• QOM
    Erfahren
    • 26.08.2013
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    [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

    Land: Deutschland
    Reisezeit: Spätherbst (2014)
    Wie? Mehrtages-Wandertour
    Route: Frankfurt - Mainz - Bingen - Rheinböllen - Simmern - Kirchberg - Fell - Trier - Merzkirchen

    Vorbereitung:
    Eher zufällig merkte ich vor einiger Zeit, daß ein deutscher Zubringer des Jakobswegs buchstäblich bei mir vor der Haustür vorbei führt.
    Diese Erkenntnis habe ich noch ein Weilchen sacken lassen, bis ich auch das Bedürfnis verspürte, mich auf den Weg zu machen.

    In der total verstädterten Annahme, ich wäre ja in Deutschland, da ginge immer was und alle Wege wären perfekt ausgeschildert, zudem würde ja praktisch hinter jeder Straßenecke ein weiches Hotelbett auf mich warten, habe ich es mir mit der Planung einfach gemacht.
    Die grobe Routenplanung gab es in der Übersicht der deutschen Jakobswege.
    Die passenden GPS-Tracks gibt es noch mal schöner und auch kostenlos bei EGoTrek.
    Die genannten Etappen sah ich wirklich nur als ganz grobe Richtschnur.
    Kein Pilgerführer, ein wenig Surfen zur Route und ein paar Sehenswürdigkeiten am Rande wird reichen.

    Für die Navigation kaufte ich mir keine Karte, sondern das erledigte ich mit dem Telefon.
    Auf meinem Samsung S4 läuft eine App namens "Locus", und die kann die benötigten Kacheln einer freien topografischen Karte auch herunterladen, so daß unterwegs keine Datenverbindung nötig ist.
    Zudem kann sie die Track-Dateien problemlos lesen und mich warnen, wenn ich mich um mehr als 200 Meter vom Track entferne.
    Die Batterie macht das ohne viel Spielen etwa 10 Stunden lang, da dürfte es auf keinen Fall Probleme geben - na, den Zusatz-Akkupack nehme ich mal lieber doch mit.

    Also, ohne große Packliste Rucksack auf, Krempel rein, wiegen.
    9,9kg, inklusive der schweren Winterjacke aber ohne Wasser.
    Da geht beim nächsten Mal sicher noch was, für den ersten Versuch ist es aber mal in Ordnung.

    Das war's dann zur Vorbereitung - ach ja, die Jakobusfreunde Paderborn stellen mir den Pilgerpaß aus.

    Und dann geht es halt eines freundlichen Herbstmorgens einfach mal los.
    Jeden Tag so weit die Füße tragen, mal schauen, wie weit ich in einer guten Woche tatsächlich kommen werde.

    Als einstmaliger Marathon-Läufer lege ich die Latte für den ersten Tag mal auf 40km.
    Zudem ich etwa 13km "außerhalb" der vorgeschlagenen Etappen bin. Das möchte ich ganz gerne in den ersten Tagen aufholen.
    Wenngleich die Etappenplanung natürlich nur eine Empfehlung ist, so ist eine aus der Praxis entstandene Empfehlung ja doch vielleicht immer mal ganz sinnvoll (später dazu mehr!).
    Zuletzt geändert von QOM; 27.10.2014, 11:50.
    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
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  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
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    #2
    AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

    Hallo,

    die Presse verfolgt? Der Jakobsweg Frankfurt-Mainz ist zur Zeit gerade im Stadium "work in progress". Es gibt einen Verein, der das betreibt. Der hat bisher dreimal zur gemeinsamen Begehung einer Etappe eingeladen. War nett.

    Gekennzeichnet ist der Weg noch nicht. Das kommt aber. Die Kirchen am Wegesrand haben passende Stempel bekommen. Das wird alles.

    Wenn man mal vom Weg aus der Stadt heraus absieht - folgt der Jakobsweg dem Bonifatiusweg. Dessen Pilgerpass, Wanderkarte und Begleitheftchen kann man also auch benutzen.

    Von Mainz dann den Rhein entlang nach Bingen. Und auf dem Ausoniusweg bis Trier. Ab Trier ist der Jakobsweg dann ein ausgetretener Pfad.

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    • QOM
      Erfahren
      • 26.08.2013
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      #3
      AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

      Zitat von Enja Beitrag anzeigen
      die Presse verfolgt?
      Nö.

      Über die "richtige" Wegeführung durch Frankfurt kann man sicher lange philosophieren.
      Ich denke - mit einer Ausnahme - ist der GPS-Track historisch hinreichend akkurat.

      Ich werde in den nächsten Tagen berichten, wie mir weiland geschah.
      Navigationsprobleme hatte ich jedenfalls keine ernsthaften.

      Den Verein hatte ich zu kontaktieren versucht, ob die vielleicht Interesse an meiner Unterstützung oder meiner Erfahrung unterwegs hätten. Kam aber nix zurück...
      Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
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      • QOM
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        • 26.08.2013
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        #4
        [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Hochheim

        1.Tag: Frankfurt (Nord-Ost) - Hochheim

        Freitag, 17. Oktober 2014
        Strecke: 43,8km - Gesamt: 43,8km
        Gehzeit: 9:30 brutto / 7:45 netto

        Der Wecker klingelt zu einer für einen Urlaubstag absolut unflätigen Zeit - 6:45.
        Aber heute soll es ja los gehen und das nicht zu spät.
        So ziehe ich nach einem ruhigen Frühstück und einem letzten Blick in den Rucksack um etwa 8:15 die Tür hinter mir zu.
        Der Weg beginnt an der Muschel, die am Straßenschild direkt vor der Tür klebt. Ganz am nordöstlichen Ende Frankfurts.


        Diese Tafel markiert den nordöstlichsten Punkt Frankfurts und erklärt, warum man auf dem Weg von Kiev nach Santiago genau hier vorbei kommt. Die Pilger werden allerdings nicht immer mit einer roten Couch empfangen. Die stand nur 2012 mal für ein paar Tage da.


        Jaja. Der Jakobsweg beginnt immer vor der eigenen Haustür. Aber sicher nicht immer so buchstäblich.

        Ich bringe die Navigations-Äpp auf Spur und laufe los.
        Es fühlt sich anfangs ziemlich seltsam an, mit Gepäck durch wohlbekanntes Gebiet zu stapfen. (An dieser Stelle keine Skyline-Bilder...)
        Aber schon bald - nach knapp 2km - biegt der in diesem Abschnitt perfekt ausgeschliderte Jakobsweg in eine Straße ein, in der ich wirklich noch nie war. Faszinierend.
        Es geht bergab durch die etwas weniger städtischen Wege einer Kleingartenanlage. Immerhin ohne Verkehr, aber natürlich mit dem ständig dröhnenden Verkehrslärm des Ballungsgebiets. Hecken links und rechts, nicht viel zu sehen.
        Dort, wo wohl bald ein neuer Autobahnknoten entstehen wird, unterquere ich die A661, durch weiterhin unbekannte Wege nähere ich mich der Eissporthalle von der Rückseite.
        Jetzt bin ich immerhin schon eine gute Stunde unterwegs.
        Plötzlich überrascht mich ein derber Schmerz in der Hüfte.
        Na klar. Ich bin den ganzen Sommer wie wild geradelt (natürlich ohne Dehnen), aber kein Stück gelaufen!
        Die Muskulatur lockert sich durch den Ostpark, durch den ich von dieser Seite aus auch noch nie gelaufen bin, und schon kurz vor der neu entstandenen Europäischen Zentralbank ist alles in bester Ordnung.
        Die Ausschilderung des Weges ist hier noch unglaublich detailliert, sogar um den Bauzaun der Baustelle herum.
        Beim Erreichen des Mains nach 9,5km sehe ich allerdings die letzte Muschel für eine lange Zeit. Das stört mich nicht, denn der Weg wird die nächsten Stunden am Fluß geführt. Da gibt es nicht viel Weg zu weisen.
        Es geht am sattsam bekannten Tiefufer des Mains glatt asphaltiert in Richtung Innenstadt; den Schlenker über den Römer spare ich mir als Einheimischer. (Auch hier wieder keine Skyline-Bilder...)
        Ich überquere den Main an meiner Lieblings-Fußgängerbrücke "Eiserner Steg" und setze meinen Weg flußabwärts fort.


        Liebesschlösser am Eisernen Steg. Man kann einen Schlüssel in den Fluß werfen. Aber wie geht das bei dem Zahlenschloß??

        Am Theodor-Stern-Kai mache ich mit Rückblick auf die Skyline meine erste Pause. (Nein, auch hier wieder kein Bild...)
        Völlig verdattert stelle ich fest, daß ich mir schon eine Blase an der Ferse gelaufen habe. Das ist nach 13km kein gutes Zeichen.
        Die Ursache ist leicht gefunden - Schuh nicht richtig gebunden. Aber da ist sie jetzt trotzdem.
        Zügig folge ich dem Radweg durch extrem lautes Terrain zwischen Fluß und Straße weiter mainabwärts.
        Vorbei an der Dienstleistungsstadt Niederrad, erst ab Goldstein vergößert sich der Abstand zur Straße und es wird etwas ruhiger.
        Nach 20,5km biegt mein GPS-Track vom Fluß weg ab, vermutlich um die Mainschleife mit dem Industriepark Höchst zu umgehen.
        Etwas verfrüht reiße ich die Arme in die Höhe als ich ein Ortsschild passiere, das das Ende Frankfurts markiert.
        Entlang der Schwanheimer Düne nähere ich mich dem navigatorischen Höhepunkt urbaner Fußwegführung - hier sagt ein Bild mehr als Worte:


        Die Kelsterbacher Direttissima: Drunter, durch, drüber, drunter. Aber wenn der Einstieg gefunden ist, ist es echt möglich!

        Ein kurzes Stück entlang der Schnellstraße und ich überquere den Main.
        Kurz drauf - jetzt bin ich etwa bei 25,5km - wird es in der Au des Mains endlich ruhiger. Viel ruhiger, mal abgesehen vom Flughafen.
        Zeit zum Durchschnaufen und für eine weitere Pause. Mann, der Ballungsraum zieht sich aber echt!
        Vor Okriftel sorgen Nutrias in einem Wassergraben für Kurzweil, denn sie lassen sich treudoof von Kindern füttern.
        In Okriftel selbst würde ich mich jetzt gerne mal füttern lassen. Ich habe Kohldampf.
        Kein Problem, wenngleich der Bäcker im Supermarkt wegen Renovierung geschlossen hat und ich mit Kaffeedurst weiter ziehe...
        Als ich Okriftel - 31km - wieder verlasse, sehe ich beim Queren der L3006 mal wieder eine Jakobsmuschel, allerdings das europäische Modell mit Sternen drumherum.
        Nach Eddersheim beginnt ein Flutdamm, auf dem der Weg ab dann geführt wird. Leider sieht man durch die dichten Bäume am Ufer nicht viel vom Fluß oder von der anderen Seite. Vollständig von Menschen gemachte, seelenlose Landschaft.
        Bei etwa 38km habe ich Flörsheim passiert und muß das Hafenbecken umgehen.
        So langsam denke ich, mein Tagwerk könnte getan sein. Aber der Flughafen ist noch so laut.
        Also noch ein Stück weiter. Sagen wir Hochheim.
        Ich navigiere kurz und verlasse den Jakobsweg, denn der ginge auf der anderen Seite der Bahnlinie entlang.
        Kurz nach Falkenberg beginnen die Weinberge und der Weg steigt sanft Richtung Hochheim an.
        Mitten in einem Weinberg steht ein Schild, das mich am 50. Breitengrad begrüßt. Außerdem sagt es, nördlich dieser Linie würde kein Qualitätswein wachsen. Warum steht es dann mitten im Weinberg??
        Zwischenzeitlich habe ich wirklich genug. Die Steigung - ja, es geht in Summe auf den letzten Kilometern etwa 30 Höhenmeter aufwärts! - macht mich völlig fertig.
        Ich erreiche den Ortskern von Hochheim auf dem kürzesten Weg, und das Hotel ist genau dort, wo es im Schema einer klassischen Ortschaft hingehört. Außerdem hat es einen Griechen im Haus!
        Nach 43,8km beschließe ich den ersten Tag mit einer großen Grillplatte. Und, sehr zur Verwunderung des Wirts, esse ich sie nicht nur auf, sondern weise ihn mit Ouzo und Rechnung zunächst ab, um mir noch ein Dessert zu bestellen.

        Fazit des ersten Tages:
        Total überzockt, euphorisch losgerannt, durch den Krach der Umwelt nix gemerkt, mir tut jeder Knochen weh!
        Sicher keine genußreiche Sahne-Etappe des Weges, sondern einfach der kürzeste Weg durch den Ballungsraum. Eine völlig alternative Wegeführung hätte für mich auch die nördliche Umgehung Frankfurts sein können. Das wäre zwar vielleicht ein Stück weniger historischer Weg gewesen - denn man bewegte sich ja doch eher entlang der Flüsse. Aber es wäre wesentlich ruhiger und landschaftlich ungleich schöner gewesen! (Der in Gegenrichtung verlaufende Bonifatiusweg wird so geführt...)
        Angehängte Dateien
        Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
        Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
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        • Enja
          Alter Hase
          • 18.08.2006
          • 4869
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          #5
          AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

          Na dann mal weiter. Das Praktische daran, wenn man tagelang durch die Vororte seiner Heimatstadt wandert. Man hat einen anderen Blickwinkel und kann abends bequem mit der S-Bahn nach Hause fahren.

          Aber ich bin gespannt. Schreib mal weiter. Ich hoffe, du bist in Hochheim königlich bewirtet worden?

          Der Verein hat ein Heer von Unterstützern. Beim gemeinsamen Begehen der Strecke war das eine große Gruppe. Fast alle Teilnehmer waren entweder schon bis Santiago gelaufen, auf dem Weg dahin oder Spezialisten für diverse andere Pilgerwege. War sehr informativ.

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          • Juno234
            Erfahren
            • 03.08.2007
            • 397


            #6
            AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

            Schöner Bericht, der Lust auf mehr macht

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            • Enja
              Alter Hase
              • 18.08.2006
              • 4869
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              #7
              AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

              Stimmt, ab Schwanheim hast du einfach den direkten Weg genommen. Der offizielle Jakobs-/Bonifatiusweg wäre netter gewesen. Aber natürlich auch erheblich länger.

              Ich finde, egal welche der beiden Varianten man nimmt, die Landschaft dort surreal. Optisch gar nicht mal so schlecht, wenn man bedenkt, dass man im wesentlichen ein riesiges Gewerbegebiet durchquert, was nicht immer so ins Auge fällt, weil der Jakobsweg durch den schick gestalteten Landschaftspark führt, der die renaturierte Müllkippe ist. Alles sehr eigen. Mit einem gewissen schrägen Reiz.

              Dazu dann das Dauer-Gedonner der Flugzeuge, abhängig natürlich von der Windrichtung. Es kann auch ziemlich ruhig sein. Dazu all die Autobahnen und ICE-Linien.

              Ich hätte es interessant gefunden, wenn du in Hochheim mal am Pfarrhaus angeklopft hättest. Der dortige Pfarrer ist schwerst aktiv im zugehörigen Verein und hat schon mehrfach verkündet, jeden Pilger bewirten zu wollen. Zur potenziellen Beherbergung habe ich allerdings noch nichts gehört. Es ist aber nicht ganz aussichtslos, Gemeinden am Wegesrand um Obdach zu bitten.

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              • Wafer

                Lebt im Forum
                • 06.03.2011
                • 9533
                • Privat


                #8
                AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                Hallo QOM.

                Ein vielversprechender Anfang! Das Loswandern an der eigenen Haustür ist schon etwas gewöhnungsbedürftig. Wenn man mit Rucksack und Wanderstiefel durch das eigene Viertel wandert kommt man sich ganz fehl am Platze vor. Bei mir hat das aber immer schon nach wenigen 100 Metern recht schnell nachgelassen.
                Den Teil hinter Frankfurt kenne ich auch. So schlimm fand ich ihn gar nicht - abgesehen vom Lärm!
                Ich freue mich auf eine Fortsetzung mit mehr Bildern! Auch so ein Effekt: Man kennt seine Heimat so gut, dass man sie selten fotografiert wie man sie selber sieht. Aber andere interessiert vielleicht genau diese Sichtweise.

                In freudiger Erwartung auf das was da noch kommen möge ...

                Wafer

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                • Enja
                  Alter Hase
                  • 18.08.2006
                  • 4869
                  • Privat


                  #9
                  AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                  Nein, "schlimm" ist es dort nicht. Abgesehen vom Lärm. Und der ist abhängig von der Windrichtung. Man kann dort also durchaus auch lärmfrei wandern. Es geht halt deutlich in Richtung "Metropolitan Outdoor". Für mich macht das einen speziellen Reiz aus.

                  Mal abgesehen davon, dass man in Hochheim so gut wie in Mainz ist. Und ab dort wirklich "im Grünen".

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                  • Lookas
                    Erfahren
                    • 01.11.2011
                    • 129
                    • Privat


                    #10
                    AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Hochheim

                    Schöner Bericht! Die Diretissima gefällt mir - eine sehr coole Karte! Bin auch gespannt, wie es weitergeht ...

                    Zitat von QOM Beitrag anzeigen

                    Jaja. Der Jakobsweg beginnt immer vor der eigenen Haustür. Aber sicher nicht immer so buchstäblich.
                    Werden bei euch die Markierungen auch so absurd gedreht? Als ich bei uns den Pickerweg erstmarkiert habe, gab es auch unsinnige Diskussionen darüber, in welche Richtung die Muschelstrahlen zeigen sollen! Unfassbar. Ich bin bis heute immer wieder überrascht, was für komische Meinungen dazu herumgeistern ...
                    Das muss das Boot abkönnen!

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                    • QOM
                      Erfahren
                      • 26.08.2013
                      • 122
                      • Privat


                      #11
                      AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Hochheim

                      Zitat von Lookas Beitrag anzeigen
                      Schöner Bericht! Die Diretissima gefällt mir - eine sehr coole Karte! Bin auch gespannt, wie es weitergeht ...
                      Werden bei euch die Markierungen auch so absurd gedreht? Als ich bei uns den Pickerweg erstmarkiert habe, gab es auch unsinnige Diskussionen darüber, in welche Richtung die Muschelstrahlen zeigen sollen! Unfassbar. Ich bin bis heute immer wieder überrascht, was für komische Meinungen dazu herumgeistern ...
                      Ja, die Direttissima war echt einer der Höhepunkte!
                      Aber wie eine Direttissima nun mal so ist: Wenn Du den richtigen Einstieg gefunden hast, ergibt sich der Rest praktisch zwangsläufig.
                      Wenn ich mal wieder mit dem Fahrrad an der Schwanheimer Düne bin, werde ich sie einfach aus purer Lust nochmal fahren!

                      Mit der Richtungsweisung durch die Muschel gibt es in der Tat Varianten - aber wem sag' ich das?
                      Ich habe im Kopf, daß der Scharnier der Muschel die Richtung zeigt, in die es geht. Im Bild also geradeaus. Das ist in Frankfurt so konsequent umgesetzt.
                      Habe es unterwegs aber auch ebenso konsequent umgekehrt gesehen.
                      Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                      Es gibt schlechtes Wetter!
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                      • QOM
                        Erfahren
                        • 26.08.2013
                        • 122
                        • Privat


                        #12
                        AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                        Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                        Stimmt, ab Schwanheim hast du einfach den direkten Weg genommen. Der offizielle Jakobs-/Bonifatiusweg wäre netter gewesen. Aber natürlich auch erheblich länger.

                        Ich hätte es interessant gefunden, wenn du in Hochheim mal am Pfarrhaus angeklopft hättest. Der dortige Pfarrer ist schwerst aktiv im zugehörigen Verein und hat schon mehrfach verkündet, jeden Pilger bewirten zu wollen. Zur potenziellen Beherbergung habe ich allerdings noch nichts gehört. Es ist aber nicht ganz aussichtslos, Gemeinden am Wegesrand um Obdach zu bitten.
                        Ja, denn die Schwanheimer Düne ist einer meiner surrealen Lieblingsorte!

                        Weil ich genau genommen gar nicht pilgere, sondern "in eigener Sache" reise*, habe ich mich auf Herbergen und geistlichen Beistand auf dem Weg nicht allzu intensiv vorbereitet.
                        Entsprechend würde ich nicht zuerst bei der Pfarrgemeinde klopfen und - ohne Not - von dort keine kostenfreie Hilfe erwarten. Ich bin zudem in der Vermögenslage, mir Reise und Essen in der Regel leisten zu können (und zu wollen) und tendenziell eher in den Topf einzuzahlen als ihn zu leeren.
                        Natürlich öffne ich mich der christlichen Kulturerfahrung; sonst hätte den Weg nicht gewählt!

                        So, jetzt zum *:
                        Wirklich kirchlich motivierte Pilgerer oder Wallfahrer haben - wenn ich das richtig verstanden habe - immer ein Pilgermotto oder einen Spruch dabei, der sie auf dem Weg begleitet und über den sie auf dem Weg nachsinnen mögen.
                        Zudem erwarten sie auf dem Weg, daß ein Teil der Dreifaltigkeit zu ihnen spricht.
                        Ich will vor allem die Ruhe und Kraft in mir selbst finden und kultivieren. Eher ein buddhistischer Ansatz.
                        Letztlich macht das im Ergebnis der Reise wohl kaum einen Unterschied. Aber ein christlich motivierter Pilger muß über mein Herangehen den Kopf schütteln, denn mir geht das für ihn wesentliche Element vollständig ab.
                        Was nicht heißt, daß ich die Spiritualität am Wegesrand nicht in vollen Zügen genießen würde. Aber das ist ja eher ein "Heidenspaß".
                        Das Thema läßt sich episch diskutieren, denn letztlich ist die mir zuteil werdende Klärung ja doch auch irgendwie als göttliches Wirken zu deuten und umgekehrt ginge die Erleuchtung des christlichen Pilgers sicher auch als einfache spirituell-kontemplative Reduktion durch - wenn man das so werten möchte...
                        Ich freue mich mit allen, die eine solche Reise überhaupt beginnen, egal aus welchen Motiven!
                        Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                        Es gibt schlechtes Wetter!
                        Egal, welche Klamotten!
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                        • QOM
                          Erfahren
                          • 26.08.2013
                          • 122
                          • Privat


                          #13
                          AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                          Zitat von Wafer Beitrag anzeigen
                          Ein vielversprechender Anfang!

                          Auch so ein Effekt: Man kennt seine Heimat so gut, dass man sie selten fotografiert wie man sie selber sieht. Aber andere interessiert vielleicht genau diese Sichtweise.
                          Danke!

                          Ja, die Heimat kenne ich in der Tat auch fotografisch eher besser, und es war kein außergewöhnliches Fotowetter.

                          Mit den Bildern habe ich mich dieses Mal aber generell etwas zurückgehalten, ich habe mich wirklich auch sehr stark auf das eigentliche Gehen konzentriert.
                          Zudem hatte ich Fotowetter nur sehr beschränkt. Da, wo sich außergewöhnliche Panoramen hätten öffnen sollen, schloß sich meist der Dunst um mich.
                          Aber ich will nicht zuviel vorwegnehmen...
                          Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                          Es gibt schlechtes Wetter!
                          Egal, welche Klamotten!
                          Laßt Euch da nichts vormachen!

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                          • QOM
                            Erfahren
                            • 26.08.2013
                            • 122
                            • Privat


                            #14
                            [DE] Jakobsweg: Hochheim - Ober-Ingelheim

                            2.Tag: Hochheim - Ober-Ingelheim

                            Samstag, 18. Oktober 2014
                            Strecke: 36,5km - Gesamt: 80,3km
                            Gehzeit: 9:00 brutto / 7:15 netto

                            Der Wecker klingelt zu einer für einen Urlaubstag absolut unflätigen Zeit - 6:45. Ich glaube, ich erwähnte es gestern bereits.
                            Erstaunt rappele ich mich hoch und stehe auf. Ich hatte mit ganz großen Schmerzen gerechnet.
                            Bin ich vielleicht über Nacht verstorben, ohne es mitzubekommen?
                            Jedenfalls tut nix weh, und das ist gut.
                            Das Frühstück ist unspektakulär, es reicht, um die Brotdose mit Tagesproviant zu füllen.
                            Weil ich's heute nicht so übertreiben will wie gestern, lasse ich mir etwas Zeit.
                            Zudem habe ich ja noch keine tägliche Routine, auf die ich als blutiger (leider im Falle der Fersenblase wörtlich) Anfänger zurückgreifen könnte.
                            Um halb Neun stehe ich auf der Straße und starte die Elektrik.
                            Weil die Wettervorhersage zwar gut, der Nebel aber noch dicht ist, spare ich mir den Rundgang zu möglichen Panoramapunkten, sondern orientiere mich geradewegs Richtung westlichem Orstsrand und von dort durch die Weingärten zügig abwärts Richtung Fluß.
                            In den Weingärten könnte eine herrliche Aussicht über das Maintal locken, aber stattdessen drückt der Nebel den Geruch nach zum Düngen abgekippten Trester und essigsauren Trauben durch die Felder - denn in der Region gab's dieses Jahr Probleme mit einem Schädling, so daß ein Teil der Trauben gar nicht erst geerntet wurde.
                            Ich erreiche und unterquere erst die Autobahn (A671) und dann zwei Bahnlinien und schon bald bin ich wieder auf dem Flutdeich, dem der Jakobsweg flußabwärts bis Kostheim folgt.
                            Der Weg zwängt sich zwischen Uferdickicht und Umzäunung der traditionsreichen Papierfabrik in Richtung Kostheim - den Aussichtspunkt spare ich mir mangels Aussicht auf Aussicht.
                            Kurz drauf würde der Weg durch eine wunderschöne Kastanienallee am Fluß entlang zur Mündung des Mains in den Rhein geführt.
                            Aber die ist gesperrt und eingezäunt weil sie demnächst komplett abgeholzt werden soll. Der Widerstand äußert sich am Zaun rege, ich erkenne aber noch keine auf den Bäumen hausenden oder daran festgeketteten Aktivisten. (An dieser Stelle habe ich es in Gedanken versunken leider voll verpennt, diese einzigartig morbide neblige Stimmung fotografisch einzufangen.)
                            Ich erreiche den Rhein und erkenne einen Teil der Silhouette von Mainz. Nicht fern aber trozdem kaum zu erkennen.
                            Der gut ausgebaute Uferweg bring mich zügig an die Straßenbrücke, die mich von Kastel Richtung Innenstadt läßt.
                            Am Ufer ist Flohmarkt, und so verlasse ich den vorgesehenen Weg, um mich durch den Betrieb des Samstagvormittags in Richtung Dom zu orientieren.
                            Den erreiche ich am Markttag. Immerhin ist er im Dunst aus der Nähe klar zu erkennen. Und glücklicherweise kaum eingerüstet.


                            Mehr Dom-Panorama gibt es heute nicht!


                            Markttag am Mainzer Dom. Den Pilgerstempel gibt es im Dom-Büro genau geradeaus!

                            Leicht erreiche ich durch das Marktgeschehen das Dom-Büro. Dort werde ich mit der Frage "Jakobus oder Bonifatius?" begrüßt und erhalte meinen ersten Stempel.


                            So sieht also ein Pilgerstempel aus...

                            Ich bin heute mit dem Vorsatz unterwegs, es etwas langsamer angehen zu lassen. Also nehme ich mir - wenn ich denn nun schon mal da bin - auch die Zeit für eine kurze Dombesichtigung.
                            Es empfängt mich eine an diesem Tag ziemlich düstere, traditionsreiche Kirche.


                            Hauptschiff des Doms. Blick leider nicht auf der Mittelachse, denn wer hat sein Taschenstativ daheim vergessen??


                            Blick auf den Altarraum und die Fenster dahinter.

                            In aller Ruhe kann ich auch einen Blick in den Kreuzgang werfen - im Sommer sicher ein herrlicher Ort.


                            Kreuzgang des Mainzer Doms. Ich gestehe, die Sonne kommt von der Bildbearbeitung!


                            Praktische Raumgestaltung: Steht der jetzt unter dem Trägersockel weil er keinen Kopf hat oder hat er keinen Kopf weil...

                            Ich verlasse den Dom und setze meinen Weg fort.
                            Der ist zunächst sehr sorgfältig ausgeschildert, irgendwo in der Altstadt biege ich nochmal falsch ab.
                            Überraschend ruhig geht es nach und nach aus Mainz heraus.
                            Am Ende des Hauptfriedhofs verlasse ich den GPS-Track, denn der hier vorgesehene Schlenker scheint mir nicht attraktiv - außerdem folge ich der in Mainz an sich sehr guten und konsistenten Wegweisung.
                            In Gonsenheim erreiche ich einen Bach, dem der Weg folgt und finde einen Garten mit einer sehr einladenden Bank zum Rasten. Das Gartentor ist offen und der Eigentümer von Garten und Bank ein rechter Spaßvogel.
                            Trotzdem verschwätze ich mich nicht zu sehr, sondern setze meinen Weg recht bald fort.
                            Nach Gonsenheim geht es in den Wald.
                            Zwar kein toller Urwald, sondern ein von Joggern, Reitern, Spaziergängern und allen anderen Gattungen Naherholender rege frequentierter, schnell wachsender Kulturwald.
                            Aber immerhin mal etwas Grün!
                            Es geht ziemlich geradeaus nach Budenheim.
                            Der Ort begrüßt mich mit Dokumentationsschildern zu seiner historischen Bedeutung am Jakobsweg, inklusive Adresse der Stempelstelle.
                            Die Kirchengemeinde dort weiß zwar von ihrem Glück, aber keiner weiß so recht, wo der Stempel ist...
                            Kurz vor dem Ortsausgang gibt es wieder eine Differenz zwischen der Wegweisung und meinem GPS-Track. Ich folge der Wegweisung, denn der Rhein verspricht an dieser Stelle keine außergewöhnliche Schönheit.
                            Schon bald bin ich wieder auf der Dammkrone unterwegs, das landschaftliche Spektakel hält sich in Grenzen. Immerhin ist das Wetter zwischenzeitlich etwas aufgehellt.
                            Im Trott verpasse ich den Abzweig nach Heidesheim, aber mein GPS weckt mich nach kurzer Zeit.
                            Ich treidele durch den Ort, finde die Eisenbahn-Unterführung (ich muß bei dem Ort ein wenig an "Asterix und der große Graben" denken) und bin schon bald leicht bergan in den Feldern Richtung Ingelheim.
                            Ich wollte es ja heute nicht überreizen, also soll das das Tagesziel werden.
                            Beim Blick den Berg hinab nach Ingelheim lockt der Ort eher nicht. So folge ich dem Weg weiter Richtung Ober-Ingelheim und vertraue darauf, daß ich dort eine Unterkunft finden werde.
                            Dieses Vertrauen wird stark strapaziert, wie der im Track sicherlich gut sichtbare Suchkreis präzise dokumentiert.
                            Ich finde ein traumhaftes Zimmer in einem Weingut, und heute schaffe ich es sogar ohne Festhalten die Treppen hoch.
                            Das Auspacken der Füße taugt nicht gerade zur leckeren Vorspeise. Die Blasen sind nicht kleiner geworden, es sind sogar noch ein paar niedliche an den kleinen Fußzehen dazu gekommen. Was soll das?!? Mit dem Fabrikat Socken habe ich blasenfrei für zig Marathons trainiert!
                            Ich gräme mich nicht weiter, denn kleine Fußzehen können ja auch nur ein klein wenig schmerzen...

                            Gestern war griechisch, also ist heute der Italiener vor Ort dran, und das ist ein echter Glückstreffer.
                            Denn der Deutsche Meister im Pizzabacken kommt aus ...Trommelwirbel... Ober-Ingelheim.
                            Der Laden ist extrem produktiv organisiert und brummt ohne Ende. Maestro macht aber nicht die Honeurs, sondern schuftet am Ofen wie ein Besessener.
                            Extrem leckere Sache und der Ausklang eines etwas gemäßigteren Tages.
                            Dennoch wollen auch die etwas weiteren Turnschuhe nicht so recht passen. Ich will weiter, meine Füße eher nicht.

                            Fazit des zweiten Tages:
                            Na also, geht doch! Man kann auch ohne größere Gewalt ganz gut vorankommen! Was so etwa Zehn Prozent weniger Tempo gefühlt an Belastungsempfinden ausmachen!
                            Ich habe heute den Preis für gestern gezahlt, bin aber dennoch ganz glimpflich davongekommen.
                            So langsam macht sich im Hirn etwas Ruhe breit - in etwa in dem Maße, in dem der Ballungsraum aus dem Bewußtsein verschwindet.
                            Fein!
                            Die Fruchtfliegen des Weinguts bemerke ich nur noch am Rande, schon bald umfängt mein Bewußtsein rabenschwarze Nacht...
                            Angehängte Dateien
                            Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                            Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                            Es gibt schlechtes Wetter!
                            Egal, welche Klamotten!
                            Laßt Euch da nichts vormachen!

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                            • Chouchen
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                              Liebt das Forum
                              • 07.04.2008
                              • 20009
                              • Privat


                              #15
                              AW: [DE] Jakobsweg: Hochheim - Ober-Ingelheim

                              Zitat von QOM Beitrag anzeigen
                              In Gonsenheim erreiche ich einen Bach, dem der Weg folgt und finde einen Garten mit einer sehr einladenden Bank zum Rasten. Das Gartentor ist offen und der Eigentümer von Garten und Bank ein rechter Spaßvogel.
                              Trotzdem verschwätze ich mich nicht zu sehr, sondern setze meinen Weg recht bald fort.
                              War das die Bank mit dem alten Metallschild "Parkplätze sind samstags für Kirchenbesucher frei zu halten" oder so ähnlich?
                              Falls ja: Der Besitzer ist in der Tat ein Schwätzbrett, aber ein ganz netter.
                              "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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                              • QOM
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                                • 26.08.2013
                                • 122
                                • Privat


                                #16
                                AW: [DE] Jakobsweg: Hochheim - Ober-Ingelheim

                                Zitat von Chouchen Beitrag anzeigen
                                War das die Bank mit dem alten Metallschild "Parkplätze sind samstags für Kirchenbesucher frei zu halten" oder so ähnlich?
                                Falls ja: Der Besitzer ist in der Tat ein Schwätzbrett, aber ein ganz netter.
                                In der Tat, genau der!
                                Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                Es gibt schlechtes Wetter!
                                Egal, welche Klamotten!
                                Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                • Chouchen
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                                  • 07.04.2008
                                  • 20009
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [DE] Jakobsweg: Hochheim - Ober-Ingelheim

                                  Zitat von QOM Beitrag anzeigen
                                  In der Tat, genau der!
                                  Sehr geil. Da hättest Du bei mir auf einen Kaffee vorbei kommen können, das wäre fast in Wurfweite gewesen.
                                  "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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                                    Erfahren
                                    • 26.08.2013
                                    • 122
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [DE] Jakobsweg: Hochheim - Ober-Ingelheim

                                    Zitat von Chouchen Beitrag anzeigen
                                    Sehr geil. Da hättest Du bei mir auf einen Kaffee vorbei kommen können, das wäre fast in Wurfweite gewesen.
                                    Bin ich Don Camillo?
                                    Werfe ich Bänke??
                                    Aber ja, den Kaffee hätte ich da schon zwischendurch gebrauchen können...
                                    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                    Es gibt schlechtes Wetter!
                                    Egal, welche Klamotten!
                                    Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                    • QOM
                                      Erfahren
                                      • 26.08.2013
                                      • 122
                                      • Privat


                                      #19
                                      [DE] Jakobsweg: Ober-Ingelheim - Rheinböllen

                                      3.Tag: Ober-Ingelheim - Rheinböllen

                                      Sonntag, 19. Oktober 2014
                                      Strecke: 38km - Gesamt: 118,3km
                                      Gehzeit: 9:00 brutto / 7:30 netto

                                      Natürlich klingelt der Wecker wieder zur absolut unflätigen Zeit - 6:45. Diesmal allerdings erfolglos. Schon beim ersten Wisch vertausche ich schlummern und abschalten. Und schalte auch selbst nochmal für eine kurze Zeit vollständig ab.
                                      Dennoch schaffe ich es, um 9 Uhr fertig bepackt und mit einem anderen Typ Socken an den Füßen im dichten Nebel vor dem Hoftor zu stehen.
                                      Erst läuft die Elektrik los, dann ich selbst.
                                      Zögerlich zunächst, aber schon bald habe ich wieder den gewohnten Schritt.
                                      Ich verlasse Ober-Ingelheim zügig bergab und schon nach wenigen Minuten steigt der Weg langsam in die sicherlich malerischen Weinberge mit herrlichem Panorama über das Rheintal. Also mal so rein imaginär, wenn man sich den Nebel mal wegdenken würde.
                                      Zur besten Kirchgangs-Zeit mit weithin hörbarem Glockengeläut erreiche ich Gau-Algesheim. Und spare mir den im GPS-Track vorgesehenen Abstecher in die Ortsmitte. Denn ich werde jetzt weder die Kirche besichtigen noch mir einen Stempel holen können.
                                      Ich überquere die heute nicht hörbare Bahnlinie - so ein Lokführerstreik hat auch etwas für sich.
                                      In den Feldern hinter Gau-Algesheim sehe ich abgeerntete Felder im Nebel, aber auch ungeerntet verkommende Parzellen. Dazwischen flattern träge die Krähen, die ich vor mir her treibe. Keine Menschenseele.
                                      Kein schöner Land in dieser Zeit.
                                      Mir kommt allerdings eher die komische Version in den Sinn - Hagen Rether hatte mal eine Zugabe, in der er Günther Grass' Gedicht "Novemberland" auf die Schippe nahm.
                                      Nur schwerlich kann ich an mich halten, laut herauszuplatzen:
                                      "Liieegt brrraaaach dass Laand zum Frrraaaaß deeerr Krrrääähenschaaar!"
                                      Grinsend trotte ich weiter und erreiche bei Bingen-Gaulsheim den Rhein. Denke ich zumindest.
                                      Zu sehen ist von Vater Rhein nicht viel, denn der liegt noch mit Decke im Bett.


                                      Die Bäume zeigen nicht das andere Ufer an, sondern den Damm zwischen Hauptbett und Nebenarm.


                                      Trübe Morgenstimmung am Fluss...

                                      Ich finde ein paar größere Steine am Ufer, auf denen ich eine Pause machen kann.


                                      Hier hat die Bildbearbeitung ganze Arbeit geleistet! Im Original ist fast nur Ursuppe zu sehen.


                                      Aber auch, wenn die Tüte vorne am Apparat "Objektiv" heißt: Ein Bild soll nicht die Wahrheit zeigen, sondern das, was man darin gesehen hat...

                                      Weil der Fluß ja eher nicht da ist, mache ich eine andere, folgenschwere Entdeckung:
                                      Ich entdecke, wie sich die troddelligen langen Riemen meines Rucksacks zusammenrollen und fixieren lassen, so daß sie nicht so nervig herumbommeln. Außerdem schaue ich mir bei der Gelegenheit auch einige Riemen an, denen ich bislang keine größere Beachtung geschenkt hatte. Und komme ins Grübeln. Moment mal, wenn man diese Riemen hier ein wenig anzieht, müßte die Basis des Rucksacks fester auf dem Hüftgurt stehen. Dieser Riemen hier müßte dann das Oberteil nah an den Rücken bringen, auch wenn man die Schultergurte etwas lockert, ja..., soo..., und dann müßte...
                                      Als neuer Mensch laufe ich weiter, denn von nun an sind die Schultern nicht mehr wesentlich am Tragen des Gewichts beteiligt!
                                      (Nicht vergessen, lieber Leser: Ich blutiger Anfänger, Du wahrscheinlich Halbprofi!)
                                      Ich folge dem Fluß weiter bis Bingen; aufgrund des nahen Hafens und der Stadt gibt es hier sogar mal Menschen. Aber durch den Lokführerstreik nach wie vor sehr wenig Lärm.
                                      Das ganz, ganz langsam sich öffnende Uferpanorama noch ein wenig genießend, weiche ich ein wenig von meinem Track ab. Macht aber nix, denn spätestens an der nahen Nahe-Mündung ist der Abzweig sicher und nicht zu verfehlen.


                                      Bingen: Burg Ehrenfels paßt auch im Nebel auf, daß die Nahe-Mündung nicht verloren geht.


                                      Bingen: Der Nebel reißt kurz ein wenig auf und offenbart so etwas wie eine Art Flußpanorama.

                                      Hier ließe sich mit Kunst und Schaugärten bestimmt herrlich ein wenig in der Sonne herumtrödeln, wenn sie denn nun schiene...


                                      Bingen: Ich kann einen kurzen Blick auf die Germania erhaschen, bevor sie wieder im Nebel verschwindet.


                                      Bingen: Andeutung eines klassichen Germania-Postkartenpanoramas...

                                      Ich brauche aber noch ein wenig städtische Infrastruktur und mache daher einen Schlenker durch Bingen.
                                      Den Weg hoch auf Burg Klopp spare ich mir allerdings, denn der große Durchblick läßt wohl noch ein wenig auf sich warten und die Burg selber interessiert mich architektonisch nicht so brennend.
                                      Ich hatte eigentlich etwas mehr touristische Hoffnung in die nach etwas mehr als 15km erreichte Drusus-Brücke über die Nahe gelegt - Deutschlands älteste Steinbrücke. Da ist es aber wohl mehr die Idee, die zählt.
                                      Die Nazis haben die Originalbrücke auf dem Rückzug gesprengt. Nach dem Krieg wurde an gleicher Stelle im ähnlichen Stil eine wesentlich breitere Brücke errichtet, über die heute ein Zubringer zur B48 geführt wird. Auch kann man das Bauwerk von keiner Seite so richtig panoramisch goutieren, denn Uferdickicht, Landesstraße, Bundesstraße und Bahnlinie engen Bewegungsmöglichkeiten und Sicht deutlich ein (deshalb mal wieder kein Bild).
                                      Jetzt ändert sich der Jakobsweg, der ab der Brücke zusätzlich und sehr gut als Ausoniusweg ausgeschildert ist, ganz grundlegend:
                                      Der Weg wird mit dem Hinweis, es handele sich von nun an um eine traditionsreiche römische Wegführung, schmal, weich und geht im Wald sehr kräftig bergauf. Römerstraße, soso...
                                      Ich bin alleine, und der Weg wird schon bald ruhig, sehr ruhig. Im Dämmerlicht des überwiegend dichten Waldes folgen die Höhenlinien im Minutentakt. Bei etwa 17,5km begrüßt mich in Weiler eine sehr verlockende Bank zur Rast, denn ich hab' mal wieder Kohldampf.
                                      Während ich den Ort durchquere, geschieht das Unglaubliche. Es reißt auf, die Sonne kommt raus, und sofort wird es richtig warm.
                                      So warm, daß ich am Ortsausgang von Weiler nach einem kurzen Blick auf die Karte - ja, es kommt jetzt länger kein Wald - die langen Hosenbeine im Rucksack verstaue. Kurze Hose, kurzes Hemd, mitten im Oktober!
                                      An der Landstraße entlang geht es gemächlich weiter bergauf, der Weitblick hält sich noch sehr in Grenzen. Die Ruhe ist herrlich. Und ich merke, wie sie langsam beginnt, auch als solche nach meinem Hirn zu greifen.
                                      Bald erreiche ich das ehemalige, nun überwiegend dem Verfall und dem Abriss preis gegebene Mangan-Bergwerk, eine interessante Mischung aus Hoffnungsträger und verlassenem Ort. Der Bauzaun und die Abwesenheit jeglichen sichtbaren Lebens halten mich aber davon ab, in das Gelände auf eigene Faust einzudringen um ein paar nette Foto-Perspektiven zu suchen.
                                      Landein, landaus geht es auf der Landstraße und gut ausgebauten Wegen weiter durch die Felder und bald auch durch ein wenig Wald.
                                      Die Landschaft ist nett, aber mäßig abwechslungsreich. Sie spannt einfach sanft gewellte landwirtschaftliche Nutzfläche auf.
                                      Und bei etwa 24km treffe ich aus der Nähe auf einige der schon länger immer mal wieder am dunstigen Horizont klar erkennbaren Windräder.
                                      Die für ihren Aufbau nötigen Schwerlast-Trassen durch den Wald bestimmen für die nächsten Stunden den Weg.
                                      Absolut irre, das hatte ich in der Dimension überhaupt nicht auf dem Plan. Bis der ganze Straßenbau und der dabei verfüllte und verstampfte Kies so rein energetisch durchgemahlen ist, müssen die Dinger aber eine ganze Weile kurbeln! Mein Gott, ist das häßlich!
                                      Bei etwa 30km erreiche ich den panoramischen Höhepunkt des heutigen Tages: Blick vom Hunsrück ins Rheintal.
                                      Zumindest theoretisch.
                                      Zwar ist die Kuppe sorgsam gerodet - wurde da schon Platz für weitere Windräder geschaffen? - aber die Ferne ist eher milchig-trüb als klar und blau. Also auch hiervon mal wieder kein Panoramafoto.
                                      Ab jetzt geht es teilweise ebenso kräftig bergab wie es morgens bergauf ging, allerdings überwiegend auf schwerlast-erprobter Straße.
                                      (Erst am nächsten Tag werde ich erfahren, daß diese breit geschotterten Wege der Idee der Römerstraße wohl näher kommen als alles, was ich sonst unter die Füße bekam.)
                                      Nach knapp 34km erreiche ich Dichtelbach, das in erster Linie durch perfekte Autobahnsicht zu überzeugen weiß.
                                      Hinter der Führung der Trasse ist Rheinböllen zu erkennen. Nach knapp 36,5 km stehe ich in dem, was ich als Ortskern identifiziert hatte und sehe mich um. Es gibt ein Hotel, aber da geht keiner an die Tür oder ans Telefon. Rundherum ist nichts zu sehen, die Bürgersteige scheinen außer Betrieb.
                                      Ich bemühe mein kluges Telefon und finde die Adresse eines "Landgasthofs" heraus. Bei der weiteren Recherche entpuppt sich der als Hotel des Autohofs, fast zwei Kilometer außerhalb des Ortes.
                                      Weil meine Ressourcen aber wieder mal relativ erschöpft sind - die andere Art von Socke scheint vor allem eine andere Art von Blasen zu begünstigen - telefoniere ich mich durch und erfahre, daß es im Automaten-Spielcenter Zimmerschlüssel gibt. Um das zu finden, solle ich einfach der Beschilderung zum Burger King folgen.
                                      Na, das klingt ja mal absolut verlockend. Aber alternativlos.
                                      Ich trotte Richtung Autohof...
                                      Es fühlt sich ziemlich seltsam an, zu Fuß auf einem LKW-Parkplatz unterwegs zu sein.
                                      Und es ist auch nur mäßig appetitlich, sich dem Mief der benachbarten Systemgastronomie durch den von ihren Konsumenten bei der Abfahrt aus den Autos geworfenen Unrat zu nähern.
                                      Aber die Fernfahrer-Kneipe der Tankstelle ist gar nicht schlecht.
                                      Auf jeden Fall haben die Erfahrung mit gut gewürzten größeren Portionen und schenken recht zügig nach. Das kann ich heute gut gebrauchen.
                                      Gegen zehn Uhr mache ich noch mal ein Auge auf, als die ersten eiligen LKWs das Ende der Wochenend-Sperre begrüßen, aber dann wird's wieder mal dunkel um mich.
                                      Daß das Hotelbett kürzer ist und die Füße zum entspannten Lüften heraushängen, ist eigentlich ganz erfrischend und praktisch...

                                      Fazit des dritten Tages:
                                      Sommer im Oktober!
                                      So langsam komme ich in eine Art Reisemodus. Allerdings zweifelsfrei am Rande dessen, was ich körperlich leisten kann.
                                      Also nehme ich morgen definitiv mal etwas Intensität raus. Denn was nutzt der schönste Hungerast, wenn man dabei irgendwo alleine im Wald hockt?
                                      Die Steigungen und Gefälle des heutigen Tages hatte ich nicht in der rudimentären Planung berücksichtigt. Aber andererseits habe ich sie ohne großes Leid und ohne in der Geschwindigkeit extrem nachgeben zu müssen geschafft.
                                      Ein wenig mehr Planung hinsichtlich der Übernachtungen könnte zukünftig ganz praktisch sein. Oder wenigstens eine im Vorab ordentlich recherchierte Unterkunftsliste.
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                                      Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                      Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                      Es gibt schlechtes Wetter!
                                      Egal, welche Klamotten!
                                      Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                        Erfahren
                                        • 26.08.2013
                                        • 122
                                        • Privat


                                        #20
                                        [DE] Jakobsweg: Rheinböllen - Kirchberg

                                        4.Tag: Rheinböllen - Kirchberg

                                        Montag, 20. Oktober 2014
                                        Strecke: 26,4km - Gesamt: 144,7km
                                        Gehzeit: 7:00 brutto / 5:30 netto

                                        Der Wecker klingelt natürlich wieder, aber ich komme heute etwas besser aus den Federn.
                                        Wenngleich das Frühstück in der eine gefühlte Erdumrundung entfernten Fernfahrer-Gaststätte etwas unpraktisch ist, ist es doch in Ordnung. Aus der Kaffeetasse kommt mit leicht angebranntem Filterkaffee-Geschmack eine Faust, die mir ratzfatz den Schlaf aus dem Gesicht prügelt.
                                        Keiner schaut auch nur ansatzweise seltsam als ich meine Brotdose für den Tag fülle.
                                        Und um neun stehe ich - noch etwas wackelig auf den Füßen - auf dem Parkplatz.
                                        Die Füße haben sich über Nacht trotz frischer Luft nicht merklich erholt. Ich bleibe bei den Socken vom Vortag; das war für die Ferse eigentlich ganz gut. Und wer braucht schon kleine Fußzehen? - Der Messner kann's ja auch ohne...
                                        Ich darf mit den gestern Abend durch die Hotelwahl extra gewonnenen eineinhalb trostlosen Straßenkilometern zurück zum Jakobsweg eröffnen. Ziemlich schnell kann ich die gewohnte Geschwindigkeit aufnehmen und komme zurück "Downtown Rheinböllen".
                                        Der Ort ist zwar heute verkehrsreicher und etwas lebhafter aber kaum einladender.
                                        Ich biege ortsauswärts ab und schon bald kommt der Geist der Römerstraße etwas klarer rüber. Es geht nämlich ziemlich geradeaus durch die Landschaft, meist auf Feldwegen, mal weich, mal hart und auch mal geschottert.


                                        Einfach mal weiter...


                                        Blick zurück über Rheinböllen.

                                        Zwischendrin ab und an ein Stückchen ordentlich aufgeräumter, gut begehbarer Herbstwald...


                                        Gut zu gehen, aber so ein perfekter Weg wirkt schon etwas steril...

                                        Die Aussicht ist irgendwie selbstähnlich, und so vergehen Zeit und Strecke.

                                        Das meine ich mit "selbstähnlich". Es ist nicht Rheinböllen. Ist es vielleicht Mutterscheid? Ich weiß es nicht mehr...

                                        Als ich irgendwann mal aus dem Wald komme und ein etwas lichteres Panorama sehe, traue ich meinen Augen kaum.
                                        Bislang hatte ich nur immer mal wieder ein paar Windräder wahrgenommen.
                                        Auf etwa 90° Blickwinkel bietet sich mir folgendes Bild:


                                        Wer mutig zoomt und genau zählt, erkennt 62 Winräder am Horizont. Aber das sind noch nicht alle, denn der Weitwinkel packt nur etwa 45°...


                                        Hier kommen nochmals 73. Drei davon sind auch auf dem ersten Bild.

                                        Den nächsten Abschnitt bestimmen eher schwerlasttaugliche oder für eine Leitung frisch aufgegrabene Wege oder Ackerränder, die von Mäusen durchwühlt oder von Traktorspuren verwüstet sind. Ich muß mich etwas mehr auf's Gehen konzentrieren um nicht zu stolpern.
                                        Ist etwas anstrengender, macht aber den Kopf radikal frei.


                                        Hier wird der Windkraft der Weg frei gemacht...

                                        Der Weg eckelt sich meit bergab um die Flurparzellen Richtung Simmern, das ich um die Mittagszeit erreiche.
                                        Der Ort kommt ziemlich laut daher, denn der Weg wird konsequent (wahrscheinlich alternativlos) entlang der Hauptverkehrsstraße geführt.
                                        Erst in der Fußgängerzone wird es wieder etwas ruhiger, und da bemerke ich, wie weit ich mich von der "echten" Welt schon entfernt habe:
                                        Neben mir hält ein Liefer-Kombi, eine Frau steigt aus und hastet davon. Als ich sehe, daß das Auto am Berg beginnt, auf einen anderen Lieferwagen mit ausgeklappter Ladebühne zuzurollen, überlege ich tatsächlich kurz, ob mich das jetzt was angeht oder lieber eher doch nicht.
                                        Ich beschließe "Ja", rufe kurz und versuche, durch das runtergekurbelte Fenster an die Handbremse zu hechten. Klappt erst beim Nachgreifen, denn der Rucksack bremst im Fensterrahmen doch etwas...
                                        Die Frau entlohnt mich mit einem "Danke - Se sinn enne Ängl." und ich raste in der ruhigen (die Geschäfte haben über Mittag zu) Fußgängerzone.

                                        Nach Simmern geht der Weg sehr lange in der Nähe einer Schnellstraße entlang und ich bin froh, der Wegweisung an Stelle des GPS-Tracks gefolgt zu sein. Denn die Wegweisung führt mich auf die luv-Seite der Straße und etwas weiter weg, so daß es nicht ganz so laut ist.

                                        Der Weg schlängelt sich weiter durch die Felder, ein wenig bergauf, bergab, ab und an durch kleine Waldstücke.
                                        Es gibt sogar mal ein paar Rehe zu sehen, aber die haben nicht mit mir gerechnet und sehr schnell das Weite gesucht.


                                        Ja, zwischendurch gibt die Landschaft auch mal ihre Selbstähnlichkeit auf!

                                        Und schon ziemlich früh erreiche ich Kirchberg, die älteste Stadt im Hunsrück.
                                        Da geht es recht ruhig zu, und ich finde problemlos ein Zimmer mittendrin.


                                        Rush-Hour in Kirchberg...

                                        Ungewohnt früh und recht entspannt weiß ich zunächst garnicht so recht, was ich anfangen soll.
                                        Aber als ich mich nach dem Duschen kurz aufs Bett lege, klärt sich das schnell...
                                        Das Abendessen nehme ich im Haus, denn das verspricht "Hunsrücker Spezialitäten". Das klingt nach großen Portionen, außer beim Bier. Na gut, dann trinke ich halt eins mehr.
                                        Und Schwupps!, ist es wieder Nacht!

                                        Fazit des vierten Tages:
                                        Ein ruhiger Tag mit nicht ganz so vielen Kilometern.
                                        Aber am Ende auch nicht wirklich erholsam.
                                        Auf der Karte sah es mir so aus als käme nach Kirchberg lange nichts, also war es in Ordnung, da mal zu bleiben.
                                        Für einen Anfänger auf erster großer Tour kann ich mich über mein Fortkommen echt nicht beschweren, wenn ich die Stimme meiner kleinen Fußzehen galant ignoriere.
                                        Auch wenn das Wetter nicht mehr ganz so sommerlich ist, ich hab' wohl wieder mal Glück!
                                        Angehängte Dateien
                                        Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                        Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                        Es gibt schlechtes Wetter!
                                        Egal, welche Klamotten!
                                        Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                        • QOM
                                          Erfahren
                                          • 26.08.2013
                                          • 122
                                          • Privat


                                          #21
                                          [DE] Jakobsweg: Kirchberg - Haag

                                          5.Tag: Kirchberg - Haag

                                          Dienstag, 21. Oktober 2014
                                          Strecke: 37,6km - Gesamt: 182,3km
                                          Gehzeit: 8:45 brutto / 7:15 netto

                                          Das Biest auf dem Nachttisch schafft es auch heute wieder, frühzeitig meine Aufmerksamkeit zu erregen.
                                          Sehr früh sogar, und so stehe ich schon um kurz nach halb neun bereit auf der Straße.
                                          Meine Füße stehen noch leicht neben sich, die kürzere Etappe gestern hat nicht für merkliche Erholung gesorgt.
                                          Das gibts doch nicht! Das muß doch irgendwann nachlassen!
                                          Heute erwartet mich unterwegs vor allem eines: Nichts! Es wird lange geradeaus gehen, praktisch ohne Ortschaften.
                                          Deshalb hatte ich in Kirchberg Station gemacht.
                                          Auch der landschaftliche Eindruck bleibt heute recht harmonisch:


                                          Hier noch später Raps als Farbtupfer, aber ansonsten sieht's heute so aus, wenn der Wald etwas Sicht erlaubt

                                          Kurz nach Kirchberg sorgt der "Bissula-Pfad" nochmal für etwas Kurzweil - eine der vielen kleinen Geschichten und Anekdoten, die am Wegesrand lauern.
                                          Prompt lege ich mich vor lauter Grübelei auf ein paar glitschigen Stufen auf die Schnauze. So verdattert und total überrascht, daß ich sogar noch versuche, mich mit den Händen abzustützen statt mich abzurollen. Mann, konzentrier' Dich! Sowas kann schief gehen!

                                          Kurz drauf werden am Wegesrand die Segnungen des römischen Straßenbaus erläutert:


                                          Was haben Sie uns denn gebracht, die Römer? Im Prinzip hat sich da ja in den letzten 1.800 Jahren nicht viel verändert: Erst kommt das Militär, dann die Kaufleute - nur, daß der Landgewinn heutzutage direkt in Pepsi und Coke aufgeteilt wird...

                                          Von der Straße selbst ist aber weit und breit nichts zu sehen oder zu fühlen.
                                          Außer, daß es von nun an etwa 10km einfach geradeaus geht. Zwar bergauf und bergab, aber geradeaus. Durch wechselnden Untergrund ist es nicht ganz so eintönig, wie ich es mir ausgemalt hatte, und durch die wellige Landschaft geht der Weg nie einfach nur platt bis an den Horizont.

                                          Auf der Strecke versucht eine Gemeinde, Römer-Straßen-Feeling heraufzubeschwören, indem ein Turm im Gebüsch versteckt wird:


                                          Sieht auf den ersten Blick ganz nett aus, ist aber aus Beton gegossen. Und oben ist die Aussicht auch nicht überragend.

                                          Kurz drauf hat man versucht, ein wenig fußmarterndes Pflaster im romanischen Design zu verlegen. So schmal, knollig und anders als die Beschreibung der Straße im ersten Bild vermuten ließe. Also meide ich es.


                                          Ein Blick zurück: Seit Kirchberg ging es praktisch geradeaus...

                                          In der Nähe von Horbruch kommt ein großes Ereignis: Der Weg knickt einige Male schroff ab. Mit Mühe kriege ich die Kurven ohne herausgetragen zu werden und mich im Graben zu überschlagen.
                                          Als ich aus dem Wald herauskomme, bemerke ich eine weitere Veränderung.
                                          Gegenwind; die Temperatur fällt.
                                          In Hochscheid (17,5km) finde ich einen windgeschütztes Plätzchen für eine Pause.


                                          Hochscheid. Gegenwind. Die Frisur sitzt.

                                          Während ich in einem kurzen Waldstück bin, trübt sich der Himmel ein und der Wind in den Bäumen nimmt stark zu.
                                          Ich höre jetzt zudem ziemlich lange eine lästig laute Straße.
                                          Kurz nachdem ich sie überquert habe, kommt es etwa bei 20km zum Äußersten:
                                          Wasser fällt vom Himmel!
                                          Wenig zwar, aber ich nutze die Gelegenheit zu einer kurzen Rast und lege danach mein Regenzeug an, inklusive Hut.
                                          Ich bin noch recht lange im Wald unterwegs, aber schon bald läßt sich auch dort der Regen nicht mehr leugnen.
                                          Nach etwa 27km wird es richtig fies.
                                          Der Wald endet und der starke Gegenwind treibt mir den kalten Regen stramm ins Gesicht.
                                          Es geht auf eine Landstraße und aus den mir windgebeutelt entgegenkommenden Autos schauen neidische Augen groß heraus.
                                          Die Landstraße treffe ich noch öfters, und es ist ein großer Genuß.
                                          Bald schützt mich wieder etwas Wald, wenngleich sich dessen Knacken und Rauschen auch nicht immer so richtig komfortabel anfühlt.
                                          Nach etwa 31,5km - eigentlich hab' ich gerade genug und wäre jetzt bereit für einen Cappuccino vor dem offenen Kamin - darf ich trotz guter Ausschilderung nochmal navigieren.


                                          Das wollte ich jetzt eigentlich nicht lesen. Zwar wird da jetzt wahrscheinlich keiner mehr arbeiten, aber sicher geht anders.

                                          Das Navigieren mit dem Telefon ist im Regen nicht ganz so einfach, denn die von der Hutkrempe fallenden Tropfen sorgen für gelegentliche Fehlbedienungen.
                                          Aber die Umleitung ist nicht sonderlich schwierig zu finden und auch kein ganz großer Umweg.
                                          Als ich danach bei etwa 35,5km aus dem Wald komme, wird's ganz übel.
                                          Der Regen ist zum Wolkenbruch und der Wind zum Sturm übergegangen.
                                          Es kommt von vorne. Reichlich.
                                          Immerhin kündigt sich die nächste Siedlung durch einen Sportplatz an.
                                          Nach 37km taucht links kurz ein Kirchturm auf. Das muß Haag, mein Etappenziel sein.
                                          Ich rette mich in den Windschatten des Kircheneingangs und schaue mich um.
                                          Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes ist das übliche Wirtshaus - mit vernagelten Fenstern!
                                          Das Telefon macht mir im Hinblick auf Unterkünfte im Umkreis von 5km keine großen Hoffnungen.
                                          Auch nicht beim zweiten Hinschauen. Und auch beim dritten Mal nicht.
                                          Ich merke langsam, wie mir die Kälte durch die Klamotten kriecht. Die Füße sind naß, aber warm.
                                          Also dann halt weiter, bis es irgendwo doch ein Bett gibt - oder eine Hütte oder einen Hochsitz.
                                          Die Hoffnung, bei dem Sauwetter auf Menschen zu treffen, habe ich aufgegeben.
                                          Ich setze das Telefon auf die nächste Etappe an, mummele mich wieder ein und trete hinaus ins Inferno um weiter zu trotten.
                                          Auf dem Weg Richtung Ortsausgang drehe ich den Kopf aus einer Böe und sehe aus dem Augenwinkel neben heruntergelassenen Rolläden ein Schild: "Ferienwohnung".
                                          Ich klingele - und bin gerettet!
                                          Zwar fühle ich mich ein wenig wie Rübezahl (oder Odin oder Shiva; die machen das alle ganz gerne), der bei Sturm durch die Dörfer zieht um die Leute zu foppen, aber die Wirtsleute glauben mir und geben mir ein Bett und reichlich zu essen. Und trocknen meine Schuhe und Regenkleider in ihrem Heizungskeller. Und kochen Kaffee. Und haben eine warme Dusche. Es dauert ziemlich lange, bis ich wieder richtig warm bin. Den Anblick meiner zurückgehenden Schrumpelfüße mag ich nicht genießen, denn die Blasenpflaster waren bei der Feuchtigkeit eine recht fruchtbare Verbindung mit den Socken eingegangen.
                                          Draußen geht weiter die Welt unter, und auch drinnen umfängt mich bald schon pechschwarze Nacht...

                                          Fazit des fünften Tages:
                                          Die lange Gerade war gar nicht so lang und gerade wie erwartet. Zwar habe ich an diesem Tag - ich hab' mitgezählt - nur neun Menschen getroffen (die in Autos nicht mitgezählt), aber ich habe sie auch nicht vermisst.
                                          Rechts und links des Weges hätte es im Abstand von weniger als zwei Kilometern immer mal wieder Unterkünfte gegeben.
                                          Mit Blick auf das Wetter hätte ich mir den Sturm durchaus ersparen können. Das hat am Ende echt Kraft gekostet.
                                          Mich aber wieder ein ordentliches Stück voran gebracht.
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                                          Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                          Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                          Es gibt schlechtes Wetter!
                                          Egal, welche Klamotten!
                                          Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                            • 26.08.2013
                                            • 122
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                                            #22
                                            [DE] Jakobsweg: Haag - Trier

                                            6.Tag: Haag - Trier

                                            Mittwoch, 22. Oktober 2014
                                            Strecke: 39,3km - Gesamt: 221,6km
                                            Gehzeit: 8:30 brutto / 7:00 netto

                                            Mitten in der Nacht werde ich kurz wach, denn draußen durchbricht ein Gewitter zuckend die absolute Dunkelheit.
                                            So klingelt der Wecker am nächsten Morgen noch ein wenig unbarmherziger.
                                            Meine Wirtsleute kriegen es offensichtlich mit, denn schon bald bekomme ich meine vorgewärmten Klamotten gebracht.
                                            Das Frühstück ist herzhaft und nett (aber nicht mein Fall, denn ich bin morgens ein Süßer).
                                            Brötchen kann's nicht geben, denn der Bäcker hält nur Dienstags, Donnerstags und Samstags kurz im Ort.
                                            Über den Preis der Übernachtung müssen wir noch kurz verhandeln, denn "Das machen wir normal nicht.".
                                            Ich komme etwas später als sonst los.
                                            Schon nach wenigen Metern fängt es an zu nieseln und es kommt ein sehr kalter Wind auf. Im Vergleich zu gestern ist das zwar noch harmloser Wellness-Tourismus, ich ziehe aber trotzdem meine Regenkleidung an und muckele mich dick ein. Das Thermometer an der Hauswand neben einer Sonnenbank zeigt fünf Grad.
                                            Die Füße? Ach, die Füße...wir werden sehen...
                                            Heute wird es mehrfach aufwärts und abwärts gehen; insbesondere mit "abwärts" fehlt mir jegliche belastbare Erfahrung.
                                            Ob ich heute bis Trier kommen werde?
                                            Ich nehme es mir vor, wissend, daß ich nach etwa 25km auch in Fell Unterschlupf suchen könnte, falls mir meine Füße (oder Knie oder Beinmuskeln oder Rücken oder, oder, oder) den Streik androhen.
                                            Nach Haag geht es erst mal ein Stück geradeaus, mit dem zwischenzeitlich gewohnten Panorama tief liegender Wolken.


                                            Blick zurück nach Haag


                                            Der rettende Weiler der letzen Nacht im schonungslosen Close-Up


                                            Begrenztes Panorama...


                                            ...und weiter geht es ähnlich spektakulär...

                                            Durch den im letzten Bild sichtbaren Wald führt der Weg überwiegend gemächlich bergab nach Gräfendhron. Klingt nach einem Ort, sieht aber selbst auf der Karte kaum danach aus.
                                            Es geht weiter, gemächlich an den Flanken der Berge entlang, immer leicht steigend oder leicht fallend.
                                            Der Regen hat aufgehört, und je nachdem, ob der Wind frei wehen kann oder der Wald ein wenig schützt, ist die empfundene Temperatur sehr unterschiedlich. Reißverschluß auf, Reißverschluß zu...
                                            Meist schützt mich der Wald ganz gut vor der Witterung, und so komme ich eigentlich ganz gut voran.
                                            Wenngleich ich auch mangels Aussicht oder Abwechslung kaum etwas davon spüre.
                                            Auch der Wald ist sich selbst sehr ähnlich. Menschen? Treffe ich wieder praktisch keine.
                                            Tiere? Nicht zu sehen, denn die Eichelhäher-Kommune kündigt mein Kommen stets weithin hörbar an.
                                            Ich laufe praktisch von selbst, finde einen Rhythmus mit kurzen Pausen. Denn heute begleitet mich der Hunger.
                                            Was mein Kopf derweil macht, weiß ich gar nicht mehr so genau.

                                            Unterwegs gibt es wieder ein paar Geschichten und Weisheiten am Rande...

                                            Wirklich hilfreich! Ich lasse den Alltag weiter los...

                                            Der Geist geht auf Reisen, denn die Ereignisdichte des gut ausgeschilderten Weges verlangt ihm ansonsten nicht viel ab.
                                            Der Untergrund ist etwas wechselhaft, aber nicht allzu anspruchsvoll.


                                            Hier war dann die Aufmerksamkeit dann doch mal gefordert, denn das Ding wackelte mehr als es auf dem Bild aussieht.

                                            Ich nähere mich Fell, und die Wegweisung ist wirklich vorbildlich:


                                            Personalisierte Wegweisung. Das ist aber nett!


                                            Es fehlt noch der Zebrastreifen. Bei der Verkehrsdichte hier ist der aber verzichtbar.

                                            Ich komme weiter gut voran. Bergauf und bergab lasse ich mir bewußt Zeit. Denn einerseits sollte ich meine Kräfte nicht überschätzen und andererseits wollen die Füße heute auch nicht so richtig schnell. Der Blick auf das GPS sagt mir, daß ich trotzdem nicht besonders langsam bin.
                                            Siedlungen mit Einkaufsmöglichkeiten finde ich unterwegs keine, und so bleiben Kaffeedurst und Süßhunger unbefriedigt.
                                            Das Brot, das ich mir von der Übernachtung mitnehmen konnte, macht zwar solala satt, aber Salami und Käse schmecken nach der benachbarten Blutwurst. Und die mochte ich definitiv nicht. Ich krame meine Notfall-Haferflocken-Riegel heraus.
                                            Fell kündigt sich recht früh durch einen Sportplatz mit Publikum (Schulausflug) an.
                                            Es dauert aber schon ein wenig, bis ich den Ort erreiche und dort in der Baustelle das Hinweisschild einer Bäckerei finde.
                                            Bei Cappuccino und Kuchen überlege ich, wie's mir geht.
                                            Erst als Koffeein und Zucker die Blutbahn erreichen, komme ich zu einer eindeutigen Tendenz: Es ist noch früh am Tag, das Wetter ist nicht total übel und ich habe eigentlich noch recht viel Kraft - jetzt wo der Zucker im Blut angekommen ist.
                                            Zudem wirkt das gastronomische Angebot von Fell eher überschaubar.
                                            Der Blick auf die Streckenplanung offenbart, daß die meisten Höhenmeter für heute gegangen sind.
                                            Bis Trier waren's insgesamt vier Mal runter bis zum nächsten Bach und drei Mal wieder hoch. Jetzt ist noch ein Rücken zu überqueren, danach geht's eben an der Mosel entlang nach Trier rein.

                                            Vor meinem geistigen Auge visualisiere ich die Porta Nigra (in der Bildversion meines ersten Latein-Buches), eine Badewanne und das reichhaltige gastronomische Angebot der ältesten Stadt Deutschlands.
                                            Also los!

                                            Der Abschnitt nun kürzt eine Schleife der Mosel (nennt man die "Traumschleife"?) ab, zählt also irgendwie wohl nicht mehr so ganz eindeutig zum Hunsrück.
                                            Nach Fell wird dieser Hügel zügig erklommen.

                                            Dort oben wird der Blick auf das Moseltal freigegeben. Soviel davon zwischen Autobahntrasse und Wolken zu sehen ist.

                                            Traumschleife? Na, wenigstens kommt der Wind nicht von da, also ist's nicht zu hören...

                                            Auch Richtung Hunsrück läßt sich ein letzter Blick auf die Ausläufer der Hochebene erhaschen.

                                            Der Hunsrück grüßt zum Abschied mit ein Paar Windrädern.

                                            Mir geht's gut. Auch, wenn die Füße meckern, ich bin mental und körperlich schon eher im Gleichgewicht...


                                            Und? wer hat sein Stativ vergessen und steht deshalb ohne Rucksack in der Landschaft?

                                            Ab hier stürzt sich der Weg zügig in die nächste Senke.
                                            Die Wildschweine leisten hier nächtens offensichtlich ganze Arbeit. Frische Hufabdrücke und ziemlich viele aufgewühlte Batzen zeugen davon.
                                            Das Gehen bergab ist anstrengend, ich muß meinen Schlappschritt aufgeben und die Füße heben. Erstmals spüre ich am linken Schienbein ein leichtes Ziehen. Naja, bald wird's ja eben...
                                            Der Kreis Trier begrüßt mich mit einer großen Müllverwertungsanlage, die der Weg halb umrundet.
                                            Gemütlich geht's weiter bis Ruwer - das erste Ortschild des Landkreises Trier.
                                            Und der Beginn recht heftigen Verkehrs.
                                            Klar, ich bin an einem Werktag zur Feierabendzeit in Richtung einer Stadt am Fluß unterwegs, wo es nicht viele Alternativen der Wegführung gibt.
                                            Mir kommt ein Reisebericht in den Sinn. Die hatten empfohlen, ab hier den Bus zu nehmen.
                                            Nein, kommt nicht in die Tüte. Es kann ja nicht mehr so weit sein. Zudem kann ich ja in der Ebene auf Asphalt das Tempo nochmal etwas anziehen.
                                            Trier selbst begrüßt mich mit Regen.
                                            Nicht stark, aber zuviel um ihn einfach zu ignorieren. Also wieder rein in die Regenklamotten.
                                            Ich treidele weiter durch ziemlich verlassenes Industriegebiet und erreiche die Stadt mehr oder weniger durch die Hintertür.
                                            Noch ein paar Winkel durch endlos scheinende Neben- und Wohnstraßen und endlich sehe ich mein Etappenziel im Nieselregen vor mir.
                                            Ich kann nicht anders als kurz zu jubeln und die Arme gen Himmel zu recken - keiner der Passanten stört sich dran.


                                            Trier. Porta Nigra. Endlich!

                                            Hier ein Hotel zu finden ist kein Problem.
                                            Schon das zweite ist gewillt, einen nassen und müden Wanderer aufzunehmen. Und hat sogar ein Zimmer mit Badewanne.
                                            Das Bad tut aber mal sowas von gut, und erst hier merke ich, daß ich mir wieder mal ein ganzes Stück mehr zugemutet habe als ich eigentlich verkraften kann.
                                            Der benachbarte Italiener macht gute, große Pizza und schenkt zügig nach - auch, wenn er kein Deutscher Meister darin ist.

                                            So gestärkt kommt die kurze abendliche Sighseeing-Runde um die Porta Nigra. Große Strecken laufe ich heute nicht mehr. Ich gehe es dann lieber morgen früh etwas gemütlicher an.


                                            Porta Nigra, von der Stadt aus gesehen. Mal wieder nicht von der Tormitte aus, sondern einen Laternenpfosten als Stütze benutzend, denn wer hat sein Stativ vergessen?


                                            Porta Nigra von draußen.

                                            Kurz nachdem ich das Hotelzimmer erreiche, wird es wie immer wieder zügig Nacht um mich...

                                            Fazit des sechsten Tages:
                                            Es war anstrengend, aber ich habe mein ursprünglich gestecktes Ziel einen Tag vor der bestenfalls für möglich gehaltenen Zeit erreicht.
                                            Ich bin körperlich genau genommen wohl ziemlich fertig, aber ich fühle mich gut und freue mich. Ich hatte es unterwegs sanft, ich hatte es etwas härter, und ich bin unerwartet gut durchgekommen. Der Kopf ist frei, und ich habe unterwegs recht viele Eindrücke sammlen können. Natürlich, die Gegend war nicht sonderlich aufregend, aber es war in Ordnung so. Denn bei der ersten mehrtägigen Wanderung kann der Schwerpunkt ja durchaus auch auf dem Durchkommen liegen. Bei allzu vielen Möglichkeiten zur Ablenkung hätte ich mich nur verzettelt...
                                            Ich habe noch Zeit. Ich habe noch Energie. Also versuche ich noch, in den nächsten Tagen möglichst weit Richtung Metz zu kommen.
                                            Angehängte Dateien
                                            Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                            Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                            Es gibt schlechtes Wetter!
                                            Egal, welche Klamotten!
                                            Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                            • Lookas
                                              Erfahren
                                              • 01.11.2011
                                              • 129
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [DE] Jakobsweg: Kirchberg - Haag

                                              Zitat von QOM Beitrag anzeigen
                                              [B]Was haben Sie uns denn gebracht, die Römer?
                                              Das fragst du ernsthaft?????


                                              Sorry, das war aber auch eine zu geile Vorlage!!!!
                                              Das muss das Boot abkönnen!

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                                                Erfahren
                                                • 26.08.2013
                                                • 122
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [DE] Jakobsweg: Kirchberg - Haag

                                                Zitat von Lookas Beitrag anzeigen
                                                Das fragst du ernsthaft?????
                                                Sorry, das war aber auch eine zu geile Vorlage!!!!
                                                Ja, genau.
                                                Den Aquädukt hatten wir in Mainz schon, wenngleich der nicht mehr brauchbar war.
                                                Im hohen Hunsrück ist von den Segnungen der römischen Zivilisation allerdings oberflächlich nicht mehr so viel zu spüren.
                                                Aber, doch, ich denke schon, daß Frau sich da alleine auf die Straße trauen kann...
                                                Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                Es gibt schlechtes Wetter!
                                                Egal, welche Klamotten!
                                                Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                  Liebt das Forum
                                                  • 05.08.2005
                                                  • 10870
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                                                  Na, geht doch. Endlich mal wieder ein Bericht vom Hunsrück. Danke dafür. Zuerst habe ich mich gewundert, dass aus "meinem" Ausoniusweg nun auch noch ein Jakobsweg geworden ist. Doch die Pilger im Mittelalter haben natürlich die alte Römerstraße genommen, die damals noch gut in Schuss gewesen sein muss. Kürzer und einfacher ging und geht es zu Fuß nun mal nicht übern Hunsbuckel.

                                                  Dein Bericht beschreibt ziemlich gut das Wandern auf dem Ausoniusweg: einfach geradeaus und der Kopf bleibt frei für die wesentlichen Dinge. Meditatives Gehen.

                                                  Dann warte ich noch auf den Rest. Trier - Tawern - Saarburg - Perl - Metz sind wir vor 8 Jahren gewandert.
                                                  Zuletzt geändert von Werner Hohn; 25.11.2014, 23:17. Grund: Tawern schreibt sich nicht mit v!
                                                  .

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                                                    • 26.08.2013
                                                    • 122
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                                                    Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                                    Na, geht doch. Endlich mal wieder ein Bericht vom Hunsrück. Danke dafür.
                                                    Kürzer und einfacher ging und geht es zu Fuß nun mal nicht übern Hunsbuckel.

                                                    Dein Bericht beschreibt ziemlich gut das Wandern auf dem Ausoniusweg: einfach geradeaus und der Kopf bleibt frei für die wesentlichen Dinge. Meditatives Gehen.

                                                    Dann warte ich noch auf den Rest. Trier - Tavern - Saarburg - Perl - Metz sind wir vor 8 Jahren gewandert.
                                                    Danke für die Blumen!
                                                    Ja, den Hunsrück habe ich mir genau aus der Motivation heraus gegeben - möglichst geradeaus Richtung Santiago.
                                                    Erst Mal kein Schnickschnack. (Die meisten gehen von Mainz aus nach Süden via Speyer.)
                                                    Wenngleich ich den Eindruck habe, daß es sich nach Trier doch noch ein wenig ziehen wird und ein wenig Ablenkung am Wegesrand ab und an durchaus willkommen sein wird.
                                                    Aber ich wollte diese Etappe auch etwas schneller und möglichst alleine angehen und meine körperlichen Grenzen kennen lernen.
                                                    (Der Bericht des nächsten Tages wird zeigen, daß ich sie erreicht habe und Du auf die zeitgenössische Fortsetzung bis Metz noch ein wenig wirst warten müssen...)

                                                    Die Pilgerscharen da oben waren allerdings überschaubar und klar zählbar: Ich habe genau NIEMANDEN getroffen, auch nicht in die Gegenrichtung. Ab und an in der Nähe der Ortschaften mal ein paar Hundebesitzer oder Walker.

                                                    So leset denn demnächst, wie mir weiland weiter widerfuhr; habe gerade die Bilder entwickelt...
                                                    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                    Es gibt schlechtes Wetter!
                                                    Egal, welche Klamotten!
                                                    Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                      • 26.08.2013
                                                      • 122
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      [DE] Jakobsweg: Trier - Merzkirchen

                                                      7.Tag: Trier - Merzkirchen

                                                      Donnerstag, 23. Oktober 2014
                                                      Strecke: 31,8km - Gesamt: 253,4km
                                                      Gehzeit: 8:30 brutto / 6:30 netto

                                                      Diesen Morgen lasse ich mir mit dem Aufstehen etwas mehr Zeit.
                                                      Denn ich will heute nur bis Merzkirchen, etwa 30km. Gestern erfuhr ich von einem Freund, daß es dort eine ganz nette Herberge geben soll.
                                                      Herberge hatte ich noch nicht. Womöglich gibt es dort noch weitere Reisende? Kaum auszudenken!
                                                      Außerdem möchte ich heute Morgen noch einen kurzen Blick auf die Stadt werfen.
                                                      Das Schmuddelwetter hat sich zumindest soweit verzogen, daß es nicht mehr regnet.
                                                      Um Neun bin ich soweit.
                                                      Die Orientierung Richtung Dom ist einfach. Schon nach wenigen Minuten habe ich ihn erreicht. Der erste Blick ist eher schlicht:


                                                      Huch? Da isser ja schon! Erster Blick auf den Trierer Dom

                                                      Aber kaum kommt man näher, schon wird das Bauwerk eindrucksvoller:


                                                      Hauptportal des Doms

                                                      Leider darf ich aber noch nicht rein - Gottesdienst - und das Dombüro hat auch noch zu.
                                                      Ich überlege einen Moment, ob ich der Uhr beim Weiterrücken zuschauen soll, aber mein Küchenlatein treibt mich weiter.


                                                      Wieder mal einer dieser unglaublich ermutigenden Sprüche! Frei und etwas zynisch übersetzt: "Wir wissen nicht, wann uns die Stunde schlägt!". In Köln stünde da wahrschienlich so etwas wie "Evenit quod evenit!"

                                                      Ich drehe eine Runde um den Dombau-Komplex und bemerke, daß der flächenmäßig sehr großzügig ist.


                                                      Farbenspiel an einer Seitenwand...

                                                      Den Bau halb umrundet habend, sehe ich den nächsten Sakralbau. Besichtige ihn aber nicht. Nicht verzetteln!


                                                      Konstantin-Basilika

                                                      Gegenüber des Dombüros bemerke ich, wie außerordentlich gut der Dom auch in Details restauriert ist:


                                                      Seiteneingang

                                                      Endlich dreht sich der Schlüssel im Schloß hinter mir und im Dombüro erhalte ich nach freundlichem "Woher? Wohin?" meinen nächsten Stempel:


                                                      Pilgerstempel aus Trier

                                                      Kurz drauf darf ich auch in den Dom.
                                                      Mich empfängt eine historisch offensichtlich gewachsene Kirche, die es irgendwie durch die meisten Kriege geschafft zu haben scheint.


                                                      Blick auf den Altarraum.


                                                      Hochaltar.


                                                      Insgesamt ein wilder Stilmix!


                                                      Ein etwas ungewöhnliches Arrangement für die Orgel quer zum Hauptschiff. Mono von links?

                                                      Sicher lauern hier Geschichten und Geschichten, bestimmt interessant, sich weiter zu vertiefen.
                                                      Ich verlasse die Kirche dennoch, denn ich will noch eine weitere besuchen bevor ich die Stadt verlasse.
                                                      Es gibt nicht viel zu orientieren, sondern geht Hunsrück-erprobt einfach weiter geradeaus bis zur Benediktinerabtei Sankt Matthias, die ich bei ungefähr 4,5km erreiche. Irgendwie läuft's heute nicht; das Ziehen im Schienbein ist wieder da, die Füße, ach, lassen wir das...
                                                      Jedenfalls erreiche ich die Abtei.


                                                      Benediktinerabtei Sankt Matthias

                                                      Die Kirche hat auf und ist praktisch leer.

                                                      Innenraum der Kirche.

                                                      Auch diese Kirche hat es ganz gut durch die Zeit geschafft.

                                                      Blick auf den Altarraum

                                                      Zentraler Punkt der Kirche ist das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen.
                                                      Das wurde überirdisch vor einiger Zeit neu gestaltet.


                                                      Die Statue des Apostels ist der zentrale Punkt der Kirche

                                                      Neben dem Apostel kann ich ungehindert in die Krypta hinabsteigen. Ein heimelig beleuchteter Raum. Praktisch sofort stehe ich vor einem Pult, auf dem eine aufgeschlagene Bibel liegt. Daneben ein Silbertablett mit Wein, Wasser, Hostien. Kein Mensch weit und breit.
                                                      Ich drehe mich um und bin direkt am Apostelgrab - ich hätte nie gedacht, daß man einen solchen Ort einfach so und ganz ohne Sicherheitsgedöns erreichen kann.


                                                      Der Schrein mit den Überresten des Apostels. Einfach so, zum Anfassen.

                                                      Ich nehme mit einen Moment Zeit und denke über die Person nach.
                                                      Dann verlasse ich die Krypta, nehme mir eine Kerze, zünde sie an und setze mich dahinter auf eine Bank.
                                                      Ich beobachte, wie das Licht aufbrennt und das Wachs sich langsam verflüssigt.
                                                      Hier und jetzt habe ich wirklich etwas verstanden. Und bin ganz ruhig.

                                                      Das wäre jetzt so ziemlich der schönste Schluß gewesen, der mir für einen Pilgerbericht einfällt - es fehlen noch die Worte "Als die Kerze erlischt stehe ich auf und gehe nach Hause.".
                                                      So ist es aber nicht.
                                                      Ich stehe schon vorher auf - und gehe weiter...

                                                      Die Mosel geizt an diesem trüben Tag mit ihren Reizen. Die Schnellstraße daneben nicht.
                                                      Nach einer ganzen Weile nervt micht das Geziepe am Schienbein und ich wechsele meine Socken gegen die Kompressionssocken, die ich mir eigentlich für die genußvolle Rückfahrt aufheben wollte.
                                                      Es geschieht das Unglaubliche, ja fast schon Undenkbare: Zwei Wandererinnen (oder ist der korrekte Plural "Wanderinnen"? Oder "Wanderinen"?) kommen kurz und freundlich grüßend vorbei.
                                                      Bis ich meine Füße in die Socken gerollt habe (es fühlt sich tatsächlich so herum an und nicht umgekehrt) sind sie jedoch in weiter Ferne verschwunden.
                                                      Jetzt geht es etwas besser, und recht zügig erreiche ich Konz.
                                                      Dort überquere ich die Saar, deren Mündung herzhaft unspektakulär ist. (Na gut, wie könnte eine spektakuläre Flußmündung wohl aussehen?)
                                                      Nach Konz verlasse ich die Nähe der Schnellstraße und es geht entlang einer Zubringerstraße für einen Steinbruch oder ein Betonwerk ziemlich geradeaus bis Tawern. Ich finde tatsächlich wieder einen Rhythmus. Zu sehen gibt es auf dem Stück nichts. Es vergeht einfach.

                                                      Nach Tawern steigt der Weg kurz und herzlos an, und das geht mir schon ziemlich in die Knochen - beziehungsweise zieht im Schienbein.
                                                      Kurz vor Erreichen der Schneegrenze wartet jedoch eine Überraschung im Wald:


                                                      Rekonstruktion einer römischen Tempelanlage, hier im Bild der Tempel für Merkur.


                                                      Merkurs Flügelhelm käme mir jetzt recht. Ansonsten hält sich mein Neid in Grenzen. Ich verzichte auf zotige Kommentare...

                                                      Die Tempelanlage ist im Sommer sicher ein schöner Platz zum Rasten. In der grauen Herbststimmung mit Wind und "Soll ich regnen?" am Himmel geht's so.
                                                      Auf einem Schild wird erklärt, daß dieser Platz seinerzeit wegen seines schönen Blicks auf Trier gewählt worden wäre.


                                                      Im Vordergrund: Tawern. Im Hintergrund: Der schöne Blick auf Trier.

                                                      Ich ziehe weiter durch den Wald, schon bald brauche ich eine Pause.
                                                      Als ich so etwa bei 20km wieder aus dem Wald raus komme, ist der Ofen aus.
                                                      Ich greife in die Reiseapotheke und schmeiße Schmerzmittel ein. Das heißt, die Reise ist vorbei.
                                                      (Eiserne Regel: Wenn das genommen wird, geht's sofort Richtung Heimat!)


                                                      Der Baum hat's mir gesagt...

                                                      Weil's zwar ätzend aber nicht unbeding gefährlich scheint, beuge ich die eiserne Regel etwas und beschließe, die Tagesetappe noch bis Merzkirchen abzuschließen um mich morgen von dort aus auf den Heimweg zu machen.
                                                      Der Weg dorthin wird nochmal richtig nett (klar, die Füße tun ja jetzt auch weniger weh).
                                                      Landein landaus geht es weiter, durch ein paar kleine Ortschaften mit so klangvollen Namen wie Kümmern und Fisch. Gut ausgeschildert.
                                                      Der Weg ist jetzt weich und angenehm zu gehen.


                                                      Die Gegend zeigt sich auf dem letzten Stück nochmal von ihrer versöhnlichen Seite.

                                                      Ein Schild bringt's auf den Punkt:


                                                      Vorsicht! Pilgern ist mitunter eine spannende Sache!

                                                      Dennoch muß ich bis zum Etappenziel noch ein wenig kämpfen. Es kommt wieder etwas Wind auf, natürlich von vorne und mir wird kälter.
                                                      In Kerrig mache ich noch einen kleinen Navigationsfehler und muß das letzte Stück bis Merzkirchen an der Landstraße entlang laufen.

                                                      Als ich an der Herberge ankomme, reicht's mal wieder...


                                                      Die Herberge wäre auch ohne das Schild zu finden. Merzkirchen ist überschaubar.

                                                      Das Haus ist das auffälligste im Ort.


                                                      Meine erste Herberge.

                                                      Im Haus werde ich etwas chaotisch empfangen. Mary, die Herbergsmutter hat mehr als einen Job. Und gerade steht der erste November vor der Tür und sie muß wie wild Kränze und Gestecke basteln.
                                                      Immerhin hat sie auf.
                                                      Und: Ich bin nicht der einzige! Kaum zu glauben! Es gibt noch weitere Pilger!
                                                      Die Herberge ist sehr ordentlich und ruhig; ich nehme das erstbeste Bett und bin damit alleine im Zimmer.
                                                      Mary ist an dem Abend nicht in der Laune für ganz große Küche, aber sie kriegt uns mit Pasta und Eis ordentlich satt.
                                                      Die hauseigenen Brennerzeugnisse (ja, das macht sie auch, prämiert!) kommen heute nicht auf den Tisch; vielmehr verhandelt sie mit den anderen beiden Gästen ein recht spätes Frühstück. Ist mir recht, denn ich will morgen ja nur heim...

                                                      Die anderen Beiden sind auch ziemlich platt, und so wird es wieder mal zügig Nacht um mich herum.

                                                      Fazit des siebten Tages:
                                                      Schluß ist, wenn's vorbei ist!
                                                      Ob da jetzt der Körper dem Geist folgt oder umgekehrt, ist schwer zu sagen.
                                                      Es war rückblickend betrachtet falsch, Trier zu verlassen. Ein Sighseeing-Tag dort wäre mir sicher besser bekommen.
                                                      Jetzt - einen Monat später - weiß ich, daß mich das zwar rein streckenmäßig auch nicht weiter gebracht hätte.
                                                      Aber an diesem Tag überschritt ich die Grenze zwischen Zielstrebigkeit und Ehrgeiz und quälte mich überwiegend weiter.
                                                      Im Grunde nicht gefährlich, aber halt auch irgendwie nicht sonderlich weise...
                                                      Der herausragende Moment des Tages und insgesamt eine außerordentliche Erfahrung war der Moment der Ruhe und Klarheit am Grab des Apostels. Allein der hat reichlich für die Strapazen der ganzen Reise entschädigt.
                                                      Angehängte Dateien
                                                      Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                                      Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                      Es gibt schlechtes Wetter!
                                                      Egal, welche Klamotten!
                                                      Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                        Erfahren
                                                        • 26.08.2013
                                                        • 122
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        [DE] Jakobsweg: Ab nach Hause!

                                                        8.Tag: Ab nach Hause!
                                                        Freitag, 24. Oktober 2014

                                                        Es empfängt mich ein herrlicher Tag.


                                                        Sonnenaufgang in Merzkirchen.


                                                        Natürlich stehen da Windräder! Ist ja auch ein Ausläufer des Hunsrücks!

                                                        Dennoch ist ganz klar, daß ich nicht weiter laufen werde. Das Schienbein tut jetzt schon nach ein paar Treppenstufen zum Frühstück weh und ist etwas angeschwollen.

                                                        Es gibt den letzten Stempel dieser Reise:

                                                        Ein eher weltliches Signet.

                                                        Gestern Abend wußte keiner so genau, wann der Bus Richtung Saarburg fahren würde. Denn einerseits gibt es morgens einen für die Werktätigen, die nach Luxemburg pendeln, andererseits sind Schulferien.
                                                        Mein Telefon ist schon in Luxemburg eingebucht, drum habe ich keine Datenverbindung.

                                                        So stelle ich mich halt einfach gegen 9:15 an die Haltestelle und warte.
                                                        Der Fahrplan kündigt einen Bus an, und der kommt auch mit etwas Verspätung.
                                                        In Saarburg ist es etwas undurchsichtig, was die optimale Verbindung nach Hause wäre und was ein Ticket kosten würde.
                                                        Der Fahrkartenautomat trägt auch nicht gerade zur Klärung bei, sondern möchte mir eine Karte für eine Verbindung ab 12:30 verkaufen. Jaja...
                                                        Um 11:15 sitze ich mit einer einfachen Karte nach Trier in der Regionalbahn.
                                                        In Trier das gleiche Drama. Die Demütigungsmaschine möchte mir weis machen, vor 13:30 käme ich unmöglich hier weg und sie könne mir keine Karte für eine frühere Verbindung verkaufen.
                                                        Mit etwas Mühe gelingt es mir am zweiten Automaten (der erste ist irgendwann einfach abgestürzt), eine Karte ohne Zugindung, Reservierung, etc. zu kaufen. Um kurz nach 12 sitze ich in der Bahn Richtung Koblenz. Dort erreiche ich nicht den Anschlußzug, sondern einen verspäteten IC, der mich Ratzfatz nach Frankfurt bringt.
                                                        Ab Bingen kommt mir die Strecke irgendwie bekannt vor und ich lasse die letzten Tage Revue passieren.

                                                        Müde und humpelnd komme ich gegen halb fünf zu Hause an.
                                                        Schon jetzt merke ich: Selten habe ich mich auf einer Reise so dermaßen erholt und Kraft getankt!
                                                        Noch nie bin ich so bewußt und genußvoll nach Hause gekommen.
                                                        Zuletzt geändert von QOM; 09.05.2015, 10:10.
                                                        Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                        Es gibt schlechtes Wetter!
                                                        Egal, welche Klamotten!
                                                        Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                          • 26.08.2013
                                                          • 122
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                                                          #29
                                                          [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Merzkirchen - und weiter?

                                                          Epilog - und jetzt?

                                                          Und jetzt?!?

                                                          Naja, und jetzt ist das Ganze zwischenzeitlich einen Monat her. Das Feuer prasselt im Ofen...

                                                          Die Blasen an dern Füßen sind abartig langsam verheilt. Ich habe die ersten Wochen in einem neuen Job im Anzug und Nike Free angetreten. Starker Auftritt. Zwischenzeitlich trage ich wieder normales Schuhwerk.

                                                          Der Schmerz am Schienbein hatte nichts mit Muskeln, Knochen, Bändern zu tun. Wundrose.
                                                          Was ist das? Bakterien unter die Haut gerieben, die haben einen knalligen Infekt des Lymphsystems verursacht.
                                                          Voll die Seuche! Was es alles gibt. Zwei Wochen Antibiotikum und immer noch Spaß damit.

                                                          Dennoch habe ich von dieser Reise auch etwas mitgenommen, das (hoffentlich!) nicht verheilt.
                                                          Der Weg hat mich geprägt. Verändert. Beruhigt. Konzentriert.

                                                          Also werde ich ihn weiter gehen.
                                                          Allerdings nicht mit dieser Kombination aus Socken und Schuhen.

                                                          Santiago e ultreia!
                                                          Zuletzt geändert von QOM; 30.11.2014, 15:08.
                                                          Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                          Es gibt schlechtes Wetter!
                                                          Egal, welche Klamotten!
                                                          Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                          • Werner Hohn
                                                            Freak
                                                            Liebt das Forum
                                                            • 05.08.2005
                                                            • 10870
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                                                            #30
                                                            AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                                                            Sehr erfreulich, dass du weiter nach Südwesten willst. Gibt es schon einen Termin?

                                                            Du bist ja am Matthiasgrab gewesen. Jetzt wird es OT: Erstaunlich ist (das ist nicht auf dich gemünzt), dass die meisten Pilger nach Santiago die uralte Tradition der Matthiasbruderschaften mit ihren Pilgerwanderungen quer über die Eifel nach Trier nicht kennen. Es ist schon lange her, dass ich eine Gruppe Matthiaspilger mitten in der Eifel getroffen habe, und die waren so flott unterwegs, dass ich mich sputen musste, die hinter mir zu lassen. Wer es einmal probieren will, kann hier mitgehen: Fußwallfahrt Köln-Trier im Mai 2015.
                                                            .

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                                                              Erfahren
                                                              • 26.08.2013
                                                              • 122
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                                                              Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                                              Sehr erfreulich, dass du weiter nach Südwesten willst. Gibt es schon einen Termin?
                                                              Hallo Werner,

                                                              es gibt noch keinen ganz absolut konkreten Termin aber immerhin schon so eine Idee.
                                                              Es soll nach der Tag- und Nachtgleiche sein, aber vor der Hauptsaison und auch nicht an Ostern.
                                                              Also irgendwann im April.
                                                              Oder wenn das nicht klappt eben wieder im Herbst.
                                                              Die Füße jedenfalls jucken jetzt schon wieder...

                                                              Jetzt ist aber erst Mal Winter und ich teste in aller Ruhe neue Laufsocken beziehungsweise kümmere mich eventuell noch um neue Schuhe.
                                                              Ich bin als Ex-Ironman schon irgendwie den Umgang mit etwas Schmerz gewohnt.
                                                              Aber die Nummer gebe ich mir über mehrere Tage so nicht nochmal!
                                                              Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                              Es gibt schlechtes Wetter!
                                                              Egal, welche Klamotten!
                                                              Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                                Erfahren
                                                                • 26.08.2013
                                                                • 122
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                                                                Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                                                Du bist ja am Matthiasgrab gewesen. Jetzt wird es [ot] Erstaunlich ist (das ist nicht auf dich gemünzt), dass die meisten Pilger nach Santiago die uralte Tradition der Matthiasbruderschaften mit ihren Pilgerwanderungen quer über die Eifel nach Trier nicht kennen. Es ist schon lange her, dass ich eine Gruppe Matthiaspilger mitten in der Eifel getroffen habe, und die waren so flott unterwegs, dass ich mich sputen musste, die hinter mir zu lassen.
                                                                Ja, ich habe in der Kirche ein paar Bilder vom Einzug der Pilger gesehen. Hat mich auch beeindruckt.
                                                                Das sah schon echt nach erheblicher Dynamik aus.
                                                                Und schon auch nach etwas Leid. Denn die machen sich allem Anschein nach nicht die hier im Forum übliche Mühe mit der grammweisen Optimierung ihrer hocheffizienten, gewichtsoptimierten Ausrüstung.
                                                                Sicher machen die Benediktiner an solchen Tagen auch den Hintereingang auf, damit die Jungs und Mädels nicht in den Hochaltar brettern falls sie auf dem glatten Kirchenboden nicht bremsen können.
                                                                Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                                Es gibt schlechtes Wetter!
                                                                Egal, welche Klamotten!
                                                                Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                                  • 26.08.2013
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                                                                  [DE] Jakobsweg: Frankfurt - Mainz- Bingen - Hunsrück - Trier - Merzkirchen

                                                                  Von dieser Art der Reise angefixt, war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis es weiter ging.
                                                                  Mein Arbeitgeber schickte mir in Form recht rigider Resturlaubs-Regelungen ein klares Signal.

                                                                  Et voilà: Der nächste Abschnitt der Reise
                                                                  Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                                  Es gibt schlechtes Wetter!
                                                                  Egal, welche Klamotten!
                                                                  Laßt Euch da nichts vormachen!

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