[NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

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  • Fjaellripan
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    • 19.01.2008
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    #21
    AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

    Urgewalten. 9.08.09
    Akustische Impression
    Am nächsten Morgen weht ein wenig Wind. Und wenig später weht noch ein wenig mehr Wind. Als peitschende Windböen am Zelt zerren, ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich mach noch eine sarkastische Bemerkung bezüglich Johannes Windwunsch gestern. „Aber wenigstens ist es trocken!“ Zack – Prasselnder Regen setzt ein. Klasse. Wir verspüren vorerst keinen Wunsch nach draußen zu torkeln und mapfen in der Höhle.
    Allen uns gefälligen Regeln lässt der Regen diesmal nicht nach und so kommt die volle Regen-Montur zum Einsatz. Der in Intervallen herab wehende Regen und die Böen laden auch nicht wesentlich zum Verweilen ein und so sind wir recht schnell unten am Selfjord, wo der Wanderweg an einem Gehöft in eine Schotterstraße übergeht. Die Wolken rasen dahin und vereinzelt erscheinen Lichtlöcher. Na bitte, es geht doch!
    Auf dem Schotterweg geht es recht schleppend voran. Die Strecke streckt sich streckenweise dahin und die Landschaft ist weniger reizvoll. Knapp vorm Einstieg zum Kvalvika-Weg, kommt ein Auto von hinten heran und stoppt. Ein Norweger streckt seinen Kopf aus dem Fenster und fragt, ob er uns ein Stück mitnehmen soll. Nett, aber gerade jetzt ist es nicht nötig, ist der Wanderweg ja schließlich schon in Sichtweite.
    Der Wanderweg schlängelt sich über Schafweiden dahin. Die mit kleinen Baumgruppen, Seen und Felsblöcken durchsetzten Wiesen sind ein idyllisches Beispiel ästhetischen Kulturlands. Die über uns dahin rasenden Wolkenlöcher malen auf den Wiesen, Gipfeln und schroffen Klippen, heben mal das eine, mal das andere Detail der Landschaft hervor, markieren Linien, zeichnen Flächen, im ständigen Wechsel. Ein Fotografen-Eldorado.
    Hier sehen wir die einzige Schutzhütte auf unserer ganzen Reise, ein grasbewachsenes, hübsch anzusehendes Hüttchen, das als Unterschlupf, aber wenig taugt, es zieht wie Hechtsuppe. Ein paar scheue Schafe beäugen uns kritisch. Wir gehen weiter zur Schlucht, wo der Weg sich über große Felsblöcke zwischen Bergflanken und einem kleinen klaren See hindurch quetscht.




    Wir erreichen den westlichen Strand von Kvalvika. Die Bucht ist offener als Horseid und wirkt in dem wilden Wetter heute auch wesentlich unwirtlicher. Der erste Punkt hat auch ein wesentlich höheres Müllangebot zur Folge. Der Strand ähnelt stellenweise einem Schrottplatz und nach einigen Schritten barfuß im Sand detektieren die Fußsohlen klebrige Feuchtigkeit. Ein Blick hinter eine Düne offenbart seltsame unbeschriftete Kanister und Plasteflaschen und die Läuferchen werden rasch wieder verpackt. Wir entern den Strand seitlich rollend eine hohe Düne hinab und gehen zum Seeschlag vor. Doch dieser Strandabschnitt wird von einer großen Schar Seeschwalben-Miliz bewacht, die auch sogleich mit Krakeel einschreitet.
    Also halten wir uns nicht lang auf, sondern folgen weiter dem Weg. Da grad Flut ist, führt dieser über einige größere Felsen, die den Kvalvika-Strand quasi zweiteilen. Einige Kletterhilfen erleichtern die Kraxelei, dennoch ist der Abschnitt recht abenteuerlich.
    Der andere Strand ist nicht so stark verseucht. Hier befindet sich auch der alte Siedlungsplatz. Ein Keller ist noch zu entdecken, auch die Stellen ehemaliger Kartoffelfelder sind noch zu erahnen. Die sanft welligen Dünen sind mit einem golfplatzartigen Rasen bedeckt, der stellenweise auch stark erodiert ist. Hinter jedem Fels lugen die weißen Köpfe der Übeltäter hervor – Schafus norvegicus.
    Am alten Siedlungsplatz befindet sich ein kleines Informationsschild, Bänke, Feuerstellen, Trinkwasserauffangbecken, ein aus Strandgut errichteter Spielplatz und ein Geocache. Eine Gruppe von Tagestouristen tingelt umher, zieht aber schon bald wieder von dannen, nachdem sie noch ausgiebig einen riesigen Walknochen beglotzt haben. Eine Frau spricht uns an, sie war auch auf der Reinefähre. Ungläubig starrt sie uns an, als ihr klar wird, dass wir zu Fuß hier her gekommen sind.
    Wir beschließen hier zu bleiben, obwohl es erst kurz nach drei und ziemlich windig ist. Eine gute Entscheidung. Das Zelt wird in einer grabenartigen Mulde errichtet, nachdem der Lagerplatz soweit möglich von Schafscheiße befreit ist. Manche der Wiederkäuer haben jedoch offenbar Verdauungsprobleme und produzieren steinharte Bällchen, die am Boden festkleben, da ist nichts zu machen.
    Jetzt fehlt noch ein ordentliches Lagerfeuer. An Brennmaterial mangelt es wirklich nicht, schwieriger ist es da schon, Steine für die Abgrenzung der Feuerstelle zu finden. Bald brutzelt die Suppe und ein Tee und unseren Magen mit Wärme füllend schauen wir auf das rauschende Meer. Durch die Wolkendecke brechende Strahlen gleiten über das grüne, aufgewühlte Nordmeer, von hohen Steilen Klippen eingerahmt – ein gigantischer Anblick. Nur die gezimmerten Bänke stören die Wirkung der Naturgewalten etwas. Verheizen!



    Am Abend beschließen wir spontan den Felsen Ryten zu besteigen, der sich rechterhand 543 Meter fast senkrecht aus dem Meer erhebt. Der Steig ist wesentlich weiter als gedacht, aber das bereuen wir zu keiner Minute, denn nun eröffnet sich der wahrscheinlich unvergesslichste Anblick, der uns stark beeindruckt und tief berührt. Die Sonne steht tief, doch die Wolken sind zu dicht für einen Sonnenuntergang, den wir uns erhofft hatten. Stattdessen zeigt sich ein viel beeindruckenderes Schauspiel: Durch ein Loch der tief über dem Ozean hängenden Wolken tasten tiefgelbe Sonnenstrahlen über das Wasser, fließen auf uns zu und besprenkeln schließlich das pechschwarze Meer tief unter uns mit Goldfunken. Der Wind peitscht uns in die Haare, zwei Raben schweben im Aufwind der Klippe. Hier ist die Natur in ihrer Urkraft, fließt mit Wucht in unsere Sinne und gibt uns das Gefühl grenzenloser Freiheit. Eine halbe Stunde stehen wir da. Schweigend. Sturmgepeitscht.


    Als wir wieder am Strand ankommen, ist das Meer zurück gewichen, der Wind hat sich beruhigt. Lang sitz ich noch auf den schwarzen Klippen, lasse das Rauschen in mich fließen, betrachte die Gischt, die bei jedem Brecher in die Höhe spritzt. Und bin zutiefst glücklich.
    Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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      #22
      AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

      Der Blick vom Ryten hinab ist schon atemberaubend! Sehr, sehr atemberaubend!
      Ich habe mich unglücklcherweise auf dem Weg hinauf ein wenig verlaufen und musste querfeldein über Geröllfelder marschieren. Unlustig. Der Ausblick hingegen entschädigt für jede Mühe.

      P.S. Ich meine mich tatsächlich schwach an deinen langhaarigen Kumpanen erinnern zu können. Dachte aber, ihr hättet dort inmitten der Felsenformation gezeltet? Da habt ihr ja schon ordentlich Weg in den Beinhen gehabt, als wir uns getroffen haben - ich war gerade maximal 5 Minuten unterwegs ;)

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      • Fjaellripan
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        • 19.01.2008
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        #23
        AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

        Bin schon gespannt, wie es bei dir weiter geht!
        Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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        • Gast-Avatar

          #24
          AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

          Möcht auch wissen, wie es weitergeht!
          Schöner Bericht, gut geschrieben.

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          • Ari
            Alter Hase
            • 29.08.2006
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            #25
            AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

            OT:
            Ich meine mich tatsächlich schwach an deinen langhaarigen Kumpanen erinnern zu können
            - auf die Gefahr hin, dass ich schon wieder daneben liege - ich dachte fjaellripan wäre der "langhaarige Kumpan".

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            • Fjaellripan
              Erfahren
              • 19.01.2008
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              #26
              AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

              On the road again. 10.08.09
              Der abgeflaute Wind und die ungemein beruhigende Soundkulisse des Meeres lassen uns gut schlummern. Und so werden wir erst gegen halb zehn wach, als die Sonne auf unser Zelt scheint. Unser Zeltnachbar, ein Franzose, ist längst über alle Berge, nachdem er anscheinend seine Drohung vom Vortag wahr gemacht hat und im Nordatlantik Baden gegangen ist.
              Da nun auch wieder die Tagestouries lawinengleich über den Pass quellen, ziehen wir es vor, alsbald selbigen anzusteuern (natürlich nicht, bevor wir uns ein opulentes Mahl reingezogen haben). Der Wanderweg ist schnell abgelaufen, kurz vor der Straße kommen wir allerdings wieder mal vom rechten Weg ab, von einem Schafspfad in die Irre geleitet. Die Konsequenz ist einen kleinen Abhang zur Straße und einen Weidezaun zu überwinden. Das war dann auch schon der Trek des Tages, denn jetzt folgen 25 km Gewatschel auf Asphalt.
              Zum kleinen Fischerort Fredvang und dann über die zwei Bogenbrücken, das ist noch ganz spaßig – kaum Verkehr und schöne Landschaft. Die Brücken sind von einem Spalier Laternenmasten flankiert, jeder mit eigener Möwe, die provozierend mit dem Hinterteil wackelnd, eine Schiet-Kaskade androht. Der Weg ist gepflastert mit einem zerfetzten Gliedmaßen und aufgebrochenen Leibern diverser Meeresbewohner. Das lenkt unsere Aufmerksamkeit auf unsere knurrenden Mägen. Auf einer kleinen Insel zwischen den Brücken, verlassen wir kurz den Asphalt um hinter einem kleinen Hügel mit schönem Blick über die Küste Mittag zu essen. Hinter dem Wall lieben sich gerade zwei, nun gut, dann ein bisschen weiter nach Süden. Hier steht die erste und einzige Kiefer, die ich auf den Lofoten sehe. Das Wasser strömt durch die Landenge, von den Gezeiten getrieben. Wir beobachten eine Ente, die unbeirrt vorwärts paddelt und rückwärts schwimmt. Das Wasser ist wieder türkis und kristallklar. Wahnsinn.

              Nach der zweiten Brücke sind wir nun auf Flakstadøya, der zweiten Lofoteninsel, die wir im Rahmen dieser Tour besuchen. Nun heißt es wieder Asphalt kauen – auf der E10. In Wellen schreddern Kühlschränke und Buskonserven an uns vorbei und keiner macht Anstalten uns mitzunehmen. Warum auch – sind ja genügend andere da, die das machen können. Macht aber keiner. So bleibt uns nix anderes übrig, als Abgas schnüffelnd by foot nach Ramberg zu gelangen. Dort wollen wir unsere Vorräte aufstocken, was wir denn auch tun. Von Ferne schon zeugt ein Riesenfelsen mit leichtem Überhang von der Herkunft der Ortsbezeichnung. Hier scheint mal was Großes gegen gerammt zu sein.
              Johannes lässt den Tourie raus und holt sich eine Ansichtskarte in der Touristinfo um seinem Bruder einen Geburtstagsgruß zu verpassen. Ich seh mich im Minipris um und stelle rasch fest, dass die Geschäftsleiter einen guten Sinn für Ironie haben, was zur raschen Dämpfung der Konsumfreudigkeit führt. Immerhin haben wir mal wieder was Frisches zwischen den Hauern.
              Wir wackeln wieder zurück bis zum Abzweig nach Nesland. Bei jedem vorbei kommenden Fahrzeug lüften wir die Daumen, doch mittlerweile geht der Tag zur Neige, Touries sind hier keine unterwegs und die Einheimischen werfen den zwei haarigen unrasierten Pennern aus Deutschland nur einen missmutigen Blick zu. Die zehn Kilometer ziehen sich enorm in die Länge. Etwa ab der Hälfte geht die Straße in eine Schotterpiste über, die kaum den Anschein erweckt, dass sie noch irgendwo hin führt. Die Landschaft ist geprägt von langweiligem baumlosen Weideland mit zerstreuter Bebauung. Auch die den Fjord umgebende Berglandschaft ist nicht sonderlich spektakulär. Gegen Ende dann jedoch kann man auf die schroffen Berge der Küste von Moskenesøya gucken und in der Ferne leuchten die Festlandberge in der Abendsonne, während über uns eine graue Brühe klebt.
              Nesland ist ein hübsches Örtchen zwischen runden Klippen, das allerdings nur von Möwen bevölkert zu sein scheint, welche sogleich zum Geschrei anheben. Allerdings zeugen zahlreiche Einschusslöcher im Ortsschild von den wilden Tragödien und Ehedramen die sich hinter den Kulissen dieser Idylle abspielen.
              Am Ende der Straße geht der Wanderweg ab und mit müder Freude endlich wieder richtiges Land unter den Füßen zu haben gehen wir ein Stück, bis wir außer Sichtweite der Häuser sind. Wir sind fix und fertig. Fließend Wasser ist nirgendwo zu finden, doch wir entdecken eine Trinkwasserleitung und folgen ihr, bis wir an den Bach gelangen.
              Es ist 21 Uhr und, äh sagte ich schon dass wir völlig fertig sind?! Mit letzter Kraft wird das Zelt aufgestellt, reichlich schief, und noch was gekocht – Spätzle mit Champignoncremesuppe, die viel zu plürrig wird. Das Zelt steht uneben und drei Sorten Stechinsekten arise from the ground, weil der Wind völlig abgestorben ist.
              Aber geht schon, geht schon!
              Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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              • Gast-Avatar

                #27
                AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                Oha! Wollt ihr weiter nach Nusfjord?

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                • Fjaellripan
                  Erfahren
                  • 19.01.2008
                  • 149
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                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                  Jo! Sach bloß den seiter auch gelaufen.
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                  • Gast-Avatar

                    #29
                    AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                    Nene, aber ich glaube meine Eltern haben mir mal davon vorgeschwärmt

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                    • Fjaellripan
                      Erfahren
                      • 19.01.2008
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                      #30
                      AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                      Ironie?
                      Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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                      • Fjaellripan
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                        #31
                        AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                        Lebertran. 11.08.09
                        Der heutige Tag ist geprägt amphibischer Luftqualität. Wir sind unterwegs auf dem landschaftlich recht schönen, aber heut reichlich grauen Pfad nach Nusfjord. Die Felsen, auf denen wir uns bewegen sind von der Eiszeit rund abgeschliffen und verwittert, somit bildet die hiesige Landschaft einen Kontrast zu den vorangegangenen Touren, die von schroffen steilen Klippen und zackigen Gipfeln geprägt waren. Zudem ist dieser Weg weit weniger frequentiert als die Wege auf Moskenesøya und dem geneigten Historiker oder Geologen bieten sich einige Attraktionen. Das erste sind die Trollkessel, von der ewigen Brandung rund ausgeschliffenen Höhlungen im Fels, die oftmals noch murmelartige Steinbrocken enthalten. Davon sehen wir aber nix. Das verwitterte Holzschild weist auf einen hyperbelartigen blanken Felsabhang, der bei dem Geniesel ein idealer Ort ist Aquaplaning zu erleben. Eine große Gruppe grauhaariger Gestalten mit bunten Regenüberzügen über ihren faustgroßen Rucksäcken lässt sich davon nicht beirren und verschwindet aus unserem Sichtfeld. Wenig später bekrabbeln sie den Geröllstrand, trotz Mangel an Vibram-Sohlen unversehrt. Dennoch belassen wir die Trollkessel an Ort und Stelle und nutzen die Gunst der Stunde um menschenfrei den Weg fortzusetzen.
                        Der Weg ist leicht gängig – zunächst. Nach einem mit hunderten Steintürmchen übersäten Felsplateau führen uns die roten Markierungen geradewegs auf ein großes Geröllfeld mit gewaltigen scharfkantigen Felsblöcken, zwischen denen man sich lustig einklemmen kann, wenn man einen falschen Schritt tut. Auch ist es sicherlich wenig lustig für unsere Stiefel auf messerscharfen Kanten zu balancieren. Doch auch diese Hürde meistern wir heldenhaft und so kommen wir in ein kleines grünes Tal. Dort treffen wir auf eine schnaufende dreiköpfige Familie. Ob es denn weit sei nach Nesland und schwer. „Very heavy, you even have to climb over sharp rocks and slippery stones. Very very heavy!“ Die drei sind schneller wieder in Nusfjord als wir beide…
                        Tief hängen die Wolken an den Flanken der umgebenden Berge als wir in das historische Nusfjord hinab steigen. Der Ort steht unter Unesco-Kulturschutz, denn die Siedlungsstruktur entspricht noch weitgehend dem Lofoten-Fischerdorf, das es einst war, und die Hälfte der Gebäude ist noch aus der Zeit erhalten, als hier Stockfisch und Lebertran wie am Fließband produziert wurden. Entsprechend ist der Ort ein regelrechter Magnet für Tagestouristen. Verständlich, denn malerisch ist der Ort auf jeden Fall. Im stärker werdenden Regen essen wir auf dem kurvigen Steg Mittag und rümpfen die Nase über ein protziges Motorboot, dessen stiernackiger solariumgebräunter neureicher Norweger sein dickes Kind an Bord zerrt und den Motor aufheulen lässt. Doch es finden sich auch historische Kutter und Boote, die von Johannes, der Bootsbauer ist, fachmännisch begutachtet werden. Der Regen malt Kreise ins Hafenbecken, auf dessen Grund man Krabben und Seesterne miteinander ringen sehen kann. Eine Gruppe Taucher fährt ein, vom wilden Gekreisch der allgegenwärtigen Möwen begrüßt. Während sie ihre Ausrüstung an Land schleppen, steht eine am Historischen offenbar völlig uninteressierte Oma mit großen Augen da und fragt (auf Deutsch!): „Sagen Se mal, was passiert denn, wenn Se mit dem Schlauchboot über einen Felsen fahren?“ Als sie von den Froschmännern ignoriert wird, ruft sie entrüstet: „Die hören mir überhaupt nicht zu!“
                        Wir flüchten vor unseren Landsleuten in die Lebertranfabrik und die anderen historischen Gebäude. Der Reisekumpel ist nur schwer wieder aus dem Bootsschuppen rauszukriegen, wo er optisch an einem historischen Fischerboot mit wikingerartig weit nach oben gebogenen *komplizierter nautischer Begriff* klebt.
                        Doch auch dieses Liebesspiel hat einmal ein Ende und wir verlassen das Dorf auf der Straße. Dabei bemerken wir, dass wir als Wanderer vom Süden kommend elegant ein Kassenhäuschen umgangen sind, das hier den massenhaft aus Blechkarossen purzelnden Konsorten 50 Kronen abverlangt.
                        Nach einem Stück auf der Straße, knapp nach Fjordende und einer Aquakultur, biegt der Wanderweg wieder ab und geht ziemlich steil und quer durch die Botanik den Berg hoch. Stellenweise ist der Pfad abgebröckelt und ausgewaschen, anderswo sind komfortable Schotterwälle aufgeschüttet. Dem mit Mühe hochgearbeiteten Stück folgt wieder ein Abstieg bis auf Meeresniveau, wo ein, zwei Häuser unter der Ortsbezeichnung Kilan und einige Kühe knietief im Schlamm stehen. Der Wegweiser nach Napp lenkt uns über die aufgeweichte Wiese und wieder einen Hang hoch. Als wir den Bergkamm überquert haben, ist wieder jegliche Zivilisation verschwunden und wir sind allein mit einigen Dutzend Schafen, die der Ökologie dieses Gebietes arg zusetzen. Ansonsten ist die Gegend recht hübsch und so ganz anders als auf Moskenesøya. Und der recht gut markierte Weg ist, wie gesagt sehr gering frequentiert (bis nach Napp, wo wir am Nachmittag des nächsten Tages eintreffen, läuft uns niemand anderes über den Weg), Geheimtipp also!
                        Auf der anderen Küstenseite, mit Blick auf die nächste Lofoteninsel, suchen wir einen Zeltplatz, was sich als äußerst schwierig erweist, da zum Einen der heutige Regen lang nicht gereicht hat um die ausgetrockneten Bachläufe wieder zum Sprudeln zu bringen und zum Anderen das Gebiet um den Weg größtenteils aus nacktem rau zerschurftem Fels besteht, was wir Zelt, Isomatte und Rücken nicht abverlangen können. Letztendlich lassen wir uns auf einer Klippe mit Meerblick nieder. Der leichte Bewuchs bietet den Heringen noch etwas Halt. Als Wasserquelle dient ein Rinnsal, das sich mit viel Phantasie sogar etwas in Bewegung befindet. Als Schöpfstellen dienen zwei vom Sickerstrom gefüllte Becken im Fels, von denen eins von vier aufgedunsenen schrumpligen Fußflatschen in Schuhform verseucht wird. Aber das muss sein, denn die Läuferchen fangen nach zehn Stunden Einweichzeit bedenklich zu jucken an. Nach dem genüsslichen Geplansche (man ist ja schon mit wenig zufrieden) reißt auch noch der Himmel auf und die felsige Bucht wird von der schwachen Abendsonne betupft. Allerdings wird es dadurch, dass es aufklart, auch schnell recht kalt, als die Sonne verschwunden ist. Aber wir haben erst mal ne warme Suppe im Rachen und nachdem wir das andere Wasserbecken mit Zahnpasta verseucht haben, kriechen wir in die warmen Schlafsäcke.
                        Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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                        • jeskodan
                          Fuchs
                          • 03.04.2007
                          • 1844
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                          #32
                          AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                          kleiner einwurf nochmal zum ersten Beitrag.

                          Ist es nicht normal in abgelegenderen Gegenden keinen Weg zu haben/ einen theoretischen Weg zu haben der praktisch nicht existiert ( bei großformatigen Karten etc findet man ja oftmals eingezeichnete Passmöglichkeiten hat aber keinen weg drüber, sondern muss vor Ort entscheiden ob das möglich ist).

                          es gibt da gerade im Osten schon einen Haufen gegenden wo es keinen echten weg gibt, schließlich ist der orientierrungssinn und kompass ja auch zu irgendwas gut. oder seid ihr alle nur auf wegen unterwegs?

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                          • Gast-Avatar

                            #33
                            AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                            Wann geht das hier weiter?

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                            • Fjaellripan
                              Erfahren
                              • 19.01.2008
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                              #34
                              AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                              Steinzeitrelikte. 12.08.09
                              Still liegt das Meer da, graue Wolken hängen darüber und senden leichte Schauer hinab. Zwei Seeadler kreisen über der stillen menschenleeren Landschaft. Unsere Blicke folgen den majestätischen Vögeln, die es hier noch zahlreich gibt. Auch botanisch gibt’s hier einiges zu entdecken, so wächst zwischen den Felsen Sonnentau, eine kleine fleischfressende Pflanze.
                              Der Tag heute ist wieder recht amphibisch, obwohl sich heute im Gegensatz zu gestern die Ergüsse auf gelegentliche Schauer beschränken.
                              Kurz nach dem Lagerplatz passieren wir ärgerlicherweise drei ordentliche Bäche, einer davon sogar mit duschtauglichem Wasserfall. Das sollte nicht das letzte Mal sein, dass wir wegen Trinkwassermangel auf irgendein Rinnsal zugreifen müssen und dann feststellen, dass nicht weit ein Bach zu finden ist. Hier hätte eine Karte mit entsprechendem Maßstab nicht geschadet…
                              Trotz allem, der Weg ist landschaftlich recht schön und wir sind allein unterwegs, sieht man mal von den sämtlichen wolligen Gefährten ab, die auf eine zweibeinige Begegnung nicht sonderlich viel Wert legen. Zudem ist der Pfad gut markiert und im Allgemeinen leicht gangbar mit einigen spaßigen Ausnahmen: An einer Stelle muss man sich, seitlich an die senkrechte Felswand gestemmt, an einer Kette über einen Abgrund hangeln. Anderswo quetscht man sich unter niedrigen Felsvorsprüngen hindurch, was sich mit dickem Rucksack, der dazu neigt überall hängen zu bleiben, ganz besonders gut macht. Zum Teil läuft man auf schrägen, unbewachsenen Felsflächen, deren Oberfläche hier jedoch in sehr feine scharfkantige Strukturen verwittert ist, die der Sohle auch bei Nässe Halt gibt, aber auch sehr schnell Löcher in die Ausrüstung reißt (wie bei den oben erwähnten Felsvorsprüngen). Einmal führen die Wegmarkierungen in einen natürlichen Tunnel etwa 10 m weit unter gewaltigen Felsblöcken hindurch. Hier ist ein gewaltiger keilartiger Fels vom Berg abgesplittert und die darunter liegenden Klippen gerammt, sodass diese aufgespalten wurden. Eine gute Abkürzung, denn so spart man sich mühselige Kraxeleien.
                              Wir folgen dem Verweis zur Storbåthellaren. Nach einer kleinen Verirrung finden wir die Höhle, die im Grunde ein gewaltiger Felsüberhang ist. Der Ort wurde bereits zur Jungsteinzeit als Unterkunft genutzt wurde und später als Bootsschuppen diente, daher der Name. Noch später diente der Ort als Liebesnest, aus der Zeit stammt der Rosenstrauch am linken Rand der Höhle. Noch später kam ein Survivalfreak, baute sich ein Bett aus Reisig und versuchte sich mit Feuersteinen pyromanisch zu betätigen, musste jedoch einsehen, dass derartiges Wissen im Laufe der Jahre verloren gegangen ist, was sich aus der Streichholzschachtel ableiten lässt, die eingängige archäologische Begutachtungen zu Tage fördern. Noch später krabbeln zwei norddeutsche Wandersleut in den feuchten Winkeln umher und beschließen vorerst keine Rast einzulegen. Wenig später regnet’s. Da wir bereits im Versuch auf direktem Wege wieder auf den Wanderweg zu gelangen ein gutes Stück an der Steilwand linkerhand der Höhle empor gekraxelt sind, pausieren wir auf einem sehr schmalen Felsvorsprung und werfen uns ne Wurst ein. Glücklicherweise ist hier auch ein leichter Überhang sodass an den Fels gelehnt nur die Regenhosen nass werden. Wir fühlen uns ganz wie ne brütende Dreizehenmöwe und genießen den Blick über die Bucht, schnabbeln was weg und dann hat’s auch schon wieder aufgehört zu regnen.
                              Wir passieren eine kleine, nur durch einen schmalen Zulauf mit dem Meer verbundene Bucht mit Kiesstränden. Durch die Gezeiten kommt es zu einem stetigen Strom durch die bachartige Enge, mal in die eine, mal in die andere Richtung – ein Paradies für filtrierende Arten, wie Miesmuscheln, die hier massenhaft gedeihen. Uns gefällt der Ort so, dass wir trotz der frühen Stunde, beschließen zum paradiesisch anmutenden Strand vorzudringen und dort zu zelten, denn wir haben nicht mehr so viel für die nächsten Tage geplant und schleppen uns zudem heute recht schlaffimäßig dahin. Doch daraus wird nichts, denn wir müssen feststellen, dass keiner der Strände ohne waghalsige Klettereien zu erreichen ist.
                              So setzen wir den Weg fort. Bei einem isolierten Gehöft ohne Weg- und Stromanbindung sind besonders viele Trampelpfade der Schafe im üppigen Grünland, sodass wir in die Irre geleitet werden und in einen runden, sumpfigen Talkessel geraten. So sehen wir zwar wieder ein paar schöne Ecken, müssen aber wieder lange suchen, bis wir den Weg gefunden haben. Wer also den Weg gehen möchte, tut gut daran sich immer am Gehöft zu halten und nicht ins kleine Tal abzubiegen!
                              Aus diesen Gründen und auch unserer gemächlichen Gangart sind wir trotz der weniger als 10 km langen Strecke erst spätnachmittags in Napp. Wir rasten auf einem Felsen oberhalb des Ortes, beobachten die einlaufenden Kutter, fressen Schoko und überlegen die weitere Reiseplanung. Nach einigem Geeier beschließen wir zurück nach Sørvågen zu fahren, den Wanderweg zum Hermanndalstinden zu machen und dann Freitach zum Festland zurück zu fahren um das Wochenende im Rago Nationalpark zu verbringen. Soweit die Theorie. In der Praxis rächt sich die Kurzfristigkeit der Reiseplanung in allen Punkten. Punkt 1: Busabfahrt in Napp 17.30. Als wir das an der Haltestelle lesen, ist es 17:35. Gut, peace Alter, gehen wir halt zurück in die Botanik und kochen uns ein Süppchen. Kommt nämlich noch ein Bus um 21:15.
                              Wieder zurück am Felsen, kommt schon so was wie ein heimatliches Gefühl auf. Aber die Erkundungen nach Trinkwasser gestalten sich wieder mal schwierig. Nun ja, das Zeug soll eh gekocht werden. Der Weg quert ein sumpfiges Wollgrashabitat, in dem einige Kollegen von Schafus norvegicus ein Tretbad nach Kneipp vornehmen. Der Anblick eines trollartigen haarigen Norddeutschen vertreibt sie rasch und ich nehme eine große Kelle Brühe.
                              Jede Skepsis verfliegt als die flockige Lache mit Mononatriumglutamat geschwängert wird, das jeden Moorgeschmack vertreibt.
                              Als wir rückzu den Weg mal leicht variieren, laufen wir prompt wieder zwei original Bächen über’n Weg. Arghh… Zu unserem Verdruss beginnt es auch wieder heftig zu schauern, sodass unser Flanieren über die Hafenpromenade in einer Flucht in die Betonkapsel des Busshålplats endet. Die restliche dreiviertel Stunde verbringen wir mit dem Memorieren der Briefkastennamen und rhythmischen Trommeleinlagen mit dem Hinterkopf auf selbigen.
                              Der Bus kam nach Plan und wir verspüren das fremdartige Gefühl, das einen befällt, wenn man nach Tagen Outdoorwanderns in einem rasanten motorisierten und hochgeheizten Gefährt über die Pisten gleitet und die schroffen Berge, an denen man tagelang entlang gewandert ist, im Zeitraffer einer Slideshow gleich vorbei ziehen.
                              Zehn nach Zehn sind wir in Sørvågen und steigen zum See auf, wo wir unser Zelt aufbauen und müde in die Kissen sinken.
                              Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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                              • Fjaellripan
                                Erfahren
                                • 19.01.2008
                                • 149
                                • Privat

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                                #35
                                AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                                Der Hermann. 13.08.09
                                Wir wollten den Tag nutzen und standen beizeiten auf, zumindest, was man in unserem Alter in der Freizeit als beizeiten bezeichnet. Der Wanderweg zur Munkebu ist jedenfalls schon hochfrequentiert, kein Wunder, dies ist der meistbegangenste Weg der Lofoten und das Wetter verspricht auch mal wieder ein paar Sonnenstrahlen. Wir lassen Zelt und Gepäck vertrauensvoll vor Ort und springen nun ganz frei und energiegeladen voran. Bald laufen wir wieder einigen dieser unsäglichen Schilder über den Weg, wonach der See als Trinkwasserreservoir der hiesigen Gemeinde dient und nicht als Zeltplatz. Doch wir wollen unseren Plan nicht aufgeben und nutzen noch mal die Gutmütigkeit der Nordmänner schamlos aus.
                                So ganz ohne Gepäck fliegen wir geradezu über die Piste, werden jedoch schon bald von einer großen Gruppe laut schnattender Franzosen ausgebremst, von denen es auf den Lofoten seltsamerweise zu wimmeln scheint. Franzmann für Franzmann arbeiten wir uns voran und preschen an einer Gabelung zügig vorbei. Dumm gelaufen: So übersehen wir den Verweis auf die Munkebu und geraten wieder mal auf die falsche Fährte.
                                Als wir eine Brücke überquert und uns des geringen Betriebs erfreut haben, fallen uns beim Umwenden die zahlreichen menschlichen Raupen auf dem Bergkamm auf und flitzen wieder zurück. Die Franzosen haben sich bereits ein ganzes Stück hochgeschraubt und sind immer noch lautstark am Quasseln, als wir zum Zweiten an ihnen vorbei preschen. Das ist hier oben um einiges erleichtert, denn hier ist nun Kalfjäll und weniger steiles Gelände. Oben rennen wir einmal im Kreis und besichtigen im Schnelldurchlauf die verschiedenen mit hechelnden Menschen reich bestückten Aussichtspunkte. Von hinten schieben die nächsten an, fließbandartig ergießen sich neue Massen auf den Gipfel, wir wetzen weiter. Um zwölf sind wir an der Munkebu. Kurz durchgeschnauft, einen Blick über das zerklüftete Tal geworfen und den Hermann ins Auge gefasst, der am anderen Ende der Schlucht aufragt wie ein riesiger Haizahn. Weiter.
                                Obwohl wir nicht ernsthaft den Berg als Tagesziel erwägen, wollen wir doch mal sehen wie weit wir kommen. Schließlich wird als Ausgangspunkt für eine Besteigung die Hütte empfohlen. Der nicht abreißende Strom aus Tagestouristen lässt auch unsere Rast kurz werden. Nun geht’s erstmal steil bergab, sehr steil bergab. Hier haben sich schlicht und ergreifend wieder mehrere Wegvarianten herausgetrampelt. Wir wählen die mit der höchsten Schwierigkeitsstufe, den Spaß lassen wir uns nicht nehmen – nein, im Ernst: Man sollte schon genau gucken, welchem Pfad man folgt. Der Weg ist nicht überall markiert und man gerät schnell auf Trampelpfade, die in riskanten Klettereien enden. Nun gut, wir überleben’s und sind auf einigen Metern ebenen Bodens, bevor es wieder steil bergan geht. Bis auf ein Päärchen läuft uns jetzt keiner mehr über den Weg. Am Krokvatnet, dem höchstgelegenen See, kräuselt frischer Wind das Wasser. Schneefelder säumen das Tal und die Vegetation ist nur noch sehr spärlich. Noch einer kurzen Stärkung gilt es wieder einen kleinen Berg zu überwinden, bis wir dann am Fuße des höchsten Bergs der äußeren Lofoten stehen. Wir beide wissen, was im Kopf des anderen vor sich geht: Vor vier Jahren hatten wir versucht, den Dovrefjell-Nationalpark an einem Tag zu durchqueren mit Besteigung des Snøhetta. Kurz vorm Gipfel hatten wir umkehren müssen, und uns später immer wieder gestichelt deswegen.
                                Wir sehen uns kurz an um zu sehen, dass wir uns einig sind: Den schaffen wir!
                                Nun geht das Abenteuer erst richtig los, denn der Weg ist wirklich nichts für Schwindelfreie. Gelegentlich gibt’s auch ein paar Kletterhilfen, die aber nicht mehr sehr vertrauenserweckend sind. An einigen sehr schmalen Graten ist der Ausblick atemberaubend, aber man muss zusehen, dass man nicht vom Anblick überwältigt wird, denn gleich neben dem Pfad geht’s mehrere Hundert Meter senkrecht runter. Die Steinhäufchen markieren den Weg über die Südflanke des Hermanndalstinden, die von einem riesigen Geröllfeld bedeckt ist. Der Blick nach oben offenbart ein Ärgernis: Der Hermann hüllt seine Glatze schamvoll im Wolkendunst. Aber unser Ergeiz tritt uns in den Arsch und wir krabbeln weiter. Noch ein Blick zurück und das gewaltige Panorama optisch eingesaugt, dann tauchen wir ab in den Nebel. Feine Tröpfchen schwirren umher. Sie werden immer größer. Es regnet. Die Felsblöcke sind jetzt verdammt rutschig. Am Ende des Geröllfelds ragen steile zerklüftete Felsen auf. Hier kommen wir nur noch mit beiderseitiger Hilfe weiter. Spätestens hier ist’s kein Trekking mehr. Die Nässe und schlechte Sicht erschwert das Ganze noch. An einigen Stellen müssen wir umkehren und es woanders probieren, da wir an den glatten Felsen keinen Halt finden. Recht plötzlich aber finden wir uns auf einigen Felsblöcken wieder, wo es nicht mehr höher geht. Wir sind erstaunt, aber das ist tatsächlich der Gipfel – ein spitzer Zacken der im Wolkendunst aufragt, drapiert mit einer tibetischen Gebetsflagge. Nicht wenig Euphorie wallt auf, die fehlende Sicht ist uns im Moment ziemlich egal. Es ist 15:30. Wir klettern über die Felsblöcke und finden zwei Ansätze eines Gipfelbuches, die jedoch trotz verschiedener robuster Techniken nicht dem eisenharten Klima dieses fremdweltlichen Außenposten der Erdenhülle standhalten konnten. Der Hermann duldet keine menschlichen Verewigungen, jegliche menschliche Präsenz verweht im Wind, verschluckt der Schnee, zermalmt der Fels.

                                Es ist ganz still, eine surreale Stimmung. Kaum ein Windhauch ist zu spüren, doch knapp über uns rasen die Wolken dahin durch die Felsspalten strömt wirbelnder Nebeldunst. Nach dem obligatorischen Freudenschrei und der Audioaufnahme warten wir noch eine Weile, doch trotz gelegentlich aufblitzenden Fetzen blauen Himmels über uns klart es nicht auf. Wir pfeifen uns den Belohnungserdnussschokoriegel rein und treten den Rückweg an.
                                Es wird zunehmend ungemütlich. Hatten wir vormittags heftig geschwitzt, frieren wir nun trotz sämtlicher Lagen Kleidung zunehmend. Als großer Fehler sollte sich erweisen, dass ich keinen Schal mitgenommen hatte…
                                Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen gelegentlich länger zu verweilen und die wahnsinnigen Ausblicke über die wilde, zerklüftete Landschaft zu genießen, über deren Bergkämme sich die Schauerwolken schieben, die intensiven Farben, den Nordwind im Gesicht.




                                Die letzten Ab- und vor allem der letzte Anstieg vor der Munkebu gehen dann noch mal mächtig in die Knochen. An der Hütte treffen wir noch zwei Franzosen, denen wir erklären müssen, dass es fernab der Munkebu und an den Seen mit Zelten sehr schlecht aussieht und hier man hier oben auch überall dem rauen Wetter ausgesetzt ist. Das arme Mädel sieht etwas unglücklich aus, aber die beiden verschwinden dennoch in Richtung Krokvatnet.
                                Das Zelt steht noch! Die Plane flattert im Wind, als wir um 20:30 im Tal ankommen. Die heftigen Schauer nehmen zu und wir verziehen uns mit der rasch gekochten Brokkolicremesuppe ins Zelt.

                                Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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                                • Pax
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                                  • 14.02.2009
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                                  #36
                                  AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                                  Mal weitermachen hier!

                                  Mir läuft bei dem Bericht das Wasser im Munde zusammen, ich will nämlich Sommer 2010 für einen Monat (wieder) auf die Lofoten.. kann's gar nicht erwarten! Wahrscheinlich hab ich bis Januar 2010 sämtliche Planung abgeschlossen xD

                                  Super Bericht, schöne Bilder! Alles andere wäre auf den Lofoten auch seltsam.. für mich der Himmel auf Erden. Mit ein paar Störenfrieden

                                  Ach ja, hab ich's schon erwähnt? Mehrhabenwill!

                                  EDIT:

                                  Das mit den Audioaufnahmen ist eine super Idee! Wurde von mir bisher immer wieder aus Gewichtsgründen verworfen... was ich vlt überdenken sollte. Tolle Sache!
                                  Moos - das war sein letzter Griff, bevor er in die Tiefe pfiff.

                                  Kondition statt Carbon!

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                                  • Fjaellripan
                                    Erfahren
                                    • 19.01.2008
                                    • 149
                                    • Privat

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                                    #37
                                    AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                                    Zitat von Pax Beitrag anzeigen
                                    Das mit den Audioaufnahmen ist eine super Idee! Wurde von mir bisher immer wieder aus Gewichtsgründen verworfen... was ich vlt überdenken sollte. Tolle Sache!
                                    Danke, für das Feedback. Ich benutze einen Digitalrekorder, der nicht viel mehr wiegt, als eine Tafel Schokolade. Nahm das Ding eigentlich mit um Geräusche für Filme aufzunehmen, aber die zwischenzeitlichen Momentaufnahmen und Statements sind eine schöne Erinnerung und gute Ergänzung zu Tagebuchaufzeichnungen.

                                    Lofotenmäßig kommt nicht mehr viel (nur noch ungutes ), aber es bleibt trotzdem spannend, da wir noch einen Abstecher in den Rago-Nationalpark bei Fauske machten, der ein schöner Kontrast zur Insellandschaft darstellt.
                                    Längtan - ein Filmprojekt im Fjäll

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                                      • 10.07.2008
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                                      #38
                                      AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                                      Ja, wirklich ganz toller Bericht über eine wunderschöne Landschaft! Wirklich lesens- und sehenswert! Möchte ich mir auch gerne einmal ganz direkt ansehen.

                                      Gruß,
                                      Meer Berge

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                                        AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                                        möp möp!

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                                        • Pax
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                                          #40
                                          AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos

                                          Ja schon, was denn los hier?
                                          Jetzt nimm dir mal ein Beispiel an meiner Alpenüberquerung, da stell ich schön gestreut aber regelmäßig den nächsten Tag rein, um mir ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erschleichen xD

                                          Will wissen wie's weiter geht!
                                          Moos - das war sein letzter Griff, bevor er in die Tiefe pfiff.

                                          Kondition statt Carbon!

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