AW: [NO] Lofoten + Rago August '09 und eine Prise Chaos
Urgewalten. 9.08.09
Akustische Impression
Am nächsten Morgen weht ein wenig Wind. Und wenig später weht noch ein wenig mehr Wind. Als peitschende Windböen am Zelt zerren, ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich mach noch eine sarkastische Bemerkung bezüglich Johannes Windwunsch gestern. „Aber wenigstens ist es trocken!“ Zack – Prasselnder Regen setzt ein. Klasse. Wir verspüren vorerst keinen Wunsch nach draußen zu torkeln und mapfen in der Höhle.
Allen uns gefälligen Regeln lässt der Regen diesmal nicht nach und so kommt die volle Regen-Montur zum Einsatz. Der in Intervallen herab wehende Regen und die Böen laden auch nicht wesentlich zum Verweilen ein und so sind wir recht schnell unten am Selfjord, wo der Wanderweg an einem Gehöft in eine Schotterstraße übergeht. Die Wolken rasen dahin und vereinzelt erscheinen Lichtlöcher. Na bitte, es geht doch!
Auf dem Schotterweg geht es recht schleppend voran. Die Strecke streckt sich streckenweise dahin und die Landschaft ist weniger reizvoll. Knapp vorm Einstieg zum Kvalvika-Weg, kommt ein Auto von hinten heran und stoppt. Ein Norweger streckt seinen Kopf aus dem Fenster und fragt, ob er uns ein Stück mitnehmen soll. Nett, aber gerade jetzt ist es nicht nötig, ist der Wanderweg ja schließlich schon in Sichtweite.
Der Wanderweg schlängelt sich über Schafweiden dahin. Die mit kleinen Baumgruppen, Seen und Felsblöcken durchsetzten Wiesen sind ein idyllisches Beispiel ästhetischen Kulturlands. Die über uns dahin rasenden Wolkenlöcher malen auf den Wiesen, Gipfeln und schroffen Klippen, heben mal das eine, mal das andere Detail der Landschaft hervor, markieren Linien, zeichnen Flächen, im ständigen Wechsel. Ein Fotografen-Eldorado.
Hier sehen wir die einzige Schutzhütte auf unserer ganzen Reise, ein grasbewachsenes, hübsch anzusehendes Hüttchen, das als Unterschlupf, aber wenig taugt, es zieht wie Hechtsuppe. Ein paar scheue Schafe beäugen uns kritisch. Wir gehen weiter zur Schlucht, wo der Weg sich über große Felsblöcke zwischen Bergflanken und einem kleinen klaren See hindurch quetscht.
Wir erreichen den westlichen Strand von Kvalvika. Die Bucht ist offener als Horseid und wirkt in dem wilden Wetter heute auch wesentlich unwirtlicher. Der erste Punkt hat auch ein wesentlich höheres Müllangebot zur Folge. Der Strand ähnelt stellenweise einem Schrottplatz und nach einigen Schritten barfuß im Sand detektieren die Fußsohlen klebrige Feuchtigkeit. Ein Blick hinter eine Düne offenbart seltsame unbeschriftete Kanister und Plasteflaschen und die Läuferchen werden rasch wieder verpackt. Wir entern den Strand seitlich rollend eine hohe Düne hinab und gehen zum Seeschlag vor. Doch dieser Strandabschnitt wird von einer großen Schar Seeschwalben-Miliz bewacht, die auch sogleich mit Krakeel einschreitet.
Also halten wir uns nicht lang auf, sondern folgen weiter dem Weg. Da grad Flut ist, führt dieser über einige größere Felsen, die den Kvalvika-Strand quasi zweiteilen. Einige Kletterhilfen erleichtern die Kraxelei, dennoch ist der Abschnitt recht abenteuerlich.
Der andere Strand ist nicht so stark verseucht. Hier befindet sich auch der alte Siedlungsplatz. Ein Keller ist noch zu entdecken, auch die Stellen ehemaliger Kartoffelfelder sind noch zu erahnen. Die sanft welligen Dünen sind mit einem golfplatzartigen Rasen bedeckt, der stellenweise auch stark erodiert ist. Hinter jedem Fels lugen die weißen Köpfe der Übeltäter hervor – Schafus norvegicus.
Am alten Siedlungsplatz befindet sich ein kleines Informationsschild, Bänke, Feuerstellen, Trinkwasserauffangbecken, ein aus Strandgut errichteter Spielplatz und ein Geocache. Eine Gruppe von Tagestouristen tingelt umher, zieht aber schon bald wieder von dannen, nachdem sie noch ausgiebig einen riesigen Walknochen beglotzt haben. Eine Frau spricht uns an, sie war auch auf der Reinefähre. Ungläubig starrt sie uns an, als ihr klar wird, dass wir zu Fuß hier her gekommen sind.
Wir beschließen hier zu bleiben, obwohl es erst kurz nach drei und ziemlich windig ist. Eine gute Entscheidung. Das Zelt wird in einer grabenartigen Mulde errichtet, nachdem der Lagerplatz soweit möglich von Schafscheiße befreit ist. Manche der Wiederkäuer haben jedoch offenbar Verdauungsprobleme und produzieren steinharte Bällchen, die am Boden festkleben, da ist nichts zu machen.
Jetzt fehlt noch ein ordentliches Lagerfeuer. An Brennmaterial mangelt es wirklich nicht, schwieriger ist es da schon, Steine für die Abgrenzung der Feuerstelle zu finden. Bald brutzelt die Suppe und ein Tee und unseren Magen mit Wärme füllend schauen wir auf das rauschende Meer. Durch die Wolkendecke brechende Strahlen gleiten über das grüne, aufgewühlte Nordmeer, von hohen Steilen Klippen eingerahmt – ein gigantischer Anblick. Nur die gezimmerten Bänke stören die Wirkung der Naturgewalten etwas. Verheizen!
Am Abend beschließen wir spontan den Felsen Ryten zu besteigen, der sich rechterhand 543 Meter fast senkrecht aus dem Meer erhebt. Der Steig ist wesentlich weiter als gedacht, aber das bereuen wir zu keiner Minute, denn nun eröffnet sich der wahrscheinlich unvergesslichste Anblick, der uns stark beeindruckt und tief berührt. Die Sonne steht tief, doch die Wolken sind zu dicht für einen Sonnenuntergang, den wir uns erhofft hatten. Stattdessen zeigt sich ein viel beeindruckenderes Schauspiel: Durch ein Loch der tief über dem Ozean hängenden Wolken tasten tiefgelbe Sonnenstrahlen über das Wasser, fließen auf uns zu und besprenkeln schließlich das pechschwarze Meer tief unter uns mit Goldfunken. Der Wind peitscht uns in die Haare, zwei Raben schweben im Aufwind der Klippe. Hier ist die Natur in ihrer Urkraft, fließt mit Wucht in unsere Sinne und gibt uns das Gefühl grenzenloser Freiheit. Eine halbe Stunde stehen wir da. Schweigend. Sturmgepeitscht.
Als wir wieder am Strand ankommen, ist das Meer zurück gewichen, der Wind hat sich beruhigt. Lang sitz ich noch auf den schwarzen Klippen, lasse das Rauschen in mich fließen, betrachte die Gischt, die bei jedem Brecher in die Höhe spritzt. Und bin zutiefst glücklich.
Urgewalten. 9.08.09
Akustische Impression
Am nächsten Morgen weht ein wenig Wind. Und wenig später weht noch ein wenig mehr Wind. Als peitschende Windböen am Zelt zerren, ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich mach noch eine sarkastische Bemerkung bezüglich Johannes Windwunsch gestern. „Aber wenigstens ist es trocken!“ Zack – Prasselnder Regen setzt ein. Klasse. Wir verspüren vorerst keinen Wunsch nach draußen zu torkeln und mapfen in der Höhle.
Allen uns gefälligen Regeln lässt der Regen diesmal nicht nach und so kommt die volle Regen-Montur zum Einsatz. Der in Intervallen herab wehende Regen und die Böen laden auch nicht wesentlich zum Verweilen ein und so sind wir recht schnell unten am Selfjord, wo der Wanderweg an einem Gehöft in eine Schotterstraße übergeht. Die Wolken rasen dahin und vereinzelt erscheinen Lichtlöcher. Na bitte, es geht doch!
Auf dem Schotterweg geht es recht schleppend voran. Die Strecke streckt sich streckenweise dahin und die Landschaft ist weniger reizvoll. Knapp vorm Einstieg zum Kvalvika-Weg, kommt ein Auto von hinten heran und stoppt. Ein Norweger streckt seinen Kopf aus dem Fenster und fragt, ob er uns ein Stück mitnehmen soll. Nett, aber gerade jetzt ist es nicht nötig, ist der Wanderweg ja schließlich schon in Sichtweite.
Der Wanderweg schlängelt sich über Schafweiden dahin. Die mit kleinen Baumgruppen, Seen und Felsblöcken durchsetzten Wiesen sind ein idyllisches Beispiel ästhetischen Kulturlands. Die über uns dahin rasenden Wolkenlöcher malen auf den Wiesen, Gipfeln und schroffen Klippen, heben mal das eine, mal das andere Detail der Landschaft hervor, markieren Linien, zeichnen Flächen, im ständigen Wechsel. Ein Fotografen-Eldorado.
Hier sehen wir die einzige Schutzhütte auf unserer ganzen Reise, ein grasbewachsenes, hübsch anzusehendes Hüttchen, das als Unterschlupf, aber wenig taugt, es zieht wie Hechtsuppe. Ein paar scheue Schafe beäugen uns kritisch. Wir gehen weiter zur Schlucht, wo der Weg sich über große Felsblöcke zwischen Bergflanken und einem kleinen klaren See hindurch quetscht.
Wir erreichen den westlichen Strand von Kvalvika. Die Bucht ist offener als Horseid und wirkt in dem wilden Wetter heute auch wesentlich unwirtlicher. Der erste Punkt hat auch ein wesentlich höheres Müllangebot zur Folge. Der Strand ähnelt stellenweise einem Schrottplatz und nach einigen Schritten barfuß im Sand detektieren die Fußsohlen klebrige Feuchtigkeit. Ein Blick hinter eine Düne offenbart seltsame unbeschriftete Kanister und Plasteflaschen und die Läuferchen werden rasch wieder verpackt. Wir entern den Strand seitlich rollend eine hohe Düne hinab und gehen zum Seeschlag vor. Doch dieser Strandabschnitt wird von einer großen Schar Seeschwalben-Miliz bewacht, die auch sogleich mit Krakeel einschreitet.
Also halten wir uns nicht lang auf, sondern folgen weiter dem Weg. Da grad Flut ist, führt dieser über einige größere Felsen, die den Kvalvika-Strand quasi zweiteilen. Einige Kletterhilfen erleichtern die Kraxelei, dennoch ist der Abschnitt recht abenteuerlich.
Der andere Strand ist nicht so stark verseucht. Hier befindet sich auch der alte Siedlungsplatz. Ein Keller ist noch zu entdecken, auch die Stellen ehemaliger Kartoffelfelder sind noch zu erahnen. Die sanft welligen Dünen sind mit einem golfplatzartigen Rasen bedeckt, der stellenweise auch stark erodiert ist. Hinter jedem Fels lugen die weißen Köpfe der Übeltäter hervor – Schafus norvegicus.
Am alten Siedlungsplatz befindet sich ein kleines Informationsschild, Bänke, Feuerstellen, Trinkwasserauffangbecken, ein aus Strandgut errichteter Spielplatz und ein Geocache. Eine Gruppe von Tagestouristen tingelt umher, zieht aber schon bald wieder von dannen, nachdem sie noch ausgiebig einen riesigen Walknochen beglotzt haben. Eine Frau spricht uns an, sie war auch auf der Reinefähre. Ungläubig starrt sie uns an, als ihr klar wird, dass wir zu Fuß hier her gekommen sind.
Wir beschließen hier zu bleiben, obwohl es erst kurz nach drei und ziemlich windig ist. Eine gute Entscheidung. Das Zelt wird in einer grabenartigen Mulde errichtet, nachdem der Lagerplatz soweit möglich von Schafscheiße befreit ist. Manche der Wiederkäuer haben jedoch offenbar Verdauungsprobleme und produzieren steinharte Bällchen, die am Boden festkleben, da ist nichts zu machen.
Jetzt fehlt noch ein ordentliches Lagerfeuer. An Brennmaterial mangelt es wirklich nicht, schwieriger ist es da schon, Steine für die Abgrenzung der Feuerstelle zu finden. Bald brutzelt die Suppe und ein Tee und unseren Magen mit Wärme füllend schauen wir auf das rauschende Meer. Durch die Wolkendecke brechende Strahlen gleiten über das grüne, aufgewühlte Nordmeer, von hohen Steilen Klippen eingerahmt – ein gigantischer Anblick. Nur die gezimmerten Bänke stören die Wirkung der Naturgewalten etwas. Verheizen!
Als wir wieder am Strand ankommen, ist das Meer zurück gewichen, der Wind hat sich beruhigt. Lang sitz ich noch auf den schwarzen Klippen, lasse das Rauschen in mich fließen, betrachte die Gischt, die bei jedem Brecher in die Höhe spritzt. Und bin zutiefst glücklich.
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