• Igelstroem
    Fuchs
    • 30.01.2013
    • 1944
    • Privat


    [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 53.560918794
    Längengrad 12.776927947
    Unter der mecklenburgischen Seenplatte kann man sich Verschiedenes vorstellen.


    Entweder ist das eine Tourismusregion: eine Platte mit Seen darin, die dazu da sind, mit Booten befahren zu werden. Oder es ist ein neumodischer Landkreis, etwas größer als das Saarland, aber nicht so dicht besiedelt, der sich mit der Tourismusregion irgendwie überschneidet, aber ansonsten ebenso gut ›The Middle of Nowhere‹ heißen könnte.





    Drittens handelt es sich um einen Naturraum, nämlich um einen wirr gestaffelten Endmoränenzug, der ungefähr von Angermünde im nordöstlichen Brandenburg bis kurz vor Lübeck reicht, also bis in jene Gegend, die bei ODS als Norddeutschland bezeichnet wird.


    Wenn man sich bei Google Earth einen Überblick über den Nordosten Deutschlands verschafft, sieht man das recht deutlich: Da gibt es einen langgestreckten schwarzgrünen Bogen, dessen Form ein bisschen so erscheint, als wäre das Eis eigentlich von Süden gekommen und hätte sich dann nicht mehr getraut, bis zur Ostsee vorzustoßen. Aber es war natürlich umgekehrt; das Eis kam von Norden, und weil es im Nordosten Deutschlands nahezu keine zertifizierten Qualitätswanderwege gibt, wusste es irgendwann nicht mehr weiter und schmolz ratlos dahin.
    Andere behaupten, es habe sich zurückgezogen. Jedenfalls nahm es seinen Müll nicht mit, sondern ließ ihn liegen: Moränen, Blockpackungen, Sandflächen und dergleichen; dazwischen ein bisschen Wasser.
    Das Gebiet nördlich des Endmoränenzugs heißt Rückland, das Gebiet südlich davon bis zur Elbe heißt entsprechend Vorland. Im Rückland schließt sich an die eigentliche Seenplatte noch die Mecklenburgische Schweiz an, als ein Höhenzug, der sozusagen nach Nordosten von der Endmoräne abzweigt. Wie überall im Nordosten hat man hier ein bisschen getrickst: Um ein optisches Relief zu ermöglichen, liegen die Fließgewässer wie Peene und Tollense nahezu auf Meeresniveau, so dass die benachbarten Moränen nur auf 100 bis 150 Meter ansteigen müssen, um als Schweiz daherzukommen.


    Dieses geografische Setting soll jetzt beim Wandern als Orientierung dienen. Wenn man die Routen meiner früheren Reiseberichte aus Brandenburg aneinanderhängt, sieht man, dass ich sozusagen von Südosten in die Seenplatte hineingelaufen bin, um dann ein wenig in ihrem uckermärkischen Teil umherzuirren und schon mal einen isolierten Ausflug ins Rückland und darüber hinaus zu unternehmen.
    Einer geografischen Logik folgend, könnte man jetzt der relativ markant ausgeprägten nördlichen Grenze der Seenplatte nach Nordwesten folgen. Nicht dass ich wirklich nach Lübeck wollte. Aber vielleicht nach Schwerin? Oder Warin? Oder Sternberg?





    Leider muss man auch wieder zurück. Die wirkliche Route ist ein Kompromiss aus der geografischen Logik und der Logik der Bahnverbindungen. Die Wanderung, von der hier berichtet wird, beginnt daher in Neustrelitz und führt nördlich an Waren vorbei nach Langhagen, in die Übergangszone zwischen Seenplatte und Mecklenburgischer Schweiz. Man läuft also aus der bewaldeten Seenplatte hinaus ins Offene, statt zum Beispiel von Waren über Jabel in die Nossentiner-Schwinzer Heide hineinzulaufen, wo angeblich der böse Wolf wohnt.

    Den kriegen wir dann später. Einstweilen geht es um Hunde, Kraniche, Kondens und verwandte Sachverhalte. Vier Tage, neunzig Kilometer, drei Nächte im Zelt. Mecklenburg im März eben.
    Lebe Deine Albträume und irre umher

  • heron
    Fuchs
    • 07.08.2006
    • 1745


    #2
    Ich hab ja keine Ahnung von der Gegend - aber es liest sich schon echt spannend und höchst vergnüglich! Warte schon ungeduldig auf die Fortsetzung ...
    Ich habe keine grossen Ambitionen. Still sitze ich und betrachte wohlgemut das Gewimmel der Welt.
    Ich benötige nur so viel, wie ich mir ohne Anstrengung und Demütigung beschaffen kann. (György Bálint)

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    • codenascher

      Lebt im Forum
      • 30.06.2009
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      #3
      AW: »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

      schließe mich heron an. Mir scheinen hier vier interessante und vor allem unterhaltsame Tage zu kommen.



      gesendet vom Schmatfon

      Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

      meine Weltkarte

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      • Prachttaucher
        Freak

        Liebt das Forum
        • 21.01.2008
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        #4
        AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

        Bin auch mal gespannt - die Tourismusregion sah mich gerade auf dem Wasser. War noch etwas frisch. Ein Spaziergang am windigen Tag entpuppte sich als sehr gewagt : Großer Hund mit gleichgültigen Herrchen.

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          Freak

          Liebt das Forum
          • 18.04.2008
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          #5
          AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

          "Ich möchte genau das haben, was er geraucht hat!"
          Alles unter Nutriscore "D" ist rausgeschmissenes Geld.

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          • Profugus
            Anfänger im Forum
            • 26.01.2015
            • 14
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            #6
            AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

            *vorfreu*

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            • 0001
              Erfahren
              • 10.11.2013
              • 107
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              #7
              AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

              Klasse da freu ich mich! Ich bin von Karfreitag bis Ostermontag mit dem Zelt zu Fuß in der geichen Gegend unterwegs.

              VG

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              • eisen
                Erfahren
                • 03.10.2005
                • 334
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                #8
                AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                Mecklenburg im März eben.
                Ahh, die Rotunde! Ach nein, Tangente? Quadratur? Naja, jedenfalls draussen. Ich bin winterblass vor Neid! Erzähl!

                Grüsse,
                Eisen

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                • Igelstroem
                  Fuchs
                  • 30.01.2013
                  • 1944
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                  #9
                  AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                  Zitat von eisen Beitrag anzeigen
                  Ahh, die Rotunde! Ach nein, Tangente? Quadratur?
                  Es hätte die Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks sein sollen (rechter Winkel bei Demmin, die anderen beiden Eckpunkte bei Feldberg und Sternberg). Die Hypotenuse wäre also die Strecke Feldberg – Neustrelitz – Waren – Nossentiner Heide – Sternberg. Das geht jetzt aber nicht mehr auf.

                  Man kann übrigens für solche Strecken immer sehr schön eine Komoot-Route anlegen und dann noch ein bisschen den Asphaltanteil reduzieren. Aber die jüngste Erfahrung zeigt, dass man bei der Abschätzung der realen Etappen etwa 20 % auf die Komoot-Entfernung aufschlagen bzw. die Luftlinienentfernung mit mindestens 1,5 multiplizieren sollte. Der Aufschlag ergibt sich aus den Umwegen, die man zum Beispiel wegen vermuteter Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten oder wegen der Zeltplatzsuche, im Ausnahmefall auch wegen eines Hundes macht.
                  Zuletzt geändert von Igelstroem; 29.03.2015, 00:38.
                  Lebe Deine Albträume und irre umher

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                  • Igelstroem
                    Fuchs
                    • 30.01.2013
                    • 1944
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                    #10
                    AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                    Tag 1: Sonntag, 8. März 2015
                    Neustrelitz – Klockow (25,2 km)


                    (Der nebenstehende ›Track‹ der Tagesetappe ist eine nachträglich gezeichnete Route, denn ich benutze kein GPS-Gerät. Bitte ggf. die (+/-)-Schaltfläche zum Reinzoomen in die Weltkarte verwenden. Außerdem gibt es unter der Kilometerskala des Höhenprofils eine Schaltfläche, mit der man das Darstellungsfenster vergrößern kann. Es empfiehlt sich zudem, von der Karte auf das Satellitenbild umzuschalten.)



                    Als an diesem Sonntagmorgen alles gepackt ist, hänge ich den Rucksack an meine Gepäckwaage und stelle fest, dass er nur knapp 11 kg wiegt, trotz mehr als 2 kg Lebensmitteln. Ein guter Wert, finde ich. Aber schon auf dem Weg zur S-Bahn fällt mir ein, was fehlt. Die Wasserflasche ist nicht nur nicht mitgewogen worden. Sie wurde auch nicht eingepackt.

                    In diesen Minuten, da man die letzten Vorkehrungen für mehrtägige Abwesenheit getroffen und das Haus verlassen hat und sich denken kann, dass man vermutlich den Zug erreichen wird, sollte eigentlich das Feenpferd auf der Bildfläche erscheinen. Die Sonne scheint, ein paar Krokusse blühen, man schwingt sich kühn auf das Einhorn und hält sich an der Mähne fest, weil es ja losgeht. Stattdessen dieser Stich: Du bist zu blöd zum Rucksackpacken, jetzt musst Du gleich zu Anfang improvisieren.

                    Dann fällt mir ein, dass man natürlich am Bahnhof Getränke in PET-Flaschen kaufen kann und es auch in Neustrelitz einen Kiosk gibt. Man kann es nicht genau wissen, aber er wird wohl offen sein. ›Es muss auch ohne Nalgene Oasis gehen‹ – sehr frei zitiert nach irgendeinem toten Preußen. ›Und geht auch‹, würde Fontane hinzufügen.







                    Neustrelitz: Residenz ohne Residenzschloss, nachdem selbiges 1945 zerstört wurde. Besichtigung des Schlossparks steht nicht auf der Tagesordnung. Ich kaufe also am Bahnhof Apfelschorle, lasse eine leere PET-Flasche mit Leitungswasser auffüllen und gehe durch die Stadt zum Hafen, anschließend am Zierker See entlang nach Norden aus der Stadt hinaus.

                    Das Wetter ist überirdisch sonnig, man kann im T-Shirt laufen und froh sein, dass man nach dem letzten Blick auf die Wettervorhersage auch noch die Sonnenmilch eingepackt hat.





                    Eine gerade Route von Neustrelitz nach Klockow würde von Zierke nach Kratzeburg durch die Kernzone des Müritz-Nationalparks führen. Das war gestern abend noch nicht ganz klar: ob man diese Zone überhaupt betreten darf. Irgendwo im Internet war zu lesen, dass das nicht der Fall sei, aber diese Information war falsch, wie sich später herausstellt. Noch vorhandene Wege dürfen betreten werden.

                    Am Vorabend habe ich eine etwas pampige E-Mail an das Nationalparkamt geschrieben: Wenn das Betreten der Wege in der Kernzone verboten sei, könne man doch wohl erwarten, dass man auf der Website des Nationalparks eine Karte finde, in der die Lage der Kernzonenbereiche eindeutig verzeichnet sei. Andernfalls entstehe der Eindruck, dass man in der Region trotz aller warmen Worte über das Wandern gar nicht mit Wanderern rechne, die ihre Route selber planen.
                    Auf der Wanderkarte des Klemmer-Verlags ist die Kernzone übrigens schraffiert. Aber OSM, komoot und die Kompass-Karte wissen von nichts.

                    Die Wirkung dieser Unsicherheit auf meine Routenplanung war jedenfalls die, dass ich mich für diese Etappe ganz auf die bonbonfarbigen Nationalparkwege der Klemmer-Karte konzentriert und den Umweg über das Forsthaus Langhagen gewählt habe. (Es heißt wirklich Langhagen, hat aber nichts mit dem Dorf und dem Bahnhof zu tun, an dem diese Tour später enden wird. Mehrfach auftretende Ortsnamen gibt es in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern viele.)


                    Der kürzeste Weg in den Nationalpark hinein führt dann augenscheinlich über das schön gelegene Gutshaus Kiebitzbruch. ›Privatgelände, keine Durchfahrt‹, steht auf dem Schild. Aber ich fahre ja auch gar nicht. Also gehe ich weiter, bis nach vielleicht 20 Metern die beiden Hunde auf mich aufmerksam werden und sich begeistert bellend meiner annehmen. Oh, denke ich, offenbar habe ich das Schild falsch interpretiert. Also gleich mal umkehren. Ich gehe im gleichen Tempo zurück, und der eine der beiden Hunde (ein blonder Hovawart) eskortiert mich eng bis zur Grundstücksgrenze. Das Gutshaus ist hier nahezu 100 Meter entfernt, man sieht es im Hintergrund des Parks. Irgendwo dort hinten steht jemand und harkt Laub und ruft »Hallooo! Ste–hen–bleiben!« Aber das passt aus meiner Sicht nicht ganz zum Verhalten des Hundes, so dass ich nur so was denke wie ›Ja ja, ganz bestimmt‹ und das Gelände auf direktem Wege verlasse.

                    Anschließend weiche ich nach Südwesten aus und erreiche den Nationalparkweg bei dem Dorf Prälank. Der einzige Bewohner, den ich dort treffe, hat ein Sprüchlein auf Lager: »Die Bundeswehr ist überall, wa?«, aber ich antworte nur ganz uninspiriert: »Ja, wahrscheinlich.« Das bleibt diesmal die einzige Szene dieser Art; später gehe ich anscheinend als Wanderer durch.

                    Der Nationalpark ist in diesem Bereich in erster Linie ein Kiefernwald, der (genauso wie der Fichtenwald im Nordschwarzwald) durch die allmähliche Verwilderung nur gewinnen kann.







                    Unterwegs auf dem breiten Fahrweg begegnen mir bis zum Forsthaus Langhagen zwei, drei Autos. Ein paar Fußgänger mit zwei kleinen Hunden und einer Plastiktüte kommen zu meiner Überraschung weglos aus dem Wald gestapft. Wahrscheinlich sammeln sie Frühjahrspilze. Für einheimische Pilzsucher gelten im Nationalpark Sonderregelungen. Später dröhnt ein Quad vorüber und biegt in einen Nebenweg ab. Dieses Fahrzeug sehe ich später wieder, als ich am Forsthaus Pause mache.







                    Jenseits des Wohnplatzes Langhagen werden Wald und Gelände etwas abwechslungsreicher, bis man schließlich wieder auf die Bahnstrecke Berlin-Rostock stößt, die hier in Kratzeburg, auf halbem Weg zwischen Neustrelitz und Waren, einen Haltepunkt hat.







                    Das Nationalparkdorf Kratzeburg glänzt heute mit einem geschlossenen Fischimbiss. Vielleicht gibt es in der Saison sogar mehrere Einkehrmöglichkeiten, an einem Sonntagnachmittag im März allerdings sollte man die Gaststättenmarkierungen auf der Wanderkarte nicht so ernst nehmen.



                    Historische Baustoffe


                    Ausgleichshalber lasse ich mich mitten im Ort an der Bushaltestelle nieder, packe den Kocher aus und koche meinen Kurzkochreis, anschließend auch noch einen Kaffee. Irgendwann kommen zwei Jugendliche angeradelt und fragen nach Feuer. Sie wollen auch wissen, was ich hier mache, und als ich mich als Wanderer oute, meint die eine (mit einigem Nachdruck) zur anderen: »Siehste, hab ich Dir doch gesagt!«

                    Natürlich habe ich Feuer, aber sie drucksen ein bisschen herum, bis sich herausstellt, dass es hier nicht ums Rauchen geht, sondern darum, irgendwo drüben am Seeufer ein Feuer in Gang zu bringen. Ich leihe also eines meiner beiden Feuerzeuge aus, und als es dann zurückgebracht wird, verschenke ich es doch noch, weil man ja nicht weiß, ob das Feuer nicht inzwischen schon wieder ausgegangen ist. Demzufolge habe ich fortan kein Ersatzfeuerzeug mehr.

                    Gerne hätte ich auch noch meine Wasserflaschen aufgefüllt, aber im Ort gelingt das nicht, denn der Friedhof hat diesmal keine Wasserleitung und die zahlreichen Anwohner lassen sich auch nicht in ihren Gärten blicken.





                    Ungefähr um halb fünf breche ich auf, um die letzten sieben Kilometer bis nach Klockow zurückzulegen. Der Weg verläuft parallel zur Bahnstrecke in kaum 200 Meter Abstand, und der Wald ist so öde, dass einem fast unheimlich werden könnte. Obendrein bin ich müde.

                    Als ich um viertel nach sechs in Klockow eintreffe, dämmert es schon deutlich. Man könnte angesichts der geringen Größe des Ortes und angesichts der sich verzweigenden Wege Angst haben, bei einbrechender Dunkelheit an dem Ort vorbeizulaufen. Denn eigentlich handelt es sich nur um eine Lichtung mit drei oder vier Häusern in den unendlichen Weiten des Kiefernwaldes. Die Hälfte der Lichtung wird von dem Campingplatz eingenommen, der auch im Winter geöffnet ist und wo ich mein Kommen vorsichtshalber angemeldet habe.

                    In der Gaststätte findet heute eine Frauentagsfeier statt. Der Wirt hat natürlich mit mir gerechnet, und so werde ich jetzt mit dem Zuruf »freie Platzwahl« begrüßt. Aber ich brauche erst mal einen Kaffee, bevor ich in der Dämmerung unten bei den Maulwürfen mein Zelt aufbaue. Ein oder zwei Dauercamper sind wohl auch vor Ort, aber mein Zelt ist das einzige.





                    Den Abend verbringe ich beim Essen in der Gaststätte, etwas abseits der Feiernden. Aber später schließt sich noch ein Gespräch mit dem Betreiber an, in dem es mal wieder ein bisschen um Tourismuskonzepte und Geschäftsmodelle geht, diesmal unter besonderer Berücksichtigung des Nationalparks. Dass Gaststätte und Campingplatz hier draußen im Winter geöffnet bleiben, liegt natürlich daran, dass die Betreiber ohnehin hier wohnen und einen Teil des Umsatzes mit Gruppenfeiern und Catering-Service machen.

                    Das mit dem Catering-Service scheint übrigens in diesen Regionen eine Art Trend zu sein. Man spart sich die Saalmiete und feiert zuhause. Selbst ausgezeichnete Restaurants wie zuletzt die Gaststätte »Zur Eisenbahn« in Ringenwalde (bei Templin) schließen irgendwann, und der Koch versucht es dann mit einem Catering-Service.
                    Angehängte Dateien
                    Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:48.
                    Lebe Deine Albträume und irre umher

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                    • 0001
                      Erfahren
                      • 10.11.2013
                      • 107
                      • Privat


                      #11
                      AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                      Schöööner Text! Danke! Freue mich auf die Fortsetzung

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                      • German Tourist
                        Dauerbesucher
                        • 09.05.2006
                        • 849
                        • Privat


                        #12
                        AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                        ....das Eis kam von Norden, und weil es im Nordosten Deutschlands nahezu keine zertifizierten Qualitätswanderwege gibt, wusste es irgendwann nicht mehr weiter und schmolz ratlos dahin.
                        http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                        • stoeps
                          Dauerbesucher
                          • 03.07.2007
                          • 537


                          #13
                          AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                          Wie immer: Herrlich !!!

                          Ich freue mich auf die Fortsetzung …
                          „The world's big and I want to have a good look at it before it gets dark.”
                          ― John Muir

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                          • lina
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                            Liebt das Forum
                            • 12.07.2008
                            • 43828
                            • Privat


                            #14
                            AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                            Dito!

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                            • blauloke

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                              • 22.08.2008
                              • 8843
                              • Privat


                              #15
                              AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                              Warte auf die Fortsetzung, da ich die Gegend während eines Urlaubs vor ein paar Jahren etwas kennen gelernt habe.
                              Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                              • Igelstroem
                                Fuchs
                                • 30.01.2013
                                • 1944
                                • Privat


                                #16
                                AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                Tag 2: Montag, 9. März 2015
                                Klockow – Alt Falkenhagen (22,9 km)




                                Eine Weile lang während dieses Winters habe ich geglaubt, das Hauptproblem bei Touren im Winterhalbjahr sei die lange Dunkelheit, die man ohne aufwendiges Kochen, Gesprächspartner oder gedruckten Krimi nicht aushalten könne (mit Krimi aber erst recht nicht). In Wahrheit ist die Dunkelheit ein Vorteil. Sie hat einfach die Wirkung, dass man auf jeden Fall morgens ausgeschlafen sein wird, auch wenn man nicht gleich einschläft oder zwischendurch wachliegt. Wenn man am frühen Abend sein Zelt aufbaut, ist man sowieso müde vom Wandern und ›könnte sich jetzt eigentlich mal hinlegen‹. Das tut man dann und hat eine ziemlich geruhsame Nacht.


                                In dieser Nacht bin ich allerdings erst nach Schließung der Gaststätte schlafen gegangen und habe nachts das verdaute Bier in den beheizten und sehr sauberen Sanitärcontainer getragen. Trotzdem blieb noch etwas Feuchtigkeit zum Ausatmen übrig, die im Sinne eines Vorgeschmacks auf die kommenden Nächte an der Zeltwand kondensierte.





                                Frühstück ab acht. Meine Bedenken, ob man den Aufwand für einen einzelnen Gast überhaupt auf sich nehmen wolle, waren gestern mit leisem Spott in den Wind geschlagen worden: »Na ja, wir essen ja selber auch was.«

                                Während des Frühstücks unterhalte ich mich länger mit der Chefin. Es geht dabei unter anderem um die Quadfahrer im Nationalpark, um illegale Rotwild-Kirrung und um Trophäenjagd. Sie schildert mir die Situation. Den Jägern, so die Vermutung, ist es lieber, wenn möglichst wenig Besucher im Wald sind.


                                Als ich aufbreche, ist es bereits halb elf.





                                Ursprünglich hatte ich vor, die Stadt Waren zu durchqueren, aber heute früh habe ich es mir anders überlegt und biege daher nach drei Kilometern Richtung Kargow ab, um nordöstlich an Waren vorbeizulaufen.

                                Noch einmal kann man einen Blick auf die Bahnstrecke werfen. Bis hierher sind es von Neustrelitz 25 km mit dem Zug, 28 km zu Fuß.





                                Ein Güterzug fährt vorbei, während ich hier Pause mache. Ob der Zugführer zurückwinkt, kann ich nicht erkennen. Womöglich winkt man besser nicht, man will ja nicht mitfahren.


                                Am Rand des Nationalparks öffnet sich die Landschaft allmählich. Nebenbei lockert auch die Bewölkung wieder auf, nachdem es morgens grau gewesen war.





                                An einem Rastplatz findet sich eine gute Stelle für den Kocher. Also mal Reis kochen, ist ja Mittagszeit. Dazu erhitzt man 100 ml Wasser im Kaffeebecher und schüttet dann den Kurzkochreis aus einem Kochbeutel hinein. Anschließend wird der Becher in die Isolierhülle einer US-Feldflasche verpackt, damit der Reis 10 Minuten quellen kann.

                                Die zugehörige Feldflasche taugt übrigens nichts, aber die Hülle hat hier immerhin noch einen Nutzen; sie dient außerdem als Transporthülle.









                                Nach zehn Minuten wird der Reis mit 40 g Kräuterbutter versetzt, so dass man sich das vorherige Salzen sparen kann. Wenn es nicht zu kalt ist und man den Becher während des Quellens hinreichend isoliert hat, genügt die Wärme, um die Butter zu schmelzen.





                                Der Becher lässt sich nach dem Essen leicht mit einem Tempotaschentuch reinigen, ohne dass man fürs Abspülen Wasser oder Urin verbrauchen muss.





                                Als alles gegessen und wieder eingepackt ist, kommt ein Auto in der Farbe meines Rucksacks angefahren. Darin sitzt ein Mann mit einer Art Sepplhut. Er schaut heraus und guckt wohl, was ich da so mache. Aber weil ich eigentlich gar nichts mache, steigt er gar nicht erst aus, sondern wendet und fährt wieder weg.





                                Ein gutes halbes Stündchen später bin ich in Kargow. Die Karte hat dort ein Gaststättensymbol, aber ich spare mir den Abstecher zum Hotel. Die Wasserflaschen würde ich gerne auffüllen. Wieder bietet sich zunächst keine Möglichkeit, weil im Ort kein freilaufender Mensch zu sehen ist.

                                Allerdings fahren während meines Aufenthaltes einige Autos vorbei. Eins hält an; Ehepaar mit einem Hund, der sich aus dem Fond lautstark ins Gespräch einmischt. Sie möchten von mir wissen, wo es in den Nationalpark hineingeht. Ich verweise auf die entsprechenden Schilder, die ich an der Kreuzung gesehen habe. Dann reden wir noch kurz über meine Pläne und über die Gaststättensituation. »Ich wäre ja schon zufrieden, wenn es Leitungswasser gäbe.« Aber die beiden haben gerade eingekauft, und so bekomme ich jetzt netterweise eine große Flasche stilles Wasser geschenkt.

                                Dass letztlich auch das Wasser nicht aus einem Haus, sondern aus dem Auto kommt, ist irgendwie nur logisch, denn die übergroße Mehrzahl der Menschen, denen man unterwegs begegnet, sitzt in einem Fahrzeug.





                                Inzwischen scheint auch wieder die Sonne. Vor dem verfallenden Gutshaus trage ich meine Sonnenmilch auf, fülle den größten Teil des Wassers in meine Flaschen um und verliere fast meine Uhr, weil sie sich beim Absetzen des Rucksacks wie üblich verfängt und sich diesmal das Armband sogar löst. Aber das ist schnell behoben.

                                Das nächste Zwischenziel ist Torgelow am See. Das ergibt sich aber erst in Kargow, weil sich herausstellt, dass die Straße nach Schmachthagen relativ stark befahren ist. Und wenn man sowieso Richtung Neu Schloen läuft, kann man auch gleich nach Torgelow weiterlaufen, wo das nächste Gaststättensymbol auf der Karte steht.

                                So genau will es wahrscheinlich keiner wissen. Aber es macht zumindest deutlich, dass im Verlauf der Etappe die ursprüngliche Routenplanung keine allzu große Rolle mehr spielt. Man muss nur auf die Karte schauen und ungefähr die Richtung halten, so dass man gewisse Chancen hat, am Donnerstagabend Güstrow zu erreichen. (Zu diesem Zeitpunkt ist Güstrow noch das Ziel.)





                                Ich gehe also in der gleißenden Sonne über einen echten Feldweg nach Neu-Schloen und begegne unterwegs den ersten Kranichen. Nicht dass ich ihnen wirklich nahe käme. Sie stehen halt auf den Feldern. Wenn ich mich nähere, stoßen einzelne von ihnen Warnrufe aus. Bald darauf fliegen sie auf, erst einzelne, dann irgendwann alle. Beim Auffliegen checken sie wahrscheinlich, in welche Richtung ich gehe, und kommen sich klug dabei vor, wenn sie sich etwas weiter in meiner Laufrichtung wieder niederlassen. Und das wiederholt sich dann.


                                Neu-Schloen liegt an der Bundesstraße 192. Die Gaststätte »Zum Blitzer« liegt direkt an der Straße, ein bisschen wie eine Autobahnraststätte. Dass sie offen ist, hat also nicht den Grund, dass man hier auf Wanderer lauert. Ich gehe aber trotzdem rein und trinke Kaffee, lasse außerdem eine Wasserflasche auffüllen und gebe die geschenkte Pfandflasche ab, die ich bis dahin in der Hand getragen habe. »Guten Weg noch.«

                                Nach Torgelow geht es zuerst an einer wenig befahrenen Allee entlang; später zweigt ein Uferweg von der Straße ab.





                                ›Internat und Privatgymnasium‹ steht auf der Karte. Das kommt aber erst zum Schluss dran, womöglich hätte ich es ausgelassen. Vorher laufe ich durch den Ort. Die Gaststätte ist im Winterhalbjahr geschlossen. Nur am Dienstagabend ist sie ›für die Schüler‹ geöffnet. Das steht da so. Ich treffe zwei einheimische Radfahrerinnen auf der Straße und lasse mir den Weg zum Landhandel weisen. Es gibt hier also eine Einkaufsmöglichkeit. Außerdem bekomme ich dort einen Kaffee und eine Bockwurst. Und natürlich ein Gespräch. Außer der Betreiberin ist noch ein knorriger Einheimischer zugegen, dann kommt noch ein Eiscafébesitzer aus Waren herein, der sich ebenfalls einen Cowboykaffee für 50 Cent holt.

                                Wir quasseln eine Weile. Ich erkläre meinen Wanderplan und sage, dass ich mir dann draußen irgendwo einen Zeltplatz suchen werde. »Mich schudderts schon bei dem Gedanken«, meint die Landhändlerin.

                                ›Das liegt aber nur daran‹, denke ich bei mir, ›dass Sie nie durch das Stahlbad der ODS-Kaufberatung gegangen sind‹; und höre mich stattdessen sagen: »Na ja, einen warmen Schlafsack braucht man natürlich schon.«

                                Inzwischen ist Schulschluss, und ein paar Schülerinnen und Schüler kommen herein, um Weingummiprodukte zu kaufen. »Grundnahrungsmittel«, kommentiert der Eiscafémensch, und bekommt zur Antwort: »Ja, genau.« Das Sortiment des Ladens ist in gewisser Weise darauf eingestellt.

                                Ich dränge mich jetzt selbst zum Aufbruch, denn es ist inzwischen halb fünf. Das Internat habe ich immer noch nicht gesehen. Ich gehe also wieder zum See hinunter, finde dort ein relativ kleines weißes Schloss, vor dessen Portal gerade einige Schüler in den privaten Schulbus steigen, und mache ein paar Fotos. Es laufen einige Schüler umher, aber ich nehme sie höflicherweise nicht mit ins Bild.





                                Ausblick auf den See




                                In Torgelow gibt es ja Kopfnoten. Auf gutes Betragen wird also Wert gelegt. Und offenbar hat man diesen Menschen beigebracht, jeden Besucher, der sich hier eventuell blicken lässt, mit einem klaren und wohlartikulierten »Hallo« zu grüßen. Das geschieht jetzt mehrfach, während ich mit der Kamera über das Gelände gehe, und ich gestehe, dass ich das angenehm finde.

                                Wie elitär dieses Internat tatsächlich ist, erfahre ich später aus dem Internet. Die Jahresgebühr beträgt ungefähr 32.000 Euro, Stipendien gibt es kaum.


                                Es ist fünf Uhr, als ich den Ort hinter mir lasse. Da ich seit dem Morgen noch keine zwanzig Kilometer zurückgelegt habe, beeile ich mich ein bisschen in der Absicht, mir später irgendwo zwischen Jägerhof und Alt Falkenhagen einen Zeltplatz zu suchen. Auf der Karte sieht es nämlich so aus, als wäre das ein schön weitläufiges Areal mit etwas Relief und genügend Abstand zu den Ortschaften. Aber man kann eben auf der Karte nicht erkennen, ob es sich um Wiesen und Brachflächen oder vielmehr um intensiv bewirtschaftete Felder handelt. Einen wunderschönen Zeltplatz mit Blick auf den Baltenberg und Klein Gievitz lasse ich mir entgehen.



                                Feldweg nordwestlich von Torgelow (Blick zurück)



                                Etwas weiter, in Carlsruh, einem Wohnplatz von drei oder vier Häusern, habe ich meine nächste Hundebegegnung. Ein Schäferhund erscheint auf dem Weg und ist zunächst wie vom Donner gerührt, als er mich sieht. Dann läuft er begeistert bellend auf mich zu. Die Halterin ist freilich in der Nähe. Ich frage, ob ich weitergehen kann. »Ja, der ist nur neugierig.« In der Tat ist er ziemlich neugierig. Statt nur am Handrücken zu riechen, den ich üblicherweise hinhalte, drängt er sich wie eine Katze an meine Beine und setzt mir seine Pfote auf den Oberschenkel. Immer noch begeistert bellend. Die Besitzerin weiß auch nicht, was mich so interessant macht. »Haben Sie selbst einen Hund?« Vielleicht sei es der Geruch.

                                Einen Hund habe ich nicht. Geruch ist aber schon möglich.


                                Auf Carlsruh folgt Jägerhof. Und in Jägerhof, wo die Hunde zwar bellen, sich aber nicht blicken lassen, gehe ich dann aufs offene Feld hinaus, dem Weg folgend, der später Richtung Alt Falkenhagen abknickt. Die anfänglichen Brachwiesen liegen alle noch im Blickfeld der Häuser, und nach dem Abknicken des Weges befindet man sich leider zwischen großen Getreidefeldern und findet kaum noch einen Platz, der für das Zelt ausreichen würde. Auch wird es jetzt bald dunkel.

                                Erst an einem kleinen Weiher habe ich sozusagen Glück und finde eine ebene grasige Fläche, sozusagen eine Abstell- oder Wendefläche, groß genug für einen Mähdrescher oder mehrere Zelte. Der Charme des Ortes hält sich in Grenzen, aber hier muss ich jetzt bleiben.

                                Später werde ich aus dem Verlauf dieser Zeltplatzsuche die Regel ableiten, dass man in der letzten Stunde vor Sonnenuntergang einen angenehmen Platz wie den vorhin verpassten unbedingt in Anspruch nehmen sollte, auch wenn man dadurch die Tagesetappe eventuell verkürzt. Es ist in dieser Landschaft nicht wirklich schwierig, einen Platz zu finden, aber wenn man zu lange zögert oder sich darauf festlegt, bis zum Sonnenuntergang weiterzulaufen, hat man eben zuletzt keine Wahl mehr.



                                Die Nacht ist kühl und anfangs sternenklar. Im Zenit wölbt sich ein echter Sternenhimmel mit Milchstraße, über dem kleinen Weiher steht der Orion mit seinem Begleiter. Sirius ist ein Hund, aber er bellt nicht. Darauf ist Verlass. Er sollte eigentlich der hellste Fixstern sein, ist es aber nicht, weil er schon zu tief steht. Am Horizont ist der Himmel vergleichsweise hell, wegen des Dunstes und wegen der Ortschaften (denke ich), aber dann geht im Osten auch noch der Mond auf und umgibt sich mit milchigen Wolkenbändern.

                                Ich sehe das, weil ich auf dieser Seite das Zelt offen gelassen, das Außenzelt aufgerollt habe. Der Mond schaut ins Zelt hinein, um zu sehen, was Igelstroem so macht. Und Igelstroem schaut aus dem Zelt heraus, um zu sehen, was der Mond so macht. Wer zuerst blinzelt, hat verloren. So geht das eine Weile. Irgendwann schließe ich wohl das Zelt, weil das Licht zu hell zum Schlafen ist.

                                Draußen gibt es ein paar Geräusche.

                                Flapp-flapp-flapp-flopp-flopp---pffschschsch ... Quack! Quack!

                                Das sind wohl Enten, die angeflogen kommen, auf dem Teich landen und ein bisschen meckern. Das geschieht mehrmals in dieser Nacht. Aber auch Kraniche höre ich irgendwann ganz in der Nähe. Wenn es welche waren. Gesehen habe ich sie nicht.
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                                • Igelstroem
                                  Fuchs
                                  • 30.01.2013
                                  • 1944
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                  Tag 3: Dienstag, 10. März 2015
                                  Alt Falkenhagen – Schlehenberg (18,7 km)



                                  Der Morgen ist unerwartet grau, und der Platz tut sein Übriges. Das Zelt ist innen und außen nass, und ich lasse es stehen, während ich mit klammen Fingern Tee und Reis koche. Das Zelt soll derweil ein bisschen in der Sonne trocknen. Aber es gibt keine Sonne. Nichts trocknet. Das Wasser haftet ganz gut auf Silnylon und lässt sich auch später beim Einpacken kaum abschütteln.


                                  Zeltplatz am Morgen


                                  Andere Blickrichtung


                                  Während das Zelt noch steht, zieht auf dem benachbarten Acker ein Monstertraktor seine Bahn. Er hat (nach westfälischen Maßstäben) unglaublich breite Ausleger, aus denen heraus jetzt ein feiner Sprühnebel die jungen Pflanzen schützt. Energiepflanzen, schätze ich mal. Pestizide, schätze ich mal. Der Traktor bewegt sich vermutlich GPS-gesteuert in seiner Fahrgasse. Höchstwahrscheinlich wird er jetzt anhalten, und der ›Bauer‹ wird übers Feld zu mir kommen, um mich in eine rechtshermeneutische Diskussion über mein Zelt zu verwickeln. Ich hebe vorsorglich meine Hand zum Gruß, aber der Traktorist blickt geradeaus. Auch er ist GPS-gesteuert. Für mein Zelt ist er nicht zuständig. Ich baue es ab und packe es nass in den Rucksack.


                                  Dann gehe ich los. Etwas ungelenk wegen der feuchten Kälte. Nach ein paar Schritten beginnt es leicht zu regnen. Kann ja nicht sein, denke ich. Ist aber. Wird allmählich mehr. Die Erfahrung sagt, dass man beim Anlegen der Regenkleidung nicht zögern sollte. Also Regenhose anziehen und dazu das Windshirt – das ich nachts über das Fußende des Schlafsacks gezogen habe, weshalb es jetzt schon etwas feucht ist (was aber nichts macht). Wenig später hole ich auch noch den Schirm heraus.

                                  Alt Falkenhagen ist unter solchen Bedingungen ein trostloser Ort. Man überquert die eingleisige Bahnstrecke von Waren nach Malchin, die jetzt Draisinenstrecke ist. Leider muss man hin und zurück fahren, wie ich später lese. Ansonsten hätte ich nichts dagegen, in dieser Landschaft gelegentlich eine Teilstrecke auf Schienen zurückzulegen.

                                  Der Ort Alt Falkenhagen hat eine Bushaltestelle ohne Sitzbank, wie ich missbilligend feststelle. Ich stehe also da und krame was aus dem Rucksack, während eine Frau im Auto vorbeifährt und sehr große Augen macht. Was guckst Du? Nichts an mir ist heute ungewöhnlich.


                                  Ich bin jetzt in einem Gebiet, für das ich zwei verschiedene Wanderkarten habe: Klemmer und Kompass. Man kann also die Qualität vergleichen. Der Klemmer-Verlag ist in der Region beheimatet, und die Karte stellt sich bei erster Gelegenheit als die zuverlässigere heraus. Das betrifft besonders das Wegenetz. Dass es der Kompass-Karte hier vor allem an Aktualität mangelt, ist keine neue Erkenntnis. Im Bereich zwischen der mecklenburgischen Schweiz und Güstrow hat allerdings der Klemmer-Verlag eine Abdeckungslücke, deshalb braucht man die Kompass-Karte trotzdem.

                                  Schon bei Kilometer 2,5 drängt sich ein Rastplatz auf. Klamm und grün ist das Holz, und ein bisschen morsch. Klamm und ein bisschen grün bin auch ich. Das passt. Da ich vorhin nur Früchtetee gekocht habe, koche ich mir jetzt einen Kaffee aus der Tüte. Mal schmeckt er, mal nicht. Mal klumpt er, mal nicht. Und Esbit ist vergleichsweise schwer anzuzünden; so wird jedenfalls der Daumen warm und trocken.


                                  Rastplatz am Rande des Naturparks


                                  Aber alles wird gut. Zum Beispiel hört es auf zu regnen, während ich hier sitze. Also mal weiterlaufen. Der Rastplatz liegt am Rand des Naturparks Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See, wie das Holzschild anzeigt, und in den laufe ich jetzt hinein, ein paar Kilometer durch den Wald.

                                  Andererseits ist heute ›Tag des Umwegs‹. Es beginnt damit, dass ich nach Westen Richtung Baumgarten laufe statt nach Norden – bis ich aufs freie Feld komme und mir auffällt, dass das nicht richtig sein kann. Also wieder zurück und dann ein bisschen der Wanderwegmarkierung folgen.

                                  Unterwegs im Wald finde ich, dass ich mich mal um Trinkwasser kümmern könnte. Der ein oder andere moorige Tümpel bietet sich an. Auf dem Bild unten sieht man das ungefilterte Wasser. Das gefilterte hat dann wegen der verbleibenden Huminstoffe ungefähr die Farbe einer dünnen Apfelschorle.




                                  Etwas weiter stoße ich auf eine Grillhütte, und weil es schon gegen Mittag geht und die Sonne gerade herauskommt, lasse ich mich dort nieder und breite das Zelt zum Trocknen auf einem der Tische aus. Viel nützt es übrigens nicht. Aber weil ich sowieso herumsitze, koche ich Reis mit Huminwasser.




                                  Ein paar Kilometer weiter führt der Weg bei Marxhagen wieder aus dem Wald heraus. Und es ist vielleicht kein Zufall, dass man sich später an die Wegabschnitte in der Offenlandschaft viel genauer erinnert als an die Waldstrecke.


                                  Am Waldrand bei Marxhagen


                                  Inzwischen scheint also die Sonne, und das Gaststättensymbol, das auf der Karte beim Schloss Ulrichshusen verzeichnet ist, übt eine magische Anziehungskraft aus. Lieber Ulrichshusen als Marxhagen. Das Landschaftserlebnis ist typisch für diese Gegend: Der lauschige Feldweg steuert auf einen flachen Hügel zu, über dem sich ein großzügiger Himmel spannt, und wenn man den Hügel überquert, öffnet sich unverhofft ein weiter Ausblick, der ›in der Ferne‹ durch eine zweite Hügelkette begrenzt ist. Und unten in der Senke, in die man nun hineinläuft, liegt also ein See mit einem Schloss.






                                  Die bunte Symbolik der Wanderkarte suggeriert dem tourismusgewöhnten Betrachter eine Art Hotspot mit Biergarten und vielleicht einem Hofladen und einem Bootsanleger, aber wenn man da ist, findet man nur eines dieser allzu gepflegten Schlosshotels, von denen es in der Region einige gibt. Ich betrete also das Foyer und frage an der Rezeption, ob man wohl irgendwo einen Kaffee bekommt, aber das Restaurant ist heute geschlossen. Man bekommt also keinen Kaffee.


                                  Schloss Ulrichshusen


                                  Immerhin ist es möglich, das Wasser aus dem Wald gegen Leitungswasser auszutauschen. Danach breche ich wieder auf und laufe zuerst nach Rambow, von dort mangels geeigneter Wege entlang der Straße Richtung Moltzow.

                                  Letztlich ist das keine gute Idee, aber es ergibt sich eben aus dem Abstecher nach Ulrichshusen. Auf der Straße von Rambow nach Moltzow ist wahrscheinlich schon seit Menschengedenken niemand mehr zu Fuß gegangen. Der Verkehr ist nicht sehr lebhaft, aber es gibt jedenfalls welchen. Alle zwei Minuten kommt ein Auto vorbei. Nach anderthalb Kilometern, auf halbem Weg nach Moltzow, zweigt beim Schlehenhof ein Weg ab, den ich gerne nehmen würde. Aber dazu kommt es nicht, weil der schöne große Hund des Schlehenhofes bei meiner Annäherung durch das offene Tor auf die Straße läuft und mir auf meiner Seite begeistert bellend entgegenkommt. Ich warte gar nicht ab, was das zu bedeuten hat, sondern kehre um. Der Hund folgt mir noch ein bisschen, und der Fahrer des entgegenkommenden Lastzugs, der erst mal abbremsen muss, wundert sich wahrscheinlich. Aber das ist nicht mein Hund.

                                  Was jetzt? Ich laufe ein Stück zurück und versuche den Hof auf einem Feldweg zu umgehen, der laut Karte irgendwo zwischen den Feldern unterbrochen ist. Vielleicht kann man den fehlenden halben Kilometer querfeldein oder am Feldrand gehen. Das versuche ich, aber es gelingt letztlich nicht, weil ein dichtes Gehölz und ein Weidezaun im Weg ist. Hier hätte man das Satellitenbild zur Orientierung gebraucht, dann hätte man sich vielleicht durchschlagen können. Es fehlen kaum 200 Meter, um den Feldweg nördlich von Moltzow zu erreichen. Frustriert kehre ich um. Das Gehen am Rand des gepflügten Feldes, erst bergab und dann zurück wieder bergauf, ist anstrengend.

                                  Zurück auf der Straße, mache ich einen halbherzigen Versuch, in Richtung Moltzow zu trampen, aber es kommt eben nur gelegentlich ein Auto, und die Fahrerinnen sind meistens mit Telefonieren beschäftigt. Immerhin hält jemand an und erkundigt sich, wieso ich hier unterwegs bin, aber die Fahrtrichtung ist die falsche.



                                  Schließlich mache ich mich von Rambow Richtung Dahmen auf den Weg, weiche also weiter nach Norden aus. Das entspricht nicht der Planung, ist aber auch kein dramatischer Umweg, denn es ist letztlich egal, ob man nun über Klocksin oder über Dahmen nach Langhagen läuft.

                                  Der Weg geht bergab (Dahmen liegt ja am Malchiner See), und als ich unten bin, finde ich einen Rastplatz vor, wo ich jetzt Pause mache, um anschließend einen Zeltplatz zu suchen. Es ist nämlich bereits 17 Uhr.

                                  In der Nähe fährt jemand mit einem Traktor hin und her und transportiert Heuballen; es ist wohl der Eigentümer des benachbarten Bauernhofes, der vorhin schon mal im Vorbeifahren gegrüßt hat. Als er jetzt wieder an meinem Rastplatz vorbeikommt, spreche ich ihn an.

                                  »Aha, der Wandersmann.« Er steigt von seinem Gefährt, und ich frage ihn, ob er mir einen Zeltplatz für die Nacht empfehlen kann. Wir reden ein bisschen über meine Route und über mögliche Plätze. Möglichst nicht hier unten (wegen der Abzugsgräben), sondern ein bisschen weiter oben am Berg, meint er. »Alte Pfadfinderweisheit.« Also zum Beispiel dort den Weg hinauf, bis Sie rechts und links zwei Eisentore sehen. Dann durch das rechte Tor auf die Wiese. Nicht nach links, da stehen nämlich die Viecher.

                                  So mache ich das. Und deshalb endet der Tag versöhnlich. Oder sogar grandios. Denn die Weide hinter dem Eisentor ist ein trockener Hügel, von dem aus man einen großartigen Ausblick nach Norden Richtung Dahmen hat; auf der anderen Seite liegt der Wald.




                                  Über dem Zelt gibt es wieder einen Sternenhimmel zu bewundern, für den allein sich die Anreise schon gelohnt hätte. Bevor ich einschlafe, denke ich darüber nach, wie sehr sich das für die Menschen vor Erfindung des elektrischen Lichts aufgedrängt haben muss. Nicht als ungewöhnliches Naturerlebnis, sondern als normaler Zustand des nächtlichen Himmels, sofern der nicht bewölkt war. Und wie schwierig muss es gewesen sein, sich auf diese ebenso aufdringliche wie ungreifbare Wirklichkeit einen Reim zu machen: ohne jeden neuzeitlichen Begriff von ›Weltraum‹ und ›anderen Sonnensystemen‹.
                                  Zuletzt geändert von Igelstroem; 07.07.2015, 15:32.
                                  Lebe Deine Albträume und irre umher

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                                    • 30.01.2013
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                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                    Tag 4: Mittwoch, 11. März 2015
                                    Schlehenberg – Langhagen (18,5 km)



                                    Im Rücken des Fotografen, im waldzugewandten Teil der Weide, steht eine Eiche, jener Baum also, der nach der Linde und der Weißtanne die drittmeisten Dichter im deutschsprachigen Raum inspiriert hat:

                                    Mich dünkt, ich düngte zweimal Dich in dieser Nacht.
                                    Ein schwacher warmer Strahl trifft sacht
                                    auf Deine Rinde, springt wie Glas
                                    im kalten Licht der Stirndioden.
                                    Ein Käfer schreckt aus seinem Schlaf und fragt sich: Was
                                    hat das nun zu bedeuten? Ein Schuh wird nass
                                    und später auch der Boden.


                                    Der Aufenthalt in der Natur kann es fernerhin mit sich bringen, dass man morgens durch eine Motorsäge geweckt wird. Im angrenzenden Waldstück sehen einige Bäume ihrer Zerkleinerung entgegen. Zwei Warnwesten schauen, als ich das Zelt verlasse, zu meinem Hügel herauf; vielleicht steckt der Eigentümer meines Zeltplatzes selbst in einer dieser Westen, aber ich kann es von hier aus nicht erkennen.

                                    Das Zelt ist nass, so als hätte jeder Stern des Himmels einen kleinen Tropfen auf ihm hinterlassen. Aber innen ist es nicht anders. Draußen heißt es Tau, drinnen heißt es Kondens, damit die Verantwortung richtig verteilt ist. Den Molekülen ist es egal; sie fliegen nur umher und suchen eine kalte Zeltwand, an der sie sich vergesellschaften können.




                                    Ich packe sehr langsam zusammen und lasse das Zelt noch eine Weile stehen, in der Hoffnung, dass gleich die Sonne herauskommt. Aber es ist zwecklos. Kurz nach Sonnenaufgang hat sich der Himmel mit freundlichem Gewölk bezogen, und auch der zugehörige Wind denkt gar nicht daran, eine trocknende Wirkung zu haben. Ich packe also das Zelt so ein, wie es ist. Ungefähr um halb neun breche ich auf, Richtung Dahmen. Meinen ›Gastgeber‹ sehe ich nirgends.


                                    Weil ich gerade Empfang habe, telefoniere ich im Gehen und erkundige mich bei jemandem, der es wissen muss, wie man mit dem nassen Zelt am besten umgeht. Abwischen mit einem Schwammtuch lohnt sich nicht wirklich. Man kann nichts machen, das ist die Jahreszeit. Vielleicht tagsüber mal unterwegs zum Trocknen ausbreiten, wenn die Sonne scheint.


                                    Dann bin ich in Dahmen, das ich mir nach der Lage und den Zeichen auf der Wanderkarte als einen reizenden und belebten Touristenort am Malchiner See vorgestellt habe. Dass es am See liegt, stimmt, aber man sieht das nicht gleich. Die Straße dominiert das Ortsbild, der See liegt unten hinter den Häusern. Ich treffe jemanden, der vergeblich versucht, seinen jungen Hund zu erziehen, und frage ihn nach einer Einkaufsmöglichkeit. Es gibt tatsächlich einen kleinen, versteckten Laden am Hintereingang eines Hauses, täglich geöffnet von neun bis zehn Uhr morgens. Das passt. Ich kaufe Schokolade; Feuerzeuge gibt es nicht.

                                    Von Dahmen aus gehe ich auf einem befestigten Weg durch die Feuchtwiesen am Malchiner See. Es gibt eine ziemlich hohe überdachte Aussichtsplattform aus Holz, von der aus man auf den See schauen kann: Vögel gucken, wenn welche da sind. Der Kamera-Akku ist fast leer, deshalb gibt es keine Fotos von dieser Strecke. Außerdem ist es kalt. Genau genommen ist es kalt, trocken und windig. Irgendwo weiter weg gibt es Wolkenlücken, aber nicht hier. Für eine Weile ziehe ich sogar meine Regenhose an, als Windschutz.



                                    Der Weg wendet sich nach Westen und folgt dem Mühlenbach, bis man in Ziddorf auf die Bundesstraße 108 (Waren – Teterow) stößt. Ziddorf hat eine historische Wassermühle. Eine bunte Fahne lädt zu einem Einkehrversuch ein. Tatsächlich ist die Tür offen. Ich gehe erst in die Gaststube, aber dort ist niemand, dann gegenüber in den Mühlentrakt, wo gerade zwei Männer und eine Frau aus dem Keller heraufsteigen. Nein, die Gaststätte ist eigentlich nicht offen. Einen Kaffee kann ich aber trotzdem bekommen. Und dann sogar ein Stück Käsekuchen. Beides von gehobener Qualität. Während ich mich hier aufhalte, lade ich meinen Akku eine Weile.

                                    Man ist gerade dabei, den alten Kachelofen in der Gaststube wieder in Gang zu bringen, aber er zieht noch nicht richtig. Daher füllt sich die Gaststube ein bisschen mit Rauch, und die Fenster müssen notgedrungen offen bleiben. Aber auf die Kälte oder Wärme kommt es jetzt nicht an, eher auf Akku und Kaffee.

                                    Die Frau ist die Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins, der die Mühle jetzt bewirtschaftet, und die beiden Männer, die sich um den Ofen kümmern, sind auch irgendwie mit dem Verein verbunden. Wir unterhalten uns ein bisschen; über den Tourismus, über die Durchlässigkeit der Landschaft für Fußgänger und Radfahrer, über die Hindernisse. Zu DDR-Zeiten wurde jeder Quadratmeter landwirtschaftlich genutzt, deshalb hat man öfters auch die Feldwege weggepflügt. Im Gegenzug war es aber üblich, zu Fuß über die Feldränder zu gehen. Das ist jetzt schwieriger geworden, weil es mehr Zäune gibt.

                                    Ich erzähle von meinem Besuch in Ulrichshusen. Meine Gesprächspartnerin spricht aus, was ich gestern nur gedacht habe.
                                    Und daran könnte man die altbekannte Überlegung anschließen: Der Umgang mit dem hergelaufenen Gast ist eine Frage der regionalen Tradition. Es kann immer und überall so oder so ausgehen, aber die Statistik der guten Überraschungen und der unbestimmten Beklemmungen macht das Thema zu einem Thema der Regionen.



                                    Ich lasse mir noch den Weg weisen, dann folge ich dem Mühlbach jenseits der Bundesstraße weiter nach Großen Luckow, und auf Großen Luckow folgt Klein Luckow. Bewohnte Ortschaften, aber ich treffe keinen Menschen. Auch keinen Hund.

                                    Nur hinter Klein Luckow stehen zwei Arbeitskräfte neben ihren überdimensionierten Landmaschinen am Feldrand. Sie grüßen nicht zurück.



                                    Frühling


                                    Schloss Großen Luckow mit Bisonherde


                                    Kraniche auf dem Feld


                                    Kraniche in der Luft


                                    Inzwischen scheint die Sonne wieder, wie jeden Tag.

                                    Mein Ziel ist jetzt Langhagen. Wie weit es von dort noch bis Güstrow wäre, wage ich kaum abzuschätzen. In der Luftlinie werden es 20 km sein, also 30 km zu gehen, und nach den Umwegen des Vortags bin ich skeptisch, wie lange ich wirklich brauchen würde. Jedenfalls habe ich am Freitag einen Kundentermin, und am Donnerstagabend fährt der letzte Zug von Güstrow um einundzwanzig Uhr. Ich müsste heute noch einige Kilometer über Langhagen hinauskommen, um es morgen nach Güstrow zu schaffen, und ich weiß eben nicht genau, wie weit es wirklich ist. Daher der Defätismus. Die Entscheidung, heute von Langhagen zurückzufahren, ist heute morgen im kalten Wind am Malchiner See gefallen.

                                    Von Klein Luckow führt kein direkter Weg nach Langhagen, zumindest ist auf der Kompass-Karte keiner zu erkennen. Man muss den Umweg über Bockholt und Krevtsee nehmen. Beides sind nur Höfe, keine Ortschaften. Ich imaginiere begeisternd bellende Hunde, die sich mir in den Weg stellen, aber sie treten dann doch nicht in Erscheinung.

                                    Die Wege sind übrigens schön.







                                    In Bockholt ist der Weg nach Krevtsee unauffindbar. Ich spreche mal wieder einen Traktoristen an, aber er kennt sich nicht aus und verweist auf die beiden Männer, die da drüben das Gehölz beschneiden. »Ja, ja, da gab es mal einen Weg. Den gibt es auch weiter hinten noch, da müssen Sie hier vorne ein Stück am Zaun entlanggehen, da war früher der Weg.«

                                    So mache ich das, laufe dann durch das kleine Naturschutzgebiet und komme in Krevtsee heraus. Auch hier kein richtiger Hund. Dafür ein sehr gepflegt wirkender Gutshof, wo wiederum Ferienwohnungen vermietet werden. Ich treffe den Hausherrn draußen an seinem Auto, erfrage den Weg nach Langhagen, der eben hier über den Hof führt.

                                    Dann noch einmal mecklenburgische Idylle. Ansteigender Feldweg, links der Wald, rechts der See hinter einer großen, sanft abfallenden Wiese.



                                    Krevtsee


                                    Ratschläge


                                    Es stimmt: Hoch über mir ziehen zwei Adler ihre Kreise. Aber ich habe kein Fernglas, und das Objektiv der Kamera reicht nur bis zur Porträtbrennweite. Ihr wollt euch aber nicht porträtieren lassen, ich dachte es mir schon. Dann zieht eben weiter eure Kreise. Habe euch gesehen, zwei gefiederte Gestalten am Himmel, mehr nicht.

                                    Zuletzt löst sich der Weg vom Wald und windet sich an der Kiesgrube entlang nach Langhagen. Schilder warnen davor, sich der Abbruchkante zu nähern.



                                    Kiesgrube


                                    Langhagen


                                    Kiesgrube, Langhagen, Bahnhof. Erinnerung an das schwerste Zugunglück in der Geschichte Mecklenburgs: Am Abend des 1. November 1964 kollidiert hier der Schnellzug Berlin – Rostock mit einem kiesbeladenen Güterzug …
                                    https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenb...gen_%281964%29


                                    Ungefähr um halb vier geht mein Zug.

                                    Zuhause angekommen wiege ich mein nasses Zelt: Es wiegt 930 statt 700 g; der Daunenschlafsack hingegen hat weniger als 30 g Feuchtigkeit aufgenommen.


                                    Alf darf ein Fazit schreiben. Sonst muss ich es selber tun.
                                    Zuletzt geändert von Igelstroem; 07.07.2015, 15:39.
                                    Lebe Deine Albträume und irre umher

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                                    • TanteElfriede
                                      Moderator
                                      Lebt im Forum
                                      • 15.11.2010
                                      • 6552
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                      ...dat war mal kurzweilig zu lesen... Fazit: schreib gern mal wieder einen Bericht.

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                                      • hungerast
                                        Erfahren
                                        • 25.09.2013
                                        • 365
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                        Wenn Igelstroem genug Reiseberichte zusammen hat, kommen die irgendwann in gedruckter Form heraus. Auf dem Cover werden dann berufene (Reise)literaturexperten zitiert mit Aussagen wie:

                                        "Ich bin dann mal ... begeistert." (Hape Kerkeling)

                                        "... changiert gekonnt-spielerisch zwischen deskriptiver Annäherung an Land und Leute einerseits und derben, bisweilen poetischen Versatzstücken." (Christian Kracht)

                                        " Blimey, what a feast! Fast-Paced, witty and yet always with just the right amount of down-to-earth prose that makes the reader want to follow in the traces left by Igelstroem's hiking boots. Keep 'em coming!" (Alistair Humphreys)

                                        "Travel book of the year. Must-buy." (The New York Times Book Review)

                                        "Der wilde Osten - hier gibt es ihn noch. Schnell hinfahren und durchwandern, oder wenigstens Igelstroems Reiseberichte lesen." (Thomas Brussig)
                                        Take a load of your feet Pete
                                        You better watch out what you eat
                                        Better take care of your life
                                        'Cause nobody else will

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                                        • ronaldo
                                          Freak
                                          Moderator
                                          Liebt das Forum
                                          • 24.01.2011
                                          • 12506
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                          @ hungerast: Bingo!

                                          Kauf ich, das Opus...

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                                            Lebt im Forum
                                            • 16.09.2013
                                            • 5073
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                            Hab' ich was verpasst?

                                            Wo gibt's das?

                                            Und wie krieg ich 'nen ODS-Rabatt und 'ne Signatur?

                                            Bei den Rezensionen muss ich auch eins haben!

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                                            • hungerast
                                              Erfahren
                                              • 25.09.2013
                                              • 365
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                              Vielleicht hat der Autor ja ein paar Frei-Exemplare für die ODS-Füchse ... Mist, davon bin ich meilenweit weg
                                              Take a load of your feet Pete
                                              You better watch out what you eat
                                              Better take care of your life
                                              'Cause nobody else will

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                                              • Igelstroem
                                                Fuchs
                                                • 30.01.2013
                                                • 1944
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                Zitat von AlfBerlin Beitrag anzeigen
                                                Hab' ich was verpasst?
                                                Du hast vor allem verpasst, dass ich Dir am Ende des Berichts eine konkrete Aufgabe gestellt habe: Du solltest ein Fazit im Alf-Stil schreiben (kabarettistische Zusammenfassung in einem Satz), weil mir gerade nix mehr eingefallen ist.


                                                Der Extra-Like von hungerast ist fast ein bisschen beschämend, nachdem ich zuletzt durch ›mindestens umstrittene‹ Kritik an anderen Reiseberichten aufgefallen bin.

                                                Wenn man die Idee eines Buches für einen Augenblick ernst nimmt, müsste man aus einer Lektoratssichtweise außerdem ungefähr Folgendes anmerken: Der Stil meiner Reiseberichte ist ja eigentlich ziemlich stark auf das Medium zugeschnitten, das heißt der Text soll einerseits aus kurzweiligen Szenen bestehen, die sozusagen zwischen zwei Ausrüstungsthreads gelesen werden können, andererseits soll die Route und die Logistik nachvollziehbar sein, falls doch mal jemand auf die Idee kommt, sich in dieser Gegend auf ähnliche Weise zu vergnügen. Dazwischen dann noch ein bisschen psychologische Landeskunde und Befindlichkeitsselbstbespiegelung. Diese verschiedenen Anforderungen gehen aber zu Lasten des narrativen Spannungsbogens. Es ist ein bisschen so, als ob man Bauklötzchen verschiedener Farbe aneinandergereiht und dabei vor allem darauf geachtet hätte, dass es insgesamt farbig genug ist. So liest es sich jedenfalls für mich. Wenn man ein Buch schreiben will, das ja dann unter Umständen im Urlaub ›bei schlechtem Wetter mit Blick auf die Ostsee‹ gelesen wird, muss man einen weniger kurzatmigen, weniger zwischen verschiedenen Ebenen springenden Ton finden.


                                                Das Stichwort ›Wilder Osten‹ gibt noch Anlass zu einer anderen Bemerkung: Ich mache eigentlich Werbung für die Region, wenn auch im Bewusstsein, dass das vergeblich ist. Das nordostdeutsche Flachland ist als relativ dünn besiedelte und logistisch gut ›handhabbare‹ Wanderregion vollkommen unterschätzt, und das wird deshalb so bleiben, weil eine bestimmte Schwelle der ›Erlebnisintensität‹ unterschritten wird. Manchmal steht man aber an irgendeiner Stelle allein in der Landschaft und denkt: »Schade eigentlich – bin der Einzige, der das hier jetzt wirklich als Geschenk nimmt.«
                                                Bei der Suche nach einer Wanderregion stößt man im Internet außerhalb des Forums sehr oft auf Texte, die von professionellen Tourismusmarketingschwätzern geschrieben worden sind. Das Elend dieser Textgattung besteht darin, dass sie eben keine Wirklichkeitserfahrung wiedergibt (die ja immer differenziert und auch ambivalent wäre), sondern stattdessen nur Gefühlsschaum schlägt. Man spürt die Professionalität und fühlt sich desinformiert. Vor diesem Hintergrund dienen die Berichte eigentlich dazu, eine andere Art von Bekenntnis abzulegen. Zwischen den Zeilen könnte einerseits sichtbar werden, dass dies hier tatsächlich in mancher Hinsicht ›meine Gegend‹ ist; ein solches Bekenntnis kommt mir andererseits aber nur glaubwürdig vor, wenn die Darstellung des Erlebten subjektiv einigermaßen vollständig ist. Es kann daher leicht passieren, dass irgendeine Anekdote irgendeines der Vorurteile bestätigt, die man in Berlin oder im Westen über diese Landstriche hat. Aber den Gedanken »Tolle Gegend – wenn nur die Menschen nicht wären« werde ich selbst zum Beispiel nicht denken, solange ich halbwegs bei Verstand bin.
                                                Zuletzt geändert von Igelstroem; 11.07.2015, 02:46.
                                                Lebe Deine Albträume und irre umher

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                                                • AlfBerlin
                                                  Lebt im Forum
                                                  • 16.09.2013
                                                  • 5073
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                  Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                  Du solltest ein Fazit im Alf-Stil schreiben ..., weil mir gerade nix mehr eingefallen ist.
                                                  Wenn ich damit anfange, will bald jeder ein Fazit im Alf-Stil zu seinen Reiseberichten haben.


                                                  Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                  Das nordostdeutsche Flachland ist als relativ dünn besiedelte und logistisch gut ›handhabbare‹ Wanderregion vollkommen unterschätzt, und das wird deshalb so bleiben, weil eine bestimmte Schwelle der ›Erlebnisintensität‹ unterschritten wird.
                                                  Nicht nur, dass die Schwelle unterschritten wird, sondern auch die Art der Erlebnisse passt nicht: Erst wanderst Du stundenlang durch kaum unterscheidbare Landschaften und dann besteht das Erlebnis darin, dass Dich ein Hund anfällt oder dass die einzige Kneipe in zig Kilometern Umkreis geschlossen hat.

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                                                  • Cewhren
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                                                    • 06.12.2013
                                                    • 93
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                    Zitat von AlfBerlin Beitrag anzeigen
                                                    Wenn ich damit anfange, will bald jeder ein Fazit im Alf-Stil zu seinen Reiseberichten haben.




                                                    Nicht nur, dass die Schwelle unterschritten wird, sondern auch die Art der Erlebnisse passt nicht: Erst wanderst Du stundenlang durch kaum unterscheidbare Landschaften und dann besteht das Erlebnis darin, dass Dich ein Hund anfällt oder dass die einzige Kneipe in zig Kilometern Umkreis geschlossen hat.
                                                    Da hast du dein Fazit!

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                                                    • Torres
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                                                      Liebt das Forum
                                                      • 16.08.2008
                                                      • 31757
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                      Der Stil meiner Reiseberichte ist ja eigentlich ziemlich stark auf das Medium zugeschnitten, das heißt der Text soll einerseits aus kurzweiligen Szenen bestehen, die sozusagen zwischen zwei Ausrüstungsthreads gelesen werden können, andererseits soll die Route und die Logistik nachvollziehbar sein, falls doch mal jemand auf die Idee kommt, sich in dieser Gegend auf ähnliche Weise zu vergnügen. Dazwischen dann noch ein bisschen psychologische Landeskunde und Befindlichkeitsselbstbespiegelung. Diese verschiedenen Anforderungen gehen aber zu Lasten des narrativen Spannungsbogens. Es ist ein bisschen so, als ob man Bauklötzchen verschiedener Farbe aneinandergereiht und dabei vor allem darauf geachtet hätte, dass es insgesamt farbig genug ist. So liest es sich jedenfalls für mich. Wenn man ein Buch schreiben will, das ja dann unter Umständen im Urlaub ›bei schlechtem Wetter mit Blick auf die Ostsee‹ gelesen wird, muss man einen weniger kurzatmigen, weniger zwischen verschiedenen Ebenen springenden Ton finden.
                                                      Das sehe ich ähnlich. Auch meine Reiseberichte sind dadurch gekennzeichnet, dass sich ein Teil des Geschriebenen nur dadurch erschließt, dass man a) die Diskussionen auf ods verfolgt und b) sich mit den Outdoorerdasein bereits ausführlich auseinandergesetzt hat. Die Anleitung zur Essbarmachung von Schnellkochreis dürfte folglich dem Ostseetouristen nicht unbedingt Begeisterungsstürme entlocken, da dieser mit dieser Situation wohl seltenst konfrontiert ist. Auch die Differenzierung zwischen Tau und Kondens im Kampf gegen die weitverbreitenen Legendenbildung, ein nasses Zelt wäre undicht, oder ein nasses Zelt habe etwas mit der Marke zu tun, ist zwar sehr nützlich, aber hat nicht unbedingt den einer konventionellen Urlaubslektüre innewohnenden eigenen Spannungsbogen. Mal abgesehen davon, dass eindeutig sowohl der romantische Teil (Herzschmerz), als auch der darwinistische Teil (Kampf, Action, Survival) fehlt. Die Begegnung mit den Hunden hast Du an anderer Stelle dramatischer geschildert.


                                                      Das Stichwort ›Wilder Osten‹ gibt noch Anlass zu einer anderen Bemerkung: Ich mache eigentlich Werbung für die Region, wenn auch im Bewusstsein, dass das vergeblich ist. Das nordostdeutsche Flachland ist als relativ dünn besiedelte und logistisch gut ›handhabbare‹ Wanderregion vollkommen unterschätzt, und das wird deshalb so bleiben, weil eine bestimmte Schwelle der ›Erlebnisintensität‹ unterschritten wird. Manchmal steht man aber an irgendeiner Stelle allein in der Landschaft und denkt: »Schade eigentlich – bin der Einzige, der das hier jetzt wirklich als Geschenk nimmt.«
                                                      Das ist wohl so. Du bist allerdings nicht der einzige, der das Geschenk annimmt. Wer sich - wie ich - oft in diesem Landstrich aufhält, genießt seinen Reiz. Da muss es nicht einmal die Wanderung sein. Es reicht, vor einem sanften Hügel zu stehen oder eine Pause am Straßenrand zu machen, und die Landschaft nimmt einen gefangen. Und nach dem nächsten Hügel steht man wieder da und sieht die Landschaft zum ersten Mal. Eigentlich könnte man dort auch bleiben, man würde sich nie satt sehen.

                                                      Bei der Suche nach einer Wanderregion stößt man im Internet außerhalb des Forums sehr oft auf Texte, die von professionellen Tourismusmarketingschwätzern geschrieben worden sind. Das Elend dieser Textgattung besteht darin, dass sie eben keine Wirklichkeitserfahrung wiedergibt (die ja immer differenziert und auch ambivalent wäre), sondern stattdessen nur Gefühlsschaum schlägt. Man spürt die Professionalität und fühlt sich desinformiert.
                                                      Da stellt sich aber die Frage: Wie sollte man das stille "Nichts" denn beschreiben? Man will einen Menschen in die Region locken, der seine eigenen Bilder, um nicht so sagen Archetypen, im Kopf hat. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass in Amerika viele Landschaftsbilder, die zu Werbezwecken eingesetzt werden, im Sauerland entstanden sind. Weil das Sauerland die richtige Mischung aus nicht zu hoch und nicht zu flach darstellt und mit dem entsprechenden Sonnenuntergang + Nebel als romatisch, heimelig, Sehnsuchtsort empfunden wird. Überregional und international, wohlgemerkt.

                                                      Vor diesem Hintergrund ist es kaum möglich, die ruhige, eher flache Region des Nordostens durch realistische Beschreibungen anzupreisen und Gefühle zu wecken. Bilder von Wasser, paddelbaren Flüssen und Seen oder Strände mögen Begehrlichkeiten wecken und die üblichen "Da will ich mal Urlaub machen"-Reflexe auslösen. Aber dem Fremden (und hier speziell dem erholungssuchenden Urlauber) das Erleben der eigentlichen Landschaft zu vermitteln, die sich meilenweit erstreckt und nichts anderes bietet, als Ewigkeit, ist meiner Meinung nach ein Ding der Unmöglichkeit. Dann könnte man auch amerikanische Monokulturen mit eingestreutem Hügelland zur Wanderzone erklären. Das kleinteilige, überschaubare, haltgebende Gefühl des schmalen Trittes an der Gebirgskante fehlt nun einmal völlig. Ebenso der spektakulär Gefühle auslösende Kontrast. Schaut man Bilder von Reiseberichten über die Wanderautobahnen Skandinaviens an, so fehlt selten das Motiv: Flacher Weg, stiller See, im Hintergrund (schneebedeckte) Berge. Und die Hütte am Endpunkt der Etappe dient als zuverlässiges backup für den, der es nutzen möchte. Noch nicht einmal das bietet die von Dir beschriebene Region.

                                                      Wer also im Nordosten (Wander)Urlaub macht (denn in gewisser Weise gilt das auch für den Fahrradurlaub), muss sich auf sich selbst einlassen und die Sehnsucht nach dem "am Stammtisch Erzählbaren" hinter sich lassen. Hier kann man sich lediglich entschleunigen. Gegenüber der hektischen Tourismuserschlossenheit weiter Teile Schleswig-Holsteins ist Mecklenburg-Vorpommern fast schon das Fjäll und der brandenburgische Wald erinnert an Finnland. Ein Angebot, das ein wenig aus der Zeit gefallen scheint, wo man doch lieber "5 Tage Wellness mit Wettergarantie" oder "Naturerleben in der Einsamkeit mit Workshop und Scootertouren, das Essen kochen wir selbst" bucht.


                                                      Vor diesem Hintergrund dienen die Berichte eigentlich dazu, eine andere Art von Bekenntnis abzulegen. Zwischen den Zeilen könnte einerseits sichtbar werden, dass dies hier tatsächlich in mancher Hinsicht ›meine Gegend‹ ist; ein solches Bekenntnis kommt mir andererseits aber nur glaubwürdig vor, wenn die Darstellung des Erlebten subjektiv einigermaßen vollständig ist. Es kann daher leicht passieren, dass irgendeine Anekdote irgendeines der Vorurteile bestätigt, die man in Berlin oder im Westen über diese Landstriche hat.
                                                      Welche: Dass dort tote Hose ist? Dass die Leute von freundlich über wortkarg bis abweisend sind? Dass Vergangenheit immer noch spürbar ist? Für mich öffnet das immer wieder die Frage, ob man eine Landschaft, zu der auch die Menschen gehören, überhaupt erfassen kann, wenn man sie "nur" durchwandert, durchfahren oder im Urlaub kennengelernt hat und nicht mindestens ein paar Jahre dort gelebt und seinen Alltag gestaltet hat. Ein stationärer Aufenthalt verändert doch stark die Beurteilungskriterien. Ich bin nun seit vielen Jahren zumindest ein paar Wochen kurzzeitintegriert und ein Teil der Region ist mittlerweile ein kleines bisschen Heimat geworden. Es ist also auch meine Gegend, und die von Dir angedeutete Vielschichtigkeit der Wahrnehmung, die sich aufdrängt, ist mir zwar immer noch nicht fremd, aber immer häufiger erklärbar. Dem Außenstehenden mag insofern tatsächlich Äußeres ins Auge springen, was Vorurteile verstärken kann, in Wirklichkeit aber untrennbar mit der Landschaft verbunden ist.

                                                      Aber den Gedanken »Tolle Gegend – wenn nur die Menschen nicht wären« werde ich selbst zum Beispiel nicht denken, solange ich halbwegs bei Verstand bin.
                                                      Ich würde daher gerne hungerasts Liste durch:

                                                      "Wie das Land, so die Menschen" (Jever?) ergänzen. Einfach, um auch klarzustellen, dass man sich mit bestimmten Dingen abfinden sollte, da es Teil der Ursprünglichkeit und "Echtheit" ist, deren Verlust wir sonst so gerne betrauern.
                                                      Oha.
                                                      (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                        • 16.09.2013
                                                        • 5073
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März


                                                        Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                        ... Da... könnte man auch amerikanische Monokulturen mit eingestreutem Hügelland zur Wanderzone erklären. ...

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                                                          • 16.09.2013
                                                          • 5073
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                          Du solltest ein Fazit im Alf-Stil schreiben (kabarettistische Zusammenfassung in einem Satz), weil mir gerade nix mehr eingefallen ist.
                                                          Ich schreib lieber eine ausführliche Rezension für den Buchdeckel:

                                                          Wir wissen nicht, wer sich hinter dem Pseudonym Igelstroem verbirgt. Aber es ist zweifellos einer unserer geistreichsten und wortgewaltigsten Autoren. Der Titel seines neuen Werkes lässt aufhorchen. Und nachdem ich es in einem Anlauf gelesen habe, kann ich bestätigen, dass meine Erwartungen mehr als erfüllt wurden. Ich möchte dieses Werk besonders denjenigen ans Herz legen, die sich noch überlegen, ob sie die nordostdeutschen Gebiete bereisen möchten.

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                                                            • 16.08.2008
                                                            • 31757
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                            Alf, da fehlen aber noch klangvolle Worte:

                                                            schonungslose Offenheit
                                                            unheimliche Begegungen
                                                            Wildnis
                                                            am Ende der Welt
                                                            Kreisen der Adler
                                                            karge Nahrung
                                                            Wassersuche
                                                            Abenteuer
                                                            Deutschland
                                                            Natur


                                                            z.B. So:

                                                            "Wir wissen nicht, wer sich hinter dem Pseudonym Igelstroem verbirgt. Aber es ist zweifellos einer unserer geistreichsten und wortgewaltigsten Autoren. Der Titel seines neuen Werkes lässt aufhorchen."(Zitat Alf). In schonungsloser Offenheit schildert er unheimliche Begegnungen in einer Wildnis, die so nah ist und doch am Ende der Welt zu sein scheint, wenn über ihm Adler kreisen, während er seine karge Nahrung zu sich nimmt oder sich auf Suche nach Wasser begibt. Ein Abenteuer mitten in Deutschland, besser gesagt im Nordosten Deutschlands. Ein Buch für Aussteiger, Sinnsucher, aber auch für den Wanderer, der die eingefahrenen Wege scheut und sich der Natur nahe fühlen will.

                                                            TATA
                                                            Oha.
                                                            (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                              • 30.01.2013
                                                              • 1944
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                                                              #31
                                                              AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                              Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                              Welche: Dass dort tote Hose ist? Dass die Leute von freundlich über wortkarg bis abweisend sind? Dass Vergangenheit immer noch spürbar ist? Für mich öffnet das immer wieder die Frage, ob man eine Landschaft, zu der auch die Menschen gehören, überhaupt erfassen kann, wenn man sie "nur" durchwandert, durchfahren oder im Urlaub kennengelernt hat und nicht mindestens ein paar Jahre dort gelebt und seinen Alltag gestaltet hat. Ein stationärer Aufenthalt verändert doch stark die Beurteilungskriterien. Ich bin nun seit vielen Jahren zumindest ein paar Wochen kurzzeitintegriert und ein Teil der Region ist mittlerweile ein kleines bisschen Heimat geworden. Es ist also auch meine Gegend, und die von Dir angedeutete Vielschichtigkeit der Wahrnehmung, die sich aufdrängt, ist mir zwar immer noch nicht fremd, aber immer häufiger erklärbar. Dem Außenstehenden mag insofern tatsächlich Äußeres ins Auge springen, was Vorurteile verstärken kann, in Wirklichkeit aber untrennbar mit der Landschaft verbunden ist.
                                                              Na ja, ich denke zum Beispiel an die Vorstellung, dass hinter der Idylle die rechtsextreme Parallelgesellschaft lauert. Neo-artamanische Siedlerbewegung in einigen Dörfern südlich von Güstrow, nur wenige Kilometer von Langhagen. Oder Jamel und Lübtheen im westlichen Mecklenburg. Und wenn man auf der anderen Seite in Vorpommern über Jatznick hinauswandert, kommt man in die Wahlbezirke mit dem höchsten NPD-Anteil im Bundesland. Diesem Wissen ist man zunächst einmal ausgeliefert, d.h. man hat vor dem Wandern gar keine und beim Wandern, wie Du schon feststelltest, nur begrenzte Möglichkeiten, es irgendwie zu relationieren, d.h. sich ein differenziertes Bild von der regionalen oder lokalen Zivilgesellschaft zu verschaffen.
                                                              Dann kommt man irgendwo ins Gespräch und bekommt unaufgefordert etwas darüber erzählt, dass sich hier nebenan auf dem Friedhof die Schwarzen einmal im Jahr zu ihrem Gottesdienst an dem Soldatengrab treffen. ›Die Schwarzen‹ ist erst mal unverständlich, es stellt sich aber heraus, dass Rechtsextreme gemeint sind. Und derselbe Gesprächspartner erzählt dann noch: »Es werden zu viele Fremde ins Land gelassen. Auf dem Marktplatz in Strasburg [in der Uckermark] stehen immer ein paar junge Männer herum, schwarz wie die Nacht, mit ’nem Tableau um den Hals [gemeint ist ein Smartphone mit Ohrstecker]. Die wollen aber natürlich hier weg, weil es in den Großstädten interessanter ist. Dann ritzen die sich gegenseitig den Unterarm auf und erzählen, dass sie angegriffen worden sind; hinterher hat sich aber herausgestellt, dass sie das selber gemacht haben.«
                                                              Dieses Gespräch gehört eben zu dem, was unterwegs (nicht diesmal, sondern bei anderer Gelegenheit) tatsächlich passiert ist. Es macht irgendwie keinen Sinn, es in einem Reisebericht zu verschweigen, aber was es für die Charakterisierung der bereisten Gegend bedeutet, steht doch völlig in den Sternen, solange man nicht selbst dort lebt und es einordnen kann.
                                                              Lebe Deine Albträume und irre umher

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                                                                • 16.08.2008
                                                                • 31757
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                Ich hatte in der von Dir zitierten Stelle das Politische zunächst formuliert und dann doch ausgeklammert, da es in der bereisten Gegend nicht nur eine Parallelgesellschaft gibt. Das ließe sich jetzt natürlich stammtischartig vertiefen, aber davor scheue ich mich, denn es gehört a) nicht hierher und b) müsste da doch eine wissenschaftliche Analyse Grundlage sein, über die ich nicht verfüge.

                                                                Wie Du richtig sagst: Zur Charakterisierung einer bereisten Gegend taugt das nicht. Es sind Wahrnehmungsfetzen durch Gespräche, die ein Bild entstehen lassen, das durch Wahlergebnisse oder Medienberichte verstärkt wird. Dabei ist aber immer zu berücksichtigen, dass derjenige wahrgenommen wird, der redet und derjenige, der handelt. Welche Substanz tatsächlich vorhanden ist, die sich jenseits von nachplappern, anpassen, wichtig sein bewegt, kann schwer überprüft werden. Damit bleiben es Fragmente.

                                                                Der Verdacht liegt immerhin nahe, dass Idylle, die in einer hochindustrialisierten, hochspezialisierten, mittlerweile digitalisierten und durch Konkurrenzdenken geprägten Welt ja ein Auslaufmodell ist, bestimmte politische Strömungen anzieht. Die netten Finnen, die mich in Lappland mit Bratwurst versorgt haben, waren - wie ich später erfuhr - Wahlkämpfer der rechtspopulistischen Partei (ich habe dem Spitzenkandidat sogar die Hand geschüttelt), die jetzt drittstärkste Partei ist. Auch einzelne Gespräche mit Schweizern, Österreichern oder Franzosen haben mich aufgrund der Unfassbarkeit der Argumentation bereits der Sprache beraubt (anfangs dachte ich noch an ein Missverständnis). Dass es Parallelgesellschaften in Großstädten gibt, ist auch keine unbekannte Information. Die Frage schließt sich an, ob es eine Lösung ist, derartige Gebiete dann zu meiden, wie es gerne reflexartig vorgeschlagen wird, oder eben nun gerade zu bevölkern, zu bereisen und dadurch vielleicht ein wenig zu verändern.

                                                                Immerhin können solche Überlegungen dann noch zu der Selbsterkenntnis führen, dass es der Luxus des Outdoorers ist, sich von politischen Überlegungen und Zwängen entkleidet, frei durch die Landschaft bewegen zu können. Alleine durch die Planung der Strecke kann er entscheiden, ob ihm die Natur wichtiger ist oder das gesellschaftliche Umfeld/die politische Realität. Würde die Reiseplanung die politische Frage in den Vordergrund stellen, wären wohl einige Reiseziele für immer verloren.
                                                                Oha.
                                                                (Norddeutsche Panikattacke)

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                                                                  • 12506
                                                                  • Privat


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                                                                  AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                  Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                  ...Immerhin können solche Überlegungen dann noch zu der Selbsterkenntnis führen, dass es der Luxus des Outdoorers ist, sich von politischen Überlegungen und Zwängen entkleidet, frei durch die Landschaft bewegen zu können. Alleine durch die Planung der Strecke kann er entscheiden, ob ihm die Natur wichtiger ist oder das gesellschaftliche Umfeld/die politische Realität. Würde die Reiseplanung die politische Frage in den Vordergrund stellen, wären wohl einige Reiseziele für immer verloren.
                                                                  Ohne etwas "stammtischartig" vertiefen zu wollen: Wie, bitte, kann man politische Überlegungen, gesellschaftliches Umfeld, politische Realität ausklammern, wenn man sich durch die Landschaft bewegt? In der Nullarbor oder der Gobi oder in der Antarktis meinetwegen, aber doch nirgends wo Menschen leben.
                                                                  Was du hier anreißt, Torres, riecht mir ein bisschen nach Idylle. Und das Prinzip einer Polarität "Natur oder gesellschaftliches Umfeld" geht doch an der Realität irgendwie vorbei.

                                                                  Kommentar


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                                                                    • 43828
                                                                    • Privat


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                                                                    AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                    Das geht eigentlich ganz einfach – durch so eine Art Wander-Trance, in die man geraten kann, wenn man nur wenig genug Leute trifft

                                                                    Kommentar


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                                                                      Alter Hase
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                                                                      • 3583
                                                                      • Privat


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                                                                      AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                      aber will man das? Aus meiner Sicht sollte man nicht nur wegen der Natur mit offenen Augen, Ohren und anderen Sinnen unterwegs sein. Letztlich sehe ich das wie Ronaldo. Ich müsste mich schon ein Stück weit verbiegen, um das menschliche und gesellschaftliche Umfeld mit Absicht auszublenden. Und das mache ich aus Prinzip nie!
                                                                      Two roads diverged in a wood, and I—
                                                                      I took the one less traveled by,
                                                                      And that has made all the difference (Robert Frost)

                                                                      Kommentar


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                                                                        • 43828
                                                                        • Privat


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                                                                        AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                        Von Absicht ist (jedenfalls meinerseits) keine Rede.

                                                                        Kommentar


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                                                                          Freak
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                                                                          • 12506
                                                                          • Privat


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                                                                          AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                          Moooment... zeitweise ausblenden durch Wandertrance ist ja doch was anderes. Ich muss ja beim Laufen oder Paddeln nicht dauernd die Probleme der Menschheit bewältigen...

                                                                          Kommentar


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                                                                            Alter Hase
                                                                            • 14.03.2012
                                                                            • 3583
                                                                            • Privat


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                                                                            AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                            oh, das wollte ich auch keineswegs unterstellen, Lina.
                                                                            Und wer glaubt, er könne die Probleme der Menschheit lösen, leidet offensichtlich unter Realitätsverlust.
                                                                            aber sich des Gesamtkontextes bewusst sein, schadet nicht wirklich.
                                                                            Two roads diverged in a wood, and I—
                                                                            I took the one less traveled by,
                                                                            And that has made all the difference (Robert Frost)

                                                                            Kommentar


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                                                                              Freak

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                                                                              • 31757
                                                                              • Privat


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                                                                              AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                              Was du hier anreißt, Torres, riecht mir ein bisschen nach Idylle. Und das Prinzip einer Polarität "Natur oder gesellschaftliches Umfeld" geht doch an der Realität irgendwie vorbei.
                                                                              Nun, dass den Dingen eine gewisse Polarität innewohnen kann (nicht muss), ist nicht von der Hand zu weisen. Mir ging es eher um eine grundsätzliche Reflexion in Form einer philosophische Überlegung, die sich an sich jeder Reisende stellen kann (sollte?), wenn er sich im Feld zwischen Entdecken wollen und Positionieren wollen bewegt. Das Ergebnis kann zu einer Polarität führen, muss es aber nicht. Die Schlüsse, die sich aus den Überlegungen ergeben können, muss jeder selbst ziehen, und wir sollten uns an dieser Stelle vor einer moralischen Wertung hüten.

                                                                              Nehmen wir mal das Beispiel Italien, weil es politisch etwas unverfänglicher ist, und ich das Land liebe. Genauer: Neapel und Umgebung, Sizilien. a) Hinfahren, obwohl jedes Kind weiß, dass das im Tourismus erwirtschaftete Geld zu einem nicht unerheblichen Teil in dunklen Kanälen landet und diesen Staat im Staat stützt, mit allen Konsequenzen, die das hat? b) Hinfahren, weil das, was Italien in der Flüchtlingsrettung leistet, unterstützenswert ist, und die italienische Wirtschaft (die kleinen Leute) sowieso jede Hilfe benötigt?
                                                                              Der Outdoorer kann nun theoretisch mit gepacktem Rucksack und Zelt die Gegend bereisen, ohne a) zu unterstützen und ohne b) zu bewirken. In gewisser Weise bewegt er sich literarisch gesprochen in einem eigenen Raum-Zeit-Kontinuum, da er die Fähigkeit hat, sich weitgehend autark in der Natur zu bewegen, was in letzter Konsequenz zur Folge hat, dass er sich weder mit a) noch mit b) auseinandersetzen muss, wenn er es nicht will. Das kann man jetzt beliebig Land für Land und Region für Region weiterspinnen (Donauradweg etc.)
                                                                              Oha.
                                                                              (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                              Kommentar


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                                                                                Freak
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                                                                                • 12506
                                                                                • Privat


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                                                                                AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
                                                                                ...
                                                                                Und wer glaubt, er könne die Probleme der Menschheit lösen, leidet offensichtlich unter Realitätsverlust...
                                                                                Och... lass es mich wenigstens versuchen...

                                                                                Zitat von Torres Beitrag anzeigen
                                                                                Nun, dass den Dingen eine gewisse Polarität innewohnen kann (nicht muss), ist nicht von der Hand zu weisen. Mir ging es eher um eine grundsätzliche Reflexion in Form einer philosophische Überlegung, die sich an sich jeder Reisende stellen kann (sollte?), wenn er sich im Feld zwischen Entdecken wollen und Positionieren wollen bewegt. Das Ergebnis kann zu einer Polarität führen, muss es aber nicht. Die Schlüsse, die sich aus den Überlegungen ergeben können, muss jeder selbst ziehen, und wir sollten uns an dieser Stelle vor einer moralischen Wertung hüten...
                                                                                Ok. Vielleicht liegt der Unterschied darin, inwieweit man ein "homo politicus" ist. Ich selbst habe diese von dir geforderte Reflexion hinter mir (unter anderem anlässlich von Reisen nach z.B. Israel, afrikanische Länder, USA usw.) und das Ergebnis ist, dass die erwähnte Polarität für mich nicht machbar ist. Übrigens egal, ob ich grad mal ein Stück Amper im Kanu fahr oder in einer weiter entfernten Ecke der Welt unterwegs bin.

                                                                                Und damit wir uns recht verstehen: Natürlich werte ich moralisch, wie denn nicht? Aber nicht über andrer Leute Reisegewohnheiten (soll heißen: polarisiere, wenn du es für richtig erkannt hast), auch nicht über die Lebensgewohnheiten der Leute, in deren Ländern ich reise. Zumindest versuche ich das. Sondern einzig und allein in den Schlüssen, die ich für mich daraus gezogen habe, und auch da tu ich mich schwer.
                                                                                Weil das auch für mich verwirrend klingt, vielleicht noch ein Beispiel: Hätte ich Zeit und Mittel, mir für einige Wochen ein Land anzusehen, das weit oben auf meiner Liste steht - Iran -, wäre ich zwiegespalten. Ein Land bereisen, dessen Regime Andersdenkende, Minderheiten, Frauen kujoniert? Wie wäre da mein Gefühl im Alltag, inwieweit würde mich das beeinträchtigen? Kann/soll ich die negativen Seiten tolerieren? Auf der anderen Seite: Aus gesellschaftlichen/politischen Gründen darauf verzichten, interessante und freundliche Menschen aus einer der faszinierendsten Kulturnationen der Welt und die Schönheit des Landes selbst kennenzulernen?
                                                                                Schwer, oder?
                                                                                Ein anderes gutes Beispiel wäre etwa Mexiko (aber ich schreib eh schon zuviel OT und obwohl Igelstroem nicht gegen die Kaperung des Astes opponiert: sorry, Mann).

                                                                                Und kurz noch zum aktuellen Fall MeckPomm: Aus den hier verschiedentlich angesprochenen Gründen (erinnert sich übrigens noch einer an die Campingplatzüberfälle vor einigen Jahren?) weiß ich, ich würde mich dort extrem, untolerierbar unwohl fühlen, da hilft auch kein Seeadler am Ufer oder das Vergnügen, im deutschen Kanada zu paddeln.
                                                                                Nochmal: Dies ist ein subjektiv empfundenes Dilemma und keine Wertung.

                                                                                Kommentar


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                                                                                  Freak

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                                                                                  • 31757
                                                                                  • Privat


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                                                                                  AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                  Nochmal: Dies ist ein subjektiv empfundenes Dilemma...
                                                                                  Ich habe den Eindruck, dass wir das gleiche meinen, es nur unterschiedlich ausdrücken.

                                                                                  Ok. Vielleicht liegt der Unterschied darin, inwieweit man ein "homo politicus" ist.
                                                                                  Bin ich. Details tun hier aber nicht zur Sache.

                                                                                  Und kurz noch zum aktuellen Fall MeckPomm: Aus den hier verschiedentlich angesprochenen Gründen (erinnert sich übrigens noch einer an die Campingplatzüberfälle vor einigen Jahren?) weiß ich, ich würde mich dort extrem, untolerierbar unwohl fühlen, da hilft auch kein Seeadler am Ufer oder das Vergnügen, im deutschen Kanada zu paddeln.
                                                                                  Und wieder die Subjektivität: Ich kenne diese Seite, aber auch völlig andere Seiten MeckPomms. Und ich kenne auch Seiten Bayerns, die mir nicht unbedingt gefallen müssen. . Trotzdem war es bei Besuchen auch wieder nett da.

                                                                                  In Westdeutschland..
                                                                                  Da täusch Dich mal nicht.
                                                                                  Mal abgesehen davon, dass wir im Moment nur über die rechtsextreme Parallelgesellschaft reden und nicht über weitere Parallelgesellschaften. Details kann man jetzt mal weglassen.

                                                                                  Nochmal: Dies ist ein subjektiv empfundenes Dilemma und keine Wertung.

                                                                                  So sieht es aus.
                                                                                  Oha.
                                                                                  (Norddeutsche Panikattacke)

                                                                                  Kommentar


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                                                                                    Fuchs
                                                                                    • 30.01.2013
                                                                                    • 1944
                                                                                    • Privat


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                                                                                    AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                    Zitat von streifler
                                                                                    Das ist keine Parallelgesellschaft, denn die Nazis sind mitten drin und angesehen. In jedem Kaff, auf jedem Marktplatz in Ostdeutschland treten sie ganz offen auf. Es gibt inzwischen mehr Nazis und Sympathisanten als Christen dort: das lässt mich schuddern schon bei dem Gedanken! In der erfahrenen Realität aber ist es noch viel schlimmer: einfach deprimierend und beängstigend, so oft beschimpft und bedroht zu werden, nur weil man nicht deutsch aussieht. In Westdeutschland und in allen von mir bereisten Ländern incl. Italien ist mir das so nie passiert.
                                                                                    Was meinst Du mit der Formulierung »treten sie ganz offen auf«? Seitdem sie nicht mehr geradezu plakativ als Skinheads auftreten (und das ist schon seit vielen Jahren so), bleibt doch das politische Phänomen für jemanden, der selbst deutsch aussieht, zunächst einmal unkenntlich. Das war in den Neunzigern teilweise anders; ich habe es zum Beispiel früher gemieden, am Freitagabend in Eberswalde umzusteigen, hätte da aber heute keine Bedenken mehr. Das Phänomen einer einschüchternden Präsenz im öffentlichen Raum, würde ich sagen, ist weitestgehend verschwunden, und es war auch früher schon ein Phänomen der Klein- und Mittelstädte, nicht der Dörfer, die man beim Wandern durchquerte.

                                                                                    Das beweist natürlich nichts hinsichtlich der gesellschaftlichen Präsenz der Gesinnung. Die würde sich bemerkbar machen, wenn man entweder dort wohnt oder wenn man ausländisch aussieht. Letzteres ist der Test für die Frage, ob man eine Reisewarnung aussprechen muss. Es wäre zugleich ein signifikanter Test, denn wenn es zuträfe, dass man als Wanderer häufig angepöbelt wird, könnte man auf weitere Differenzierungen (der Art, man müsse dort auch wohnen, um es einordnen zu können) sicher verzichten. Wenn mich ein Afrodeutscher fragen würde, ob es wohl für ihn möglich sei, dieselben Touren in Brandenburg und Mecklenburg zu machen, würde ich sagen: »Ähm, weiß ich nicht, würde ich mich allein wohl nicht trauen.« Also schon eine Reisewarnung. Ich würde mich aber auch nicht wundern, wenn es sich dann als ›machbar‹ herausstellt, weil die Realität der Erwartung ja nicht entsprechen muss. Als ich vor vielen Jahren mit einem kurdischen Kommilitonen nach Frankreich fuhr, habe ich (nachdem ich den Film ›La Haine‹ gesehen hatte) erwartet, dass die rassistische französische Polizei häufig seinen Ausweis kontrollieren würde. Es geschah aber nie. Deshalb sind Erfahrungsberichte das eine; ich würde aber gewissermaßen gerne selbst mit eigenen Augen und Ohren beobachten, was wirklich passiert.

                                                                                    Und noch eine Provokation: Es passiert unter anderem deshalb nichts, weil die Konstellation ja überhaupt nicht auftritt. Das Wandern ist fast überall auf der Welt ein Hobby der weißen Mittelschicht, so dass man z.B. auf deutschen Wanderwegen so gut wie nie Menschen mit Migrationshintergrund trifft. Ich bitte um Widerspruch, wenn ich da falsch liege. [Edit: Der letzte Satz dieses Absatzes »Auch anekdotische Gegenbeweise wären nützlich« wird vorsichtshalber gestrichen.]



                                                                                    Das Thema insgesamt gehört ins Forum (wohin sonst sollte es denn gehören) und ist in seiner regionalen Dimension auch in diesem Thread richtig aufgehoben. Es wird den Rahmen des Threads allenfalls dann sprengen, wenn es zum Anlass für irgendeinen diffusen politischen Schlagabtausch genommen wird.
                                                                                    Zuletzt geändert von Igelstroem; 12.07.2015, 14:35.
                                                                                    Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                    Kommentar


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                                                                                      • 11108
                                                                                      • Privat


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                                                                                      AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März


                                                                                      Editiert vom Moderator
                                                                                      Ich habe alle Beiträge von streifler und noch einige andere, die sich darauf beziehen, gelöscht.
                                                                                      Er arbeitet nämlich mit genau den Mitteln, die er im Osten Deutschlands ständig anzutreffen meint. Diese sind unter anderem: Polemisierung, Diskriminierung und Hetze.

                                                                                      Diesen thread werde ich jetzt wieder öffnen, aber genau beobachten. Bitte beschränkt euch in eurer Diskussion wenn möglichst auf Mecklenburg-Vorpommern und weitet sie nicht zu einer Metadiskussion über Diskriminierung in aller Welt aus!
                                                                                      Danke.

                                                                                      Bei Nachfragen bitte eine PN an den Moderator senden. Dein Team der
                                                                                      Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.

                                                                                      Kommentar


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                                                                                        Anfänger im Forum
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                                                                                        • 14
                                                                                        • Privat


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                                                                                        AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                        Hallo Igelstroem,

                                                                                        ich bin sehr gern mitgereist. Danke für diesen Bericht!



                                                                                        Was mich brennend interessieren würde, ich glaube es wurde nicht erwähnt, mit welchem Zelt bist Du hier unterwegs?

                                                                                        Beste Grüße,
                                                                                        Thomas

                                                                                        Kommentar


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                                                                                          Fuchs
                                                                                          • 30.01.2013
                                                                                          • 1944
                                                                                          • Privat


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                                                                                          AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                          Das Zelt heißt mit vollem Namen Six Moon Designs Skyscape Trekker, wobei es sich um eine Vorjahresversion mit einem Eingang handelt; die aktuelle Version hat zwei Eingänge. Die Zelthaut wiegt 700 g, mit Aufstellstangen und 5 Heringen komme ich auf 988 g. Man kann auch Trekkingstöcke verwenden, aber ich laufe ja ohne Trekkingstöcke, deshalb nehme ich zwei leichte Aufstellstangen (115 cm) mit.

                                                                                          Dieses Zelt ist mein erstes eigenes Zelt überhaupt und gehört zu den wenigen Ausrüstungsgegenständen, die im ersten Anlauf ›richtig‹ waren, d.h. die Zeltproblematik ist für mich damit erst mal erledigt.

                                                                                          Dass ich im Bericht den Namen nicht erwähne, das Zelt aber mehrmals abbilde, liegt daran, dass ich herausfinden will, ob und wann (und warum) danach gefragt wird. Dieses Zelt kommt ja in den Kaufberatungsthreads kaum vor, während es sich andererseits in meinen eigenen Recherchen nach und nach als das Produkt herausgestellt hat, das alle dezidiert gesuchten Eigenschaften auf sich vereint. Insofern ist für mich unter dem Aspekt verschiedener Ausrüstungsstile und -bedürfnisse interessant, ob es irgendjemand anderen als mich ebenfalls ›triggert‹.
                                                                                          Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                          Kommentar


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                                                                                            Anfänger im Forum
                                                                                            • 26.01.2015
                                                                                            • 14
                                                                                            • Privat


                                                                                            #46
                                                                                            AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                            Ah, vielen Dank.

                                                                                            Es hat mich insbesondere deshalb getriggert, nach dem Zelt zu fragen, weil ich quasi ständig nach bezahlbaren Singleunterkünften suche, die bei meiner Körperlänge von 204cm auch für die Region "im weitesten Sinne Norddeutschland" passen könnten. Am Ehesten kam für mich bisher die 1 Personen Variante von der Paarbehausung, die ich und meine Freundin momentan nutzen, dem Spitfire Duo xt in Frage.

                                                                                            Gewichts- und Längentechnisch passt das six moons designs also gut für meine Bedürfnisse. Preislich ist es etwas außerhalb des angepeilten Rahmens.
                                                                                            Dennoch werde ich alle positiven und negativen Erfahrungswerte, die Du mit dieser Unterkunft sammelst mit Spannung verfolgen:

                                                                                            Viele Grüße...

                                                                                            Kommentar


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                                                                                              Fuchs
                                                                                              • 30.01.2013
                                                                                              • 1944
                                                                                              • Privat


                                                                                              #47
                                                                                              AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                              Die Liegelänge ist für mich komfortabel, man muss aber bedenken, dass die nominelle Länge des Innenraums auch bei diesem Zelt an beiden Enden nicht voll nutzbar ist. Am spitzen Ende läuft eben das Mesh-Innenzelt sehr spitz zu, und am anderen Ende, das normalerweise das Fußende ist, hat man das Silnylon-Außenzelt ohne Mesh über sich. Je nach Feuchtigkeit und Aufbauqualität kann es dort etwas durchhängen, so dass man jedenfalls diese dann eventuell kondensnasse Fläche leicht mit dem Schlafsack berührt, wenn man sich etwas bewegt oder gar abwärts rutscht. Für mich ist das praktisch kein großes Problem, weil die PQE-Hülle des Schlafsacks bisher alles abgehalten hat (deshalb habe ich am Ende des Berichts die Feuchtigkeitsaufnahme des Zeltes und des Schlafsacks angegeben – auch wenn das Zelt nass ist, bleibt der Schlafsack erfahrungsgemäß ziemlich trocken).

                                                                                              Breite und Höhe finde ich ziemlich angenehm. Anfangs habe ich meinen Rucksack ans Fuß- oder Kopfende gelegt; inzwischen zippe ich eher die Seitentaschen ab und lege dann alle drei Teile des Rucksacks so neben mich, dass ich nachts im Liegen Zugriff darauf habe.

                                                                                              Die sogenannten Apsiden sind ziemlich schmal. Kochen würde ich darin nicht unbedingt (habe ich noch nicht versucht); der Zwischenraum zwischen Mesh und Außenzelt ist im Eingangsbereich gerade noch breit genug, um die Schuhe regengeschützt abzustellen.

                                                                                              Zwischen Außenzelt und Boden bleibt quasi immer ein Spalt, wie bei Tarptents üblich, d.h. das Zelt ist ziemlich luftig – ich habe aber in dieser Hinsicht keine Vergleichserfahrung mit anderen Zelten.

                                                                                              Wichtig für mich war die Möglichkeit, das Außenzelt bei gutem Wetter vollständig aufzurollen, so dass man dann in einer Art Bug-Bivy liegt, nur mit einem Streifen Außenzelt im Firstbereich. Denn ursprünglich hatte ich ja die Vorstellung, in der Regel draußen mit Biwaksack unter offenem Himmel zu schlafen, und angesichts von Mücken und nachts einsetzendem Regen ist dieses Zelt dann noch eine Art Kompromiss.

                                                                                              Der Preis ist durch die Euroschwäche inzwischen weiter gestiegen, das stimmt. Wenn ich mich nicht irre, gibt es in den USA auch noch eine PU-Version (›Scout‹), die wesentlich preiswerter, aber auch ein Stück schwerer ist.
                                                                                              Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                              Kommentar


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                                                                                                GELÖSCHT
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                                                                                                • 510
                                                                                                • Privat


                                                                                                #48
                                                                                                AW: [DE] »Mich schudderts schon bei dem Gedanken« – Mecklenburg im März

                                                                                                sehr schöner bericht (mal wieder), danke (gerade für die genauigkeit)!

                                                                                                die beiträge von streifler hätte ich gerne gelesen, meine ich. schade, da war ich unterwegs.
                                                                                                Zuletzt geändert von Gast180628; 20.08.2015, 08:38.

                                                                                                Kommentar