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Sarek im sonnigen September - von Sulitjelma nach Saltoluokta
Mitreisende: Ellipirelli
Reisezeit: September 2014



Am Freitagmorgen um halb 5 in der Frühe geht es los. Wir düsen von Nürnberg nach Frankfurt, parken das Auto im Flughafenparkhaus und fliegen mit Lufthansa nach Oslo. Mein Freund Mario wird den Wagen am Tag darauf abholen und und uns in drei Wochen wieder am Flughafen abholen. Handy, Haus- und Autoschlüssel bleiben im Auto.
Die Anreise klappt reibungslos. In Oslo haben wir gut vier Stunden Aufenthalt und gönnen uns den Spaß, einer Stippvisite in der City. Quasi als Akklimatisation und Startschuss, zumal wir, zum ersten Mal, diese Reise in Stockholm beenden wollen.
Wir besorgen Gaskartuschen, kaufen das Abendessen - Räucherlachs, Butter und Bier - und essen im vietnamesischen Kleinrestaurant Dalat eine Pho Bo. Ich habe niemals mehr außerhalb Vietnams eine bessere Suppe gegessen. Der Besuch dieses Restaurants ist seither ein running gag bei jedem unserer Aufenthalte in Oslo.

Dann geht es mit dem Zug nach Trondheim und von dort mit dem Schlafwagen bis Fauske. Das Wetter ist für die Jahreszeit, Anfang September viel zu warm und ich mache mir Sorgen um unsere enormen Buttervorräte, die ein Basisbaustein unserer neukonzipierten Essensplanung sind (dazu später mehr). Beim Zwischenstopp in Trondheim kaufe ich nachts um 11 in Trondheim sicherheitshalber eine weitere - verschließbare! - Tine Smör Butter und opfere dafür eine bereits böse verbeulte deutsche Markenbutter.
Eine Nachtzugfahrt in einem norwegischen Zug ist etwas Feines. Der gleichmäßige Sound der Gleise hat etwas herrlich beruhigend-meditatives. Der Urlaub hat endgültig begonnen.

Es ist herrlichstes Wetter. Wir freuen uns riesig, als wir beim Frühstück im Zug - es gibt zur Stärkung noch einmal Lachsbrote - das Bahnhofshäuschen von Lönsdal wieder sehen, den Endpunkt unserer Saltfjellwanderung ein paar Jahre zuvor. Dann wird der Rucksack final gepackt. Alle Plastiktüten, in denen wir bisher noch Handgepäck und sonstige Einkäufe mitgeschleppt haben, bleiben im Zug. Obwohl wir diesmal mit dem Proviant für 16 Tage viel mehr Essen dabei haben, paßt alles erstaunlich leicht in die Rucksäcke. In Fauske steigen wir aus.
Der Plan ist, vom norwegischen Sulitjelma entlang des Padjelantaledens nach Schweden über Staloluokta bis zu den Tuottarhütten zu laufen, von dort querfeldein vorbei an den Rissajavre Seen zum großen See Alggajavre zu marschieren und dann entlang des Alggavagge, durchs Snavvavagga und das Rapadalen den Sarek zu durchqueren. Zum Abschluss soll es dann gemütlich auf dem Kungsleden zur Fjellstation nach Saltoluokta gehen.
Da ich unmöglich laufen kann, wenn mir Mücken um die Ohren schwirren und auch nicht gerne wandere, wenn es zu warm ist, haben wir die Tour auf das Saisonende in den September gelegt.
Die Route selbst ist ja eher ein Klassiker und mehrfach im Forum und zuletzt sogar in der Zeitschrift Four Seasons beschrieben. In den meisten Berichten, die wir gelesen haben, wird die Tour in Schweden begonnen, wir haben uns entschieden, die Tour andersrum zu laufen und also von Norwegen nach Schweden zu gehen. Zum einen heben wir uns bei dieser Variante spannungstechnisch das Highlight Rapadalen bis zum Schluß auf. Die Tatsache, daß der Rucksack bei den dann vermeintlich schwierigeren Etappen auch noch deutlich leichter sein würde, ist ein weiterer Vorteil. Bisher hatten wir auf unseren Touren zwar stets ein Zelt dabei, waren eigentlich aber hüttenwandernd unterwegs. Eine der Ungewissheiten dieser Tour war, ob uns das viele Zelten gefällt, daher war es ein weiterer Pluspunkt, daß bei unserer Richtungswahl die meisten Hütten am Beginn der Tour liegen, diese Anfang September noch geöffnet sind und wir also zunächst einige gewohnte Hüttenübernachtungen haben.
Schlussendlich war der ausschlaggebende Punkt aber, daß wir diesmal die Tour mit einigen Tagen in Stockholm und eben nicht in Oslo beenden wollen, somit ein Tourende in Schweden logistisch einfach geeigneter war.
In Fauste wartet ein Taxi, das uns bis Ny Sulitjelma bringt. Das ist natürlich die uncoolste und noch dazu recht teure Form der Anreise. Unsere ursprüngliche Idee war, mit dem Bus nach Sulitjelma zu fahren und erst dort ein Taxi zu nehmen, aber der dort ansässige Taxiunternehmer hatte seinen Betrieb eingestellt, so daß wir die Wahl hatten, nach der Busfahrt zusätzliche 500 Höhenmeter bis zur Berghütte Ny Sulitjelma aufzusteigen oder eben die teure, aber komfortable Taxivariante zu wählen. Da uns ab Ny Sulitjelma weitere knapp 500 Höhenmeter Aufstieg bevorstehen würden, wollten wir uns diese zusätzliche Höhe gleich bei der ersten Etappe und also mit vollem Gepäck, noch dazu größtenteils auf langweiligem Schotterweg, ersparen, zumal Elli ausgerechnet seit dem finalen Probewandern in den Schweizer Bergen drei Wochen vor Tourstart Knieprobleme hatte (auch dazu später mehr).

Am zweiten Reisetag, morgens um halb 10 schultern wir also gleich nach der Taxifahrt unsere Rücksäcke an der Hütte Ny Sulitjelma und es geht los. Etappenziel ist die norwegische DNT Hütte Sorjushytta. Laut den norwegischen Beschreibungen soll diese Tour 2,5 Stunden dauern, aber wir trauen den wie üblich ambitionierten norwegischen Zeitangaben natürlich nicht über den Weg. Es ist Samstag und wir begegnen einigen Mit-Wanderern. Bestes Wetter, keine Wolke am Himmel. Gleich nach dem Start geht es 450 Höhenmeter hoch. Trotz des heftigen Rucksackgewichtes klappt der Einstieg in die Tour konditionell und kraftmäßig erstaunlich gut.
Der Wanderweg verläuft zunächst mehr oder weniger parallel zu einem Schotterfahrweg und als wir eine Höhe von gut 850hm erreicht haben zweigt der Wanderweg in Richtung Osten ab und wir laufen in Richtung des markanten Berges Stortoppen.

Kurz darauf machen wir Pause in Mitten einer herrlichen Hochgebirgslandschaft. Trotz des Sonnenscheins weht durch die nahen Gletscher ein kalter Wind. Unsere Hoffnung, nach dem ersten Anstieg das Schlimmste geschafft zu haben, wird enttäuscht, denn anschließend beginnt ein andauerndes Auf und Ab. Ein Gegenanstieg folgt auf den nächsten. Zwar ist der Weg an sich nicht schwierig zu gehen, aber die vielen kleinen und mittelgroßen Steine zwingen dazu, bei jedem Schritt den Fuß hochzuheben und präzise wieder abzusetzen.

Einige Pausen später ist endlich die Hütte in Sicht. Vn den gegenüber der Hütte liegenden Hügeln hätte man einen wunderbaren Ausblick auf den Gletscher Blamannisen, aber es reicht uns für heute.



Wir machen es uns in unserem Zimmerchen bequem und laden alles Gepäck, das heute Morgen im Zug provisorisch irgendwie in den Rucksack verladen wurde, aus, um nochmal einen Überblick zu kriegen, was in den kommenden Tagen unser Hausrat sein wird. Vor allem genießen wir die Nachmittagssonne vor der Hütte. Abends gibts Spaghetti mit Specksauce. Eine norwegische Gruppe spendiert uns einen Riesencognac. Die Welt ist in Ordnung. Der Start hat geklappt.
Seit Wochen ist in Nordskandinavien ausschließlich bestes sonniges Wetter und man spricht von einem der trockensten Sommer seit Jahren und wir ahnen, daß dies nicht ewig so weitergehen kann. Immerhin ist für die kommenden beiden Tage noch Sonnenschein gemeldet, dann allerdings prognostiziert der Wetterdienst yr.no einen Wetterwechsel. Die Langfristvorhersage ist richtig düster. Dauerregen. Ein Norweger meint, daß uns das nicht stören muß, weil die Regenwolken wegen des Westwindes auf norwegischer Seite hängen bleiben. Sein Wort in Gottes Ohr.
Am nächsten Morgen laufen wir früh los nach Schweden zur Sarjashütte oder Konsul-Perssons-Stuga, einer winzigen urtümlichen Hütte am Ufer des Sees Sarjasjaure. Nicht nur wegen des super Wetters ist der toller Weg recht leicht zu gehen.


Immer wieder lugen Ausläufer der Gletscher zwischen den Bergen hervor und einige pittoresque Seen komplettieren das Panorama. Nach gut der Hälfte der Strecke passieren wir Grenze zwischen Norwegen und Schweden. Wenig später testen wir bei einer harmlosen Flußüberquerung unsere neue Kombination Watschuhe und Neoprensocken.



Dann taucht schon die Hütte am Horizont auf - und prompt verlieren wir den (markierten und eigentlich offensichtlichen!) Weg und enden nach ein wenig Gewürge durch niedriges Unterholz direkt am Seeufer, was uns allerdings einen feinen Strandspaziergang bis zur Hütte beschert. Dort beziehen wir den rechten, kleineren Hüttenteil. Wir treffen Klaus Betz, ein deutsches Skandinavienurgestein.

Der Nachmittag ist bei strahlendem Sonnenschein und dieser einmaligen Kulisse aus Bergen, Gletschern und dem See ein einziger Genuß. Ich bin allerdings froh, noch kurz vor der Abreise einen Hut zum Schutz vor der Sonne eingepackt zu haben. Yoga am Strand, ein Bad im See und viele Tips und Empfehlungen unseres Mitbewohners runden den Tag ab. Wir sind guter Dinge - bisher zwickt kein Knie und der Rucksack mit Rekordgewicht ist auch tragbar. Hat sich das Training zuhause bezahlt gemacht? Zum ersten Mal vor einer Tour bin ich mit meinem mit Medizinball, Kleidersäcken, Hanteln und Wasserflaschen bepackten Rucksack Trainingstouren in der Fränkischen Schweiz gelaufen.





Am nächsten Tag marschieren wir vorbei an den bereits geschlossenen Staddajakka Hütten zum See Virihaure nach Staloluokta. Die Tour ist mit einer Wanderzeit von knapp 6 Stunden angegeben und viel länger brauchen wir auch nicht. Landschaftlich ist die Strecke wieder grandios und wir fragen uns, ob der Sarek die bisher eindrucksvolle Gebirgslandschaft entlang des Padjelanta wirklich toppen kann. Von der Sarjas Hütte führt der Weg aussichtsreich über das weite Tal eine ganze Weile leicht bergab.


Bei Staddajakka machen wir Rast, bevor es bei angenehmem Auf und Ab und zum Teil über Holzbohlen nach Nordosten geht. Unterwegs begegnen wir zwei schwedischen Männergruppen, die auf dem Weg nach Staddajakka sind. Klaus, der heute auch nicht weiter gehen möchte, wird mit der ganzen Truppe in der Nothütte seine helle Freude haben. Noch wundern wir uns über die vielen Rentiere, die immer wieder ohne große Scheu vor Wanderern herumstrolchen.
Im Laufe des späten Vormittags hat es zugezogen. Die Langfristwettervorhersage hat für heute den letzten schönen Tag prognostiziert.

Staloluokta liegt reizvoll etwas oberhalb des Sees Virihaure. Die Hütte selbst hat keinen besonderen Charme, aber einen netten Gemeinschaftsraum mit großen Fenstern mit Blick auf den See. Es ist nicht viel los. Wir belegen ein Doppelzimmer. Im Shop kaufen wir frischen Frisch, Nudeln und Tomatensauce. Dies ist unser einziger - und im Voraus bereits eingeplanter - Essensnachkauf. Das beste ist allerdings die Sauna, die der Stugvart mit Abkühlmöglichkeit im angrenzenden kleinen Weiher.
Die an der Rezeption aushängende Wettervorhersage ist schon ein paar Tage alt und grauslich. Für die kommenden Tage ist Regen gemeldet.
Vor der Hütte ist eine Waage mit einem Haken. Mein Rucksack wiegt nach drei Wandertagen gut 26kg und Ellis Teil 19kg. Wir hatten zuhause die Rucksäcke nicht wiegen können, dieses Gewicht aber in etwa einkalkuliert.
Bei der Vorbereitung des Urlaubs haben wir mehr Augenmerk als sonst auf die Reduzierung des Ruckackgewichtes gelegt und unter anderem deswegen auch ein neues Leichtgewichtszelt gekauft. Der entscheidende Faktor ist natürlich der Proviant, den wir für für 16 Tage mitschleppen. Bei unseren früheren, kürzeren Touren war ich jedes Mal sehr hungrig während der Tour und hatte am Ende stets allerhand Gewicht verloren. Dies wollte ich dieses Mal unbedingt vermeiden. Um diesen Spagat - mehr Essen und Gewichtsoptimierung - hinzubekommen, haben wir versucht, maximal kalorienreiche Nahrung mitzunehmen. Weil ich ja auch noch meine Milchallergie beachten muß und einige Nüsse nicht vertrage, war dies eine echte Tüftelei. Das Ziel war, gut 3500 Kalorien pro Tag für mich und 2500 Kalorien für Elli mitzunehmen. Diese Vorgabe haben wir durch die Mitnahme von viel Butter und Nüssen (Macadamianüsse hab ich allerdings keine mitgenommen, weil ich sie nicht vertragen habe, dafür Erd- und Cashewnüsse), selbstgebackene Müsliriegel mit viel Kokos und Pistazien, Olivenöl (abgefüllt in Leichtgewichts-PET-Flaschen), Unmengen Schokolade und einer Müslimischung mit viel Kürbiskernen, Leinsamen, Kokos- und sonstigen kalorienhaltigen Flocken, geschafft. Fürs Abendessen haben wir zum Teil Fertignahrung (hauptsächlich Real Turmat) sowie die bewährten Gerichte Kartoffelbrei, Steinpilzrisotto, Linseneintopf und so weiter dabei. Und natürlich für die Moral einige herzhafte Würste und schottischen Whisky (Faßstärke!). 100 Gramm Essen sollten im Schnitt mindestens 500 Kalorien ergeben, so daß 1,2kg Essen pro Tag für uns beide ausreicht. Schlussendlich ging die Essensplanung voll auf.
An diesem Abend gibt's den in Butter ausgebackenen Saibling aus dem Virihaure mit Fladenbrot aus Staloluokta. Mittlerweile sind einige Wanderer eingetroffen, eine Gruppe kam sogar mit dem Hubschrauber eingeflogen. Wir sind sehr müde nach den ersten drei Etappen, legen uns früh schlafen und freuen uns auf den morgigen Ruhetag.
Der nächste Tag ist wie erwartet trüb, aber trocken. Die Grautöne der Wolken spiegeln sich über dem See und ergeben ein fotogenes Farbenspiel. Vor lauter Begeisterung kaufe ich mir im Minishop einen weiteren, dieses Mal geräucherten Fisch. Allerdings ist der Shopinhaber heute mehr mit der Organisation seiner Elchjagd beschäftigt. Es gibt keine neue Wettervorhersage. Alles scheint auf einen gemütlichen Ruhetag hinauszulaufen. Lesend sitzen wir bei einem Tee im Aufenthaltsraum und sehen auf einmal, wie sich draußen ein einsamer Wanderer mit offensichtlich bösen Schmerzen die letzen Meter zur Hütte quält. Wir kommen ins Gespräch. Jürgen, der auch hier im Forum aktiv ist, war fast genau unsere geplante Strecke in entgegengesetzter Richtung gelaufen, hatte plötzlich ab der Kapelle im Alggavagge immer schlimmer werdende Knieschmerzen und kann sich geradeso mit letzter Kraft nach Staloluokta retten, Es ist offensichtlich, daß an einen Weitermarsch auf absehbare Zeit nicht zu denken ist, daher informieren wir die Herbergseltern Elisabeth und Leif, die wirklich fürsorglich alles tun, um einen Hubschrauberflug ins nächste Krankenhaus zu organisieren. Dies stellt sich jedoch als gar nicht so einfach heraus. Der letzte fahrplanmäßig fliegende Hubschrauber ist gestern geflogen, ein Polizei- oder Krankenhaushubschrauber steht aus unterschiedlichen Gründen (der Polizeihelikopter ist angeblich mit der Verfolgung von Räubern beschäftigt) nicht zur Verfügung, so daß die letzte Hoffnung ein Sondertransport ist, der eigentlich den Elch des Shopinhabers ausfliegen soll. Der Pilot erfragt Jürgens Gewicht und will nach der Zuladung des Elchs über die Mitnahme eines zusätzlichen Passagiers entscheiden. Schlussendlich gibt der Helipilot sein ok und Jürgen kann ausgeflogen werden - mittlerweile ist es 4Uhr nachmittags, welch ein aufregender Tag.



Und es geht weiter. Der geräucherte Saibling provoziert eine dermaßen allergische Reaktion bei mir, daß ich für den Rest des Abends flach liege. Immerhin hab ich vorher noch eine Runde Sauna genossen. Der Abendtalk mit Klaus, der mittlerweile auch eingetroffen ist, fällt allerdings aus.
Am nächsten Morgen geht's dann endlich weiter. Wir verabschieden uns von Elizabeth und Leif sowie von Klaus, der uns noch wissen läßt, daß er Autor eines nur noch antiquarisch erhältlichen Wanderbildbandes über Skandinavien ist und welchen wir uns mittlerweile angeschafft haben. Das Wetter ist wie befürchtet nicht sonderlich gut, aber die grauen Wolken über dem See sorgen für eine wunderschöne Stimmung und das Licht der Sonne, die immer wieder durch die Wolkenfelder durchblitzt, wirkt mit den dunklen Wolken im Hintergrund richtig spannend. Ein leichter Nieselregel hört gleich nach dem Abmarsch auf, aber es bleibt die ganze Etappe über sehr windig.
Zunächst geht es den Weg von Vorgestern einen Kilometer zurück, dann am See Gieddavvre entlang, bevor der Weg langsam und stetig ansteigend Richtung Tuottar führt. Mit 19 Kilometern ist es eine weitere längere Etappe, trotzdem scheint sich Elli für diese Strecke die neue Strategie zurecht gelegt zu haben, daß die Last des schweren Rucksackes kürzer und damit angenehmer zu tragen ist, je schneller man läuft. Ich komme kaum hinterher. Eine Rentierherde nach der anderen kreuzt unseren Weg und ich halte immer wieder zum Fotografieren an, was die Sache nicht besser macht.






Angesichts der Vielzahl herumlaufender Rentiere habe ich Bedenken, Blaubeeren zu sammeln, aber als wir im Windschatten eines großen Steinblocks Pause machen und mitten in einem Blaubeerfeld sitzen, schlage ich doch zu und fülle die leergetrunkene Thermoskanne mit Blaubeeren auf. Irgendwie schaffen wir es, ständig in einer Wolkenlücke zu laufen. Obwohl immer wieder Regenschauer vorbeiziehen und ein Regenbogen nach dem anderen am Horizont erscheint, bleiben wir trocken. Am späteren Nachmittag erreichen wir Tuottar und bekommen eine kuschelige Hütte zugewiesen. Die attraktive Hüttenwartin überrascht uns mit frischgebackenem Brot und sogar Schokolade, hat aber keine neuen Wetterinformationen.
Beim Vorbereiten der Pausebrote für den nächstenTag schneide ich mir blöderweise ziemlich heftig in den Finger. Im Apothekenbeutelchen sind keine Pflaster. Offenbar haben wir sie vergessen mitzunehmen. Gott sei Dank hat die Hüttenwartin noch einen Streifen Pflaster, aber es ist jetzt schon klar, daß dies eine Wunde ist, die die ganze Tour Ärger machen wird, weil es bei der ganzen Hantiererei unmöglich ist, die Wunde trocken zu halten oder dauernd daran hängen zu bleiben.

In Tuottar müssen wir uns entscheiden, ob wir die Tour wie geplant fortsetzen wollen. Ist es angesichts der ungewissen Wetterprognose sinnvoller, eine Alternative zu suchen?
In den vergangenen Jahren und zuletzt bei einer harmlosen Tour im Frühsommer diesen Jahres hatte ich immer wieder mit Knieproblemen zu kämpfen. Und ausgerechnet bei unserem Probebergaufenthalt im Schweizer Safiental drei Wochen vor der Tour zog sich Elli plötzlich eine Reizung im Knie zu und legte infolgedessen bis zur Abfahrt eine weitgehende Schonpause ein. Trotz dieses Dilemmas entschieden wir uns, die Sarektour wie geplant zu beginnen. In Tuottar steht die Entscheidung an, ob die Tour auch bis zum Schluß durchgezogen werden kann. Tatsächlich hat das Knie bisher zwar gelegentlich gezwickt, die leichten Beschwerden waren aber niemals besorgniserregend. Und vom Wetter wollen wir uns keinesfalls abschrecken lassen.


Am nächsten Tag wandern wir also weglos dem Tuottarjavre entlang grob nach Norden, bis wir nach einigem Auf und Ab auf den Rissajavre stoßen, und folgen dessen Südufer in östlicher Richtung. Kurz nach einem Rentierzaun, unter dem wir zunächst die Rucksäcke durchschieben und danach selbst durchkrabbeln, machen wir windgeschützt eine erste Pause. Elli hat Kopfschmerzen. Die Landschaft wirkt wenig einladend. Die Berge des Sarek tauchen am Horizont auf, wirken düster und abweisend.



Der Wasserstand der Seen ist nach der langen Trockenheit des Sommers so niedrig, daß wir unmittelbar vor dem Lulep Rissajavre bereits ans Nordufer traversieren können, ohne waten zu müssen. Wir passieren einige prima Zeltplätze, aber es ist noch zu früh, um die Etappe zu beenden. Nach den Seen beginnt der Abstieg zum Alggajavre. Der Blick ins Tal Alggavagge erinnert an Mordor aus dem "Herr-der-Ringe" Epos, so schwarz, düster und abweisend wirken die Berge.

Zu allem Überfluss beginnt es zu regnen. Wir beschließen, die Tour vorzeitig zu beenden und entdecken nach kurzer Suche einen guten Zeltplatz am Talfluß (Alep Sarvesjakha) vor dessen Mündung in den See Alggajavre. Gespannt bauen wir unser neues Zelt auf und sind stolz, daß es auf Anhieb so toll steht. Der Regen kann kommen.
Mitreisende: Ellipirelli
Reisezeit: September 2014
Am Freitagmorgen um halb 5 in der Frühe geht es los. Wir düsen von Nürnberg nach Frankfurt, parken das Auto im Flughafenparkhaus und fliegen mit Lufthansa nach Oslo. Mein Freund Mario wird den Wagen am Tag darauf abholen und und uns in drei Wochen wieder am Flughafen abholen. Handy, Haus- und Autoschlüssel bleiben im Auto.
Die Anreise klappt reibungslos. In Oslo haben wir gut vier Stunden Aufenthalt und gönnen uns den Spaß, einer Stippvisite in der City. Quasi als Akklimatisation und Startschuss, zumal wir, zum ersten Mal, diese Reise in Stockholm beenden wollen.
Wir besorgen Gaskartuschen, kaufen das Abendessen - Räucherlachs, Butter und Bier - und essen im vietnamesischen Kleinrestaurant Dalat eine Pho Bo. Ich habe niemals mehr außerhalb Vietnams eine bessere Suppe gegessen. Der Besuch dieses Restaurants ist seither ein running gag bei jedem unserer Aufenthalte in Oslo.
Dann geht es mit dem Zug nach Trondheim und von dort mit dem Schlafwagen bis Fauske. Das Wetter ist für die Jahreszeit, Anfang September viel zu warm und ich mache mir Sorgen um unsere enormen Buttervorräte, die ein Basisbaustein unserer neukonzipierten Essensplanung sind (dazu später mehr). Beim Zwischenstopp in Trondheim kaufe ich nachts um 11 in Trondheim sicherheitshalber eine weitere - verschließbare! - Tine Smör Butter und opfere dafür eine bereits böse verbeulte deutsche Markenbutter.
Eine Nachtzugfahrt in einem norwegischen Zug ist etwas Feines. Der gleichmäßige Sound der Gleise hat etwas herrlich beruhigend-meditatives. Der Urlaub hat endgültig begonnen.
Es ist herrlichstes Wetter. Wir freuen uns riesig, als wir beim Frühstück im Zug - es gibt zur Stärkung noch einmal Lachsbrote - das Bahnhofshäuschen von Lönsdal wieder sehen, den Endpunkt unserer Saltfjellwanderung ein paar Jahre zuvor. Dann wird der Rucksack final gepackt. Alle Plastiktüten, in denen wir bisher noch Handgepäck und sonstige Einkäufe mitgeschleppt haben, bleiben im Zug. Obwohl wir diesmal mit dem Proviant für 16 Tage viel mehr Essen dabei haben, paßt alles erstaunlich leicht in die Rucksäcke. In Fauske steigen wir aus.
Der Plan ist, vom norwegischen Sulitjelma entlang des Padjelantaledens nach Schweden über Staloluokta bis zu den Tuottarhütten zu laufen, von dort querfeldein vorbei an den Rissajavre Seen zum großen See Alggajavre zu marschieren und dann entlang des Alggavagge, durchs Snavvavagga und das Rapadalen den Sarek zu durchqueren. Zum Abschluss soll es dann gemütlich auf dem Kungsleden zur Fjellstation nach Saltoluokta gehen.
Da ich unmöglich laufen kann, wenn mir Mücken um die Ohren schwirren und auch nicht gerne wandere, wenn es zu warm ist, haben wir die Tour auf das Saisonende in den September gelegt.
Die Route selbst ist ja eher ein Klassiker und mehrfach im Forum und zuletzt sogar in der Zeitschrift Four Seasons beschrieben. In den meisten Berichten, die wir gelesen haben, wird die Tour in Schweden begonnen, wir haben uns entschieden, die Tour andersrum zu laufen und also von Norwegen nach Schweden zu gehen. Zum einen heben wir uns bei dieser Variante spannungstechnisch das Highlight Rapadalen bis zum Schluß auf. Die Tatsache, daß der Rucksack bei den dann vermeintlich schwierigeren Etappen auch noch deutlich leichter sein würde, ist ein weiterer Vorteil. Bisher hatten wir auf unseren Touren zwar stets ein Zelt dabei, waren eigentlich aber hüttenwandernd unterwegs. Eine der Ungewissheiten dieser Tour war, ob uns das viele Zelten gefällt, daher war es ein weiterer Pluspunkt, daß bei unserer Richtungswahl die meisten Hütten am Beginn der Tour liegen, diese Anfang September noch geöffnet sind und wir also zunächst einige gewohnte Hüttenübernachtungen haben.
Schlussendlich war der ausschlaggebende Punkt aber, daß wir diesmal die Tour mit einigen Tagen in Stockholm und eben nicht in Oslo beenden wollen, somit ein Tourende in Schweden logistisch einfach geeigneter war.
In Fauste wartet ein Taxi, das uns bis Ny Sulitjelma bringt. Das ist natürlich die uncoolste und noch dazu recht teure Form der Anreise. Unsere ursprüngliche Idee war, mit dem Bus nach Sulitjelma zu fahren und erst dort ein Taxi zu nehmen, aber der dort ansässige Taxiunternehmer hatte seinen Betrieb eingestellt, so daß wir die Wahl hatten, nach der Busfahrt zusätzliche 500 Höhenmeter bis zur Berghütte Ny Sulitjelma aufzusteigen oder eben die teure, aber komfortable Taxivariante zu wählen. Da uns ab Ny Sulitjelma weitere knapp 500 Höhenmeter Aufstieg bevorstehen würden, wollten wir uns diese zusätzliche Höhe gleich bei der ersten Etappe und also mit vollem Gepäck, noch dazu größtenteils auf langweiligem Schotterweg, ersparen, zumal Elli ausgerechnet seit dem finalen Probewandern in den Schweizer Bergen drei Wochen vor Tourstart Knieprobleme hatte (auch dazu später mehr).
Am zweiten Reisetag, morgens um halb 10 schultern wir also gleich nach der Taxifahrt unsere Rücksäcke an der Hütte Ny Sulitjelma und es geht los. Etappenziel ist die norwegische DNT Hütte Sorjushytta. Laut den norwegischen Beschreibungen soll diese Tour 2,5 Stunden dauern, aber wir trauen den wie üblich ambitionierten norwegischen Zeitangaben natürlich nicht über den Weg. Es ist Samstag und wir begegnen einigen Mit-Wanderern. Bestes Wetter, keine Wolke am Himmel. Gleich nach dem Start geht es 450 Höhenmeter hoch. Trotz des heftigen Rucksackgewichtes klappt der Einstieg in die Tour konditionell und kraftmäßig erstaunlich gut.
Der Wanderweg verläuft zunächst mehr oder weniger parallel zu einem Schotterfahrweg und als wir eine Höhe von gut 850hm erreicht haben zweigt der Wanderweg in Richtung Osten ab und wir laufen in Richtung des markanten Berges Stortoppen.
Kurz darauf machen wir Pause in Mitten einer herrlichen Hochgebirgslandschaft. Trotz des Sonnenscheins weht durch die nahen Gletscher ein kalter Wind. Unsere Hoffnung, nach dem ersten Anstieg das Schlimmste geschafft zu haben, wird enttäuscht, denn anschließend beginnt ein andauerndes Auf und Ab. Ein Gegenanstieg folgt auf den nächsten. Zwar ist der Weg an sich nicht schwierig zu gehen, aber die vielen kleinen und mittelgroßen Steine zwingen dazu, bei jedem Schritt den Fuß hochzuheben und präzise wieder abzusetzen.
Einige Pausen später ist endlich die Hütte in Sicht. Vn den gegenüber der Hütte liegenden Hügeln hätte man einen wunderbaren Ausblick auf den Gletscher Blamannisen, aber es reicht uns für heute.
Wir machen es uns in unserem Zimmerchen bequem und laden alles Gepäck, das heute Morgen im Zug provisorisch irgendwie in den Rucksack verladen wurde, aus, um nochmal einen Überblick zu kriegen, was in den kommenden Tagen unser Hausrat sein wird. Vor allem genießen wir die Nachmittagssonne vor der Hütte. Abends gibts Spaghetti mit Specksauce. Eine norwegische Gruppe spendiert uns einen Riesencognac. Die Welt ist in Ordnung. Der Start hat geklappt.
Seit Wochen ist in Nordskandinavien ausschließlich bestes sonniges Wetter und man spricht von einem der trockensten Sommer seit Jahren und wir ahnen, daß dies nicht ewig so weitergehen kann. Immerhin ist für die kommenden beiden Tage noch Sonnenschein gemeldet, dann allerdings prognostiziert der Wetterdienst yr.no einen Wetterwechsel. Die Langfristvorhersage ist richtig düster. Dauerregen. Ein Norweger meint, daß uns das nicht stören muß, weil die Regenwolken wegen des Westwindes auf norwegischer Seite hängen bleiben. Sein Wort in Gottes Ohr.
Am nächsten Morgen laufen wir früh los nach Schweden zur Sarjashütte oder Konsul-Perssons-Stuga, einer winzigen urtümlichen Hütte am Ufer des Sees Sarjasjaure. Nicht nur wegen des super Wetters ist der toller Weg recht leicht zu gehen.
Immer wieder lugen Ausläufer der Gletscher zwischen den Bergen hervor und einige pittoresque Seen komplettieren das Panorama. Nach gut der Hälfte der Strecke passieren wir Grenze zwischen Norwegen und Schweden. Wenig später testen wir bei einer harmlosen Flußüberquerung unsere neue Kombination Watschuhe und Neoprensocken.
Dann taucht schon die Hütte am Horizont auf - und prompt verlieren wir den (markierten und eigentlich offensichtlichen!) Weg und enden nach ein wenig Gewürge durch niedriges Unterholz direkt am Seeufer, was uns allerdings einen feinen Strandspaziergang bis zur Hütte beschert. Dort beziehen wir den rechten, kleineren Hüttenteil. Wir treffen Klaus Betz, ein deutsches Skandinavienurgestein.
Der Nachmittag ist bei strahlendem Sonnenschein und dieser einmaligen Kulisse aus Bergen, Gletschern und dem See ein einziger Genuß. Ich bin allerdings froh, noch kurz vor der Abreise einen Hut zum Schutz vor der Sonne eingepackt zu haben. Yoga am Strand, ein Bad im See und viele Tips und Empfehlungen unseres Mitbewohners runden den Tag ab. Wir sind guter Dinge - bisher zwickt kein Knie und der Rucksack mit Rekordgewicht ist auch tragbar. Hat sich das Training zuhause bezahlt gemacht? Zum ersten Mal vor einer Tour bin ich mit meinem mit Medizinball, Kleidersäcken, Hanteln und Wasserflaschen bepackten Rucksack Trainingstouren in der Fränkischen Schweiz gelaufen.
Am nächsten Tag marschieren wir vorbei an den bereits geschlossenen Staddajakka Hütten zum See Virihaure nach Staloluokta. Die Tour ist mit einer Wanderzeit von knapp 6 Stunden angegeben und viel länger brauchen wir auch nicht. Landschaftlich ist die Strecke wieder grandios und wir fragen uns, ob der Sarek die bisher eindrucksvolle Gebirgslandschaft entlang des Padjelanta wirklich toppen kann. Von der Sarjas Hütte führt der Weg aussichtsreich über das weite Tal eine ganze Weile leicht bergab.
Bei Staddajakka machen wir Rast, bevor es bei angenehmem Auf und Ab und zum Teil über Holzbohlen nach Nordosten geht. Unterwegs begegnen wir zwei schwedischen Männergruppen, die auf dem Weg nach Staddajakka sind. Klaus, der heute auch nicht weiter gehen möchte, wird mit der ganzen Truppe in der Nothütte seine helle Freude haben. Noch wundern wir uns über die vielen Rentiere, die immer wieder ohne große Scheu vor Wanderern herumstrolchen.
Im Laufe des späten Vormittags hat es zugezogen. Die Langfristwettervorhersage hat für heute den letzten schönen Tag prognostiziert.
Staloluokta liegt reizvoll etwas oberhalb des Sees Virihaure. Die Hütte selbst hat keinen besonderen Charme, aber einen netten Gemeinschaftsraum mit großen Fenstern mit Blick auf den See. Es ist nicht viel los. Wir belegen ein Doppelzimmer. Im Shop kaufen wir frischen Frisch, Nudeln und Tomatensauce. Dies ist unser einziger - und im Voraus bereits eingeplanter - Essensnachkauf. Das beste ist allerdings die Sauna, die der Stugvart mit Abkühlmöglichkeit im angrenzenden kleinen Weiher.
Die an der Rezeption aushängende Wettervorhersage ist schon ein paar Tage alt und grauslich. Für die kommenden Tage ist Regen gemeldet.
Vor der Hütte ist eine Waage mit einem Haken. Mein Rucksack wiegt nach drei Wandertagen gut 26kg und Ellis Teil 19kg. Wir hatten zuhause die Rucksäcke nicht wiegen können, dieses Gewicht aber in etwa einkalkuliert.
Bei der Vorbereitung des Urlaubs haben wir mehr Augenmerk als sonst auf die Reduzierung des Ruckackgewichtes gelegt und unter anderem deswegen auch ein neues Leichtgewichtszelt gekauft. Der entscheidende Faktor ist natürlich der Proviant, den wir für für 16 Tage mitschleppen. Bei unseren früheren, kürzeren Touren war ich jedes Mal sehr hungrig während der Tour und hatte am Ende stets allerhand Gewicht verloren. Dies wollte ich dieses Mal unbedingt vermeiden. Um diesen Spagat - mehr Essen und Gewichtsoptimierung - hinzubekommen, haben wir versucht, maximal kalorienreiche Nahrung mitzunehmen. Weil ich ja auch noch meine Milchallergie beachten muß und einige Nüsse nicht vertrage, war dies eine echte Tüftelei. Das Ziel war, gut 3500 Kalorien pro Tag für mich und 2500 Kalorien für Elli mitzunehmen. Diese Vorgabe haben wir durch die Mitnahme von viel Butter und Nüssen (Macadamianüsse hab ich allerdings keine mitgenommen, weil ich sie nicht vertragen habe, dafür Erd- und Cashewnüsse), selbstgebackene Müsliriegel mit viel Kokos und Pistazien, Olivenöl (abgefüllt in Leichtgewichts-PET-Flaschen), Unmengen Schokolade und einer Müslimischung mit viel Kürbiskernen, Leinsamen, Kokos- und sonstigen kalorienhaltigen Flocken, geschafft. Fürs Abendessen haben wir zum Teil Fertignahrung (hauptsächlich Real Turmat) sowie die bewährten Gerichte Kartoffelbrei, Steinpilzrisotto, Linseneintopf und so weiter dabei. Und natürlich für die Moral einige herzhafte Würste und schottischen Whisky (Faßstärke!). 100 Gramm Essen sollten im Schnitt mindestens 500 Kalorien ergeben, so daß 1,2kg Essen pro Tag für uns beide ausreicht. Schlussendlich ging die Essensplanung voll auf.
An diesem Abend gibt's den in Butter ausgebackenen Saibling aus dem Virihaure mit Fladenbrot aus Staloluokta. Mittlerweile sind einige Wanderer eingetroffen, eine Gruppe kam sogar mit dem Hubschrauber eingeflogen. Wir sind sehr müde nach den ersten drei Etappen, legen uns früh schlafen und freuen uns auf den morgigen Ruhetag.
Der nächste Tag ist wie erwartet trüb, aber trocken. Die Grautöne der Wolken spiegeln sich über dem See und ergeben ein fotogenes Farbenspiel. Vor lauter Begeisterung kaufe ich mir im Minishop einen weiteren, dieses Mal geräucherten Fisch. Allerdings ist der Shopinhaber heute mehr mit der Organisation seiner Elchjagd beschäftigt. Es gibt keine neue Wettervorhersage. Alles scheint auf einen gemütlichen Ruhetag hinauszulaufen. Lesend sitzen wir bei einem Tee im Aufenthaltsraum und sehen auf einmal, wie sich draußen ein einsamer Wanderer mit offensichtlich bösen Schmerzen die letzen Meter zur Hütte quält. Wir kommen ins Gespräch. Jürgen, der auch hier im Forum aktiv ist, war fast genau unsere geplante Strecke in entgegengesetzter Richtung gelaufen, hatte plötzlich ab der Kapelle im Alggavagge immer schlimmer werdende Knieschmerzen und kann sich geradeso mit letzter Kraft nach Staloluokta retten, Es ist offensichtlich, daß an einen Weitermarsch auf absehbare Zeit nicht zu denken ist, daher informieren wir die Herbergseltern Elisabeth und Leif, die wirklich fürsorglich alles tun, um einen Hubschrauberflug ins nächste Krankenhaus zu organisieren. Dies stellt sich jedoch als gar nicht so einfach heraus. Der letzte fahrplanmäßig fliegende Hubschrauber ist gestern geflogen, ein Polizei- oder Krankenhaushubschrauber steht aus unterschiedlichen Gründen (der Polizeihelikopter ist angeblich mit der Verfolgung von Räubern beschäftigt) nicht zur Verfügung, so daß die letzte Hoffnung ein Sondertransport ist, der eigentlich den Elch des Shopinhabers ausfliegen soll. Der Pilot erfragt Jürgens Gewicht und will nach der Zuladung des Elchs über die Mitnahme eines zusätzlichen Passagiers entscheiden. Schlussendlich gibt der Helipilot sein ok und Jürgen kann ausgeflogen werden - mittlerweile ist es 4Uhr nachmittags, welch ein aufregender Tag.
Und es geht weiter. Der geräucherte Saibling provoziert eine dermaßen allergische Reaktion bei mir, daß ich für den Rest des Abends flach liege. Immerhin hab ich vorher noch eine Runde Sauna genossen. Der Abendtalk mit Klaus, der mittlerweile auch eingetroffen ist, fällt allerdings aus.
Am nächsten Morgen geht's dann endlich weiter. Wir verabschieden uns von Elizabeth und Leif sowie von Klaus, der uns noch wissen läßt, daß er Autor eines nur noch antiquarisch erhältlichen Wanderbildbandes über Skandinavien ist und welchen wir uns mittlerweile angeschafft haben. Das Wetter ist wie befürchtet nicht sonderlich gut, aber die grauen Wolken über dem See sorgen für eine wunderschöne Stimmung und das Licht der Sonne, die immer wieder durch die Wolkenfelder durchblitzt, wirkt mit den dunklen Wolken im Hintergrund richtig spannend. Ein leichter Nieselregel hört gleich nach dem Abmarsch auf, aber es bleibt die ganze Etappe über sehr windig.
Zunächst geht es den Weg von Vorgestern einen Kilometer zurück, dann am See Gieddavvre entlang, bevor der Weg langsam und stetig ansteigend Richtung Tuottar führt. Mit 19 Kilometern ist es eine weitere längere Etappe, trotzdem scheint sich Elli für diese Strecke die neue Strategie zurecht gelegt zu haben, daß die Last des schweren Rucksackes kürzer und damit angenehmer zu tragen ist, je schneller man läuft. Ich komme kaum hinterher. Eine Rentierherde nach der anderen kreuzt unseren Weg und ich halte immer wieder zum Fotografieren an, was die Sache nicht besser macht.
Angesichts der Vielzahl herumlaufender Rentiere habe ich Bedenken, Blaubeeren zu sammeln, aber als wir im Windschatten eines großen Steinblocks Pause machen und mitten in einem Blaubeerfeld sitzen, schlage ich doch zu und fülle die leergetrunkene Thermoskanne mit Blaubeeren auf. Irgendwie schaffen wir es, ständig in einer Wolkenlücke zu laufen. Obwohl immer wieder Regenschauer vorbeiziehen und ein Regenbogen nach dem anderen am Horizont erscheint, bleiben wir trocken. Am späteren Nachmittag erreichen wir Tuottar und bekommen eine kuschelige Hütte zugewiesen. Die attraktive Hüttenwartin überrascht uns mit frischgebackenem Brot und sogar Schokolade, hat aber keine neuen Wetterinformationen.
Beim Vorbereiten der Pausebrote für den nächstenTag schneide ich mir blöderweise ziemlich heftig in den Finger. Im Apothekenbeutelchen sind keine Pflaster. Offenbar haben wir sie vergessen mitzunehmen. Gott sei Dank hat die Hüttenwartin noch einen Streifen Pflaster, aber es ist jetzt schon klar, daß dies eine Wunde ist, die die ganze Tour Ärger machen wird, weil es bei der ganzen Hantiererei unmöglich ist, die Wunde trocken zu halten oder dauernd daran hängen zu bleiben.
In Tuottar müssen wir uns entscheiden, ob wir die Tour wie geplant fortsetzen wollen. Ist es angesichts der ungewissen Wetterprognose sinnvoller, eine Alternative zu suchen?
In den vergangenen Jahren und zuletzt bei einer harmlosen Tour im Frühsommer diesen Jahres hatte ich immer wieder mit Knieproblemen zu kämpfen. Und ausgerechnet bei unserem Probebergaufenthalt im Schweizer Safiental drei Wochen vor der Tour zog sich Elli plötzlich eine Reizung im Knie zu und legte infolgedessen bis zur Abfahrt eine weitgehende Schonpause ein. Trotz dieses Dilemmas entschieden wir uns, die Sarektour wie geplant zu beginnen. In Tuottar steht die Entscheidung an, ob die Tour auch bis zum Schluß durchgezogen werden kann. Tatsächlich hat das Knie bisher zwar gelegentlich gezwickt, die leichten Beschwerden waren aber niemals besorgniserregend. Und vom Wetter wollen wir uns keinesfalls abschrecken lassen.
Am nächsten Tag wandern wir also weglos dem Tuottarjavre entlang grob nach Norden, bis wir nach einigem Auf und Ab auf den Rissajavre stoßen, und folgen dessen Südufer in östlicher Richtung. Kurz nach einem Rentierzaun, unter dem wir zunächst die Rucksäcke durchschieben und danach selbst durchkrabbeln, machen wir windgeschützt eine erste Pause. Elli hat Kopfschmerzen. Die Landschaft wirkt wenig einladend. Die Berge des Sarek tauchen am Horizont auf, wirken düster und abweisend.
Der Wasserstand der Seen ist nach der langen Trockenheit des Sommers so niedrig, daß wir unmittelbar vor dem Lulep Rissajavre bereits ans Nordufer traversieren können, ohne waten zu müssen. Wir passieren einige prima Zeltplätze, aber es ist noch zu früh, um die Etappe zu beenden. Nach den Seen beginnt der Abstieg zum Alggajavre. Der Blick ins Tal Alggavagge erinnert an Mordor aus dem "Herr-der-Ringe" Epos, so schwarz, düster und abweisend wirken die Berge.
Zu allem Überfluss beginnt es zu regnen. Wir beschließen, die Tour vorzeitig zu beenden und entdecken nach kurzer Suche einen guten Zeltplatz am Talfluß (Alep Sarvesjakha) vor dessen Mündung in den See Alggajavre. Gespannt bauen wir unser neues Zelt auf und sind stolz, daß es auf Anhieb so toll steht. Der Regen kann kommen.
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