Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Prolog:
Ich bin kein Wanderer. Definitiv nicht. Natürlich vermag auch ich einen Fuß vor den anderen zu setzen und dies sogar über einen mehrstündigen Zeitraum. Manchmal verspüre ich dabei sogar eine emotionale Befriedigung. Aber mein Fahrrad ist mir lieber. Schnell wie ein Pfeil von Ort zu Ort. Wandern kann man dort immer noch. Oder sein Fahrrad schieben. Aber einfach nur Wandern? Irgendwie nicht mein Ding. So ganz ehrlich gesagt. Intuitiv gesehen.
Dummerweise will ich wieder nach Finnland. Im Januar. Radfahren hat sich bekannterweise im finnischen Frühwinter als weniger geeignetes Fortbewegungsmittel entpuppt. Skifahren kann ich nicht. Bleibt wohl nur Wandern. Warum nicht. Irgendwann ist immer das erste Mal. Ich plane meine erste Wandertour. Mit viel Gepäck. Mir ist klar: Ich brauche eine Idee.
Willst Du wirklich wieder im Januar nach Finnland? Hat es Dir da so gut gefallen?
Ich glaube ja, es wird Finnland. Ob es mir da gefallen hat? Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist das Licht. Ja. Es ist das Licht.
Du hast doch noch nie eine Wandertour gemacht. Und schon gar nicht mit einem schweren Rucksack. Du bist das doch gar nicht gewöhnt.
Naja, immerhin schiebe ich regelmäßig mein Fahrrad auf Tour. Auch über lange Strecken. Das wird schon gehen. Und mit Rucksack fahre ich auch täglich. Und der ist bei Einkäufen ganz schön schwer.
Das ist etwas anderes.
Ich weiß.
Die Vorbereitung.
Im Nachhinein betrachtet ist die nun geplante Tour eine logische Folge meiner Aktivitäten 2012. Erfahrungen mit dem finnischen Winter und Konditionsaufbau durch Fahrradschieben in der Bretagne. Meine Ausrüstung habe ich im Wesentlichen zusammen, aber ein paar Dinge, die auch noch empfindlich ins Geld gehen, sind dennoch zu beschaffen.
Der Plan
Auf einer Karte von Finnland schaue ich mir die Nationalparks an. Der Norden, also Lappland, fällt flach. Noch ist Kaamos (die Zeit, an der die Sonne nicht über den Horizont kommt), die Tage sind kurz und Ski fahren kann ich nicht. Ohne Begleitung mit Schneeschuhen auf Scooterspuren zu wandeln, ist mir zu riskant. Ich konzentriere mich auf den Süden und finde einen Link: http://www.spazieren.de/FIN/SW/fin_sw_wand_e6.htm
Das ist es. Von Turku Richtung Tampere. Der Gedanke begeistert mich. In der Region Turku ist es milder als im Norden, die Schneemengen sind moderater, der Wanderweg ist nicht ganz zivilisationsfern und ca. 80 km, nach Wunsch etwas mehr, klingen überschaubar. Ich suche nach Karten und finde keine. Auch der Fachhandel weiß nicht weiter. So habe ich nur meine Fahrradkarte (hier ist er eingezeichnet) und den auf der websiten hinterlegten Track als Grundlage. Das Abenteuer kann beginnen.
Nach der Tour steht Lappland auf dem Plan. Inarijoen Peter empfiehl Saariselkä. Dort kann man skifahren lernen, ist schnell in der Natur und dennoch in der Zivilisation. Schauen wir mal. Ich will mich noch nicht festlegen. Aber nach Lappland will ich auf jeden Fall. In das Land des Lichts.


Ja. Kein Zweifel. Ich suche das Licht.
Der Rucksack
Mein Lieblingsrucksack ist zu klein und der Test mit einem Leichtrucksack war im Sommer gescheitert. Eine Woche lang tat mir der Rücken weh. Anfang Oktober gibt es beim Broker den Helsport Spitzbergen 95l für knapp 200 Euro. Meine Farben. 3,4 kg. Ein gutes Tragesystem. Gekauft.

Ich packe ihn umgehend und bis zum Tourstart wird er gepackt in der Wohnung herum stehen. Beim Aufsetzen breche ich mir allerdings fast den Arm. Wie zum Teufel bekommt man so einen schweren Rucksack auf den Rücken??! Mit dem Hilfsmittel Tisch gelingt es und ich stelle mich auf die Waage: 32 kg. Das wird für meine Knie auf Dauer zu viel, das merke ich jetzt schon. Ich kann das Gleichgewicht nicht halten. Aber das Tragesystem ist sensationell. Nie hatte ich so viel Gewicht so bequem auf meinem Rücken. Ich packe Kocher und Essen wieder aus. Bis ca. 25 kg kann ich gehen. Immerhin. Meine Wohlfühl-Höchstgrenze lag bisher bei 12 kg. Wer trägt den Rest des Gespäcks? Ich brauche eine Idee.
Die Idee
Der Wanderweg bei der Serena Anlage taucht vor meinem geistigen Auge auf. Mein Fahrrad fehlte mir damals, es wäre schön, etwas zum Schieben zu haben. Aus dem Nebel der Erinnerung steigt das Bild einer Mutter auf, die ihr Kind beim Alstervergnügen in einem Schlitten über das Eis schob. Aber normalerweise nimmt man wohl eine Pulka. Ich pirsche zu Globi.
Die ersten Wintersachen sind schon aufgebaut, aber noch ist goldener Oktober. Auf dem Fenstersims liegt der Paris Sledge. 39 Euro. Ich hebe das Teil an, es rutscht mir polternd aus der Hand. Peinlich. Die Seiten sind scharfkantig und das Ding ist größer als ich. Kann ich mir vorstellen, dieses Teil auf der Fähre, im Zug und im Bus ständig dabei zu haben? Nein. Das Teil ist Sondertransport. Fjellpulken: Kleiner, gemütlich, aber zu schwer. Und erst der Preis! Nein danke. Die Kinder-Plastikdinger sind nur bis – 20 Grad kältefest und wirken instabil. Neben dem Paris steht ein Schlitten. 3,5 kg. Gut zu heben. Die richtige Größe. Gibt es das klappbar? Ja. Leider nicht in diesem Geschäft.
Die nächsten zwei Wochen werde ich zum Schlittenexperten. Davoser Schlitten, Hörnerrodel, Kreek, Hundeschlitten. Die Davoser Schlitten sagen mir zu. Robust und stabil. Kann man die überhaupt in Skandinavien einsetzen? Eigentlich spricht nichts dagegen, aber ich werde unsicher. Endlich finde ich eine Quelle, dass derartige Schlitten früher in den Alpen für den Lastentransport genutzt wurden. Im Tiefschnee nicht einfach zu ziehen. Bastler schrauben Skier unter die Kufen.
Klappschlitten gibt es leider nur wenige. Ich fühle mich wie bei der Zeltwahl: Leichte Schlitten sind weniger belastbar, belastbare Schlitten sind schwer. Ich entscheide mich für schwer. 150 kg Tragkraft. Made in Germany. Die Hölzer sind aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Sind die Schrauben kältefest bis – 30 Grad? Die Dame am Telefon bejaht.
Anfang November steht ein wunderschöner Gloco Klapprodel (Gewicht ca. 6 kg, Preis 105,00 Euro) zzgl. Schiebelehne (41,95Euro) in meinem Wohnzimmer. Direkt vom Hersteller. Wenn sich die Schiebelehne nicht bewährt, lasse ich sie in Finnland. Finnland ist Rodelland.
Ich lege den Rucksack drauf: Zu groß. Hhhm. Das muss ich anders machen. Den Schlitten gebe ich nicht mehr her.

Letzte Ausrüstungsfragen
Ich grübele. Eine Tasche für das Essen muss her, die mit dem Schlitten transportiert wird. Es wird der 400 Gramm schwere The North Face Flyweight Duffel, 31 L. Außerdem eine Tasche für die 30er Expedition Schneeschuhe. 11 Euro. Mittlerweile ist November und ich mache mir Sorgen um meine Fotos. Was ist, wenn ich wieder Nordlichter sehe und meine Kamera zu schlecht ist? Meine uralte Spiegelreflex scheitert am Sternenhimmel. Ich betrete ein Fotogeschäft mit einer klaren Preisvorstellung. Finanziell ruiniert verlasse ich den Laden. Den Urlaub müsste ich jetzt streichen. Und ein Zelt verkaufen. Aber die Kamera hat mein Herz erobert. Eine andere will ich nicht. http://olympusomd.com/de-DE/
Anfang Dezember baue ich im Beisein von balticskin das Unna auf. 2 kg Gewichtsersparnis locken. Es ist Schneeregen angesagt. Ich lege den Rucksack ins Zelt und es wird klar: Nur einer schläft im Zelt, der Rucksack oder ich. Balticskin (langjähriger, erfahrener Unna-Besitzer) hüstelt dezent. Die Botschaft kommt an. Ich hole den Troll aus dem Auto: Der Rucksack passt in die Apsis. Und ich passe sogar daneben. Der Troll kommt mit.
Eine Probewanderung auf durchweichtem Boden zeigt die Grenzen meiner Schuhe auf. Während balticskin leichtfüßig das Gelände durchstreift, watschel ich in den Sorel Caribou wie ein Stück Geflügel. Die Schuhe sind zu weich. Für´s Radfahren okay, aber für eine mehrtägige Wanderung auf schwierigem Untergrund nicht. Hört das Geld ausgeben denn nie auf? Es werden die Hanwag Fjäll extreme. Schneeschuhtaugliche Wanderschuhe mit Innenschuh und Hanwag Icegrip Sohle. Vorweg kann ich sagen: Verdammt gute Idee!
Nicht so erfolgreich sind meine Versuche, Müsliriegel zu basteln. Das Produkt zerfällt zu Staub und der Rauchmelder reagiert hysterisch. Ich packe Mars ein. Das Beef Jerky und das Jerky gelingen dagegen gut. Der Rest wird aus Trekking-Lunch Mahlzeiten bestehen. Auch wenn es Umweltverschmutzung ist. Der Versuch, selbstgedörrte vorgekochte Lebensmittel zu zu bereiten, endete in einer nicht zu beschreibenden Geruchsbelästigung des Stadtviertels. Nur eine Zilplocktüte voll gedörrter Nudeln findet den Weg in die Tasche. Dafür erstehe ich fürs ökologische Bewusstsein einen langen Holzlöffel auf dem Weihnachtsmarkt.
Und zuletzt....
….brauche ich natürlich ein Ticket. Die Deutsche Bahn hat am 8. Dezember Fahrplanwechsel, so dass ich die Entscheidung vertage. Grundsätzlichere Überlegungen gewinnen Oberhand:
Auf Plan B komme ich durch Zufall: Interrail wirbt mit seinem 40 jährigen Jubliäum. Ich informiere mich im Netz. Die Fahrt von Helsinki nach Rovaniemi kostet ca. 180 Euro. 3 Tage Interrail kosten 155 Euro, 6 Tage Interrail 208 Euro. Ich bin noch nie mit Interrail gefahren. Und es reizt mich: Wenn die Tour nicht klappt, schau ich mir das Land an. Das WAI im Gepäck besorge ich mir das 6 tägige Ticket. Nach meiner Rechnung würde zwar das 3 Tage Ticket reichen, aber ein wenig Puffer ist im Winter nicht zu verachten. Wer weiß.....
Über die Feiertage grübele ich: Europaticket Bahn / Fähre Stockholm-Turku oder Busreise / Stockholm-Turku stehen in Konkurrenz zur Fährfahrt Lübeck-Travemünde-Helsinki. Am billigsten ist die Bahn (einmal umsteigen in Kopenhagen, 39 Euro), am einfachsten der Bus (ca. 90 Euro). Dazu kommt die Fährfahrt (ca. 120 Euro Interrail), Übergepäck (Bus) und Übernachtung in Stockholm (Bahn). Das begeistert mich alles nicht. Finnlines hat in diesem Jahr die Preise deutlich erhöht, so dass ich mir keine Kabine mehr leisten kann. Ich buche ein Bett in einer 2er Außenkabine. Vielleicht habe ich ja Glück und es findet sich kein Mitreisender. Für die gleichzeitige Buchung der Rückfahrt gibt es 20 Prozent Rabatt. Die Rechnung beläuft sich somit auf ca. 250 Euro pro Fahrt. 24 Euro für die Anreise per Bahn nach Lübeck kommen noch drauf. Das ist es mir wert.
Und los geht es......
Bekanntlicherweise ist Weihnachten 2012 durch einen Wärmeeinbruch gekennzeichnet, der Temperaturen um 16 Grad beschert. Plus, wohlbemerkt. Die Wärmeperiode macht vor Finnland nicht halt. Waren im Dezember in der Turku Region dicke Minustemperaturen, so wird es Anfang Januar warm um 0 Grad. Ich werde nervös. Aber ein Zurück gibt es nun nicht mehr.
Meine Fähre geht am 4 Januar morgens um 3.00 Uhr. Am 3. Januar stelle ich die seit Oktober gepackte Ausrüstung noch einmal auf den Prüfstand. Die Schuhe sind eingelaufen, aber mein Gepäckkonzept habe ich nicht geprüft. Zu groß meine Befürchtung, dass es nicht klappen könnte. Die Vogel-Strauß-Methode ist mir lieber: Einfach los laufen. Wenn ich es bis zur U-Bahn schaffe, klappt die Tour. Wenn nicht, muss ich mir was überlegen. Ich habe ja noch einen halben Tag Zeit. Inarjoen Peter hat mir seine Telefonnummer geschickt.
In voller Konzentration werden die letzten Schritte durchgeführt. Der Schlitten kommt in einen Rucksackschutz. Die Schiebelehne auseinandergeschraubt in die Schneeschuhtasche. Das Essen in die gelbe Flyweight Tasche. Die Polarloftjacke (sniff – sie ist von ME und in Zelt- und Rucksackfarbe...) fliegt raus. Meine dünne Daunenjacke muss reichen. Die Daunenhose? Ich befrage die ODS-Hotline, aber sie will bei einer Fehlentscheidung nicht Schuld sein. Also bleibt die Dauenenhose (Gott sei Dank) drin. Der Puma kommt in den STS Eventkompressionsbeutel, damit er sich nicht aufplustern kann. Das Zelt in eine Varainte kleiner. Es wird zusätzlich mit Karabinern außen befestigt. Ein paar Elektronikteile bleiben ebenfalls zu Hause, dafür kommt das Groundsheet mit. Möglicherweise regnet es, dann brauche ich eine Plane zur Abdeckung.
Am späten Mittag wanke ich aus dem Haus. Die Bilanz (die Waage ist etwas ungenau):
Schlitten + 2 leere Thermoskannen: 6 kg
Rucksack 19 kg
Essen 10 kg
Schneeschuhe + Schiebelehne + Kamera 9 kg
Das macht zusammen 44 kg. Nun ja. Ohne die ca. 8 kg Schlitten und die Schneeschuhe wäre das für den Winter gar nicht so schlecht. Ich mache meinem Ruf als ULer alle Ehre.
Die Kameratasche (geschätzt 2 kg) kommt vorne an den Rucksack, die Schneeschuhtasche um den Hals, der Schlitten in die linke Hand und die Essenstasche in die rechte Hand. Heil komme ich an der U-Bahn an. So schwer ist das gar nicht. Stundenlang kann ich so zwar nicht laufen, aber für ein paar Meter ist das völlig in Ordnung. Einfacher, als mit einem sperrigen Fahrrad zu verreisen. Aufzugsgerecht. Der Zug nach Lübeck steht bereit. Das Abenteuer kann beginnen.
Anreise
In Lübeck kaufe ich noch zwei Zeitungen und ein Buch. Auf die paar Gramm kommt es auch nicht mehr an. Der Zug zum Terminal hat einen engen Einstieg. Mit Mühe zwänge ich mich durch eine Abteiltür und lasse alles fallen. Der Schaffner kommt, prüft mein Ticket, schaut mich lächelnd an und sagt: "Und nun möchten Sie den Aufschlag zur ersten Klasse bezahlen". Ich schaue ihn schockiert an, fluche "Sch..." und greife nach meinem Gepäck. Er lacht. "Bleiben Sie sitzen, das kriegen wir schon hin". "Hier ist sonst immer das Fahrradabteil", stammele ich. Ja, sagt er, das hier ist ein Sondereinsatzzug, der fährt nur zu dieser Zeit. Puh.
Am Terminal bin ich wie immer viel zu früh und lese die erste Zeitung. 3 Footpassengers sind außer mir da, ein Pärchen und eine Frau mit Rucksack. Die Frau und ich kommen ins Gespräch und unterhalten uns über die Deutsche Bahn. Nach 3 Minuten ist klar, dass wir uns jetzt ganz fies in die Haare bekommen. Wir holen tief Luft und beschließen, uns zu vertragen. Sie ist bereits Rentnerin und wird ein halbes Jahr in Oulo leben.
Die Toiletten der Ebene 7 funktionieren nicht. Das Schiff ist fast leer und wir werden alle auf Ebene 8 einquartiert. Ich erhalte ein Vierbettzimmer für mich alleine. Glück gehabt. Das Pärchen feiert mit einer Minikreuzfahrt ihren Geburtstag. Sie werden nur ein paar Stunden in Helsinki bleiben und fahren dann mit der selben Fähre wieder zurück.
Der nächste Tag ist sonnig und schön und man kann sogar auf der Terrasse sitzen.



Erst am Abend kommt Wind auf und erreicht Stärken von 9 Beaufort. Ich muss das Gepäck sichern, aber aus dem Bett falle ich nicht.
Ich bin kein Wanderer. Definitiv nicht. Natürlich vermag auch ich einen Fuß vor den anderen zu setzen und dies sogar über einen mehrstündigen Zeitraum. Manchmal verspüre ich dabei sogar eine emotionale Befriedigung. Aber mein Fahrrad ist mir lieber. Schnell wie ein Pfeil von Ort zu Ort. Wandern kann man dort immer noch. Oder sein Fahrrad schieben. Aber einfach nur Wandern? Irgendwie nicht mein Ding. So ganz ehrlich gesagt. Intuitiv gesehen.
Dummerweise will ich wieder nach Finnland. Im Januar. Radfahren hat sich bekannterweise im finnischen Frühwinter als weniger geeignetes Fortbewegungsmittel entpuppt. Skifahren kann ich nicht. Bleibt wohl nur Wandern. Warum nicht. Irgendwann ist immer das erste Mal. Ich plane meine erste Wandertour. Mit viel Gepäck. Mir ist klar: Ich brauche eine Idee.
Willst Du wirklich wieder im Januar nach Finnland? Hat es Dir da so gut gefallen?
Ich glaube ja, es wird Finnland. Ob es mir da gefallen hat? Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist das Licht. Ja. Es ist das Licht.
Du hast doch noch nie eine Wandertour gemacht. Und schon gar nicht mit einem schweren Rucksack. Du bist das doch gar nicht gewöhnt.
Naja, immerhin schiebe ich regelmäßig mein Fahrrad auf Tour. Auch über lange Strecken. Das wird schon gehen. Und mit Rucksack fahre ich auch täglich. Und der ist bei Einkäufen ganz schön schwer.
Das ist etwas anderes.
Ich weiß.
Die Vorbereitung.
Im Nachhinein betrachtet ist die nun geplante Tour eine logische Folge meiner Aktivitäten 2012. Erfahrungen mit dem finnischen Winter und Konditionsaufbau durch Fahrradschieben in der Bretagne. Meine Ausrüstung habe ich im Wesentlichen zusammen, aber ein paar Dinge, die auch noch empfindlich ins Geld gehen, sind dennoch zu beschaffen.
Der Plan
Auf einer Karte von Finnland schaue ich mir die Nationalparks an. Der Norden, also Lappland, fällt flach. Noch ist Kaamos (die Zeit, an der die Sonne nicht über den Horizont kommt), die Tage sind kurz und Ski fahren kann ich nicht. Ohne Begleitung mit Schneeschuhen auf Scooterspuren zu wandeln, ist mir zu riskant. Ich konzentriere mich auf den Süden und finde einen Link: http://www.spazieren.de/FIN/SW/fin_sw_wand_e6.htm
Das ist es. Von Turku Richtung Tampere. Der Gedanke begeistert mich. In der Region Turku ist es milder als im Norden, die Schneemengen sind moderater, der Wanderweg ist nicht ganz zivilisationsfern und ca. 80 km, nach Wunsch etwas mehr, klingen überschaubar. Ich suche nach Karten und finde keine. Auch der Fachhandel weiß nicht weiter. So habe ich nur meine Fahrradkarte (hier ist er eingezeichnet) und den auf der websiten hinterlegten Track als Grundlage. Das Abenteuer kann beginnen.
Nach der Tour steht Lappland auf dem Plan. Inarijoen Peter empfiehl Saariselkä. Dort kann man skifahren lernen, ist schnell in der Natur und dennoch in der Zivilisation. Schauen wir mal. Ich will mich noch nicht festlegen. Aber nach Lappland will ich auf jeden Fall. In das Land des Lichts.


Ja. Kein Zweifel. Ich suche das Licht.
Der Rucksack
Mein Lieblingsrucksack ist zu klein und der Test mit einem Leichtrucksack war im Sommer gescheitert. Eine Woche lang tat mir der Rücken weh. Anfang Oktober gibt es beim Broker den Helsport Spitzbergen 95l für knapp 200 Euro. Meine Farben. 3,4 kg. Ein gutes Tragesystem. Gekauft.

Ich packe ihn umgehend und bis zum Tourstart wird er gepackt in der Wohnung herum stehen. Beim Aufsetzen breche ich mir allerdings fast den Arm. Wie zum Teufel bekommt man so einen schweren Rucksack auf den Rücken??! Mit dem Hilfsmittel Tisch gelingt es und ich stelle mich auf die Waage: 32 kg. Das wird für meine Knie auf Dauer zu viel, das merke ich jetzt schon. Ich kann das Gleichgewicht nicht halten. Aber das Tragesystem ist sensationell. Nie hatte ich so viel Gewicht so bequem auf meinem Rücken. Ich packe Kocher und Essen wieder aus. Bis ca. 25 kg kann ich gehen. Immerhin. Meine Wohlfühl-Höchstgrenze lag bisher bei 12 kg. Wer trägt den Rest des Gespäcks? Ich brauche eine Idee.
Die Idee
Der Wanderweg bei der Serena Anlage taucht vor meinem geistigen Auge auf. Mein Fahrrad fehlte mir damals, es wäre schön, etwas zum Schieben zu haben. Aus dem Nebel der Erinnerung steigt das Bild einer Mutter auf, die ihr Kind beim Alstervergnügen in einem Schlitten über das Eis schob. Aber normalerweise nimmt man wohl eine Pulka. Ich pirsche zu Globi.
Die ersten Wintersachen sind schon aufgebaut, aber noch ist goldener Oktober. Auf dem Fenstersims liegt der Paris Sledge. 39 Euro. Ich hebe das Teil an, es rutscht mir polternd aus der Hand. Peinlich. Die Seiten sind scharfkantig und das Ding ist größer als ich. Kann ich mir vorstellen, dieses Teil auf der Fähre, im Zug und im Bus ständig dabei zu haben? Nein. Das Teil ist Sondertransport. Fjellpulken: Kleiner, gemütlich, aber zu schwer. Und erst der Preis! Nein danke. Die Kinder-Plastikdinger sind nur bis – 20 Grad kältefest und wirken instabil. Neben dem Paris steht ein Schlitten. 3,5 kg. Gut zu heben. Die richtige Größe. Gibt es das klappbar? Ja. Leider nicht in diesem Geschäft.
Die nächsten zwei Wochen werde ich zum Schlittenexperten. Davoser Schlitten, Hörnerrodel, Kreek, Hundeschlitten. Die Davoser Schlitten sagen mir zu. Robust und stabil. Kann man die überhaupt in Skandinavien einsetzen? Eigentlich spricht nichts dagegen, aber ich werde unsicher. Endlich finde ich eine Quelle, dass derartige Schlitten früher in den Alpen für den Lastentransport genutzt wurden. Im Tiefschnee nicht einfach zu ziehen. Bastler schrauben Skier unter die Kufen.
Klappschlitten gibt es leider nur wenige. Ich fühle mich wie bei der Zeltwahl: Leichte Schlitten sind weniger belastbar, belastbare Schlitten sind schwer. Ich entscheide mich für schwer. 150 kg Tragkraft. Made in Germany. Die Hölzer sind aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Sind die Schrauben kältefest bis – 30 Grad? Die Dame am Telefon bejaht.
Anfang November steht ein wunderschöner Gloco Klapprodel (Gewicht ca. 6 kg, Preis 105,00 Euro) zzgl. Schiebelehne (41,95Euro) in meinem Wohnzimmer. Direkt vom Hersteller. Wenn sich die Schiebelehne nicht bewährt, lasse ich sie in Finnland. Finnland ist Rodelland.
Ich lege den Rucksack drauf: Zu groß. Hhhm. Das muss ich anders machen. Den Schlitten gebe ich nicht mehr her.

Letzte Ausrüstungsfragen
Ich grübele. Eine Tasche für das Essen muss her, die mit dem Schlitten transportiert wird. Es wird der 400 Gramm schwere The North Face Flyweight Duffel, 31 L. Außerdem eine Tasche für die 30er Expedition Schneeschuhe. 11 Euro. Mittlerweile ist November und ich mache mir Sorgen um meine Fotos. Was ist, wenn ich wieder Nordlichter sehe und meine Kamera zu schlecht ist? Meine uralte Spiegelreflex scheitert am Sternenhimmel. Ich betrete ein Fotogeschäft mit einer klaren Preisvorstellung. Finanziell ruiniert verlasse ich den Laden. Den Urlaub müsste ich jetzt streichen. Und ein Zelt verkaufen. Aber die Kamera hat mein Herz erobert. Eine andere will ich nicht. http://olympusomd.com/de-DE/
Anfang Dezember baue ich im Beisein von balticskin das Unna auf. 2 kg Gewichtsersparnis locken. Es ist Schneeregen angesagt. Ich lege den Rucksack ins Zelt und es wird klar: Nur einer schläft im Zelt, der Rucksack oder ich. Balticskin (langjähriger, erfahrener Unna-Besitzer) hüstelt dezent. Die Botschaft kommt an. Ich hole den Troll aus dem Auto: Der Rucksack passt in die Apsis. Und ich passe sogar daneben. Der Troll kommt mit.
Eine Probewanderung auf durchweichtem Boden zeigt die Grenzen meiner Schuhe auf. Während balticskin leichtfüßig das Gelände durchstreift, watschel ich in den Sorel Caribou wie ein Stück Geflügel. Die Schuhe sind zu weich. Für´s Radfahren okay, aber für eine mehrtägige Wanderung auf schwierigem Untergrund nicht. Hört das Geld ausgeben denn nie auf? Es werden die Hanwag Fjäll extreme. Schneeschuhtaugliche Wanderschuhe mit Innenschuh und Hanwag Icegrip Sohle. Vorweg kann ich sagen: Verdammt gute Idee!
Nicht so erfolgreich sind meine Versuche, Müsliriegel zu basteln. Das Produkt zerfällt zu Staub und der Rauchmelder reagiert hysterisch. Ich packe Mars ein. Das Beef Jerky und das Jerky gelingen dagegen gut. Der Rest wird aus Trekking-Lunch Mahlzeiten bestehen. Auch wenn es Umweltverschmutzung ist. Der Versuch, selbstgedörrte vorgekochte Lebensmittel zu zu bereiten, endete in einer nicht zu beschreibenden Geruchsbelästigung des Stadtviertels. Nur eine Zilplocktüte voll gedörrter Nudeln findet den Weg in die Tasche. Dafür erstehe ich fürs ökologische Bewusstsein einen langen Holzlöffel auf dem Weihnachtsmarkt.
Und zuletzt....
….brauche ich natürlich ein Ticket. Die Deutsche Bahn hat am 8. Dezember Fahrplanwechsel, so dass ich die Entscheidung vertage. Grundsätzlichere Überlegungen gewinnen Oberhand:
Was mache ich, wenn zuviel Schnee liegt? Schneeschuhe nutzen. Handyempfang sollte ich in der Gegend haben, die Gegend dort ist am dichtesten besiedelt. Telefonnummer von Inarijoen Peter besorgen (gelingt auf den letzte Drücker
). Falls spuren zu viel Kraft kostet, muss ich abbrechen. Habe ich Plan B?

Was mache ich, wenn kein Schnee liegt? Das wäre natürlich der Super Gau. Verschieben der Tour geht nicht. Ich muss auf Glück hoffen. Täglich schaue ich die Wetterberichte an und bin erleichtert, als die Kälteperiode im Dezember kommt. Auch Schnee ist in Finnland endlich gefallen. Aber Plan B wäre nützlich.
Auf Plan B komme ich durch Zufall: Interrail wirbt mit seinem 40 jährigen Jubliäum. Ich informiere mich im Netz. Die Fahrt von Helsinki nach Rovaniemi kostet ca. 180 Euro. 3 Tage Interrail kosten 155 Euro, 6 Tage Interrail 208 Euro. Ich bin noch nie mit Interrail gefahren. Und es reizt mich: Wenn die Tour nicht klappt, schau ich mir das Land an. Das WAI im Gepäck besorge ich mir das 6 tägige Ticket. Nach meiner Rechnung würde zwar das 3 Tage Ticket reichen, aber ein wenig Puffer ist im Winter nicht zu verachten. Wer weiß.....
Über die Feiertage grübele ich: Europaticket Bahn / Fähre Stockholm-Turku oder Busreise / Stockholm-Turku stehen in Konkurrenz zur Fährfahrt Lübeck-Travemünde-Helsinki. Am billigsten ist die Bahn (einmal umsteigen in Kopenhagen, 39 Euro), am einfachsten der Bus (ca. 90 Euro). Dazu kommt die Fährfahrt (ca. 120 Euro Interrail), Übergepäck (Bus) und Übernachtung in Stockholm (Bahn). Das begeistert mich alles nicht. Finnlines hat in diesem Jahr die Preise deutlich erhöht, so dass ich mir keine Kabine mehr leisten kann. Ich buche ein Bett in einer 2er Außenkabine. Vielleicht habe ich ja Glück und es findet sich kein Mitreisender. Für die gleichzeitige Buchung der Rückfahrt gibt es 20 Prozent Rabatt. Die Rechnung beläuft sich somit auf ca. 250 Euro pro Fahrt. 24 Euro für die Anreise per Bahn nach Lübeck kommen noch drauf. Das ist es mir wert.
Und los geht es......
Bekanntlicherweise ist Weihnachten 2012 durch einen Wärmeeinbruch gekennzeichnet, der Temperaturen um 16 Grad beschert. Plus, wohlbemerkt. Die Wärmeperiode macht vor Finnland nicht halt. Waren im Dezember in der Turku Region dicke Minustemperaturen, so wird es Anfang Januar warm um 0 Grad. Ich werde nervös. Aber ein Zurück gibt es nun nicht mehr.
Meine Fähre geht am 4 Januar morgens um 3.00 Uhr. Am 3. Januar stelle ich die seit Oktober gepackte Ausrüstung noch einmal auf den Prüfstand. Die Schuhe sind eingelaufen, aber mein Gepäckkonzept habe ich nicht geprüft. Zu groß meine Befürchtung, dass es nicht klappen könnte. Die Vogel-Strauß-Methode ist mir lieber: Einfach los laufen. Wenn ich es bis zur U-Bahn schaffe, klappt die Tour. Wenn nicht, muss ich mir was überlegen. Ich habe ja noch einen halben Tag Zeit. Inarjoen Peter hat mir seine Telefonnummer geschickt.
In voller Konzentration werden die letzten Schritte durchgeführt. Der Schlitten kommt in einen Rucksackschutz. Die Schiebelehne auseinandergeschraubt in die Schneeschuhtasche. Das Essen in die gelbe Flyweight Tasche. Die Polarloftjacke (sniff – sie ist von ME und in Zelt- und Rucksackfarbe...) fliegt raus. Meine dünne Daunenjacke muss reichen. Die Daunenhose? Ich befrage die ODS-Hotline, aber sie will bei einer Fehlentscheidung nicht Schuld sein. Also bleibt die Dauenenhose (Gott sei Dank) drin. Der Puma kommt in den STS Eventkompressionsbeutel, damit er sich nicht aufplustern kann. Das Zelt in eine Varainte kleiner. Es wird zusätzlich mit Karabinern außen befestigt. Ein paar Elektronikteile bleiben ebenfalls zu Hause, dafür kommt das Groundsheet mit. Möglicherweise regnet es, dann brauche ich eine Plane zur Abdeckung.
Am späten Mittag wanke ich aus dem Haus. Die Bilanz (die Waage ist etwas ungenau):
Schlitten + 2 leere Thermoskannen: 6 kg
Rucksack 19 kg
Essen 10 kg
Schneeschuhe + Schiebelehne + Kamera 9 kg
Das macht zusammen 44 kg. Nun ja. Ohne die ca. 8 kg Schlitten und die Schneeschuhe wäre das für den Winter gar nicht so schlecht. Ich mache meinem Ruf als ULer alle Ehre.
Die Kameratasche (geschätzt 2 kg) kommt vorne an den Rucksack, die Schneeschuhtasche um den Hals, der Schlitten in die linke Hand und die Essenstasche in die rechte Hand. Heil komme ich an der U-Bahn an. So schwer ist das gar nicht. Stundenlang kann ich so zwar nicht laufen, aber für ein paar Meter ist das völlig in Ordnung. Einfacher, als mit einem sperrigen Fahrrad zu verreisen. Aufzugsgerecht. Der Zug nach Lübeck steht bereit. Das Abenteuer kann beginnen.
Anreise
In Lübeck kaufe ich noch zwei Zeitungen und ein Buch. Auf die paar Gramm kommt es auch nicht mehr an. Der Zug zum Terminal hat einen engen Einstieg. Mit Mühe zwänge ich mich durch eine Abteiltür und lasse alles fallen. Der Schaffner kommt, prüft mein Ticket, schaut mich lächelnd an und sagt: "Und nun möchten Sie den Aufschlag zur ersten Klasse bezahlen". Ich schaue ihn schockiert an, fluche "Sch..." und greife nach meinem Gepäck. Er lacht. "Bleiben Sie sitzen, das kriegen wir schon hin". "Hier ist sonst immer das Fahrradabteil", stammele ich. Ja, sagt er, das hier ist ein Sondereinsatzzug, der fährt nur zu dieser Zeit. Puh.
Am Terminal bin ich wie immer viel zu früh und lese die erste Zeitung. 3 Footpassengers sind außer mir da, ein Pärchen und eine Frau mit Rucksack. Die Frau und ich kommen ins Gespräch und unterhalten uns über die Deutsche Bahn. Nach 3 Minuten ist klar, dass wir uns jetzt ganz fies in die Haare bekommen. Wir holen tief Luft und beschließen, uns zu vertragen. Sie ist bereits Rentnerin und wird ein halbes Jahr in Oulo leben.
Die Toiletten der Ebene 7 funktionieren nicht. Das Schiff ist fast leer und wir werden alle auf Ebene 8 einquartiert. Ich erhalte ein Vierbettzimmer für mich alleine. Glück gehabt. Das Pärchen feiert mit einer Minikreuzfahrt ihren Geburtstag. Sie werden nur ein paar Stunden in Helsinki bleiben und fahren dann mit der selben Fähre wieder zurück.
Der nächste Tag ist sonnig und schön und man kann sogar auf der Terrasse sitzen.



Erst am Abend kommt Wind auf und erreicht Stärken von 9 Beaufort. Ich muss das Gepäck sichern, aber aus dem Bett falle ich nicht.
Kommentar