bin kaum vorangekommen. Es ist jetzt halb eins.





                                                                                                                                                    Das Wetter ist nun richtig schön geworden. Die Straße ist leicht hügelig und das Fahren macht Spaß. In der Ferne sehe ich viele kleine Hütten und entdecke, dass es sich um Schweinehütten handelt.





                                                                                                                                                    Animal Farm.





                                                                                                                                                    Eine riesige Anlage freilaufender Schweine. Natürliche Massentierhaltung.





                                                                                                                                                    Auf der rechten Seite befindet sich eine riesige Schafherde.
                                                                                                                                                    Eine Abzweigung kommt und gleichzeitig von vorne ein Auto. Ich weiche ein wenig zur Seite und schaue routiniert nach einem Schild. Dann geht es den nächsten Hügel hinauf. Oben angekommen, suche ich an der nächsten Abzweigung das Schild und finde keines. Falsch gefahren. Also wieder zurück. Ich fahre an der vorherigen Abzweigung vorbei und wende, um noch einmal genau zu schauen. Tatsächlich, da ist es.





                                                                                                                                                    Ganz deutlich, oder?





                                                                                                                                                    Nicht ärgern. Weiterfahren. Es kann nur besser werden.











                                                                                                                                                    Die Landschaft ist nun wieder sehr hübsch.











                                                                                                                                                    Als ich in Bintree eine größere Landstraße überkreuzen muss, ist es ein kleiner Realitätsschock.





                                                                                                                                                    Autos können ganz schön laut sein. An die einsamen Straßen hier kann man sich echt gewöhnen.


                                                                                                                                                    Man bemerke das nette kleine Schild auf dem Schild.





                                                                                                                                                    Richtig.









                                                                                                                                                    Foulsham.






                                                                                                                                                    Wieder einmal etwas Gesellschaft. Meine gefiederten Freunde.









                                                                                                                                                    Es dauert, bis sie sich erinnern, dass sie fliegen können.








                                                                                                                                                    Und immer wieder die Suche nach den Schildern.





                                                                                                                                                    So gut ich es verstehen kann, dass man nicht überall die Schilder anbringen kann oder will, so ist es doch recht quälend, wenn man das System nicht durchschaut, nach dem die Schilder vergeben werden. Die Unsicherheit, falsch zu sein, zerrt an den Nerven. Es ist immer so leicht, zu sagen, falls man falsch ist, fährt man eben wieder zurück. Aber wenn man nicht weiß, wie eine Strecke beschaffen ist oder eine Strecke hügelig ist, kommt man auf diese Weise schnell an sein Limit. Im Gegensatz zu meinen sonstigen Touren will / muss ich ja ein bestimmtes Ziel erreichen und kann nicht beliebig abkürzen.





                                                                                                                                                    Ein Lieferwagen taucht hinter mir auf, und ich weiche nach links aus, da die Straße eng ist. Zwei Männer Anfang zwanzig sitzen drin, ein Dicker und ein Schmaler. Sie scheinen nicht besonders helle zu sein. Der eine wedelt hektisch mit seinem Smartphone rum. Sie halten neben mir und fragen mich, wo der nächste Ort sei. Ich sage ihnen, sie sollen zur Hauptstraße zurückfahren, ich hätte keine Ahnung. Irgendwohin wird die Straße schon führen. Außerdem hätten sie doch ein Smartphone.
                                                                                                                                                    Sie gucken mich an, als wäre ich ihnen zu doof, sagen bye und geben Gas. Kurz darauf kommen sie zurück. War wohl nichts. Wundert mich nicht. Mein Gesichtsausdruck ist wohl nicht der richtige. Sie machen die Scheibe herunter und beschimpfen mich wüst. Kopfschüttelnd gebe ich Gas. Was für Bekloppte. Kurz darauf sehe ich, dass ein riesiger Schaflaster die Straße versperrt. Anscheinend ist das hier eine landwirtschaftliche Nutzstraße. Die Jungs kamen hier wohl nicht durch. Ich muss grinsen. Sieht so aus, als waren sie nicht belastbar.

                                                                                                                                                    Ein großer Hof kommt in Sicht. Man bemerke das Schwein auf dem Eingangspodest. Eine Schweinefarm. Auf der anderen Seite des Tors ist noch eines.





                                                                                                                                                    Traktoren überholen, und ich mache wieder brav Platz.





                                                                                                                                                    Es geht nun weiter Richtung Guestwick. Dann bin ich kurz vor Reepham.








                                                                                                                                                    An den Verschluss des Gatters habe ich mich langsam gewöhnt. Die ersten Mal hatte ich mich damit sehr schwer getan.


                                                                                                                                                    Ein Campingplatzschild.





                                                                                                                                                    Und das ist Whitwell.





                                                                                                                                                    Es geht nun steil bergab. Routinemäßig schaue ich nach Radwegschildern. Ein rotes Schild, auf dem Marriott´s Way steht, befindet sich auf der rechten Seite. Anscheinend ein Wanderweg. Ich sause in das Tal. An der nächsten Gabelung befinden sich keine Schilder. Ich fahre dennoch noch weiter. Wieder eine Gabelung. Aber hier müsste ein Schild stehen, denn es ist eine T-Gabelung. Also wieder zurück und das letzte Stück schieben. Ich gehe wieder zur der Stelle zurück, wo ich das letzte Foto gemacht habe. Und dann noch einmal gaaaanz langsam den Berg herunter.


                                                                                                                                                    Mist. Das habe ich einfach nicht gesehen.





                                                                                                                                                    Wieder eine ehemalige Eisenbahnroute. Damit habe ich nicht gerechnet.





                                                                                                                                                    Und nun heißt es wieder: Fahrrad fahren. Was für eine Erlösung, einfach radeln zu können, ohne ständig auf die Schilder zu starren. Allerdings ist mir auch klar, dass ich diese ehemalige Bahnstrecke ohne die Beschilderung nie gefunden hätte. Eins muss man den Planern lassen. Es sind wirklich tolle Strecken dabei.

                                                                                                                                                    Noch eine kurze Krise, als ich auf den eigentlichen Weg stoße: Rechts oder links? Ich entscheide mich für links. Richtig.








                                                                                                                                                    Und nun heißt es: Go.











                                                                                                                                                    Herbst.





                                                                                                                                                    Interessantes Schild.





                                                                                                                                                    Eine alte Station.








                                                                                                                                                    Kurz vor Morton. Freie Sicht.








                                                                                                                                                    Ein kleiner Campingplatz, ob er Zelte nimmt, weiß ich nicht mehr. Mein Ziel ist Norwich.














                                                                                                                                                    Gegen 16.00 Uhr, kurz vor Taverham wird die Strecke befahrener. Es sind einige Radler unterwegs. Als ich mich wieder einmal einer Querstraße nähere, bekomme ich plötzlich Sehprobleme. Es ist ein sehr unangenehmes Gefühl. Gleichzeitig merke ich, dass ich keine richtige Kontrolle mehr über meinen Körper habe. Ich quere noch die Straße, dann halte ich hinter der nächsten Holzschranke sofort an. Ich schmiere mir zwei Brötchen mit Schmelzkäse und trinke das Joghurt aus. Kurz darauf geht es mir wieder besser.
                                                                                                                                                    Ein Ehepaar kommt aus der Richtung Taverham und bewundert mein Gepäck. Wir reden ein wenig, und ich bin so clever, zu fragen, ob Norwich einen Campingplatz hat. Eigentlich ist mir immer noch nach einer Hotelunterkunft zumute, aber es wäre besser, wenn ich dafür einen echten Grund hätte. Einen fehlenden Campingplatz, zum Beispiel. Die Frau nickt. Ja, Norwich hat einen Campingplatz. Da war sie mal vor Jahren, sie erinnert sich nur noch, dass er neben der Eisenbahn ist. Es war furchtbar laut. Sie lacht aus der Erinnerung heraus. Klingt nicht, als wäre der Platz sehenswert. Ein Grund mehr, ein Bett zu suchen.





                                                                                                                                                    Wieder einmal eine Brücke. Und sofort fällt mir das lohnende Fotomotiv auf.








                                                                                                                                                    Es ist eine Brücke über den Fluss Wensum, der mir bereits in Great Ryburgh und Fakenham begegnet ist.





                                                                                                                                                    Achtlos fahren Radfahrer an dem Fotomotiv vorbei. Es ist nun halb fünf und es scheint der Feierabendradelverkehr zu sein. Einige machen um diese Zeit ihren Abendsport, andere kommen von der Arbeit und radeln nach Hause.








                                                                                                                                                    Auf der rechten Seite befindet sich ein abgeerntetes Maisfeld. Nur eine Pflanze ist stehen geblieben. Absicht, vermute ich. Dennoch fasziniert der Anblick. Erst als ich neben ihr bin, fotografiere ich. Zu spät, das Anfangsmotiv war schöner, aber zurückfahren möchte ich nicht mehr.








                                                                                                                                                    Und dann bin ich bereits in Norwich. Zunächst geht der Radweg noch durch einen Park. Dann stehe ich unmittelbar an einem Kreisverkehr.





                                                                                                                                                    Einerseits bin ich darüber froh, endlich mein Ziel erreicht zu haben. Andererseits habe ich absolut keine Lust, nun ein Hotel zu suchen. Ich habe auch überhaupt keine Lust auf eine Großstadt. Auf den Lärm, die Leute. Norwich. Puh.





                                                                                                                                                    Norwich ist auch nicht unbedingt flach. Schon bald muss ich anfangen zu schieben. Aber zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass mir diese Stadt gefällt. Es ist eine junge Stadt. Eine pulsierende Stadt. Eine interessante Stadt. Das erste Mal verspüre ich Lust, eine Stadt zu besichtigen. Studentinnen und Studenten prägen das Stadtbild. Auffällig viele Asiatinnen in Studentenuniform. Pubs. Irische Kneipen. Ein mittelalterlicher Stadtkern. 134.000 Einwohner hat Norwich, doch auffallen tut das nicht.





                                                                                                                                                    Hotels oder ein B&B sehe ich allerdings nicht. Tatsächlich führt der Nordseeküstenradweg zuverlässig durch Straßen, in denen es weder Hotel noch B&Bs gibt. Man bräuchte Internet, um sie zu finden. Hostels gibt es hier auch.
                                                                                                                                                    Ich suche in meinem Navi nach dem Campingplatz und zu meiner Überraschung liegt er in der Richtung, die ich morgen einschlagen muss. Ohne Nachzudenken schiebe ich mein Rad durch die Innenstadt und fahre immer weiter. Norwich hat ein Schloss, aber obwohl ich gar nicht so weit davon entfernt bin, sehe ich es nicht.
                                                                                                                                                    An einer Kreuzung lenkt mich mein Navi nach rechts den Berg hoch. Rechtzeitig sehe ich noch, dass ich auch unten herum fahren kann, also bergab. Gar nicht einfach, wieder über die Straße zu kommen. Nicht überall gibt es Ampeln. Als Fußgänger oder Radfahrer läuft man einfach los, wenn die Autos halten. Ein Hauch von Neapel in England. Die Engländer wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist. Ich nicht.

                                                                                                                                                    Ich bin nun südlich von Norwich und biege auf einen anderen Radweg ab, der zum Campingplatz führen soll. Viel Hoffnung mache ich mir nicht. Vor meinem geistigen Auge rechne ich mit einem vernachlässigten Wohnmobilplatz neben den Eisenbahnschienen. Ich ärgere mich, dass ich die Frau nicht explizit gefragt habe, ob man da zelten kann. Aber ich schätze mal, man kann. Sonst hätte sie etwas gesagt.

                                                                                                                                                    Eine Hauptverkehrsstraße, vierspurig. Es dauert, bis mich die Ampeln hinüber lassen. Hier soll ein Campingplatz sein? Ich befürchte immer Schlimmeres. Ich bin kurz vor der nächsten Kreuzung, als ich ein kleines Schild entdecke. Ich biege in eine Straße ein. An der Ecke steht ein Gasthaus. The Cock Inn. Ob man dort etwas essen könnte?

                                                                                                                                                    Der Platz entpuppt sich als eine Norwich Camping und Caravanning Club Site. Gepflegte Wohnmobile. Schöne Anlage. Einfache Gebäude. Die Rezeption ist geschlossen. Ich suche etwas herum und ein netter Mann kommt. Er will mich anmelden, aber es klappt nicht richtig, weil sein Computerprogramm muckt. Ich erfahre, dass es für Backpacker einen eigenen Tarif gibt. 7 Pfund 20 kostet die Nacht. Ich zahle.
                                                                                                                                                    Meine Frage nach dem Gasthaus beantwortet er mit der Speisekarte. Ich solle da unbedingt essen gehen. Die Preise sind in Ordnung, das Essen gut. Er hat Recht, das Essen ist preiswert. Sollte ich wirklich heute etwas zu essen bekommen? Der Platz gefällt mir immer besser. Ich will mir nun einen Platz bei den Wohnmobilen suchen, aber so einfach ist das nicht. Mitkommen, sagt er geheimnisvoll.
                                                                                                                                                    Er führt mich zum Hauptweg, dann geht es über eine nette Wohnmobilwiese, schließlich geht es einen kleinen Weg entlang und zuletzt stehen wir vor einer riesigen Wiese. Das ist der Platz für die Backpacker, sagt er stolz. Es gibt sogar Fahrradständer. Er strahlt.





                                                                                                                                                    Hammer. Es ist der lauteste und der stadtnaheste Platz, dem ich auf der ganzen Tour begegnet bin und gleichzeitig ist es der Platz mit dem höchsten Outdooranteil. Der Platz liegt direkt am Fluss und am Cock Inn ist Kanueinsatzstelle. Ein ganzer Platz nur für Zelter. Nicht zu fassen. Instinktiv überlege ich, ob man hier nicht mal ein ods Treffen machen könnte. Nur die Sanis kommen mir etwas weit vor, aber später werde ich eine Abkürzung finden und dann ist das in Ordnung.

                                                                                                                                                    Blick zum Wohmobilzeltplatz.





                                                                                                                                                    Der Fluss Yare.








                                                                                                                                                    Unglaublich. Outdoor in the City. Im Sommer muss das hier ein Traum sein. Mit Ausnahme der Stechmücken, natürlich.





                                                                                                                                                    Aber die Frau hatte Recht. Der Platz liegt an der Bahn.





                                                                                                                                                    Auch die Straße ist laut. Egal. Ich habe Ohropax dabei.

                                                                                                                                                    Ich fahre mit dem Rad zum Duschen und frage, ob ich an dem Zaun der Sitzgruppe das Fahrrad anschließen darf. Aber sicher.
                                                                                                                                                    Ich dusche und wasche ein paar Sachen aus. Diese feuchte Luft lässt den Schweiß nicht richtig trocknen, und ich kann mich selbst nicht mehr riechen. Die Dusche ist einfach und natürlich nicht ganz insektenfrei, aber wunderbar heiß. Mal wieder genieße ich, dass es in England keine Duschmarken gibt.

                                                                                                                                                    Mit dem Fahrrad fahre ich erneut zu den Sanis, um den Mann zu fragen, ob ich irgendwo meinen Kameraakku laden kann. Er packt Akku und Adapter in die Rezeption. Er ist sowieso um 7.00 Uhr wach, denn er muss die Schranke öffnen. Als ich das Fahrrad nehmen will, schüttelt er den Kopf. Das lohnt sich nicht. Das Gasthaus ist doch direkt neben dem Platz. Er hat Recht.

                                                                                                                                                    Ich betrete das Cock Inn. Ein paar Leute sitzen am Tisch. Ich setze mich zunächst und begreife dann, dass man sein Essen am Tresen bestellen muss. Hinter dem Tresen steht ein Schrank von einem Mann. Penibel schreibt er meine Bestellung auf. Er ist sicherlich nicht der Kopf, aber die gute Seele.

                                                                                                                                                    Ich bestelle ein kleines Glas Cider – was er nicht ganz verstehen kann, Cider trinkt man nur aus großen Gläsern – und Mineralwasser. Einen Fetasalat. Und ein Stück Rindfleischlasagne mit Erbsen und Chips. Mein Körper braucht Fleisch.
                                                                                                                                                    Während ich auf das Essen warte, schreibe ich den Tag auf. Die Bedienung schaut etwas pikiert. Aber es ist eben netter, sich zu beschäftigen, als einfach so alleine am Tisch zu sitzen und zu warten. Köchin scheint eine hagere, ältere Frau zu sein. Ob es ein Familienbetrieb ist? Ich weiß es nicht. Der Salat ist exzellent. Und als dann das Hauptgericht kommt, bin ich begeistert.





                                                                                                                                                    Kartoffeln! Echte Kartoffeln! Ich kann es nicht fassen. Eigentlich mag ich Kartoffeln gar nicht so gerne, aber heute ist es genau das, was ich brauche. Die Chips knabbere ich als Nachtisch. Die Ehepaare vom ersten Tisch machen es sich mit Whisky und Kakao in der Sitzgruppe im Raum gemütlich. Sie lächeln hinüber. Geraucht wird vor der Tür.

                                                                                                                                                    Was ich bezahle, weiß ich nicht mehr. Ich glaube 14,40 Pfund. Das ist absolut angemessen. Noch während des Zahlvorgangs, räuspert sich der Wirt und meint, so, jetzt solle ich doch mal sagen, was ich hier so mache. Ich erzähle, dass ich den Nordseeküstenradweg radele, und er ist schwer beeindruckt. Ja, er kannte da auch mal jemanden, der sei durch Europa geradelt. Seins wäre das ja nicht. Und da wären ziemlich viele Berge gewesen, hatte der erzählt. Weit sei er nicht gekommen.
                                                                                                                                                    Als ich mich verabschiede, wirkt der Wirt sehr zufrieden. Vielleicht haben sich seine Annahmen bestätigt oder er hat jetzt neuen Gesprächsstoff gefunden, den er anderen mitteilen kann.

                                                                                                                                                    Es ist dunkel, als ich mein Fahrrad hole und zu meinem Zelt schiebe. Die Straße ist etwas leiser geworden. Als ich schon eingeschlafen bin, dreht ein Motorradfahrer so laut auf, dass selbst Ohropax nichts hilft. Ich wünsche mir ein Gewehr. Kurz darauf schlafe ich wieder tief und fest. Ist ja schließlich eine Outdoorwiese.
                                                                                                                                                    Zuletzt geändert von Torres; 22.10.2014, 20:48.
                                                                                                                                                    Oha.
                                                                                                                                                    (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                                                      Liebt das Forum
                                                                                                                                                      • 16.08.2008
                                                                                                                                                      • 31757
                                                                                                                                                      • Privat


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                                                                                                                                                      Schnell, schnell, schnell.

                                                                                                                                                      Mi, 17.09.2014
                                                                                                                                                      Norwich – Wickham Market, 115 km

                                                                                                                                                      Am Morgen hängen die Wolken sehr tief. Es ist unbeschreiblich feucht. Die Radhose, die gestern abend schon fast trocken war, ist klitschnass. Mein Hemd ebenfalls. Alles ist klitschnass.





                                                                                                                                                      Ich packe konzentriert. Ich muss heute Ipswich erreichen. Laut Fingermessmethode auf meiner Karte könnte es realistisch sein, wenn ich meine Kilometerleistung um ca. ein Drittel steigere. Alles wird davon abhängen, wie hügelig ist, wie die Wegbeschaffenheit ist und vor allem wie viele Umwege der Radweg heute macht. Das erste Mal wird mir so richtig deutlich, dass mir die Zeit wegrennt. Sollte ich heute Ipswich schaffen, könnte ich morgen in Harwich sein und mit der Nachtfähre übersetzen. Dann könnte ich übermorgen vielleicht noch Richtung Amsterdam radeln. Sollte ich keinen Platz in der Nachfähre bekommen, müsste ich am Samstag ab Rotterdam nach Hause fahren. Diese Zugverbindung war aber nicht sehr strategisch günstig, wenn ich mich richtig erinnere. Sollte auch diese Option sich verzögern, wird es Sonntag werden. Und Montag muss ich wieder bei der Arbeit sein. Das ods KCP-Treffen kann auf jeden Fall streichen. Mir fehlen genau die Tage, die am Anfang der Reise durch Ostfriesland geradelt bin.

                                                                                                                                                      Ich fahre zur Rezeption, um meinen Akku zu holen. Der Mann ist längst wach. Seine Frau und er wohnen in einem Wohnwagen an der Sitzgruppe, und als ich mein Wasser nachfülle, reden wir noch etwas. Ipswich ist weit. Sehr weit. Er macht sich sichtbar Sorgen, als er im Geiste die Straßen durchgeht. Ich weiß, sage ich. Es kommt auf die Routenführung an. Sonst muss ich irgendwo in der Mitte Pause machen oder den Zug nehmen. Er nickt.
                                                                                                                                                      Ich frage, ob Ipswich einen Campingplatz hat. Er erinnert sich nicht. In Ipswich gibt es aber eine Jugendherberge. Assoziationen von Wärme, Heizung, Essen überfluten mich. Das wäre natürlich nicht schlecht. Diese Feuchtigkeit macht langsam keinen Spaß mehr und ein Ruhetag könnte jetzt endlich auch mal nicht schaden.
                                                                                                                                                      Bei dem Wort Hoek van Holland bekommt er ein kleines Leuchten ins Gesicht. Er ist früher oft nach Holland gefahren. Aber heute nicht mehr. Er lacht, als er sich erinnert. Das waren noch Zeiten. Seine Frau schaut mich unverwandt an, sagt aber nicht, was sie möglicherweise gerne sagen würde. Das Geld reicht heute einfach nicht mehr. Mal wieder wird mir bewusst, in was für einem reichen Land wir leben. Sollte es bei uns einmal abwärts gehen, werden wir uns sehr wundern. Auf den Abstieg sind wir nicht vorbereitet.

                                                                                                                                                      Durch das Gespräch ist es kurz nach halb acht geworden, aber das Reden hat gut getan. Wenn ich alleine reise, mag ich es, wenn es Leute gibt, mit denen man reden kann und die sich kümmern. Es ist eine Möglichkeit, seine Erlebnisse zu teilen. Für Selbstgespräche ist noch Zeit genug.
                                                                                                                                                      Ich bedauere, so unter Druck zu sein. Ich wäre gerne noch einen Tag geblieben.


                                                                                                                                                      Das Gasthaus von gestern.





                                                                                                                                                      Der Autoverkehr ist sehr laut und dröhnt in meinen Ohren. Nach all diesen Tagen der Stille ist das nur schwer zu ertragen. An einem kleinen Kiosk erwerbe ich Joghurt und Milch. Die Milch trinke ich sofort. Sie hat mir schon die letzten Tage sofort wieder Kraft gegeben. Schüler und Berufstätige kaufen Kleinigkeiten. Es ist Berufsverkehr.

                                                                                                                                                      Ich finde den Weg schnell, da ich ja gestern schon hier entlang geradelt bin. Einige Leute fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. Am Ende des Ringes biege ich rechts ab und dann geht es kurz darauf in eine Seitenstraße. Am Ende der Straße befindet sich ein Holzschild. Ich befinde mich in einem Park.





                                                                                                                                                      Das sollte an sich richtig sein, denn es wäre naturnah. Aber Schilder gibt es hier nicht. Ich fahre bis zum Infocenter, aber es gibt kein Radwegschild. Bisher gab es an solchen Punkten immer eines. Ich bin unsicher.





                                                                                                                                                      Also fahre ich zurück zur Straße ganz am Anfang. Nein, nichts übersehen. Es ist richtig. Ich durchquere ein Wohngebiet, es ist die einzige Abbiegung an der Straße. Nichts. Der Park muss richtig sein. Ein Jogger sieht mich und fragt, ob er helfen kann. Er weiß auch nicht, wo der Radweg verläuft, aber er vermutet, dass er durch den Park führt, die Straße überquert, über den schmalen Pfad durch den Wald führt und dann am Fluss entlang verläuft. Genau verstehe ich nicht, was er meint, weil ich die Gegend noch nicht kenne. Vor Ort wird es enorm helfen.

                                                                                                                                                      Und nun, wo ich Hilfe hatte, finde ich auch das Schild. Es ist unter der Tempoangabe. Das nächste Mal nehme ich ein Fernglas mit.





                                                                                                                                                      Der Umweg hat mich gute 10 Minuten gekostet. Ich habe es schließlich eilig. Der Park ist still und schön. Im Sommer wird hier ein lebendiges Treiben sein. Ich kann es förmlich vor mir sehen. Der See gehört zum Fluss Yare, der sich kurz zuvor mit dem Fluss Wensum vereint hat.





                                                                                                                                                      Irgendwann kommt dann auch ein kleiner Aufkleber. Viel zu spät für mein Empfinden. Ich sause den Weg entlang. Er lässt sich wunderbar fahren.





                                                                                                                                                      Vorbei geht es an Parkinfrastruktur. Hier werden im Sommer die Familien sitzen und picknicken. Die Luft wird voller Lachen sein. Eine interessante Stadt mit einem schönen Umfeld. Das hätte ich nicht gedacht. Es folgt die Straße, die mich bald darauf über die Hauptverkehrsstraße führen wird.





                                                                                                                                                      Wenn mich richtig erinnere, ist die Straße für den öffentlichen Verkehr nicht freigegeben. Nur Radfahrer dürfen passieren. Sie führt nämlich direkt am Wasserwerk vorbei.





                                                                                                                                                      Nun geht es auf einen schönen Singletrack.





                                                                                                                                                      Ich habe das Glück bergab zu fahren. Es ist eine wirklich schöne Strecke. Anspruchsvoll und naturnah.








                                                                                                                                                      Was für ein gelb in dieser neblig-tristen Umgebung. Schade, dass der Zweig stört.





                                                                                                                                                      Kurz darauf ist der Weg leider schon zu Ende. Nur mit äußerster Mühe quetsche ich mich durch das Gatter. Ein Rätselraten beginnt.





                                                                                                                                                      Links herum oder rechts herum? Ich schaue im Navi nach und links herum geht es wohl zum Fluss. Der Mann hatte ja etwas von Fluss gesagt. Die Gegenprobe bestärkt mich, denn das Radwegschild am Gatter sieht man, wenn man von links kommt. Also biege ich links ab.





                                                                                                                                                      Der Fluss.





                                                                                                                                                      Es ist feucht, kalt und menschenleer. An den Wochenenden oder in den Ferien wird es hier wunderschön sein. Ich kann förmlich das Sirren der Luft hören. Heute ist davon nichts zu spüren. Ein Mann hat hier zu tun und läuft zum Anleger.





                                                                                                                                                      Kurz darauf geht es steil einen Hügel hinauf. Flüsse eben. Der Hügel erinnert mich an den Waseberg in Blankenese. Ein paar Villen stehen herum.





                                                                                                                                                      Endlich kommt nun auch die erlösende Nachricht, dass ich richtig bin. Doppelt hält besser. Hätte ich mir das nur gemerkt.





                                                                                                                                                      Die ersten Esskastanienigel liegen auf der Straße. Es sind die vertrockneten. Aber dennoch. Der Herbst beginnt.





                                                                                                                                                      In Surlingham mache ich einen unverzeihlichen Fehler. Das Schild sagt, dass ich mich halbrechts halten soll. Gemeint ist, dass ich rechts abbiegen soll. Verstehen tue ich, dass ich nach der Kurve den Linksabzweig nehmen soll. Das liegt einerseits daran, dass für mich rechts abbiegen ein Rechtspfeil wäre und anderseits an genau diesem Schild hier, das so deutlich ist, dass ich es nicht ignorieren mag.





                                                                                                                                                      So fahre ich den Hügel hinunter. Eine Gabelung, aber kein Schild. Ich fahre auf der Hauptstraße bis ans Ende des Ortes, bis ich sehe, dass die Wegweiser mich zu einer Fähre leiten. Das kann nicht richtig sein und ist auch nicht richtig. Ich fahre zurück und versuche es mir dem anderen Zweig der Gabelung. Es endet am Ted Ellis Nature Reserve auf einem Feldweg. Bilder.
                                                                                                                                                      Ich würde das Reservat ja gerne erkunden, aber mir rennt die Zeit davon. Einen Moment überlege ich, einfach mein Fahrrad an einer Wiese zur Straße hoch zu schieben. Aber mit derartigen Aktionen habe ich schon wehr schlechte Erfahrungen gemacht. Ein Wassergraben oder zuviel Schlamm und es dauert ewig. Also radele ich die ganze Straße wieder zurück. Ein junger Mann, der spazierengeht, kann mir auch nicht helfen. Es gibt keine Abkürzung.

                                                                                                                                                      Ich schiebe das Fahrrad die Straße hoch und nun, aus dieser Perspektive, sehe ich den zusätzlichen Hinweis. Verdeckt von den Bäumen klebt eine kleine rote eins am Schild.





                                                                                                                                                      Ich überlege, ob ich den anderen Aufkleber abreissen soll, aber ich weiß nicht, ob man das darf. Das Foto zeigt, dass das anscheinend auch schon andere versucht haben. Der Umweg hat mich eine halbe Stunde gekostet. Es ist jetzt Viertel vor zehn.

                                                                                                                                                      Die Landstraße lässt sich zur Abwechslung sehr gut fahren. Autos gibt es nur wenige, und die Straße ist übersichtlich und breit genug. Hier die Stelle, die ich schiebenderweise herausgekommen wäre.





                                                                                                                                                      Bei Claxton mache ich kurz eine Pause und esse ein Joghurt. Ich bin hungrig, ich habe heute morgen nicht gefrühstückt. Das Essen von gestern hatte ausgereicht.

                                                                                                                                                      Sehr gerne wäre ich nun weiterhin der Straße gefolgt, aber sie biegt ab, und ich darf man wieder schieben. Der Blick zurück.








                                                                                                                                                      Wieder fühlt es sich an, als würde es regnen. Aber es ist nur die Feuchtigkeit. Meine Radhose klebt am Körper, und ich fahre mich gerade wund. Ich merke es und kann doch nichts machen. Etwas anderes anziehen wäre keine Lösung. Dann würden andere Stellen wund. Es ist so feucht, dass es mir schwer fällt zu schalten. Die Hand rutscht einfach ab. Die Straße heißt Gentlemen´s Walk.





                                                                                                                                                      Gegen 11.00 Uhr erreiche ich Chedgrave. Eine Bäckerei. Ich entscheide mich, Pause zu machen.





                                                                                                                                                      Sie ist einfach ausgestattet, backt aber frisch. Ich erwerbe ein Pasty, ein Pie, ein paar Brötchen und ein französisches Baguette. Wüsste ich das, was ich heute weiß, hätte ich den Laden leer gekauft. Die Sachen schmecken göttlich.


                                                                                                                                                      An einer Bank esse ich das heiße Onion and Cheese Pie. Wow. So etwas Leckeres habe ich selten gegessen. Es ist so heiß, dass ich mir fast die Lippen verbrenne. Die Füllung tropft auf mein Hemd. Eine Frau um die zwanzig schimpft mit ihrem gepiercten, nicht gerade aktiv wirkenden Partner, der wie ein begossener Pudel vor ihr steht. Entweder hat er die falschen Getränke gekauft oder zuviel Geld ausgegeben.





                                                                                                                                                      Es ist jetzt 11.03 Uhr.





                                                                                                                                                      Die Kirche von Loddon.





                                                                                                                                                      Kurz darauf komme ich an die Schnellstraße, die in der Nacht meine Nachtruhe beeinflusst hat. Ich bin 16 km von dem Campingplatz entfernt. Innerlich breche ich zusammen. Das ist das, was ich so hasse. Man fährt und fährt und hat sich kaum von der Stelle bewegt. Es ist jetzt 11.15 Uhr, und ich habe in 3,5 Stunden 34,2 Kilometer zurückgelegt.





                                                                                                                                                      Ein netter Mensch hat sich wohl erbarmt.





                                                                                                                                                      Andererseits wäre die Schnellstraße auch keine Lösung. Es dauert gute drei Minuten, bis ich sie überquert habe.





                                                                                                                                                      Ein Schild, ein Schild.





                                                                                                                                                      Tristesse.





                                                                                                                                                      Ich befinde mich jetzt auf einem Höhenzug und schlagartig wird es ländlicher.





                                                                                                                                                      Gegenkontrolle. Richtig.





                                                                                                                                                      Meine Hose reibt und ich versuche, sie etwas zurecht zu rücken. Das Ergebnis der Bemühung ist, dass eine Naht ein Stückchen aufreißt. Es ist so feucht, dass sie sich nicht bewegen lässt. Auch das Schalten fällt wieder schwer. Aber für Handschuhe ist es zu warm, das Wetter ist wieder ungeheuer seifig. Radhandschuhe habe ich nicht dabei, normalerweise brauche ich die nicht. Aus Zeitgründen machen ich die Bilder jetzt während der Fahrt.











                                                                                                                                                      Ein merkwürdiges, ein wenig unheimliches Gebäude taucht auf. Erst sieht es aus wie ein antikes Gemäuer, dann entpuppt es sich als Wasserturm.





                                                                                                                                                      Ein Mann in Sicherheitsweste läuft herum und telefoniert. Vor dem Turm steht ein offizielles Nordseeküstenradwegschild. Erstaunlich, wo man die Wegweiser überall findet. Eine Logik kann ich bisher nicht erkennen.





                                                                                                                                                      Nach Norwich sind es 19 Meilen. Das wären 30 Kilometer. Mit den Umwegen kommt das vielleicht sogar ungefähr hin, obwohl ich gefühlt schon erheblich mehr gefahren bin.





                                                                                                                                                      Was an der einen Stelle zu wenig ist, ist an der anderen Stelle zu viel.











                                                                                                                                                      Aber ich bin darüber sehr dankbar. Es erleichtert die Orientierung ungemein, und ich komme gut voran.





                                                                                                                                                      Ich fahre übrigens gerade durch die Norfolk Broads. Klick. Eine Landschaft aus Flüssen, Seen und Sumpfgebieten. Die Broads (Feuchtgebiete) haben Nationalpark Status. Leider bekommt man als Radfahrer von der Landschaft nur wenig mit. Bedauerlich. Landschaftsbilder mache ich daher keine.


                                                                                                                                                      Und dann bin ich plötzlich in Suffolk. Es ist jetzt zwanzig nach zwölf.





                                                                                                                                                      Die Brücke quert den Fluss Waverney, der die Grenze bildet. Ich befinde mich in Beccles. Die Fahrt über Beccles ist einer der typischen Umwege, die der Nordseeküstenradweg nimmt. Vermutlich sollten dem Radfahrer die Norfolks Broads nahe gebracht werden.








                                                                                                                                                      Beccles ist ein hübscher Ort und tut mir den Gefallen, eine perfekte Beschilderung aufzuweisen. So radele ich einfach hindurch und mache aus Dankbarkeit ein Foto von der Figur. Danke schön.








                                                                                                                                                      Neben mir taucht ein Sportfeld auf, und es ist schon ungewöhnlich, Schülern im Oberhemd beim Fußballspielen zuzuschauen. Aber das hat Stil.








                                                                                                                                                      Die High School. 1632 gegründet. Da tobten bei uns gerade die Bauernkriege.





                                                                                                                                                      Ein Vater mit seiner Tochter kommt mir entgegen. Anscheinend gibt es hier Mittagspausen. Die Tochter ist zwar schon hochgewachsen, aber noch nicht in der Pubertät. Sie trägt lange Zöpfe. Stolz schaut der Vater mich an. Kurz darauf begegne ich einer Jugendlichen. Die beiden sind sich gar nicht so unähnlich. Auch sie hat die Haare zu einem Zopf gebunden, aber unter dem Rock sieht man Netzstrümpfe und sie ist umhüllt von einem Nebel von Parfum. Nicht mehr lange und der Vater wird seine Tochter nicht mehr wiedererkennen.

                                                                                                                                                      Verfahren kann man sich hier nun nicht, wenn man weiß, wo Ringsfield ist. Es ist jetzt 13.00 Uhr.





                                                                                                                                                      Dösig liegt eine Katze auf dem Feld. Als sie mich sieht, richtet sie sich auf. Schade.








                                                                                                                                                      Wieder habe ich das Gefühl, es würde regnen.





                                                                                                                                                      Aber auf der Straße sieht man nichts.





                                                                                                                                                      Immerhin habe ich jetzt das Gefühl, gut voranzukommen. Auch wenn die Straße nicht schnurgerade zum Ziel führt, so sehe ich doch auf dem Navi den Fortschritt. Das macht Mut. Denn noch habe ich gut zwei Drittel der Strecke von heute vor mir. Es ist zwanzig nach eins.


                                                                                                                                                      Das Schild verstehe ich nicht. Hauptsache ich weiß, wo es entlang geht.





                                                                                                                                                      Die Schilderlogik ist jetzt dergestalt, dass nur ausgeschildert wird, wenn eine Abzweigung ist. Das System ist zunächst etwas ungewohnt, wird sich aber als absolut verlässlich herausstellen. Die Beschilderung scheint also abhängig von der Grafschaft zu sein und möglicherweise auch von den dortigen Freiwilligen, welche die Route pflegen.





                                                                                                                                                      Dass von nun an die Bahnhöfe systematisch mitausgeschildert sind, ist mir da noch nicht bewusst. Die Sonne ist herausgekommen, aber trocknen tut sie nichts. Die Feuchtigkeit ist immer noch sehr hoch. Sitzen kann ich schon lange nicht mehr richtig. Die Druckstellen tun weh. Ich werde heute abend blutig gescheuert sein. Hätte ich mehr Zeit zur Verfügung, würde ich die Strecke teilen. Aber ich muss sehen, dass ich weiter kommen. Noch einen Tag Schmerzen, dann geht es sowieso nach Hause.





                                                                                                                                                      Erst denke ich, es ist ein Kunstobjekt.





                                                                                                                                                      Nein, es ist eine Landmaschine. Hier befindet sich ein Gestüt.





                                                                                                                                                      Als ich vorbeikomme, schläft der Hund wohl gerade. Dafür überfällt er den netten Rennradler, der mir freundlich grüßend entgegenkommt, als ich die Pferde fotografiere. Ich will ihn gerade von hinten fotografieren, als der Hund aus der Einfahrt geschossen kommt und das Fahrrad anspringt. Mit Mühe kann sich der Radler auf dem Rad halten. Die Flüche kann ich hier nicht wiedergeben. Man hört sie meilenweit.





                                                                                                                                                      Der Hund scheint zufrieden.





                                                                                                                                                      Der Weg ist landschaftlich sehr hübsch.





                                                                                                                                                      Der Ort heißt Ilketshall und anscheinend ist man hier stolz auf seine Natur.








                                                                                                                                                      Ich mache eine kurze Pause in der Sonne und esse den Rest die Cornish Pasty. Unerreichbar. Ich hätte mehr mitnehmen sollen. Sie schmeckt wie in Cornwall. Ein Auto kommt vorbei. Es hat eine orangene Farbe, die mir die Fußnägel hochklappt. Ich habe nichts gegen orange, aber dieses orange ist nicht zu fassen. Geschmäcker sind verschieden.

                                                                                                                                                      Die Schilder werden nun grün.





                                                                                                                                                      Spektakulär ist die Landschaft nicht. Ich ertappe mich dabei, dass ich finde, dass es jetzt überall gleich aussieht. Felder, Bäume, Dunst. Es geht jetzt nur noch um Strecke zu machen.











                                                                                                                                                      Wieder meine Lieblingsbahnübergänge. Wie lange ist das her? Ewig.





                                                                                                                                                      Schnell husche ich über den Übergang. Eine Frau kommt mir entgegen und fragt, wo ich hinwill. Ich sage: „Harwich – Hoek van Holland“. Sie lächelt und fragt, wo aus Holland ich denn käme? Ich sage, ich käme aus Deutschland, und sie ist überrascht. Ich spräche Holland aus wie ihr Ex-Mann. Er war aus Delft. Ich versuche das zu ergründen, finde aber keine Lösung. Erst zu Hause wird mir aufgrund der Verwunderung eines guten Bekannten auffallen, dass ich seit Holland das Wort Holland völlig anders ausspreche als zuvor. Nämlich holländisch. Sie hatte Recht.

                                                                                                                                                      Landschaftlich wird es jetzt wieder interessanter, denn die Sonne kommt heraus.





                                                                                                                                                      Auf dem folgenden Bild fliegt gerade eine Drohne durch das Bild. Die Vergrößerung zeigt, dass es wohl ein Käfer ist.





                                                                                                                                                      In den Büschen summt es so laut, dass es schon fast Lärmbelästigung ist.





                                                                                                                                                      Halesworth.





                                                                                                                                                      Ungefähr die Hälfte der Strecke ist geschafft. Laut Luftlinie. Es ist jetzt halb drei.

                                                                                                                                                      Das Nordseeküstenradwegschild zeigt nach links, es ist ein Bahnhofszeichen dabei. Ich biege ab. Und begreife zunächst nicht, dass es hier zum Bahnhof geht. Und nur zum Bahnhof. Zwar kommt mir die Sache komisch vor, denn ich sehe das:





                                                                                                                                                      Aber als ich nähertrete, sehe ich hinter dem Zaun das Radwegschild 1. Anscheinend muss ich den Bahnhof queren.

                                                                                                                                                      Ein Herr mit Koffer erklärt mir, dass man den Bahnhof über die Gleise wechselt. Sie sind gerade hier angekommen.





                                                                                                                                                      Okay. Dann los. Es warten Menschen auf der anderen Seite. Der nächste Zug ist nicht mehr weit. Stop. Look. Listen.











                                                                                                                                                      Auf der anderen Seite angekommen, geht eine Wohnstraße den Berg hoch. Das kann nicht richtig sein. Merkwürdig. Da bin ich doch gerade hergekommen. In der Tat. Das Schild ist das Schild der Gegenrichtung. Ach, war die Unterteilung in a und b in Holland bequem.





                                                                                                                                                      Also wieder zurück.





                                                                                                                                                      Und kaum habe ich das Gleis gequert, rollt ganz langsam rückwärts der Zug nach Ipswich ein. Und ich sehe ihn kommen und denke, wenn ich jetzt Zug fahren wollte (was ich natürlich nicht will, denn sonst heißt es ja wieder, ich würde zuviel Zug fahren), wäre das das perfekte Timing. Einfach einsteigen und davonfahren. Was für ein Zufall.

                                                                                                                                                      Und hätte ich jetzt nur ansatzweise Verstand, dann hätte ich dieses Zeichen als Zeichen verstanden und hätte mich in diesen Zug gesetzt und wäre nach Ipswich gefahren. Dort hätte ich mir ein Bett im Hostel reserviert und am Abend das Nachtleben erkundet, um meinen letzten Tag in England stilvoll mit einem großen Glas Cider zu genießen. Und wäre dann morgen nach Harwich weitergeradelt, um abends auf der Fähre Platz zu nehmen.

                                                                                                                                                      Aber leider habe ich keinen Verstand. In den nächsten Stunden werde ich ausreichend Zeit haben, darüber ausgiebig zu sinnieren. Ich fahre also weiter.


                                                                                                                                                      Zuletzt geändert von Torres; 23.10.2014, 18:45.
                                                                                                                                                      Oha.
                                                                                                                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                                                                        Fuchs
                                                                                                                                                        • 16.02.2005
                                                                                                                                                        • 2155
                                                                                                                                                        • Privat


                                                                                                                                                        #76
                                                                                                                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                        Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                        Andererseits wäre die Schnellstraße auch keine Lösung. Es dauert gute drei Minuten, bis ich sie überquert habe.
                                                                                                                                                        Naja, wie man's nimmt... Wie haben beim Verlassen Norwichs wie du Probleme mit der Ausschilderung gehabt. Allerdings sind wir auf der Schnellstraße gelandet. So richtig mit Mittelleitplanke und - Gott sei Dank - (wenn auch schmalem) Seitenstreifen. In der Hoffnung darauf, auf eine kleinere Straße zu kommen, haben wir sogar noch auf die Schnellstraße 47 in Richtung Great Yarmouth gewechselt. (Diese 4,5 km dürften zu den aufregendsten Radkilometern meines Lebens gehört haben - Übrigens hat nicht ein einziger Autofahrer gehupt oder uns irgendwie bedrängt, das wäre in D sicher anders gewesen.) Nach den 4,5 km jedenfalls kam etwas, womit nun wirklich nicht zu rechnen war: ein Pfad, der von der Schnellstraße runter und nach 50 Metern auf den Nordseeküstenradweg führte.


                                                                                                                                                        Der Weg nach Norwich hinein war für mich auch nicht ohne Probleme: Der Radweg war gesperrt und die Ausweichroute führte - natürlich passend zur Feierabendzeit - eine stark befahrene Serpentinenstrecke hinauf. Ich habe NICHT geschafft sie komplett hochzufahren und musste schieben. Einen Fußweg gab's nicht.

                                                                                                                                                        Nichts desto trotz: Norwich selbst hat mit gut gefallen.

                                                                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                                                                          Freak

                                                                                                                                                          Liebt das Forum
                                                                                                                                                          • 16.08.2008
                                                                                                                                                          • 31757
                                                                                                                                                          • Privat


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                                                                                                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                          Wenn ich das jetzt mit meiner Garminkarte bzw. meiner eigenen Route vergleiche, seid ihr eine Abzweigung zu früh abgebogen und dann am Wasserwerk wieder auf den Weg gekommen.

                                                                                                                                                          Ich fand die Autofahrer in dieser Region übrigens auch ziemlich okay. Bis auf den Motorradfahrer in der Nacht . Dass die Schnellstraße aufregend war, glaube ich Dir sofort!
                                                                                                                                                          Oha.
                                                                                                                                                          (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                                                                            • 31757
                                                                                                                                                            • Privat


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                                                                                                                                                            Watt mutt, datt mutt.


                                                                                                                                                            Zunächst bin ich mit meiner Entscheidung sehr zufrieden. Ich finde das passende Schild und quere den Ort.





                                                                                                                                                            Kurz darauf bin ich in einer wundervollen Landschaft. Anscheinend ein Park. Er grenzt an die Eisenbahn.





                                                                                                                                                            Ich möchte mich dennoch versichern, ob ich richtig bin und frage ein Ehepaar, das hinter mir geradelt ist. Ja, ich bin richtig. Sie fahren E-Bike. Der Mann hat es gerade geschenkt bekommen und kann mit ihm noch nicht ganz umgehen. Er fährt Schlangenlinien und es ruckelt, als er anfährt. Die Frau zeigt ihre Freude. Jetzt ist er wieder mobil.








                                                                                                                                                            Auf den Wiesen weiden großen Rinderherden. Nur durch Rüttelgitter von der Stadt getrennt. Ein Foto von ihnen mache ich nicht.














                                                                                                                                                            Eine kleine Steigung. Vielleicht ist sie der Grund für das E-Bike.





                                                                                                                                                            Hoffe ich.


                                                                                                                                                            Es wird jetzt wieder etwas hügeliger, aber die Strecke ist noch akzeptabel.








                                                                                                                                                            Die Kirche von Peasenhall. Es ist jetzt 16.00 Uhr.





                                                                                                                                                            Hübsch aufgereiht stehen die Häuser an der Landstraße.





                                                                                                                                                            Und dann ist Schluss mit lustig. Unvermittelt wird es richtig hügelig. Aber es sind nicht die Hügel, die ich so mag, sondern enge, uneinsehbare Hügel. Auf der Straße „Bremsbelag“. Muss das sein? Das Sinnieren über meinen Verstand beginnt.





                                                                                                                                                            Ich geben mein Bestes. Manchmal kann ich fahren, manchmal muss ich schieben. Es ist hier längst nicht so hilly wie Lincolnshire, aber immer noch hilly genug. Ich fluche. Hätte ich Verstand gehabt, hätte ich die Bahn genommen. Immer, wenn es darauf ankommt. Warum passiert das immer mir.


                                                                                                                                                            Der nächste Bahnhof ist in Saxmundham. 11 Meilen bis zur nächsten Bahn. Empört weise ich das Ansinnen von mir. Man hat ja seinen Stolz. Ich biege ab und bereue es kurz darauf wieder. Anscheinend bin ich in einem Zustand, der einer Gehirnwäsche ähnelt.





                                                                                                                                                            Ein furchtbarer Verdacht keimt in mir auf. Sollte diese Strecke vielleicht eine lokale Radroute sein? Für irgendwelche Wochenendradfahrer, die von Bahnhof zu Bahnhof radeln, den ganzen Tag Zeit haben und endlich mal etwas erleben wollen? Oder wurde sie von irgendwelchen sportlichen, zwanzigjährigen Rennradlern ausgesucht, die mit der Bahn aus der Stadt hinausfahren, um sich auszutoben? Anders kann ich mir die Streckenwahl nicht erklären.








                                                                                                                                                            Einen Blick für die Natur habe ich jetzt kaum noch. Mal abgesehen davon, dass es hier landschaftlich nicht mehr so abwechslungsreich aussieht. Dazu sind die Hügel wiederum zu flach. Vermutlich haben die Rennradler genau die Straßenbreiten ausgesucht, die besonders hügelig sind. Damit die Reiseradler ihren Spaß haben. Harharhar. Wie spaßig.
                                                                                                                                                            Ehrlich gesagt glaube ich aber, sie haben sich nichts dabei gedacht. Es ist hier eben so.


                                                                                                                                                            Wieder wird es diesiger. Meine Hose reibt weiterhin. Schmerzdoping, das einen weitertreibt.





                                                                                                                                                            Immerhin sind dann auch mal Straßen dabei, die man ausfahren kann. Der Straßenbelag bleibt katastrophal.





                                                                                                                                                            Okay. Manchmal ist es hier doch ganz hübsch.





                                                                                                                                                            Ich setze mir eine Deadline. Ich fahre bis 17.00 Uhr und dann suche ich mir ein B&B. Wo ich dann auch immer bin. Campingplätze sehe ich im Navi keine und wenn, sind sie nicht am Weg. Das Risiko, Umwege zu fahren, die sich als Sackgasse entpuppen, möchte ich nicht eingehen.








                                                                                                                                                            Zwischendrin habe ich kleine Tiefs und überlege, dass ich jetzt einfach mein Zelt irgendwo auf ein Privatgrundstück stelle und hoffe, dass man mich verhaftet. Dann bitte ich die Polizei, mich nach Ipswich zu fahren und alles wird wieder gut.


                                                                                                                                                            Brabling Green. Ein Weingut. Es ist jetzt zehn vor fünf.





                                                                                                                                                            Ich bin nun kurz vor Framlingham. Und meine Laune ändert sich schlagartig. Wunderschön. Das hier ist bestimmt ein netter Ort.








                                                                                                                                                            Auf dem Sportplatz trainieren Soldaten.


                                                                                                                                                            Etwas später sehe ich die Burg in voller Pracht. Das sieht nach Tourismus aus. Es müsste hier doch B&Bs geben. So ein nettes, gemütliches Bett und am Abend dann Essen gehen und einen kleinen Stadtbummel machen. Ah, das wäre doch ein schöner Abschied.








                                                                                                                                                            Am Kreisverkehr frage ich einen gutgekleideten Mann nach Unterkünften. Er mir mitteilt, dass es ein B&B am Gewerbezentrum gibt. Als ich nach Alternativen frage, ist er etwas ungehalten. Es sei das einzige, was er kenne, er sei hier auch nur Gast.

                                                                                                                                                            Ich folge seinem Hinweis, obwohl das B&B nicht an meiner Route liegt. Es ist Berufsverkehr, und ich brauche ewig, um die Straße zu überqueren. Das Station Hotel taucht auf. Es ist ein Pub, aber ein Schild lässt auf Vermietung schließen. Gemütlich sieht es nicht aus.
                                                                                                                                                            Ich will einen Weinhändler nach dem B&B fragen, er ist aber mit einer kapriziösen Kundin beschäftigt, die durch den Laden trillert. Daher halte ich einen jungen, tiefenentspannten Mann an. Kennt er nicht. Wäre ja nicht weit, ich soll doch einfach vorbeischauen.

                                                                                                                                                            Der Ort ist nun zu Ende und ich werde langsamer. Ich hätte zwar Lust, ein Zimmer im Ort zu mieten, aber nicht das Bedürfnis an einer Ausfallstraße zu übernachten. Die Vision eines funktionellen Kleinhotels taucht vor meinem Auge auf, und ich merke, ich habe keine Lust auf Gewerbezentren. Der nachträgliche Blick auf die Straßenansicht zeigt mir, dass ich wohl richtig gelegen habe. Ich biege in eine Tankstelle ab, kaufe Mineralwasser und frage die Frau hinter dem Tresen. Von dem B&B am Gewerbezentrum weiß sie nichts. Aber sie kennt ein B&B an der Schule. Sie erklärt den Weg, den ich mir aber leider nicht vollständig merken kann.

                                                                                                                                                            Ich fahre zurück. Ich schiebe die hügelige Straße hoch und halte Ausschau nach dem B&B. Die Schulstraße finde ich noch, aber dann sehe ich keine Schilder. Sollte ich jetzt die vierte oder die dritte links? Keine Ahnung mehr. Menschen sind keine zu sehen. Weiter. Es ist jetzt halb sechs.

                                                                                                                                                            Archies Camping weist einen Campingplatz auf einer Farm aus. Ich bin skeptisch, denn ich vermute, dass es ein Caravan Park ist. Aber es hilft nichts. Das ist meine letzte Hoffnung. Bisher hat Archies immer funktioniert. 3 Meilen ist er entfernt. Ich gebe Gas.
                                                                                                                                                            An der angegebenen Stelle taucht eine Farm taucht auf , aber es gibt weder ein Schild noch sehe ich eine Zeltwiese oder Wohnmobile. Ein junge Frau kommt zufällig auf dem Rad vorbei, und ich frage, ob sie weiß, ob hier ein Campingplatz ist. Nein. Sie bleibt stehen.
                                                                                                                                                            Ich sehe eine Frau auf dem Hof und rufe. Sie kommt zum Zaun und ist sofort äußerst ungehalten. Sie ist der Typ eigenbrötlerische, hagere Pferdebesitzerin Mitte 50. Sie wirkt, als wäre sie mit Gott und der Welt im Clinch. Hier wäre vor Jahren mal ein Wohnmobilstellplatz gewesen und den gäbe es aber schon lange nicht mehr. Sie könnte nicht verstehen, dass immer noch Leute kämen. Sie wolle damit nichts zu tun haben. Neulich waren wieder Leute aus Holland da.
                                                                                                                                                            Ich frage, ob Sie einen Campingplatz wüsste. Nein. Und es wäre auch nicht ihr Problem.

                                                                                                                                                            Das Mädel steht immer noch da und überlegt laut mit. Der Frau wird daraufhin etwas milderer Stimmung und ihr fällt darauf hin noch Charsfield ein (ich glaube mich zu erinneren, dass es Charsfield war. Es war ein Ort mit C.). Es seien nur 1,5 Meilen. Ich müsse nur den Weg hinunterfahren und dann immer geradeaus. Aber Charsfield liegt nicht am Weg und mein Navi findet dort auch keinen Camingplatz. Möglicherweise verwechselte sie Charsfield mit Cretingham, denn dort gibt es einen Campingplatz am Golfplatz. Mit dieser Angabe, hat die Frau ihre Pflicht getan und stapft missmutig zu ihrem Haus. Sie zu fragen, ob ich dennoch hier zelten könnte, wage ich nicht.

                                                                                                                                                            Ich wende und gebe Gas. Was soll ich auch anderes tun. Das Mädel fährt hinter mir her und fragt, ob ich okay sei. Ich sage ja, aber eigentlich bin ich stinkwütend. Auf mich (weil ich nicht Bahn gefahren bin), auf die Frau (hätte mir ja eine Wiese anbieten können), Archies Camping (wieso stimmte die Angabe nicht) und dann wieder auf mich (wieso kann ich nicht schneller radeln) und auf mich (hätte ich nicht nach B&Bs gesucht, wäre ich schon viel weiter). Das Mädchen fragt, was ich denn jetzt vorhätte. „Ich fahre jetzt nach Ipswich. Und wenn ich vom Fahrrad falle.“, knurre ich. Sie könne mir einen Tee anbieten, sagt sie tröstend. Sie wohne gar nicht weit weg in Framlingham. Sie ist wirklich nett. Ich halte kurz an und bedanke mich herzlich. Aber Umwege kann ich jetzt nicht mehr machen. Ich muss morgen mindestens Ipswich erreichen und wenn das so weiter geht, ist Ipswich noch weit. Irgendetwas wird mir schon einfallen. Mir ist noch immer etwas eingefallen. Ich biege in den Radweg ein, während sie nach Framlingham weiter fährt.

                                                                                                                                                            Die Umwege haben mich fast eine Stunde gekostet. Es ist jetzt Viertel nach sechs. Eine Zeitlang komme ich gut voran, dann gibt es wieder Schiebestrecken.








                                                                                                                                                            Ich suche im Navi nach einer Lösung, finde aber keine. Es hilft nichts. Ich muss auf ein Wunder hoffen. Die Sonne geht bald unter.





                                                                                                                                                            Schön, oder? Das muss ich nun auch einmal zugeben. Diese Momente möchte ich nicht missen.





                                                                                                                                                            Zwei Rennradler überholen mich und grüßen. Ich rufe, ob sie mir helfen können und sofort bremsen sie ab und fahren neben mir her. Einen Campingplatz? Nein, sie wissen keinen. Ein B&B? Vielleicht in Easton. Da gab es mal etwas. Und Wickham Market könnte ein B&B haben. Genau wissen sie es nicht, aber der Ort ist größer. Da gibt es irgendetwas. Vielleicht sogar Camping. Ich solle in Easton fragen. Mein Garmin hatte mir bereits länger ein B&B in Wickham Market angezeigt, aber der Name Checkers B&B klang wie eine Steakkette oder ein Motel. Vielleicht ist das meine letzte Rettung? Ich muss es riskieren.

                                                                                                                                                            Ein steiler Hügel kommt, und ich bedanke mich bei den Rennradlern. Hier muss ich schieben. Sie sollen fahren. Dankbar geben sie Gas und wünschen viel Glück.

                                                                                                                                                            Ich komme an eine Weggabelung und speichere den Punkt ein. Dann biege ich nach Easton ab. Der ehemalige Pub scheint ein gutes Restaurant zu sein, und der Besitzer bestätigt, dass ich in Wickham Market eine Unterkunft finde. In Easton gibt es nichts. An der Straße ist eine Baustelle.

                                                                                                                                                            Ich sause ins Tal und bin in bald Wickham Market. Aber wo ist das B&B? Mein Garmin gibt mal wieder einen ungenauen Ort an. Ich frage eine Frau, die auf der Straße steht und die fragt eine andere Frau. Oh ja, Das ist der ehemalige Pub. Ein paar Meter weiter. Da sind Sie richtig. Aha. Tatsächlich, dort ist es.

                                                                                                                                                            Ich hatte mir das B&B viel größer vorgestellt. Es scheinen nur wenige Zimmer zu sein. Vermutlich ist nichts mehr frei. Was ist das heute für ein Unglückstag, was soll ich denn nur machen. Heather. Wo bist Du? Ich brauche Hilfe.
                                                                                                                                                            Ich trete dennoch an den Zaun. Es riecht nach frischer Wäsche. Ich öffne das Gatter und rufe in den Hof. Hübsch ist es hier. Und bestimmt teuer. Man kann in die Küche schauen, es brennt ein heimeliges Licht.

                                                                                                                                                            Eine nette Dame kommt heraus. Sie ist der Typ „Mutter von 5 Kindern, nebenher den ganzen Betrieb schmeissen und immer gut gelaunt.“ Wenn sie einmal nicht mehr kann, bricht vermutlich alles zusammen. Ich frage sie, ob sie ein Zimmer für mich hätte. Ich bräuchte einfach nur ein Bett und einen Platz für mein Fahrrad. Oder einen Platz für mein Zelt. Sie überlegt. Ja, das Garden House wäre frei. Aber, sagt sie mütterlich, ein paar Meter entfernt ist ein Campingplatz, da hat im Sommer meine zukünftige Schwiegertochter gewohnt. Fahren Sie doch einfach dort hin, da sparen Sie viel Geld. Ich nehme für das Zimmer 60 Pfund.

                                                                                                                                                            60 Pfund (76 Euro) sind nicht wenig, und ich bedanke mich für den Tipp mit dem Campingplatz. Einfach nur die Straße hoch. Das ist wirklich einfach. Ich greife nach meinem Fahrrad, doch in meinem Herzen gibt es einen kleinen Stich, als ich mich fortbewege. Der Geruch nach frischer Wäsche. Ein Bett wäre eigentlich auch mal schön gewesen.
                                                                                                                                                            Ich finde die Straße sofort. Ich schiebe die steile Straße hoch und stehe etwas verloren vor einem weitläufigen Campingplatz. Er ist fast leer, die Gäste sind alle abgereist, nur ein Wohnwagen mit einem sehr großen Vorzelt ist noch am Ort. Bäume umfassen den Platz, aber ebene Stellen für mein Zelt sehe ich nicht. Der Platz scheint tief ins Tal zu gehen. Ein Grillplatz, der von schönen Sommertagen kündet. Die Schilder hängen noch herum. Wären hier viele Menschen, wäre der Platz sicherlich schön. Aber heute ist er trostlos und leer. Und ich merke, dass ich auf Zelten überhaupt keine Lust habe.
                                                                                                                                                            Ich klingele an der Tür der Besitzer und hoffe, dass keiner da ist. Ich brauche irgendeinen Grund, um doch zum B&B zu fahren. Aber wenn die Besitzer nett sind, würde ich wohl zelten. Auf mein Klingeln reagiert niemand, aber der Mann, der in dem Wohnwagen mit Vorzelt wohnt, erklärt mir, ich solle mich irgendwo hinstellen. Die Besitzer kämen dann morgens zum Kassieren. Meine Kamera kann ich im Nebenraum aufladen. Die Sanis sind offen.

                                                                                                                                                            Der ideale Platz. Günstig. Natur. Und trotzdem fühle ich mich unglücklich. Der Verkehr der Schnellstraße in der Nähe rauscht durch das Tal. Morgen wird wieder alles voller Nebel sein. Alles, was ich anhabe, ist feucht und wird über Nacht auch nicht trocken. Die Sonne ist bereits untergegangen, die Feuchtigkeit wird bald kommen. Jetzt das Zelt aufbauen? Duschen? Und dann die nassen Sachen im Zelt verteilen? Auf diesem leeren Platz? Ich denke an den Platz in Norwich. Ich fühlte mich so umsorgt.

                                                                                                                                                            Der Mann ist wieder zu seinem Wohnwagen zurückgelaufen. Ich atme tief ein, und ohne mein Zutun setzen sich mein Fahrrad und meine Beine in Bewegung. Ich fahre grundsätzlich nicht zurück, das tue ich nie, und wie es kommt, dass ich mich ganz langsam dem Ausgang des Platzes nähere, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich war das nicht. Das ist ferngesteuert. Der Wohnwagen ist jetzt auf meiner Höhe. Der Mann und seine Frau machen Barbecue, der Grill bläst Rauch in die Landschaft. Sie essen. Zu mir schauen sie nicht.

                                                                                                                                                            Und dann sitze ich plötzlich auf meinem Fahrrad und mit dem Geruch von frischer Wäsche in der Nase fahre ich so schnell ich kann zum B&B zurück. Hoffentlich ist das Zimmer noch frei. Hoffentlich. Ich habe Urlaub. Mein allerletzter Tag. Ich werde mir jetzt etwas Gutes tun.

                                                                                                                                                            Die Frau ist erstaunt und auch ein wenig erschrocken. War ihre Empfehlung nicht gut genug? Ich versuche sie zu beruhigen. Doch. Im Sommer sicherlich einer schöner Platz. Aber heute kalt und leer. Ich möchte heute abend einfach ein Bett. (Der Campingplatz scheint tatsächlich nett zu sein: Klick. Man kann sogar Helsport Zelte mieten: Das Varanger und das Valhalla.)

                                                                                                                                                            Sie führt mich in den Garden Room, und ich kann es gar nicht glauben. Ein großes Bett. Eine Tisch mit zwei Sesseln. Hier wird morgen das Frühstück serviert. Eine Radiatorheizung. Luxus.








                                                                                                                                                            Auf einem Zettel trage ich meine Frühstückswünsche ein. Schon alleine die Aussicht auf Frühstück lässt den Preis für das Zimmer kleiner werden. Und ich merke, wie sich meine Anspannung löst und ich mich freue, heute etwas für mich tun zu können.





                                                                                                                                                            Ich hole die wichtigsten Sachen mit in den Raum. Gut rieche ich nicht, das steht schon mal fest. Ich verteile meine Sachen im Zimmer. Wie schön. Dusche und Toilette nur für mich.

                                                                                                                                                            Und dann dusche ich. Lange. Heiß. Düfte. Ich nebele den ganzen Raum mit dem bereitsgestellten blumigen Shampoo ein und fühle mich so gut wie nie in meinem Leben. Bodylotion. Ich habe immer noch den Sonnenbrand am Arm und die Hitzebläschen sind geplatzt. Das Cremen kann meinem Körper nur gut tun. Am Handballen zeigen sich dicke Schwielen. Sie kommen vom bergan fahren und dem dadurch entstehenden Druck. Meine wunden Stelle entpuppen sich „nur“ als Reibung. Sie sind zwar knallrot und tun höllisch weh, aber nässen tun sie nicht und wird nach drei Tagen verschwunden sein. Ich creme sie mit Hirschtalgcreme ein. Morgen werde ich mit der Trekkinghose fahren müssen.
                                                                                                                                                            Ich wasche die nötigsten Dinge aus: Meine Radhose, damit ich sie sauber wegpacken kann. Das Handtuch. Der Rest kommt in einer Tüte in den Packbeutel mit der Wäsche. Die Reserveausstattung kommt ins Gepäck. Sie werde ich morgen anziehen. Ich muss sowieso für die Fähre packen.

                                                                                                                                                            Ich stelle die Heizung auf 5 und genieße die Wärme. Der Radiator brennt die ganze Kälte und Feuchte der letzte Tage aus meinen Körper weg. Das Handtuch und die Radhose lege ich zum Trocknen darauf. Mit dem Wasserkocher koche ich einen Tee. Die Teebeutel stehen daneben. Ebenso eine große stilvolle Flasche mit entkalktem Wasser.

                                                                                                                                                            Ich könnte jetzt indisch oder asiatisch essen gehen im Ort, aber es gerade so schön warm geworden. Ich hole das Baguette aus der Tasche und belege es mit meinem Reserve-Cheddarkäse. Es schmeckt köstlich. Essen wie in Frankreich. Wer hätte gedacht, dass es Engländer gibt, die Baguette machen können. Und dann in einem kleinen Ort. Ich hätte den ganzen Korb kaufen sollen.

                                                                                                                                                            Das Zimmer sieht jetzt standgesgemäß unordentlich aus, und ich krieche unter die Bettdecke. Schwer liegt das Daunenbett auf mir. Das Bett ist weich, aber nicht zu weich. Ich fühle mich wie ein König in einem Schloss. Ach, ist das schön.

                                                                                                                                                            In dieser Nacht schlafe ich ohne aufzuwachen tief und traumlos durch.


                                                                                                                                                            Zuletzt geändert von Torres; 27.10.2014, 07:43.
                                                                                                                                                            Oha.
                                                                                                                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                                                                              • 31757
                                                                                                                                                              • Privat


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                                                                                                                                                              Abschied.

                                                                                                                                                              Do, 18.09.2014
                                                                                                                                                              Wickham Market – Ipswich/Harwich, 62,4 km

                                                                                                                                                              Am Morgen trete ich aus der Tür und sehe mit einer tiefen Befriedigung dichten Nebel. Bin ich froh, jetzt nicht auf einer feuchten Wiese zu stehen, sondern luxuriös meine trockenen Sachen einpacken zu können. Schnell mache ich Ordnung in dem Zimmer, bevor das Frühstück kommt und trage die ersten Sachen zum Fahrrad.





                                                                                                                                                              Um halb acht klopft es an der Tür und das Frühstück wird serviert. Genial, oder?





                                                                                                                                                              Das ist die Vorspeise. Der Fruchtsalat ist großartig. Vitamine. Dann kommt der Hauptgang.





                                                                                                                                                              Das Würstchen hatte mir die Dame empfohlen. Es ist von einem Schlachter aus der Region und schmeckt wirklich fantastisch. Das hat nichts mit den üblichen englischen Pappwürstchen zu tun, sondern schmeckt wie eine gutgewürzte grobe Bratwurst. Ich gönne mir heute diesen Luxus. Es ist ja der letzte Tag, auf meine Knie muss ich nicht mehr achten.

                                                                                                                                                              Um halb neun verlasse ich die gastliche Stätte. Vermutlich hätte ich auch auf dem Campingplatz gut geschlafen. Aber gestern Abend war es genau die richtige Entscheidung. Ich fühle mich rundum wohl.





                                                                                                                                                              Aus dieser Straße bin ich gestern gekommen. Einen kurzen Moment überlege ich, einfach per Navi in Richtung Ipswich zu fahren, um schneller zu sein. Aber so kurz vor dem Ziel will ich nun den Radweg nicht verlassen. Hätte ich es mal getan. Stattdessen biege ich ab.





                                                                                                                                                              Blick zurück auf Wickham Market.





                                                                                                                                                              Das Restaurant in Easton, in dem ich gestern gefragt habe.





                                                                                                                                                              Die Kirche.





                                                                                                                                                              Diese Anlage ist zu verkaufen.





                                                                                                                                                              Die Fahrt zurück zum Startpunkt war angenehm und nicht zu steil. Bald stehe ich vor dem Schild.








                                                                                                                                                              Meine Laune bekommt aber schon bald einen Dämpfer. Denn der Radweg ist nicht zielführend. Er macht im Zickzack einen großen Bogen und immer wieder tauchen die gleichen Ortsnamen mit ähnlichen Kilometerangaben auf. Framlingham 3 Meilen. Soweit war ich doch gestern schon.





                                                                                                                                                              Auch hier ist es ziemlich hügelig – erheblich hügeliger als die Straße, der ich aus Wickham kommend gefolgt bin. Also heißt es an einigen Stellen wieder schieben. Eine Furt. Man beachte die Messskala. Anscheinend rechnet man hier mit sehr hohen Wasserständen.





                                                                                                                                                              Was runter geht, geht auch wieder hoch. Die Straßen sind schmal, und die Kurven sind eng. So richtig Gas geben kann man bergrunter nicht, weil man schauen muss, was hinter der Kurve kommt.





                                                                                                                                                              Wieder einmal Nebelbilder. Es ist sehr herbstlich geworden in den letzten Tagen.





                                                                                                                                                              3 Meilen bis Wickham Market. Interessant. Als ich Wickham Market verließ, waren es auch 3 Meilen. Und Easton ist laut Schild eine halbe Meile entfernt. Ist das nicht schön? Da war ich vor ungefähr anderthalb Stunden schon einmal. So ganz traue ich den Zahlen nicht. Eigentlich kann das nicht sein.








                                                                                                                                                              Nicht sehr angenehm ist außerdem der Straßenbelag. Es sind Risse im Belag oder der Belag ist sehr grob. Mit Erstaunen sehe ich außerdem, dass auf meiner Karte eine völlig andere Route eingezeichnet ist. Die Route der offiziellen Website verlief viel weiter westlich in einer relativ direkten Linie. Anscheinend wurde irgendwann die Streckenführung geändert.





                                                                                                                                                              Die Hügel sind auch hier nicht nach meinem Geschmack. Immer wieder muss ich schieben. Hätte ich nun noch eine Woche Zeit, würde ich die Fahrt sicherlich genießen. Aber ich stehe unter Druck und so hält sich meine Begeisterung in Grenzen.








                                                                                                                                                              In der Ferne vermutlich die Kirche von Hoo.





                                                                                                                                                              Wieder einmal sind die Autos schnell und laut. Aber es sind wenige und eine Bedrohung sind sie nicht. Der Straßenbelag bleibt schlecht.





                                                                                                                                                              Ich erreiche Charsfield. Sollte hier ein Campingplatz sein? Ich sehe keinen. Ich bin froh, gestern meinen eigenen Weg gefahren zu sein.





                                                                                                                                                              Herbststimmung.





                                                                                                                                                              Etwas weniger als 3 Meilen bis Wickham Market.





                                                                                                                                                              Nur wo Du zu Fuß warst.....





                                                                                                                                                              Ein Zeltplatz mit B&B kurz vor Bredfield.





                                                                                                                                                              In Bredfield sehe ich einen Village Shop und biege in die Einfahrt ein.





                                                                                                                                                              Er wird von Frauen betrieben, die sich zusammengeschlossen haben, um die Versorgung im Ort zu gewährleisten. Ich kaufe Geschenke für zu Hause, die sehr gut ankommen werden. Als ich die Sachen auf den Tresen lege, beginnt eine der Damen sofort an zu kassieren, obwohl ich noch Joghurt und Milch holen will. Anscheinend hat sie Angst, dass ich es mir anders überlege. Es sind selbstgemachte Handarbeitssachen, und ich schätze, sie brauchen das Geld.

                                                                                                                                                              Eine der Frauen fragt, wo ich herkomme. Ihr Akzent kommt mir bekannt vor und tatsächlich ist sie aus Deutschland. Sie hat hierher geheiratet und erzählt, dass es in ihrer Familie viele Unglücke gab. Aber hier gab es auch viel Unglück, so einfach war das mit ihrem Mann nicht. Immer hin und her. Ob ich Lust auf einen Kaffee hätte.
                                                                                                                                                              Neugierig und mit einem etwas scharf Tonfall fragt eine Engländerin, worüber wir reden. Ich erzähle, dass meine Gesprächspartnerin mich zu einem Kaffee einladen wollte, und sie ist ein wenig beruhigt. Vermutlich ist meine Gesprächspartnerin ein Plappermaul. Sie dürfte mindestens 70 Jahre sein. Ich hätte Lust, noch ein bisschen zu reden, aber dann schaffe ich die Strecke nicht. Wer weiß, wie weit es noch ist.
                                                                                                                                                              Schade. Ich hätte mir einfach mehr Zeit lassen sollen. Die nächste Reise wird wieder anders.








                                                                                                                                                              Weiter geht es. Es ist jetzt zwanzig vor elf. Die Damen in dem Village Shop haben mir gute Laune gemacht.





                                                                                                                                                              Die Straßen sind immer noch schlecht, und immer wieder muss ich schieben. Ich hätte mir einen netteren Abschied gewünscht.











                                                                                                                                                              Herbstblätter auf „Bremsbelag“.





                                                                                                                                                              Ein Landrover taucht neben mir auf. Das Auto ist mit Blumen übersäht. Prilblumen. Interessant, was es so alles (noch) gibt.





                                                                                                                                                              Eigentlich will ich nach Ipswich. Der Radweg leider nicht. Immerhin bin ich nun nach gut zwei Stunden Fahrt bereits 8 Kilometer von Wickham Market entfernt.





                                                                                                                                                              Flach.





                                                                                                                                                              Ich bin jetzt kurz vor Woodbridge.





                                                                                                                                                              Und meine Stimmung sackt in den Keller. Woodbridge? Wieso Woodbridge. Ich bin eine riesige Schleife gefahren. 21 km liegen jetzt hinter mir und ich bin Ipswich nur geringfügig näher gekommen. Das darf doch alles nicht wahr sein.


                                                                                                                                                              Dass Woodbridge eine Windmühle hat, kann mich nur wenig trösten.





                                                                                                                                                              Windmühlen. Morgen früh bin ich vermutlich in Holland. Ich kann es noch gar nicht glauben. Vorausgesetzt, dass ich es schaffe, irgendwann einmal nach Harwich zu kommen.

                                                                                                                                                              Ich fahre geradeaus in die Innenstadt. In der Fußgängerzone ist viel Betrieb.





                                                                                                                                                              Da ich kein weiteres Schild sehe, quere ich sie und komme am Parkplatz eines Supermarktes heraus. Falsch. Also wieder zurück. Ein Straßenmusiker sitzt an der Ecke und spielt Gitarre. Sie ist schlecht gestimmt oder schlechter Qualität aufgrund der Feuchtigkeit, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, entweder der Gitarre oder ihm etwas anzutun. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Ich kann solche Geräusche nicht mehr ertragen. Dann schimpfe ich mit mir. So etwas darf man noch nicht einmal denken.

                                                                                                                                                              Endlich entdecke ich das Schild. Wenn man weiß, wo es ist, ist es ganz einfach.





                                                                                                                                                              Also noch einmal. Ich muss in die Einkaufsstraße einbiegen. Ich schiebe mein Fahrrad hindurch und mache erst in einer Nebenstraße ein Foto.





                                                                                                                                                              Eigentlich ein hübscher Ort. Aber ich muss doch weiter. Die Kamera stellt leider nicht scharf.





                                                                                                                                                              Ich bin jetzt wieder richtig.





                                                                                                                                                              Eine Seniorenresidenz, wenn ich das richtig verstehe. Gegründet 1537. Gibt es bei uns auch im Jahre 1537 gegründete Altersheime?








                                                                                                                                                              Woodbridge scheint ein zentraler Ort in der Gegend zu sein. Und hat natürlich einen Bahnanschluss. Sicherlich ein Grund, warum die Wegführung geändert wurde. Hätte ich gewusst, dass Woodbridge vom Nordseeküstenradweg durchquert wird, hätte ich gestern versucht, hier eine Unterkunft zu finden, statt in Framlingham. Ob das besser gewesen wäre, weiß ich nicht. Einen Campingplatz scheint der Ort nicht zu haben.


                                                                                                                                                              Wieder einmal schiebe ich mein Rad eine lange Strecke den Hügel hinauf. Es ist jetzt halb zwölf. Von Ipswich bis Harwich sind es 80 Kilometer. Wie soll ich das heute noch schaffen?


                                                                                                                                                              Und so stehe ich um zwanzig vor zwölf vor einer folgenschweren Entscheidung. Dem Nordseeküstenradweg weiter folgen bis Ipswich und dann dort fragen, ob es kurze Nebenwege nach Harwich gibt (gibt es nicht)? Und wenn nicht, die Bahn nehmen?
                                                                                                                                                              Oder den Radweg verlassen und nach Felixstowe radeln, um dort mit der Fähre nach Harwich überzusetzen? Oder einem ganz anderen Radweg folgen?





                                                                                                                                                              Diesem Schild zufolge geht der Radweg 1 geradeaus.





                                                                                                                                                              Ein älterer, drahtiger Radfahrer kommt vorbei und fragt, ob ich alright bin. Ich frage ihn, ob die Fähre nach Harwich noch fährt. Ja, sagt er, die fährt bis Ende September. Ich kann ruhig über Felixstowe fahren.

                                                                                                                                                              Einen Moment bin ich mir unschlüssig, dann entscheide ich mich für Felixstowe. Dann kann ich jedenfalls sagen, dass ich „by fair means“ nach Harwich gelangt bin. Ob die Entscheidung klug ist, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Ipswich ist geschätzt ungefähr 10 km entfernt. Ich werde es sehen.

                                                                                                                                                              Ein schöner Radweg, das merke ich bald. Vor allem kann man hier wieder unbeschwerter fahren. Auf der linken Seite sieht man den River Orwell.





                                                                                                                                                              Ich schiebe eine Straße hoch und zu meiner Überraschung ist die Straße klitschnass.





                                                                                                                                                              Bald entdecke ich die Quelle. Anscheinend ist der Zustand bekannt.





                                                                                                                                                              Moin.





                                                                                                                                                              Fünfeinviertel Meilen. Bald entscheidet sich mein Schicksal. Ich hoffe, dass die Fähre wirklich fährt. Noch könnte ich nach Ipswich abbiegen. Eine Sekunde bin ich mir nicht mehr sicher. Aber ich habe mich entschieden. Also fahre ich jetzt weiter.





                                                                                                                                                              Ich komme wieder ganz gut voran. Dann muss ich eine sehr große Straße überqueren, die A 14. Es gibt eine Fußgängerbrücke, wenn ich das richtig erinnere. Aber Fotos mache ich nicht.
                                                                                                                                                              Ich erreiche Kirton und fahre in einen Kreisverkehr hinein. Ein Auto kommt in flotter Fahrt um den Kreisel gefahren, macht irgendwelche Zeichen und bremst hart in einer Parkbucht vor mir. Der Fahrer springt heraus. Was hat der denn? Ich bin so gut erholt, dass ich mich gar nicht erschrecke, ich bin nur verwundert. Interessiert der Mann sich für mich? Wieso? Ich kenne hier doch niemanden.

                                                                                                                                                              In der Tat gilt seine Bremsung mir. Er läuft auf mich zu und es sprudelt aus ihm heraus. Er ist der Mann mit dem Rennrad, den ich vorhin nach der Fähre gefragt habe. Die Fähre fährt nicht. Er hat dort eben angerufen. Sie fährt nur bis Ende August. Es tut ihm leid.
                                                                                                                                                              Ich bin wie versteinert. Das darf doch nicht wahr sein. Den ganzen Weg also wieder zurück. Es hätte ja heute mal gut gehen können. Wieso habe ich kein Glück?
                                                                                                                                                              Der Mann ist wirklich zu Tode betrübt. Er hat sich umgezogen und dann das Auto geholt, um mich abzufangen. Wie gut, dass ich nicht nach Ipswich abgebogen bin, denke ich. Er hätte ewig gesucht. Aufgeregt erklärt er mir, wie ich jetzt fahren soll. Apathisch nicke ich. Er wird an einer bestimmten Stelle warten und mir dann zeigen, wie es weitergeht. Ich bedanke mich, und er entschuldigt sich noch einmal. Kein Problem. Kann er doch nichts dafür. Er setzt sich wieder ins Auto, und ich fahre los.

                                                                                                                                                              Er steht an einer Bushaltestelle, an der die Landstraße in die Schnellstraße übergeht. Ich mache ein Foto, das weiß ich genau, aber das Foto ist weg. Ich habe es wohl gelöscht, als mir die Kamera auf der Fähre aus der Hand glitt. Das ärgert mich jetzt, auch wenn man nicht viel von ihm sah. Es war ja aus der Entfernung heraus fotografiert.
                                                                                                                                                              Er schärft mir ein, wie ich fahren soll: Immer geradeaus. Erst dem Radweg folgen und dann immer weiter geradeaus. Die Straße ist flach. Wenn eine T-Kreuzung kommt, links abbiegen. Er hämmert mir den Weg ein, denn ich bin ziemlich orientierungslos und kann nicht glauben, dass ich hier an der Straße sicher entlang fahren kann. Erst kurz darauf sehe ich, dass an der Schnellstraße ein Radweg entlang führt.

                                                                                                                                                              Ich bedanke mich und bin mit den Gedanken schon auf der Strecke. Ich gebe Gas. Es ist wirklich flach und der Asphalt ist gut. Zwei Mofafahrer machen Unsinn und fahren auf dem Radweg rum, aber ich fahre einfach an ihnen vorbei. Der Radweg endet und geht in eine Landstraße über. „Geradeaus. Immer geradeaus. Bis zur T-Kreuzung.“
                                                                                                                                                              Ein Radwegschild erscheint. Der Weg geht links ab und wird wohl Nebenstraßen nutzen. Einen Moment überlege ich, dann erinnere ich mich an die Worte des Mannes: „Geradeaus. Immer geradeaus. Bis zur T-Kreuzung. Die Straße ist flach.“ Der letzte Satz gibt den Ausschlag. Bitte keine Umwege mehr. Wieder gebe ich Gas. Die Landstraße wird vierspurig, und ich fahre immer, immer weiter. Die Autos scheint das nicht zu stören, sie überholen ruhig und ohne Stress. Ich fühle mich, als würde ich fliegen. Endlich wieder Radfahren.

                                                                                                                                                              Zwei Campingplätze in Foxhall. Sie nutzen mir nichts mehr. Ob die T-Kreuzung davor oder dahinter ist, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall biege ich irgendwo links ab.





                                                                                                                                                              Der Verkehr wird dichter, und ich fahre immer weiter. Teilweise gibt es Radwege an der Straße. Ich lasse längst das Navi routen und rase Richtung Bahnhof. Es ist viel Verkehr in der Innenstadt, aber ich fahre schnell genug, um mitzuschwimmen. Mein einziger Gedanke ist die Fahrkarte für die Fähre. Keine Lust mehr auf irgendwelche Umwege. Ich will nach Hause. Wenn ich noch eine Chance haben sollte, dann sollte ich sie schnell nutzen, bevor die Fähre ausgebucht ist.

                                                                                                                                                              An einer Ampel biege ich kurz in eine Seitenstraße ab. Ein Bild vom Hafen zur Erinnerung.








                                                                                                                                                              Dann fädele ich mich wieder in den Verkehr ein. An einer Steigung schiebe ich ein Stück, frage dann aber bei einer Fußgängerin noch einmal nach. Ich bin falsch. Der Bahnhof ist im Tal.
                                                                                                                                                              Am offenen Schalter steht eine gemütliche Britin mit afrikanischen Wurzeln und erklärt mir genau, was ich zu tun habe. Ganz kapiere ich es dennoch nicht. Nicht wegen der Sprache, sondern mir fehlt die Vorstellungskraft. Die Fahrkarte kostet um die 8 Pfund und in zwanzig Minuten kommt der Zug. Er fährt um zehn vor drei und hat das Fahrtziel London.

                                                                                                                                                              Ich habe verstanden, dass ich ans Ende des Zuges muss, aber erst auf Nachfragen sehe ich das Fahrradsymbol am Ende des Bahnsteigs. Dort stelle ich mich hin. Die Sonne ist herausgekommen und es ist plötzlich sehr warm. Aber entspannen kann ich mich nicht. Ich bin vollgepumpt mit Adrenalin. Auf der Gegenseite nehmen zwei Radfahrer mit Mountainbikes Platz. Wo es flacher und urbaner ist, gibt es auch Fahrräder.
                                                                                                                                                              Als der Zug kommt, begreife ich erst richtig, worum es geht. Gefahren wird hier mit einem Gepäckwagen, der sich am Ende des Zuges befindet. Ich muss das Fahrrad die Waggonstufen hochtragen und im Gepäckwagen anschließen. Dann muss ich schnell aus dem Gepäckwagen aussteigen und in den vorhergehenden Waggon umsteigen. Im Gepäckwagen darf man sich während der Fahrt nicht aufhalten.
                                                                                                                                                              Kurz darauf setzt sich der Zug in Bewegung. Ich brauche dringend eine Toilette, aber sie scheint besetzt zu sein. In Wirklichkeit klemmt die Tür. Ich komme mir vor wie ein Depp, als eine junge Frau die Tür mit Druck geöffnet bekommt.

                                                                                                                                                              In Manningtree muss ich umsteigen. Manningtree liegt am River Stour und man hat vom Zug aus einen Blick auf den Fluss. Ich hole schnell mein Rad aus dem Gepäckwagen, denn die nächsten Fahrräder warten schon. Der Anschlusszug steht am Gleis gegenüber. Er ist modernerer Art, und ich steige ins erste Abteil ein. Eine Frau hat ihr Fahrrad im Gang geparkt und ich schiebe es etwas zur Seite, um sitzen zu können. Sie ist ungehalten darüber und kauert sich dann wütend auf die andere Seite des Durchgangs. Als ich einen Mann mit Sicherheitsweste frage, wo ich aussteigen muss, wird sie freundlicher. Touristen halt.

                                                                                                                                                              Der Bahnhof Harwich International geht direkt in das Fährterminal über, und natürlich ist die Fähre ausgebucht. Es gab überraschend viel Nachfrage in den letzten zwei Tagen. Morgen früh ist noch Platz. Emotionslos nehme ich die schlechte Nachricht zur Kenntnis, was soll ich auch anders tun. Ich hatte gehofft, mich morgen bereits auf den Weg nach Hause machen können. So verliere ich einen ganzen Tag und muss in Hoek van Holland übernachten. Hoffentlich bekomme ich am Samstag einen Zug. Mit Fahrrad ist das ohne Vorreservierung keineswegs einfach.
                                                                                                                                                              Die Überfahrt kostet 40 Euro, wenn ich das richtig erinnere. Das ist günstiger als gedacht. Mit dem Ticket in der Tasche verlasse ich Harwich International.

                                                                                                                                                              Es ist jetzt zwanzig vor vier.
                                                                                                                                                              Oha.
                                                                                                                                                              (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                                                                Liebt das Forum
                                                                                                                                                                • 16.08.2008
                                                                                                                                                                • 31757
                                                                                                                                                                • Privat


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                                                                                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                Am Ziel.


                                                                                                                                                                Ich fahre mit dem Aufzug nach unten und komme auf der Freifläche des Terminals heraus. Ich schiebe mein Fahrrad zum Ausgang und der Pförtner öffnet die Schranke. Ich frage ihn, wo ich mich morgen einfinden muss, und er zeigt auf die Flaggenmaste. Das ist einfach. Ich programmiere den Punkt ein.

                                                                                                                                                                Ich wende mich in Richtung Harwich Zentrum. Dort scheint es laut meinem Navi Campingplätze zu geben.





                                                                                                                                                                Ein Schulmädchen läuft auf dem Bürgersteig und ich spreche es an. Ja, es gibt einen Campingplatz, der auch Zelte nimmt. Sie erklärt mir altklug mit vielen überlegenden Augenbewegungen den Weg. Mein Navi zeigt mir zwei Plätze an, das scheinen sie zu sein. Ich programmiere sie ein. In Windeseile fahre ich den Hügel herunter. Ein Schild wirbt für ein günstiges B&B, aber heute habe ich dazu keine Lust. Am Kreisverkehr finde ich das Nordseeküstenradwegschild wieder und rechne die Distanz hoch. Nein, das hätte ich heute nicht geschafft. Alleine bis Colchester sind es 22 Meilen. Für die Strecke ab Ipswich braucht man einen ganzen Tag.





                                                                                                                                                                Ich finde den Campingplatz, und er sieht auf den ersten Blick nicht besonders ansprechend aus. Immerhin steht am Eingang ein riesiges Schild, dass auch Zelte willkommen sind. Eigentlich ist alles willkommen. Der Nachbarplatz wirkt nobler und hat auch eine normale Rezeption, aber er nimmt keine Zelte auf. Ich fahre zurück und finde den Betreiber. Er ist nett. Ich zahle die üblichen 10 Euro und bekomme einen Platz in der hinteren Ecke. Eine Zeltwiese gibt es nicht. Man steht auf Rasenflächen, an denen ursprünglich einmal Mobile Homes standen. Anscheindend lässt sich mit Zeltern gutes Geld verdienen. Dusche und Klo sind in einem ausrangierten Mobile Home. So sieht das also von innen aus.








                                                                                                                                                                Immerhin funktioniert die Dusche, sie ist heiß und sauber ist es auch.

                                                                                                                                                                Es weht ein leichter Wind und die Luft ist anders als bisher. Ich brauche etwas, bis ich die Zeichen deuten kann. Hier ist Wasser in der Nähe. Das Meer? Nein, das kann nicht sein. Harwich liegt in einer Bucht. Ich befrage ein Ehepaar, und sie erzählen mir, dass es hier einen Strand gibt. Er ist gar nicht so weit weg. Es gäbe sogar einen Fußweg, aber dazu braucht man einen Schlüssel. Aber ich hätte ja ein Fahrrad. Ein paar Meter weiter, dann an der Straße rechts und an den Sportplätzen vorbei, dann sieht man es schon. Ich schnappe mir mein Fahrrad und fahre los.

                                                                                                                                                                Ich verirre mich zunächst in einem Wohngebiet, weil ich zu früh abbiege. Die modernen Einfamilienhäuser wirken verlassen, aber dann finde ich doch noch einen alten Mann, der mir die Richtung zeigt. Als ich in die richtige Straße einbiege, kommen mir Eltern mit ihren Kindern entgegen. Die Strandsachen in der Hand.





                                                                                                                                                                Ich fahre an den Sportanlagen vorbei und biege in eine Promenade ein. Ich gebe Gas bis zur Kurve. Und stehe nun direkt am Wasser. Und dieses Wasser trägt einen Namen: Nordsee.





                                                                                                                                                                Kaum zu glauben. Am letzten Tag habe ich es doch noch geschafft. Ich stehe an der Nordsee.





                                                                                                                                                                Ein Blick auf Harwich.





                                                                                                                                                                Auf der anderen Seite ist Felixstowe.





                                                                                                                                                                Es ist eine besondere Stimmung hier.





                                                                                                                                                                Fahl leuchtet die Sonne hinter den Wolken.





                                                                                                                                                                Das Wasser gluckst und ab und zu hört man eine Möwe.





                                                                                                                                                                Ich schaue lange auf das Meer.


                                                                                                                                                                Und dann rekapituliere ich meine Tour. Ich habe es nicht geschafft. Nicht nur, dass ich Middlesbrough mit der Bahn umfahren habe. Auch die Strecke nach Harwich habe ich nicht geschafft. Ich bin mit dem Zug gefahren. Auf den letzten Metern habe ich versagt. Ich wollte die Strecke vollständig fahren. Es fehlte ein zusätzlicher Tag. Und ich fühle mich erschöpft und leer.

                                                                                                                                                                Aber dann rede ich ein ernstes Wörtchen mit mir. Letztes Jahr konnte ich noch nicht einmal laufen und Fahrrad fahren schon gar nicht. Ich sollte dankbar sein. Ich bin einen großen Teil des Nordeeküstenradwegs Englands gefahren und nun stehe ich tatsächlich in Harwich. Nicht in Hull, sondern in Harwich. Es hätte auch Hull sein können. Ich bin geschätzte 1300 oder 1400 km gefahren (Genau sind es bisher 1414 km). Und hatte keine Panne. Ich sollte dankbar sein.





                                                                                                                                                                Und dann bedanke ich mich bei dem Hauptprotagonisten dieser Tour: Meinem Fahrrad. Ohne es hätte ich diese Tour nicht machen können. Zuverlässig hat es mich an mein Ziel getragen. Danke schön.





                                                                                                                                                                Langsam fahre ich nun zurück. Gleich wird es kalt und feucht werden, und ich habe Hunger. An einem öffentlichen Wasserhahn fülle ich mein Trinkwasser auf.





                                                                                                                                                                Eine Familie ist noch hier und sitzt vor ihrer Hütte.





                                                                                                                                                                Überhaupt die Hütten. Sehen sie nicht wunderbar aus? Dieses Foto ist für lina.





                                                                                                                                                                Lina mag nämlich englische Strandhütten, wenn ich das richtig erinnere.








                                                                                                                                                                Einen Moment überlege ich, ob ich mich noch an den Strand setzen soll.





                                                                                                                                                                Aber ich habe meine Jacke im Zelt gelassen. So genieße ich aus der Ferne.





                                                                                                                                                                Ein letzter Blick zu den Hütten.





                                                                                                                                                                In der Ferne machen Mannschaften Sport.








                                                                                                                                                                Und während ich so zuschaue, wird mir bewusst, wie fremd mir dieses Land doch eigentlich ist. Ich spreche zwar seine Sprache, aber ich gehöre hier nicht hin. Ich weiß weder, wie es ist, hier zur Schule zu gehen, noch, wie es ist, hier in einem Sportverein zu sein oder hier zu arbeiten. Ich weiß so viel über das Land, aber wenn ich ehrlich zu mir bin, so sehe ich es mit dem Blick desjenigen, der auf Reisen ist. Kann man ein Land kennen, in dem man nicht geboren ist? Der Mann keucht seinem Hund hinterher.




                                                                                                                                                                Nachdenklich radele ich zum Platz zurück.








                                                                                                                                                                Ein paar Mobil Homes weiter wirft ein Mann den Grill an. Ich koche meine restlichen Nudeln und esse sie mit dem Tomatenketchup. Morgen will ich um fünf Uhr aufstehen. Die Fähre hat ab 7.00 Uhr Check-In.





                                                                                                                                                                Ich stelle das erste Mal seit drei Wochen den Wecker und lausche dem Geräusch der Möwen. Dann schlafe ich ein.
                                                                                                                                                                Zuletzt geändert von Torres; 28.10.2014, 19:55.
                                                                                                                                                                Oha.
                                                                                                                                                                (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                Kommentar


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                                                                                                                                                                  Freak

                                                                                                                                                                  Vorstand
                                                                                                                                                                  Liebt das Forum
                                                                                                                                                                  • 12.07.2008
                                                                                                                                                                  • 43828
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                                                                                                                                                                  Yup, die Häuschen sind hübsch! Danke!!

                                                                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                                                                    Fuchs
                                                                                                                                                                    • 16.02.2005
                                                                                                                                                                    • 2155
                                                                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                                                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                    Danke für deinen Bericht; durch ihn habe ich mich an meine eigene Tour erinnert. Vieles von dem, was du schreibst, habe ich genauso erlebt, u. a. die "fiesen" und die "guten" Huckel. :-)

                                                                                                                                                                    Wir sind übrigens auch Bahn gefahren, obwohl wir das nicht eingeplant hatten - allerdings schon in den Niederlanden. Und wir sind vom Weg abgewichen. Aus Gründen, die ich nicht mehr im Kopf habe, haben wir Orford Castle besichtigt. Das bedeutete auch, am (geplant) letzten Tag 3 Fähren nehmen zu müssen: Die Butley Ferry westlich von Orford, die Felixstowe-Bawdsey Ferry über den River Deben und die Fähre zwischen Felixstowe und Harwich. Die erste Fähre gab es - zumindest an diesem Tag - nicht, aber ein Einheimischer hat uns mit seinem Boot freundlicherweise übergesetzt.



                                                                                                                                                                    An der zweiten Fähre herrschte eine so nette Stimmung, dass wie erstmal in aller Ruhe Kaffee getrunken und die vielen Boote auf dem Deben beobachtet haben. Das führte leider dazu, dass wir von der dritten Fähre (zwischen Felixstowe und Harwich) sozusagen nur noch die Rücklichter gesehen haben. Die letzte Fähre fuhr um 16:35. Der Umweg um den River Orwell herum beträgt sicher mindestens 60 km... Wir verbrachten also eine zusätzliche Nacht in Felixstowe und sind erst am nächsten späten Abend auf die Fähre zurück nach Holland gestiegen.

                                                                                                                                                                    An "Versagen" denke ich trotzdem nicht. Nichtmal wegen der Episode auf der Schnellstraße . Irgendwie bleiben doch Pleiten, Pech und Pannen an besten im Gedächtnis.


                                                                                                                                                                    Abschließend noch ein (leider unscharfes) Bild zur Ausstattung der britischen Polizisten (aufgenommen an unserem zusätzlichen Abend in Felixstowe):

                                                                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                                                                      Liebt das Forum
                                                                                                                                                                      • 16.08.2008
                                                                                                                                                                      • 31757
                                                                                                                                                                      • Privat


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                                                                                                                                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                      Ich habe für die Ergänzungen zu danken. Für mich ist es ja auch spannend, was andere auf der Strecke erlebt haben. Danke auch für die Links. Sehr interessant. Dann hatte der Radfahrer ja gar nicht so unrecht - die Fähre fährt bis Ende September, aber nur am Wochenende.

                                                                                                                                                                      Ähm, das Fahrrad - ist das ein Kinderfahrrad?
                                                                                                                                                                      Oha.
                                                                                                                                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                                                                                        Freak

                                                                                                                                                                        Liebt das Forum
                                                                                                                                                                        • 20.07.2009
                                                                                                                                                                        • 12705
                                                                                                                                                                        • Privat


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                                                                                                                                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                        Uff, geschafft. Fertig gelesen. Ich komme mir vor, als hätte ich die Leistung vollbracht. Tolle Tour, akribisch dokumentiert.
                                                                                                                                                                        Da hast Du mit Beidem, mit der Tour und dem Bericht, eine bemerkenswerte Leistung vollbracht. Wann gibt es das gebunden als Buch?
                                                                                                                                                                        Ditschi

                                                                                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                                                                                          Freak

                                                                                                                                                                          Liebt das Forum
                                                                                                                                                                          • 16.08.2008
                                                                                                                                                                          • 31757
                                                                                                                                                                          • Privat


                                                                                                                                                                          #85
                                                                                                                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                          Haaalt! Es kommt noch ein Tag (bzw. zwei)
                                                                                                                                                                          Oha.
                                                                                                                                                                          (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                                                                                            Liebt das Forum
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                                                                                                                                                                            • 31757
                                                                                                                                                                            • Privat


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                                                                                                                                                                            Nachtfahrt


                                                                                                                                                                            Fr, 19.09.2014
                                                                                                                                                                            Hoek van Holland – Gouda, 62,7 km

                                                                                                                                                                            Am Morgen klingelt der Wecker um 5.00 Uhr. Ich will genug zeitlichen Spielraum für das Packen und die Fahrt zur Fähre haben. Tiefe Wolken hängen am Himmel. Sollte das Wetter heute umschlagen? Zwei Wochen nach Schulferienende ist in England schönes Wetter, erst dann wird das Wetter schlecht, hatte eine Frau zu mir gesagt. Anscheinend hatte sie Recht. Der Ausblick aus dem Zelt ist nicht besser geworden.





                                                                                                                                                                            Schnell frühstücke ich ein Brötchen. Auf der Fähre wird es sicherlich Frühstück geben. Ein leichter Nieselregen kommt herunter. Schnell packe ich mein Zelt ein. Es ist relativ trocken. Gegen Viertel nach sechs bin ich startbereit.

                                                                                                                                                                            Der Ort ist menschenleer. Autos sehe ich keine. Fast biege ich in die falsche Richtung ab, als ich nach der Erinnerung fahre. Wie gut, dass ich die Trackbackfunktion eingeschaltet habe und aufs Navi schaue. Es geht steil bergauf. Eine Frau kommt mir entgegen. Sie lächelt. Ich grüße zurück. Wie es wohl sein muss, täglich Menschen zu sehen, die auf Reise gehen?
                                                                                                                                                                            Der Supermarkt. Auf einer Kreuzung ein Kriegsdenkmal. Hier habe ich gestern lange gebraucht, um die Straße zu übequeren. Heute morgen ist kein Auto zu sehen.





                                                                                                                                                                            Auf der Hauptstraße in Richtung Hafen ist schon mehr Verkehr. Ab und zu fährt ein Auto vorbei. Wieder nieselt es ein wenig, und ich ziehe den Poncho an. Im Kreisverkehr kommt mir ein Mann mit Sicherheitsweste entgegen. Ob er wohl Dienst auf einer der Fähren hatte?
                                                                                                                                                                            Den Hügel kurz vor den Terminal kann ich fahren, so steil ist er gar nicht. Und dann taucht aus dem Nebel ein Schiff auf. Es ist nicht mein Schiff, aber es sieht beeindruckend aus.





                                                                                                                                                                            Ich reihe mich dort ein, wo die Flaggen sind.





                                                                                                                                                                            Einchecken ist von 7.30 Uhr bis 8.15 Uhr. Ich bin zu früh. Die Dame hatte 7.00 Uhr zu mir gesagt. Vielleicht wollte sie sicher gehen, dass ich pünktlich bin. Nach 8.15 Uhr wird man nicht mehr auf das Schiff gelassen. Das hatte sie mir eingeschärft.

                                                                                                                                                                            Ein paar Motorradfahrer stehen schon da. Und liefern mit einem Wort die Erklärung, warum die Fähre gestern ausgebucht war: Assen. Am Wochenende ist Assen. The Cathedral of Speed. Kein Wunder, dass es auf der Fähre gestern abend keinen Platz mehr gab. Stena Line ist Sponsor. Übrigens die einzige Motorsportart, die ich elegant finde. Als einer der Motorradfahrer den Helm absetzt, erschrecke ich. Der Körper gehört einem Zwanzigjährigen, das Gesicht nicht. Manche Menschen dürfen einfach nicht altern. Das passt nicht.





                                                                                                                                                                            Immer wieder regnet es ein wenig, und ich darf mich vor der Wartelinie unter einen Unterstand stellen. Eine Sozia, mit der ich mich vorher schon unterhalten habe, fragt, wie es ist, alleine unterwegs zu sein. Ich bringe meine Meinung prägnant auf den Punkt: Der Nachteil ist, dass man seine Erlebnisse nicht teilen kann. Der Vorteil ist, dass man seine Entscheidungen selbst treffen kann. Fährt man zu zweit, ist einer meistens der Boss. Sie schluckt sichtbar und holt tief Luft. Sie weiß genau, was ich meine, und der Boss ist nicht sie.





                                                                                                                                                                            Ein Mann, der ein Auto mit einem ostdeutschem Kennzeichen fährt, steht in der Schlange, und wir kommen ins Gespräch. Er ist Holländer, arbeitet für ein deutsches Unternehmen und freut sich, Deutsch sprechen zu dürfen. Die Warterei dauert und bald ist klar, warum: Die ankommende Fähre war ausgebucht gewesen, und die Kontrolle dauert lange, da es sich um Rennteams handelt, die mit ihren Fahrzeugen und Mannschaftsbussen zum Stockcar F1 World Championship in Coventry unterwegs sind und alle einzeln kontrolliert werden müssen.








                                                                                                                                                                            Mit dieser Bahn bin ich gestern angekommen.





                                                                                                                                                                            In der sprichwörtlichen letzten Minute des Check-Inns kommt noch eine Radfahrerin zu unserer Warteschlange und stellt sich zu den Autos. Ich winke sie zu mir her, weil wir Radfahrer als erstes fahren sollen. Die Frau wollte gestern abend ebenfalls schon übersetzen, hat aber auch keinen Platz mehr auf der Fähre bekommen. Sie hat gestern nacht nicht gezeltet, da sie dachte, die Zeltplätze seien nur für Caravans geöffnet. So hatte sie einen ziemlich angetrunkenen Engländer an der Straße nach einem B&B gefragt. Dieser hatte sie zu einem Tee eingeladen. Seine Frau sei Holländerin und wüsste Rat. Sie würde sich sehr freuen, holländisch zu sprechen. Die beiden Frauen hatten sich dann gut verstanden, so dass sie bei der Familie übernachtet hatte. Sie ist 5 Wochen in England unterwegs gewesen und 3000 km geradelt. Ich werde später erfahren, dass sie einen ähnlichen Reisestil hat, wie ich, wenn ich nicht gerade den Schildern des Nordseeküstenradwegs folge. Auch ihr haben viele Engländer herzlich und unkonventionell geholfen. Viel mehr noch als mir, da ich ja durch meine Route sehr festgelegt war.

                                                                                                                                                                            Irgendwann geht es dann auf das Schiff. Ich lasse mein Gepäck auf dem Fahrrad und nehme nur die Kameratasche und den Rucksack mit. Der entsetzte Blick von L. bringt mich dazu, dann doch zumindest die linke Packtasche mit den teuren Schlafsäcken mit nach oben zu nehmen. Kurz darauf nervt mich das, auch wenn sich die Packtasche im offiziellen Gepäckraum verstauen lässt.

                                                                                                                                                                            Ich schaue mich ein wenig um und finde das Restaurant. Das Schild gefällt mir schon einmal.





                                                                                                                                                                            Es sind mir viel zu viele Menschen auf dem Schiff, obwohl die Fähre sicherlich nicht ausgebucht ist. Ich finde einen Rechner mit Internet und suche mir einen Zug für morgen heraus. Dank Sparpreis kostet die Fahrt 44,25 Euro. Eine Fahrradreservierung ist in diesem Preis laut Fusszeile allerdings nicht enthalten, und anscheinend kann man sie bei Auslandsverbindungen auch nicht online mitbuchen. Zumindest kann ich keine entsprechende Funktion finden. Ohne Reservierung nutzt mir das Ticket aber nichts, die deutschen IC sind reservierungspflichtig. Ich muss wohl zu einem Schalter gehen. Pech.
                                                                                                                                                                            Ich werde später am Schalter mehr als das Doppelte zahlen müssen. 68,55 Euro für die Fahrkarte, 4,00 Euro für die Reservierung des Fahrrads im IC, 12,00 Euro für die Fahrradmitnahme und anscheinend 8,00 Euro für irgendwelche Gebühren, denn zuordnen kann ich den letzten Betrag nicht. Insgesamt 92,91 Euro.

                                                                                                                                                                            Als wir ablegen, freue ich mich auf einen letzten Blick auf England, aber wie Sie sehen, sehen Sie nix. Okay, so gut wie nichts.








                                                                                                                                                                            Es sieht aus, als würde es in der Ferne brennen. Es sind die Abgase der Fähre.





                                                                                                                                                                            Old Harwich Town.








                                                                                                                                                                            Da ganz hinten muss ich gestern gestanden haben.





                                                                                                                                                                            Nun, ich bin mir sicher, ich werde Harwich wiedersehen. Die Überfahrt kostet fast so viel wie ein Schleswig-Holstein-Ticket. Wenn ich irgendwann die Lücke in Holland schließe, werde ich nach Harwich übersetzen und das letzte Stück Nordseeküstenradweg über Colchester auch noch fahren.





                                                                                                                                                                            Ich hole mir im Restaurant Früstück. Da ich auf Ham und Eggs und Kaffee verzichte, kostet es nicht viel, ich glaube 3.95 Euro. Im Gegensatz zu dem Frühstück von gestern ist es schlecht.

                                                                                                                                                                            Ich setze mich auf eine Sitzgruppe, aber lange sitzen kann ich nicht. Ich bin völlig aufgedreht und gleichzeitig hundemüde. Andere Leute liegen auf den Sitzen und schlafen. Das gelingt mir nicht, es ist zu laut. Also laufe ich herum und treffe zwischendrin auch L. wieder, die genauso desorientiert herumläuft wie ich. Kulturschock.
                                                                                                                                                                            Die Nachrichten werden auf einem großen Wandbildschirm gezeigt. Die Schotten haben sich gegen die Unabhängigkeit entschieden. Für einen Moment durchzuckt mich der Schreck. Sicher, die Probleme wären unlösbar gewesen. Aber gleichzeitig hätte es mich gefreut. Ich schaue mit ernsten Augen den Zuschauern in die Augen und sie schauen mit ernsten Augen ruhig zurück. Ein Zeichen der Freude suche ich vergebens.

                                                                                                                                                                            An der Rezeption wird dafür geworben, dass eine Kabine 22 Euro kostet und spontan entscheide ich, eine zu mieten. Leider ist nur noch eine Innenkabine frei, aber das ist mir herzlich egal.





                                                                                                                                                                            Ich lege mich in das Bett und schlafe erst einmal 2 Stunden. Dann schaue ich mir ein paar Fotos an und das ist der Moment, wo ich versehentlich das Foto von dem netten Engländer lösche, der mir vor Felixstowe geholfen hat. Ich erinnere mich jetzt ganz genau, dass es in dem Moment passiert ist, als ich sein Bild vergrößert hatte und versehentlich den Löschknopf drückte. Vor Schreck ist mir die Kamera aus der Hand gefallen und das Bild wurde gelöscht. Man hätte es sicherlich wieder herstellen können, aber ich war so müde, dass ich es sofort wieder vergessen hatte. Daher habe ich nach dem Urlaub auch keine Datenrettung gemacht, sondern die Speicherkarte vollgeknipst. Ärgerlich.

                                                                                                                                                                            Es gibt Mittagessen, und ich esse Spaghetti Arrabiata. Das Gericht wird frisch zubereitet und schmeckt denoch farblos. Mein Körper dreht auf Hochtouren. Entspannung und Ruhe ist er nicht mehr gewohnt. Er verlangt nach Radfahren. Hügeln. Hochleistung. So laufe ich erst ein wenig herum und lese Zeitung an dem Rechner an Bord.
                                                                                                                                                                            Dann setze ich mich wieder in meine Kabine und versuche zu schlafen. Geht nicht. Also notiere ich meine Packliste. Oh je. Man denkt immer, man hat nichts mit.....

                                                                                                                                                                            Packtasche Racktime Front hinten links (20 l, 620 gr):
                                                                                                                                                                            Schlafsack WM Caribou, 535 g
                                                                                                                                                                            Nordisk Skram, ca. 750 gr
                                                                                                                                                                            E-Book Reader (bleibt nächstes Mal zu Hause)
                                                                                                                                                                            Duschgel, Shampoo je ca. 200 gr, 2x Unterwäsche, Minibürste
                                                                                                                                                                            großes Microfaserhandtuch Decathlon
                                                                                                                                                                            Innenfutterjacke Kufa Vaude Albo
                                                                                                                                                                            Brötchen, Käse je nach Einkauf


                                                                                                                                                                            Packtasche Racktime Front hinten rechts (20 l, 620 gr):
                                                                                                                                                                            MSR Reactor
                                                                                                                                                                            2 Kartuschen, ca. 550 gr zusammen
                                                                                                                                                                            Nudeln, 500 gr Startgewicht
                                                                                                                                                                            Ketchup, 500 gr Startgewicht
                                                                                                                                                                            Gemüsebrühe, 50 gr Startgewicht
                                                                                                                                                                            Notfallbeutel mit Titanspork, Gabel, Opinel, Nähzeug, Streichhölzer, kleiner Löffel, Salz
                                                                                                                                                                            Regenüberschuhe
                                                                                                                                                                            Regenhose


                                                                                                                                                                            Relevate Design Harness Lenkertasche (425 gr):
                                                                                                                                                                            Sea to Summit Compression Bag L
                                                                                                                                                                            Vaude Mark 2p, 2700 gr
                                                                                                                                                                            Footprint Big Agnes, 165 gr
                                                                                                                                                                            Regenponcho Vaude, 450 gr


                                                                                                                                                                            Bauchtasche Mountainsmith Kinetic TLS (5 l, 300 gr):
                                                                                                                                                                            Kamera
                                                                                                                                                                            Ersatzakku
                                                                                                                                                                            Ladegerät
                                                                                                                                                                            Smartphone
                                                                                                                                                                            Geld
                                                                                                                                                                            Eneloops Reserve (Navi)
                                                                                                                                                                            Ladegerät Eneloops
                                                                                                                                                                            Ladegerät Handy
                                                                                                                                                                            Kabel
                                                                                                                                                                            Adapter GB
                                                                                                                                                                            Straßenkarte (Ausschnitt)


                                                                                                                                                                            Relevate Design Terrapin, (14 l, 368 gr):
                                                                                                                                                                            Sea to Summit Compression Bag L
                                                                                                                                                                            Radhose gepolstert
                                                                                                                                                                            Radshirt dünn
                                                                                                                                                                            T-Shirt Reserve für den absoluten Notfall
                                                                                                                                                                            Daunenjacke
                                                                                                                                                                            Montane Featherlight Windjacke lang
                                                                                                                                                                            Reserveschlauch
                                                                                                                                                                            Flickzeug
                                                                                                                                                                            15er Gabelschlüssel
                                                                                                                                                                            Lakritzschnecken, 500 gr

                                                                                                                                                                            Sea to Summit Packbeutel mit TAR Prolite Plus Women


                                                                                                                                                                            Frame Bag (225 gr):
                                                                                                                                                                            Multitool
                                                                                                                                                                            Wollmütze
                                                                                                                                                                            Radhandschuhe Winter
                                                                                                                                                                            Reservebatterien 4 Stk
                                                                                                                                                                            Dosenöffner (! :-) ) - hat die mashed peas geöffnet
                                                                                                                                                                            Sattelschutz
                                                                                                                                                                            Lakritzschnecken, 500 gr Startgewicht


                                                                                                                                                                            Gas Tank (99 gr):
                                                                                                                                                                            Satz Heringe
                                                                                                                                                                            Erfrischungstücher


                                                                                                                                                                            Rucksack Vaude Rock Ul 25 (360 gr):
                                                                                                                                                                            Hausschuhe (weder holland- noch englandtauglich, bleiben nächstes Mal zu Hause)
                                                                                                                                                                            Z-Lite Sitzunterlage (3 Elemente)
                                                                                                                                                                            1,5 l Wasser
                                                                                                                                                                            Schlafshirt
                                                                                                                                                                            Shirt abends
                                                                                                                                                                            Sea to Summit Mug und X Bowl
                                                                                                                                                                            Stift
                                                                                                                                                                            Heft
                                                                                                                                                                            Hirschtalgcreme, Hustenzeug


                                                                                                                                                                            Am Körper (das Gewicht lasse ich mal weg ):
                                                                                                                                                                            Lange Trekkinghose Schöffler
                                                                                                                                                                            Radshirt lang X-Bionic
                                                                                                                                                                            Beinlinge Sugoi
                                                                                                                                                                            Windbreakerweste Pearl Izumi, gelb
                                                                                                                                                                            Hanwag Lima GTX
                                                                                                                                                                            JW Baumwolljacke
                                                                                                                                                                            Outdoorhandy
                                                                                                                                                                            Papiere


                                                                                                                                                                            Gegen 17.00 Uhr legen wir in Hoek van Holland an. Ich habe vor, mir dort eine Fahrkarte zu kaufen und morgen sehr früh nach Deutschland zu fahren. L. begleitet mich, um notfalls zu übersetzen, und gemeinsam verlassen wir das Schiff. Schnell sehen wir, dass der Bahnhof von Hoek van Holland, der früher einmal Anlaufpunkt der wichtigsten internationalen Züge war, keinen Bahnhofsschalter mehr hat. Ich müsste morgen nach Rotterdam radeln, dort gibt es den nächsten Schalter, um eine Fahrkarte für mich und das Fahrrad zu kaufen. Ich bin begeistert.

                                                                                                                                                                            L. bietet mir an, mit ihr nach Gouda zu radeln und morgen von dort den Zug zu nehmen. Ich bin mir unsicher, ob ich das tun soll. Gouda ist ziemlich weit. Ich hatte vorgehabt, in Hoek van Holland zu zelten und den letzten Abend in Ruhe ausklingen lassen. Ruhetag, sozusagen. Andererseits ist radeln in Gesellschaft auch mal schön. Ich bin unschlüssig.

                                                                                                                                                                            Aber Gelegenheiten, die sich bieten, sollte man nutzen. Das ist schon seit Jahren meine Devise. So entscheide ich mich, mit ihr zusammen nach Gouda zu radeln. Wir programmiere mein Navi, denn sie kennt den Weg nur so ungefähr. Auf dem Hinweg ist sie nach Instinkt gefahren und hat sich prompt verfahren. Die Fähre hat sie mit Glück nicht verpasst.
                                                                                                                                                                            Die ersten Minuten fahre ich ständig fast in irgendwelche Radfahrer hinein, da ich völlig auf linksfahren gepolt bin. Später wird es bei mir besser, aber ich muss L. ebenfalls abhalten, links zu fahren. Wir reden vor allem englisch, das sie nicht so gut spricht, und später werde ich feststellen, dass man auch holländisch durchaus verstehen kann, wenn man sich einhört. Ich vermute, sie ist da schon zu müde, um englisch zu sprechen.
                                                                                                                                                                            Nach mehreren Wegwindungen und Fahrten durch kleine Nebenstraßen verlassen wir Hoek van Holland. Die Radwege sind natürlich vorbildlich, und wir kommen gut voran. Die Sonne scheint. Es gibt viele Gewächshäuser am Weg und saftige, grüne Wiesen.
                                                                                                                                                                            Leider mache ich nun keine Fotos mehr, weil die Strecke nicht mehr zum Nordseeküstenradweg gehört. Und besonders viel gibt es auch nicht zu entdecken. Urban Outdoor über weite Strecken, denn eine Stadt geht in die nächste über. Und wo Land ist, ist auch Landwirtschaft. Inzwischen bereue ich das dennoch.

                                                                                                                                                                            Eine Straße ist gesperrt, aber wir finden die offizielle Umleitung, bestehend aus einer Stahlbrücke für Radfahrer und Fußgänger. Ich komme die Steigung nicht hoch und wir lachen viel. Wieder eine Baustelle, wir wollen Landstraße fahren, aber die Autos hupen uns zusammen. Also zurück und eine Parallelstraße nehmen. Dann kommt Delft, und an der Auffahrt zu einer Schnellstraße schwächele ich. Ich kann nicht mehr. Es ist gegen 18.30 Uhr. Erste Anzeichen von Dämmerung zeigen sich. Am liebsten würde mir hier ein Hostel suchen, denn nach meiner inneren Uhr ist bald Schlafenszeit. L. will natürlich nach Hause.

                                                                                                                                                                            Sie fragte einen Radfahrer, aber dieser weiß nichts von einem Hostel in Delft und empfiehlt, in die Stadt hineinzufahren. Ich esse erst einmal ein paar Lakritzschnecken, die ich noch übrig behalten habe und das letzte englische Brötchen und kurz darauf geht es mir besser. Ich ringe mit mir, aber alleine habe ich auch keine Lust, in einer Großstadt zu übernachten. Die Gesellschaft ist doch sehr nett und L. ist eigentlich auch froh, nicht alleine fahren zu müssen. Also weiter.
                                                                                                                                                                            Wir queren mit Navi die Stadt. Viele Radfahrer sind unterwegs, die meisten fahren gemächlich, und die Ampelregelungen sind wirklich komfortabel. Schön, wie angenehm es ist, hier zu fahren. Kein Vergleich mit dem Wahnsinn auf Hamburger Radwegen und Bürgersteigen. Immer wieder rufe ich L. zu, dass sie rechts fahren soll. Wir eiern ganz schön rum mit unserem Linksverkehr im Kopf. Eine Umleitung und daher ein Umweg. L. nimmt es mit den Verkehrsregeln nicht ganz so genau und ich schimpfe, aber wir kommen gut durch. Sie hält an einer geöffnete Bäckerei, damit ich noch etwas essen kann. Leider gibt es nur süße Sachen, und wir fahren weiter. Es wird immer dunkler und dann richtig dunkel.

                                                                                                                                                                            In Zoetermeer leitet uns das Navi um den Ort herum und dann auf die Autobahn. Das ist natürlich nicht richtig, und ich bin etwas verzweifelt. Sonst ist auf das Navi doch immer Verlass. Die helle Beleuchtung in der ungewohnten Dunkelheit erzeugt ein unwirkliches Licht. Bald wird wieder Weihnachten sein. Wir fragen einen Mann, der nur den Kopf schüttelt, und ich habe den Eindruck, dass die Holländer nicht so hilfsbereit sind, wie die Engländer. Zumindest sind sie weit weniger kommunikativ, auch wenn sich L. viel Mühe gibt und sintflutartig auf sie einredet.
                                                                                                                                                                            Wir finden ein Schild Richtung Gouda, aber es führt in ein Gewerbegebiet und geradeaus ist tiefste Dunkelheit. Mein Navi beharrt auf der Autobahn. Ich gleiche den Weg, den das Schild anzeigt, mit meiner Karte im Navi ab und sehe nichts. Also folgen wir einer Parallelstraße zur Autobahn, aber auch sie endet anscheinend im Nichts. Wieder stehen wir vor der abknickenden Autobahn. Verdammt. Hilflos schauen wir uns an. Ein Student kommt aus Richtung Autobahn aus der Dunkelheit geradelt. Ja, Gouda ist richtig. Hier geradeaus, dann rechts und immer den Schildern folgen. Der Weg vorhin in die Dunkelheit wäre anscheinend auch richtig gewesen.

                                                                                                                                                                            Nun stellt sich heraus, dass auch das Navi Recht hatte. Der Radweg verläuft zweispurig neben der Autobahn. Grell leuchten die Scheinwerfer der Autos in den Himmel. Für uns komfortabel, denn die Sicht ist gut, und wir kommen schnell voran. Aber auch ein Gefühl, als wären wir auf dem Weg in eine neue Dimension. Die Autos sehen aus wie ferngelenkte Raumschiffe in einer futuristischen Welt. Sie sind halb über uns, auf einem Deich, sozusagen, und man hört sie kaum. Es riecht nach Nebel und Feuchtigkeit. Neben uns müssen Felder und Polder sein. Ein unbekanntes Objekt auf dem Radweg. Es entpuppt sich als Radfahrer ohne Licht. Ich bin froh, in Gesellschaft zu sein. Ganz schön unheimlich.

                                                                                                                                                                            Die Schilder sagen uns zuverlässig die Kilometerzahlen an, aber der Weg ist weiter, als ich dachte. Die Minuten fliegen dahin. Einen Moment denke ich, dass ich heute doch einen Ruhetag machen wollte. Ich weiß nicht, warum daraus immer nichts wird. So geht das schon den ganzen Urlaub. L. fährt täglich von Gouda nach Rotterdam zur Arbeit und zurück. Bei diesen Radstraßen wundert mich das nicht.

                                                                                                                                                                            Endlich geht die Abzweigung nach Gouda ab. Wir rätseln ein wenig an den Schildern herum, aber zu zweit ist Schilder lesen einfach. Kurz darauf kommt das Ortsschild. Eine Hauptstraße ist gesperrt, und obwohl keine Baustellentätigkeit zu sehen ist, jagt uns der Sicherheitsdienst, der die Baustelle bewacht, wieder zurück. England gefällt mir besser, dort hätte man die Augen zugedrückt, der Radweg ist völlig intakt. Es geht dem Mann um´s Prinzip.
                                                                                                                                                                            Wir radeln durch ein Industriegebiet und finden eine Umgehung. L. weiß nun, wo wir sind und dann sind wir auch schon da. Schon ist gut, es ist kurz vor 22.00 Uhr. Mein Fahrrad kommt in den Eingang.





                                                                                                                                                                            L. kocht noch einen Tee, und dann bekomme ich einen Schlafplatz in der oberen Etage. Ich lasse mich mit letzter Kraft ins Bett fallen und kurz darauf schlafe ich mal wieder wie ein Stein.
                                                                                                                                                                            Zuletzt geändert von Torres; 29.10.2014, 20:01.
                                                                                                                                                                            Oha.
                                                                                                                                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                                                                                              Liebt das Forum
                                                                                                                                                                              • 16.08.2008
                                                                                                                                                                              • 31757
                                                                                                                                                                              • Privat


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                                                                                                                                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                              Endspurt.


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                                                                                                                                                                              Gouda - Hamburg

                                                                                                                                                                              Am Morgen holt L. frische Brötchen. Ich bin überrascht, wie eng die Grundstücke in Holland sind. Das Haus ist gemietet.
                                                                                                                                                                              Wir frühstücken gemeinsam. Milchprodukte isst L. nicht. Sie besitzt keinen Kühlschrank. Und keinen Computer und auch kein Internet.

                                                                                                                                                                              Anschließend bringt sie mich zum Bahnhof. Eine kurze Runde durch den Ort ist Pflicht.








                                                                                                                                                                              Es ist ja wohl klar, dass ich die Gelegenheit nutze, um in einem riesigen Käsegeschäft in Gouda Käse zu kaufen. Mein Kühlschrank ist leer, und Wegzehrung für den Tag brauche ich auch. Schwer, sich zu entscheiden, bei dieser Auswahl.


                                                                                                                                                                              Das Rathaus, wenn ich das richtig im Gedächtnis behalten habe.








                                                                                                                                                                              Das Gebäude erinnert mich an Zürich.





                                                                                                                                                                              Im Bahnhof erfahre ich, dass ich ein Ticket nach Utrecht kaufen muss, da es in Gouda keinen internationalen Schalter gibt. Fahrradreservierungen für internationale Züge gibt es nur an internationalen Schaltern. 12 Euro, sechs für mich und sechs für das Fahrrad kostet die Fahrkarte nach Utrecht. Gegen 10.00 Uhr fahre ich los. Der Zug hat hinter der Eingangstür extra Quereinschübe für Fahrräder. Leider werden sie von einem Kinderwagen versperrt. Man einigt sich nach einiger Zeit. Die Fahrradabteile der Regionalbahnen in Deutschland sind erheblich bequemer.

                                                                                                                                                                              In Utrecht darf ich mein Fahrrad zum Schalter mitnehmen, aber dann wird es ernst. Ich muss nach Amersfoort fahren. Dort habe ich Anschluss an einen IC bis Osnabrück. In Osnabrück muss ich umsteigen in den IC nach Hamburg. Da es gestern noch Sparangebote gab, sollte es doch ausreichend Plätze geben. Das erweist sich als Irrtum. Die Dame sucht und sucht. Sie stöhnt und sucht und sucht und sucht. Und langsam ahne ich, dass es vielleicht nicht so einfach wird, wie zunächst gedacht.
                                                                                                                                                                              Ich frage nach, und sie erklärt, dass sie keinen Zug von Osnabrück nach Hamburg reservieren kann. Die Fahrradplätze sind ausgebucht. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ab Osnabrück gibt es fahrradfreundliche Regionalzüge. Komme ich denn nach Osnabrück, frage ich. Ja, das ist kein Problem. Erleichtert bitte ich sie, die Zugverbindung nach Osnabrück zu buchen. Von Osnabrück aus komme ich schon irgendwie weiter. Sie probiert die Regionalverbindungen aus und nickt. Dann stellt sie das Ticket aus.

                                                                                                                                                                              Ich kann nun sogar einen früheren Zug nach Amersfoot nehmen. Das Radabteil ist eng, und als zwei weitere Reiseradfahrerinnen kommen, müssen wir uns arrangieren und die Taschen abnehmen. Da ich zuerst raus muss, müssen wir dann noch die Reihenfolge ändern, aber irgendwie bekommen wir das hin. Dann warte ich auf den IC nach Deutschland.





                                                                                                                                                                              Der Zug ist alt, aber das Fahrradabteil ist ziemlich groß, und ich schließe das Fahrrad an. Zwei Fahrräder sind nicht gekommen, so dass ich das Rad quer stellen kann und nicht alles abladen muss, um das Fahrrad aufzuhängen.
                                                                                                                                                                              In Osnabrück nehme ich einen Regionalzug nach Bremen und da ich erfreulicherweise den Bremer Bahnhof langsam kenne, schaffe ich es, innerhalb einer Minute mit dem Aufzug nach unten und dem nächsten Aufzug wieder nach oben auf das Nachbargleis zu kommen. Zum Glück behindern mich weder Kofferträger noch Großfamilien. So bin ich genau in dem Moment am Bahnsteig, als der Zug nach Hamburg einrollt. Auch dieser Zug hält an jeder kleinsten Haltstelle und so bin ich froh, als ich gegen 18.30 Uhr endlich zu Hause bin. Der Gemüseladen hat noch auf, und ich kaufe frisches Gemüse und Obst. Ein merkwürdiges Gefühl, wieder zu Hause zu sein.


                                                                                                                                                                              Eine Woche später fahre ich noch einmal an die Nordsee. Das Nordseeküstenradwegschild lenkt mich zu einer meiner Lieblingsstellen und mal wieder wie schon so oft stehe ich mit meinem Fahrrad direkt am Meer. Hier keimte die Idee, einmal den Nordseeküstenradweg zu fahren. Und so nahe wie hier, bin ich dem Meer in meinen ganzen Urlaub nicht gekommen. Hier führt der Radweg direkt am Wasser entlang und der Wind weht Teile der Gischt in mein Gesicht.











                                                                                                                                                                              Und hier endet meine Reise auf der North Sea Cycle Route durch Deutschland, Holland und England.





                                                                                                                                                                              Und damit auch der traumhafte Sommer 2014.
                                                                                                                                                                              Zuletzt geändert von Torres; 29.10.2014, 20:41.
                                                                                                                                                                              Oha.
                                                                                                                                                                              (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                                                                                • 12.05.2013
                                                                                                                                                                                • 2707
                                                                                                                                                                                • Privat


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                                                                                                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                Danke für deinen ausführlichen Bericht. Ich habe alles gelesen und angeschaut.
                                                                                                                                                                                Was für mich ein wenig offen bleibt: Wie ordnest du deine Reise ein? War es für dich gelungen, hat es sich "gelohnt", d.h. würdest du es wieder machen, wenn du dein jetziges Wissen über die Strecke hättest, sie aber noch nicht gefahren wärst? Für mich klang es an vielen Stellen so, als ob du den Radweg als ziemlich unbefriedigend empfindest. Viele Umwege, obwohl des öfteren auf lohnenden Strecken, aber schlechte Ausschilderung, keine optimale Veloinfrastruktur. Trotzdem immer wieder positive Erlebnisse, vor allem mit den Menschen, die du getroffen hast.
                                                                                                                                                                                Am Schluss erwähnst du noch einmal, dass man kaum der Nordsee entlang radelt. Bist du enttäuscht oder war es trotzdem ok? Findest du im Nachhinein, es wäre trotzdem lohnend gewesen, das Internet vermehrt zur Streckenplanung zu nutzen.
                                                                                                                                                                                Oder ist das alles einfach nicht wichtig?

                                                                                                                                                                                Kommentar


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                                                                                                                                                                                  Freak

                                                                                                                                                                                  Liebt das Forum
                                                                                                                                                                                  • 16.08.2008
                                                                                                                                                                                  • 31757
                                                                                                                                                                                  • Privat


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                                                                                                                                                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                  Ja. Eigentlich ist das gar nicht wichtig. Aber ich versuche es, dennoch zu beantworten.

                                                                                                                                                                                  Geblieben ist eine echte Tiefenentspannung, die ich lange nicht mehr hatte. Ich habe mich mal so richtig ausgepowert. Und es war eine Herausforderung, die auch viel Spaß gemacht hat, gerade, weil ich teilweise an meine Grenzen gehen musste.

                                                                                                                                                                                  im Nachhinein empfinde ich die Ecken und Kanten des Weges natürlich nicht mehr als so unangenehm, wie in dem Moment, weil ich ja jetzt weiß, wie es weitergegangen ist, und dass alles geklappt hat. Man muss sich ja immer vergegenwärtigen: Man fährt und hofft, dass man um x in y ist. Wenn man dann aber über z gelenkt wird, ist das natürlich sehr nervig. Man fährt ja immer in das Ungewisse hinein und bei Enttäuschungen kann man nicht flexibel reagieren, weil die Bedingungen nicht danach sind. Im Nachhinein weiß man, dass es trotzdem geklappt hat und dann ist es eben nicht mehr so unbefriedigend wie in dem Moment der Bange.

                                                                                                                                                                                  Andererseits liebe ich es, zu improvisieren. Eine ausführliche Vorplanung wäre für mich nicht in Frage gekommen. Vorbuchen von Unterkünften würde mich wahnsinnig machen. Das ist absolut nicht mein Stil. Fahren und schauen, was passiert. Lernen. Nur das macht für mich einen Urlaub aus.

                                                                                                                                                                                  Wenn ich gewusste hätte, was ich heute weiß (einiges habe ich ja durch meine Erfahrung schon ahnen können, nur die Gewissheit hat man dann erst vor Ort), wäre ich genauso wieder losgefahren (und hätte mich genauso wieder aufgeregt ). Das Kernproblem war ja, dass ich die Streckenführung nicht beeinflussen konnte, weil ich das Ziel hatte, die Strecke genau zu fahren. Was ich also auf der nächsten Fahrradtour wieder ändern würde, wäre, nicht mehr konsequent nach Schildern zu fahren. Das habe ich vorher noch nie gemacht und anscheinend liegt mir das auch nicht besonders. Ich bin jemand, der gerne intuitiv fährt, und hätte ich das gemacht, wäre die Reise auch anders verlaufen. Ich wäre dann weniger auf Leistung gefahren und hätte mehr von der Umgebung gesehen und an den blöden Stellen (Hull) einfach abgekürzt.

                                                                                                                                                                                  Mit der fehlenden Nordsee habe ich auch meinen Frieden gemacht, weil ich jetzt weiß, dass einige Strecken eben nicht komfortabel befahrbar sind. Das habe ich anfangs falsch eingeschätzt. Und in gewisser Weise bin ich auch ein wenig zu fixiert auf das Meer - es gab ja trotzdem traumschöne Ecken unterwegs.

                                                                                                                                                                                  Und mal ganz ehrlich: Ich hätte mir vor Ort für die Streckenplanung jederzeit Internet verschaffen können. Ich hätte nur eine SMS an meinen Provider schicken müssen und wäre online gewesen. Oder ich hätte in Bibliotheken gehen können, da gab es W-Lan. Aber ich wollte einfach nicht. Ich wollte einfach wissen, ob die Fahrt nach Schildern (noch) funktioniert. Und sie hat funktioniert.
                                                                                                                                                                                  Oha.
                                                                                                                                                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                                                                                    Alter Hase
                                                                                                                                                                                    • 12.05.2013
                                                                                                                                                                                    • 2707
                                                                                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                                                                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                    Danke für deine Erklärungen!

                                                                                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                                                                                      Freak
                                                                                                                                                                                      Liebt das Forum
                                                                                                                                                                                      • 11.07.2008
                                                                                                                                                                                      • 12533
                                                                                                                                                                                      • Privat


                                                                                                                                                                                      #91
                                                                                                                                                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                      Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                      Ich wollte einfach wissen, ob die Fahrt nach Schildern (noch) funktioniert. Und sie hat funktioniert.
                                                                                                                                                                                      Hörte sich zeitweise wirklich anders an.
                                                                                                                                                                                      Und ja. Ich kenne die Radwege hier. Zumindest ein bisschen.
                                                                                                                                                                                      Idyllische Fahrradwege die offiziell den Seitenstreifen von Autobahnen nutzen.
                                                                                                                                                                                      Aufkleber die kaum besser zu erkennen sind als ein Grasfrosch im grünen Laub.
                                                                                                                                                                                      Schilder an Kreuzungen, die den gleichen Wanderweg in drei (!) unterschiedliche Richtungen beschildern. Eine kann man da sogar ausschließen, da man aus dieser gerade eben kommt. Aber immer noch eine Möglichkeit zu viel...
                                                                                                                                                                                      Schilder / Aufkleber mitten auf geraden Straßenstücken. Jedoch garantiert nicht an Kreuzungen.

                                                                                                                                                                                      Aber schöner Reisebericht. Ich hab richtig mit dir mitgefiebert. Und es freut mich, dass es dir im Nachhinein noch gut gefallen hat.
                                                                                                                                                                                      Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                                                                                                                                                                      Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

                                                                                                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                                                                                                        Freak

                                                                                                                                                                                        Liebt das Forum
                                                                                                                                                                                        • 16.08.2008
                                                                                                                                                                                        • 31757
                                                                                                                                                                                        • Privat


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                                                                                                                                                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                        Ach danke, Scrat. Du rettest mich. Teilweise dachte ich, ich sei eine Blindschleiche oder so etwas! Hatte wohl anscheinend System, in der Tat
                                                                                                                                                                                        (Wo Du das so schreibst, erinnere ich mich gerade, wie ich damals mit dem Motorrad mindestens eine geschlagene Stunde versucht habe, von einem Kreisverkehr in Wales aus den Campingplatz zu erreichen. Egal, wo ich rauskam, begrüßte mich ein Schild "Abergevanny" und jeder Versuch, in eine andere Richtung zu fahren, endete wieder an dem selben Kreisverkehr mit Fahrtrichtung "Abergevanny". Ich bin dann irgendwann irgendwo (Feldweg?) abgebogen, um das zu durchbrechen und dann war ich aus unerfindlichen Gründen richtig. )

                                                                                                                                                                                        Ehrlich gesagt, hätte ich sogar Lust, die Strecke jetzt noch einmal zu fahren. Mit mindestens einer Woche mehr Zeit und vielen selbstgewählten Umwegen.

                                                                                                                                                                                        Aber was wäre eine Tour ohne Ecken und Kanten. England passte schon zu mir.





                                                                                                                                                                                        OT: Schottland mache ich dann in fortgeschrittenem Alter mit dem E-Bike
                                                                                                                                                                                        Oha.
                                                                                                                                                                                        (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                                                                                                          Erfahren
                                                                                                                                                                                          • 26.06.2013
                                                                                                                                                                                          • 169
                                                                                                                                                                                          • Privat


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                                                                                                                                                                                          AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                          Hallo torres,

                                                                                                                                                                                          ich hab deinen Bericht auch gespannt mitverfolgt und vieles von dem, was ich an England liebe, wiedererkannt. Allerdings bin ich bei weitem noch nicht so viel rumgekommen wie du.

                                                                                                                                                                                          Die Reise ohne das Internet bzw. Navi war sicher ein Risiko. Demzufolge war eigentlich fast abzusehen, dass du in Schwierigkeiten kommen würdest. Im Allgemeinen hast du ja den Dreh gefunden, aber manchmal klang dein Bericht doch ziemlich "angepisst", also ob du dich ärgern würdest, dass die Engländer keine guten Fahrradwege können ;)

                                                                                                                                                                                          Ich war dann auch froh, dass dir deine Reise am Ende doch so gut gefallen hat. Das hattest du dir wahrhaft erstrampelt. Danke für den schönen und ehrlichen Bericht und die vielen Fotos!

                                                                                                                                                                                          LG,
                                                                                                                                                                                          Babs

                                                                                                                                                                                          P.S. Muss man wirklich so extrem auf sein Zeug aufpassen irgendwo auf dem Lang? Ich hab die Engländer nicht als so ein Diebesgesindel erlebt - die Großstädte sind da natürlich anders...

                                                                                                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                                                                                                            Alter Hase
                                                                                                                                                                                            • 12.05.2013
                                                                                                                                                                                            • 2707
                                                                                                                                                                                            • Privat


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                                                                                                                                                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                            Ich habe deshalb gefragt, weil ich jemand bin, der Karten liebt. Und zwar klassische Karten aus Papier. Ich kann am Abend, wenn ich auf Tour bin, diese stundenlang studieren. Ich möchte wissen wo ich bin, wo im Verhältnis zum Start, zum Weg, zu möglichen Zielen, zum eigentlichen Radweg. Der Gedanke, nur nach Schildern fahren, wäre so gar nicht meins - einfach, weill ich es liebe, die Karten zu studieren.

                                                                                                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                                                                                                              Liebt das Forum
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                                                                                                                                                                                              • 31757
                                                                                                                                                                                              • Privat


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                                                                                                                                                                                              AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                              @Rumpelstil
                                                                                                                                                                                              Ich hatte ja eine Karte. Da habe ich die Fingerabmesstechnik angewendet. Aber was nutzen Karten auf der Langstrecke - Du weiß ja eh nicht, was Dir wirklich begegnet, wie die Straße ist etc. Sie hilft Dir bei der km Zahl, aber nicht beim Fahren.

                                                                                                                                                                                              @Babsbarbara
                                                                                                                                                                                              Nein, angepisst ist das falsche Wort. Ich war halt unter Strom, weil ich ankommen musste und da bringen einen dann diese überflüssigen Aktionen aus dem Gleichgewicht. Mich zumindest , denn ich erlebe das ständig. Mein Karma, oder so

                                                                                                                                                                                              Das hat aber nichts mit England zu tun - das ist einfach Bestandteil des Nordseeküstenradwegs. In Deutschland war das teils noch nerviger. Das fällt nur nicht auf, weil ich da ja immer nur 3-5 Tage unterwegs war. Wenn ich dann nicht weiterkam, habe ich den Zug nach Hause genommen. Das ging hier nun einmal nicht, dazu ist die Anreise zu weit. Also musste ich da durch. Und wenn man dann noch recht wenig isst - ich habe 7 kg abgenommen, das ist schon eine Menge, wie ich finde. Im Gegenteil, viele Wege in England waren immerhin wunderschön und einiges ließ sich auch super fahren. Für die (blöden) Hügel können die ja nix und dass mir die Zeit weglief auch nicht. In Deutschland sind die Wege teilweise erheblich kaputter und da ist auch manch eine Strecke dabei, die man nicht zweimal fahren muss......

                                                                                                                                                                                              Aber solche Aufregeraktionen sind bei mir normal. Das ändert sich auch nicht mehr
                                                                                                                                                                                              Oha.
                                                                                                                                                                                              (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                                                                                                Erfahren
                                                                                                                                                                                                • 26.06.2013
                                                                                                                                                                                                • 169
                                                                                                                                                                                                • Privat


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                                                                                                                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                                Ah ja - gut, dass du es ansprichst. Das mit dem Wenig-Essen war mir auch aufgefallen. Ich glaube, ich wäre verhungert! Und du warst ja selber manchmal an der Grenze mit der Leistungsfähigkeit. So ein Mann mit dem Hammer bei einer auch noch hügeligen Strecke kann ja auch mal böse ausgehen. Hatte das einen besonderen Grund oder hast du's einfach nur vergessen? Denn ich erlebe England durchaus auch als Land mit guter Verpflegung, vor allem dort, wo man es am wenigsten erwartet, auch mit vielen Optionen für Vegetarier und sogar Veganer.

                                                                                                                                                                                                LG,
                                                                                                                                                                                                Babs

                                                                                                                                                                                                Kommentar


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                                                                                                                                                                                                  Freak

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                                                                                                                                                                                                  • 31757
                                                                                                                                                                                                  • Privat


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                                                                                                                                                                                                  AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                                  Ich hab´s einfach vergessen. Ich meine, geschadet hat es mir nicht, im Gegenteil . Der Punkt war, ich war einfach zu aufgedreht oder zu müde, um zu essen. Ich weiß, dass man in England gut essen kann. Aber wenn ich morgens um 6 Uhr spätestens aufstehe, falle ich eben gegen 20.00 Uhr oder 21.00 Uhr in den Schlafsack. Da fahre ich nicht noch gegen 18.00 Uhr 3 km mit dem Rad zum nächsten Restaurant und wieder zurück. Also bin ich nur essen gegangen, wenn es in der Nähe war. Ansonsten reichten Brot und Käse.
                                                                                                                                                                                                  Oha.
                                                                                                                                                                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                                                                                                    Erfahren
                                                                                                                                                                                                    • 29.03.2010
                                                                                                                                                                                                    • 213
                                                                                                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                                                                                                    AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                                    Das mit dem "wenigen Essen" dachte ich mir beim Lesen auch schon die ganze Zeit. War das so gewollt?
                                                                                                                                                                                                    Du schriebst ja schon immer wieder von "das darf ich nicht essen" und hast gleichzeitig großes Verlangen nach dem English Breakfast und so. Gelesen habe ich dann aber doch eigentlich immer nur von Brötchen. Willlst du Purine meiden?

                                                                                                                                                                                                    Ich würde dir, von meiner Erfahrung ausgehend, raten passend Fett- und Proteinquellen zu bunkern. Nüsse, durchgekochte Eier, getrocknete Wurst, ...
                                                                                                                                                                                                    Beim Radfahren hat man ja doch immer ganz gute Möglichkeiten nicht-instant-Nahrung zu transportieren.
                                                                                                                                                                                                    [Man muss ja niemanden verraten, dass man mit einem Kilo Cashews oder so reist.]

                                                                                                                                                                                                    Liebe Grüße
                                                                                                                                                                                                    und danke für den ausführlichen Bericht

                                                                                                                                                                                                    Edit: Ich war zu langsam.

                                                                                                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                                                                                                      Liebt das Forum
                                                                                                                                                                                                      • 16.08.2008
                                                                                                                                                                                                      • 31757
                                                                                                                                                                                                      • Privat


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                                                                                                                                                                                                      AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                                      Hatte ich vergessen, zu erwähnen, dass ich Cashews dabei hatte? Hatte ich in Holland gekauft, die halfen auch.

                                                                                                                                                                                                      Ja, ich liebe Fleisch, muss aber sehr sehr stark reduzieren wegen der Knie. Es war jetzt das zweite Mal, dass ich mit anderer Ernährung auf Tour war, und ich übe noch. Italien war da natürlich einfacher.
                                                                                                                                                                                                      Oha.
                                                                                                                                                                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                                                                                                                        Alter Hase
                                                                                                                                                                                                        • 12.05.2013
                                                                                                                                                                                                        • 2707
                                                                                                                                                                                                        • Privat


                                                                                                                                                                                                        AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                                        Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                                        @Rumpelstil
                                                                                                                                                                                                        Ich hatte ja eine Karte. Da habe ich die Fingerabmesstechnik angewendet. Aber was nutzen Karten auf der Langstrecke - Du weiß ja eh nicht, was Dir wirklich begegnet, wie die Straße ist etc. Sie hilft Dir bei der km Zahl, aber nicht beim Fahren.
                                                                                                                                                                                                        Ach, ich bin so ein Freak, ich kaufe immer Karten 1:50000 oder noch genauer, auch bei längeren Strecken. Die nutzen durchaus. Aber nur, wenn man viel Zeit investiert. Ich verbringe echt Stunden mit Kartenstudium - auf Touren rumsitzen und Karte gucken und Landschaft gucken ist meine Hauptbeschäftigung am Abend. Am nächsten Tag unterwegs habe ich die Gegend mehr oder weniger im Kopf gespeichert und muss allenfalls wegen Details nachschauen.
                                                                                                                                                                                                        Natürlich geht das nicht in jedem Land. In GB war ich bisher nur zu Pferd unterwegs, hatte einigermassen kundige Begleitung und es war ein anderer Teil des Landes. Und ich finde auch keineswegs, dass das die "ideale" Art der Orientierung ist. Es ist einfach meine.

                                                                                                                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                                                                                                                          Freak

                                                                                                                                                                                                          Vorstand
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                                                                                                                                                                                                          • 12.07.2008
                                                                                                                                                                                                          • 43828
                                                                                                                                                                                                          • Privat


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                                                                                                                                                                                                          Hihi, Abergavenny, das weckt Erinnerungen

                                                                                                                                                                                                          Wir wussten auch nicht weiter und fragten, an einer Kreuzung auf einem Hügel, per Nennen des Ortsnamens nach der richtigen Straße. Zufällig zählte das Grüppchen genau so viele Straßen wie Leute – und jeder der Bürger zeigt in eine andere Richtung Wir haben uns herzlich bedankt und dann einfach irgendeine Abzweigung genommen .... Als eine der nächsten Aktionen kaufte ich eine Karte, auf der wirklich jede Gießkanne eingezeichnet war

                                                                                                                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                                                                                                                            Freak

                                                                                                                                                                                                            Liebt das Forum
                                                                                                                                                                                                            • 16.08.2008
                                                                                                                                                                                                            • 31757
                                                                                                                                                                                                            • Privat


                                                                                                                                                                                                            AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                                            Zitat von rumpelstil Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                                            Ach, ich bin so ein Freak, ich kaufe immer Karten 1:50000 oder noch genauer, auch bei längeren Strecken. Die nutzen durchaus. Aber nur, wenn man viel Zeit investiert. Ich verbringe echt Stunden mit Kartenstudium - auf Touren rumsitzen und Karte gucken und Landschaft gucken ist meine Hauptbeschäftigung am Abend. Am nächsten Tag unterwegs habe ich die Gegend mehr oder weniger im Kopf gespeichert und muss allenfalls wegen Details nachschauen.
                                                                                                                                                                                                            Natürlich geht das nicht in jedem Land. In GB war ich bisher nur zu Pferd unterwegs, hatte einigermassen kundige Begleitung und es war ein anderer Teil des Landes. Und ich finde auch keineswegs, dass das die "ideale" Art der Orientierung ist. Es ist einfach meine.
                                                                                                                                                                                                            Ah, jetzt verstehe ich, was Du meinst. Ja, bei solchen Karten mache ich das auch. Wenn ich auf Tour in einer Region bleibe oder in einer Region bin, die ich wieder besuchen werde, kaufe ich mir auch diese Karten und stiefele dann los und gleiche die Umgebung mit der Karte ab und präge mir Wege ein.

                                                                                                                                                                                                            Ich finde nur, mit dem Fahrrad auf Langstrecke ist man einfach anders unterwegs. Ich habe mir ja vor Ort die Wanderkarten angeschaut und überlegt, ob ich eine kaufe. Dann hätte ich pro Tag eine Karte gebraucht, manchmal zwei. Die hätte ich ja nicht alle sammeln können (bzw. wegwerfen mögen) und soviel Zeit ist gar nicht, die zu studieren. Fahrradfahren ist für mich etwas völlig anderes, als wandern oder reiten. Man ist ja - böse gesagt - nicht so wirklich in der Natur, sondern Verkehrsteilnehmer. Deshalb war die Karte, die ich mithatte, völlig ausreichend und zielführend. Ich musste ja nur wissen, wo es ungefähr entlang geht, wie der nächste größere Ort heißt und wo es Campingplätze gibt. Das konnte die Karte liefern.

                                                                                                                                                                                                            P.S. Zur Ernährung: Ich habe im Reisebericht unterschlagen, dass ich zweimal Magnum Eis gegessen habe - war ein Sonderangebot auf den Plätzen in Hunmanby und Market Rasen
                                                                                                                                                                                                            Oha.
                                                                                                                                                                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                                                                                                                              Meister-Hobonaut

                                                                                                                                                                                                              Lebt im Forum
                                                                                                                                                                                                              • 10.11.2003
                                                                                                                                                                                                              • 5049
                                                                                                                                                                                                              • Privat


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                                                                                                                                                                                                              Wir sind ab Inverness ja auch den R1 Richtung Norden gefahren.
                                                                                                                                                                                                              Also mehr wie eine gute 1:250000 Strassenkarte braucht man zum Radfahren dort nicht. Sonst ist man ja nur am Umblättern.
                                                                                                                                                                                                              Aber nach den Schildchen zu fahren, wäre mir glaube ich zu anstrengend.

                                                                                                                                                                                                              Gibt es für den R1 eine internationale Radkarte?

                                                                                                                                                                                                              Wir benötigten einiges mehr an Verpflegung, wenn ich das so lese, teils wurde schon mittags im Strassengraben selbstgedörtes gekocht, um genug Power für das Wetter zu haben.

                                                                                                                                                                                                              Torres: mit den 14% Hügelchen wirst du dort noch ein wenig Spass haben.
                                                                                                                                                                                                              Aber wer sein Radl liebt, der schiebt.
                                                                                                                                                                                                              Hab ich zumindest manchmal und Anja ist vorbei gezogen.
                                                                                                                                                                                                              Gruß Harry.
                                                                                                                                                                                                              Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen. (Johann Wolfgang von Goethe)

                                                                                                                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                Freak

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                                                                                                                                                                                                                • 43828
                                                                                                                                                                                                                • Privat


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                                                                                                                                                                                                                Bei OpenCycleMap ist der R1 eingezeichnet.

                                                                                                                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                                                                                                                • Babsbara
                                                                                                                                                                                                                  Erfahren
                                                                                                                                                                                                                  • 26.06.2013
                                                                                                                                                                                                                  • 169
                                                                                                                                                                                                                  • Privat


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                                                                                                                                                                                                                  Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                                                  P.S. Zur Ernährung: Ich habe im Reisebericht unterschlagen, dass ich zweimal Magnum Eis gegessen habe - war ein Sonderangebot auf den Plätzen in Hunmanby und Market Rasen
                                                                                                                                                                                                                  Hej, du hast 7 kg abgenommen! Da hättest du 20 Mal Eis essen sollen

                                                                                                                                                                                                                  LG,
                                                                                                                                                                                                                  Babs

                                                                                                                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                    Dauerbesucher
                                                                                                                                                                                                                    • 01.08.2009
                                                                                                                                                                                                                    • 981
                                                                                                                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                                                                                                                    Schade Ende. War spannend zu lesen. Dankeschön

                                                                                                                                                                                                                    Zitat von Babsbara Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                                                    Die Reise ohne das Internet bzw. Navi war sicher ein Risiko.
                                                                                                                                                                                                                    Bin grad etwas verwirrt.
                                                                                                                                                                                                                    Abgesehen davon, daß die Radwege vermutlich noch nicht so Ausgeschildert waren, meinst du vor 10/15 Jahren hat man noch keinen Rad oder Wanderurlaub in Fremden Gefilden gemacht? Oder war das dann deiner Meinung nach grundsätzlich Risikourlaub?
                                                                                                                                                                                                                    Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                                                                                                                                                                                                                    Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

                                                                                                                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                      Erfahren
                                                                                                                                                                                                                      • 26.06.2013
                                                                                                                                                                                                                      • 169
                                                                                                                                                                                                                      • Privat


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                                                                                                                                                                                                                      Ups, da hab ich mich vielleicht etwas blöd ausgedrückt. Ich meinte eher, dass die Vorbereitung bei torres ja doch nicht so akkurat war, wie er es bei seinem knappen Zeitplan vielleicht gebraucht hätte. Er schreibt ja selber, dass er einzelne Karten nicht mitschleppen wollte und sich daher eher überraschen ließ, wie der Weg jetzt weiter verläuft. Und da war manchmal eben eine unangenehme Überraschung über die Umwege und das Höhenprofil dabei. Ich wäre da eher so gestrickt wie rumpelstil und hätte vermutlich schon im Vorfeld die Strecke auswendig gelernt

                                                                                                                                                                                                                      LG,
                                                                                                                                                                                                                      Babs

                                                                                                                                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                        • 16.08.2008
                                                                                                                                                                                                                        • 31757
                                                                                                                                                                                                                        • Privat


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                                                                                                                                                                                                                        Das hätte Dir aber an den Problemstellen nichts genutzt. Das Problem ist ja, dass Karte und Strecke nicht immer übereinstimmten. Oder Du bist so schnell, dass Du trotz Karte einfach vorbeifährst. Dort, wo es eine gute Karte gab (Yorkshire Wolds), war auch das Fahren nach Schildern einfach. In Deutschland war der Nordseeküstenradweg auf meiner Topo im Navi drauf, und ich hatte eine Radkarte, auf der er eingezeichnet war. Und dennoch habe ich mich ab und zu verfahren oder musste echt grübeln, was gemeint ist.
                                                                                                                                                                                                                        Und klar, Du kannst Dir Höhenlinien anschauen, aber das sagt nichts über den Straßenzustand aus (Hügel schaue ich mir seit Jahren schon nicht mehr an, wenn ich weiß, wie die wirklich sind, fahre ich gar nicht erst los ). Du kannst Dir Campingplätze raussuchen. Das sagt aber nichts darüber aus, ob Du sie tatsächlich erreichst. Ich habe in den Anfängen viele Radtouren mit Topokarten gemacht und habe auch jeden Meter vorgeplant. Hat nix genutzt. Man verschätzt sich unglaublich auf dem Fahrrad und letztlich sieht die Landschaft völlig anders aus, als gedacht.
                                                                                                                                                                                                                        Als ich mit dem Roller im Januar nach Italien gefahren bin, habe ich wochenlang akribisch die Strecke vorgeplant. Ich kannte jeden Brunnen auswendig. Hatte genau überlegt, wo ich vielleicht übernachten könnte. Und was war? Die Wege waren zu eng für den Roller, zu steil für mich und aufgrund der Regenfälle war eh vieles gesperrt. In Finnland habe ich ebenfalls Wochen vorher mit dem Track verbracht (Klapprodelwandern). Dann waren die Felsen vereist und am dritten Tag hat es getaut, und ich habe abgebrochen. Seither gehe ich das erheblich lockerer an.

                                                                                                                                                                                                                        Und Risiko? Welches Risiko? Wenn die Schilder irgendwann wirklich weg gewesen wären, hätte ich mir ein paar Nebenstraßen gesucht und wäre einfach nach Feeling gefahren. Die größeren Orte, die der Radweg durchläuft, kannte ich ja. Ich hätte den schon wiedergefunden. Ich wollte halte nach Schildern fahren. Man wächst mit seinen Aufgaben .

                                                                                                                                                                                                                        @Harry
                                                                                                                                                                                                                        Eine Überblickskarte habe ich bisher nicht gefunden. Für Holland gibt es den Führer im Steinverlag und bestimmt gibt es auch Karten, aber da kann man problemlos nach Schildern fahren. Für Deutschland gibt es die ADFC Karten, die aber auch nicht immer ganz aktuell waren. Für England und Schottland gibt es die Sustrans Karten, aber die sind anscheinend nur regional sortiert. http://www.sustrans.org.uk/shop/route-maps-guides. Beim Anblick der Ähre auf der Lincolnshire Map musste ich lächeln. Da war ich schon .

                                                                                                                                                                                                                        Es gibt eine Europavelokarte für 1.00 Euro, die ist aber ungenau. Im Netz gibt es auch eine website, auf der man Gpx Dateien runterladen kann, aber da wird z.B. in Norfolk und Suffolk die Küstenroute gefahren. Opencyclemap ist auch okay, teilweise aber auch mit Improvisationen, denn an einigen Stellen bin ich mir sicher, dass dort kein Wegweiserschild stand. Am aktuellsten ist vermutlich die Map auf Sustrans. Da sind auch die schlechten Wegstrecken, die Kreuzungen u.a. eingezeichnet, ebenso die anderen Radwege. Mit der neuen Northseacyclewebsite komme ich nicht klar, das fand ich vorher informativer.
                                                                                                                                                                                                                        Oha.
                                                                                                                                                                                                                        (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                          Alter Hase
                                                                                                                                                                                                                          • 18.08.2006
                                                                                                                                                                                                                          • 4869
                                                                                                                                                                                                                          • Privat


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                                                                                                                                                                                                                          Hast du in Sachen Ernährung irgendwie Beratung? Ich kenne es von einem meiner Kinder, wie es ist, wenn man sich von der Ernährung her einschränken muss, aber sich körperlich intensiv verausgabt. Schwierig nämlich. Die gängigen Vorschläge, die man überall findet, tragen dann häufig nicht weit.

                                                                                                                                                                                                                          Leider sind die üblichen Ernährungsberater, die ich kenne, alle außerstande, sich solche Unternehmungen auch nur vorzustellen.

                                                                                                                                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                            Freak

                                                                                                                                                                                                                            Liebt das Forum
                                                                                                                                                                                                                            • 16.08.2008
                                                                                                                                                                                                                            • 31757
                                                                                                                                                                                                                            • Privat


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                                                                                                                                                                                                                            Kinners, nun hängt Euch mal nicht so an der Ernährung auf. Ich kenne meinen Körper seit Jahren. Das ist ja nicht das erst Mal, dass ich auf Tour bin (im Januar habe ich bei der Rollertour 5 kg abgenommen). Ich nehme immer ab auf Tour, weil ich dann keine Zeit habe, den Kühlschrank zu plündern oder zu große Portionen zu essen.
                                                                                                                                                                                                                            Ich habe gegessen, wenn mein Körper essen wollte, und ich habe das gegessen, was mein Körper wollte und die Mengen, die er wollte. Wenn mein Körper Fleisch wollte, habe ich welches gegessen, aber meistens wollte er keins (und das Nachtrauern dem Englisch Breakfast war eher dramaturgischer Art, denn noch vor einem Jahr hätte ich da niemals nein sagen können.) Gut, ab und zu habe ich gegen Ende mal recht spät gemerkt, dass ich etwas essen muss, aber das passiert mir zu Hause auch, und die Batterien waren schnell wieder voll. Ich hatte nach den drei Wochen genau das richtige Gewicht für diese Tour und mein Leben war keinesfalls gefährdet. Im Gegenteil, ich habe mich richtig fit und durchtrainiert gefühlt.

                                                                                                                                                                                                                            Leistungseinbrüche kamen auch vom Wetter - der kalten Feuchtigkeit, die halt nicht besonders förderlich für meine Gelenke ist. Sobald es warm wurde, ging es meinen Beinen besser.

                                                                                                                                                                                                                            Edit: Ich habe nur eine Sache versäumt: Ich hätte mal einen Ruhetag machen müssen.
                                                                                                                                                                                                                            Zuletzt geändert von Torres; 01.11.2014, 12:15.
                                                                                                                                                                                                                            Oha.
                                                                                                                                                                                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                              Fuchs
                                                                                                                                                                                                                              • 22.04.2009
                                                                                                                                                                                                                              • 1239
                                                                                                                                                                                                                              • Privat


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                                                                                                                                                                                                                              Sehr schöner, beeindruckender Tourbericht!!! Danke!
                                                                                                                                                                                                                              Deinen Bericht von der Bretagne habe ich mittlerweile mehrmals gelesen und angeschaut, passt zu Fernweh.

                                                                                                                                                                                                                              VG rockhopper

                                                                                                                                                                                                                              Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                                Erfahren
                                                                                                                                                                                                                                • 26.06.2013
                                                                                                                                                                                                                                • 169
                                                                                                                                                                                                                                • Privat


                                                                                                                                                                                                                                AW: [NL] [UK] Ups und Downs auf der North Sea Cycle Route

                                                                                                                                                                                                                                Ich wollte auch gar nicht meckern, Torres. Ich fand deine Tour richtig cool! So viel von England wünsche ich mir auch zu sehen. Und wenn das demnächst nicht klappt, möchte ich wenigstens weiter so schöne Berichte wie deinen lesen

                                                                                                                                                                                                                                LG,
                                                                                                                                                                                                                                Babs

                                                                                                                                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                                                                                                                                • blauloke

                                                                                                                                                                                                                                  Lebt im Forum
                                                                                                                                                                                                                                  • 22.08.2008
                                                                                                                                                                                                                                  • 8843
                                                                                                                                                                                                                                  • Privat


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                                                                                                                                                                                                                                  Puuuhh, geschafft!
                                                                                                                                                                                                                                  Torres, musst du immer so viel schreiben , jetzt hänge ich mit den anderen Reiseberichten zurück.

                                                                                                                                                                                                                                  Liest sich sehr lebendig dein Bericht und ich konnte stellenweise richtig mitfühlen. Schade, dass du am Ende so in Zeitnot gekommen bist. Sowas ist immer nervig und kann die ganze Tour verderben.

                                                                                                                                                                                                                                  Freue mich auf den nächsten Bericht von dir.

                                                                                                                                                                                                                                  Servus, blauloke
                                                                                                                                                                                                                                  Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

                                                                                                                                                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                                    Freak

                                                                                                                                                                                                                                    Liebt das Forum
                                                                                                                                                                                                                                    • 16.08.2008
                                                                                                                                                                                                                                    • 31757
                                                                                                                                                                                                                                    • Privat


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                                                                                                                                                                                                                                    Torres, musst du immer so viel schreiben
                                                                                                                                                                                                                                    . Ich weiß auch nicht, woher das kommt. Das war eben ein Fortsetzungsroman. Jeden Abend ein Häppchen....

                                                                                                                                                                                                                                    Liest sich sehr lebendig dein Bericht und ich konnte stellenweise richtig mitfühlen. Schade, dass du am Ende so in Zeitnot gekommen bist. Sowas ist immer nervig und kann die ganze Tour verderben.
                                                                                                                                                                                                                                    Ja. Das hast Du gut zusammengefasst. Das war die letzten Tage das Problem. Über die wiederkehrenden Alpträume, mein Fahrrad irgendwo in Holland parken zu müssen, falls ich keinen Zug mehr bekomme, und es dann eine Woche später zu holen, habe ich gar nichts geschrieben.

                                                                                                                                                                                                                                    Danke für Deinen positiven Kommentar.
                                                                                                                                                                                                                                    Oha.
                                                                                                                                                                                                                                    (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                                                                                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                                                                                                                                                      Gerne im Forum
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                                                                                                                                                                                                                                      • 75
                                                                                                                                                                                                                                      • Privat


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                                                                                                                                                                                                                                      Hi Torres. Vielen Dank für den guten Bericht.
                                                                                                                                                                                                                                      Gruß. C.

                                                                                                                                                                                                                                      Kommentar