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Der Cape Wrath Trail, Episode II, Teil 1:
Eilean Donan Castle-Ullapool
(Ende Mai/Anfang Juni 2009)
Der Urknall
Weder Haftreibung noch Gleitreibung konnten den Verzögerungswert erklären, mit dem mein Citylink-Bus plötzlich zum Stehen gekommen war. Ein Blick nach vorne lieferte die Erklärung: Die Heckscheibe eines Landrover klebte dichter vor der Windschutzscheibe des Busses als es verkehrsüblich ist. Der Landrover-Fahrer hatte wohl mit dem Abbiegen in einen Seitenstraße länger gezögert, als es der Busfahrer für angemessen gehalten hatte. Folge: Eine Fraktur der Stoßstange des Landrover. „Sorry about that, folks!“ war alles, was dem Busfahrer dazu an die Fahrgäste zu sagen wollte. Zehn Minuten dauerte der Austausch der Personalien, dann ging es weiter. Mir wurde klar, warum ich bisher immer mit dem Zug von Glasgow nach Fort William gefahren war.
Doch am Sonntag fährt der erste Zug nach Norden erst mittags, und da wollte ich schon auf der Piste sein. In meinem Kopf hatte sich die Idee festgesetzt, die Westküstenwanderung von 2008 zum Cape Wrath Trail zu erweitern. Vorausgesetzt, dass Wetter, Füße und Lust es zulassen. Als Zwischenziel erschien Ullapool nicht unrealistisch, und so schickte ich die bis dorthin nicht benötigten Landkarten postlagernd voraus.
(Karte: Eric Gaba/Wikimedia Commons)
Als ich in Dornie – kurz vor Skye – ausstieg, nieselte es heftig. Bei genau dem gleichen Wetter hatte ich vor knapp einem Jahr meine Tour für beendet erklärt und in den Bus eingestiegen. "Das kann ja heiter werden", dachte ich daher, als ich bedröppelt auf Eilean Donan Castle blickte. Wurde es auch. Schon eine halbe Stunde, nachdem ich in Richtung Killilan losgegangen war, löste sich der Regen auf.
Die Uferstraße erfüllte zwar nicht die DIN-Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit eines deutschen Premiumwanderweges, bot aber immer wieder überraschende Aussichten. Dass alle zehn Minuten ein Auto kam, störte mich nicht weiter. Bald ging es durch den Wald aufwärts, Richtung Ling River. Vor lauter Euphorie über meinen guten Fortschritt – immerhin war ich erst gegen 15 Uhr losgegangen – und den knackigen Sommerhimmel verpasste ich einen wichtigen Abzweig, driftete den falschen Hang hoch, passierte erfolgreich zwei Bäche trockenen Fußes und stellte dann erst fest, dass ich einen ganz anderen Bach auf einer Brücke hätte überqueren müssen.
Als ich wieder in der richtigen Spur war, näherte es sich 20 Uhr. Den bisherigen Verlauf und vor allem das Verlaufen nahm ich als Zeichen, jetzt an mein Nachtlager zu denken. Dreist grinsten mich Wiesen am Ling River an, und luden mich zum Zeltaufbau ein. Dem wollte ich mich dann nicht widersetzen, zumal die Wiesen frei von Steinen und vor allem von Schafs-Aa waren. So viel Glück muss man haben! Nach einer halben Stunde stand Hogan, die Schildkröte. Man sah ihm die Verspannung nach mehr als vier Monaten Winterschlaf noch deutlich an.
Zeit, mich zu belohnen: Auf dem Menüplan stand mein erster Dryfreeze-Travellunch, frisch in Fort William für 4,99 Pfund erworben. Einfach heißes Wasser reinkippen, umrühren, Ziplock schließen und ziehen lassen. Es sah aus wie – soll ich es sagen? – wie der Straßenbelag auf der Reeperbahn am Samstagmorgen, schmeckte aber wirklich gut. Der leere Ziplock-Beutel leistete mir übrigens später in der Nacht noch gute Dienste. Andere kaufen sich Nalgene-Weithalsflaschen, damit sie in der Nacht das Zelt nicht verlassen müssen – soll ich noch mehr sagen? Kaum war ich mit dem Essen fertig, fielen die ersten Tropfen vom Himmel. Dabei sollte es nicht bleiben: Es regnete die ganze Nacht hindurch, und ein kleiner Stausee näherte sich meinem Zelt bis auf 30 Zentimeter.
Am Morgen stellte ich einen bisher unbekannten Vorteil meiner „Grünen Schrankwand“ fest. Ich konnte Hogans Innen- und Außenzelt zeitsparend einfach in eine der Seitentaschen stopfen. Herumkramen mit Zeltbeuteln und/oder Angst vor eingeschlepptem Dreck im Hauptfach unnötig!
Tag der Asphaltschlacht
Der nächtliche Dauerregen hatte meinen Plan A für den weiteren Weg zur Makulatur werden lassen: Ursprünglich wollte ich über Bendronaig Lodge zu Gerry's Hostel in Craig in Strathcarron gehen. Doch der sichtlich gestiegene Wasserstand des Ling River ließ ahnen, was aus den anderen Flüssen geworden sein würde. Auf Extremfurten oder Extremumwege hatte ich keine Lust. Zwei durchnässte Munro-Sammler, denen ich begegnete, bestätigten mir meine Vermutung bezüglich der Wasserstände in den Bächen. Plan B: Nach Attadale, und von dort aus überwiegend auf der Straße durch Strath Carron nach Achnashellach oder Craig. Die Entscheidung erwies sich später als goldrichtig: Das Wasser des Carron war hüfttief und floss nicht gerade träge dahin.
Der Weg an der Straße ist zwar fußunfreundlich, hat aber durchaus seine landschaftlichen Reize. Der Autoverkehr hielt sich in Grenzen. Etwa alle fünf Minuten kamen Autos, meist mehrere in Kolonne hinter einem trödelnden Wohnmobil. Das Überholen auf Singletrack-Straßen ist nämlich nicht so einfach.
In Strathcarron besuchte ich den Laden im Postamt – oder den Laden mit Postamt? - und stockte meine Vorräte auf. Es ist immer wieder erstaunlich, welch gigantische Produktpalette die schottischen Dorfläden auf kleinster Fläche unterbringen. Deutsche Tankstellenshops können da nicht mithalten.
Am Carron entdeckte ich eine wahre Kulturrevolution: Einen Wanderwegweiser mit Entfernungsangaben in Kilometern! Es handelte sich allerdings um ein von der EU kofinanziertes Projekt, es kann also gut sein, dass Brüssel auf den europaweit vorgeschriebenen Einheiten bestanden hat. Oder handelt es sich um einen weiteren Versuch der Schotten, sich von den Engländern zu differenzieren? Und wann wird aus „Scotland Yard“ dann „Scotland Meter“ - oder gar „Scotland 0.9 Meter“?
Technischer Hinweis: Anders als im Buch „North to the Cape“ (im folgenden NTC) beschrieben gibt inzwischen es auf rund drei Kilometer Länge einen sehr schönen Fußweg am Ufer des Carron entlang. Einfach direkt nördlich der Brücke – noch vor New Kelso! - nach Osten abbiegen, Wegweiser mit metrischen Angaben ist – wie eben beschrieben – vorhanden.
An diesem Tag fing ich mir meine zwei ersten schottischen Zecken ein. Die eine wollte es sich zwischen meinen Handknöcheln bequem machen; die zweite schaffte es bis zum Kniegelenk, wo ich sie aber am Abend entdeckte, noch bevor sie sich vollsaugen konnte. Ich bewundere jedoch ihre Robustheit: Man kann sie nicht einfach mit einem Fingerdruck ins Jenseits befördern – wie die meisten anderen Außenskelettler – sondern muss schon die Fingernägel zur Hilfe nehmen.
In Achnashellach hatte ich knapp 30 km hinter mir und war daher recht erleichtert, als ich auf Anhieb das B & B am Bahnhof fand. Nur: Es sah verlassen aus – nicht einmal ein Auto in der Auffahrt – und ans Telefon ging auch niemand. Also auf zu Gerry's Hostel in Craig, knapp vier Kilometer weiter in Craig.
Zwischen Achnashellach und Craig startet bei GR 029 490 der kürzeste Aufstieg zum Coulin-Pass Richtung Kinlochewe. Ein Wegweiser der Scottish Way of Rights Society weist darauf hin. In den OS-Karten ist dieser Pfad nicht eingetragen.
Doch bei Gerry ging auch niemand ans Telefon, der Anrufbeantworter informierte nur darüber, dass das Hostel seine Winterruhe am 30. April beenden werde. Ende Mai mutete diese Ansage etwas merkwürdig an, doch davon ließ ich mich nicht irritieren. Etwas mehr irritierte mich, dass der Hinweis auf die Winterruhe auch noch an den Türen des Hostels hing. Durch die Fenster war zwar keine Leiche zu sehen, aber auch kein Leben. Ich rief die Taxi-Nummer an, die unter dem Winterruhe-Hinweis stand, in der Hoffnung vielleicht dort etwas Erhellendes zu erfahren. Unter dem Krächzen einer grauenhaften Netzqualität verstand ich nur, dass ich „on my own“ sei.
Zelten? Eine passsende Stelle hatte ich unterwegs nicht gesehen. Unten im Tal gab es nur Weiden, am Hang Wald – und wer schottischen Wald kennt, weiß, dass der Boden dort schwammartig nass ist, sofern man ihn zwischen dem Totholz überhaupt sehen kann. Außerdem verspürte ich Lust auf eine warme Dusche. Ich rief also im Strathcarron Hotel an, das ich unterwegs gesehen hatte – und für 38 Pfund hatte man dort noch ein Einzelzimmer frei. Mit dem Zug – das hatte ich sauber abgepasst! - fuhr ich von Achnashellach nach Strathcarron zurück. Kurz vorher erreichte mich noch ein Rückruf des Taxifahrers: Das war offensichtlich Gerry selbst, der jetzt kommen und mich einlassen wollte. Da wollte ich aber nicht mehr.
Und ich hatte mich richtig entschieden: Der Empfang im Hotel war geradezu herzlich, das Essen ordentlich. Mit der Wirtin quatschte ich noch ein paar Takte über Cape-Wrath-Durchreisende; offensichtlich war deren Anzahl sehr, sehr gering. Gut für mich. Noch besser war die Badewanne in meinem Zimmer – eine der wenigen Gelegenheiten, bei der ich bedauerte, nicht doch wenigstens einen Reclam-Schmöker mitgenommen zu haben.
Als ich am nächsten Morgen nach reichhaltigem schottischen Frühstück aufbrach, war das Wetter fast ideal. Mit einem Taxi (nicht Gerrys!) ließ ich mich für 9 Pfund wieder nach Achnashellach kutschieren.
Wer nicht hören will, muss spülen
In meinem bis dahin noch nicht erschütterten Vertrauen folgte ich der Wegbeschreibung von NTC, lief also die Forststraße bis zum bitteren Ende, kroch in den Wald und fand dort den legendären „Ill-defined Path“. Der Ill-defined Path findet sich in allen Regionen Schottlands, besonders gerne dort, wo es auf jede Minute ankommt, weil ansonsten der letzte Zug/letzte Bus/das letzte Bett im Bunkhouse weg ist.
Das war heute zwar nicht meine Sorge; aber mit meiner grünen Schrankwand trug ich doch sehr zur Totgeäst-Entfernung bei. Unerfreulicher war, dass der Ill-Defined Path plötzlich an einem Wildschutz-Zaun endete, durch dessen Löcher zwar Munro-Sammler mit ihren Tagesrucksäcken passten, aber ich definitiv nicht. Schön, dass auf auf der anderen Seite des Zaunes auch noch feuchter Torf war! Es half alles nichts - erst flog der Rucksack durch eines der Löcher, dann ich hinterher. Wer nicht hören, will muss spülen.
Denn das wäre alles nicht nötig gewesen. Westlich davon verlief nämlich ein neu angelegter oder jedenfalls grundsanierter Pfad, der unten an der Hauptstraße startet (also nicht am Bahnhof!) und von der Scottish Rights of Way Society sogar mit einem Wegweiser versehen ist. Das Schild hatte ich am Abend vorher gesehen, aber als für mich irrelevant verworfen. Der Wanderführer wird ja wohl keinen Blödsinn empfehlen. Bald stieß der Ill-Defined Path auf diesen top-gepflegten Pfad (anders als von NTC versprochen), der von Westen aus dem Tal hochkam. Unterdessen kollabierte eine Schauerwolke nach der anderren über der Bergkette hinter mir.
Kurz vor der Passhöhe traute ich dann meinen Augen nicht mehr: Plötzlich kamen zwei Mountainbiker von der Downhill-Fraktion über den nackten Fels gesprungen, bremsten kurz vor dem Erreichen des Pfades und schoben dann ihre Räder wieder bergauf. Die Erklärung konnte ich mir bald selbst geben: Sie drehten zusammen mit einem „Kameramann“ (er hatte eine Spiegelreflexkamera mit Videofunktion...) ein Filmchen. Da fiel mir wieder ein: Zwei Wochen später sollte in Fort William ein MTB-Worldcup stattfinden.
Von nun an ging es nur noch bergab. Sekunden vor dem Einschlag des ersten Schauers erreichte ich das „Tea House“, wo sich der Easan Dorcha über einige dekorativ eingebettete Felsstufen in die Tiefe stürzt. Man kann sich richtig gut vorstellen, wie dort früher seine Lordschaft samt Gemahlin und Gästen saßen, sich vom Butler den Tee servieren ließen und gemeinsam für Rosamunde Pilcher Modell saßen. Heute muss man sich den Tee dort selbst kochen, es handelt sich um eine unbewirtschaftete und sehr kleine Hütte, eine Bothy. Zum Übernachten ist sie zu klein.
Die Bothies sind ein nicht wegzudenkendes Element in den Highlands. Diese unbewirtschafteten Hütten werden von dem Verein Mountain Bothies Association allein durch Spenden und Freiwilligenarbeit unterhalten. Um Vandalismus und Vermüllung durch solche Benutzer gering zu halten, die nicht in das Raster von Bergsportlern und Naturfreunden passen, hat es sich eingebürgert, die genaue Position von Bothies nur von Mund zu Mund zu verraten. Deswegen werde ich im folgenden alle Bothy-Namen soweit verunstalten, dass man sie zwar auf OS-Landranger-Karten wiedererkennt, aber nicht gugeln kann.
„Back to the roots“ statt North to the Cape
Der Schauer war schnell vorbei und ich wetzte das Tal hinunter zum Coulin River. Dort erwartete mich schon ein frisch aufgeschütteter Landrover-Track - und bald ein Blick auf den majestätischen Liathach. Hier sollte laut "North to the Cape" (NTC) eine navigatorisch recht anspruchsvolle Passage beginnen: Querfeldein einen Hang hoch, um einen Wald herum, dann durch einen weiteren Wald hindurch. Sicherheitshalber schaute ich noch einmal nach, was der Wanderwegeführer „Scottish Hill Tracks“ (SHT) zu diesem Abschnitt sagte: „Bleibe auf dem Track, gehe nicht durch den Wald, ziehe nicht 4000 Zecken ein.“ So ungefähr. Wie sehr er recht hatte, sah ich sieben Kilometer später: Der zweite Wald war abgeholzt.
Wenn es noch etwas undurchdringlicheres als schottische Fichtenplantagen gibt, dann sind es abgeholzte schottische Fichtenplantagen. Wo der Harvester einmal gewütet hat, wächst kein Gras mehr – auch nicht auf den früheren Wegen, denn der Harvester braucht keine Wege. Die schottischen Holzfirmen ernten nur die Stämme, alles andere bleibt liegen. Die Wanderung auf den verbleibenden fünf Kilometern Straße bis nach Kinlochewe gehörten sicherlich nicht zu den Sternstunden meines Wandererdaseins, aber weil sich der Verkehr in Grenzen hielt – alle fünf Minuten Autoverkehr – war es tolerierbar. Die Lehre daraus: Folge nie blind einem Wanderführer (schon gar nicht einem 10-20 Jahre alten!), nutze stets mehrere Quellen, wenn Zweifel bestehen.
Angesichts der bescheidenen Wetterprognose für die Nacht quartierte ich mich in Kinlochewe abermals unter festem Dach ein. Das war im Grundsatz eine weise Entscheidung, denn es regnete von neun Uhr abends bis weit in den nächsten Vormittag hinein. „Im Grundsatz“ deshalb, weil das Bunkhouse des Kinlochewe Hotel ausgebucht war und die Zimmerqualität im eigentlichen Hotel gemessen an den ambitionierten Preisen bescheiden war - so etwa FDGB-Ferienheim, nur mit getrennten Wasserhähnen, würde ich sagen.
Durch das offene Fenster konnte ich die Nacht über den ganzen Reichtum der schottischen Meteorologie verfolgen: Landregen, Pladderregen, waagerechter Regen, stürmische Gischt. Selbst nach dem reichhaltigen schottischen Frühstück bot sich aus meinem Zimmer immer noch die deprimierende Aussicht auf einen nicht sichtbaren, da regenverhüllten Beinn Eighe. Lustlos schlenderte ich in die Lounge auf der anderen Seite des Hauses. Da sah es schon ganz anders aus: Die Berge waren immerhin zu sehen – und nahmen die Wolken nicht schon Konturen an?
Jetzt zuckte es doch schon wieder in den Beinen. Ich konsultierte meinen Begleiter Steiner, „das Eiserne Fernglas“ (ein Wildlife Safari 8x22), schaute mir immer wieder die Wolken und die Berge an und kam zu dem Schluss: „Ja, es könnte unter Berücksichtigung der vorherrschenden Windverhältnisse und unter Ausschluss außergewöhnlicher negativer Einflussfaktoren bei Fortschreibung der bisherigen Wetterentwicklung und der jahreszeitlich üblichen Niederschlagsrhythmen nicht gänzlich ausgeschlossen sein, dass in einem Zeitraum, der bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt mit einem niedrigen einstelligen Stundenbereich quantifiziert werden kann, der Regen aufhört.“ Schnell zog ich mir die Regenhose an, was einen der anderen Herumlungerer in der Lounge zu der Bemerkung veranlasste, dass das Anziehen von Regenhosen naturgesetzlich ein sofortiges Aussetzen des Regens zur Folge hat. Ich erwiderte ihm, dass es mir das wert sein würde. Leider hatte er Unrecht.
Nach dem vielen Regen in der Nacht zuvor folgte ich nicht der von NTC empfohlenen Hauptroute bis zum Ufer von Loch Maree und dann durch Gleann Bianasdail. Am Ausfluss des Lochan Fada wäre möglicherweise Extremfurten angesagt gewesen. Stattdessen folgte ich der „Schlechtwettervariante“ auf einem Track entlang dem Abhainn Bruachaig bis Heights of Kinlochewe und dann nach Westen den Hang hoch zum Lochan Fada. Ich hätte es nicht besser abpassen können: Als ich die Abzweigung erreichte, hörte der Regen schlagartig auf. Ich konnte die Steigung bekämpfen, ohne mich auch noch mit dem möglicherweise unzureichenden RET-Wert von Goretex Performanceshell auseinandersetzen zu müssen.
Noch größer war allerdings die Überraschung, als der angekündigte Pfad jegliche Merkmale eines typischen schottischen Pfades vermissen ließ. Als da wären: Hüfttiefe Torfpfützen, glitschiges Steine und Grasbüschel, die den Fuß des Wanderers exakt so lange stützen, wie der andere Fuß noch keine Position erreicht hat, aus der heraus er schnell einen anderen Halt finden könnten. Nein, dieser Pfad war hergerichtet wie eine alpine Wanderautobahn und konnte in weiten Teilen sogar zweispurig begangen werden. Angesichts der Häufung von Munros in dieser Region war das aus Gründen der Erosionsvorbeugung sicherlich sinnvoll. Aber mit „Europe's last wilderness“, als die das Gebiet Letterewe in zahlreichen Wanderführern verkauft wird, hatte das wenig zu tun. Wie ich überhaupt Letterewe nicht als so sensationell empfand.
Lochan Fada erreichte ich somit deutlich früher als erwartet. Hier musste ich – zum ersten Mal auf dieser Tour – wegloses Gelände zum Bealach Croise bezwingen. Navigatorisch war es Kinderkram – immer streng nach Nordosten bis zu Passhöhe –, das Gelände war von vereinzelten Torfabbruchkanten abgesehen auch nicht besonders schwierig. Einige andere Cape-Touristen, die ich später sprach, berichteten von Schwierigkeiten, einen tiefen felsigen Einschnitt mit einen Bergbach zu überwinden. Ich hatte wohl Glück, denn ich benötigte nur fünf Minuten, um eine geeignete Stelle zu finden, wo ich trockenen Fußes hinüberkam. Lediglich das Wetter brachte eine Erschwerniszulage ein: Feinster Nieselregen suchte und fand meine Brille.
Wie so häufig war aber die Passhöhe auch Wettergrenze. Der obligatorische Steinmann begrüßte alle, die es geschafft hatten, mit einem kleinen Windschutz. Ich sondierte die Landschaft. Einen echten Pfad sollte es für den Abstieg nicht geben, sagte die Karte. NTC und SHT murmelten etwas von „path of sorts“ auf der Nordwestseite, wobei NTC von der Benutzung abriet, weil die Querung der Baches weiter unten schwierig sein würde. „Path of sorts“? Ich entdeckte einen durchaus gepflegten Pfad! Leider konnte ich selbst mit dem Fernglas nicht erkennen, ob dieser Pfad nicht plötzlich in Richtung Hang abbog. Was ich jedoch mit Sicherheit sehen konnte, war schwieriges Gelände auf der Ostseite. Im schlimmsten Fall würde ich weiter unten den Fluss „feucht“ queren müssen; die zahlreichen Schlingen ließen jedoch erwarten, dass mich das Wasser nicht gleich in den Atlantik mitreißen würden.
Der Pfad hielt tatsächlich bis kurz vor Loch Nid durch; dort verlief er sich in einer Wiese zwischen den Flussschlingen. Auf dem gegenüberliegenden Ufer baute ein englisches Pärchen, das ich am Abend zuvor in Kinlochewe getroffen hatte, unter den Augen überraschter Hirsche schon seine Hilleberg-Kathedrale auf. Sie guckten etwas erstaunt, als ich auf der „falschen“ Flussseite auftauchte. Ihr Gesichtsausdruck verzog sich etwas ins Säuerliche, als sie dann auch noch sahen, mit welcher Leichtigkeit ich eine flache Stelle fand, wo ich ohne Entblößung meiner Füße durch das Wasser hoppeln konnte.
Ich konnte sie verstehen: Sie hatten sie im festen Vertrauen auf die Richtigkeit von NTC den neuen Pfad überhaupt nicht gesehen, sondern sich gleich an den Abstieg auf der Ostseite gemacht. Und dort muss das Gelände gehalten haben, was der Blick durch mein Fernglas versprochen hatte. Kurz: Sie waren total platt und hatten für heute die Schnauze voll. Und das, obwohl sich schon seit mehreren Viertelstunden Kaiserwetter breit machte. Mir hingegen ging es so gut, dass ich vom ursprünglich geplanten Zelten an dieser Stelle absah, sondern die rund 8 Kilometer weiter gelegene Schöner-Wall-Bothy ansteuerte.
Kurz bevor ich sie erreichte, sah ich, wie sich von hinten ein Tageswanderer mit rasantem Tempo näherte. Aber irgendetwas stimmte nicht. Er trug zwar eine lange Jacke, aber seine Beine waren ... textilfrei. Bis ganz nach oben. Man sah zwar kein „Familiensilber“ hin- und herbaumeln (dafür war es vielleicht zu kühl - zum Herumbaumeln, will ich sagen), aber falls er eine Badehose trug, war sie fleischfarben. Leider kann ich nicht mit einer Auflösung des Rätsels dienen, denn als er mich einholte, hatte er eine lange Hose übergezogen. Nun gut, der eine läuft barfuß durch Lappland, der andere eben nackig durch die Highlands.
In der Bothy erwartete mich schon eine bunte Schar von anderen Bergsportlern. Ich war allerdings der einzige auf dem Weg nach Norden, alle anderen waren in Sachen Munro-Sammeln unterwegs. Sie hatten alle einen sehr nassen Tag hinter sich, die meisten hatten mehrfach angeschwollene Flüsse „feucht“ durchqueren müssen.
Am Abend diskutierten wir die Wirtschaftslage. „Stell Dir vor, es ist Krise, und keiner macht mit“, war der Tenor der Anwesenden. Die meisten hatten gut reden, waren sie doch schon im Ruhestand. Den Vogel in Sachen Gelassenheit schoss jedoch ein IT-Berater aus London um die Mitte 30 ab: Im Februar war sein Projekt bei einer Investmentbank eingestellt und er selbst abgestellt worden. Er habe die Zeit seitdem erst einmal sinnvoll genutzt und 47 Munros eingesammelt! Im August wollte er sich dann wieder nach einem Job umsehen.
So eine Bothy ist natürlich auch ein bisschen eine Bühne für das Gear-Schaulaufen. Unumstrittener Sieger war einer der schrägen Engländer, der einen UL-Notschlafsack mitgebracht hatte. So weit ich es überblicken konnte, bestand der Schlafsack aus zwei oder mehr Lagen metallisch beschichteter Kunststofffolie. Beim Entfalten bildeten sich zwischen den Lagen luftige Hohlräume, die für die Isolation sorgten. Gewicht: Gefühlte 500 Gramm. Was er an Gewicht sparte, legte er jedoch an Lärm drauf: Das Knistern war weit jenseits von Zimmerlautstärke. Zum Glück hatte ich mich in einem der anderen Räume einquartiert.
Der Tag, an dem der Fad nicht gepfunden wurde
Am folgenden Morgen wieder das übliche Spiel der letzten Tagen: Nieselregen. Ich beschloss, mir mit dem Aufbruch Zeit zu lassen, und schnorrte vom Freefood-Shelf eine „Wayfarer“-Fertigmahlzeit vom Typ „Cooked Breakfast“: Würstchen, Bohnen, Schinken. Nur eben nicht appetitlich nebeneinander, sondern als Eintopf. Wayfarer-Mahlzeiten sind nicht dehydriert und wiegen samit Packung gut und gerne ein halbes Kilo, was vermutlich erklärt, warum die Mahlzeit auf dem Freefood-Shelf gelandet war. Geschmacklich gab sie keinen Anlass zur Klage, jedenfalls dann nicht, wenn man dem angelsächsischen Frühstück überhaupt etwas abgewinnen kann.
Doch gegen neun Uhr gab es keine akzeptable Ausrede mehr, den Aufbruch weiter herauszuschieben. Ich zog also meine Regenhose an. Unweigerlich kam die Weisheit vom Regen, der jetzt natürlich aufhören würde. Ich konterte mit meiner Erfahrung vom Vortag. Doch der freundliche IT-Berater ließ sich davon nicht irre machen. „Nun, manchmal wirkt es erst mit einer gewissen Verspätung“, räumte er ein, „aber der Regen wird aufhören, Du wirst es sehen!“
Seine Prophezeiung stellte sich als wahr heraus. Dummerweise aber erst, als ich die Passhöhe auf dem Weg nach Corrie Hallie erreicht hatte. Da war ich mir schon nicht mehr sicher, ob ich nicht ohne Regenjacke trockener geblieben wäre. Was man Goretex & Co. jedoch hoch anrechnen muss, ist die Tatsache, dass ich nach einer weiteren Dreiviertelstunde schon wieder weitgehend trocken war. Nur hinter den Ohren nicht, aber das wäre Gegenstand einer anderen Erörterung. Manche Leute werden alt, aber nie erwachsen.
Bei Corrie Hallie, im Tal des Dundonnell River, war es sommerlich warm. Das wird wohl auch die Erklärung sein, warum ich mich hier gleich zweimal verlief. Beim ersten Mal dauerte es rund zehn Minuten, bis mir die Frage kam, ob „auf der Karte nach oben laufen“ zwangsläufig bedeutet, die nächstbeste Steigung „nach oben“ zu laufen – oder ob es da nicht gewisse Unterschiede zwischen Norden und Süden gibt. Beim zweiten Mal folgte ich einem nicht in die Karte eingetragenen Wirtschaftsweg, anstatt einem nicht existierenden Pfad in gerader Linie über eine Weide zu folgen.
Weder die Führer noch die Karte beschreiben den Einstieg in den Pfad nach Inverbroom bei Corrie Hallie sonderlich sauber: Über die Brücke über den Dundonnell River (GR 114 856) – direkt hinter der Brücke rechts – dem Weg am Fluss etwa 50-100 m folgen (nicht mehr!) - dann quer den Hang (Schafweide) links hoch. Dort am Waldrand verläuft der Pfad. Der von der Landkarte suggerierte Weg hinter dem Farmhaus existiert genauso wenig wie der Zickzack-Pfad. Folgt man dem Weg am Fluss zu lange, kann man zwar auf einen Wirtschaftsweg nach links abbiegen; fieserweise steht an der Abzweigung sogar ein Stein mit Wegweiser-Anmutung. Dieser Weg endet jedoch südlich des Bruthach na Garbh Choille (Höhe 222). Man könnte sich vermutlich sogar zum richtigen Pfad nach Norden durchschlagen, das Gelände sieht aber teilweise sehr feucht aus. Eine gewisse Entschädigung mag allerdings die Aussicht vom eben genannten Hügel sein.
Der Weg von Corrie Hallie nach Inverbroom führt durch ereignisarmes Moor- und Heideland. Erst an der Abbruchkante zu Strath More wurde es wieder interessant. Nicht nur der Anblick der Felsen rockt (was für ein albernes Wortspiel!), sondern auch die Fruchtbarkeit der Landschaft: Wald, Weiden, sogar Ackerbau, dazwischen immer wieder die gelben Ginstertupfer.
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Die Tierwelt Schottlands, Folge I

Wenn Fliegen auf Fliegen fliegen
Ein Shotland-Pony
Ein Tausendfüßler
Ein Schaf, teilweise verzehrt
Eine Libelle
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Seit Achnashellach oder drei Tagen war es für mich das erste Mal flächendeckender Zivilisation. Ich war darüber nicht unfroh, denn in den letzten Stunden hatte ich das Wachstum zweier Blasen an beiden Fußinnenseiten beobachten müssen – an zwei völlig unüblichen Stellen. Ullapool war nur noch zwölf oder 14 Kilometer entfernt, das war zu bewältigen. Die Option „Bus“ hatte sich aufgrund selbstverschuldeter Störung im Betriebsablauf leider schon erledigt.
Der von NTC beschriebene Abstieg am Waldrand oberhalb von Croftown ist zwar möglich, aber aufgrund zahlreicher umgestürzter Bäume nicht empfehlenswert. Zweckmäßiger ist es, bei GR 175 835 nach links auf einen in der Karte nicht dokumentierten Forstweg nach scharf rechts abzubiegen, diesem dann bis zur Talsohle zu folgen und dann nach scharf links abzubiegen. Durch ein Gatter geht es dann quer über eine Schafsweide bis zur Straße bei Auchlunachan.
Als ich die Hauptstraße nach Ullapool erreichte, herrschte dort noch reger Verkehr – es war kurz vor 18 Uhr. Aus meiner Erfahrung heraus wusste ich jedoch, dass der Verkehr kurz nach 18 Uhr recht schnell nachlassen würde. Ich beschloss, zunächst einmal den Kilometer bis Inverlael zu laufen, dort ein Päuschen zu machen, die Blasen zu beschauen und dann über den Fortgang zu entscheiden.
Entführung auf kaltem Wege
Doch dazu sollte es nicht kommen. Ich hatte noch keine 50 Meter zurückgelegt, als neben mir ein Kleinwagen mit zwei Outdoortouristen anhielt. „Do you want a lift?“ tönte es, keinen Widerspruch duldend, aus dem Seitenfenster. Ich wollte lieber keinen Konflikt riskieren.
Die Fahrzeugbesatzung hatte sich in mir anscheinend ein wenig getäuscht, wie sie feststellten, als ich schon im Auto saß. Sie hatten wohl gehofft, einen Ortskundigen einzusammeln, der ihnen bei der Unterkunftssuche in Ullapool behilflich sein würde. Mehr als das Verzeichnis der SYHA-Hostels und der Independent Hostels hatte ich nicht zu bieten. Und zu allem Überfluss hatte das SYHA-Hostel, das wir als erstes ansteuerten, für mich noch ein Bett frei, aber für sie nicht das gewünschte Doppelzimmer. Und weil der nächste Tag mit 21-24 Grad brutal heiß werden sollte, buchte ich gleich zwei Übernachtungen.
Den Abend widmete ich einer Fressorgie in der „Frigate“ an der Uferstraße, bevor mich ein extrem kitschiger Sonnenuntergang hinter den Sucher meiner Kamera bannte.

Fortsetzung im nächsten Beitrag
Eilean Donan Castle-Ullapool
(Ende Mai/Anfang Juni 2009)
Der Urknall


(Karte: Eric Gaba/Wikimedia Commons)




Zeit, mich zu belohnen: Auf dem Menüplan stand mein erster Dryfreeze-Travellunch, frisch in Fort William für 4,99 Pfund erworben. Einfach heißes Wasser reinkippen, umrühren, Ziplock schließen und ziehen lassen. Es sah aus wie – soll ich es sagen? – wie der Straßenbelag auf der Reeperbahn am Samstagmorgen, schmeckte aber wirklich gut. Der leere Ziplock-Beutel leistete mir übrigens später in der Nacht noch gute Dienste. Andere kaufen sich Nalgene-Weithalsflaschen, damit sie in der Nacht das Zelt nicht verlassen müssen – soll ich noch mehr sagen? Kaum war ich mit dem Essen fertig, fielen die ersten Tropfen vom Himmel. Dabei sollte es nicht bleiben: Es regnete die ganze Nacht hindurch, und ein kleiner Stausee näherte sich meinem Zelt bis auf 30 Zentimeter.
Am Morgen stellte ich einen bisher unbekannten Vorteil meiner „Grünen Schrankwand“ fest. Ich konnte Hogans Innen- und Außenzelt zeitsparend einfach in eine der Seitentaschen stopfen. Herumkramen mit Zeltbeuteln und/oder Angst vor eingeschlepptem Dreck im Hauptfach unnötig!
Tag der Asphaltschlacht
Der nächtliche Dauerregen hatte meinen Plan A für den weiteren Weg zur Makulatur werden lassen: Ursprünglich wollte ich über Bendronaig Lodge zu Gerry's Hostel in Craig in Strathcarron gehen. Doch der sichtlich gestiegene Wasserstand des Ling River ließ ahnen, was aus den anderen Flüssen geworden sein würde. Auf Extremfurten oder Extremumwege hatte ich keine Lust. Zwei durchnässte Munro-Sammler, denen ich begegnete, bestätigten mir meine Vermutung bezüglich der Wasserstände in den Bächen. Plan B: Nach Attadale, und von dort aus überwiegend auf der Straße durch Strath Carron nach Achnashellach oder Craig. Die Entscheidung erwies sich später als goldrichtig: Das Wasser des Carron war hüfttief und floss nicht gerade träge dahin.

In Strathcarron besuchte ich den Laden im Postamt – oder den Laden mit Postamt? - und stockte meine Vorräte auf. Es ist immer wieder erstaunlich, welch gigantische Produktpalette die schottischen Dorfläden auf kleinster Fläche unterbringen. Deutsche Tankstellenshops können da nicht mithalten.
Am Carron entdeckte ich eine wahre Kulturrevolution: Einen Wanderwegweiser mit Entfernungsangaben in Kilometern! Es handelte sich allerdings um ein von der EU kofinanziertes Projekt, es kann also gut sein, dass Brüssel auf den europaweit vorgeschriebenen Einheiten bestanden hat. Oder handelt es sich um einen weiteren Versuch der Schotten, sich von den Engländern zu differenzieren? Und wann wird aus „Scotland Yard“ dann „Scotland Meter“ - oder gar „Scotland 0.9 Meter“?
Technischer Hinweis: Anders als im Buch „North to the Cape“ (im folgenden NTC) beschrieben gibt inzwischen es auf rund drei Kilometer Länge einen sehr schönen Fußweg am Ufer des Carron entlang. Einfach direkt nördlich der Brücke – noch vor New Kelso! - nach Osten abbiegen, Wegweiser mit metrischen Angaben ist – wie eben beschrieben – vorhanden.
An diesem Tag fing ich mir meine zwei ersten schottischen Zecken ein. Die eine wollte es sich zwischen meinen Handknöcheln bequem machen; die zweite schaffte es bis zum Kniegelenk, wo ich sie aber am Abend entdeckte, noch bevor sie sich vollsaugen konnte. Ich bewundere jedoch ihre Robustheit: Man kann sie nicht einfach mit einem Fingerdruck ins Jenseits befördern – wie die meisten anderen Außenskelettler – sondern muss schon die Fingernägel zur Hilfe nehmen.
In Achnashellach hatte ich knapp 30 km hinter mir und war daher recht erleichtert, als ich auf Anhieb das B & B am Bahnhof fand. Nur: Es sah verlassen aus – nicht einmal ein Auto in der Auffahrt – und ans Telefon ging auch niemand. Also auf zu Gerry's Hostel in Craig, knapp vier Kilometer weiter in Craig.
Zwischen Achnashellach und Craig startet bei GR 029 490 der kürzeste Aufstieg zum Coulin-Pass Richtung Kinlochewe. Ein Wegweiser der Scottish Way of Rights Society weist darauf hin. In den OS-Karten ist dieser Pfad nicht eingetragen.
Doch bei Gerry ging auch niemand ans Telefon, der Anrufbeantworter informierte nur darüber, dass das Hostel seine Winterruhe am 30. April beenden werde. Ende Mai mutete diese Ansage etwas merkwürdig an, doch davon ließ ich mich nicht irritieren. Etwas mehr irritierte mich, dass der Hinweis auf die Winterruhe auch noch an den Türen des Hostels hing. Durch die Fenster war zwar keine Leiche zu sehen, aber auch kein Leben. Ich rief die Taxi-Nummer an, die unter dem Winterruhe-Hinweis stand, in der Hoffnung vielleicht dort etwas Erhellendes zu erfahren. Unter dem Krächzen einer grauenhaften Netzqualität verstand ich nur, dass ich „on my own“ sei.
Zelten? Eine passsende Stelle hatte ich unterwegs nicht gesehen. Unten im Tal gab es nur Weiden, am Hang Wald – und wer schottischen Wald kennt, weiß, dass der Boden dort schwammartig nass ist, sofern man ihn zwischen dem Totholz überhaupt sehen kann. Außerdem verspürte ich Lust auf eine warme Dusche. Ich rief also im Strathcarron Hotel an, das ich unterwegs gesehen hatte – und für 38 Pfund hatte man dort noch ein Einzelzimmer frei. Mit dem Zug – das hatte ich sauber abgepasst! - fuhr ich von Achnashellach nach Strathcarron zurück. Kurz vorher erreichte mich noch ein Rückruf des Taxifahrers: Das war offensichtlich Gerry selbst, der jetzt kommen und mich einlassen wollte. Da wollte ich aber nicht mehr.
Und ich hatte mich richtig entschieden: Der Empfang im Hotel war geradezu herzlich, das Essen ordentlich. Mit der Wirtin quatschte ich noch ein paar Takte über Cape-Wrath-Durchreisende; offensichtlich war deren Anzahl sehr, sehr gering. Gut für mich. Noch besser war die Badewanne in meinem Zimmer – eine der wenigen Gelegenheiten, bei der ich bedauerte, nicht doch wenigstens einen Reclam-Schmöker mitgenommen zu haben.
Als ich am nächsten Morgen nach reichhaltigem schottischen Frühstück aufbrach, war das Wetter fast ideal. Mit einem Taxi (nicht Gerrys!) ließ ich mich für 9 Pfund wieder nach Achnashellach kutschieren.
Wer nicht hören will, muss spülen
In meinem bis dahin noch nicht erschütterten Vertrauen folgte ich der Wegbeschreibung von NTC, lief also die Forststraße bis zum bitteren Ende, kroch in den Wald und fand dort den legendären „Ill-defined Path“. Der Ill-defined Path findet sich in allen Regionen Schottlands, besonders gerne dort, wo es auf jede Minute ankommt, weil ansonsten der letzte Zug/letzte Bus/das letzte Bett im Bunkhouse weg ist.
Das war heute zwar nicht meine Sorge; aber mit meiner grünen Schrankwand trug ich doch sehr zur Totgeäst-Entfernung bei. Unerfreulicher war, dass der Ill-Defined Path plötzlich an einem Wildschutz-Zaun endete, durch dessen Löcher zwar Munro-Sammler mit ihren Tagesrucksäcken passten, aber ich definitiv nicht. Schön, dass auf auf der anderen Seite des Zaunes auch noch feuchter Torf war! Es half alles nichts - erst flog der Rucksack durch eines der Löcher, dann ich hinterher. Wer nicht hören, will muss spülen.

Kurz vor der Passhöhe traute ich dann meinen Augen nicht mehr: Plötzlich kamen zwei Mountainbiker von der Downhill-Fraktion über den nackten Fels gesprungen, bremsten kurz vor dem Erreichen des Pfades und schoben dann ihre Räder wieder bergauf. Die Erklärung konnte ich mir bald selbst geben: Sie drehten zusammen mit einem „Kameramann“ (er hatte eine Spiegelreflexkamera mit Videofunktion...) ein Filmchen. Da fiel mir wieder ein: Zwei Wochen später sollte in Fort William ein MTB-Worldcup stattfinden.
Von nun an ging es nur noch bergab. Sekunden vor dem Einschlag des ersten Schauers erreichte ich das „Tea House“, wo sich der Easan Dorcha über einige dekorativ eingebettete Felsstufen in die Tiefe stürzt. Man kann sich richtig gut vorstellen, wie dort früher seine Lordschaft samt Gemahlin und Gästen saßen, sich vom Butler den Tee servieren ließen und gemeinsam für Rosamunde Pilcher Modell saßen. Heute muss man sich den Tee dort selbst kochen, es handelt sich um eine unbewirtschaftete und sehr kleine Hütte, eine Bothy. Zum Übernachten ist sie zu klein.
Die Bothies sind ein nicht wegzudenkendes Element in den Highlands. Diese unbewirtschafteten Hütten werden von dem Verein Mountain Bothies Association allein durch Spenden und Freiwilligenarbeit unterhalten. Um Vandalismus und Vermüllung durch solche Benutzer gering zu halten, die nicht in das Raster von Bergsportlern und Naturfreunden passen, hat es sich eingebürgert, die genaue Position von Bothies nur von Mund zu Mund zu verraten. Deswegen werde ich im folgenden alle Bothy-Namen soweit verunstalten, dass man sie zwar auf OS-Landranger-Karten wiedererkennt, aber nicht gugeln kann.
„Back to the roots“ statt North to the Cape

Wenn es noch etwas undurchdringlicheres als schottische Fichtenplantagen gibt, dann sind es abgeholzte schottische Fichtenplantagen. Wo der Harvester einmal gewütet hat, wächst kein Gras mehr – auch nicht auf den früheren Wegen, denn der Harvester braucht keine Wege. Die schottischen Holzfirmen ernten nur die Stämme, alles andere bleibt liegen. Die Wanderung auf den verbleibenden fünf Kilometern Straße bis nach Kinlochewe gehörten sicherlich nicht zu den Sternstunden meines Wandererdaseins, aber weil sich der Verkehr in Grenzen hielt – alle fünf Minuten Autoverkehr – war es tolerierbar. Die Lehre daraus: Folge nie blind einem Wanderführer (schon gar nicht einem 10-20 Jahre alten!), nutze stets mehrere Quellen, wenn Zweifel bestehen.
Angesichts der bescheidenen Wetterprognose für die Nacht quartierte ich mich in Kinlochewe abermals unter festem Dach ein. Das war im Grundsatz eine weise Entscheidung, denn es regnete von neun Uhr abends bis weit in den nächsten Vormittag hinein. „Im Grundsatz“ deshalb, weil das Bunkhouse des Kinlochewe Hotel ausgebucht war und die Zimmerqualität im eigentlichen Hotel gemessen an den ambitionierten Preisen bescheiden war - so etwa FDGB-Ferienheim, nur mit getrennten Wasserhähnen, würde ich sagen.
Durch das offene Fenster konnte ich die Nacht über den ganzen Reichtum der schottischen Meteorologie verfolgen: Landregen, Pladderregen, waagerechter Regen, stürmische Gischt. Selbst nach dem reichhaltigen schottischen Frühstück bot sich aus meinem Zimmer immer noch die deprimierende Aussicht auf einen nicht sichtbaren, da regenverhüllten Beinn Eighe. Lustlos schlenderte ich in die Lounge auf der anderen Seite des Hauses. Da sah es schon ganz anders aus: Die Berge waren immerhin zu sehen – und nahmen die Wolken nicht schon Konturen an?
Jetzt zuckte es doch schon wieder in den Beinen. Ich konsultierte meinen Begleiter Steiner, „das Eiserne Fernglas“ (ein Wildlife Safari 8x22), schaute mir immer wieder die Wolken und die Berge an und kam zu dem Schluss: „Ja, es könnte unter Berücksichtigung der vorherrschenden Windverhältnisse und unter Ausschluss außergewöhnlicher negativer Einflussfaktoren bei Fortschreibung der bisherigen Wetterentwicklung und der jahreszeitlich üblichen Niederschlagsrhythmen nicht gänzlich ausgeschlossen sein, dass in einem Zeitraum, der bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt mit einem niedrigen einstelligen Stundenbereich quantifiziert werden kann, der Regen aufhört.“ Schnell zog ich mir die Regenhose an, was einen der anderen Herumlungerer in der Lounge zu der Bemerkung veranlasste, dass das Anziehen von Regenhosen naturgesetzlich ein sofortiges Aussetzen des Regens zur Folge hat. Ich erwiderte ihm, dass es mir das wert sein würde. Leider hatte er Unrecht.

Noch größer war allerdings die Überraschung, als der angekündigte Pfad jegliche Merkmale eines typischen schottischen Pfades vermissen ließ. Als da wären: Hüfttiefe Torfpfützen, glitschiges Steine und Grasbüschel, die den Fuß des Wanderers exakt so lange stützen, wie der andere Fuß noch keine Position erreicht hat, aus der heraus er schnell einen anderen Halt finden könnten. Nein, dieser Pfad war hergerichtet wie eine alpine Wanderautobahn und konnte in weiten Teilen sogar zweispurig begangen werden. Angesichts der Häufung von Munros in dieser Region war das aus Gründen der Erosionsvorbeugung sicherlich sinnvoll. Aber mit „Europe's last wilderness“, als die das Gebiet Letterewe in zahlreichen Wanderführern verkauft wird, hatte das wenig zu tun. Wie ich überhaupt Letterewe nicht als so sensationell empfand.
Lochan Fada erreichte ich somit deutlich früher als erwartet. Hier musste ich – zum ersten Mal auf dieser Tour – wegloses Gelände zum Bealach Croise bezwingen. Navigatorisch war es Kinderkram – immer streng nach Nordosten bis zu Passhöhe –, das Gelände war von vereinzelten Torfabbruchkanten abgesehen auch nicht besonders schwierig. Einige andere Cape-Touristen, die ich später sprach, berichteten von Schwierigkeiten, einen tiefen felsigen Einschnitt mit einen Bergbach zu überwinden. Ich hatte wohl Glück, denn ich benötigte nur fünf Minuten, um eine geeignete Stelle zu finden, wo ich trockenen Fußes hinüberkam. Lediglich das Wetter brachte eine Erschwerniszulage ein: Feinster Nieselregen suchte und fand meine Brille.
Wie so häufig war aber die Passhöhe auch Wettergrenze. Der obligatorische Steinmann begrüßte alle, die es geschafft hatten, mit einem kleinen Windschutz. Ich sondierte die Landschaft. Einen echten Pfad sollte es für den Abstieg nicht geben, sagte die Karte. NTC und SHT murmelten etwas von „path of sorts“ auf der Nordwestseite, wobei NTC von der Benutzung abriet, weil die Querung der Baches weiter unten schwierig sein würde. „Path of sorts“? Ich entdeckte einen durchaus gepflegten Pfad! Leider konnte ich selbst mit dem Fernglas nicht erkennen, ob dieser Pfad nicht plötzlich in Richtung Hang abbog. Was ich jedoch mit Sicherheit sehen konnte, war schwieriges Gelände auf der Ostseite. Im schlimmsten Fall würde ich weiter unten den Fluss „feucht“ queren müssen; die zahlreichen Schlingen ließen jedoch erwarten, dass mich das Wasser nicht gleich in den Atlantik mitreißen würden.

Ich konnte sie verstehen: Sie hatten sie im festen Vertrauen auf die Richtigkeit von NTC den neuen Pfad überhaupt nicht gesehen, sondern sich gleich an den Abstieg auf der Ostseite gemacht. Und dort muss das Gelände gehalten haben, was der Blick durch mein Fernglas versprochen hatte. Kurz: Sie waren total platt und hatten für heute die Schnauze voll. Und das, obwohl sich schon seit mehreren Viertelstunden Kaiserwetter breit machte. Mir hingegen ging es so gut, dass ich vom ursprünglich geplanten Zelten an dieser Stelle absah, sondern die rund 8 Kilometer weiter gelegene Schöner-Wall-Bothy ansteuerte.


Am Abend diskutierten wir die Wirtschaftslage. „Stell Dir vor, es ist Krise, und keiner macht mit“, war der Tenor der Anwesenden. Die meisten hatten gut reden, waren sie doch schon im Ruhestand. Den Vogel in Sachen Gelassenheit schoss jedoch ein IT-Berater aus London um die Mitte 30 ab: Im Februar war sein Projekt bei einer Investmentbank eingestellt und er selbst abgestellt worden. Er habe die Zeit seitdem erst einmal sinnvoll genutzt und 47 Munros eingesammelt! Im August wollte er sich dann wieder nach einem Job umsehen.
So eine Bothy ist natürlich auch ein bisschen eine Bühne für das Gear-Schaulaufen. Unumstrittener Sieger war einer der schrägen Engländer, der einen UL-Notschlafsack mitgebracht hatte. So weit ich es überblicken konnte, bestand der Schlafsack aus zwei oder mehr Lagen metallisch beschichteter Kunststofffolie. Beim Entfalten bildeten sich zwischen den Lagen luftige Hohlräume, die für die Isolation sorgten. Gewicht: Gefühlte 500 Gramm. Was er an Gewicht sparte, legte er jedoch an Lärm drauf: Das Knistern war weit jenseits von Zimmerlautstärke. Zum Glück hatte ich mich in einem der anderen Räume einquartiert.
Der Tag, an dem der Fad nicht gepfunden wurde
Am folgenden Morgen wieder das übliche Spiel der letzten Tagen: Nieselregen. Ich beschloss, mir mit dem Aufbruch Zeit zu lassen, und schnorrte vom Freefood-Shelf eine „Wayfarer“-Fertigmahlzeit vom Typ „Cooked Breakfast“: Würstchen, Bohnen, Schinken. Nur eben nicht appetitlich nebeneinander, sondern als Eintopf. Wayfarer-Mahlzeiten sind nicht dehydriert und wiegen samit Packung gut und gerne ein halbes Kilo, was vermutlich erklärt, warum die Mahlzeit auf dem Freefood-Shelf gelandet war. Geschmacklich gab sie keinen Anlass zur Klage, jedenfalls dann nicht, wenn man dem angelsächsischen Frühstück überhaupt etwas abgewinnen kann.
Doch gegen neun Uhr gab es keine akzeptable Ausrede mehr, den Aufbruch weiter herauszuschieben. Ich zog also meine Regenhose an. Unweigerlich kam die Weisheit vom Regen, der jetzt natürlich aufhören würde. Ich konterte mit meiner Erfahrung vom Vortag. Doch der freundliche IT-Berater ließ sich davon nicht irre machen. „Nun, manchmal wirkt es erst mit einer gewissen Verspätung“, räumte er ein, „aber der Regen wird aufhören, Du wirst es sehen!“
Seine Prophezeiung stellte sich als wahr heraus. Dummerweise aber erst, als ich die Passhöhe auf dem Weg nach Corrie Hallie erreicht hatte. Da war ich mir schon nicht mehr sicher, ob ich nicht ohne Regenjacke trockener geblieben wäre. Was man Goretex & Co. jedoch hoch anrechnen muss, ist die Tatsache, dass ich nach einer weiteren Dreiviertelstunde schon wieder weitgehend trocken war. Nur hinter den Ohren nicht, aber das wäre Gegenstand einer anderen Erörterung. Manche Leute werden alt, aber nie erwachsen.
Bei Corrie Hallie, im Tal des Dundonnell River, war es sommerlich warm. Das wird wohl auch die Erklärung sein, warum ich mich hier gleich zweimal verlief. Beim ersten Mal dauerte es rund zehn Minuten, bis mir die Frage kam, ob „auf der Karte nach oben laufen“ zwangsläufig bedeutet, die nächstbeste Steigung „nach oben“ zu laufen – oder ob es da nicht gewisse Unterschiede zwischen Norden und Süden gibt. Beim zweiten Mal folgte ich einem nicht in die Karte eingetragenen Wirtschaftsweg, anstatt einem nicht existierenden Pfad in gerader Linie über eine Weide zu folgen.
Weder die Führer noch die Karte beschreiben den Einstieg in den Pfad nach Inverbroom bei Corrie Hallie sonderlich sauber: Über die Brücke über den Dundonnell River (GR 114 856) – direkt hinter der Brücke rechts – dem Weg am Fluss etwa 50-100 m folgen (nicht mehr!) - dann quer den Hang (Schafweide) links hoch. Dort am Waldrand verläuft der Pfad. Der von der Landkarte suggerierte Weg hinter dem Farmhaus existiert genauso wenig wie der Zickzack-Pfad. Folgt man dem Weg am Fluss zu lange, kann man zwar auf einen Wirtschaftsweg nach links abbiegen; fieserweise steht an der Abzweigung sogar ein Stein mit Wegweiser-Anmutung. Dieser Weg endet jedoch südlich des Bruthach na Garbh Choille (Höhe 222). Man könnte sich vermutlich sogar zum richtigen Pfad nach Norden durchschlagen, das Gelände sieht aber teilweise sehr feucht aus. Eine gewisse Entschädigung mag allerdings die Aussicht vom eben genannten Hügel sein.
Der Weg von Corrie Hallie nach Inverbroom führt durch ereignisarmes Moor- und Heideland. Erst an der Abbruchkante zu Strath More wurde es wieder interessant. Nicht nur der Anblick der Felsen rockt (was für ein albernes Wortspiel!), sondern auch die Fruchtbarkeit der Landschaft: Wald, Weiden, sogar Ackerbau, dazwischen immer wieder die gelben Ginstertupfer.
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Die Tierwelt Schottlands, Folge I





Wenn Fliegen auf Fliegen fliegen
Ein Shotland-Pony
Ein Tausendfüßler
Ein Schaf, teilweise verzehrt
Eine Libelle
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Seit Achnashellach oder drei Tagen war es für mich das erste Mal flächendeckender Zivilisation. Ich war darüber nicht unfroh, denn in den letzten Stunden hatte ich das Wachstum zweier Blasen an beiden Fußinnenseiten beobachten müssen – an zwei völlig unüblichen Stellen. Ullapool war nur noch zwölf oder 14 Kilometer entfernt, das war zu bewältigen. Die Option „Bus“ hatte sich aufgrund selbstverschuldeter Störung im Betriebsablauf leider schon erledigt.
Der von NTC beschriebene Abstieg am Waldrand oberhalb von Croftown ist zwar möglich, aber aufgrund zahlreicher umgestürzter Bäume nicht empfehlenswert. Zweckmäßiger ist es, bei GR 175 835 nach links auf einen in der Karte nicht dokumentierten Forstweg nach scharf rechts abzubiegen, diesem dann bis zur Talsohle zu folgen und dann nach scharf links abzubiegen. Durch ein Gatter geht es dann quer über eine Schafsweide bis zur Straße bei Auchlunachan.
Als ich die Hauptstraße nach Ullapool erreichte, herrschte dort noch reger Verkehr – es war kurz vor 18 Uhr. Aus meiner Erfahrung heraus wusste ich jedoch, dass der Verkehr kurz nach 18 Uhr recht schnell nachlassen würde. Ich beschloss, zunächst einmal den Kilometer bis Inverlael zu laufen, dort ein Päuschen zu machen, die Blasen zu beschauen und dann über den Fortgang zu entscheiden.
Entführung auf kaltem Wege
Doch dazu sollte es nicht kommen. Ich hatte noch keine 50 Meter zurückgelegt, als neben mir ein Kleinwagen mit zwei Outdoortouristen anhielt. „Do you want a lift?“ tönte es, keinen Widerspruch duldend, aus dem Seitenfenster. Ich wollte lieber keinen Konflikt riskieren.
Die Fahrzeugbesatzung hatte sich in mir anscheinend ein wenig getäuscht, wie sie feststellten, als ich schon im Auto saß. Sie hatten wohl gehofft, einen Ortskundigen einzusammeln, der ihnen bei der Unterkunftssuche in Ullapool behilflich sein würde. Mehr als das Verzeichnis der SYHA-Hostels und der Independent Hostels hatte ich nicht zu bieten. Und zu allem Überfluss hatte das SYHA-Hostel, das wir als erstes ansteuerten, für mich noch ein Bett frei, aber für sie nicht das gewünschte Doppelzimmer. Und weil der nächste Tag mit 21-24 Grad brutal heiß werden sollte, buchte ich gleich zwei Übernachtungen.
Den Abend widmete ich einer Fressorgie in der „Frigate“ an der Uferstraße, bevor mich ein extrem kitschiger Sonnenuntergang hinter den Sucher meiner Kamera bannte.

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