Tourentyp | Kanutour |
Breitengrad | 50.8705193 |
Längengrad | 14.8231755 |

Grenzfahrt
Kajaktour Neiße – Oder – Ostsee
Will man die knapp 500 km lange, polnisch-deutsche Grenze abwandern, verläuft der direkte Weg über lange Abschnitte auf dem Wasser, zunächst auf der Lausitzer Neiße und auf der Oder. Nach einem Ausflug über Land trifft die Grenze im Mützelburger See wieder auf Wasser, folgt der dem See entspringenden (und vermutlich unbefahrbaren) Beeke bis ins Oderhaff. Nach Querung des Haffs schneidet der Grenzverlauf Usedom und verläuft dabei in Teilen auf dem ebenfalls schwer befahrbaren Torfgraben. Schließlich finden sich die letzten Grenzpfähle an der Ostseeküste zwischen Swinemünde und Ahlbeck.
Zusammengefasst verweigern sich ungefähr 14% der polnisch-deutschen Grenze der Paddelei. Der Rest widersetzt sich nur gelegentlich, aber der Umgang mit Widrigkeiten macht ja einen guten Teil des Reizes von Wasserwandertouren aus.
Damit haben wir einen Plan: 86% der polnisch-deutschen Grenze sollen bepaddelt werden, der Rest soll auf Paddelgewässern umfahren werden, die nahe der Grenze verlaufen.
Vermutlich wird die Gesamtstrecke höchst selten unter den Kiel genommen, jedenfalls habe ich keine entsprechende deutschsprachige Beschreibung gefunden ... aber das soll sich ja nun ändern ... auf zur "wycieczka kajakiem wzdłuż granicy", zur "Kajaktour entlang der Grenze".
[ Da war doch schon einmal etwas, vor 10 Jahren ...
Richtig, es gab bereits einen leider gescheiterten Versuch. [DE, PL] Neiße - Oder Kajaktour.
Paddler und Paddel sind noch die gleichen. Der Paddler ist allerdings etwas weniger frisch dafür entspannter, das Paddel um 20cm gekürzt und die Verschränkung von 45° auf 30° reduziert. ]
Paddeltag 1
Heute bin ich mal rebellisch.
Ein Verkehrsschild verbietet die Weiterfahrt. Doch plötzlich erscheint das Schild im Rückspiegel, das Auto rollert immer noch Richtung Dreiländereck. Au weia ... aber in der Abwägung zwischen schlechtem Gewissen, Strafdrohung und Bequemlichkeit hat dann doch die Bequemlichkeit gesiegt.
Nur wenige Meter stromab nach dem Dreiländereck wird das Boot an einem kleinen Wehr auf seine Tour vorbereitet. Die Gepäckluken schlucken willig alle ihnen zugedachten Dinge, es bleibt sogar eine kleine Platzreserve. Das Bootwägelchen kommt zunächst aufs Achterdeck, spätestens auf Haff und Ostsee soll es dann unter Deck wandern.
Bevor sich das Auto gesteuert von einem Freund auf den Heimweg macht, gibt es noch zwei Beweisfotos.
Suchbild mit Boot.
Ja, ich war hier.
Und nicht nur ich war rebellisch ...
Ein junger Mann, so um die 25 fragt mich nach der nächsten Brücke, um auf die andere Seite der Neiße zu gelangen.
Das ist WEIT weg.
Aber wie wäre es denn mit durchwaten? Der Neißedurchfluss liegt nur wenig oberhalb des MNQ, des mittleren Niedrigdurchflusses, im Prinzip reicht es, die Hosenbeine hochzukrempeln.
So sieht Staunen aus. Eine unerhörte Vorstellung. Der junge Mann hat dies tatsächlich vorher nicht in Betracht gezogen. Noch ist er unentschlossen, zu waghalsig und rebellisch dieses Ansinnen.
Manche Dinge müssen eben reifen. Als ich dann ins Boot steige, glaube ich unseren jungen Rebellen stromauf am anderen Neißeufer zu erkennen.
Ein Neißedurchfluss wenig oberhalb des MNQ, da hatte ich etwas mehr erhofft. Mich stört nicht so sehr die geringe Strömungsgeschwindigkeit. Vielmehr führt der geringe Wasserstand zu spürbar höherem Wasserwiderstand, gelegentlich setzt das Boot an Flachstellen auf und das Paddel muss häufig sehr flach geführt werden.
Im Stadtgebiet Zittau erscheint die Neiße kanalartig begradigt. Eingefasst zwischen den Deichen sieht der Paddler fast nichts von der Stadt.
Ein Eisenbahnviadukt überspannt die Neiße.
Vor dem Viadukt mündet von links die Mandau. Ein recht trauriger Anblick, auch die Mandau kommt als Kanal daher und liefert aktuell fast keinen Wasserzustrom.
Eines der ersten Schwällchen kurz hinter Zittau, einmal vor ...
... und einmal nach der Befahrung.
Was so harmlos daherkommt, ist eines der bösesten Wehre auf der Tour, ein übler Bootsbodenfresser.
Eine Spundwand quer durchs Flüsschen, wegen der geringen Wasserstände kaum überspült. Das bemerke ich zu spät. Und natürlich, ich bleibe hängen, es geht weder vor- noch rückwärts.
Aussteigen? Mit dem Boot auf dem Spundwehr nur die zweitbeste Idee.
Warten auf höhere Wasserstände? Nun ja ...
Also dann doch heftige Ruckelbewegungen, zentimeterweise übers Wehr. Direkt über der Spundwand kann man sich mit den Händen auf der scharfkantigen Spundwand abstützen und dem geschundenen Bootsboden etwas Erleichterung verschaffen. Das war jetzt wirklich doof ...
Das erste Wehr nähert sich, Hirschfelde. Hier kann rechts umgesetzt werden ...
Hier KANN rechts umgesetzt werden, muss aber heute nicht. Zu wenig Wasser. Das ist vermutlich der Grund dafür, dass das Wehr offen ist.
Einer der nächsten Schwälle.
Woran erkennt man auch ohne geographische Kenntnisse, dass das linke Ufer zu Deutschland gehört?
Richtig – am Verbotsschild.
Hier übrigens das Schwällchen aus der Nähe.
Im Sommer 2021 gab es sehr bedauerlich zwei tödliche Schlauchbootunfälle an Neißewehren.
Hätte es den Opfern geholfen, wenn sie an jedem Schwall ein Verbotsschild gesehen hätten? Bei potentiell gefährlichen höherem Wasserstrom werden diese kleinen Schwälle so überspült, dass sie vermutlich gar nicht auffallen – und eine Walze würde sich schon gar nicht bilden.
An größeren Wehren macht so ein Verbotsschild durchaus Sinn als Warnung (... und vermutlich auch als Beleg dafür, dass etwas für die Verhinderung von Bootsunfällen unternommen wurde).
Aber wir sind in Deutschland, lieber drei Schilder zu viel als eins zu wenig.
Der wohl schönste Neißeabschnitt kündigt sich an.
Der Schlauchbootverleih in Rosenthal hat offenbar geschlossen, wie ich erfahre wegen zu geringen Wasserstandes.
Im Neißetal.
Immer noch im Neißetal.
Und immer noch im Neißetal.
Kloster Marienthal.
Hier treffe ich auf das erste der Wehre mit Umtragungsaufwand.
Vor 10 Jahren bin ich hier auf glatten feuchten Steinen ausgeglitten und habe mir echt böse den Steiß geprellt. Entsprechend vorsichtig agiere ich diesmal bei der Überwindung des Wehres.
Wegen des geringen Wasserstroms wird das Seil nicht zum Bremsen sondern zum Ziehen des Bootes genutzt.
Kurz nach Ostritz mäandriert die Neiße in einigen schönen Schleifen, ausgangs einer der Schleifen liegt das Wehr Grunauer Mühle.
Das Wehr sollte umtragen werden, ich nutze den markierten Ausstieg. Zwar ist bis auf das Hinweisschild keine Infrastruktur vorhanden, die den Ausstieg erleichtert, aber der Neißezugang ist freigeschnitten.
Mein Boot hat keine fest montierte Treidelleine. Ich beglückwünsche mich zu der Entscheidung, fürs Treideln ein recht festes Seil mitgenommen zu haben. Das Teil findet allerdings seinen Einsatz kaum beim Treideln sondern erweist sich extrem nützlich, wenn das Boot Böschungen hochgezerrt oder herabgelassen wird - beispielsweise hier, wo ca. 1,50m Höhenunterschied zu überwinden sind.
Die Neißeschleife fasst ein schönes Wiesenstück ein, hier schlage ich das erste Lager auf.
Gute Nacht.
Gute Nacht ... nicht ganz.
In ca. 150m verläuft auf polnischer Seite die Bahnlinie, auf der der RB 65 zwischen Cottbus und Zittau verkehrt. Ich finde es gut, dass offenbar unproblematisch Bahnhöfe auf beiden Seiten der Grenze bedient werden (ein Lob auf die EU). Allerdings werde ich mindestens einmal in der Nacht durch Zuggeräusche geweckt, schlafe aber unmittelbar folgend wieder ein.
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